Freude, die bleibt - Birgit Schilling - E-Book

Freude, die bleibt E-Book

Birgit Schilling

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Beschreibung

Wir sind für die Freude geschaffen. Denn unser Schöpfergott ist die Liebe. Und die Freude ist ein Teil seiner Liebe. Gott-Vater, Sohn und Heiliger Geist - ein ewiges Sich-übereinander-Freuen. Aber wie kommen wir in diese Freude hinein? Die Impulse in diesem Buch inspirieren dazu, alltägliche "Freudenräuber" zu entlarven und so manchen Vorbehalt, sich der Freude einfach so hinzugeben, loszulassen. Denn Gott freut sich nicht nur über uns. Er möchte auch, dass wir uns freuen - an seiner Schöpfung, an ihm und an dem Geschenk des Lebens! Dieses Buch ist eine herzliche Einladung, die Türen der Seele weit zu öffnen und sie wieder neu zu empfangen - diese ewige, tragende, frische, tiefe und überfließende Freude.

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Seitenzahl: 273

Veröffentlichungsjahr: 2025

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BIRGIT SCHILLING, ist Supervisorin (SG), Coach und Paartherapeutin. Sie hat mehrere Bücher zum Thema Glaube und Spiritualität veröffentlicht und gehört zum Mitarbeiterteam der Zeitschriften AUFATMEN, JOYCE und FAMILY. Die Mutter dreier erwachsener Kinder lebt mit ihrem Mann in Köln. www.schilling-supervision.com

DER FREUDE RAUM GEBEN

Wir sind für die Freude geschaffen. Denn unser Schöpfergott ist die Liebe. Und die Freude ist ein Teil seiner Liebe. Gott-Vater, Sohn und Heiliger Geist – ein ewiges Sichübereinander-Freuen. Aber wie kommen wir in diese Freude hinein? Die Impulse in diesem Buch inspirieren dazu, alltägliche »Freudenräuber« zu entlarven und so manchen Vorbehalt, sich der Freude einfach so hinzugeben, loszulassen. Denn Gott freut sich nicht nur über uns. Er möchte auch, dass wir uns freuen – an seiner Schöpfung, an ihm und an dem Geschenk des Lebens!

Dieses Buch ist eine Einladung, die Türen der Seele weit zu öffnen und sie wieder neu zu empfangen – diese ewige, tragende, frische und überfließende Freude.

Du zeigst mir den Weg zum Leben, dort, wo du bist, gibt es Freude die Fülle.

Psalm 16,11

»Es gibt nicht nur ansteckende Freude, es gibt auch die Ansteckung zur Freude. Birgit Schilling ist eine Meisterin von beidem. Sie ist es als Mensch und als Autorin. Und so zieht uns ihr neues Buch mit sich wie ein guter, sanfter Strom, der uns an neue Ufer führt. Es ist diese besondere Mischung aus persönlichem Erleben, biblischen Perlen, jahrhundertealter und neuer Lebensweisheit, die uns den Weg zu einer tiefen, verlässlichen Lebensfreude weist – einer Freude, die uns an Leib und Seele ergreift, uns umfasst und durch uns auf andere überspringt. Solche Ansteckungen lasse ich mir gerne gefallen!«

THOMAS HÄRRY, Theologe, Autor und Berater von Führungskräften

»Birgit Schilling hat mir mit ihrem Buch die Augen dafür geöffnet, dass Gott uns zur Freude berufen hat und dass Jesus kam, um diese ursprüngliche Absicht wiederherzustellen. Damit hat sie in mir die Sehnsucht geweckt, in meiner Beziehung zu Gott ebenso wie in meinem ganz normalen Alltag der Freude mehr Raum zu geben. Durch ehrliche persönliche Beispiele, Fragen und praktische Impulse hilft sie, unter schweren Lebenserfahrungen verschüttete Freude ›wiederauferstehen‹ zu lassen. Schließlich lädt sie leidenschaftlich dazu ein, in Gottes Gegenwart eine Freude zu erfahren, die wir niemals und nirgendwo anders so finden können.«

ANKE PAGEL, Dipl. Bibliothekarin und Referentin am »WDL Dünenhof«

Birgit Schilling

FREUDE, DIE BLEIBT

WIE GOTT UNSERE HERZEN MIT GLÜCK ERFÜLLT

Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Die automatisierte Analyse des Werkes, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen gemäß § 44b UrhG („Text und Data Mining“) zu gewinnen, ist untersagt.

ISBN 978-3-417-27126-3 (E-Book)

ISBN 978-3-417-01029-9 (lieferbare Buchausgabe)

E-Book-Erstellung: CPI books GmbH, Leck

© 2025 R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH

Max-Eyth-Str. 41· 71088 Holzgerlingen

brockhaus-verlag.de

Soweit nicht anders angegeben, sind die Bibelverse folgender Ausgabe entnommen:

Elberfelder Bibel 2006, © 2006 SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH, Holzgerlingen

Weiter wurden verwendet:

Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.

Das Buch. Neues Testament - übersetzt von Roland Werner, © 2009 SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH, Holzgerlingen

Kursivsetzungen in Bibelzitaten wurden eingefügt, um Betonungen oder Erläuterungen der Autorin zu markieren, die für das Verständnis der jeweiligen Stelle relevant sind.

Lektorat: Christiane Kathmann, www.lektorat-kathmann.de

Umschlaggestaltung: Stephan Schulze, Holzgerlingen

Titelbild: Hannah Morgan - unsplash

Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach

Dieses Buch widme ich Ruth, meinem Freuden-Vorbild. Ihre Freude an Gott und dem Leben hat viele angesteckt. Mich auch!

Du zeigst mir den Weg zum Leben, dort, wo du bist, gibt es Freude die Fülle;

Psalm 16,11

Dir, Gott, nahe zu sein ist mein tiefstes Glück.

Nach Psalm 73,28

INHALT

Einleitung: Von Gottes Freude angesteckt

1 | Freude als Emotion und als Lebensgrundgefühl

2 | Worüber Gott sich freut

3 | Sieben Arten der Freude

4 | Freudenräuber – schwarze Schatten von Trauer und Leid

5 | Freudenräuber – Schatten über unserem Alltag

6 | Ein Biotop der Freude – was die Freude zum Blühen bringt

7 | Ein Biotop der Freude – Schutzzäune und Pflege

8 | Freude, Freude und noch mal Freude

9 | Unsere Freude schützen – wie im Himmel so auf Erden

10 | Die tiefste Freude – Verbundenheit mit Christus und Hingabe an ihn

Nachwort: Geh aus, mein Herz, und suche Freud

Für Kleingruppen: Gemeinsam zur Freude, die bleibt

Danke

Anmerkungen

Einleitung

VON GOTTES FREUDE ANGESTECKT

Wir sind für die Freude geschaffen, denn unser Schöpfergott ist der Ursprung aller Freude. Gott ist die Liebe und die Freude ist ein Teil dieser Liebe. Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist, die heilige Trinität, ist ein ewiges Sich-aneinander-Verschenken und Empfangen und Sich-übereinander-Freuen.

Jenseits unserer Welt ist die ewige Welt, die von Ewigkeit zu Ewigkeit Freude ist und die in unsere Welt hier auf Erden hineinwirkt – unaufhörlich, sanft, zart und auf wundersame Weise – und in uns Menschen tiefe Freude auslöst. Die Widerstandskämpferin Corrie ten Boom sagte: »Gott selber ist voller Freude und er will uns damit anstecken.«

Auf dieser Erde bei uns Menschen jedoch ist Freude nicht mehr immer und überall da. Nur die ersten beiden und die letzten beiden Kapitel der Bibel sprechen von dem unaussprechlich wunderbaren, ungetrübten Sein der Freude bei und mit Gott: damals im Garten Eden, im Paradies, und dereinst, wenn wir im Himmel bei Jesus sind, in Gottes ewiger Welt, im Himmel.

In 1. Mose 3 wird das Drama beschrieben, wie Adam und Eva, wie wir Menschen versucht haben, uns jenseits von Gott die Freude und Liebe durch Macht und Kontrolle abzusichern. Das ist gründlich schiefgegangen und es geht auch heutzutage immer wieder schief. Doch nie hat Gott aufgehört, seine geliebten Menschen in die Freude zurückzulieben. In seinem Sohn Jesus Christus offenbarte Gott das Innerste seines Herzens. Durch das Leben, Sterben und die Auferstehung von Jesus hat er uns gezeigt, wer und wie Gott wirklich ist: Liebevoller, als wir es uns je hätten erdenken können.

Jesus Christus hat uns erlöst, das heißt, er löst uns von Sünde, Tod und Teufel, ja von dem, was dem Fluss der Liebe und der Freude entgegensteht. Dereinst in Gottes ewiger Welt wird sich dies vollenden und wir werden Anteil haben an diesem ungetrübten Fluss der Herrlichkeit und Freude Gottes. Dabei drängt sich Gott nie und keinem auf, aber er lädt uns alle zu dieser liebenden Beziehung mit ihm ein. Wenn wir Gott unser Herz öffnen, »kehren er und all seine Freuden bei uns ein«.

Freude, Freude, Freude! Wir sind für die Freude geschaffen. Da verwundert es nicht, dass wir die Freude für unser Leben brauchen wie die Luft zum Atmen.

Freude ist in sich schon ein Riesengewinn. Unser Herz ist im Zustand der Freude leicht und froh. Darüber hinaus aber wirkt sich Freude auch langfristig positiv auf unser ganzes Leben aus. Freude verbessert unsere Widerstandskraft (Resilienz), stärkt unsere Kreativität und Intelligenzleistung und lässt uns Probleme leichter lösen. Freude hat einen positiven Einfluss auf unsere körperliche Gesundheit, mildert Stressreaktionen und hilft, Stress rasch abzubauen. Freude begünstigt den Aufbau und die Pflege von Freundschaften, die uns stärken und in Krisenzeiten stützen.

Auf einer Tagung für Psychologen hörte ich, dass »wir Menschen etwa dreißig bis fünfzig Duschen der Begeisterung am Tag brauchen, um psychisch gesund zu bleiben«1. Ich war fassungslos. So viele Duschen der Begeisterung? »Wie soll das denn gehen«, dachte ich zunächst. Doch heute bin ich davon überzeugt: Es stimmt. Wir brauchen jeden Tag viele Erfahrungen von Freude. Kleine Kinder erleben das. Sie können sich über alles Mögliche begeistern: über die Pfütze, in die sie springen, über die winzige Ameise, die ihnen über den Weg läuft, über die Sandburg, die sie bauen, und über das Gesicht von Mama und Papa, das sie anstrahlt.

Wo aber ist die Begeisterung und Freude bei uns Erwachsenen geblieben, die wir als Zweijährige noch hatten? Und wie können wir die Freude zurückgewinnen und uns wieder begeistern lassen? Das sind bedeutsame Fragen, denen ich in diesem Buch nachgehe. Doch eins möchte ich gleich zu Beginn deutlich machen: Freude ist kein Luxus für besonders Privilegierte oder freudig Veranlagte, sondern eine Notwendigkeit für uns alle. Ohne Freude verkümmern wir in unserem ganzen Dasein.

Warum ist das so? Der christliche Glaube sagt, weil wir als Ebenbilder Gottes für die Freude geschaffen sind. Gott hat tief in unser Herz die Sehnsucht nach der Freude gelegt. Diese Sehnsucht weist uns immer wieder darauf hin, dass wir die Freude brauchen. Die Sehnsucht nach der Freude zeigt sich vor allem dann, wenn es uns an Freude mangelt oder wir sie an der falschen Stelle suchen.

Derzeit befinden sich viele von uns in einem Mangelzustand, denn unsere Welt ist nicht von Freude gekennzeichnet. Zuerst legte im Frühjahr 2020 ein kleines Virus die Welt komplett lahm und wir erlebten schwere Zeiten mit Lockdown und großen persönlichen Einschränkungen. Jeder von uns könnte sein ganz persönliches Belastungsprotokoll von dieser Zeit schreiben. Wie atmeten wir alle auf, als die Beschränkungen endlich wieder beendet wurden. Auf einmal erlebten wir die zurückkehrende Normalität nicht als etwas zum Meckern, sondern als etwas Herrliches, ein Grund zum Freuen.

Doch umgehend war in den Schlagzeilen der Zeitungen von den bedrückenden Auswirkungen der Erderwärmung und Klimabelastung zu lesen. Noch während der Coronakrise griff Russland die Ukraine an, was uns in Angst und Schrecken versetzte. Dann folgte Anfang 2025 der Machtwechsel in den USA, mit dem Verlust von bewährten Bündnissen und Sicherheiten und massiven Auswirkungen auf uns in Europa.

Wir leben in einer Zeitenwende. Eine Studie im Frühjahr 2024 zeigte, dass viele junge Erwachsene düster in die Zukunft blicken.

Je älter wir werden, desto schwerer fällt Menschen der emotionale Zugriff zu Leichtigkeit und Freude. Das haben Forschungen gezeigt: Unsere Gehirne sind so gemacht, dass das Negative einen starken Eindruck hinterlässt und wie auf Leim kleben bleibt. Das Positive rutscht wie auf Teflon ab und wird schneller vergessen. Das hat zur Folge, dass wir uns an das Negative viel stärker erinnern als an das Positive. Wir ärgern uns am Abend noch über den verspäteten Zug, doch an die duftenden Blumen beim Spaziergang durch den Park erinnern wir uns nicht mehr (und erst recht nicht an all die Züge, die im Lauf der Jahre pünktlich waren). Das bewirkt einen völlig verzerrten Eindruck von der erlebten Wirklichkeit.

Das bedeutet, dass wir unsere Aufmerksamkeit ganz bewusst für das Frohe, Positive und Schöne schärfen und uns immer wieder daran erinnern müssen, damit wir eine realistische Sicht auf unser Leben bekommen. Schon Paulus ermutigte die Gemeinden, über das Gute und Liebenswerte und Reine nachzusinnen (vgl. Philipper 4,8).

Ich habe in der Coronazeit begonnen, das Phänomen der Freude in den Blick zu nehmen: morgens in meiner Zeit der Stille, beim Wandern oder Joggen in der Natur, in den Gesprächen mit lieben Freunden oder mit Wolfgang, meinem Mann. Immer wieder überraschte mich die Freude. Ein Glücksgefühl überkam mich unerwartet und neue Welten eröffneten sich mir. Es gab kaum einen Tag, an dem ich nicht einen neuen Aspekt der Freude bemerkte oder eine bisherige Überzeugung über die Freude korrigierte. Ich war verwundert, wie bedeutsam die Freude in meinem Leben wurde und wie stark Jesus Christus Ursprung und Ziel dieser Freude war. Beim morgendlichen Lesen in der Bibel staunte ich immer wieder darüber, wie oft und ständig und herrlich viel die Freude thematisiert wird. Ich sammelte unfassbar viele Notizen, die mir später als Vorlage für dieses Buch dienten.

Und dann wurde mir bewusst, dass ich seit meiner Kindheit auf der Suche nach mehr Glück, Freude, Weite und Lebendigkeit bin. Wenn ich eine Freudenkurve malen würde, würde sie merklich ansteigen. Ich sehe darin Gottes rettende Güte, die in meinem Leben wirksam geworden ist und weiterhin wirkt.

Menschen, die mich gut kennen, sagen, dass ich im letzten Jahrzehnt fröhlicher, glücklicher und freudiger geworden bin. Manche bedeutsamen Erfahrungen dazu teile ich in diesem Buch mit.

Es ist ja so: Unser Gott holt uns immer da ab, wo wir wirklich stehen. Und von dort aus bahnt er uns einen Weg in die Freude, in die Lebendigkeit und Liebe. Dabei ist Gott immer an unserem tatsächlichen Leben interessiert und nicht an unserem gesollten oder gemeinten Leben. Wir brauchen sowohl Mut als auch Demut, um uns unserem wirklichen Sein zu stellen. Der Heilige Geist, der in uns lebt, will uns dabei unterstützen und stärken. Er zieht uns unaufhörlich zu dem, was ich »Offenheit des Herzens« nenne. Wir brauchen ein geöffnetes, lebendiges Herz, um in die Freude gezogen zu werden.

Wir leben in einer notvollen Welt – sowohl im Außen als auch im Innen begegnet uns Not. Der ehemalige anglikanische Bischof von Südafrika Desmond Tutu sagte einmal: »Suffering is inevitable« – Leiden ist unvermeidlich.

Ja, das Leiden gehört zum Leben, zu unser aller Leben. Tutu selbst erkrankte als Kind an Tuberkulose und lag zwei Jahre im Krankenhaus. Im späteren Einsatz gegen die Apartheidspolitik und in der Leitung der Wahrheits- und Versöhnungskommission nach der Abschaffung der Apartheid wurde er Zeuge von unfassbar viel Leid. Er wusste, wovon er sprach. Und doch überrascht es mich, wenn ich Fotos und Videos von dieser Zeit sehe: Bei vielen Begegnungen blitzte bis ins hohe Alter hinein die Freude aus seinen Augen.

Und so schließen sich unser Leiden in dieser Welt und die Freude nicht aus. Auch Corrie ten Boom ging schwere Wege. Sie versteckte während der NS-Zeit jüdische Menschen, kam deshalb mit ihrer Schwester Betsie in Gefangenschaft und durchlitt viel Schweres. Dennoch bezeugte sie später immer wieder die Freude Gottes.

Wie können wir diese Freude erleben? Dabei möchte dir dieses Buch helfen.

Im ersten Kapitel nehme ich das Erleben der Freude an sich in den Blick und gehe der Frage nach: Was ist Freude überhaupt und wie kommt Freude zustande?

Mit der Frage »Was freut eigentlich Gott?« befasse ich mich im zweiten Kapitel.

Im dritten Kapitel berichte ich von verschiedenen Arten der Freude, die ich in den letzten Jahren entdeckt habe. Dabei wird besonders deutlich, dass unser ganz normales Sein im Alltag von der Freude geprägt werden will und dass es keinen Bereich unseres Lebens gibt, der zu profan wäre, um von der Freude Gottes angesteckt zu werden.

Wenn wir über die Freude nachsinnen, werden wir immer auch bei dem landen, was uns die Offenheit des Herzens und die Fähigkeit, Freude zu erleben, sabotiert. Ich nenne es »Freudenräuber« und um sie geht es in den Kapiteln 4 und 5. Manche Freudenräuber kennen die meisten Menschen, andere wiederum stehen mit bestimmten Persönlichkeitstypen im Zusammenhang oder mit dem, was uns im Leben bisher geprägt hat.

Nachdem klar ist, was die Freude rauben kann, richten wir den Blick auf ein gutes, Freude förderndes Biotop. Wie kann sich die Freude in unserem Leben und Glauben entfalten? In welchem Lebensraum blüht die Freude in unserem Leben auf? Wie kann ich in der Offenheit des Herzens bleiben oder sie zurückgewinnen, wenn ich sie verloren habe? Das sind die Inhalte von Kapitel 6 und 7.

In Kapitel 8 teile ich einzelne Aha-Erlebnisse, Gedanken und Impulse, die mir im Blick auf die Freude im Leben und Glauben wichtig geworden sind.

In Kapitel 9 erforsche ich die Frage: Wie können wir die Freude in unserem Alltag behüten? Wie können wir quasi Schutzzäune um unsere Freude aufstellen? Geht das überhaupt?

Das letzte Kapitel ist für mich persönlich das tiefste. Wenn ich es wieder lese, löst es in mir große Freude und Sehnsucht nach Gott aus. Hier erzähle ich von Begebenheiten, in denen ich mein Leben wieder neu auf Gott hin geöffnet habe und von tiefer Freude und Glück überrascht wurde.

Vielleicht spürst du nun Vorfreude aufs Lesen und Erforschen der Freude in deinem Leben. Vorab möchte ich dir noch einige Hinweise geben:

Versuche, während des Lesens achtsam für dich selbst zu bleiben und auf dein Herz zu lauschen! Wenn du Druck spürst, verschließ deine Herzensohren. Dann ist das Geschriebene zum jetzigen Zeitpunkt oder vielleicht auch generell nicht passend für deinen Lebens- und Glaubensweg, aber vielleicht für den Weg eines anderen. Lass es einfach an dir vorbeiziehen.

Wenn du jedoch seltsam warm berührt wirst, wenn du eine tiefe Sehnsucht spürst, Erleichterung, Lebendigkeit oder wenn dein Herz hüpft, dann könnte das soeben Gelesene vielleicht genau für dich und deinen Weg passend sein. Dann öffne deine Herzenstüren ganz weit und lass die Worte tief in deine Seele fallen. Denn Gott leitet uns nicht über Druck, sondern über die Sehnsucht.

Vor einigen Jahren begegnete mir eine wunderbare Regel: die Ungehorsamkeitsregel. Diese besagt, dass ich den Hinweisen eines Lehrers, einer Therapeutin oder eines Coachs nicht folgen muss, sondern letztlich immer selbst entscheide, wofür ich mich öffne und wofür nicht, was für mich passt und was nicht. Zu diesem Ungehorsam möchte ich dich ermutigen: Lies das Buch so, wie es gut für dich ist. Sei es, dass du nur wenige Kapitel liest oder von hinten nach vorne oder umgekehrt. Folge deiner Intuition und Spur. Auch alle Impulse und Übungen sind als Anregungen gedacht, such dir das raus, was dir guttut.

Jeder Mensch braucht Freude, aber manchmal benötigen wir auch ärztliche und therapeutische Hilfe. So ist beispielsweise eine Depression eine psychische Erkrankung, in der manches im Gehirn lahmgelegt ist. Die Hinweise, die ich hier zur Freude gebe, können psychische Erkrankungen nicht heilen, auch wenn positive Gedanken in dieser Zeit besonders wichtig sind. Wenn du an einer Depression oder einem Burn-out erkrankt oder von schwerem Leid betroffen bist, dann sei bitte besonders achtsam, dass du nur den Inhalten folgst, bei denen du innerlich gut mitgehen kannst und wo du Hoffnung verspürst, dass dies heilsam für dich und dein Leben ist. Zögere nicht, dir die fachärztliche oder therapeutische Hilfe zu suchen, die du brauchst. Gott will dir Freude schenken und er benutzt auch Fachleute dafür.

Wie erwähnt behalten wir Negatives viel besser als Positives. Daher hilft es, unsere Freuden-Erfahrungen aufzuschreiben. Vielleicht möchtest du dir ein persönliches Freudenheft anlegen, in das du deine Einsichten und Aha-Erlebnisse auf die Impulsfragen notierst und auch sonstige Erkenntnisse, die dir während des Lesens oder in deinem täglichen Erleben in den Sinn kommen.

Wir profitieren auch von der Gemeinschaft und dem Austausch mit anderen. Wenn du dieses Buch in einer Kleingruppe oder mit deinem Hauskreis lesen möchtest, findest du am Ende des Buchs Anregungen dazu.

Ich wünsche dir, dass du inspiriert wirst, auf eine Freuden-Entdeckungsreise zu gehen, und dass Freude in dein Leben einkehrt. Echte Freude und Glück, die dein Herz erfüllt.

1

FREUDE ALS EMOTION UND ALS LEBENS­GRUNDGEFÜHL

Was ist Freude eigentlich? Früher verstand ich manches unter Freude, was ich heute nicht mehr so nennen würde. In meiner Kindheit erlebte man mich in der Familie öfter als einen kleinen Sonnenschein. Doch von meinem inneren Erleben her traf das meistens gar nicht zu. So gewöhnte ich mich daran, dass das innere Erleben und die äußere Wahrnehmung nicht unbedingt übereinstimmen mussten. Ich gewöhnte mich daran, die anderen mehr im Blick zu haben, die es mochten, wenn ich gut drauf war, auch wenn ich mich innerlich eher einsam oder verloren fühlte.

Auf meinem weiteren Lebensweg leitete mich immer wieder das innere Ziel, Spaß zu haben. Ich gab mich aufgedreht und lustig, doch echtes inneres Wohlsein stellte sich dabei nicht ein. Zu anderen Zeiten war mein Ehrgeiz obenauf, der mich zu immer neuen Zielen trieb. Wenn ich ein Ziel erreicht hatte, spürte ich eine Art Freude. Heute würde ich dieses Gefühl eher Triumph nennen. »Geschafft!«, dachte ich und spürte Erleichterung. Ich konnte ein Ziel abhaken, eine kleine Welle der Freude spüren, doch eine Unrast trieb mich weiter: Schon war ich unterwegs zu neuen Ufern und Zielen. All das förderte kein inneres Wohlsein. Ich war getrieben und entfremdete mich mehr und mehr von mir und meinem Wesen. Freude als Lebensgrundgefühl – sie stellte sich dadurch nicht ein.

Freude, die es wirklich verdient, so bezeichnet zu sein, ist aus meiner heutigen Sicht immer etwas Ganzheitliches. Es ist ein Wohlsein, das tief im Inneren des eigenen Wesens eine Resonanz findet. Dieses Echo kommt aus meinem Seelengrund, aus meinem wahren Selbst, aus meinem Herzen. Im wahren Selbst bin ich die, die ich wirklich bin, die, die Gott sich gedacht hat, mit allen Facetten meines Seins.2 Inzwischen erlebe ich häufig Freuden-Momente in dieser Verbundenheit mit Gott, mit mir und anderen. Ich bemerke es auch viel schneller als früher, wenn alte Muster und Antreiber bei mir das Steuer übernehmen, und kann besser zu wahrer Freude zurückkehren.

In Sprüche 4,23 (ELB) heißt es: »Mehr als alles, was man sonst bewahrt, behüte dein Herz! Denn in ihm entspringt die Quelle des Lebens.« Dieses Buch möchte dich in deinem Herzen stärken, in deinem wahren Selbst. Über die tiefe Resonanz der Freude und der anderen echten Gefühle deines Herzens wirst du mit dir und deinem Wesen in Kontakt kommen und von dort aus kannst du mit Gott in Kontakt treten.

Doch wie entsteht Freude, die von innen kommt und die den ganzen Menschen umfasst? Was passiert in uns, wenn wir Freude empfinden? Wie kann man Freude beschreiben?

Freude einheitlich zu definieren ist nicht möglich. Mir sind zwei Aspekte wichtig geworden, die unterschiedlich sind und sich doch im Leben von gläubigen Menschen gemeinsam zeigen.

IMPULS

Folgende Fragen können dir weiterhelfen. Halte einen Moment inne und sprich mit Jesus darüber:3

Kenne ich ein solches Pseudo-Freuden-Erleben aus meiner Lebensgeschichte oder aktuellen Situation?

Habe ich beim Lesen der Zeilen eine innere Reaktion in mir wahrgenommen? Wenn ja, welche?

Ist mir vielleicht eine konkrete Begebenheit in den Sinn gekommen?

Freude als Emotion

Beginnen wir mit der Freude, die wir als menschliche Gemütsbewegung erleben. Es ist eine Emotion, mit der Gott, unser Schöpfer, uns Menschen ausgestattet hat. Damit meine ich eine Welle von Frohsein, die uns ad hoc überkommt und die nach einer Weile wieder abebbt. Freude ist ein Mitgenommenwerden mit dieser emotionalen Welle. Wir können uns das selbst nicht geben oder gar befehlen.

Die Emotion der Freude stellt sich als Resonanz auf ein äußeres oder inneres angenehmes Erleben ein. Unvermittelt überkommt mich diese Emotion und überrascht mich. Ich habe sie nicht bewusst angesteuert. Die Emotion der Freude wird mir unvermittelt geschenkt.4 Der Auslöser ist vielleicht eine warmherzige Begegnung mit einem Freund. Oder ich lese in meiner Bibel und plötzlich füllen Tränen meine Augen, weil die Worte der Schrift mein Herz so tief berühren, dass mir Freudentränen die Wangen herunterlaufen. Oder ich erinnere mich an ein tolles Erlebnis, das ich vor Kurzem hatte, und während ich in der Erinnerung schwelge, breitet sich wieder die Emotion der Freude in mir aus.

Je nachdem, wie intensiv ich diese Emotion erlebe, zeigt sie sich auch in äußeren Reaktionen: Ich lächle oder lache laut auf, manchmal lasse ich Jubelrufe los oder mein ganzer Körper drückt die Freude aus. Ich springe, tanze, klatsche, werfe die Arme in die Luft. Wenn wir Fußballfans zuschauen, die das Tor ihrer Mannschaft bejubeln, dann reißen sie automatisch die Arme hoch und springen vor Freude in die Luft. Der ganze Körper ist an dieser Freude beteiligt und verstärkt dadurch erneut die erlebte Freude.

Bei echt erlebter Freude lächelt nicht nur der Mund, sondern die Augenringmuskeln werden (unwillkürlich) mitaktiviert. Dadurch strahlen die Augen und das ganze Gesicht spiegelt die Freude wider. Das ist willkürlich, ohne inneres freudiges Erleben, nicht nachahmbar. Bei spontan gemachten Fotos kann man manchmal diese Freude einfangen. Ich liebe ein solches Foto von meiner hochbetagten Mutter und mir von einem Moment, in dem wir einander innig in die Augen schauen und man die Freude, die wir füreinander empfinden, förmlich spüren kann.

Wenn die innere Freude fehlt, ist der Augenringmuskel nicht aktiv und dann sehen Fotos eher unecht und gestellt aus. Ein typisches Beispiel sind Handy-Selfies. Mit dem Ergebnis sind wir häufig nicht zufrieden, denn man merkt den Unterschied: Echte Freude ist lebendig, auch wenn die Gesichtsmuskeln nur in Nuancen anders sind.5

IMPULS

Schließe die Augen, wenn du möchtest, und frage dich: Was waren bei mir in letzter Zeit Momente großer emotionaler Freude? Es können kleine oder große Begebenheiten sein.

Wann hüpfte mein Herz?

Wann sprudelte bei mir die Freude von innen her?

Mach dir Notizen, halte kurz inne und schwelge nochmals in diesen frohen Augenblicken. So verankerst du das Frohe in deinem Inneren, in deinem Gehirn. Vielleicht beginnst du durch die Erinnerung aktiviert automatisch zu lächeln.

Ich habe bemerkt, dass ich manchmal genaue Vorstellungen davon habe, was mir Freude macht und was nicht. Oft stimmen diese Vorstellungen allerdings gar nicht mit der Realität überein. So dachte ich früher, dass ich das Sortieren von Wäsche nicht mochte. In meinem Prozess der zunehmenden Achtsamkeit für mich selbst erwischte ich mich jedoch dabei, dass ich beim Wäschemachen meistens ein Lied auf den Lippen hatte und fröhlich gestimmt war. Wie konnte das sein? Mir wurde klar, dass mir das ordnende Falten der Wäsche, diese Handarbeit, als Ergänzung zu meinem sonstigen Tun guttat. Mein Körper gab mir wie von selbst die Rückmeldung: »Alles ist gut, es geht mir gut, ich freue mich!« Diese Beobachtung erstaunte mich sehr. Ich hatte Freude im Alltag entdeckt, die ich dort nicht vermutet hatte.

In letzter Zeit gab es viele Situationen, in denen mein Herz vor Freude hüpfte.

Vor einigen Wochen sprang ich mit meiner vierjährigen Enkelin Eleya auf einem Trampolin. Währenddessen entwickelte sich im Miteinander wie von selber eine kleine Choreografie mit einer Mischung aus Singen, Springen, Tiere imitieren und dem Versuch, einander zu fangen. Das löste in uns beiden eine große Freude aus. Wir lachten viel und immer wieder zog es uns gemeinsam aufs Trampolin. Wir spielten miteinander, waren selbstvergessen, einfach fröhlich im Geschehen. Auch jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe, strahle ich bei der Erinnerung unwillkürlich. Ich freue mich darüber.

Vor ein paar Tagen spürte ich Freude, als Wolfgang und ich abends mit lieben Freunden beieinandersaßen und einander unsere Freuden, Sorgen und Unsicherheiten des Lebens erzählten. Das Schwierige und Schmerzliche wurde in dieser Atmosphäre gegenseitiger Liebe und Interesse auf seltsame Weise leichter. Beim Erzählen der Freudenmomente konnte ich die schöne Emotion erneut spüren und die Mitfreude meiner Freunde verstärkte meine Freude noch. Zum Abschluss beteten wir miteinander. Wenn das Frohe und Notvolle von anderen umbetet wird, spüre ich Trost, Erleichterung und Freude. Ja, geteiltes Leid ist halbes Leid und geteilte Freude ist doppelte Freude!

Soeben habe ich eine Schreibpause gemacht und bin im Park spazieren gegangen. Ich spürte Freude in meinem Herzen über den Sonnenschein, das Rauschen des Windes in den Bäumen, das Zwitschern der Vögel. Eine fröhliche Grundstimmung erfüllte mich.

Mein Herz hüpfte heute Morgen, als mein Mann und ich einander begrüßten, uns warm in die Augen schauten, ein paar liebe Worte sagten und uns umarmten.

Mein Herz hüpfte, als ich gestern im Frühsommer mein erstes selbst gebackenes Stück Erdbeerkuchen mit Sahne aß. Oh, war das köstlich!

IMPULS

Halte in den nächsten Wochen immer mal wieder inne und spüre hin, wie du dich gerade fühlst. Versuche auch wahrzunehmen:

Wann spüre ich Freude? Wie fühle ich überhaupt Freude?

Wie bemerke ich, dass ich emotional freudig bin?

Wie bahnt es sich an? Und wie geht es dann weiter?

Welche Körperempfindungen sind bei der Freude spürbar?

Deine Erkenntnisse kannst du in deinem Freudenheft sammeln, wenn du möchtest.

Wie genau wir Freude spüren und wie sie sich ausdrückt, ist bei jedem von uns ein wenig anders. Wir sind von der Persönlichkeit her alle verschieden. Bei extrovertierten Menschen äußert sich Freude meistens lauter, mehr nach außen gerichtet als bei introvertierten Personen. Doch egal, wie wir gestrickt sind: Ich habe den Eindruck, dass bei uns allen Luft nach oben ist, um Freude freier und offener zu erleben und uns selbst zu erlauben, in einem sicheren Umfeld ohne Hemmung all die Reaktionen zuzulassen, die die Freude üblicherweise begleiten.

Freude zu spüren ist etwas anderes als Freude zu denken, das heißt, den Gedanken im Kopf zu haben: »Ja, das finde ich gut, das freut mich.« Dieser Satz ist ein Gedanke und keine Emotion der Freude. Bei der Emotion der Freude ist immer der Körper beteiligt. Unser Leib ist der Resonanzboden, der bei allem mitschwingt, was im Herz und in der Seele vor sich geht. Die Frage ist, ob wir den Körper spüren, so wie wir ihn als Babys und kleine Kinder noch voll und ganz gespürt haben. Babys leben völlig in der Körperwahrnehmung. Wenn die Windel voll ist, schreien sie, wenn sie fröhlich sind, krabbeln oder hüpfen sie durch die Gegend. Psalm 84,3 (LUT) drückt die Seele-Leib-Verbindung wunderschön aus: »Mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott.«

Hier freut sich nicht nur die Seele, sondern auch der Leib. Um die Freude in unserem Inneren zu spüren, brauchen wir die Fähigkeit, unser Außen zu spüren. Das ist der Körper. Er ist der Resonanzboden unserer Freude, so wie bei Saiteninstrumenten der Korpus.

Mir wurde vor über fünfzehn Jahren bewusst, dass ich meinen Körper im normalen Dasein kaum spürte. Im Laufe des Erwachsenwerdens war ich mehr und mehr im Kopf unterwegs und schenkte dem Spüren wenig Aufmerksamkeit. Ich ließ mich von meinem Ehrgeiz verleiten, über meine Grenzen zu gehen. Meinen Körper spürte ich erst, wenn ich unter großen Stress kam und mein Körper streikte. Mir begegnete dann die Eutonie, eine ideologiefreie Form der Körperarbeit, die Gerda Alexander entwickelt hat. Ich habe viel Übung in der Körperwahrnehmung gebraucht, um meinen Körper wieder spüren zu lernen. Doch ich habe auch erfahren, dass es möglich ist. Die Übung lohnt sich!6

An dieser Stelle möchte ich einen Mythos entlarven. Es geht um die Vorstellung, dass es möglich sei, nur für die sogenannten positiven Emotionen, wie Freude und Zufriedenheit, lebendig zu werden, und nicht gleichzeitig für die sogenannten negativen Emotionen, wie Trauer, Wut und Schmerz.

Wenn wir das Wagnis eingehen, uns für die Lebendigkeit zu öffnen, dann bedeutet das, alle Emotionen wieder stärker zu fühlen. Das »wieder« steht für die Tatsache, dass wir als Kleinkinder die ganze Palette der Emotionen und Empfindungen gespürt und auf sie reagiert haben. Schmerzliche Erfahrungen im Leben führen oft zu einer meistens unbewussten inneren Entscheidung, nicht mehr alles spüren zu wollen. Das ist ein Selbstschutzmechanismus. Doch durch solche inneren Festlegungen werden wir gleichzeitig unserer Freude und Lebendigkeit beraubt. Es ist etwas Wunderbares, wenn Menschen sich wieder auf den Weg machen, um lebendiger zu werden und dafür Selbstschutz loslassen. Dafür sind wir nie zu alt! Es ist bis an unser Lebensende möglich.

Das Lebendigwerden gibt es nur im Gesamtpaket. Wenn ich mich als Erwachsene im Vertrauen auf Gott dem Wahrnehmen und der Fülle der Lebendigkeit neu öffne, muss ich die negativen Gefühle nicht fürchten. Ich bin heute nicht mehr wie ein Kind schmerzlichen Emotionen ausgeliefert, sondern erwachsen und handlungsfähig. Im Glauben weiß ich Gott an meiner Seite, der mir hilft.

Es ist eine spannende Erfahrung, dass uns alle Emotionen in unserem Leben unterstützen – auch die vermeintlich negativen. Es lohnt sich, auch die negativen Emotionen willkommen zu heißen, sie zu spüren und zu lernen, ihre Botschaft zu verstehen.

So will uns beispielsweise Wut darauf aufmerksam machen, dass bei mir oder anderen Grenzen überschritten wurden. Diese emotionale Information ist wichtig für das eigene Leben oder im Einsatz für andere Menschen. Darauf dürfen wir nicht verzichten, weil der Verstand diese Aufgabe alleine nicht übernehmen kann. Dafür ist er von Gott nicht ausgestattet.7 Die Trauer kann uns auf einen gefühlten Mangel oder einen Verlust aufmerksam machen. Sie will wahrgenommen und verstanden werden. Bei der Angst zeigt sich unser Bedürfnis nach Sicherheit, das wir beachten sollten. Aufkommender Ekel möchte uns vielleicht vor etwas schützen, das schaden könnte.

In ihrer natürlichen Funktion sind daher auch diese sogenannten negativen Emotionen wichtig. Traumatische Erlebnisse können jedoch dafür sorgen, dass wir beispielsweise vor etwas Angst haben, das eigentlich nicht gefährlich ist (Spinnen, Dunkelheit …). Trotzdem ist die Emotion nicht an sich negativ, sondern sie kann uns helfen, genauer hinzuschauen und uns mit der Ursache zu befassen. Es ist hilfreich, sich dafür Unterstützung zu suchen, beispielsweise durch ein Coaching oder eine Therapie.

Emotionen kommen und gehen. Sie verändern sich schnell und das geschieht meistens unbemerkt. Es ist jedoch sinnvoll, besonders starke Emotionen bewusst wahrzunehmen und sie zu erspüren, bis wir verstehen, welche Art von Emotion sich da gerade zeigt. Wir brauchen die Bereitschaft, die Emotion so lange zu fühlen, bis wir ihre Botschaft verstanden haben, nämlich ihr gutes Anliegen für unser Leben.

Danach dürfen wir sie getrost weiterziehen lassen ohne großes Geschrei und Aufregung. Das fällt uns aber gar nicht so leicht. Mit dem Willen alleine kommen wir hier nicht weit. Körperwahrnehmung und christliche Meditation können uns aber darin unterstützen, auf Dauer nicht emotional festzustecken, sondern im Hier und Jetzt zu leben.8

Wenn sich belastende Emotionen dennoch bei mir festgesetzt haben oder fortwährend bedrängen, ist es mir »Evangelium«, also eine gute, befreiende Botschaft, dass ich umgehend ins Gebet gehen darf. Zu Gott hin kann ich mich flüchten und mich mit ihm (erneut) auf den Weg ins Leben und letztlich auch in die Freude begeben.