Fremdsprachenlehren und -lernen im Spannungsfeld von digital und analog -  - E-Book

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Beschreibung

Im Zentrum des vorliegenden Sammelbandes steht die Komplementarität von digitalem und analogem Fremdsprachenlehren und -lernen. Die im Rahmen des Paderborner Symposiums (2023) entstandenen Beiträge diskutieren die Auswirkungen von Digitalisierungsprozessen auf die theoretische Konzeptualisierung und zukünftige Veränderung des Fremd-sprachenunterrichts. Dabei werden Chancen und Grenzen der Digitalisierung für das Fremdsprachenlehren und -lernen differenziert erörtert und im Verhältnis zum Analogen reflektiert: analoge und digitale Räume bzw. Lehr-/Lernsettings sowie Vor- und Nachteile digitaler und analoger Formen des Sprachlernens in der Sprachpraxis- und Lehrerbildung. Der Band ist damit auch ein Plädoyer, das Verhältnis von analogem und digitalem Fremdsprachenlehren und -lernen einer didaktisch-methodischen Neukonzeptualisierung zu unterziehen.

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Seitenzahl: 302

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Christoph Bürgel / Benjamin Inal (Hrsg.)

Fremdsprachenlehren und -lernen im Spannungsfeld von digital und analog

Umschlagabbildung: iStock, ID 1181633355, © artisteer

 

Für die Teilfinanzierung des vorliegenden Bandes sei dem Zentrum für Bildungs-, Unterrichts-, Schul- und Sozialisationsforschung (ZeBUSS) der Europa-Universität Flensburg herzlich gedankt (die Hrsg.).

 

DOI: https://doi.org/10.24053/9783381107124

 

© 2025 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich.

 

Internet: www.narr.deeMail: [email protected]

 

ISBN 978-3-381-10711-7 (Print)

ISBN 978-3-381-10713-1 (ePub)

Inhalt

Einleitung: Fremdsprachenlehren und -lernen im Spannungsfeld von digital und analogLiteraturDigitalisierung und FremdsprachenlernenAbstract1. Einleitung2. Zur Frage der Nachhaltigkeit der Digitalisierung3. Digitalisierung und Fremdsprachenunterricht4. Kombinationen von Large Language Models mit anderen Werkzeugen als Game Changer für den Fremdsprachenunterricht5. FazitLiteraturWer reist schon gern nur digital?! Reiseaufenthalte und interkulturelle Kontakte aus fremdsprachendidaktischer PerspektiveAbstract1. Einleitung2. Präsenz und Absenz des Reisens in der Fremdsprachendidaktik und im Fremdsprachenunterricht3. Touristisches Reisen (re)visited: Wovon sprechen wir eigentlich, wenn wir von Tourismus sprechen?4. Reiseaufenthalte und interkulturelle Kontakte5. Reisen und Sprachverwendung5.1 Reisen und Sprachverwendung aus tourismuswissenschaftlicher Sicht5.2 Reisen und Sprachverwendung aus fremdsprachendidaktischer Sicht6. Fazit: Reisen zwischen analog und digitalLiteraturPerformative Ansätze in der analogen Lehre: Gestaltung von Sprachhandlungsräumen zur Förderung von Lehrkompetenzen im Lehramtsstudium Französisch und SpanischAbstract1. Gestaltung analoger Lehr-Lernräume als didaktische Aufgabe2. Performative Lehrkompetenzen in der universitären Ausbildung fördern2.1. Dramapädagogik und performative Didaktik2.2 Sprachhandlungsräume gestalten: Förderung einer performativen Lehrkompetenz2.3 Lehrkonzept für den Aufbau performativer Lehrkompetenzen im Lehramtsstudium Französisch und Spanisch3. Evaluation und AusblickLiteraturZwischen analog und digital – Wortschatzlernen angehender LehrkräfteAbstract1. Einleitung2. Wortschatzlernstrategien2.1 Inzidentelles und intentionales Wortschatzlernen im Lichte von Wortschatzlernstrategien2.2 Wortschatzlernen und Wortschatzlernstrategien von (angehenden) Lehrkräften2.3 Thematisierung von Wortschatzlernstrategien im Seminar3. Digitale Lernprogramme4. Erhebungs- und Auswertungsmethode4.1 Strategien und die Nutzung digitaler Tools in Schule und Studium4.2 Auswahl der digitalen Apps für das Seminar4.3 Regelmäßigkeit und Lernmotivation4.4 Mehrfaches Kodieren4.5 Veränderungen bei den Wortschatzstrategien4.6 Umgang mit digitalen Apps4.7 Reflexion und Ausblick auf die spätere Lehrtätigkeit5. Diskussion der ErgebnisseLiteraturIf you can’t beat them, join them. Übersetzungstools im universitären FremdsprachenunterrichtAbstract1. Zum Hintergrund2. Ergebnisse der Umfrage3. Thematisierung von Übersetzungstools im Sprachunterricht4. Konsequenzen für die Prüfungsgestaltung5. AusblickLiteraturOnline-Tandemkurs in der universitären Sprachpraxis am Beispiel des Fachs FranzösischAbstract1. Einleitung2. Was kennzeichnet Tandemlernen?3. Varianten des digitalen Tandemlernens4. Online-Tandemkurs Deutsch-Französisch4.1 Kontext4.2 Konzeption4.3 Durchführung5. Begleituntersuchung5.1 Forschungsfrage und Datenerhebungsinstrument5.2 Ergebnisse6. Diskussion7. AusblickLiteratur„man hat sich halt online getroffen“. Zur Aushandlung räumlicher Praktiken in virtuellen AustauschbegegnungenAbstract1. Einleitung2. Virtueller Austausche als Begegnungsräume2.1 Medialität und Modalität im virtual exchange2.2 Sprachliche Praktiken im Raum3. Datengrundlage und methodisches Vorgehen3.1 Das Projekt multi.com VIRTEX3.2 Datengrundlage3.3 Methodische Zugänge4. Die Aushandlung von Räumen sprachlicher Praktiken in virtuellen Austauschbegegnungen4.1 Die Wahrnehmung des Raums in Beschreibungen und Metaphern4.2 Die Schaffung von gemeinsamen Räumen in der Chatkommunikation5. Diskussion der Ergebnisse und AusblickLiteratur„ich fand’ das mit dem digitalen Austausch schon ganz gut“ – Virtuelle und physische Schüleraustausche im Spanischunterricht aus LernersichtAbstract1. Einleitung2. Schüleraustausche im Fremdsprachenunterricht3. Physische und virtuelle Austausche aus Sicht von Schülerinnen und Schülern3.1 Forschungsdesign3.2 Einblicke in die Schülerperspektive in Bezug auf virtuelle Austausche3.3 Teilnahmefördernde und teilnahmehemmende Faktoren in Bezug auf eine mögliche Teilnahme an einem Schüleraustausch nach Mexiko3.4 Die Wahrnehmung des Verhältnisses von physischem und virtuellem Austausch3.5 Virtuelle und physische Austausche als ‚Erfahrungsjagd‘4. FazitLiteraturAutorenverzeichnis

Einleitung: Fremdsprachenlehren und -lernen im Spannungsfeld von digital und analog

Christoph Bürgel (Universität Paderborn) / Benjamin Inal (Europa-​Universität Flensburg)

Der vorliegende Sammelband ist aus einem an der Universität Paderborn im Jahre 2023 abgehaltenen Symposium hervorgegangen, bei dem Fremdsprachendidaktikerinnen und -didaktiker das Spannungsfeld von Chancen und Grenzen des digitalen und analogen Fremdsprachenlehrens und -lernens diskutiert haben. Diese Ausrichtung steht im ,Geist‘ neuerer bildungspolitischer Diskussionen um die Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit der Digitalisierung des schulischen Lehrens und Lernens. Nach einer anfänglichen Euphorie über die Möglichkeiten der Digitalisierung scheint sich inzwischen ein ‚Innehalten‘ und bisweilen sogar eine gewisse Skepsis einzustellen. So mehren sich die kritischen Stimmen, die eine unreflektierte Digitalisierungsoffensive in Frage stellen und darauf hinweisen, dass Digitalisierung für den Lernerfolg und die Motivation der Lerner überschätzt wird, ja sogar negative Auswirkungen auf den Wissenserwerb haben kann (vgl. z. B. Singer/Alexander 2017; Mueller/Oppenheimer 2014). Pointiert könnte man mit Zierer (2017) sagen: Lernen bleibt Lernen, unabhängig von der Frage der digitalen oder analogen Rahmung. Diese Erkenntnis hat sich inzwischen auch in den ,Musterländern‘ der Digitalisierung der Schulen durchgesetzt. Galten Dänemark und Schweden bislang als Vorreiter des Lernens mit Tablet, Laptop und Handy, so vollziehen sie nun eine Kehrtwende und beabsichtigen, die Zeit vor dem Bildschirm beim Lernen deutlich zu verringern (vgl. Rühle 2024 sowie die Stellungnahme des Karolinska-​Instituts 2023). Allem Anschein nach ist der ,Pendelschlag‘ in Richtung Digitalisierung zu stark ausgefallen und bedarf einer Neujustierung mit dem Ziel, ein lernförderliches Gleichgewicht zwischen digitalem und analogem Lernen zu finden. Auch für die Fremdsprachendidaktik dürfte dieser Balanceakt und dieses Ringen um das richtige Maß, die angemessene Art und Weise sowie die Intensität des digitalen Fremdsprachenlehrens und -lernens wichtiger Bestandteil fremdsprachendidaktischer Reflexionen und Weiterentwicklungen in den nächsten Jahren sein. In diesem Licht betrachtet der vorliegende Sammelband digitales und analoges Fremdsprachenlehren und -lernen nicht als Kontrapunkte, sondern als komplementäre Seitenstücke, die jeweils Chancen bieten, aber auch Grenzen haben. Diese Ambivalenz exemplarisch sichtbar zu machen, ist Anliegen des Sammelbandes.

Ein Blick in die Fremdsprachendidaktik zeigt, dass die Digitalisierung für die Theorie und Praxis des Fremdsprachenunterrichts verschiedentlich reflektiert wird, wie sich exemplarisch an zwei Diskurssträngen kurz aufzeigen lässt: a) begriffs- und konzeptbildende Überlegungen und b) technologiebezogene Erörterungen. Zentraler Ausgangs- und Bezugspunkt der begriffs- und konzeptbildenden Reflexionen sind die fächerübergreifenden und fachspezifischen bildungspolitischen Dokumente. So wird im KMK-​Dokument Bildung in der digitalen Welt (vgl. KMK 2017) hervorgehoben, dass neben anwendungsbezogenen Kompetenzen bzw. instrumentellen skills insbesondere eine (selbst-)kritische Perspektivierung von Digitalisierung und von digitalem Mediennutzungsverhalten zu fördern sei. In der Neubearbeitung der Bildungsstandards (2023) wird dieser Gedanke als fremdsprachenspezifische digitale Kompetenz konzeptualisiert, die als transversale Kompetenz zu verstehen ist und „alle Dimensionen des Fremdsprachenlernens bzw. des übergeordneten Lernziels der interkulturellen und mehrsprachigen Diskurskompetenz durchdringt“ (25). Die daran anschließenden fremdsprachendidaktischen Diskussionen reflektieren Digitalisierung als Chance und/oder Herausforderung für den Fremdsprachenunterricht und prägen Schlagworte wie ,digitale Bildung‘ (für den Französischunterricht vgl. Inal/Wengler 2021), Digital Citizenship in Foreign Language Education (vgl. Lütge/Merse 2023), digital literacy als „Teilkompetenz der allgemeinen fremdsprachlichen Diskursfähigkeit“ (Hallet 2020: 201) oder critical literacy, die eine kritische Auseinandersetzung mit fake news, deep fakes, big data, Algorithmizität, digitalen Echokammern etc. (vgl. Leonhardt/Viebrock 2020) umfasst. Darüber hinaus wird in einer Art Grundsatzdebatte erörtert, inwiefern (fremdsprachliche) Interaktion und Vergesellschaftung in der ,Kultur der Digitalität‘ (Stalder 2016) neu zu denken seien.

Trotz des Erkenntniswerts dieser Diskurse fällt auf, dass Begriffe wie digital literacy zu einer ,quasi-​fremdsprachlichen Kompetenz‘ erhoben werden, deren Verbindung zum Kernziel des schulischen Fremdsprachenlehrens und -lernens – dem Erwerb einer soliden interkulturellen kommunikativen Handlungsfähigkeit – bisweilen ungeklärt bleibt. Das Leitziel des Fremdsprachenunterrichts beruht in einer Kultur der Digitalität genauso wie in einer Kultur der Analogizität in entscheidendem Maße auf der Fähigkeit, Sprache schriftlich und mündlich kompetent rezipieren und produzieren zu können. Die grundlegende Bedingung dafür ist wiederum die automatisierte Verfügbarkeit von sprachlichen Mitteln. Dass Sprachmittel grundsätzlich eine kompetenzbildende Funktion haben, wird zwar auch von den Bildungsstandards (2023) betont, allerdings wird die Bedeutung der individuellen Abrufbarkeit sprachlicher Mittel angesichts digitaler Werkzeuge relativiert:

Durch die Digitalisierung sind Werkzeuge für die (fremd-)sprachliche Kommunikation und Interaktion entstanden, bei denen […] hinsichtlich der gelingenden Kommunikation das eigenständige Verfügen über sprachliche Mittel und die mit ihnen erreichbaren funktional-​kommunikativen Kompetenzniveaus an Bedeutung verlieren. (KMK 2023: 25)

Entgegen dieser Einschätzung muss man sich klar machen, dass Fertigkeiten bzw. Kompetenzen nur in dem Maße entwickelt werden, in dem man auch über die erforderlichen sprachlichen Mittel verfügt. Eine Fremdsprache angemessen zu verstehen und sich differenziert in ihr äußern zu können, hängt maßgeblich vom Wortschatz (und Grammatik) ab (Abel 2003: 14). Wilkins hat diese Erkenntnis bereits im Jahre 1972 (111) pointiert formuliert: „without grammar very little can be conveyed, without vocabulary nothing can be conveyed“. Dieser direkte Zusammenhang zwischen Wortschatz und sprachlichen Kompetenzen ist durch zahlreiche empirische Studien seit den 1970er Jahren belegt worden (vgl. Pike 1979; Qian 2002; Steltmann 1979; Meara/Jones 1990; Staehr 2009; Bürgel/Siepmann 2012). Die individuelle Verfügbarkeit sprachlicher Mittel ist und bleibt trotz digitaler Werkzeuge der Dreh- und Angelpunkt des Fremdsprachenlernens und ist deshalb nicht hoch genug einzuschätzen.

Mit Blick auf die technologiebezogenen Diskurse in der Fremdsprachendidaktik stellt sich zunächst das grundlegende Problem der atemberaubenden Geschwindigkeit technologischer Neuerungen und Weiterentwicklungen Herr zu werden und diese in ihrer Konsequenz für den Fremdsprachenunterricht zu antizipieren. Hier sei nur an das in der Fremdsprachendidaktik bisher kaum reflektierte Zukunftsszenario emotionserkennender und empathiefähiger Avatare erinnert, die das durch Lehrkräfte angeleitete institutionelle Fremdsprachenlernen in Zukunft ergänzen und sogar in Teilen ersetzen könnten. Im ‚Diesseits‘ stehen neben den prominentesten digitalen Technologien wie ChatGPT, DeepL, Youglish, Speechify, Language Reactor usw. eine kaum mehr überschaubare Fülle an digitalen Werkzeugen zur Verfügung. Die fremdsprachendidaktischen Erörterungen reichen dabei von der Behandlung authentischer Medienprodukte wie YouTube-​Videos oder Podcasts über den Einsatz von Korpora bis hin zu für Vermittlungszwecke entworfene Apps, Webseiten etc. wie etwa Kahoot oder LearningApps.org (vgl. Ludwig 2022: 78-134; Heim/Ritter 2012 sowie den Themenschwerpunkt ,Digital Classroom‘ in Der fremdsprachliche Unterricht Englisch, 144/2016).1 Im Bereich der Literaturdidaktik dreht sich die Frage vor allem um neue digitale Möglichkeiten der Rezeption, des Umgangs und der Produktion im Sinne ,digitaler Formen des Erzählens‘ (vgl. Becker/Matz 2020) oder digital basierter Textlektüren (vgl. Ludwig 2021). Einerseits werden diese digitalen Technologien aufgrund ihrer Unterstützerfunktion als Chancen für das Fremdsprachenlehren und -lernen angesehen (z. B. Themenschwerpunkt ,Digitale Helfer im Spanischunterricht‘ in Hispanorama, 166/2019). Andererseits wird zu Recht kritisiert, dass „für den Fremdsprachenunterricht derzeit noch der Werkzeugcharakter von digitalen Medien in der Unterrichtspraxis im Vordergrund“ (Vogt/Schmidt 2021: 44) stehe, der sich bisweilen durch einen „overly optimistic tone adopted by many educational technology advocates“ (Thomas/Reinders/Warschauer 2013: 9) kennzeichnet. Die didaktisch-​methodische Funktionalität der Einbindung digitaler Werkzeuge in fremdsprachliche Lehr- und Lernprozesse dürfte aus fremdsprachendidaktischer Sicht eine der zentralen Herausforderungen sein. Dennoch bieten die digitalen Technologien im Kern zwei Vorteile: 1. Sie ermöglichen individualisiertes und interaktives Sprachlernen im eigenen Rhythmus, nach individuellen Bedürfnissen und Interessen. 2. Sie erhöhen die Kontaktzeit mit der Fremdsprache und bieten über die didaktisierte Lehrbuch- und Unterrichtssprache hinaus authentischen sprachlichem Input (vgl. auch Siepmann in diesem Band). Gleichzeitig erzeugen digitale Technologien einen Anpassungs- und Legitimationsdruck auf den Fremdsprachenunterricht (vgl. Schmenk 2020: 31). Mit Blick auf die Anpassung an die digitale Realität muss die Fremdsprachendidaktik im Kern die Frage beantworten, wie digitale Technologien zur Effizienzsteigerung des Fremdsprachenlehrens und -lernens beitragen können. Damit könnte zugleich dem immensen bildungspolitischen Legitimationsdruck – der Diskussion um den Sinn und die Notwendigkeit des Erlernens von Fremdsprachen (insbesondere einer zweiten Fremdsprache über das Englische hinaus) – begegnet werden.2 Wer das Erlernen einer Fremdsprache in Frage stellt, verkennt die Bedeutung interkultureller kommunikativer Handlungsfähigkeit in unserer heutigen Zeit. Die Relevanz der Beschäftigung mit Alterität und folglich des Kompetenzaufbaus im Umgang mit Alterität in einem umfassenden Sinne – also mit fremden Sprachen, Kulturen, Menschen, Geschichten etc. – kann angesichts aktueller gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen nicht hoch genug angesetzt werden. Genau dafür ist das Erlernen der fremden Sprache mit dem Ziel der Verständigung, des Austausches und des interkulturellen Verstehens unabdingbar. Dabei wird man sich einen banalen, aber alles entscheidenden ‚analogen‘ Umstand klar machen müssen: Fremdsprachenlernen bleibt Lernen der fremden Sprache – in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Dieser Denk- und Lernprozess kann von keiner digitalen Technologie abgenommen werden. Im Zentrum des Lehr- und Lernprozesses steht dabei die Sprache. Das Aufnehmen, Memorisieren, Üben und Anwenden von Wortschatz und Grammatik bzw. „komplexer lexiko-​grammatischer Einheiten“ (vgl. Bildungsstandards 2023) ist Kernbestandteil des Fremdsprachenunterrichts und kann nicht digital ersetzt werden, zumindest solange man den Anspruch einer individuell kompetenten Sprachverwendung erhebt.

Wie auch immer die hier ,angerissenen‘ Stränge der Diskussion um Digitalisierung und Fremdsprachenlehren und -lernen sich entwickeln: Die Fremdsprachendidaktik wird das Potenzial der Digitalisierung für ein wirkungsvolles und nachhaltiges Fremdsprachenlernen überzeugend reflektieren müssen, um Zweifel an der Existenzberechtigung des Fremdsprachenunterrichts abzuwehren.

Dieses Potenzial der Digitalisierung im Zusammenspiel mit Analogizität exemplarisch aufzuzeigen und zu diskutieren, ist den Beiträgen des vorliegenden Bandes gemeinsam. Dabei beleuchten sie Chancen und Grenzen des Digitalen und Analogen und verdeutlichen einerseits den spezifischen Mehrwert digitaler Medien, Werkzeuge und Lehr-/Lernsettings, andererseits die Vorteile und Notwendigkeit analoger Formen des Fremdsprachenlehrens und -lernens.

Den Auftakt macht DirkSiepmann mit einer kritischen Perspektive auf die allgemeine Digitalisierungstendenz, indem er zunächst die ökonomischen Grundlagen und die bedenklichen ökologischen Folgen beleuchtet, bevor er die Nachhaltigkeit der Digitalisierung von Schulen und schulischem Fremdsprachenunterricht erörtert. Dabei hinterfragt er nicht nur den Mehrwert von Digitalisierung, sondern diskutiert auch die momentan stattfindenden technischen Umwälzungen (u. a. durch ChatGPT) und deren Konsequenzen für die Zukunft des Fremdsprachenunterrichts.

Benjamin Inal versteht in seinem Beitrag Tourismus als analoge Praxis, die maßgeblich von zwischenmenschlichem Kontakt und von mündlicher Sprachverwendung geprägt ist. Ausgehend vom hohen Lebensweltbezug des Reisens im Allgemeinen und der Fremdsprachenverwendung beim Reisen im Besonderen liefert der Beitrag eine Relationierung von tourismuswissenschaftlicher und fremdsprachendidaktischer Forschung. Dabei zeigt sich, dass die Qualität interkultureller Sprachkontakte von vielfältigen Faktoren abhängig ist, die mit der analog-​situativen Konstellation des Kontakts zusammenhängen. In diesem Zusammenhang ist mitnichten davon auszugehen, dass sich Fremdsprachengebrauch und interkulturelle Verständigung beim Reisen automatisch einstellen.

Auch Victoriadel Valle rückt die Frage nach notwendig analogen Formen des Fremdsprachenlehrens und -lernens in den Mittelpunkt ihres Beitrags. So schlägt sie ein Modell zur Entwicklung und Förderung einer performativen Lehrkompetenz von angehenden Fremdsprachenlehrkräften vor, das die Bedeutung von analogen Faktoren – Körper, Raum und sozialen Konstellationen – ins Zentrum didaktischer Reflexionen stellt. Das Modell greift unter anderem auf Methoden der Dramapädagogik zurück und beinhaltet eine Phasierung über vier sogenannte ,Methodenmodule‘.

Mit digitalen vs. analogen Tools und Strategien zum Wortschatzlernen von Spanischstudierenden befasst sich der Beitrag von KatharinaWieland. Auf der Grundlage studentischer Lernportfolios zum Gebrauch und Nutzen von Wortschatzlernwerkzeugen und -strategien zeigt sie auf, dass Studierende sowohl Vorteile des digital gestützten Wortschatzerwerbs sehen als auch analoge Formen der interaktiven Auseinandersetzung mit Wortschatz und Sprachlernstrategien, wie sie in den Präsenzsitzungen der universitären Lehrveranstaltung stattgefunden haben, als gewinnbringend erachten.

Der ebenfalls aus der Hochschuldidaktik stammende Beitrag von SigridBehrent und Robert Wolf untersucht die Nutzung von Übersetzungstools wie DeepL durch Studierende, die an universitären Sprachenzentren Sprachkurse belegen. Auf der Grundlage von Umfragen an den Universitäten Paderborn und Bayreuth wurde die Bekanntheit von Übersetzungstools, deren Bewertung sowie das Nutzungsverhalten der Lernenden eruiert. Daran anschließend geben die Autoren Handlungsempfehlungen für den hochschuldidaktischen Einsatz von Übersetzungstools und beleuchten deren Chancen und Risiken.

MarkBechtel untersucht in seinem Beitrag das Videokonferenzsystem BigBlueButton als digitale Plattform für das sprachlich-​interkulturelle Tandemlernen zwischen Studierenden aus Frankreich und Deutschland. Bechtel stellt heraus, dass das seit der Corona-​Pandemie breit eingesetzte digitale Medienverbundsystem Chancen und Vorteile für den Spracherwerb und das interkulturelle Lernen bietet. Mithilfe eines schriftlichen Fragebogens wird die Forschungsfrage beantwortet, wie Studierende ihre Tandemlernerfahrung einschätzen und wie sie diese Einschätzung begründen.

Mit virtuellem Austausch befasst sich auch der Beitrag von SandraBallweg, wobei die chat-​basierte und somit stärker zeitversetzte Kommunikation zwischen den Teilnehmern (etwa im Vergleich zur Videokonferenz) im Zentrum der Untersuchung steht. Der virtuelle Austausch wird – raumtheoretischen Annahmen folgend – als Begegnungsraum verstanden, woran die Fragestellung anschließt, wie der soziale Raum von den beteiligten Akteurinnen und Akteuren gestaltet wird. Die Analyse der Chat-​Verläufe von Schülerinnern und Schülern sowie von Studierenden unterschiedlicher Erstsprachen zeigt insbesondere, welche unterschiedlichen Funktionen Bilder und Videos für diese Form des multimodalen, virtuellen Austauschs besitzen.

Mara Büter stellt in ihrem Beitrag die schülerseitige Wahrnehmung eines virtuellen Austausch- und Begegnungsprojekts zwischen mexikanischen und deutschen Schülerinnen und Schülern vor. Im Mittelpunkt steht die Frage nach hemmenden bzw. förderlichen Faktoren für die Teilnahme an virtuellen im Vergleich zu physischen Austauschen. Der Vergleich zeigt, dass es eine Reihe von Faktoren gibt, die dazu führen, dass die Schülerinnen und Schüler tendenziell einen virtuellen Austausch vorziehen.

Literatur

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Digitalisierung und Fremdsprachenlernen

Dirk Siepmann (Universität Osnabrück)

Abstract

Der Artikel setzt sich kritisch mit der Digitalisierung des Bildungswesens und insbesondere des Fremdsprachenlernens auseinander. Es wird dargelegt, dass die umfassende Digitalisierung als Instrument des Konsumerismus und aufgrund ihrer ökologischen und ökonomischen Voraussetzungen und Folgen nur eine vorübergehende Erscheinung sein könnte. Im ersten Teil werden die problematischen materiellen und theoretischen Grundlagen der Digitalisierung dargestellt. Der zweite Teil nimmt die theoretische Begründung der Digitalisierung des Bildungswesens in den Blick, insbesondere im Hinblick auf die mangelnde Überlegenheit digitalen Lernens gegenüber traditionellen Methoden. Es wird argumentiert, dass digitale Technologien weder eine höhere Motivation noch bessere Lernergebnisse zeitigen. Die Rolle der künstlichen Intelligenz im Fremdsprachenunterricht und ihres Potentials für den Anfangsunterricht wird im dritten Teil beleuchtet. Abschließend wird für eine reflektierte Haltung zur Digitalisierung plädiert, die deren Nutzen kritisch hinterfragt und auf die Entwicklung nachhaltiger Bildung abzielt.

1.Einleitung

In diesem eher essayistischen Beitrag möchte ich eine analytische Attacke reiten. Eine Attacke gegen ideologische Positionen verschiedener Art: auf der einen Seite gegen die forcierte Digitalisierung und ihre gedankenlose Oktroyierung auf Schulen als letztes Aufbäumen des Konsumerismus, auf der anderen Seite gegen den verzweifelten Versuch der Fremdsprachendidaktik, ihr pré carré gegen die künstliche Intelligenz theoretisch-​konzeptuell einhegen zu wollen, während sie sie gleichzeitig in geradezu schizophrener Manier mit offenen Armen aufnimmt.1

In einem ersten Teil setze ich mich mit der von der IT-​Industrie beförderten Digitalisierung des Lehrens und Lernens auseinander. Diese fußt auf einem wackligen Fundament, sowohl in materieller als auch in theoretischer Hinsicht. In materieller Hinsicht wird von der dauerhaften Verfügbarkeit nicht dauerhaft verfügbarer Ressourcen ausgegangen: für die Herstellung der (aktuell ca. 7 Milliarden) digitalen Geräte (Computer, Überwachungskameras, Smartphones usw.) benötigt man ca. 30 verschiedene seltene Metalle, darunter 17 sogenannte seltene Erden, die im Übrigen auch für die Herstellung von Solarpaneelen, Windrädern und Glasfaserkabeln gebraucht werden. Diese seltenen Erden (z. B. Silber, Zinn, Antimon, Yttrium, Gallium, Indium, Silizium) werden sich aufgrund ihrer extremen Ausbeutung zwischen 2025 und 2035 erheblich verknappen und sind nicht vollständig oder ökonomisch recyclebar (Vargas 2022: 282ff.); komplizierend tritt die aktuelle geopolitische Lage eines zweiten ,Kalten Krieges‘ (Niall Fergusson) hinzu, die bereits frühzeitig zu Lieferengpässen führen kann. Außer in einigen wenigen Bereichen, in denen möglicherweise Vorsorge getroffen wird (z. B. Medizin, Militär), könnte die umfassende Digitalisierung unseres Lebens auch aufgrund des nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehenden elektrischen Stroms (bereits um 2045, wo nach heutigen Schätzungen nur noch die Hälfte des derzeit verfügbaren Stroms zur Verfügung stehen wird) im Rückgang begriffen sein oder nach einigen Autoren sogar ganz zum Stillstand kommen (Vargas 2022: 289; Herrmann 2022: 163).2

Im ersten Abschnitt werde ich daher argumentieren, dass die Digitalisierung der führenden Industriestaaten rückblickend nicht mehr als ein flüchtiger Augenblick in der Geschichte der Menschheit und der Pädagogik gewesen sein wird. In der Zwischenzeit bleibt sie einer der größten ,Klimakiller‘, mit steigender Intensität. Das Paradox der Forderung nach einer Digitalisierung der Schulen besteht also darin, dass wir einerseits der Schülerschaft die Fähigkeit zur Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft vermitteln wollen, dies aber andererseits mit Mitteln zu erreichen suchen, die diesem Ziel entgegenlaufen. Echte Nachhaltigkeit würde in einem breiten Verzicht auf Digitalisierung bestehen, wie im Folgenden noch näher zu erläutern sein wird.

Im zweiten Teil geht es um die theoretische Unterfütterung der Digitalisierungsoffensive. Die zur Verfügung stehende Forschung in diesem Bereich beschränkt sich zwangsläufig auf den Zeitraum vor der allgemeinen Verbreitung von Large Language Models (fortan: LLMs) wie ChatGPT. Im Einklang mit dieser Forschung weise ich darauf hin, dass trotz der berechtigten Förderung nach digitaler Teilhabe der aktuellen Schülergenerationen (Hallet et al. 2020) die Einsicht nicht in Vergessenheit geraten darf, dass digitales Lernen weder langfristig mehr motiviert noch bessere Ergebnisse zeitigt als analoges Lernen. „Lernen bleibt Lernen“, so Klaus Zierer (2017), gleichviel, ob es analog oder digital stattfindet. Zentral für Lernen ist u. a., die Lerner dort abzuholen, wo sie stehen, sie zu fordern, Vertrauen aufzubauen und eine Lerngemeinschaft zu bilden, Fehler sichtbar zu machen und Gespräche über den eigenen Lernprozess zu führen (Hattie/Zierer 2019).

Im dritten Teil argumentiere ich, dass die KI bereits jetzt effizientere und spannendere Lösungen für das Fremdsprachenlernen bereithält als die schulische Sprachvermittlung. Es eröffnen sich allerdings Perspektiven für eine Beschleunigung des Anfangsunterrichts, die Ausweitung des bilingualen Unterrichts und die Perfektionierung fremdsprachenunterrichtlicher Hilfsmittel.

2.Zur Frage der Nachhaltigkeit der Digitalisierung

In diesem ersten Abschnitt möchte ich einen knappen, aber umfassenden Blick auf die Digitalisierung werfen und deren Sinnhaftigkeit, Nachhaltigkeit sowie Dauerhaftigkeit kritisch hinterfragen. Es wird sich zeigen, dass das meiste, was die Digitalisierung bietet, nicht sinnvoll, nicht nachhaltig und daher glücklicherweise auch nicht von längerer Dauer sein wird.

Fragen wir uns zunächst, in welchem gesellschaftlichen Rahmen die Digitalisierung steht. Ökonomisch betrachtet stechen zwei Aspekte heraus: zum einen stellt die digitale Ausstattung der Schulen ein Milliardengeschäft für die einschlägigen Konzerne dar, insbesondere auch deshalb, weil es niemals allein bei der Erstausstattung bleibt, sondern aufgrund der ökologisch höchst fragwürdigen geplanten Obsoleszenz der Geräte in sich stetig verkürzenden Zyklen bereits die nächste Gerätegeneration erworben werden muss. Die Notwendigkeit dieser Ausstattung wird von Organisationen wie der OECD mit der sogenannten employability begründet, einer Ausbildung für den zukünftig als stark digitalisiert imaginierten Arbeitsmarkt – was durchaus bezweifelt werden kann: zwar werden in Zukunft mehr Fachkräfte z. B. in der Softwareentwicklung benötigt werden, gravierender werden aber Engpässe in Pflegeberufen, medizinischen Gesundheitsberufen, Handwerk, Handel und den sog. MINT-​Bereichen ausfallen, die zwar auch Anteile von Digitalisierung enthalten, aber letztlich nur Bedien- bzw. Nutzerkompetenzen verlangen.

In Wirklichkeit gehe es nach Meinung vieler Kritiker darum, „[d]ie Schulen … faktisch zu Keimzellen eines BigData-Ökosystems“ zu machen, wie es sogar in einem Buch heißt, das Big Data befürwortet (Mayer-​Schönberger/Cukier 2014: 52). D.h., es geht um die undemokratische Totalüberwachung der Verhaltens-, Kommunikations-, Lern- und Entwicklungsdaten und den Handel mit den persönlichen Daten der Schüler. Die Digitalisierung schafft „ein viel unauffälligeres und zugleich wirksameres Machtmittel, nämlich die Beherrschung des Rückkanals, also aller Reaktionen auf die Angebote und Entwicklungen der smarten Diktatur. Solche Herrschaft kann kontrollieren, was die Beherrschten selbst zu sein glauben und sein wollen. Das ist herrschaftstechnisch die innovativste Übergangszone ins Totalitäre.“ (Welzer 2016: 234)

Neben dem ökonomischen Rahmen sind die ökologischen bzw. materiellen Grundlagen der Digitalisierung in den Blick zu nehmen. Dabei sind vereinfacht gesprochen zwei verschiedene Gesichtspunkte wichtig: zum einen verbrauchen Herstellung und Nutzung digitaler Geräte Energie und tragen somit in nicht unerheblichem Maße zur Erderwärmung bei, zum anderen werden für ihre Herstellung ca. 30 Metalle, darunter 17 sogenannte seltene Erden verwendet.

Der Begriff ,seltene Erden‘ geht darauf zurück, dass der weltweite Vorrat derselben in seiner Gesamtheit z. B. etwa 15000-mal weniger als der Vorrat an Eisen beträgt; vor allem sind seltene Erden jedoch in sehr geringen Mengen in den jeweiligen Lagerstätten vorhanden (meist 1 %, maximal 5 %). Zur Herstellung eines typischen Windkraftwerks benötigt man beispielsweise 17 kg seltene Erden. Der Bedarf an seltenen Erden steigt im Durchschnitt um 6 % pro Jahr, für einzelne Metalle, wie Dysprosium (z. B. in Magneten in Windkraftanlagen eingesetzt) oder Neodym (z. B. in Kernspintomographen oder Festplatten zu finden), jedoch um einen wesentlich höheren Faktor (700 % bzw. 2500 %). Das bedeutet in einfachen Zahlen ausgedrückt, dass wir in den nächsten 25 Jahren genauso so viel seltene Erden (ver)brauchen werden wie in den 50.000 vorhergehenden Jahren der Menschheitsgeschichte. Für die ,zukunftsweisenden‘ Sektoren der Robotik und Drohnen werden übrigens sämtliche dieser Metalle benötigt.

Ca. 60 % der seltenen Erden sowie Zwischenprodukte wie Magnete und Batterien kommen aus China, was ein Versorgungsrisiko darstellt. So reduzierte China z. B. im Jahr 2011 die Exportquoten, was zur Folge hatte, dass sich die Preise einzelner seltener Erden im Jahr 2011 außerhalb Chinas versechsfachten. Neben geopolitischen Auseinandersetzungen wird auch der bald einsetzende Rückgang fossiler Brennstoffe für Probleme bei der Extraktion und beim Transport von Metallen sorgen, auch aus anderen Förderländern wie Brasilien, Kanada und Chile. Bei wachsender Energieknappheit wird gleichzeitig immer mehr Energie benötigt werden, um die in immer geringerer Dichte im Erdboden vorhandenen Metalle zu extrahieren. Schließlich sei erwähnt, dass der Bergbau einen sehr hohen Wasserbedarf hat und durch Grabungen sowie das Einbringen von Chemikalien in den Boden die Wasserqualität beeinträchtigt. Schon jetzt tritt er in Abbauländern wie Chile und Peru in Konflikt mit der Grundversorgung der Bevölkerung mit Wasser (vgl. z. B. Leprince 2022).

Wer nun der Meinung ist, dass sich diese Problematik durch das Recycling von Altgeräten lösen lasse, der verkennt mehrere wesentliche Punkte. Erstens ist zu beobachten, dass die Anzahl der elektronischen Geräte stetig zunimmt. Zweitens müssen diese Geräte aufgrund der geplanten Obsoleszenz regelmäßig ersetzt werden. Drittens stehen diesen Herausforderungen bisher nur sehr begrenzte Recyclingmöglichkeiten gegenüber. Aktuell wird die Recyclingrate bei seltenen Erden auf weniger als 1 % geschätzt. Aus einem Smartphone z. B. sämtliche Metalle wieder separat zu entfernen ist bisher unmöglich, und selbst die entnehmbaren Anteile können nur per Hand entfernt werden, was ökonomisch nicht machbar ist. Die Realität sieht derzeit so aus, dass ein Großteil der Altgeräte in Müllverbrennungsanlagen landet. Etwa 15 % der Geräte werden in Städte des ,Globalen Südens‘ wie Akkra (Ghana), Lagos (Nigeria), Karachi (Pakistan) exportiert, wo u. a. Kinder die elektrischen Kabel und Stromkreise verbrennen, wodurch Schadstoffe wie Blei, Arsen und Kadmium in Wasser und Böden gelangen.

Damit kommen wir zu einem weiteren zentralen Problemfeld: dem Energieverbrauch. Die Digitalisierung ist abhängig von elektrischem Strom, dessen Verfügbarkeit für alle konkurrierenden Nutzer möglicherweise nicht in ausreichendem Maße gewährleistet ist. Um die Tragweite dieses Problems zu verstehen, muss man sich vor Augen führen, dass aktuell etwa 84 % des weltweiten Energieverbrauchs aus fossilen Quellen stammen, während lediglich 16 % durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Auch in Deutschland ist der Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtenergieverbrauch mit etwa 17,7 % (Herrmann 2022: 138) nicht wesentlich höher. In einer Welt, die eine Reduktion von CO2 oder gar eine vollständige Dekarbonisierung anstrebt, müsste theoretisch dieser 84 %-Anteil durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Der Wandel vollzieht sich aber langsamer als es wünschenswert wäre: Im Verlauf der ersten zwei Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts nahm der Anteil der Erneuerbaren zwar um den auf den ersten Blick eindrucksvoll erscheinenden Faktor 50 zu, was aber vor allem mit dem Ausbau der Wasserkraft zusammenhing. Gleichzeitig blieb der Anteil fossilen Kohlenstoffs aber etwa auf dem gleichen Niveau (87 % im Jahre 2000).1 Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie kommt daher für den Fall einer Dekarbonisierung zu dem Schluss, dass wir in der Zukunft mit mindestens der Hälfte weniger Energie auskommen müssen. Die aktuellen Prognosen der EIA z. B. gehen jedoch aufgrund demographischer und makroökonomischer Entwicklungen davon aus, dass auch 2050 fossile Brennstoffe noch einen erheblichen Anteil am Gesamtenergieverbrauch haben werden, auch wenn der Anteil der nicht-​fossilen Brennstoffe an der Primärenergie auf 29 % bis 34 % im Jahr 2050 in allen angenommenen Szenarien steigen wird (EIA 2023).

Vor dem Hintergrund dieser Kombination aus Energie- und Rohstoffmangel gehen realistische Zukunftsszenarien von einer Rationierung und einem generellen Rückgang in allen Bereichen aus.2 Daher stehen uns im Grunde zwei Möglichkeiten offen: Entweder wir organisieren dieses Schrumpfen systematisch oder wir steuern auf katastrophale Versorgungsengpässe zu. Ein solches ,Vor-​die-​Wand-​Fahren‘ kann man sich vorstellen als abrupten Zusammenbruch essenzieller Infrastrukturen, wie beispielsweise den Ausfall der Wasserversorgung in Großstädten von einem Tag auf den anderen, eine gnadenlose Abholzung der Wälder bis zum letzten Baum, letztlich einen Kampf ums Überleben, der jeden gegen jeden stellt, verbunden mit einem Massensterben.

Die geringere Verfügbarkeit von Energie führt unweigerlich zu einer Einschränkung der Nutzungsspielräume. In den üblichen Szenarien wird z. B. vom Wegfall des Flugverkehrs und seiner Ersetzung durch elektrifizierten Bahnverkehr ausgegangen. Hinzu kommt die Problematik der zeitweise aussetzenden Stromversorgung durch Wind- oder Dunkelflauten.

Schauen wir uns noch einmal spezifisch das Internet als Basis für die heutige Form der Digitalisierung an. Die Frage nach dem Stromverbrauch des Internets ist komplex und nicht einfach zu beantworten. Berücksichtigt man jedoch Datenspeicher, Endgeräte und Aktivitäten wie Krypto-​Mining, so kommt man einem Bericht der Königlichen Technischen Hochschule (KTH) Schwedens aus dem Jahr 2019 zufolge auf etwa 10 % des weltweiten Gesamtstromverbrauchs.3 Dieses Ergebnis deckt sich mit einem Bericht der Digital Power Group aus dem Jahr 2013 (vgl. Mills 2013). Wäre das Internet ein Land, würde es also beim Stromverbrauch weltweit an dritter Stelle stehen – nach China und den USA – und etwa 7,6 % des weltweiten CO2-Ausstoßes verursachen. Trotz großer Effizienzgewinne, beispielsweise bei Datenspeichern, ist der Trend des Energieverbrauchs exponentiell steigend, mit einer Verdopplung etwa alle vier Jahre. Unter diesen Umständen würde das Internet bis 2032 etwa die Hälfte des weltweiten Stromverbrauchs beanspruchen. (Entwicklungen wie ,intelligente‘ Häuser, 5G und das Internet der Dinge mit ihren vielfältigen Rebound-Effekten sind dabei noch gar nicht berücksichtigt.)

In den 2030er Jahren wird die Verringerung verfügbarer Energie zweifellos zu erheblichen Rationierungseffekten führen müssen. Angesichts der Tatsache, dass auf wesentliche Dienste wie Heizung, Krankenhäuser, Grundprodukte der chemischen Industrie oder den Transport von Waren und Personen nicht verzichtet werden kann, wird ein Schrumpfen der Digitalisierung – sowie der Wirtschaft insgesamt – allein aus Energieknappheit unausweichlich sein. Hinzu kommt, dass die für digitale Technologien benötigten Materialien aufgrund der Konkurrenz zu Solaranlagen und Windkraftwerken nicht mehr im bisherigen Umfang zur Verfügung stehen werden.

Daraus ergibt sich die Annahme, dass die Aufrechterhaltung der Digitalisierung in Schulen und möglicherweise auch Universitäten in einem Zeitfenster von 20 bis 25 Jahren nicht mehr realisierbar sein wird. Der Fokus wird primär auf lebensnotwendigen Anwendungen liegen, wie etwa in der Medizin, dem Militär und anderen überlebenswichtigen Bereichen.

Das Paradox der Forderung nach einer Digitalisierung der Schulen besteht also zusammengefasst darin, dass wir einerseits der Schülerschaft die Fähigkeit zur Gestaltung einer lebenswerten Zukunft vermitteln wollen, dies aber andererseits mit Mitteln zu erreichen suchen, die diesem Ziel entgegenlaufen, und den Schüler außerdem als homo oeconomicus und gläsernen Konsumenten wirtschaftlichen Interessen ausliefern. Wenn wir ganz ehrlich sind: Echte Nachhaltigkeit würde in einem breiten Verzicht auf Digitalisierung bestehen und der genauesten Abwägung, wann und wo der Einsatz von digitalen Geräten wirklich einen Nutzen verspricht. Diesen Fragen wenden wir uns nun zu.

3.Digitalisierung und Fremdsprachenunterricht

Pädagogen und andere Utopisten neigen seit jeher dazu, neue Technologien mit euphorischem Überschwang zu begrüßen. So wenig aber, wie von Thomas Edison 1922 prophezeit, der Film bisher das Lehrbuch verdrängt hat1