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Eltern und Angehörige von Sternenkindern in der Gemeinde begleiten
Wenn ein Kind vor, während oder kurz nach der Geburt stirbt, ist das für Eltern und Angehörige ein Schock. Die Welt steht still und alles ist von einem Moment auf den anderen völlig anders als erwartet und erhofft. In den letzten zwei Jahrzehnten ist das Bewusstsein für diese Menschen und ihre Sorgen sehr gewachsen. Was bisher fehlt, ist ein Praxisbuch, das die seelsorgliche Begleitung von den Eltern und deren Angehörigen im Gemeindeumfeld unterstützt. Das Buch von Katharina und Robert Brühl schließt diese Lücke.
Es bietet zum einen umfassende Hintergrundinformationen zum Thema: Nach wichtigen Begriffserklärungen und einer Erläuterung der rechtlichen Hintergründe zu Fragen des frühkindlichen Todes, beleuchtet es die (veränderte) gesellschaftliche Wahrnehmung von Tod- und Fehlgeburten sowie des frühen Kindstodes und stellt relevante theologische und ethische Aspekte vor.
Den zweiten Schwerpunkt des Buches bildet ein Materialteil, der Praxisbeispiele für das Seelsorgegespräch nach stiller Geburt, Gottesdienstmodelle für die Bestattung von Sternenkindern und Säuglingen, Fürbitt-Anregungen sowie Modelle für das Gedenken an Sternenkinder in der Gemeinde bietet. Text- und Liedvorschläge runden den Band ab.
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Seitenzahl: 98
Veröffentlichungsjahr: 2025
Wenn ein Kind vor, während oder kurz nach der Geburt stirbt, ist das für Eltern und Angehörige ein Schock. Die Welt steht still und alles ist von einem Moment auf den anderen völlig anders als erwartet und erhofft.
Dieses Buch bietet Hintergrundinformationen zum Thema: Nach wichtigen Begriffserklärungen und einer Erläuterung der rechtlichen Hintergründe zu Fragen des frühkindlichen Todes beleuchtet es die (veränderte) gesellschaftliche Wahrnehmung von Tod- und Fehlgeburten sowie des frühen Kindstodes und stellt relevante theologische und ethische Aspekte vor.
Den zweiten Schwerpunkt des Buches bildet ein Materialteil, der Praxisbeispiele für das Seelsorgegespräch nach stiller Geburt, Gottesdienstmodelle für die Bestattung von Sternenkindern und Säuglingen, Fürbitt-Anregungen sowie Modelle für das Gedenken an Sternenkinder in der Gemeinde bietet. Text- und Liedvorschläge runden den Band ab.
Katharina Brühl (geb. 1991) und Robert Brühl (geb. 1991) arbeiten als Pastor:innen in einer ländlichen Region in der Hannoverschen Landeskirche. Im Rahmen von Studium und Vikariat haben sie sich intensiv mit der Seelsorge an Sterneneltern beschäftigt. Sie sind Eltern dreier Kinder und eines Sternenkindes.
Katharina und Robert Brühl
Früh verwaiste Eltern behutsam begleiten
Ein Praxisbuch für Liturgie und Seelsorge
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Bibelübersetzungen:
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in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
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(Vorstehende Angaben sind zugleich
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Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln
Umschlagmotiv: © VICUSCHKA – Adobe Stock.com
ISBN 978-3-641-32209-0V001
www.gtvh.de
Für alle Sternenkinder und für diejenigen, in deren Erinnerung sie weiterleben
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriffsklärungen
1. Sternenkind / Schmetterlingskind / Lichtkind / Engelskind / Regenbogenkind
2. Stille Geburt / Kleine Geburt / Fehlgeburt
3. Perinataler Tod / Plötzlicher Kindstod
3. Überblick über rechtliche und gesellschaftliche Grundlagen
1. Personenstandsgesetz
2. Bestattungsrecht – Bestattungspflicht
3. Mutterschutz nach stiller Geburt
4. Gesellschaftliche Debatten – Elterninitiativen zu genereller Bestattungspflicht
4. Theologische und ethische Aspekte
1. Das Thema »Fehlgeburt« in der Bibel
2. Menschenwürde und pränataler Tod
3. Seelsorge im Kontext des perinatalen Todes
5. Gottesdienstliches und Möglichkeiten der Begleitung
1. Kasualien rund um die stille Geburt: Taufe, Segnung, Salbung, Bestattung, Erinnerung
2. Orte der Erinnerung: Grabmale und Gedenkorte für Sternenkinder / Gedenkstätten
3. Gottesdienste und Andachten
4. Bekanntmachungen
5. Gruppen und Kreise
6. Weitere Ideen
7. Wer kann wo Hilfe finden?
6. Praxismaterial zur Begleitung
1. Seelsorgegespräch nach stiller Geburt
2. Bestattung eines Sternenkindes
a) Die Bestattung eines einzelnen Sternenkindes oder für einander verwandte Sternenkinder (etwa im Mutterleib verstorbene Mehrlinge) mit eigener Trauerfeier
b) Die Bestattung eines Sternenkindes ohne große Trauerfeier, mit Liturgie nur am Grab
c) Die stille Beisetzung eines Sternenkindes / mehrerer Sternenkinder4
d) Die Bestattung mehrerer Sternenkinder in einer Gemeinschaftsbestattung
3. Abkündigung und Fürbitte im Gemeindegottesdienst
4. Gestaltung möglicher Gedenktage
5. Einfache Form des Gedenkens
6. Texte, Lieder und Gebete zum Thema
7. Fürbitten zur Aufnahme in Sonntagsgottesdienste
1. Einleitung
Der Friedhof in Klein Himstedt ist rund um die Kirche angelegt. Wer in dem kleinen Dorf in Südniedersachsen in die Kirche gehen will, muss den Friedhof überqueren. Die meisten Gräber sind hinter der Kirche; doch direkt neben der alten Kirchentür findet sich ein einzelnes Grab. Es ist klein, vielleicht einen Meter lang. Am Kopfende steht eine Stele, die ein Grabkreuz trägt. Die Kanten des Grabes sind mit einer Art schmiedeeisernem Zaun umgeben. Wer davor steht, gewinnt leicht den Eindruck, er stünde an einem Gitterbett.
Vermutlich ist der Eindruck gewollt. Denn es ist ein altes Kindergrab. Unter Grabkreuz und Stele, unter dem Grün der Pflanzendecke ruht ein Kind, das nie groß werden durfte. Seine Eltern betteten es zur letzten Ruhe in einem Kinderbett aus Eisen und Erde – eine stumme Mahnung für jeden, der die Kirche betritt: Ein gesundes, lebendiges Kind ist ein unglaubliches Geschenk.
Kindergräber wie dieses in Klein Himstedt gibt es viele. Wer auf alten Kirchhöfen sucht, findet oft alte Kindergräber; und immer wieder sind darunter welche, die im Stil eines Gitterbettchens errichtet sind – weithin erkennbar: Hier ruht ein kleines Kind in Gottes Ewigkeit.
Hinter jedem dieser Gräber steckt eine eigene Geschichte – doch eines haben sie alle gemeinsam: In ihnen ruhen Kinder, die ihre Geburt überlebt haben – und sei es nur für einen Augenblick. Die unzähligen Kinder, die im Mutterleib versterben, wurden jahrhundertelang nicht beerdigt. Noch zur jüngsten Jahrtausendwende war es weit verbreitete Praxis, im Mutterleib verstorbene Kinder nicht zu bestatten, sondern als »Klinikmüll« zu verbrennen. Um ein ungeborenes Kind zu trauern, es gar beerdigen zu wollen, war nicht vorgesehen.
In den letzten Jahren hat sich in dieser Hinsicht Gott sei Dank viel getan. Mittlerweile ist es flächendeckend möglich, auch tot zur Welt gekommene Kinder zu beerdigen. Immer mehr Frauen sprechen offen über den Verlust, den eine Fehl- oder Totgeburt mit sich bringt; über die Trauer, die dadurch ausgelöst wird. Zugleich ist es noch immer schwer, über dieses Thema zu sprechen – und das, obwohl jede fünfte Frau mindestens einmal in ihrem Leben ein Kind tot zur Welt bringen muss.
Oft werden fehl- und totgeborene Kinder gesammelt bestattet, direkt von den Kliniken aus, in denen sie geboren wurden. Doch immer öfter möchten Eltern ihr totes Kind auf dem Friedhof im eigenen Ort beerdigen – wo es solche Möglichkeiten gibt und sie bekannt sind, werden sie gerne angenommen. Doch dafür braucht es vor Ort Menschen, die offen aussprechen: Hier bei uns können tot geborene Kinder bestattet werden.
An dieser Stelle will dieses Buch ansetzen: Es ist uns ein Anliegen, dass Sterneneltern ihre Kinder auf dem Friedhof bestatten können, den sie sich dafür wünschen – und es ist uns wichtig, dass dort, wo es gewünscht wird, Sternenkinder christlich bestattet werden. Wir wissen aus eigenem Erleben, dass der Tod eines ungeborenen Kindes viele Menschen sprachlos werden lässt – und dass die, die sich trauen zu reden, mit unbedachten Worten den Schmerz der Eltern noch vergrößern können. Wir wollen Mut machen, dennoch zu reden – und wir möchten Worte anbieten, wo sie gesucht und gebraucht werden.
Dieses Buch ist eine zweigeteilte Handreichung: Im ersten Teil wollen wir auf der Metaebene sprachfähig machen, informieren und zum Diskurs anregen: Welche Begriffe gibt es, wie sind die rechtlichen Rahmenbedingungen, welche Hilfsangebote gibt es und was können kirchliche Akteure aus unserer Sicht tun, um Sterneneltern seelsorglich zu begleiten und Kasualien rund um Sternenkinder zu gestalten?
Im zweiten Teil wollen wir anregen: Wir teilen unsere Erfahrungen aus Gedenkgottesdiensten und Trauerfeiern. Wir möchten Mut machen, über Sternenkinder zu sprechen – denn unsere Erfahrung ist, dass es daran immer noch an vielen Stellen mangelt und verwaiste Eltern oft nicht wissen, dass auch Kirche vor Ort in ihrer Situation ansprechbar und hilfreich sein kann. Und wir möchten Hilfestellung geben, selbst Gedenkgottesdienste und Trauerfeiern für Sternenkinder zu gestalten – damit auch jene Kinder, die niemals selbst geatmet haben, einen Platz in der Mitte der Gemeinde bekommen – damit auch ihr Leben gesehen und die Trauer ihrer Hinterbliebenen geachtet wird.
Möge Gott all jene segnen und behüten, die die Familien von Sternenkindern stützen und begleiten.
2. Begriffsklärungen
1. Sternenkind / Schmetterlingskind / Lichtkind / Engelskind / Regenbogenkind
Oft werden die Begrifflichkeiten zu diesem Thema vermischt, weshalb hier zunächst eine begriffliche Differenzierung vorgenommen werden soll: Kinder, die vor, während oder kurz nach der Geburt gestorben sind, werden ›Sternenkinder‹ genannt. Teilweise gibt es hierbei die im medizinischen und rechtlichen Kontext wichtige Einschränkung, dass nur Kinder mit einem Geburtsgewicht unter 500 Gramm oder vor Vollendung der 24. Schwangerschaftswoche (SSW) als ›Sternenkinder‹ bezeichnet werden. Dabei soll v. a. der Unterschied zwischen bestattungspflichtigen Kindern und solchen, die nicht auf einem Friedhof bestattet werden müssen, aufgezeigt werden. Von trauernden Eltern und Familien wird diese Grenze jedoch nicht gezogen – mir sind im privaten Zusammenhang Eltern begegnet, die auch ein viel älteres verstorbenes Kind als ›Sternenkind‹ bezeichnen.
Die Herkunft der Bezeichnung liegt in der religiösen Hoffnung, dass jene Kinder im Himmel, also bei den Sternen, geborgen sind – auch die alternativen Begriffe ›Engels-‹ und ›Himmelskind‹ zeugen von dieser Vorstellung. Eine weitere, weniger verbreitete Bezeichnung lautet›Schmetterlingskind‹ – so flüchtig, wie der Flügelschlag eines Schmetterlings sein kann, so kurz haben diese Kinder das Leben ihrer Familien berührt. An manchen Orten taucht auch die Bezeichnung verstorbener Kinder als ›Lichtkinder‹ auf. Dadurch wird besonders die Lichtmetaphorik als Hoffnungssymbol und somit als Trost spendendes Element für Eltern und Familien aufgegriffen. Im Begriff ›Sternenkind‹ ist diese Lichtmetaphorik aber ebenfalls enthalten: Ein Stern leuchtet am Himmel und ist damit im volkstümlichen Glauben Gott besonders nahe; das Licht schenkt den Eltern die Hoffnung auf ein ewiges Leben ihres Kindes bei Gott. Zudem vermittelt der Begriff ›Sternenkind‹ über die bekannte Unerreichbarkeit der Sterne die Unerreichbarkeit des verstorbenen Kindes. Das Kind hat das Leben seiner ganzen Familie, der Mitarbeitenden im Krankenhaus, der Geburtshelfer:in, der Bestatter:in u. v. m. berührt und wurde für sie so Teil ihres Lebens. Gleichzeitig war es für viele Außenstehende aber noch nicht sichtbar und möglicherweise haben die Eltern die Schwangerschaft noch für sich behalten – und trotzdem hat das Kind existiert. Ein Kind ist immer und schon von Anfang an ein Beziehungswesen. Diese Verbindung hört auch nach der Geburt, egal in welcher SSW diese stattfindet, nicht auf – es entsteht in der Schwangerschaft sogar eine mess- und nachweisbare Verbindung zwischen Mutter und Kind (im Blut der Mutter ist nach der Geburt kindliche DNA nachweisbar; medizinisch bekannt als Mikrochimärismus).
Im System ›Sternenkind‹ ist zudem der Begriff ›verwaiste Eltern‹ präsent. Dieser Ausdruck beschreibt die Sprachlosigkeit, die herrscht, wenn ein Kind vor seinen Eltern stirbt; es gibt nicht einmal einen Begriff dafür. Um diese Sprachlücke zu überbrücken, werden Eltern, die ein Kind verloren haben, immer öfter als verwaiste Eltern oder Sterneneltern bezeichnet.
Im englischsprachigen Raum gibt es zu Sternenkindern noch weitere Begriffe, die hier einmal kurz genannt werden sollen. Sternenkinder werden auch als ›angel babies‹ bezeichnet. Sunshine babies sind die Kinder, die vor einem Sternenkind zur Welt kommen – sie symbolisieren den Sonnenschein und die Ruhe vor dem Sturm. Rainbow babies, bei uns ebenfalls als ›Regenbogenkinder‹ bezeichnet, kommen nach einem Sternenkind zur Welt und stehen als Zeichen für den Frieden und die Ruhe nach dem Sturm. Ein double rainbow baby wird nach zwei Sternenkindern geboren. Ein golden baby wird nach einem Rainbow baby geboren und symbolisiert den Topf voller Gold am Ende eines Regenbogens und damit das Glück, das Sterneneltern empfinden, wenn sie zwei gesunde Kinder nacheinander bekommen durften.
2. Stille Geburt / Kleine Geburt / Fehlgeburt
Der Begriff der ›stillen Geburt‹ bzw. im Original ›stillbirth‹ kommt aus dem englischsprachigen Raum und bezieht sich immer auf das Kind: Alle Kinder, die im Mutterleib oder unter der Geburt sterben und folglich nach der Geburt nicht zu schreien beginnen, werden als ›Stillgeborene‹ bezeichnet. Der Begriff ›stille Geburt‹ bezeichnet daher eine vom Kind her lautlose Geburt, denn dieses Kind verkündet nicht mit einem ersten Schrei seine Ankunft in der Welt.
In der medizinischen und der rechtlichen Sprache wird hauptsächlich von Fehl- und Totgeburten gesprochen: Kinder, die mit einem Geburtsgewicht unter 500 Gramm tot zur Welt kommen oder die Geburt in einer frühen SSW (meist vor der 23./24. SSW
