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Seit vierzehn Jahrhunderten bestimmt der Islam die Geschicke weiter Teile der Erde und ist seit vierzig Jahren ein aktiver Akteur auf der politischen Weltbühne, mit einem Szenario und einer Inszenierung, die problembehaftet und umstritten sind, den modernen menschlichen Geist irritieren und ihn des Verständnisses berauben. Eine Aufgabe der Geschichtsschreibung besteht darin, durch das Aufhellen der Vergangenheit ein neues Licht in das Dunkel der gegenwärtigen Ereignisse zu bringen, sie verständlich zu machen und - wo möglich - zu neuen Lösungen durchzudringen. Dieser Aufgabe verpflichtet sich der Autor, indem er sagt: "Ich hoffe, dieses Buch ist eine Salbe für die Wunden der Muslime ... und motiviert sie sich für die Gestaltung einer besseren Zukunft anzustrengen"
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Seitenzahl: 571
Veröffentlichungsjahr: 2021
Stiftung für Islamische Studien e.V. (Hrsg.)
Asghar Montazeroghaem
Frühgeschichte des Islams
bis in das Jahr 40 nach der Auswanderung
© 2021 Asghar Montazeroghaem
Stiftung für Islamische Studien e.V.
Prof. Dr. Mahdi Esfahani (Hrsg.)
Übersetzung:
Mir Kamaladdin Kazzazi (aus dem Persischen übersetzt)
Lektorat:
Özgür Sözeri
Cover:
Maassouma Dabbous
Verlag und Druck: tredition GmbH
Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN
Paperback:
978-3-347-22571-8
e-Book:
978-3-347-34912-4
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig.
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort des Herausgebers
Vorwort des Autors
Erstes Kapitel: Quellenforschung
Notwendigkeit des Überblicks über die Literatur
1. Koran
2. Tradition (sunna) des Propheten
3. Dichtung
4. Bücher über die Lebensweise von Muḥammad
5. Bücher über die Feldzüge des Propheten
6. Lebensgeschichten der Prophetengefährten
7. Ṭabaqāt-Bücher
8. Genealogie
9. Lokale Geschichte der heiligen Städte
10. Allgemeine Weltgeschichte
Zweites Kapitel: Arabische Halbinsel vor dem Islam
1. Geografische Lage
2. Stammeskriege
3. Kulturstätten der Arabsichen Halbinsel
4. Arabische Stämme
5. Geistige Welt der vorislamischen Araber
5.1. Ǧāhilīya (Ignoranz)
5.2. Ḍalāla (Irrweg im Glauben)
6. Stellung der Frau
7. Zustand der Wissenschaften vor dem Islam
8. Arabische Märkte
9. Ḍalāla auf der Arabischen Halbinsel
9.1. Götzenverehrung
9.2. Bekannte arabische Idole
10. Monotheismus auf der Arabischen Halbinsel
11. Gründung von Mekka, des sicheren Heiligtums
12. Herrschaft der Quraiš über Mekka
13. Geburt von Muḥammad
Drittes Kapitel: Ära der Aussendung
1. Aussendung (biʿṯa)
2. Einführung des Gebets
3. Öffentliche Bekanntmachung des Islams
4. Öffentlicher Aufruf zum Islam
5. Bekämpfung Muḥammads durch die Quraiš
6. Auswanderung nach Abessinien
7. Rückzug in den Großstamm (šaʿb) Abū Ṭālib
8. Jahr der Trauer für Muḥammad
9. Reise nach Ṭāʾif
10. Nächtliche Reise und Himmelfahrt
11. Ein Umriss der Ära der Aussendung
Viertes Kapitel: Ära der Auswanderung
1. Lage von Yaṯrib
2. Erste Muslime unter Aus und Ḫazraǧ
3. Im Vorfeld der Auswanderung
4. Auswanderung (hiǧra) nach Yaṯrib
5. Auswanderung der Muslime
6. Der Dār an-Nadwa-Rat
7. Bau der Masǧid an-Nabī [Prophetenmoschee]
8. Schwierigkeit des Propheten in Medina
9. Die Maßnahmen Muḥammads zur Beseitigung der Hürden
10. Änderung der Qibla
11. Vermählung von Fāṭima az-Zahrāʾ mit ʿAlī
12. Befehl zu Verteidigung und ğihād
13. Einteilung der militärischen Aktionen Muḥammads
14. Einteilung der Feldzüge nach den jeweiligen Gegnern
15. Merkmale der Ġazwas und Sarīyas des Propheten
Fünftes Kapitel: Beziehung und Haltung von Muḥammad zu den Polytheisten
1. Kriegführung der Quraiš gegen Muḥammad
1.1. Ġazwa Badr (Badr al-kubrā)
1.1.1. Beispiele der Opferbereitschaft der Muslime
1.1.2. Verluste der Kriegsparteien
1.1.3. Schicksal der Gefangenen
1.1.4. Verteilung der Beute
1.1.5. Resonanz der Schlacht von Badr
1.1.6. göttliche Beihilfe
1.2. Ġazwa Sawīq
1.3. Sarīya Zaid ibn Ḥāriṯa
1.4. Ġazwa Uḥud
1.4.1. Meinungsaustausch des Propheten mit seinen Gefährten
1.4.2. Schlacht
1.4.3. Gefallene von Uḥud
1.4.4. Anwesenheit der Frauen in Uḥud
1.4.5. Gründe für die Niederlage der Muslime
1.5. Ġazwa Ḥamrāʾ al-asad
1.6. Ġazwa Badr al-waʿd
1.7. Ġazwa Aḥzāb
1.7.1. Beratung des Propheten mit den Gefährten
1.7.2. Ehrung für Salmān
1.7.3. Aufstellung der Truppen und der Vertragsbruch der Banū Quraiẓa
1.7.4. Die schwankende Moral der Muslime
1.7.5. Wachsamkeit der Verteidiger und die Überquerung des Grabens
1.7.6. Spaltung der polytheistischen Allianz
1.7.7. Gefallenen der Ġazwa von Ḫandaq
1.7.8. Gründe für den Sieg der Muslime
1.7.9. Tragweite des Sieges
2. Friedensvertag von Ḥudaibīya
2.1. Inhalt des Vertrags
2.2. Sieg oder Niederlage der Muslime?
2.3. Die Beurteilung des Frieden von Ḥudaibīya
3. Briefe Muḥammads und weltweite Verkündigung des Islams
3.1. Brief an den oströmischen Kaiser Herakleios
3.2. Brief an den persischen König der Könige Ḫosrow II.
3.3. Brief an Naǧāšī, den abessinischen König
3.4. Brief an Muqawqis, den Herrscher über Ägypten
3.5. Brief an Hawḏa ibn ʿAlī Ḥanafī, den König von Yamāma
3.6. Brief an Ḥāriṯ ibn Abī Šamir, den König der Ghassaniden
4. Kanzlei des Propheten
5. ʿUmra al-qaḍāʾ
6. Eroberung von Mekka
6.1. Einmarsch des islamischen Heeres in Mekka
6.2. Ansprache Muḥammads in der Heiligen Moschee
6.3. Erfolgskomponenten des Eroberungszugs gegen Mekka
6.4. Zerstörung der Götzenhäuser im Umland von Mekka
6.5. Entsendung von Ḫālid ibn Walīd nach Ġumaiṣāʾ
7. Beziehung des Propheten zu anderen polytheistischen Stämmen
7.1. Schlacht von Ḥunain
7.2. Schlacht von Ṭāʾif
7.2.1. Abbruch der Belagerung von Ṭāʾif
7.2.2. Freilassung der Gefangenen
7.2.3. Konversion von Mālik ibn ʿAuf Naṣrī
7.2.4. Verteilung der Kriegsbeute
7.2.5. Protest der anṣār
7.2.6. Rückkehr von Muḥammad nach Medina
7.2.7. Ende der Feindseligkeiten der Polytheisten
Sechstes Kapitel: Beziehungen Muḥ ammads zu den Schriftbesitzern (Ahl al-kitāb)
1. Haltung von Muḥammad zu den Juden
1.1. Ġazwa der Banū Qainuqāʿ
1.2. Feldzug gegen die Banū Naḍīr
1.3. Feldzug gegen die Banū Quraiẓa
1.4. Schlacht von Ḫaibar
1.5. Friedensschluss mit den Bewohnern von Fadak
1.6. Schlacht von Wādī l-qurā
1.7. Kriegsbeute von Ḫaibar
2. Haltung von Muḥammad zu den Christen
2.1. Schlacht von Mūta
2.2. Schlacht von Tabūk
2.2.1. Stellvertreter Muḥammads in Medina
2.2.2. Abkommen mit den Bewohnern von Tabūk
2.2.3. Rückkehr Muḥammads nach Medina
3. Unfruchtbare Bemühungen der Heuchler
Siebentes Kapitel: Muḥammads Reformen - eine Arbeitsbilanz
1. Rahmenbedingungen seiner Reformen
2. Politische Reformen
2.1. Die von Muḥammad begründete Staatsform
2.2. Souveränität des Islamischen Staates
2.2.1. Territorium
2.2.2. Bevölkerung
3. Kulturelle Reformen
3.1. Generosität von Muḥammad
3.2. Hygiene
3.3. Familienleben
3.4. Ehefrauen von Muḥammad
3.5. Fundament der islamischen Kultur und Zivilisation
4. Soziale Reformen
4.1. Einheit und Solidarität der islamischen Gemeinde
4.2. Ablehnung von Rassismus
4.3. Einführung der von Gott bestimmten Frauenrechte
4.4. Die Herstellung von Gerechtigkeit und Gleichheit
5. Wirtschaftliche Reformen
5.1. Lebensstandard
5.2. Herstellung der wirtschaftlichen Gerechtigkeit
6. Krankheit und Tod von Muḥammad
6.1. Ermahnung zu Eintracht und Solidarität
6.2. Begräbnis von Muḥammad
Achtes Kapitel: Entstehung des islamischen Kalifats. Die Ära der ersten Kalifen
1. Ereignis von Saqīfa
2. Vorbereitung der Machtübernahme
3. Die Reaktion des Prophetenhaushalts (Ahl al-bait)
3.1. Warum durfte ʿAlī nicht Kalif werden?
3.2. ʿAlīs Haltung gegenüber Saqīfa
4. Abū Bakrs Kalifat
4.1. Falsche Propheten
4.2. Eroberungen des Islams
4.2.1. Eroberungen in den östlichen Grenzgebieten
4.2.2. Eroberungen im Norden
5. ʿUmars Kalifat
5.1. Vormarsch des Islams im Iran
5.2. Gründung von Basra
5.3. Gründung von Kūfa
5.4. Unterwerfung der west- und zentraliranischen Regionen
5.5. Schicksal des letzten Šāh der Sassaniden
5.6. Eroberung von Ḫorāsān
5.7. Gründe des Untergangs des Sassanidenreiches
5.8. Verbreitung des Islam im Iran
5.9. Verwaltung und Finanzwesen in der Zeit von ʿUmar
5.10. Gründung des Finanzhofs (dīvān)
5.11. Festlegung der ḫarāǧ
5.12. Verhaltensweise des zweiten Kalifen
5.13. Der von ʿUmar einberufene Rat zur Wahl seines Nachfolgers
6. Kalifat von ʿUṯmān
6.1 Ermordung von ʿUṯmān
6.2. Warum hat man ʿUṯmān getötet?
Neuntes Kapitel: Kalifat von ʿAlī
1. Beginn seines Kalifats
2. Die Eigenart der Wahl ʿAlīs
3. ʿAlīs Reformen
3.1. Politische Reformen
3.1.1. Staatsdiener
3.1.2. Verlegung der Hauptstadt des Kalifats nach Kūfa
3.2. Soziale Reformen
3.2.1. Soziale Gerechtigkeit
3.2.2. Gleichberechtigung für alle Menschen
3.2.3. Kampfansage an Diskriminierung und Sonderrechte
3.2.4. Armutsbekämpfung
3.2.5. gesellschaftliche Freiheit
3.3. Wirtschaftliche Reformen
3.3.1. Kultivierung des Landes
3.3.2. Ausbau von Handel und Handwerk
3.3.3. Kontrolle von Monopolisierung und Preissteigerung
3.4. Kulturelle Reformen
3.4.1. Kommentierung des Korans
3.4.2. moralische Erziehung der Gesellschaft
3.4.3. Bekämpfung des Stammesfanatismus
3.4.4. Förderung der Bildung
3.4.5. Darlegung der Fundamente der islamischen Weltanschauung
4. Bekämpfung ʿAlīs durch seine Gegner
4.1. Nākiṯīn (Eidbrecher)
4.1.1. ʿAlīs Eintreffen in Kūfa
4.2. Qāsiṭīn (Abweichler)
4.2.1. Ṣiffīn und der Schiedsspruch (ḥakamīya)
4.2.2. Gründe für die Einwilligung in den Schiedsspruch
4.2.3. Verhandlung der Schiedsrichter und ihre Ergebnisse
4.3. Schlacht von Nahrawān
4.3.1. Gründe für die Entstehung der Ḫawāriǧ:
4.3.2. Folgen der Schlacht von Nahrawān
5. Der letzte Versuch
Quellenverzeichnis
Aṣġar Montaẓerolqāʾem, geboren 1958 in Isfahan (Iran), ist ein iranischer Islamwissenschaftler auf dem Spezialgebiet Islamische Geschichte; er lehrt an der Universität von Isfahan. Seine Arbeiten umfassen neben allgemein islamischen auch insbesondere schiitische Themen. Das vorliegende Buch ist ursprünglich für den Unterricht an geschichtlichen Seminaren verfasst worden. Der Autor beginnt seine Recherchen mit einem umfassenden Bild von der Arabischen Halbinsel an der Schwelle zum Islam. Neben der Behandlung der klimatischen, geographischen und geschichtlichen Begebenheiten dieser Halbinsel führt der Autor den Leser in die Verhaltensweisen und Sitten ihrer Ureinwohner, der Beduinen, ein. Ihr Dasein beschreibt er als roh, primitiv und rückschrittlich. In seinem Urteil über die Stämme der Halbinsel kommt er zu dem Ergebnis, dass sie Gemeinschaften waren, die in ihrer kulturellen Entwicklung seit Jahrhunderten stehengeblieben waren. Er tendiert dazu den Grund für den kulturellen Rückschritt und das Ausbleiben einer Beduinen-Zivilisation im harten Klima der Halbinsel zu suchen, mit dem die Beduinen seit eh und je zu kämpfen hatten. Den Bogen zum Islam spannt er durch die These, dass seine Entstehung hauptsächlich eine Reaktion auf die regressive Haltung war, die das Leben der Beduinen moralisch und sozial bestimmte. Erst durch ihn fanden sie Zugang zur Zivilisation.
Die imposante Liste der verwendeten Literatur, meist der klassischen muslimischen - schiitischen wie sunnitischen - Werke zeugt vom großen Bestreben des Autors, keine leeren Behauptungen aufzustellen, sondern mit Belegen zu arbeiten. Eine kritische und überprüfende Auseinandersetzung mit den benutzten Quellen wird jedoch vermieden, sodass ihre Aussagen in der Regel über das Stadium einer Aussage als Beleg ohne (oder mit nur wenigen) kritischen Bemerkungen zu ihrem Wahrheitsgrad nicht hinausgehen. Hinzu kommt, dass die Ergebnisse der westlichen Islamforschung, besonders in Anbetracht der Fülle an Recherchen in der neueren Zeit, verhältnismäßig wenig in die Arbeit einbezogen wurden. Der Autor findet methodisch Anschluss an die Tradition der muslimischen Historiker, die übermenschliche Entitäten, wie z. B. die Offenbarung, in die kausalen Verhältnisse eines geschichtlichen Ereignisses als einen aktiv durchgreifenden Faktor gelten ließen. Im Unterschied zur traditionellen Geschichtsschreibung unterzieht der Autor die in einem Kapitel behandelten Themen jedoch verschiedenen Analysen, die sowohl zur Aufklärung der Ereignis-Hintergründe als auch zur vereinfachten Darstellung ihrer Komplexität stark beitragen. Das ist ein Umstand, der dem Leser den Einstieg in die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des Islams als ein religiös-politisches System ermöglicht. Dieses Buch ist trotz seiner modernen Verfassung gemäß der traditionell muslimischen Geschichtsschreibung zustande gekommen. Davon zeugt auch der Schreibstil des Autors in der Behandlung und Erwähnung der heiligen Orte und Personen, die er mit Eulogien1 bzw. hochschätzenden Attributen und sonstigen respekterweisenden Ausdrücken versieht. In der deutschen Ausgabe wurde dieser Sprachstil dem geläufigen Stil nicht-religiöser Bücher angepasst. Lediglich Gesandter Gottes (rasūl Allāh), wenn der Prophet Muḥammad genannt wird, und seine Gegenwart (ḥaḍrat), als Pronomen der 3. Person fungierend, wenn ein Heiliger genannt wird, im deutschen Text mit der Erhabene wiedergegeben, wurden von diesem Stil beibehalten.
Die Transkription erfolgt nach der DMG-Umschrift. Nur bei den neupersischen Namen und Zitaten sind die Kurzvokale mit a, e, o wiedergegeben. Die vom Übersetzer stammenden Erklärungen und Ergänzungen sind im Haupttext mit [ ], in den Fußnoten mit (DÜ) gekennzeichnet.
Breitenfurt (Bayern) August 2017
Mir Kamaladdin Kazzazi
1 Unter Muslimen ist es üblich, nach dem Namen von Propheten und (unter Schiiten auch bei den designierten Imamen) Eulogien (Segenswünsche) zu gebrauchen. Für den Propheten Muḥammad ist dies „Gott segne ihn und seine Familie (und schenke ihm Heil)“, Arabisch: ṣallāʾllāhu ʿalayhi wa ālihi wasallam, abgekürzt saws. Für andere Propheten und die Imame heißt die Eulogie „Friede sei auf ihm“, Arabisch ʿalayhi ʾs-salām, abgekürzt as. (DÜ)
Vorwort des Herausgebers
Die Stiftung für Islamische Studien e.V. (SIS e.V.) verfolgt seit ihrer Gründung satzungsgemäß verschiedene Ziele. Eines dieser Ziele ist die Publikation von wissenschaftlichen Schriften, um einen akademischen Beitrag für die Islamische Theologie sowie für die Islamwissenschaften in deutscher Sprache zu leisten. Diesbezüglich wurde die Übersetzung mehrerer Arbeiten, u.a. „Frühgeschichte des Islams“, „Islamische Kultur und Zivilisation“, „Sprache des Korans“ und „Frau im Islam“, in Auftrag gegeben, die zeitnah veröffentlicht werden sollen.
Ebenso arbeitet der SIS e.V. seit mehreren Jahren an dem zehnbändigen Projekt „Das Licht - Islamlehrbuch für Kinder“. Die ersten zwei Bände wurden in den vergangenen Jahren probeweise veröffentlicht. Nach Eingang von Rückmeldungen und Verbesserungsvorschläge seitens der Leser wurden die beiden Bände für die erste Auflage überarbeitet. Das dritte der zehn-bändigen Buchreihe befindet sich momentan noch in der Bearbeitungsphase.
Ein weiteres Ziel ist das Publizieren von Texten, die der deutschen Gesellschaft ein rationales und tiefsinniges Verständnis vom Islam vermitteln sollen. In diesem Zusammenhang ist der SIS e.V. bemüht eventuelle Fragen der deutschen Gesellschaft zum Islam in Buchprojekten aufzuarbeiten. Die wichtigste und aktuellste Frage ist ohne Zweifel jene, wie Muslime ihrer Religion in Anbetracht der modernen Anforderungen der Gegenwart verstehen und ausleben. In der Erwartung, dass dieses Buch seinem Zweck gerecht wird, möchten wir unseren Dank an die Mitarbeiter des Al-Mustafa Instituts aussprechen, die das Buchprojekt bei der Fertigstellung unterstützt haben.
Stiftung für Islamische Studien e.V.
Vorwort des Autors
Obwohl die Arabische Halbinsel hinsichtlich der geografischen und wirtschaftlichen Lage keine Vorzüge aufweisen konnte und für die zeitgenössischen Supermächte ein verschlafenes, wüstes Land ohne jeglichen Reiz war, wurde sie zu dem Ort, an der eine junge Pflanze zu einem mächtigen Baum heranwuchs, der als Frucht eine der ertragreichsten Zivilisationen der Menschheit hervorbrachte. Keiner dachte je im Traum daran, dass dort eine Religion Gottes Fuß fassen würde. Doch der Wille Gottes manifestierte sich in der weißen Hand1 des Propheten Muḥammad und überzeugte alle Bewohner dieser Halbinsel von der göttlichen Rechtleitung, dem Gerechtigkeit fördernden Konzept sowie der Gleichheit aller Menschen - mit der Ausnahme, dass ein Mensch besser und angesehener war, wenn er sich durch seine Gottesachtsamkeit (taqwā) von seinen Mitmenschen unterschied.
Die Ersetzung der heidnischen arabischen Sitten durch die göttlichen und humanen Maximen, die Entstehung eines solidarischen Geistes und die Erziehung einer sich am Glauben an Gott orientierenden, jungen Generation waren ein ganz und gar schwieriges Unternehmen, das Muḥammad erfolgreich durchführte. Kurze Zeit nach dem Ableben des Propheten kam es zu einer Spaltung und Polarisierung unter den Muslimen in Bezug auf die künftige politische Vorherrschaft im Islam. Dennoch wurden sowohl das lebensspendende Elixier, das in den Adern der neuen Religion floss, als auch die Äste dieses mächtigen Baumes zu einer Axt, die an der Herrlichkeit und der globalen Macht der Byzantiner und der Sassaniden zu schlagen anfing, sodass sich ihre Städte - eine nach der anderen - dem neuen Glauben ergeben hatten.
Die Idee der Gleichberechtigung aller Menschen und des Kosmopolitismus, die der Islam verkündete, faszinierte bald auch nichtarabische Völker, sodass sie in der Verinnerlichung des Islams und in der Loyalität zu ihm die Araber hinter sich ließen. Unter diesen Völkern waren vor allem die iranischen Konvertiten voller Ehrgeiz und widmeten sich dem Studium der islamischen Wissenschaften. Durch die Interaktion mit dem Islam gelangte der iranische Geist zur Blüte, sodass die islamische Intellektualität den besten Ort ihrer Offenbarung mitten unter den Iranern fand. Große namhafte islamische Gelehrte stammten aus dieser Kultur, die in ihrer Heimat hochwertige Kunst und Kultur schufen und eine hervorragende Zivilisation zur Entfaltung brachten. Auch bei der Ausbreitung des Islams auf dem indischen Subkontinent, im sudöstlichen Asien sowie in Zentralasien leisteten sie bedeutsame Dienste.
Dass es notwendig ist, diese grandiose Kultur des Islams kennenzulernen, über die Mentalität und den Lebenslauf von Muḥammad zu erfahren, wird wohl niemand leugnen. Schließlich ist das Schicksal jedes Muslims eng mit der islamischen Kultur verbunden. Aus diesem Grund interessierte ich mich in meiner Studien- und Dozentenzeit stets dafür, Geschichte und Kunst sowie Kultur und Zivilisation des Islams zu erforschen. Die Früchte davon sind veröffentliche Monografien und Artikel. Das vorliegende Buch umfasst die Geschichte des Islams bis zum Jahr 40 nach der hiǧra (661 n. Chr.)1 und stellt das Ergebnis jahrelanger Recherchen dar. Die Maxime des Autors waren stets primäre Originalquellen zu benutzen und den Inhalt des Werks in einem modernen Stil so zu verfassen, dass er den Bedürfnissen der heutigen Gesellschaft gerecht wird. In dem Bestreben, Aspekte und Analysen von Vorurteilen, oberflächlichen Bewertungen sowie von unbegründeten Überzeugungen und anderen emotionalen Beeinflussungen rein zu halten, wurde bei der Bearbeitung des Materials die analytische Methode angewandt. Demgemäß umfasst dieses Buch die folgenden Kapitel:
1) Kritische Quellenkunde
2) Die Arabische Halbinsel vor dem Islam
3) Ära der Gesandtschaft
4) Die Ära nach der Auswanderung
5) Beziehung und Haltung von Muḥammad zu den arabischen Heiden
6) Beziehung von Muḥammad zu den Schriftbesitzern (Ahl al-kitāb)
7) Die Reformen von Muḥammad und eine Bilanz seiner Tätigkeiten
8) Die Entwicklung des islamischen Kalifats und die Ära der Kalifen
9) Die Ära des Kalifats des Fürsten der Gläubigen, ʿAlī ibn Abī Ṭālib.
Ich hoffe, dass dieses Buch zu einer Heilsalbe für die Wunden der Muslime wird, sodass es ihnen hilft, aufzuwachen und sich einen Stoß zu geben, und dass es sie motiviert, sich mehr für eine bessere Zukunft anzustrengen. Ebenso erhoffe ich mir Verbundenheit und Solidarität zwischen uns sowie eine stärkere Läuterung unseres Charakters. Gott möge unser Aller Ende mit Wohlwollen begleiten und uns mit Aufgaben bekannt machen, die wir als Seine Untertanen zu erfüllen haben.
Aṣġar Montaẓerolqāʾem 1386/1/17 HŠ (6. April 2007) 1
1 Anspielung auf die Hand von Moses, die auf Befehl Gottes bei der Befreiung der Juden aus Ägypten vor dem Pharao in der Falte seines Gewandes vom Aussatz befallen und weiß wie Schnee wurde (2.Mose 4:6). (DÜ)
1 Die hiǧra bezeichnet die Auswanderung des Propheten Muḥammad von Mekka nach Medina im Jahre 622. Sie markiert den Beginn der islamischen Zeitrechnung, die jedoch erst 17 Jahre später durch den Kalifen ʿUmar ibn al-Ḫaṭṭāb eingeführt wurde. Die Jahreszahlen werden oftmals durch ein nachgestelltes n. H. markiert. Auch der iranische Kalender und der Rumi-Kalender, die beide auf dem Sonnenjahr basieren, zählen die Jahre seit der hiǧra. (DÜ)
1 Entspricht dem 17. Rabīʿ al-awwal des Jahres 1428 HQ.
Die Danksagung des Autors in persischer Sprache wird im Nachfolgenden in der Fußnote erwähnt:
Die zweite, durch Zusätze erneuerte Auflage des Buchs erscheint nun im gesegneten Jahr des großen Propheten durch die Initiative des Verlags der Isfahan-Universität und der Organisation SAMT. In aller Bescheidenheit gestehe ich, dass es mir trotz Gunst und Gnade Gottes sowie Unterweisung meiner hochgeschätzten Lehrer nur gelungen ist, einen Becher aus einem Meer zu schöpfen, weshalb ich hoffe, dass mir Gelehrte und Kundige der Materie mit nützlichem Rat zur Seite stehen werden.
Es ist an der Zeit, mich bei meinen ehemaligen Professoren Dr. Sayyed Ğaʿfar Šahīdī, Dr. Hādī Ālimzāde und Dr. Sādiq Ā’īnevand - Gott erhalte sie gesund - sowie allen, die mir bei der Abfassung des Buches und bei meinen Recherchen dafür geholfen haben, allen voran Herrn Dr. Abdollāh Seif, der die Karten zusammengestellt, Herrn Ahmad Aḫzarī, der die Register erstellt, und der verehrten Frau Ḫāmesipūr, die Korrektur gelesen hat, an dieser Stelle zu bedanken und ihnen meine Hochachtung zu zollen. Schließlich gebührt mein Dank dem verehrten Stellvertreter des Direktors der Forschungsstelle der Universität Isfahan, den verehrten Mitgliedern des Betriebsrats und den arbeitsamen Angestellten des Verlages der Universität Isfahan, dem Vertreter der Organisation SAMT an dieser Universität, dem Leiter der Veröffentlichungsstelle des Forschungszentrums, Herrn Mortezā Ğannatiyān, sowie der verehrten Frau Narges Ğannatiyān, die die mühevolle Aufgabe übernahm, zu tippen und das Layout anzufertigen. Außerdem möchte ich mich für das Entgegenkommen und die Zuwendung meiner Eltern, meiner Frau sowie meiner Kinder herzlich bedanken.
Erstes Kapitel: Quellenforschung
Notwendigkeit des Überblicks über die Literatur
Es versteht von sich von selbst, dass jede Wissenschaft Quellen benötigt, die den Gegenstand ihrer Forschung begründet. Sie ebnen dem Suchenden den Weg zu dieser Wissenschaft. Die Erforschung der islamischen Geschichte macht hier keine Ausnahme. Ihr Forscher muss Quellen ausfindig machen, die den Ereignissen zeitlich am nächsten stehen oder darüber zuverlässige Information liefern, damit er Zugang zu diesen Ereignissen hat. Die fundierte Erkenntnis über die Quellen und der kritische Umgang mit ihnen sind in der Tat das A und O der wissenschaftlichen und analytischen Geschichtsforschung. Sie versetzen den Wissenschaftler in die Lage, den Schreibstil, den Grad der Zuverlässigkeit, den Grad der Echtheit der gegebenen Daten und der Beachtung der geschichtswissenschaftlichen Methode sowie die theoretischen Aspekte der Autoren dieser Quellen einer genauen Untersuchung zu unterziehen. Es ist anzumerken, dass man mit seiner Erkenntnis über die schriftlichen Quellen eines historischen Ereignisses nur zu einem Ausschnitt der historischen Realität gelangt. Der Forscher muss deshalb neben archäologischen Belegen, Dokumenten und Briefen, Münzen sowie vorhandenen Belegen auch Forschungsergebnisse von nicht-muslimischen Forschern heranziehen, um sich ein umfassenderes Bild von den geschichtlichen Ereignissen zu verschaffen.
Glücklicherweise verfügen wir bezüglich der Biografie von Muḥammad und der Anfangsgeschichte des Islams über umfangreiches Material. Vieles davon lässt uns den Realitäten dieser Zeit näherkommen, sodass diese günstige Lage für keinen anderen Propheten gegeben ist. Obwohl manche Quellen unmittelbar oder sehr nah an dieser Zeit entstanden sind, sind ihre Angaben mit Vorsicht zu genießen. Diese Quellen muss der Forscher der frühislamischen Geschichte mit kritischen Augen genauestens überprüfen, um das Richtige vom Falschen unterscheiden zu können. In diesem Zusammenhang haben die Nachkommen mancher Prophetengefährten, wie beispielsweise ʿUrwa ibn az-Zubair, Berichte aus jener Zeit zugunsten ihrer Väter überliefert. Ebenso haben eine Reihe von unzuverlässigen Überlieferern, wie Kaʿb al-Aḥbār und Wahab ibn Munabbih, ihre Darstellungen der Ereignisse mit Irrweg im Glauben und Volksmärchen vermischt überliefert. Die wichtigsten Quellen sind dementsprechend folgende:
1. Koran
Der Koran bedient sich der Geschichte als ein Werkzeug zur Erkenntnis, Rechtleitung und Ermahnung, weshalb ungefähr ein Drittel der Koranverse aus geschichtlichen Darstellungen besteht. Es handelt neben den Erzählungen von den Völkern und gottgesandten Propheten auch von der Ära der Aussendung (biʿṯa) und Auswanderung (hiǧra) des Propheten Muḥammad. Außerdem findet man Hinweise auf die soziale, wirtschaftliche und religiöse Lage des Entstehungsfelds des Islams und der Araber. Durch die kritische Stellungnahme in den erwähnten Themen versucht der Koran seinen Leser / Zuhörer zur Besinnung zu bringen bzw. rechtzuleiten. Nach eigener Aussage besitzt der Koran zwei hervorragende Eigenschaften: Er stammt zweifelsfrei von Gott und ist wegweisend:
Dies ist das Buch, kein Zweifel. Es ist eine Rechtleitung für die Gottesachtsamen.1
Die Verse dieses Buches sind in das Herz des Propheten des Islams herabgesandt worden, und er hat sie in deutlicher arabischer Sprache2 artikuliert. Seit der Zeit des Propheten Muḥammad bis in die Gegenwart wachen die Muslime akribisch über die Verse dieses Buches. Gemäß dem Koran wird er auch in Zukunft vor [Verfälschung] bewahrt werden:
Wir, ja Wir haben die Ermahnung hinabgesandt, und Wir werden sie gewiss bewahren.3
Die Geschichten werden im Koran angenehm, fließend und kohärent - einem Märchen gleichend - erzählt. Form und Inhalt dieser Erzählungen stehen in enger Korrelation miteinander. Es gibt neben langen Geschichten, wie die Geschichte von Yūsuf (Josef, Sohn Jakobs), auch Kurzgeschichten, wie die von Ḏū l-qarnain, und solche, die weder lang noch kurz sind, wie die von Maryam (Maria, Mutter von Jesus). Der Koran erzählt diese Geschichten, um die Menschen rechtzuleiten, zu erziehen, zu ermahnen und die Einsichtigen unter ihnen vor Irreführung zu bewahren.1 Aus der Sicht des Korans muss man sich mit der Geschichte vergangener Völker beschäftigen. Daher wird der Mensch an sieben Stellen in der Befehlsform2 und an sieben anderen in Form einer rhetorischen Frage dazu aufgerufen, auf der Erde zu wandern und sich die Hinterlassenschaften vergangener Epochen anzusehen.3
Es ist zu erwähnen, dass der Koran - im Rahmen seines Bezugs auf die Geschichte - manche Größen als geschichtliche Gesetzmäßigkeit deduziert. Sie sollen bei der Gestaltung der Zukunft eine Rolle spielen, z. B. Bewegung, Antriebskraft und auslösende Faktoren der Bewegung, die Rolle der Propheten in der Geschichte, Interaktion zwischen Individuum und Gesellschaft, Handlungsfreiheit des Menschen, Entstehung und Untergang der Zivilisationen, die Rolle der Gewalt, Korruption und Luxusbesessenheit beim Untergang einer Zivilisation sowie die Rolle von Glauben und Standhaftigkeit beim Bestehen einer Zivilisation.
2. Tradition (sunna) des Propheten
Einige Gefährten des Propheten unternahmen den Versuch, seine Worte, Gewohnheiten und Handlungen in Form von Sammlungen festzuhalten. Grund hierfür war die Anweisung des Korans den Propheten Muḥammad in seiner rechtleitenden Funktion als Vorbild und Leitfigur zu nehmen. Die erste Hadith-Sammlung wurde demnach von ʿAlī ibn Abī Ṭālib zusammengestellt. Der Inhalt dieser ersten Sammlung wurde von Muḥammad selbst diktiert und von ʿAlī handschriftlich niedergeschrieben.1 Deswegen hat er in seinen Reden und Briefen stets die Worte von Muḥammad als Beweis und Beleg herangezogen und die Lebensweise des Propheten Muḥammad thematisiert.2 Die Reden und Briefe ʿAlīs enthalten darüber hinaus auch geschichtliche Informationen über die Araber vor dem Islam, die Ereignisse in der Zeit der Aussendung (biʿṯa) und der Auswanderung (hiǧra) sowie über die Regierungszeiten der drei Kalifen und über seine eigene Regierungszeit. ʿAlī war somit Augenzeuge und Zeitgenosse vieler dieser Ereignisse. Deshalb gelten seine Reden und Briefe - nach dem Koran und den Aussagen von Muḥammad (ahādīṯ) - als Zeitdokument für die frühislamische Geschichte.
Ebenso verfasste eine kleine Gruppe der Prophetengefährten (ṣaḥāba) und der nachfolgenden Generation (tābiʿūn) Werke über die geschichtlichen Abläufe jener Zeit. Beispielsweise hat Abū Rāfi‘ das Buch as-Sunnan wa al-aḥkām wa al-qaḍāyā verfasst, welches vor allem aus Überlieferungen von ʿAlī zusammengestellt wurde. Ebenso hat sein Sohn ʿAlī ibn Abī Rāfi‘ ein Buch über die islamische Rechtslehre (fiqh) verfasst.3 Ferner schrieb ʿAbdallāh ibn ‘Amr ibn ‘Āṣ alles, was er von Muḥammad gehört hatte, in einem Buch namens aṣ-Ṣaḥīfa aṣ-ṣādiqa auf.4 Auf diese Weise entstanden sowohl bei den Schiiten als auch bei den Sunniten Sammlungen der Überlieferungen und Angaben über die Lebensgeschichte von Muḥammad, bis schließlich die sogenannten authentischen Sechs (al-Kutub as-sitta)5 und die Vier Bücher (al-Kutub al-arbaʿa)6 verfasst wurden.
3. Dichtung
Die Araber interessierten sich bereits in der vorislamischen Zeit (ǧāhilīya) sehr für die arabische Rhetorik und Dichtung. Die Langgedichte (qaṣīda) arabischer Dichter vermitteln uns ein lebendiges Bild der Mentalität, Gewohnheiten, Sitten, Gefühlswelt, Lebensweise sowie Erkenntnisse der Araber. Man unterscheidet bei den Dichtern drei Gruppen:
a) Ǧāhilī-Dichter: Sie verbrachten ihr ganzes Leben in der vorislamischen Zeit (ǧāhilīya). Dazu gehören z. B. Ṭarafah ibn al-ʿAbd (gest. 569) vom Stamm Banū Bakr ibn Wāʾil oder Imruʼ l-Qais ibn Ḥuğr ibn al-Ḥāriṯ al-Kindī (gest. 540).
b) Muḫaḍram-Dichter: Sie stammten ursprünglich aus der vorislamischen Zeit, konvertierten aber später zum Islam und verbrachten auf diese Weise einen Teil ihres Lebens in der islamischen Zeit. Deshalb enthält ihre Dichtung nicht selten Hinweise über Momente der frühislamischen Geschichte. Ein Vertreter dieser Gruppe ist Kaʿb ibn Zuhair ibn Abī Sulmā, der im achten Jahr nach der Auswanderung (630) zum Islam übertrat und anschließend Lobgesänge über Muḥammad verfasste.1
c) Islamische Dichter: Sie lebten ganz und gar in der islamischen Zeit, wie z. B. Ḥassān ibn Ṯābit al-Anṣārī. Er gilt als einer der Dichter der frühislamischen Epoche und hat viele Gedichte über Muḥammad, über die kriegerischen Auseinandersetzungen der damaligen Zeit sowie über weitere geschichtliche frühislamische Ereignisse hinterlassen. Daher sind diese Gedichte als eine gute Quelle, um Erkenntnisse über soziale, kulturelle und wirtschaftliche Zustände bei den Arabern, zu gewinnen; sowohl vor als auch nach der Entstehung des Islams.
4. Bücher über die Lebensweise von Muḥammad
Bereits zu Lebzeiten von Muḥammad beobachteten die Prophetengefährten aufmerksam dessen Lebensweise. Mit der Verbreitung des Islams wollten die Konvertiten sehr gerne mehr über die Lebensweise des Propheten und seine Lebensweise erfahren. So begannen einige der Prophetengefährten, die als Augenzeugen für das Leben des Propheten sowie für die Ereignisse in den Zeiten der Aussendung [biʿṯa] und Auswanderung [hiǧra] fungierten, in den Freitagsmoscheen großer Städte darüber zu berichten. Auch Personen aus dem Kreis der tābiʿūn (Gefährtennachfolger und Muslime der zweiten Generation) in Medina, allen voran die Nachkommen der muhāǧirūn (Auswanderer) und der anṣār (Helfer), widmeten sich der Aufgabe die Lebensweise des Propheten zu beschreiben und schriftlich festzuhalten. Einer der bekanntesten Vertreter dieser Gruppe ist ʿAbdallāh ibn ʿAbbās, der aus den Erzählungen von Abū Rāfiʿ eine Sammlung1 über die Lebensweise des Propheten zusammenstellte.2 Ebenso besaß Abān ibn ʿUṯmān ibn ʿAffān (gest. 95/719), ein Gefährtennachfolger und Sohn des dritten Kalifen, ein Buch über die Lebensweise von Muḥammad.3 Ein weiterer Verfasser aus diesem Kreis, der sich mit dem Leben des Propheten und den Ereignissen des Frühislams beschäftigt hat, war ʿUrwa ibn az-Zubair al-Asadī (gest. 94/712). Von ihm stammen Berichte über die Zeit der Aussendung und über die ersten Muslime sowie das über sie verhängte Embargo. Ebenso werden in seinen Berichten Informationen über die Verfolgung und Auswanderung der Muslime nach Abessinien, die Auswanderung nach Medina und deren Gründe, die Schlachten von Badr, Ḫandaq, Banū Quraiẓa, das Friedensabkommen von Ḥudaibīya, den Feldzug von Mūta, die Eroberung von Mekka sowie Briefe von Muḥammad überliefert.4 Zugleich hat ʿUrwa ibn az-Zubair Berichte überliefert, in denen er seiner eigenen Sippe und der mit ihm verwandten Kalifen Tugenden und Vortrefflichkeiten nachsagt. Diese Berichte sind jedoch mit größter Vorsicht zu betrachten, da die Möglichkeit, dass sie die Realität übertrieben darstellen, nicht von der Hand zu weisen sind. Ebenso gilt Saʿīd ibn al-Musaiyab al-Maḫzūmī (gest. 94/712), der in den islamischen Quellen als Rechtsgelehrter aller Rechtsgelehrten und Gelehrter aller Gelehrten bezeichnet wird, als Überlieferer über die prophetische Lebensweise.1
Zusätzlich zu den erwähnten Gelehrten waren beispielsweise Qāsim ibn Muḥammad ibn Abī Bakr2 (gest. 107/731) sowie sein Sohn ʿAbd ar-Raḥmān weitere Hadith-Erzähler aus Medina. Von ihnen haben bekannte islamische Historiker, wie Wāqidī3 und Ibn Isḥāq4, Schilderungen über das Embargo, welches die mekkanischen Götzendiener über die Muslime belegt haben, sowie über die Schlachten und die Abschiedswallfahrt (ḥiǧǧat al-wadāʿ) von Muḥammad überliefert.
Des Weiteren ist noch Muḥammad ibn Muslim Šahāb Zuharī (gest. 124/741) zu erwähnen, der ein Buch über die Lebensweise von Muḥammad sowie seine Schlachten verfasst hat. Es enthält Hinweise auf die Zeit der Aussendung, auf die Auswanderung nach Abessinien, auf die Schlachten von Uḥud und Ḫandaq sowie den Frieden von Ḥudaibīya.5
Die älteste uns überlieferte Sammlung über die Taten und die Verfahrensweise von Muḥammad namens as-Sīra an-nabawīya (Prophetenbiografie) stammt von Muḥammad ibn Isḥāq (gest. 151/768). Er war ein Überlieferer aus Medina und verfasste sein Buch in Form von kurzen und langen Berichten unter Erwähnung des jeweiligen Überlieferungsweges. Dieses Buch ist - dank der Vermittlung von ʿAbd al-Malik ibn Hišām – erhalten geblieben. Wie Ziyād ibn ʿAbdallāh Bakkāyī überlieferte, verkürzte und kopierte Ibn Hišām die Originalfassung von Ibn Isḥāq. Das Buch enthält die Geschichte der Propheten, die Geschichte der Ahnen sowie das Leben von Muḥammad von seiner Kindheit bis zur Aussendung. Weiterhin werden die Ereignisse 23-jährigen Periode der Aussendung und der Auswanderung des Propheten bis zu seinem Ableben überliefert. Passend zu manchen Geschehnissen zitiert Ibn Isḥāq Gedichte, auch Koranverse, die in Verbindung mit diesen Ereignissen stehen, versehen mit einem kurzen Kommentar dazu. Im Vorwort und im Kapitel „Geschichte der Propheten“ erwähnt Ibn Isḥāq einige Isrāʼīlīyāt1, die von Wahb ibn Munabbih, Ibn ‘Abbās und den Berichten der Schriftbesitzer herrühren. Nach Yūnus ibn Bukair hatte Ibn Isḥāq ein weiteres Buch mit dem Titel as-Sīra wa al-maġāzī (Lebensgeschichte und Schlachten) verfasst. Dieses Buch, das der syrische Gelehrte Suhail Zakkār herausgegeben hat, umfasst die Lebensgeschichte von Muḥammad von der Kindheit bis zum Ende der Schlacht von Uḥud.2
5. Bücher über die Feldzüge des Propheten
Die Schilderung der vom Propheten geführten Schlachten und Angaben über ihre Schauplätze zogen seit der Auswanderung die Aufmerksamkeit der Prophetengefährten (ṣaḥāba) und Gefährtennachfolger (tābiʿūn) auf sich. So gestalteten sich mit der Zeit zahlreiche Werke über diese Schlachten. Zu den Verfassern dieser Schlachtenbücher gehören:
a) Mūsā ibn ‘Uqba al-Asadī (gest. 141/758): Er war ein Angehöriger der Sippe Zubairs und ein Schüler von Zuhrī. Über ihn äußerte sich Imam Mālik wie folgt:
Die Prophetenbiografie und das Schlachtenbuch, die Mūsā ibn ‘Uqba verfasst hat, gehören zu den vollkommenen und zuverlässigen Arbeiten in der Reihe solcher Bücher.3
b) Abān ibn ‘Uṯmān Aḥmar (gest.171/786): Er wanderte aus dem Irak nach Medina aus und war ein Rechtsgelehrter, Hadith-Erzähler und ein Gefährte von Imam Ğaʿfar aṣ-Ṣādiq. Ebenso war er ein Kenner der vorislamischen Geschichte der Araber, der Berichte über Dichter sowie der Biografie und der Schlachten des Propheten Muḥammad. Seine zahlreichen Berichte über das Leben des Propheten sind in dem Werk Uṣūl al-kāfī von Kulainī sowie in Werken von Šaiḫ aṣ-Ṣadūq und Šaiḫ al-Mufīd zu finden. Er verfasste ein Buch mit den folgenden Kapiteln: al-Mubtadā1, al-Mab‘aṯ2, al-Maġāzī3, al-Wafāt4, as-Saqīfa5 und ar-Ridda6. Manche Passagen davon, kompiliert in fremden Texten, sind nun durch den Islamwissenschaftler Rasūl Ǧaʿfarīyān entdeckt und zusammengestellt worden.7
c) Muḥammad ibn ‘Umar Wāqidī (gest. 207/822): Er gehörte zu den Gelehrten der Schule von Medina und ist später nach Bagdad ausgewandert, wo er das Amt des Richters (qāḍī) in einem Stadtteil bekleidete. Ibn Nadīm registrierte 28 Schriften von ihm8, darunter das Kitāb at-tārīḫ wa al-maġāzī wa al-mab‘aṯ. Das vorhandene von Marsden Jones veröffentlichte Kitab al-Maghazi of Al-Waqidi9 dürfte ein Teil dieses Buchs sein. Wāqidī überliefert ausführliche Informationen über die Feldzüge, wobei die Überlieferungswege seiner Berichte gruppenweise angegeben wurden. Manchmal erwähnt er sie auch innerhalb des Textes. Der Vorzug von Wāqidīs Werk besteht darin, dass der Autor einige Schlachtplätze persönlich aus der Nähe gesehen und untersucht hat. Deshalb verfügt sein Buch über genaue geografische Auskünfte zu den Feldzügen. Außerdem stellte er durch Befragungen weitere Angaben zusammen. Ein anderer Vorteil der Darstellungen Wāqidīs ist, dass er verschiedene Überlieferungen über ein Ereignis, auch wenn sie sich widersprachen, gesammelt und dann eine davon favorisiert hat. Von ihm wurden Darstellungen über die ar-Ridda-Feldzüge1, welche in der ersten Phase der Regierungszeit von Abū Bakr stattfanden, sowie Eroberungen der Muslime in Syrien (Futūḥ aš-šām) und im Irak veröffentlicht.
6. Lebensgeschichten der Prophetengefährten
Jene Menschen, die zur Zeit des Propheten Muḥammad den Islam annahmen, wurden als Prophetengefährten (ṣahāba) bezeichnet. Um ihre Lebensgeschichten für die Nachwelt zu erhalten, entstanden über die Zeit Sammel-Werke. Aus dieser Reihe seien genannt das Kitāb aṣ-ṣaḥāba von Abū‘Ubaida Ma‘mar ibn Muṯannā, das al-Istīʿāb fī maʿrifa al-aṣḥāb von ʿAbd al-Barr Qurṭubī, das Usd al-ġāba von Ibn Aṭīr und das al-Iṣāba fī tamyīz aṣ-ṣaḥāba von Ibn Ḥağar ‘Asqalānī.2
7. Ṭabaqāt-Bücher
Mit ṭabaqa (Pl. ṭabaqāt) bezeichnet man die Lebensgeschichte einer bestimmten Generation von Theologen oder Literaten, z. B. das aṭ-Ṭabaqāt al-fuqahāʾ [ṭ. der Rechtsgelehrten] von Abū Isḥāq Šīrāzī oder das aṭ-Ṭabaqāt aš-šu’arā [ṭ. der Dichter] von Muḥammad ibn Sallām Ğumaḥī. Der Methode des ṭabaqāt bedienen sich in erster Linie die Wissenschaften des ḥadīṯ und riğāl.3 Jedoch liefern die ṭabaqāt-Bücher nützliche Informationen auch über Größen der arabischen und islamischen Geschichte. Es spricht einiges dafür, dass ʿUbaidullāh ibn Abī Rāfiʿ, der Schreiber von ʿAlī ibn Abī Ṭālib vielleicht der Erste war, der diese Sorte von Sammlungen eingeführt hat. Jedenfalls verfasste er ein Buch mit dem Namen Tasmiya man šahada maʿ amīr al-mu’minīn fīḥurūb al-ğamal wa ṣiffīn wa an-nahrawān min aṣ-ṣaḥāba raḍiyallāhu ʿan-hum (Benennung der Prophetengefährten - Gott möge mit ihnen zufrieden sein -, die in Begleitung des ‘Fürsten der Gläubigen‘ in den Schlachten Ǧamal, Ṣiffīn und Nahrawān gefallen sind).1
Muḥammad ibn Saʿd ibn Munīʿ (gest. 230/850), bekannt als Ibn Saʿd, war ein Schüler der sogenannte Medina-Schule und zugleich ein Schreiber von Muḥammad ibn ‘Umar Wāqidī. Alle Werke Ibn Saʿds basieren auf dem Unterricht, den er bei Wāqidī genossen hat. Darüber hinaus galt Ibn Saʿd als ein frommer und zuverlässiger Mensch, der die Berichte über die Prophetengefährten (ṣaḥāba) und Gefährtennachfolger (tābiʿūn) gut kannte.2 Sein bekanntestes Werk ist das aṭ-Ṭabaqāt al-kubrā. Der erste Band befasst sich mit einigen Propheten, den Ahnen von Muḥammad sowie mit den Ereignissen der Zeit der Aussendung. Ferner enthält dieses Band einen ausführlichen Kommentar über die Korrespondenzen von Muḥammad sowie dessen Persönlichkeit. Der zweite Band behandelt die Zeit nach der Auswanderung bis zum Ableben des Propheten. Die restlichen sechs Bände beinhalten die Lebensgeschichten von 4250 Persönlichkeiten, darunter 630 Frauen, der frühislamischen Geschichte bis zum Jahr 230/844. Die von Ibn Saʿd aufgenommenen Berichte sind von unterschiedlichem Umfang, wobei alle (kurzen und langen) Erzählungen in der Regel eine einwandfreie Überlieferungskette aufweisen. So stellt er die von ihm präsentierten Personen im Hinblick auf die Informationen in unterschiedlicher Ausführlichkeit vor. Da Ibn Saʿd ein Anhänger der sogenannten Kalifen-Schule war, d. h. in seiner Stellungnahme über den sogenannten Nachfolgestreit von Saqīfa die Berichte so einordnet, dass der Leser die Existenz der Opposition von ʿAlī ibn Abī Ṭālib gar nicht bemerkt, hat er die Stellung Abū Bakrs hervorgehoben.
8. Genealogie
Aufgrund des Stammesfanatismus und um den inneren Zusammenhalt des Stammes zu wahren, legten die Araber besonderen Wert auf ihre Genealogie. In Form von Gedichten, Metren und mündlichen Erzählungen vermittelten sie ihren Kindern das Bewusstsein für ihre Abstammung. Auf diese Weise verband sich die Ahnenlinie eng mit dem jeweiligen Stamm und blieb Generation für Generation im Geiste des Stammes bestehen. Deshalb existierte bei den Quraiš eine verankerte Tradition der Ahnenkunde, die durch namhafte Ahnenforscher, wie z. B. Abū Bakr1 oder ʿAqīl ibn Abī Ṭālib, Ğubair ibn Muṭʿam und Muḫrama ibn Nūfil, betrieben wurde.2 Die letzten drei beauftragte ʿUmar ibn al-Ḫaṭṭāb mit dem Entwurf der Einnahmen- und Vermögensverwaltung des Kalifats, weil das Vermögen in Korrelation mit der Abstammung verteilt werden sollte. Die Genealogen betonten die Relevanz der Abstammung, indem sie mit einigen Koranversen und Hadithen argumentierten. Sie stuften die Genealogie als eine zu respektierende und ehrenvolle Wissenschaft ein.3 Die Entstehung der Behörde für die Einnahmen- und Vermögensverwaltung einerseits und die Ausbreitung des Islams, die mit der Gründung neuer Städte als Ansiedlungsorte zur Urbanisierung der Stämme einherging, auf der anderen Seite schufen optimale Voraussetzungen zur Weiterentwicklung der Ahnenkunde, sodass große Genealogen mit wertvollen Arbeiten in Erscheinung traten. Zu nennen sind Daġfal ibn Ḥanẓala Sadūsī, ʿUbaid ibn Šariya Ğurhumī, Muḥammad ibn Sāʾib Kalbī und sein Sohn Hišām ibn Muḥammad, sowie Abū ʿUbaid Qāsim ibn Sallām.4
a) Hišām ibn Muḥammad ibn Sā᾽ib Kalbī (gest. 206/821): Er gehörte zur sogenannten Irak-Schule und war ein Schüler von Imam Ğaʿfar Ṣādiq. Neben seinen Kenntnissen in der Genealogie war er auch ein Fachmann in Überlieferungskunde, Dichtung, arabische Geschichte vor dem Islam, Geografie sowie Schriftkunde. Ferner kannte er den Koran auswendig und hatte ein Kommentator zu ihm verfasst. Ebenso hat er mehrere Bücher über die arabische Ahnenkunde verfasst und galt daher als einer der besten Genealogen seiner Zeit; Ǧamhara an-nasab ist eines davon. Es behandelt die Abstammung der Quraiš, Banū Hāšim, Linien der Muḍar, der Rabīʿa und der Qaḥṭānī-Stämme. Neben genealogischen Angaben informiert Ibn Kalbī auch über die vorislamische Geschichte der Araber, die Lebensläufe der Stammesführer, die Auswanderungen sowie über die alten und neuen Siedlungsgebiete der Stämme.
b) Abū ʿUbaid Qāsim ibn Sallām (gest. 224/838): Er war ein Rechtsgelehrter, Hadith-Erzähler und Genealoge. Ferner gehörte er zum Kreis der Kenner der Dichtung und Wortkunde in Bagdad. Eines seiner Bücher ist das Kitāb an-nasab. Darin gibt er - wenn auch kurz gefasst - Auskunft über die Genealogie der Muḍar-Stämme, der Banū Hāšim, der jemenitischen Stämme, der Rabīʿa und ihre Unterzweige sowie über den Stamm der Quḍāʿa. Darüber hinaus liefert das Buch wertvolle Informationen über den Übertritt der Stämme zum Islam, die Rolle, die die Stämme bei den Eroberungen eingenommen haben, sowie über ihre Auswanderungswellen, Autoritäten, Persönlichkeiten und welche Beziehungen sie zueinander unterhielten.
c) Aḥmad ibn Yahyā ibn Ğābir Balāḏurī (gest. 279/892): Er ist einer der bedeutendsten persisch-islamischen Genealogen, der ebenso als Übersetzer, Geograph und Historiker tätig war. Sein bekanntestes Werk in Genealogie und Geschichte ist das wichtige Buch Ansāb al-ašrāf. Das Buch behandelt nicht nur die Genealogie der Quraiš und der Muḍar-Stämme, sondern auch die Geschichte und Ahnenlinien der Herrscherfamilien - darunter die der Banū Hāšim, der Banū Umayya und die der BanūʿAbbās - sowie die Lebensläufe ihrer namhaften Persönlichkeiten. Balāḏurī beginnt im ersten Teil seines Buches mit der Genealogie der Banū Hašim und widmet sich anschließend der Lebensgeschichte von Muḥammad - von seiner Kindheit bis zu seinem Ableben. Ebenso beschäftigt er sich mit den Ereignissen von Saqīfa und der Nachkommenschaft von Abū Ṭālib. Dabei thematisiert er die Vortrefflichkeiten ʿAlīs, die Geschichte seines Kalifats und den Anschlag, dem er zum Opfer fiel, ziemlich ausführlich. Danach schildert er das Kalifat des Imam Ḥasan ibn ʿAlī, seine Lebensgeschichte, die seiner Kinder sowie den Aufstand des Imam Ḥusain, seine Lebensgeschichte und die seiner Nachkommen.
Die Methode, die Balāḏurī bei seiner Geschichtsschreibung im Ansāb al-ašrāf anwendet, ist die Geschichte des jeweiligen Berichts mit kurzen und langen Erzählungen zu erwähnen und - ungeachtet der Häufigkeit ihrer Verwendung - in der Regel unter der Angabe der Überlieferungskette zusammenzustellen. Es gibt allerdings zahlreiche Berichte, bei denen er statt der Überlieferungskette nur qālū (man sagt) angibt. Bei einigen Überlieferungen fehlt sogar jeglicher Bezug zur Quelle. Eine weitere Gruppe der Berichte entnimmt er direkt anderen Geschichtsschreibern und Hadīṯ-Sammlern, wobei er in solchen Fällen die Quelle und die Überlieferungskette erwähnt hat. Wenn er für einen Bericht mehr als eine Version überliefert hat, überprüfte er diese kritisch und favorisierte eine Version, die er für richtig hielt. Die restlichen lehnte er aufgrund einer exakten Beweisführung ab.
Eine weitere wertvolle Monografie Balāḏurīs ist das Werk Futūḥ al-buldān. Dieses Buch stellt eine Musterarbeit über die islamischen Eroberungen dar. Das Buch beschreibt die Eroberung der arabischen Halbinsel durch Muḥammad sowie die Eroberung von Syrien, Ägypten, Irak und Iran in der Zeit der ersten vier Kalifen (al-ḫulafāʾ ar-rāšidūn), der Umayyaden und der Abbasiden. Es erweist sich ferner als eine wichtige Quelle für die Ridda-Kriege und liefert darüber hinaus als eine Palette an Informationen über diverse Themen, wie z. B. die wirtschaftliche Lage, die geografischen Gegebenheiten, die militärischen und verwaltungstechnischen Organisationen. Ebenso wird die Auswanderung der arabischen Stämme in die eroberten Gebiete, die einheimischen Bevölkerungen dieser Städte und ihre Sitten, die festgelegten Tribute für diese Städte, die Gründung neuer Städte, den Aufbau existierender Städte und Freitagsmoscheen sowie die Namen der jeweiligen Feldherren bei der Unterwerfung der Städte, der Statthalter und Richter erwähnt.1
9. Lokale Geschichte der heiligen Städte
Solche Schriften handeln von den heiligen Städten des Islams. Nachdem sie über die Gründung und Geschichte einer heiligen Stadt gesprochen, ihre wirtschaftliche Lage, Humangeografie und städtische Struktur beschrieben haben, stellen sie ihre religiösen Einrichtungen, wie Moscheen, Lernanstalten, Pilgerstätten und heilige Denkmäler, sowie ihre auf dem Gebiet der Religion berühmten Größen vor. Der reichhaltige Inhalt dieser Bücher ebnet den Weg zur gesellschaftlichen sowie wirtschaftlichen Forschung und umfassenderen Eruierung der Kulturgeschichte der Muslime. Zu den Verfassern dieser Bücher gehören:
a) Abū Walīd Muḥammad ibn ʿAbdallāh ibn Aḥmad Azraqī (gest. 250/864): Er war ein Hadith-Erzähler und Geograf. Sein exzellentes Werk trägt den Namen Aḫbār makka wa mā ğā᾽a fīhā min al-āṯār (Nachrichten über Mekka und seine Denkmäler). Das Buch umfasst die Schöpfungsgeschichte, die Geschichte von Nūḥ (Noah) und Ibrāhīm (Abraham), die Geschichte der Errichtung der Kaaba, die mekkanischen Götzen, den Feldzug Abrahas gegen Mekka, die Geschichte und die Vortrefflichkeiten der Kaaba, ihre Einrichtungen und den Schwarzen Stein (ḥağar al-aswad), den Rundgang um die Kaaba, masğid al-ḥarām und ihre Einrichtungen, Angaben über Mekka, Minā, Muzdalfa und ʿArafāt, die Größe der Fläche des heiligen Bezirks in Mekka, die Größe der Häuser und Viertel in Mekka, die Grenzen von Mekka sowie seine Denkmäler und Kennzeichen. Für die Berichte erwähnt Azraqī die Überlieferungsketten.
b) Abū ʿAbdallāh Muḥammad ibn Isḥāq Fākihī (gest. Ende dritten Jh. / Anfang zehntes Jh.): Er war ein Hadith-Erzähler und Geograf. Sein Buch mit dem Titel Aḫbār makka fī qadīm ad-dahr wa ḥadīṯ (Nachrichten über Mekka in ihren alten Zeiten und ihre Erzählungen) handelt von der Gründung Mekkas, seinen Einrichtungen und Bauten, vom heiligen Bezirk und der Kaaba. Die Erzählungen sind samt den Überlieferungsketten zusammengestellt.
c) Abū Zaid ʿUmar ibn Šabba Numairī (gest. 264/877): Er gehört zum Kreis der Hadith-Erzähler, Geografen, Genealogen, Literaten und Kenner der Dichtungen der Irak-Schule. Er verfasste ein Buch über die Geschichte Medinas unter dem Namen Tārīḫ al-madīna al-munawwara (Geschichte der erleuchteten Stadt). Er erzählt in diesem Buch die Geschichte der Stadt und informiert über ihre geografische Lage, ihre Moscheen, den Baqīʿ-Friedhof und die dort beerdigten Personen. Außerdem informiert er über Medinas Brunnen, Häuser, Märkte und Betriebshäuser sowie die Wohnviertel verschiedener Stämme und Völkerschaften in der Stadt. Darüber hinaus umfasst das Buch Kapitel über die unter Muḥammad geführten Feldzüge sowie die Lebensläufe und Aussagen des zweiten und dritten Kalifen; etwa die Hälfte des Buchs handelt nur von ʿUṯmān (dem dritten Kalifen). Bei den von ihm präsentierten Berichten gibt Ibn Šabba die Überlieferungskette in der Regel, wenn teilweise auch unvollständig, komplett an. Er zitiert alle gefundenen Varianten der Berichte über ein Ereignis und bestätigt dann die Variante, die er für glaubwürdig hält.1
10. Allgemeine Weltgeschichte
Unter Weltgeschichte versteht man Monografien, in denen islamische Geschichtsschreiber die Geschichte der Menschheit - vom Beginn der Schöpfung an, samt den Geschichten der Propheten und ihrer Völker, bis zum Erscheinen des Islams und von da an bis zu ihrer eigenen Epoche - niedergeschrieben haben. Diese Art der Wissenschaft kam zustande als große Namen, wie Yaʿqūbī, Abū Ḥanīfa, Balāḏurī, Ṭabarī und Masʿūdī ab dem dritten/neunten Jahrhundert die Bühne der Geschichtsschreibung betraten. Durch Erkundungsreisen zu den Zentren der Wissenschaften eigneten sie sich umfangreiches Wissen und Informationen an. Durch ihre umfassenden geschichtlichen, geografischen, genealogischen und gesellschaftlichen Studien bereicherten sie die Überlieferungen der Hadith-Erzähler erheblich und legten mit ihren Arbeiten den Rahmen der allgemeinen Geschichtsschreibung fest. Dazu gehören:
a) Aḥmad ibn Abī Yaʿqūb, alias Ibn Wāḍiḥ Yaʿqūbī (gest. 284/897): Er war ein namhafter islamischer Geschichtsschreiber, Geograf und Reisender, der in der Geschichtsschreibung eine neue Methode einführte, die als themenorientiertes Verfahren bezeichnet wird. In seinem Buch stellte er Ereignisse mit gleichem Titel und Thema zusammen. Die vorislamischen Themen, die er in seiner Geschichte behandelt, sind: Die Geschichte der Propheten, syrische, babylonische, indische, griechische, römische, iranische, chinesische, ägyptische und abessinische Völker, vorislamische arabische Stämme, ihre religiösen Sitten und ihre Geschichte sowie die Geschichte der Sassaniden. Die islamische Periode beginnt er mit der Lebensgeschichte Muḥammads, die die Ereignisse der Aussendung (biʿṯa) und Auswanderung (hiǧra) bis zu dessen Ableben umfasst. Dann fährt er mit der Zeit der al-ḫulafāʾ ar-rāšidūn, der Umayyaden und der Abbasiden fort, wobei er nur die Ereignisse bis zum Anfang der Regierungszeit von Muʿtamid (gest. 279/892) im Jahre 256/870 überliefert hat. In seinem Buch hat Yaʿqūbī auch die Lebensgeschichte der schiitischen Imame, eine Auswahl ihrer Aussagen sowie die Aufstände der Schiiten behandelt. Aufgrund dessen wird ihm eine schiitische Gesinnung nachgesagt. Am Anfang des Abschnitts über die islamische Geschichte bringt Yaʿqūbī eine Liste seiner Quellen. Ebenso erwähnt er gelegentlich innerhalb des Buchtextes einen Bericht samt Überlieferungskette. Da er in der Astronomie gut bewandert war, stellt er zu Beginn der Darstellung der Regierungszeit jedes Kalifen eine Tabelle der Sternbilder auf. Am Ende der Regierungszeit desselben Kalifen führt er ein Register der Minister, Richter, Statthalter und ihrer Kinder, Naturkatastrophen sowie Epidemien auf.
b) Muḥammad ibn Ğarīr Ṭabarī (gest. 310/922): Er war ein Literat, Korankommentator, Rechtsgelehrter und großer Geschichtsschreiber aus dem Iran, der das bekannte Werk Tārīḫ ar-rusul wa al-mulūk (Geschichte der Propheten und Könige) verfasst hat. Die Angaben über die vorislamische Zeit organisiert Ṭabarī nach dem sogenannten thematisierten Verfahren. Bei Muḥammad und seinen Ahnen sind dies eher biographische Erzählungen. Die Ereignisse nach der Auswanderung bis zum Jahr 302/914 ordnet er als Jahrbücher (ḥaulīyāt) an, die nach dem Jahr des Geschehens und Jahr für Jahr gereiht sind. Die Angaben sind mit Überlieferungsketten versehen. Verschiedene Varianten des Berichts über dasselbe Ereignis nimmt er alle auf, so widersprüchlich sie auch sein mögen - und zwar so, dass der Leser irritiert ist, wenn es um die Frage geht, welche Version nun die richtige ist. Beispielsweise nennt er acht Berichte über den Tod des zweiten Kalifen.1 Dieser Umstand hat eine verwirrende Wirkung auf die Reihenfolge der Ereignisse, sodass es den Anschein erweckt, dass Ṭabarīs Buch einige unbegründete Angaben enthält. Im Folgenden seien diesbezüglich einige Beispiele genannt:
1) In den Kapiteln der Schöpfungsgeschichte und der Geschichte der Propheten führt Ṭabarī einige Isrāʼīlīyāt sowie einige Berichte ohne eine Überlieferungskette an, die von Wahb ibn Munabbih, Muḥammad ibn Kaʿb ibn Qurẓī und Kaʿb al-Aḥbār stammen.
2) Die als Ġarānīq bezeichnete Geschichte über das angebliche Gebet des Propheten Muḥammad zu den Götzen der arabischen Heiden, die er von Muḥammad ibn Kaʿb ibn Qurẓī, einem zum Islam konvertierten Schriftbesitzer, übernommen hat.
3) Viele Angaben Ṭabarīs über die Ridda-Kriege, die Eroberungen, den Aufstand gegen ʿUṯmān und die Kamelschlacht (Ǧamal) basieren auf Angaben von Saif ibn ʿUmar at-Tamīmī. Die Zuverlässigkeit und der Grad der Gelehrsamkeit von Saif sind jedoch überaus umstritten.2 Es genügt über Saif zu wissen, dass seine Erzählungen episch klingen und zum Personenkult und zu Märchen tendieren. Manche Personen und Ortsnamen, die in seinen Berichten erwähnt werden, finden sich lediglich in seinen Angaben und tauchen in anderen Quellen nicht auf. Beispielsweise wurden die Erzählungen über ʿAbdallāh ibn Sabā, über angebliche Massaker an Grenzposten der Sassaniden,3 über die sprechende Kuh4 sowie über das Herr, welches auf dem Wasser lief wie auf Sand5 usw. von Saif ibn ʿUmar at-Tamīmī überliefert. Es könnte eventuell der Eindruck entstehen, dass Ṭabarī vollständig aus solchen Inhalten bestünde. Dem ist in der Tat nicht so. Das Werk muss aber einer kritischen Überprüfung unterzogen werden, um es von solchen Fälschungen zu reinigen. Dann wird erkenntlich, dass die Angaben, die das Buch über die Ereignisse nach der Kamelschlacht (Ǧamal) enthält, ein wertvolles Erbe der islamischen Geschichte und eine Originalquelle für eine Menge anderer Werke über die islamische Geschichte darstellt.
c) Abū l-Ḥasan ʿAlī ibn Ḥusain Masʿūdī (gest. 346/957): Er war ein großartiger Literat, Rechtsgelehrter, Geograf, Theologe sowie einer der fleißigsten Geschichtsschreiber des Islams. Weil er das Reisen liebte, blieb er politischen Machenschaften und Bindungen an Königshöfen fern. Er war ein Freigeist und frei von jeglicher Form von religiöser Verblendung, was durch seine wissenschaftlich fundierte und analytische Schilderung der geschichtlichen Ereignisse verdeutlicht wird. Ebenso verband er die auf Themen basierte Geschichtsforschung mit der Geografie und schuf somit die Voraussetzung für die Forschung über gesellschaftliche und wirtschaftliche Geschichte sowie Kultur- und Aufbaugeschichte der Welt. So schlug er eine Brücke zwischen der Umwelt und der Geschichte. Eines seiner wertvollen Werke, von denen aber nur wenige bis in die Gegenwart erhalten geblieben sind, ist das Buch Murūǧ aḏ-ḏahab wa maʿādin al-ǧauhar (Die Goldwiesen und Edelsteinminen). In diesem Buch werden sowohl Themen von der Schöpfungsgeschichte, der Weltgeografie, der Kulturgeschichte als auch von der politischen Geschichte von China, Indien, Byzanz, Jemen, von den Beduinen, von der schwarzen Bevölkerung Afrikas, von den Sassaniden und von den Königen von Ḥīra und Mekka behandelt. Ferner schließt das Buch die Epochen Muḥammads, der vier rechtgeleiteten Kalifen, der Umayyaden und der Abbasiden bis zum Jahr 336/950 sowie die Regierungszeit von al-Muṭīʿ (gest. 363/974) mit ein. In der Konzeption seiner Geschichtsschreibung weiß Masʿūdī sich der Nützlichkeit der Dichtung und der Fabeln - sowie der theologischen, philosophischen und von archäologischen Überresten herrührenden Informationen - geschickt zu bedienen. Am Anfang seines Buchs gibt er seine Quellen an. Dennoch erwähnt er teilweise während eines Berichtes den Namen der Überlieferer. In Bezug auf die Materialien seiner Forschung verwendet er die Methodik des kritischen Umgangs. Ein weiteres Werk Masʿūdīs ist das Buch At-Tanbīh wa l-išrāf (Ermahnung und Überarbeitung), was eine Kurzfassung des Werkes Murūǧ aḏ-ḏahab darstellt.
1 Q 2:2; Übersetzung nach Adel T. Khoury, wenn nicht anders angegeben. (DÜ)
2 Vgl. Q 12:2; Q 13:37; Q 16:103; Q 20:113; Q 26:195; Q 39:28; Q 41:3; Q 41:44; Q 42:7; Q 43:3.
3 Q 15:9.
1 Vgl. Q 12:1 11.
2 Vgl. Q 3:137; Q 6:11; Q 16:36; Q 27:69; Q 29:20; Q 30:42; Q 34:18.
3 Vgl. Q 12:109; Q 22:46; Q 30:9; Q 35:44; Q 40:21; Q 40:82; Q 47:10.
1 Kulainī ar-Rāzī: Uṣūl al-kāfī, Bd. 1:189.
2 Ibn Abī Ṭālib: Nahǧ al-balāġa (Daštī), Rede 160.
3 An-Nagāšī: ar-Riǧāl, S. 6.
4 Ibn Saʿd: aṭ-Ṭabaqāt al-kubrā, S. 373.
5 al-Kutub as-sitta sind die sechs sunnitischen kanonischen Hadith-Sammlungen, die Aussprüche, Handlungen und Anweisungen des Propheten Muḥammad enthalten, die in einer islamischen Gesellschaft als Sunna, als nachahmenswerte oder zu befolgende Normen verstanden werden. Somit sind sie in der sunnitischen Tradition nach dem Koran die zweite Quelle der islamischen Jurisprudenz. (DÜ)
6 al-Kutub al-arbaʿa sind die vier kanonischen (normativen) Hadith-Sammlungen der Zwölferschiiten. Sie enthalten neben den Worten und Taten des Propheten Muḥammad auch jene der Zwölf Imame, wobei sich die meisten Überlieferungen auf den fünften und den sechsten Imam beziehen. (DÜ)
1 Ibn al-Aṯīr: al-Kāmil fī at-tāriḫ, Bd. 2:186.
1 Im Originaltext steht lowḥ, womit Platten aus Holz, Konchen, Stein usw. als Schreibutensilien bezeichnet werden. (DÜ)
2 Ibn Saʿd: aṭ-Ṭabaqāt al-kubrā, Bd. 2:371.
3 Ibn Bakkār: al-Aḫbār, S. 332.
4 Ibn Hišām: as-Sīra, Teil 1 und 2.
1 Ibn Saʿd: aṭ-Ṭabaqāt al-kubrā, Bd. 5:119; Bd. 2:379.
2 Er gehörte zu den engsten und vertrauenswürdigsten Gefährten von Imam Muḥammad al-Bāqir und Imam Ǧaʿfar ibn aṣ-Ṣādiq. Seine Tochter, Farwa bint al-Qāsim, ist zudem die Mutter von Imam Ǧaʿfar ibn Muḥammad aṣ-Ṣādiq. (DÜ)
3 Wāqidī: al-Maġāzī: S. 396; S. 550.
4 Ibn Hišām: as-Sīra, Teil 1:374, Teil 2:601.
5 Ebd., Teil 1:334, Teil 2:308.
1 Von jüdischen Quellen stammende Berichte in muslimischen Quellen. (DÜ)
2 Vgl. Ibn Isḥāq: as-Sīra: S. 323.
3 Saḫāwī: al-Iʿlān, n. Rosenthal: S. 214.
1 Anfang.
2 Aussendung des Propheten Muḥammad.
3 Schlachten des Propheten Muḥammad.
4 Ableben des Propheten Muḥammad.
5 Ereignis von Saqīfa.
6 Apostasie.
7 Vgl. Abān: al-Mabʿaṯ, S. 7-27.
8 Vgl. Ibn Nadīm: al-Fihrist, S. 164.
9 Jones: „The chronology of the maghāzī – a textual survey “in: Bulletin of the School of Oriental and African Studies (BSOAS) XIX (1957), S. 245–280. (DÜ)
1 Die ar-Ridda-Feldzüge (Ridda: "Apostasie, Abfall") sind die Feldzüge, die der erste Kalif Abū Bakr gegen arabische Stämme, die sich nach dem Tod des Propheten vom Islam abgewandt hatten, geführt hat. (DÜ)
2 Ibn Ḥağar: al-Iṣāba, Teil 1:3.
3 ‘ilm ar-riğāl [Prominenten-Wissenschaft] beschäftigt sich mit der Lebensgeschichte der Hadith-Erzähler und Überlieferer, insbesondere um den Grad ihrer Zuverlässigkeit zu bestimmen. (DÜ)
1 Šaiḫ Ṭūsī: al-Fihrist, S. 202; Ṭehrānī, aḏ-Ḏarīʿa, Bd. 8:83.
2 Ibn Nadīm: al-Fihrist, S. 165.
1 Ibn Hišām: as-Sīra, Teil 1:250.
2 Ibn Saʿd: aṭ-Ṭabaqāt al-kubrā, Bd. 3:295.
3 Ibn Ḥazm: Ğamhara, S. 2.
4 Dīnawarī: al-Maʿārif, S. 534.
1 Balāḏurī: Futūḥ al-buldān, S. 197-317.
1 Ibn Šabba: Tārīḫ, Teil 1:106.
1 Ṭabarī: Tārīḫ , Teil 3:266.
2 Ḏahabī: Tārīḫ, Bd. 11:162.
3 Ṭabarī: Tārīḫ, Teil 3:562.
4 Ebd., Teil 3:14.
5 Ebd., Teil 3:526.
Zweites Kapitel: Arabische Halbinsel vor dem Islam
1. Geografische Lage
Um den Islam besser zu verstehen, empfiehlt es sich, einen Blick auf die geografische Lage des Gebiets zu werfen, in dem der Islam entstanden ist. Dieses Gebiet, die Arabische Halbinsel, liegt im äußersten südwestlichen Teil Asiens, grenzt im Süden an den Golf von Aden und das Arabische Meer, im Norden an den Irak und die Türkei, im Nordwesten an das Mittelmeer und im Westen an das Rote Meer. Ihre Flächengröße beträgt 2.737.125 m2. Davon bedeckt der heutige Staat Saudi-Arabien den größten Teil (2.149.677 m2). Das Zeichen und Emblem der Arabischen Halbinsel stellen zwei Schwerter mit einem Dattelbaum darüber dar. Ebenfalls charakteristisch für die Halbinsel sind die großen Wüsten. Dazu gehören die syrische Wüste (bādiyat aš-šām) im Norden, Ṣaḥrāʾ an-Nafūd im nördlichen Teil Saudi-Arabiens, Dahnā nördlich der Hauptstadt Saudi-Arabiens, Riad, Ǧāfūra am Ufer des Persischen Golfs und südlich von Katar im Osten und schließlich die weite Wüste ar-Rubʿal-Ḫālī im Süden des heutigen Saudi-Arabien, die allein 600 000 m2 umfasst.1
Die Regionen dieser Halbinsel sind:
1) Ḥiǧāz: Das Wort wird etymologisch von Ḥaǧz bzw Ḥāǧiz abgeleitet und bedeutet Abstand, Mitte bzw. Hindernis. Es bildet die Landschaft zwischen Naǧd im Osten und dem Sarāh-Gebirge im Westen. Hier liegen die Städte Tāʾif, Mekka und Madīna.
2) Naǧd: Hierbei handelt es sich um das zentrale Hochland Arabiens. Es liegt zwischen Ḥiǧāz und ʿArūḍ.
3) Tihāma: Dies sind die Ebenen entlang des Roten Meeres. Zwischen Tihāma und Ḥiǧāz befindet sich das Sarawāt-Gebirge.2
4) ʿArūḍ: Der Name bedeutet Hindernis und bezeichnet das Gebiet zwischen Naǧd, dem Irak und Jemen. Einer seiner Distrikte ist Yamāma oder Alt-Baḥrain. Es liegt im Osten Arabiens und südlich des Persischen Golfs. Hier befinden sich der Bezirk Aḥsā und die Städte Hafūf, Damām, Qaṭīf und Ẓahrān.
5) Jemen: Das Land im Südwesten der Arabischen Halbinsel leitet sich von Jmnt ab und bedeuet Süden.1 Der Name findet bereits in den ersten nachchristlichen Inschriften Erwähnung. Die Natur des Jemen ist vielfältig und geprägt durch Berge, Täler, Meeresküsten und Wüsten. Jemens Bergland liegt im westlichen Teil des Landes und ist regenreich. Die meisten Felder und Gärten Jemens befinden sich hier, weshalb diese Region als Yaman al-ḫaḍrāʾ (lat. der grüne Jemen) bezeichnet worden ist.2 Die antiken Autoren nannten sie Arabia felix (fruchtbares Arabien). Die wichtigen Städte Jemens sind die Hauptstadt Ṣanʿāʾ sowie die Hafenstadt ʿAdan. Eine der geografisch und historisch interessanten Landschaften Jemens ist Ḥaḍramaut, die im Norden an Rubʿ al-Ḫālī, im Süden an das Arabische Meer grenzt.3
Die Arabische Halbinsel ist eine der Trockenzonen der Erde, mit den folgenden klimatisch bedingten Charakteristika:
1) Trotz geringem Niederschlag existieren sehr viele Wasserflächen. Manchmal gibt es auch lange Dürreperioden. Der durchschnittliche Niederschlag beträgt zwischen 25 und 150 mm pro Jahr, wobei seine Verteilung in keinem klaren Verhältnis zu den Jahreszeiten steht.
2) Wegen der Nähe zum Äquator strahlt die Sonne fast senkrecht auf den Boden, sodass die starken Sonnenstrahlen die Erdoberfläche erwärmen und die Tagestemperatur heftig ansteigt. Dank der Ausdehnung der Luftströmung infolge der Erhitzung wandert die Luft des Bodens von unten nach oben. Dadurch entsteht ein Wind, der am frühen Nachmittag seine Höchststärke erreicht und zu Beginn der Nacht aufhört. Die Windgeschwindigkeit kann zwischen 55 und 60 km/h betragen.4
3) Die Luftbewegungen und die Entstehung der Winde bringen starke Hitze und dichte Staubwirbel mit sich. Dieser Umstand macht die Luft nicht nur unerträglich, sondern verstärkt zudem die Trockenheit des Bodens und die Verminderung der Feuchtigkeit. Außerdem verhindert er die Wirkung des Regens.
4) Die durchschnittliche Luftfeuchtigkeit der trockenen Regionen Arabiens ist gering.
5) Dank der Trockenheit, der starken Hitze und der glühenden Sonnenstrahlen, der Winde und Stürme, sowie anderer in den Trockenzonen wirkender Faktoren übersteigt die Jahresverdunstung der vorhandenen Oberflächenwassermenge bei weitem die Menge des jährlichen Niederschlags. Messungen zeigen, dass der Verdunstungsprozess 15 bis 20 Mal größer ist als die Wasserzufuhr durch die jährliche Niederschlagsmenge.1
Zusammengefasst führen einerseits die Wasserarmut, die starke Hitze - einhergehend mit heftigen Temperaturunterschieden - und die Existenz der vulkanischen Ebenen, Sandwüsten und Trockengebiete, wie Rubʿ al-ḫālī und Nufūd, mit ihren Salzseen andererseits dazu, dass weite Teile der Arabischen Halbinsel als Kultur- und Wohnlandschaft nicht erschließbar sind oder nur saisonal genutzt werden können. Diese Eigenschaften charakterisieren eine harte und lebensfeindliche Umwelt, in der sich eine relativ kleine Zahl an Lebewesen - ob Menschen, Tieren oder Pflanzen - heimisch gemacht haben. Menschen, die unter diesen klimatischen Bedingungen in dieser Region zu leben hatten, waren bei der Beschaffung von Wasser und Nahrung sowie Futter für ihr Vieh großen Anstrengungen ausgesetzt. Wasser ist das Elixier der Wüste. Die Beduinen mussten deshalb stets im Kampf ums Überleben oder in der Wanderung sein. Anscheinend unterlagen diese Wanderungen einer gewissen Ordnung. Studien zeigen, dass Stämme im nördlichen Arabien und in den Teilgebieten, die an den Irak, Syrien und Jordanien grenzen, eher kreis-bzw. ovalförmige Wanderungen präferieren.2 Als eine Eigenart arabischer Nomaden gelten jedoch linear verlaufende Wanderungen, die aber mittlerweile auch bei Nomaden in den Nachbarstaaten zu beobachten sind. Üblich waren Wanderungen mit gemischten Herden, wobei das Ǧammāza-Kamel als das wichtigste Tier in einer Herde galt, da es lange Wanderungen ermöglichte.1 Diese Kamelart ernährt sich nicht nur von trockenem Gras und Wüstengestrüpp, sondern ist noch dazu imstande mehrere Tage ohne Trinkwasser problemlos zu überleben. Die Zucht des Ǧammāza-Kamels ist daher seit Jahrhunderten die Hauptbeschäftigung nomadischer Viehzüchter in weiten Teilen Arabiens.2
Der markanteste, klar umrissene Aspekt traditioneller Wirtschaftsformen in Arabien waren Viehzucht und Hirtenkultur. Eine große Herde konnte man als Hirte in den trockenen Regionen der Halbinsel nur halten, wenn man als Nomade lebte. Denn diese Lebensart erlaubte die optimale Ausnutzung verstreuter, unsicherer Weiden sowie des begrenzten Trinkwasserreservoirs in saisonalen Teichen und dauerhaften Tiefbrunnen. Der größte Teil der Herde bestand aus Ziegen und Kamelen. Die Araber bevorzugten Ziegen, weil sie dachten, dass eine Ziege wenig Wasser benötigen und alles weiden würde. Weiterhin ging man davon aus, dass sie sich stärker vermehren würde und ihre Stillzeit 50 bis 100 % länger als die des Schafes sei.3 Aus der Kamelwolle und dem Ziegenhaar stellten arabische Nomaden ihre Zelte her. Deshalb wurden sie auch Ahl al-Wabar (Leute des (Vieh)haares) genannt. Bei den Griechen hießen sie iskinītāi (σκηνίται; Zeltbewohner).4 Das Zentrum des Hirtenlebens war das Zelt. Ein dauerhaftes Zeltlager kannte der Zeltbewohner aber nicht. Er brach sein Zelt ab, um einem anderen zu helfen und zur Seite zu stehen. Aber sein Weiterziehen war gesteuert durch die Futter- und Wasserversorgung, die dem zeitlichen und örtlichen Muster der Niederschläge ganz und gar unterlag.