Friedrich Ebert, ein Leben für die Arbeiterschaft und die Demokratie   –  Band 239 in der gelben Buchreiheihe - Paul Kampffmeyer - E-Book

Friedrich Ebert, ein Leben für die Arbeiterschaft und die Demokratie – Band 239 in der gelben Buchreiheihe E-Book

Paul Kampffmeyer

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Beschreibung

Paul Kampffmeyer erzählt in diesem Buch über das Leben des1871 in Heidelberg geborenen Friedrich Ebert, der in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs. Sein Vater war Schneidermeister. Fritz Ebert lernte sein Handwerk bei einem Sattlermeister und ging dann auf Wanderschaft durch die deutschen Lande. Es folgten erste politische Lehrjahre. Er wurde zu einem Führer der Arbeitermassenbewegung fern vom  unfruchtbaren Radikalismus. Ebert wurde Arbeitersekretär und Kommunalpolitiker. Friedrich Ebert setzte sich für Verständigungsfrieden und Demokratie ein. Eberts Verdienste nach 1918 um den jungen demokratischen Staat werden von Paul Kampffmeyer eingehend beschrieben. Zu früh endete das Leben des ersten deutschen Reichspräsidenten der Weimarer Republik. Mit vielen Bildern und Zusatzinformationen wird dieser Band neu herausgegeben von Jürgen Ruszkowski. – Rezession: Ich bin immer wieder begeistert von der "Gelben Buchreihe". Die Bände reißen einen einfach mit. Inzwischen habe ich ca. 20 Bände erworben und freue mich immer wieder, wenn ein neues Buch erscheint. oder: Sämtliche von Jürgen Ruszkowski aus Hamburg herausgegebene Bücher sind absolute Highlights. Dieser Band macht da keine Ausnahme. Sehr interessante und abwechslungsreiche Themen aus verschiedenen Zeit-Epochen, die mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt haben! Man kann nur staunen, was der Mann in seinem Ruhestand schon veröffentlicht hat. Alle Achtung!

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Paul Kampffmeyer

Friedrich Ebert, ein Leben für die Arbeiterschaft und die Demokratie – Band 239 in der gelben Buchreiheihe

Band 239 in der gelben Buchreiheihe

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort des Herausgebers

Der Autor Paul Kampffmeyer

Friedrich Ebert

Friedrich Ebert – Ein Lebensbild – von Paul Kampffmeyer

Das alte und das neue Deutschland

In Heidelberg

Erste politische Lehrjahre Eberts

Führer der Arbeiter-Massenbewegung

Die Weltanschauung Eberts

Fern vom unfruchtbaren Radikalismus

Moderne Literatur und Jungarbeiterschaft

Arbeitersekretär und Kommunalpolitiker

Die modere Jugendbewegung und Fritz Ebert

Fruchtbare Einigungsarbeit Eberts

Die neue Weltpolitik

Ebert für Verständigungsfrieden und Demokratie

Schrittmacher der deutschen Demokratie

Eberts Verdienst um den jungen Staat

Kultur fördern und Gegensätze ausgleichen

Der Heimgang Eberts

Die maritime gelbe Buchreihe

Weitere Informationen

Impressum neobooks

Vorwort des Herausgebers

Vorwort des Herausgebers

Von 1970 bis 1997 leitete ich das größte Seemannsheim in Deutschland am Krayenkamp am Fuße der Hamburger Michaeliskirche.

Dabei lernte ich Tausende Seeleute aus aller Welt kennen.

Im Februar 1992 entschloss ich mich, meine Erlebnisse mit den See­leuten und deren Berichte aus ihrem Leben in einem Buch zusammenzu­tragen. Es stieß auf großes Interesse. Mehrfach wurde in Leser-Reaktio­nen der Wunsch laut, es mögen noch mehr solcher Bände erscheinen. Deshalb folgten dem ersten Band der „Seemannsschicksale“ weitere.

2023 Jürgen Ruszkowski

Ruhestands-Arbeitsplatz

Hier entstehen die Bücher und Webseiten des Herausgebers

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Der Autor Paul Kampffmeyer

Der Autor Paul Kampffmeyer

* 29. November 1864 in Berlin – 1. Februar 1945 in Berlin-Wilhelmshagen, war ein deutscher Publizist.

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Friedrich Ebert

Friedrich Ebert

https://www.projekt-gutenberg.org/autoren/namen/ebertfr.html

Friedrich Ebert wurde am 4. Februar 1871 in Heidelberg geboren und starb am 28. Februar 1925 in Berlin. Er war ein deutscher Sozialdemokrat und Politiker. Er war seit 1913 Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und amtierte von 1919 bis zu seinem Tod als erster Reichspräsident der Weimarer Republik.

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1926 zuerst beim Verlag Carl Reissner in Dresden erschienen

Damals von Friedrich Ebert junior herausgegeben

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Der Kampf ist das Leben der Arbeiterbewegung. In Kämpfen und Stürmen sind wir groß geworden. Das Resultat aller Verfolgungen und Kämpfe gegen uns war letzten Endes immer der Triumph der Sozialdemokratie. Die kommenden Kämpfe werden zeigen, dass es Stärkeres gibt als die brutale Gewalt: die stählerne Solidarität und äußerste Entschlossenheit der deutschen Arbeiterklasse. Der Sammlung der Volksfeinde setzen wir die Sammlung des ausgebeuteten und entrechteten Volkes entgegen. Wenn Mann und Frau, wenn Alt und Jung in Treue und Entschlossenheit zum Sturmbanner ihrer Klasse stehen, dann wird allen Gewalten zum Trotz der Tag kommen, an dem die politische Macht in die Hände des schaffenden Volkes fällt. Dann wird der Tag, an dem wir siegreich unser Ziel begrüßen: Beseitigung jeglicher Ausbeutung und Unterdrückung, Verbrüderung aller Menschen und Zusammenwirken zur höchsten Wohlfahrt und zur höchsten Kultur. Mit uns der Sieg!

(Aus dem Nachlass Friedrich Eberts)

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Friedrich Ebert – Ein Lebensbild – von Paul Kampffmeyer

Friedrich Ebert – Ein Lebensbild – von Paul Kampffmeyer

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Das alte und das neue Deutschland

Das alte und das neue Deutschland

Wenige Wochen nach der Kaiserproklamation von Versailles wird Fritz Ebert in Heidelberg geboren.

Kaiserproklamation von Versailles 1871

Diese Proklamation ist das Schlussglied einer Kette tiefgreifender politischer Umwälzungen, die Deutschlands politische Karte völlig neugestaltet haben.

Otto von Bismarck, * 1. April 1815 in Schönhausen (Elbe) – † 30. Juli 1898 in Friedrichsruh bei Aumühle, war ein deutscher Politiker und Staatsmann.

Bismarck, ein praktischer Verächter des Legitimitätsprinzips, leitet 1866 eine Revolution von oben ein, sprengt den alten verrotteten „Deutschen Bund“ in die Luft, dem schon ein ganz durchdringender Verwesungsgeruch entströmte, und annektiert das Königreich Hannover, das Kurfürstentum Hessen-Kassel, das Herzogtum Nassau und die freie Stadt Frankfurt am Main.

Drei erfolgreiche Kriege festigen einen autoritären Obrigkeitsstaat, der das Parlament zu einer Schattenexistenz verkümmert und die staatsgestaltende Kraft der aufkommenden neuen Klassen der Arbeiter und Angestellten in eisernen Zwangsfesseln hält.

Das „Deutsche Reich“ ist politisch eine Fortsetzung des alten Preußens, wirtschaftlich aber streben im Rahmen des geeinten Reiches neue wirtschaftliche und politische Mächte empor, die schließlich die atembeklemmende Schnürbrust der veralteten Reichsverfassung mit einem gewaltigen Ruck zerreißen. In ihr konnte sich aber immerhin wirtschaftlich ein Großkapitalismus mit starken kollektivistischen Ansätzen entfalten, in ihr konnte sich eine Partei organisieren, die folgerichtig die Ideale der Demokratie des Jahres 1848 erweiterte und vertiefte und den bürgerlichen Republikanismus in einen Sozialrepublikanismus umformte.

Bereits im Jahr 1871 treten sich das alte autoritäre, machtpolitische Deutschland und das neue, freiheitliche, sich auf das Selbstbestimmungsrecht stützende Deutschland messerscharf gegenüber. Am 10. Mai 1871 schließt das preußisch-deutsche Kaisertum den Frankfurter Frieden mit Frankreich ab und entreißt dem besiegten Land das in der politischen Kultur Frankreichs wurzelnde Elsass-Lothringen. Damit wird das Selbstbestimmungsrecht der Elsass-Lothringer mit Füßen getreten, und damit werden zugleich die Scheite für den Weltkriegsbrand des Jahres 1914 gehäuft. (siehe Bände 201 bis 204 und 236 in dieser gelben Buchreihe!) Am 21. Juli 1871 erhebt die sächsische Staatsanwaltschaft eine Anklage wegen vorbereitenden Hochverrats gegen die leidenschaftlichen Vorkämpfer des neuen Deutschlands, gegen Liebknecht und Bebel, weil diese im engsten Bunde mit dem Braunschweiger Ausschuss der sozialdemokratischen Partei zu großen Massendemonstrationen gegen die Annexion von Elsass-Lothringen aufgerufen hatten.

August Bebel Karl Liebklnecht

Bebel und Liebknecht waren mit dem Geist und Feuer des Jahres 1848 getauft. Sie wollten das Deutsche Reich von unten auf durch eine allgemeine Volksbewegung schaffen. Es war ein tief symbolischer Akt, als der Reichspräsident Ebert in den Maitagen 1923 in Frankfurt am Main der nationaldemokratischen Bewegung des Jahres 1848 huldigte. Das neue soziale Deutschland reichte damit dem demokratisch-nationalen Deutschland des Jahres 1848 die Hand.

Die deutschen Fürsten hatten durch eine Politik gegenrevolutionärer Staatsstreiche und Verfassungsbrüche die Fundamentierung eines einigen Deutschlands durch eine demokratisch-nationale Bewegung verhindert und damit eine gewaltsame Lösung des deutschen Problems durch den Militarismus vorbereitet, der durch drei blutige Kriege doch nur zu einem fragmentarischen Deutschland und zu einem bewaffneten, durch den deutsch-französischen Konflikt zerklüfteten Europa geführt hat.

Diese Zerklüftung Europas hat 1870/71 das junge soziale Deutschland zu verhindern gesucht. Wenige Tage nach der Septemberniederlage des französischen Kaiserreichs veröffentlichte der Braunschweiger Ausschuss der sozialdemokratischen Partei einen Aufruf, der einen ehrenvollen Verständigungsfrieden Deutschlands mit Frankreich und eine radikale Abwendung von jeder Annexionspolitik forderte. Das Braunschweiger Manifest sagte den furchtbaren Weltkrieg voraus. „Nehmen sie Elsass-Lothringen“, so hieß es in dem Aufruf, „so wird Frankreich mit Russland Deutschland bekriegen, und es ist überflüssig, die unheilvollen Folgen zu deuten.“

August Kühn, * 25. Oktober 1846 in Altenlohm – † 18. März 1916 in Ober-Langenbielau, Schlesien, war ein sozialdemokratischer Journalist und Politiker der frühen SPD.

Kühn warf in das neue Deutschland den unerhört neuen Ruf in die Massen hinein: „Es lebe die Republik!“ Das neue Deutschland geht also seinen eigenen Weg in der Außenpolitik. Es bricht grundsätzlich mit einer Eroberungspolitik, die mit dem Schwert ganze Landesteile einem Staat ab- oder zuschlägt, ohne nach den Lebensinteressen ihrer Bewohner zu fragen. Keine Herren- und Sklavenvölker sollen mehr bestehen, sondern nur noch gleichberechtigte Nationen.

Innerpolitisch knüpft das neue Deutschland an die Demokratie des Jahres 1848 an. Es ruft die volle Volkssouveränität aus und will in den Verfassungsformen alles beseitigen, was den Staat zu der Domäne einer Herrscherfamilie, einer Dynastie herabdrückt. Mehr als fünfzig Jahre ist die deutsche Geschichte von dem großen Kampf für eine freie politische Selbstbetätigung der Volksmassen ausgefüllt. Die Sozialdemokratie leitete ihre Anhängerschaft zur lebendigsten Anteilnahme an allen bedeutungsvollen staatlichen Aktionen an, sie erzog sie in jahrzehntelangem Ringen um die Demokratie zum Staat selbst.

Das neue Deutschland ist das Deutschland der politischen und wirtschaftlichen Selbstbetätigung der Massen. Ein neuer Typus des Deutschen entsteht: der Gewerkschaftler, der organisierte Angestellte, das rührige Mitglied einer großen Partei. Das neue Deutschland offenbart sich in den Vereinigungen und Verbänden der um ihre wirtschaftliche und politische Befreiung ringenden Frauen.

Das neue Deutschland ist das Deutschland der Volksbühnen, der Arbeiterbildungskommissionen, das Deutschland der Jugendbewegung und der Körperkultur der Massen. Das neue Deutschland wirkt sich in der Begründung einer alle Wissensgebiete umfassenden selbständigen Arbeiterliteratur aus.

In dem großen Ringen des neuen Deutschlands um Macht und Ansehen hat sich die eigenartige Persönlichkeit Fritz Eberts voll entfaltet. Wer die ganze geistige und sittliche Struktur dieses Mannes von der vielgestaltigen deutschen Arbeiterbewegung loslösen will, der vernichtet damit das Geschichtlich-Bedeutsame in der Person Fritz Eberts.

Natürlich ist Fritz Ebert nicht ein bloßes passives Geschöpf der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der großen Umwälzungsperiode von 1871 bis 1918, sondern er ist ein hochaktiver Mitschöpfer der Geschichte dieser Zeit gewesen. In sich vereinigt er eben die wertvollen geistigen und sittlichen Qualitäten, die ihn zum wirklichen Führer unserer Zeit bestimmten. Und es wird gerade die Aufgabe unserer kurzen Lebensbeschreibung des Menschen und Politikers Ebert sein, diese persönlichen Fähigkeiten, die den ehemaligen Arbeiter zum höchsten Staatsamt in Deutschland emportrugen, tageshell zu beleuchten.

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In Heidelberg

In Heidelberg

Der Kanonendonner des achtzehnhundertsiebziger Krieges rollte noch über die Schlachtfelder Frankreichs, als Fritz Ebert zur Welt kam.

Geburtshaus und Museum in der Pfaffengasse 18, Heidelberg – Foto: Simslabinbam

In der engen Pfaffengasse Heidelbergs beschrie er am 4. Februar 1871 zuerst die Wände einer einfachen Schneiderwohnung, in der die ernste Sorge um die nackte Existenz oft zu Tisch saß. Der Vater Eberts, ein Schneidermeister, arbeitete mit mehreren Gesellen und Lehrlingen. Die Mutter Eberts stammte aus einem Dorf des Odenwaldes und war protestantisch getauft und erzogen worden.

Die Pfarrgasse in Heidelberg mit Eberts Geburtshaus

Der Schneider Ebert, der in einer katholischen Häuslichkeit aufgewachsen war, nahm an dem protestantischen Glaubensbekenntnis seiner Frau keinen Anstoß, und so blieb denn sein enges Heim von allem konfessionellen Hader verschont, den der harte, mit der Polizei-Plempe geführte Bismarcksche „Kulturkampf“ in so überreichlichem Maß in Preußen und auch in den deutschen Einzelstaaten entzündet hatte. Der idealistische Schwarm für das sogenannte „protestantische Kaisertum“ hat wohl nie den tief in sehr realen Ängsten und Nöten steckenden Schneidermeister Ebert ergriffen. Schnell wuchs nämlich die Familie heran, und gar flink musste die Nadel fliegen, da sie acht hungrige Magen mit Brot versorgen musste.

Der Hof von Eberts Geburtshaus

In die enge Pfaffengasse leuchtete von jenseits des Neckars das Grün der Berge hinein, und in dem alten Hof des Hauses spann sich in den Winkeln und Treppen romantischer Zauber.

Der Neckar bei Heidelberg – Foto: Adiel lo

Die Berge lockten, und so litt es den jungen Fritz nicht in der drangvollen Häuslichkeit in der Pfaffengasse. Der tobte seine Jugendlust in den waldumkränzten Bergen und am rauschenden Neckar aus. Die Wein- und Obstgärten Heidelbergs wussten viel von den losen Streichen des Knaben Fritz und seiner Kameraden zu erzählen. Von den Bergen stieg die übermütige Jugend zum Neckar hinab. Hier tummelte sich Ebert mit seinen Freunden besonders häufig, und man heftete ihnen den Spottnamen der ‚Neckarschleimer‘ an.

In der Nachbarschaft der väterlichen Werkstatt befand sich die Miets-kutscherei von Seppich.

Ebert sprang helfend den Kutschern bei, erlernte im Flug ihr Handwerk; er wartete sorgfältig die Pferde ab, spannte sie vor den Wagen und lenkte mit Umsicht das Gefährt.

Noch heute erinnert sich die alte Mutter Seppich freudig ihres stets hilfsbereiten ‚Friederle’. Schon frühzeitig betätigt Ebert den Grundsatz, der ihm tief im Fleisch und Blut sitzt: „Bloß nicht ohne Arbeit!“

Fritz besuchte die Volksschule, und er wurde mit der dürftigen geistigen Volksküchenkost gespeist, die in den siebziger und achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts allgemein verabreicht wurde. Was er aber nicht in der Schule lernen konnte, das lernte er da draußen im Leben. Eine mehrhundertjährige Geschichte erhob sich vor ihm in Stein. Moosbewachsene Trümmer und efeuumrankte Türme erzählten von wüsten Kriegszügen und Einbrüchen, die grausam die höchsten Schöpfungen deutscher Baukunst zerstört hatten. Aber von welcher Romantik und Schönheit waren diese Ruinen noch umflossen! Diese redeten stimmungsvoll und mächtig packend auf den jungen Ebert ein.

So hart auch der Existenzkampf der Familie Ebert war, so schallte doch die jubelnde Lebensfreude einer sangesfrohen studentischen Jugend in die enge Schneiderwerkstatt Meister Eberts hinein. Kommersliedergesang füllte oft die alten Straßen Heidelbergs, und bis tief in die Nächte hinein lärmte studentische Ausgelassenheit. Da mochte oft noch die Mahnung des kunstverständigen Fürsten Otto Heinrich an die Studentenschaft am Platz sein: „Des Tags friedlich, des Nachts auch mit gebührlichem Licht und Laterne, ohne Geschrei, Ungestümmigkeit, Unlust und Betrübnis anderer Leute ihres Weges zu gehen.“

Pfalzgraf Otto Heinrich, * 10. April 1502 – † 12. Februar 1559

Ja, nach der ‚Betrübnis anderer Leute’ wurde von den trunkenen dionysischen Schwärmern nicht viel gefragt, wenn sie nachts durch die schwach erleuchteten Straßen Heidelbergs tollten!

Unvergessliche Bilder von jugendlicher Schönheit und Kraft strömten in den Heidelberger Jahren auf den jungen Ebert ein. Da bedeckte sich der Neckar mit zahllosen geschmückten Booten, und in ihnen sangen die jungen Musensöhne ihre übermütig-lustigen Weisen, da schritten historische Festzüge durch die Straßen dahin, da lag im roten qualmenden Feuer der Fackeln die ehrwürdige Ruperto-Carola, die Universität, da flammten in magisch-bengalischem Licht die herrlichen Fassaden der Heidelberger Prunkbauten auf.

Am Vormittag des Sonntags Lätare durchströmte ein langer, langer Kinderzug unter Führung des ‚Sommers’ und ‚Winters’ Alt-Heidelberg. Die Kinder schwangen lustig die ‚Sommerstecken’ und sangen das ‚Sommertagslied’ mit dem Kehrreim:

Schtrih, schtrah, schtroh, der Summerdag ist do, heit ibers Johr, do simmer widder do(r)!

Der junge Ebert hatte das fröhliche Herz des Pfälzers mit auf die Welt gebracht, und er nahm durstig all das Farbige und Freudige in sich auf, was eine sonnige, durch erhabene Kunstschöpfungen verklärte Natur an Schönheit und Größe darbieten kann. Das aus Blüten gewebte ‚schimmernde Brautgewand’ Alt-Heidelbergs, das der Dichter Viktor v. Scheffel so begeistert besungen hat, hob ihn über die Alltagsmisere der bescheidenen Schneiderwerkstatt des Vaters hinweg.

Joseph Viktor von Scheffel, * 16. Februar 1826 in Karlsruhe – † 9. April 1886 ebenda, war ein im 19. Jahrhundert viel gelesener deutscher Schriftsteller und Dichter.

Auch das rege Interesse an der ernsten Arbeit lebensgestaltender Wissenschaft scheint schon in ihm in der Musenstadt Heidelberg erwacht zu sein. Als er die Gewerbeschule seiner Vaterstadt besuchte, bewies er ein ganz hervorragendes Können in der Projektionslehre. Sein Lehrer Dr. Lender bemühte sich daher, den geweckten Knaben dem Baufach zuzuführen. Aber Nadel und Schere des Vaters, die sechs Kinder ernähren und kleiden mussten, konnten nicht die Mittel für ein derartiges Studium aufbringen.

Friedrich Ebert 1890

Ebert wurde katholisch erzogen, und er nahm zur Ergänzung des Volksschulunterrichts zwei Jahre an der pfarrlichen Christenlehre teil. Auch hier erwies er sich als ein geweckter Schüler, dem von der Kanzel herab öffentlich Lob erteilt wurde. Eine besondere Begabung für die Gottesgelehrsamkeit scheint er allerdings nicht bekundet zu haben. Aber vielleicht ist ihm dort einmal nahegelegt worden, Geistlicher zu werden. Das Dogmatische lag allerdings nicht in seinem Wesen. Der kritische Geist war in ihm frühzeitig lebendig. Der Pfälzer – und dieser prägt sich klar in der ganzen Persönlichkeit Eberts aus – ist ein stets auf der Wacht liegender Kritiker, der alle Dinge von vorn und hinten prüft und dann sehr offenherzig und derb mit seinem scharfen Urteil herauskommt. Die Pfälzer sind im Allgemeinen keine religiösen Grübler. Auch die Eltern Eberts haben keinen Einschlag von religiösem Fanatismus.

Von der religiösen Frömmigkeit der Pfälzer hat schon der Kulturhistoriker W. H. Riehl in seiner Studie ‚Die Pfälzer’ vor mehr als einem halben Jahrhundert geschrieben: „Die Pfälzer sind von Hause aus religiös, aber ein besonders kirchliches Volk kann man sie nicht nennen. In der Familie und in der persönlichen sittlichen Tüchtigkeit wurzelt ihre Religiosität viel mehr als in einem festen kirchlichen Gemeindeleben. Die Moral steht ihnen über der Dogmatik und beide über dem Kirchenregiment, wohl auch die Schule über der Kirche. Der Pfälzer ist duldsam gegen Andersgläubige, drückt aber leichter da ein Auge zu, wo er zu wenig, als wo er zu viel Glauben und Kirchentum sieht.“

Wilhelm Heinrich Riehl, * 6. Mai 1823 in Biebrich – † 16. November 1897 in München, war ein deutscher Journalist, Novellist und Kulturhistoriker.

Fritz Ebert hat auf der Straße gelernt, was viele in langen Jahren im Studierzimmer nicht lernen und auch nicht lernen können: das Leben richtig zu ergreifen und es zweckvoll zu gestalten. Seiner intellektuellen Begabung nach hätte er sicher einen tüchtigen wissenschaftlichen Fachmann abgegeben.

Friedrich Ebert (Kreuz) als Sattler-Lehrling, 1885

In der Gewerbeschule leistete er Hervorragendes, und er wurde mit einer Prämie ausgezeichnet, mit Schillers Werken. Aber die Fähigkeit der schnellen Aneignung wissenschaftlicher Kenntnisse charakterisiert noch nicht das ureigenste Wesen Fritz Eberts.

Der Laden des Sattlermeisters Schmitt in Heidelberg, bei dem Ebert das Sattler-Handwerk erlernte

Dieser ist durch und durch Tatmensch, er will organisieren, schaffen, umgestalten. In ganz jungen Jahren wird er schon ein Organisator von ganz besonderer Tüchtigkeit.

Helle Augen und helle Ohren sind eine Mitgift der Natur, sie können nicht künstlich angezüchtet werden. Der Gelehrte häuft oft ein riesenhaftes Wissen im Kopf an, aber dadurch werden kurzsichtige geistige Augen nicht fernsichtig. Unser mit formalem Wissen überladenes Zeitalter verkennt häufig die ausschlaggebende Bedeutung angeborener Anlagen, weittragender geistiger Augen, schnell und sicher zupackender Hände. Da wundert man sich über den schnellen Aufstieg einfacher Arbeiter zu führenden Männern in der Wirtschaft und Politik. Ja, diese Männer haben ja nicht einmal den ‚Berechtigungsschein zum einjährigen Dienst’! Sie sind ‚ungebildet’. Die Bildung eines Menschen wird in unserer Zeit immer noch nach der rein mechanischen, gedächtnismäßigen Einprägung zahlreicher, meist unzusammenhängender Tatsachen aus allen möglichen Wissensgebieten gemessen. Ob diese Tatsachen innerlich verarbeitet und in den Menschen gleichsam hineingebildet wurden, ob sie mit ihm wirklich verwuchsen und seine eigene ursprüngliche Kraft zu größerer Aktivität steigerten, darüber zerbrechen sich die Bildungsstolzen unserer Tage nicht den Kopf, wenn sie die ‚Bildung’ irgendeines Mitmenschen bewerten sollen.

Nur dann ist ein Mensch gebildet, wenn er sich bestimmte äußere Kenntnisse zu ‚eigen’ gemacht hat, so dass sie nun die tiefsten inneren Bedürfnisse seiner Natur befriedigen. Nur Menschen mit wirklichen Bildungsbedürfnissen können gebildete Menschen werden. Der Mensch muss sich von vornherein darüber entscheiden, was zu ihm und was nicht zu ihm gehört, wenn er sich tatsächlich ‚bilden’ will. Ein Ebert griff aus den mannigfaltigen Bildungselementen, die auf ihn einstürmten, gerade die heraus, die seinem ganzen tatfreudigen Wesen entsprachen. Er eignete sich die naturwissenschaftlichen, nationalökonomischen und historischen Tatsachen an, die ihn zum Wecker und Führer einer sich auf sich selbst besinnenden Klasse erziehen halfen.

Friedrich Nietzsche; * 15. Oktober 1844 in Röcken – † 25. August 1900 in Weimar, war ein deutscher klassischer Philologe und Philosoph.

(Siehe Band 237 in dieser gelben Buchreihe!)