Fucking good - Nina Wagner - E-Book

Fucking good E-Book

Nina Wagner

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Beschreibung

Junge Frauen sind so aufgeklärt wie nie und trotzdem orientierungslos wie ein Brummkreisel. Gerade in Zeiten von "Feuchtgebiete" und "Shades of Grey" ist es schwer geworden, sich sexuell zu suchen und zu finden, und das, obwohl uns jegliche Medien zur Verfügung stehen. Wie finde ich den passenden Liebhaber? Wie funktioniert eigentlich ein erfülltes Sexleben, bei dem ständigen Performance-Druck? Wie mache ich meinen Partner glücklich und bleibe mir dabei selbst treu? Nina Wagner weiß Rat und leistet Orientierungshilfe im Dschungel der großen Erwartungen und des Selbstoptimierungswahns.

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Seitenzahl: 292

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Nina Wagner

Fucking good

Von Sextoys, Online-Dates und wilden Nächten

Illustrationen von Apollonia Saintclair

Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG.

Über dieses Buch

Junge Frauen sind so aufgeklärt wie nie und trotzdem orientierungslos wie ein Brummkreisel. Gerade in Zeiten von »Feuchtgebiete« und »Shades of Grey« ist es schwer geworden, sich sexuell zu suchen und zu finden, und das, obwohl uns jegliche Medien zur Verfügung stehen. Wie finde ich den passenden Liebhaber? Wie funktioniert eigentlich ein erfülltes Sexleben, bei dem ständigen Performance-Druck? Wie mache ich meinen Partner glücklich und bleibe mir dabei selbst treu? Nina Wagner weiß Rat und leistet Orientierungshilfe im Dschungel der großen Erwartungen und des Selbstoptimierungswahns.

Inhaltsübersicht

Intro – Yeah, noch ein Sexratgeber?

1. Wer bin ich, was will ich, worauf habe ich Lust?

Spieglein, Spieglein

Forever and ever?

Lust

Forever – und dann? Robin und Levi

Huch, die erste Affäre – Max

2. Sex im Kopf – Mach’s dir doch selbst!

Sex Toys

Die Online-Welt der Sex Toys

Sexshops sind gar nicht so schrecklich

Porno Porno

3. Sex Dates – Wanna fuck?

Real Life

Cybersex und Sexting

Facebook

Sex dank Facebook – Finn

Tinder

Das erste Tinder-Date – Flo

Das zweite Tinder-Date – Chris

Scheiß Tinder-Date

OkCupid

4. Sex, Sex, Sex – Basics and Beyond

Kondom! Immer!

Alternativen? Hormonelle Verhütung

Let’s talk about Sex, Baby

Küssen – der Vorgeschmack auf alles andere

Küssen verboten – Ben

Vorspiel – Heavy Petting, oder ist das schon Sex?

Stellungen – geht auch ohne Kamasutra

Ich habe meine Tage und will trotzdem Sex – na und?

Vulva, Vagina oder Muschi

Ey, wo ist eigentlich dein G-Punkt?

Fingern

Squirten – Timo

Lecken

Leck mich doch – Oli

Penis, Pimmel oder Schwanz

Blowjob

Feuchte Träume – Emil

Handjob

Abspritzen/Sperma

Sperma im Gesicht – Levi

5. Grenzen und Tabus

Analsex

Posex – Tim

Männertausch

Ich teile wirklich gerne – Chris und Björn

BDSM

Von Ohrfeigen und Gürteln – Marian

Spank me, Babe – Ian

One, two, threesome

Wir tanzen im Dreieck – Ian und Brody

Das Internet ist durchgespielt – Abspann

Dank

Intro – Yeah, noch ein Sexratgeber?

Ich werde dir in diesem Buch nicht erklären, wie du multiple Orgasmen bekommst. Oder wie du beim Vögeln am besten aussiehst. Aber ich werde meine Erfahrungen mit dir teilen.

Es gibt unzählige Ratgeber über den perfekten Sex, den perfekten Blowjob, den perfekten Orgasmus oder wie sie ihn im Bett stets glücklich macht. Nichts davon hat mich jemals interessiert. Perfekt und Sex passt nämlich nicht zusammen.

Wenn ich etwas in den 13 Jahren, in denen Sex in meinem Leben eine Rolle spielt, gelernt habe, dann, dass ich mich erst mal selbst kennenlernen musste, bevor irgendjemand die Möglichkeit hatte, mich wirklich zu befriedigen. Nur ist der Knackpunkt daran eben, dass man sich ohne die Erfahrungen mit verschiedenen Sexpartnern gar nicht kennenlernen kann. Woher soll ich denn wissen, was ich mag und was mich anmacht und worauf ich gar nicht stehe, wenn ich es nicht ausprobiere?

Man begreift sich und seine Sexualität ja auch in jeder Lebensphase anders. Der Sex, den ich mit 17 hatte, war vollkommen anders als der Sex, den ich mit 20 oder 25 hatte. Es kommt nicht darauf an, ob du dein erstes Mal mit 15 oder 25 hattest. Oder ob du mit 5 oder 50 Männern und/oder Frauen Sex hattest.

Trotzdem sind wirklich viele Menschen, egal welchen Alters, im Umgang mit sich, mit ihrem Körper und Sex einfach sehr unsicher. Vordergründig Frauen. Das kann man ändern. Indem man Tabus einfach mal links liegen lässt und anfängt, sich mit sich und seiner Sexualität auseinanderzusetzen. Und damit meine ich nicht die klassischen Tipps der emanzipatorischen Frauenbewegung des letzten Jahrhunderts. So weit sind wir nämlich allemal. Ich werde hier auch nicht in jedem Satz darauf hinweisen, dass ich keine bestimmte Personengruppe ansprechen möchte, sondern jeden, der sich damit beschäftigen möchte, und dabei ist mir scheißegal, ob du dich als homosexuell, asexuell, heterosexuell oder queer definierst. Ob du ein Mann oder eine Frau oder ein Papagei bist, spielt für mich genauso wenig eine Rolle, aber ich höre die Stimmen, die sich beschweren werden, dass ich meistens nur aus der heterosexuellen Perspektive einer Frau schreibe – stimmt, denn es ist meine persönliche Perspektive, da ich mein Leben eben als heterosexuelle Frau führe, und das ist voll okay, das bin ich. Alles andere wäre fiktiv und auch irgendwie Quatsch. Trotzdem gibt es eben immer wieder enorme Diskrepanzen zwischen den verschiedenen Rollen, die wir so im Laufe unseres Lebens aufgrund unseres Geschlechts einnehmen. Diese werde ich, sofern sie mir begegnet sind, auch genauso offen und ehrlich beleuchten wie alles andere.

1.Wer bin ich, was will ich, worauf habe ich Lust?

Sex ist in unserer Gesellschaft allgegenwärtig. Eigentlich wird uns von Anfang an vorgelebt, wie Sex sein sollte. Klar wird uns erklärt, wie Babys gemacht werden, ob von unseren Eltern, der BRAVO oder im Sexualkundeunterricht in der Schule. Das ist der Grundstein der sexuellen Aufklärung, aber viele sind der Meinung, dass es damit getan ist. Es reicht aber nicht, seinem Kind in einem Alter, in dem es sich noch nichts unter Sexualität vorstellen kann – außer vielleicht in Verbindung mit seinen Eltern oder Barbie und Ken –, zu erklären, wie ein Spermium den Weg zur Eizelle findet. Nur damit man dann glauben kann, seine Aufgabe erfüllt zu haben.

Die Zeit, in der sich die eigene Sexualität entwickelt, ist schwierig und verwirrend und aufregend und spannend – mehr denn je kommen Fragen auf. Und leider geht es den meisten ja so, dass sie niemanden haben, dem sie diese Fragen stellen können. Weil Sexualität eben schon sehr, sehr früh tabuisiert wird und nicht als das behandelt wird, das es eigentlich ist: etwas ganz Alltägliches, das keine Sonderbehandlung benötigt.

Was genau machst du denn, wenn du das erste Mal deine Tage bekommst und auf einmal Blut in der Unterhose klebt, ohne dass du weißt, warum? Oder wenn deine noch nicht vorhandenen Brüste auf einmal anfangen weh zu tun? Wenn du das erste Mal eine Erektion oder einen Samenerguss hast und nicht einordnen kannst, warum das gerade geschehen ist? Selbst wenn dir erklärt wurde, dass das passieren wird, heißt das ja noch lange nicht, dass du das in diesem Moment miteinander in Verbindung bringen kannst.

Ich habe zum Glück ganz wunderbare Eltern, die mir niemals das Gefühl gegeben haben, dass mir irgendetwas unangenehm oder peinlich sein muss. Wenn ich Fragen zu meinem Körper hatte, wusste ich immer, dass ich diese auch stellen konnte. Mir war extrem lange nicht bewusst, wie viel Wert das hat und wie selten es tatsächlich ist, so eine Vertrauensebene mit seinen Eltern zu haben. Das hat mir vieles erleichtert. Schwierig für mich war eher das restliche soziale Umfeld. Viele meiner Freundinnen waren nicht in der Lage, über diese Themen zu reden. Ich sehnte mich nach einer Vertrauten, denn tolle Eltern hin oder her, der Austausch mit jungen heranwachsenden Frauen im gleichen Alter, die das Gleiche durchleben, ist unbezahlbar. Zum Beispiel um über Selbstbefriedigung und die ersten sexuellen Erfahrungen zu sprechen. Aber so weit war ich auch selbst noch nicht.

 

Ich habe mich das erste Mal mit Anfang 20 selbst zum Orgasmus gebracht. Davor war Selbstbefriedigung für mich irgendwie kein Thema, und ich kann nicht mal genau sagen, warum das so war. Es hat mich einfach nicht interessiert. Mein Verhältnis zu meinem Körper war, wie bei jedem pubertierenden Menschen, zeitweise sehr durchwachsen. Ich fand es zum Kotzen, schon früh große Brüste zu haben. Die Reaktionen in meinem sozialen Umfeld fand ich ebenso zum Kotzen. Von den Mädchen in meiner Klasse wurde ich auf einmal gemieden, weil ich nicht mehr eine von ihnen war, was ich nicht verstand. Die Jungs haben geglotzt, und im Sportunterricht war es ihr Lieblingsspiel, bei jeder Gelegenheit meine Brüste irgendwie zu berühren. Ganz zufällig natürlich. Als ich mich bei meinem Sportlehrer darüber beschwerte, war seine Antwort: »Na, früh übt sich, nicht wahr?!« Pädagogische Meisterleistung. Ich war so hilflos in diesem Moment. Ein paar Jahre später ist er an Prostatakrebs gestorben, kein Scherz.

Mein Ausweg waren aber keine übergroßen Pullis, sondern der Beschluss, mich nicht auf irgendwelche äußerlichen Attribute reduzieren zu lassen, sowie die Auseinandersetzung mit Rollenbildern, mit der Emanzipationsgeschichte, mit meiner Rolle als Frau mit offensichtlichen sekundären Geschlechtsmerkmalen. Das hat mir schon früh geholfen, mich ganz selbstbewusst so zu mögen, wie ich bin. Meistens jedenfalls. Denn es ist egal, ob du groß, klein, dick, dünn, grün oder pink bist. Ob du große Brüste oder einen kleinen Hintern, breite Hüften, muskulöse Waden oder lange Haare hast. Ich weiß, dass dir das vielleicht schon 100 Mal gesagt wurde. Vielleicht aber auch noch nie. In jedem Fall sage ich es gerne noch einmal: Die Einzigartigkeit, das Erkennen dieser Einzigartigkeit und die hoffentlich daraus resultierende Selbstliebe sind die Grundlage für jeden Genuss und jede Befriedigung.

Spieglein, Spieglein

Es ist verdammt schwer, sich in unserer Generation mit sich selbst und seinem Leben wohl zu fühlen. Die Ansprüche an uns sind extrem hoch. Das fängt schon in der Grundschule an. Alle reden drüber, aber selten ändert jemand etwas. Kinder verhalten sich untereinander genauso beschissen wie Erwachsene, vielleicht sogar noch etwas grausamer. Jede minimale Andersartigkeit ist Grund genug, ausgeschlossen zu werden: Jungs mit langen Haaren, Mädchen mit kurzen. Kinder mit Migrationshintergrund oder aus schwierigeren Verhältnissen. Wenn du Pech hast, hast du kein Zuhause, wo du aufgefangen wirst, wenn du mal wieder mit blutiger Nase aus der Schule kommst.

Dazu kommt eine oft grenzüberschreitende Einmischung der Lehrer. Das kann dir helfen, das kann aber auch richtig scheiße sein, wenn dein Lehrer zufällig dieses eine sadistische Arschloch ist, das seinen Bildungsauftrag vollkommen missinterpretiert. Dein Selbstbewusstsein wird schon abgewürgt, bevor es richtig angefangen hat, sich zu entwickeln. Und das ist eine Sauerei. Der persönliche Druck, in diesem seltsamen sozialen Gebilde, der Schule, zu glänzen, ist erdrückend und wenig förderlich für die individuelle Entwicklung.

Ich habe das damals einfach nicht verstanden und habe versucht, mich genauso zu verhalten wie alle Mädchen um mich herum. Ich wollte riesige Plateauschuhe tragen und heimlich rauchen und zu dem Jugendclub-Discoabend bis 22 Uhr gehen. Aber ich durfte keine zwölf Zentimeter hohen Plateauschuhe tragen. Der Kompromiss waren Sneaker der gleichen Marke (wofür ich heute durchaus dankbar bin). Aber ich war somit eben nicht Teil des Inner Circle, also lieh ich mir die Schuhe immer von Freundinnen. Nur um mich gleichwertig zu fühlen. Ich war gerade mal zwölf Jahre alt, steckte frühreif schon mitten in der Pubertät und verbog mich, bis ich das Gleichgewicht nicht mehr halten konnte.

Jeder kennt die coolen Kids der Schule. Der Hype und die Idealisierung sind wie ein schlechter BRAVO-Starschnitt. Wie oft man vor dem Spiegel steht, sich fragt, was einem eigentlich fehlt, und sich so nach und nach einen Komplex nach dem anderen zusammenbastelt … Das fängt viel zu früh an, man wird nach äußeren Merkmalen kategorisiert, und meiner Meinung nach versucht kaum jemand, irgendwie zu intervenieren. Du wirst also von klein auf dazu erzogen, dich entweder anzupassen oder Außenseiter zu sein. Und vor allem musst du dich in eine Rolle pressen lassen, in der du dich vielleicht gar nicht wohl fühlst, dich aber nicht traust, in eine andere zu schlüpfen.

Das zieht sich dann durch dein ganzes Leben. Immer und überall gibt es diese eine Person, die dir zeigt, was du alles nicht hast und nicht kannst. Und diese eine Person gibt es nur, weil du sie selbst konstruierst. Denn lass dir eins gesagt sein, solange du deine Fehler im Perfektsein anderer suchst, wirst du immer fündig – und immer unzufriedener. Stop it. Now.

 

Das erste Mal so richtig bewusst wurde mir das mit dem Perfektionszwang mit 14. Ich war gerade sechs Monate mit meinem ersten Freund Pat zusammen. Ein etwas prolliger Dorffußballer und der Cousin meiner damals besten Freundin, von der ich mir immer die Buffalos lieh. Er war ein paar Jahre älter als ich, und ich war so Hals über Kopf in ihn verliebt, dass ich mein Glück einfach nicht fassen konnte, als wir nach einmal Knutschen ganz offiziell ein Paar waren. Mir war damals auch sofort klar, dass ich mit Pat das erste Mal Sex haben wollte. Einerseits, weil ich es endlich erlebt haben wollte, andererseits, weil er ja nun mein fester Freund war. Pat hatte schon Erfahrung, was ich super fand.

Mein erster Sex mit ihm war vollkommen unspektakulär. Es tat weder weh, noch blutete ich. Das war meine größte Angst gewesen, davon hatte ich schon viel gelesen. Daran erinnere ich mich, und an das Bad-Boys-Poster an seiner Wand. Ansonsten, wie gesagt: unspektakulär. Aber, noch viel wichtiger: Ich hatte sofort Spaß daran, was ja im Idealfall so sein sollte, aber oft eben nicht der Fall ist.

Toll an Pat war, dass ich mit ihm viel ausprobieren konnte. Keine außergewöhnlichen Sachen, aber ich hatte ja keinerlei Erfahrung. Wir hatten Sex in jeder Stellung, die uns einfiel, also so ca. drei. Er oben, ich oben und von hinten. Wir probierten auch alle möglichen Kondome aus, gerne auch mit Farbe und Geschmack, was meistens einfach eklig war. Einmal war ich einkaufen und wollte extraverrückte Kondome besorgen, aber die Verkäuferin wollte mir ob meines Alters keine verkaufen. Also kam meine Mutter dazu und machte die Verkäuferin vor allen anderen im Laden zur Schnecke, dass sie froh sein solle, wenn junge Menschen verhüten wollen, statt ebendas zu verhindern. Mir war das erst saumäßig peinlich, aber dann war ich ganz furchtbar stolz.

Irgendwann entschied ich mich, die Minipille zu nehmen. Eigentlich ist es schon verrückt, dass man heranwachsenden, sehr jungen Frauen Hormone zur Verhütung verschreibt, aber besser, als ungewollt schwanger zu werden, ist das vermutlich allemal. Und das wollte ich wirklich vermeiden.

Ich habe die Pille gar nicht gut vertragen und neben anderen echt unangenehmen Nebenwirkungen innerhalb weniger Wochen mehrere Kilo zugenommen. Und das störte Pat, was er mir auch ziemlich deutlich zu verstehen gab. Und zack, fühlte ich mich zu dick, was, selbst wenn ich es gewesen wäre, ziemlich ätzend ist. Da stopfst du jeden Tag diese Scheißhormone in dich rein und tust deinem Körper in jungen Jahren schon sonst was an, und der Typ beschwert sich auch noch auf so eine unmögliche Art darüber. Ab diesem Punkt habe ich mich nicht mehr wohl mit Pat gefühlt, und die Beziehung war schneller vorbei, als es ihm lieb war. Ich werde immer noch stinksauer, wenn ich daran denke. Zum Glück bin auch ich inzwischen älter und weiser. Pat habe ich übrigens vor ein paar Monaten, nach über zehn Jahren, mal wieder zufällig auf der Straße getroffen. Er ist dick geworden und sah alt und traurig aus. Ich war ein klitzekleines bisschen schadenfroh. Aber das Mitleid überwog sehr schnell.

Forever and ever?

Mit 16 stolperte ich in meine erste lange Beziehung. Marius war meine erste große Liebe. Er war einige Jahre älter als ich, und mich faszinierte alles, was er machte. Vornehmlich seine Musik (er spielte in diversen Bands), sein Wissen über alle Punk- und Metalbands dieser Welt und seine leuchtenden Augen, wenn er davon erzählte. Ich konnte es kaum fassen, als er wirklich anfing, sich für mich zu interessieren. Und sich in mich verliebte. Wir zogen das volle Programm durch. Große Romantik, Familie kennenlernen, erste gemeinsame Wohnung. Erst viel Sex, dann immer weniger, dann viele Reibereien und des anderen Müde-Werden.

Mit der zunehmenden Unzufriedenheit, auch was den Sex betraf, fing ich an, mich selbst zu entdecken. Klingt extrem pathetisch, ist aber wirklich so. Vielleicht lag es auch an meinem neuen Umfeld – endlich Abitur, raus aus der Schule, rein in den Club. Mindestens viermal die Woche schmiss ich in einem der bekanntesten Technoclubs Berlins den Einlass. Kohle kassieren, Gästeliste checken, Idioten wegschicken, 100 Leute in einer Minute kennenlernen, alle deine neuen besten Freunde, ist klar.

Rauchen und die zwei bis zehn obligatorischen Feierabenddrinks gehörten einfach dazu. Erste Kontakte mit anderen Drogen auch. Alles, was Marius davon mitbekam, war mein Clubparfum, wenn ich frühmorgens ins Bett krabbelte. Was ihn (zu Recht) so sehr störte, dass ich mir angewöhnte, vorm Schlafengehen einfach noch mal zu duschen – was rückblickend, so übermüdet und oft angetrunken wie ich war, echt gefährlich war. Living on the Edge. Aber statt mir besoffen das Genick zu brechen, entdeckte ich die verschiedenen Einstellungsmöglichkeiten meines Duschkopfes. Beste Entdeckung des Jahrhunderts, wirklich.

Ich weiß noch genau, wie es mir wie Schuppen von den Augen fiel. Ich brauchte keinen Typen, um einen Orgasmus zu bekommen. Im Gegenteil. Ab diesem Tag fand ich es eine ganze Weile spannender und intensiver als alles andere, mich selbst zu befriedigen. Unter der Dusche, in der Badewanne, auf dem Fußboden, mit der Hand, mit dem Duschkopf. Das weckte auch mein Interesse an Sexspielzeugen, und ich guckte mir das erste Mal im Internet diverse Seiten mit einer bunten Auswahl an Dildos, Vibratoren und Co. an. So richtig angemacht hat mich die Vorstellung damals aber noch nicht, einfach weil ich keinerlei Vorstellung hatte, was ich damit anfangen sollte und wie es sich anfühlte.

Und ich hätte mich auch einfach nicht getraut, das mit Marius zu besprechen. Vermutlich aus Angst, ihn vor den Kopf zu stoßen, und auch aus der eigenen Unsicherheit heraus. Vielleicht auch aus Angst vor der Ablehnung der Ideen, die sich langsam in meinem Kopf zusammenpuzzelten.

Rückblickend war ich in vielen Bereichen wirklich nicht sehr offen. Ich hatte zwar eine ganz andere Selbsteinschätzung, aber eigentlich erfüllten Marius und ich das klassische Klischee eines jungen Paares, das sich einfach nur immer wieder im gleichen langweilig spießigen Kreis um sich selbst dreht.

Ich war zum Beispiel sehr eifersüchtig. Die Vorstellung, dass Marius mit einer anderen Frau auch nur in Gedanken irgendwie sexuellen Kontakt haben könnte, hat mich wahnsinnig gemacht, weil es – ganz real – schon vorgekommen war und ich mich verraten und betrogen fühlte. Von ihm, von der anderen Frau, von den Freunden, die es gewusst, aber nichts gesagt haben, von der Welt und ihrer leisen Gemeinheit. Ich habe einfach nicht verstanden, warum er andere Frauen auch gut fand. In meiner Vorstellung von Liebe gab es genau zwei Menschen und sonst nichts. Anders lernt man es ja auch nicht. Obwohl ich mich für sehr kritisch und aufgeklärt hielt, merkte ich doch nicht, wie ich versuchte, das zu leben, was ich an anderen eigentlich immer beschissen fand.

Am schlimmsten war, dass ich das Gefühl hatte, ihm nicht zu reichen. Ihn nicht befriedigen zu können. Ich habe trotzdem ganz krampfhaft an dieser Beziehung festgehalten. Und dabei habe ich mich selbst ganz vergessen. Er hat mich ja genauso wenig befriedigt. Aber zu dieser Erkenntnis bin ich erst eine ganze Weile später gekommen.

Eigentlich bin ich ihm sogar dankbar für die ganzen beschissenen Erfahrungen, denn ohne diese hätte ich vielleicht erst viel später angefangen, mich für andere Männer zu interessieren. Und mir ist in dieser ganzen Sache etwas sehr Wichtiges klar geworden: Es gibt nicht immer nur den einen Schuldigen. Das eine Arschloch, das die Beziehung zerstört. So habe ich das nämlich immer gesehen, das ist aber Quatsch. Ich war auf meine Art auch ein Arschloch, und ich hab es ja genauso wenig geschafft, die Beziehung zu beenden.

Ich frage mich ja, was es ist, das uns so lange in den ersten langen Beziehungen hält. Obwohl wir uns bis auf die Knochen aufreiben. Wie entwickelt man denn so eine Selbstzerstörungswut in einem Rahmen, der eigentlich etwas Schönes sein sollte? Wir verwandeln einen Schutz- und Ruheraum in ein abgefucktes Machtspiel. Das ist unglaublich bescheuert, geht aber echt vielen Menschen so. Die meisten meiner Freunde haben diese eine Beziehung, in der am Ende keiner mehr klarkommt. In der man sich so oft und tief verletzt hat, dass es kaum möglich ist, sich noch auf einer kontrollierten, rationalen Ebene zu treffen.

Natürlich kam es irgendwann doch zur Trennung von Marius, schön dramatisch, mit aufgeschürften Knien und vielen Tränen. Aber das gehört halt auch dazu. Ich glaube ja, dass wir das beide auch irgendwie bewusst bis zum Ende ausgereizt haben, weil immer diese Restangst bleibt, dass man etwas oder jemanden gehen lässt, den man vielleicht doch ganz dringend braucht. Weil man nichts anderes so gut kennt und doch auch jeder Streit irgendwie im sicheren, vertrauten Rahmen abläuft.

Irgendwann erreichten wir aber den Punkt, an dem nichts mehr ging. Alles war verkeilt und verzogen, absolute Lähmung. An Freundschaft war auch nicht mehr zu denken, jeder von uns so gekränkt und traurig.

 

Bis ich eine Wohnung fand, schlief ich wochenlang auf dem Sofa im Wohnzimmer oder bei Freunden. Eigentlich beschissen, aber ich war auf einmal Single und arbeitete im Berliner Nachtleben. Ich platzte vor Neugier und Lust auf mein neues Leben, und das ist die maximale Spaßgarantie. Ich wollte den ganzen Scheiß einfach hinter mir lassen, frei und glücklich sein, machen, was ich will, ohne schlechtes Gewissen erst in den Morgenstunden nach Hause kommen, egal, ob ich nach Schnaps und Zigaretten roch. Das war in dem Moment wirklich mein Begriff von Freiheit. Emotionaler Freiheit. Ich dachte, dass ich damit das Kapitel Marius einfach schließen könnte.

Ganz so einfach kam ich aus der Beziehung natürlich nicht heraus. Aber ich fand immerhin endlich eine Wohnung. Einen Tag vor dem Umzug brach ich mir den Mittelfuß an, dazu sagte mir die Hälfte meiner Freunde, die mir helfen wollten, ab, und ich stand, auf Krücken, mit drei Menschen, vollkommen verzweifelt, auf der Straße, weil der Typ, der den Umzugswagen fahren sollte, einfach nicht auftauchte. Ich rief Marius an, den ich extra weggeschickt hatte, um das ganze Drama nicht noch schlimmer zu machen, und bat ihn um Hilfe. Fail. Das war vielleicht der anstrengendste Tag, an den ich mich erinnern kann. Es tut einfach scheiße noch mal weh, nach so vielen Jahren zu realisieren, dass man viel zu lange an etwas festgehalten hat, das schon lange vorher aufgehört hat zu existieren.

Mit dem Ende der Beziehung löste sich irgendwie auch mein engerer Freundeskreis auf, was die ganze Sache nicht einfacher machte.

All das änderte aber nichts an meiner Lust. Lust auf neue Erfahrungen, neue Freunde, neue Männer und neuen Sex. Ich wollte mich Hals über Kopf in mein neues Singleleben stürzen. Wie ich an all das kommen sollte, wusste ich nicht genau, aber das würde sich schon irgendwie ergeben, da war ich mir sicher.

Lust

Ich hatte einfach keine Lust. So gar keine Lust. Ich wollte mich in meinem Bett vergraben, stundenlang irgendeine stumpfe oder vielleicht auch dramatische Serie gucken, mich sinnlos durch Facebook und belanglose Tumblr-Seiten klicken. Nur um mich abzulenken, bis ich wieder einen Grund fand, aufzustehen. Ich hätte eigentlich eine Hausarbeit und ein Essay schreiben müssen. Der Boden in der Küche klebte schon, die Wäscheberge in meinem Zimmer nervten mich. Trotzdem konnte ich nichts dagegen tun. Ich konnte nur im Bett liegen. Klick. Klick. Klick. Wie manövriere ich mich eigentlich am besten selbst in eine richtig schöne Depression?

Gerne hätte ich meine Laune auf den kommenden Winter geschoben. Konnte ich aber nicht, ich mag Winter. Die leise Dunkelheit, die Atemwölkchen. Den ersten Frost, das erste Knirschen unter den Füßen. Tee und Kerzen. Vielleicht hätte ich einen traurigen Film gucken sollen, dann hätte ich endlich mal weinen können. Vielleicht.

Das letzte Mal geweint habe ich, als ich die restlichen Sachen aus der gemeinsamen Wohnung mit Marius holte. Eigentlich hatte ich mich darauf gefreut, ihn zu sehen. Ich hatte einfach verdrängt, wie es sein würde, in mein altes Zuhause zu kommen. Denn das war es für eine lange Zeit gewesen. Und dann war es schlimmer als schlimm. Da läuft man wochenlang fehlerfrei durch ein Minenfeld, und dann zündest du in dir eine Handgranate. Die Wohnung hatte überall Löcher, wo meine Möbel fehlten. Und meine Bücher. Unser Bild lag verstaubt auf dem Gesicht im Regal. Daneben eines der alten Passbildautomatenbilder, die jeder Idiot in Berlin macht. Ich griff instinktiv danach, und als ich realisierte, dass es nicht unser Bild war, sondern eines mit einer anderen Frau, brach noch einmal irgendetwas in mir.

Beim Packen weinte ich leise, ohne Pause. Marius stand hilflos daneben, konnte weder vor noch zurück. Ich ließ mich nicht von ihm anfassen und redete kein Wort mit ihm. Damals habe ich nicht verstanden, dass ihm unsere Trennung und diese spezielle Situation auf seine Art genauso schrecklich weh taten wie mir. Weil er wusste, dass er ein Arschloch war, und damit musste man erst mal leben.

Ich hatte mich getrennt. Ich wusste, dass es andere Frauen gegeben hatte und gab. Und dass nach mir noch viele kommen würden. Trotzdem verletzte mich das. Irgendwie war es respektlos dem gegenüber, das wir zusammen gehabt hatten. Letztendlich war es einfach das Bewusstsein, dass man so beliebig austauschbar ist. Und das tut scheiße weh, weil man in dem Moment ja auch nicht daran denkt, dass man selbst auch Menschen austauschen kann und das auch macht.

Ich hatte aber auch noch keine Vorstellung davon, wie eine Beziehung sonst aussehen könnte. Es war einfach eine Grundvoraussetzung für mich, dass man ehrlich zueinander sein muss. Mich verletzten nicht zwangsläufig die anderen Frauen, eher die Unehrlichkeit. Und dass er mit einer guten Freundin von mir schlief. Arschlöcher. Beide.

Die kleine Depression danach hatte ich mir wirklich verdient, finde ich.

Also lag ich alleine in einer fremden, halb eingerichteten Wohnung rum und starrte die Wand oder den Bildschirm meines Laptops an. Und dann schrieb ich Levi.

Forever – und dann? Robin und Levi

Er ist erste Mann, mit dem ich nach der Trennung von Marius schlafen will. Er ist ein komischer Kauz, den ich von diversen Partys und gemeinsamen Freunden flüchtig kenne. Levi ist kein Mensch, den man auf einer Party nicht bemerken kann. Er ist tatsächlich unfassbar witzig, und sein Selbstdarstellungsdrang ist so enorm, dass er innerhalb kürzester Zeit immer die Unterhaltungen in der Runde bestimmt. Er hat so eine große Klappe, dass ich nur immer wieder über sein aufgeblasenes Ego staunen kann. Er beschäftigt sich irgendwie mit Computern und schreibt für ein paar trashige Magazine. Er mag Feuersalamander genauso gerne wie ich. Und er hat eine große Narbe auf der Stirn. Das finde ich sexy.

Ich liege deprimiert im Bett rum, und mein Gleichgültigkeitslevel ist hoch genug, dass ich mich traue, Levi zu schreiben, und dabei weiß, dass mir eine Abfuhr auch nicht mehr viel ausmachen würde. Immerhin sind wir schon Facebook-Freunde – ich schreibe, und er geht sofort darauf ein. Mein erster Social-Media-Flirt – viel einfacher, als ich dachte.

Levi macht mir den Einstieg aber auch extrem leicht. Seine Fragen sind sehr gezielt und so offen und direkt, dass ich sofort begeistert bin. Er will alles wissen: meine Vorlieben im Bett, ob ich auf Sperma stehe und ob ich große Schwänze mag. Ich habe mir bis zu diesem Zeitpunkt nicht mal wirklich Gedanken darüber gemacht, ob die Penisgröße irgendwie ausschlaggebend ist. Vielleicht, weil ich noch nie Sex mit einem Mann mit wirklich kleinem Penis hatte.

Eigentlich will er nur darauf hinaus, mir Bilder von seinem durchaus großen Penis zu schicken. Irgendwie finde ich das befremdlich, aber auch sehr spannend. Soll er mir doch Bilder schicken, wenn er drauf steht. So bekomme ich meine ersten Schwanzbilder. Viele. Erigiert, nicht erigiert, mit Sperma, im Zug, im Bett, im Flugzeug. Meine Unerfahrenheit lasse ich mir nicht anmerken, weil ich irgendwie Angst habe, dass es mich uninteressanter macht. Ihm schicke ich auch meine ersten Nacktbilder. Das ist so aufregend und neu und versaut. Ich fühle mich erwachsen dabei, und später, als die Bilder, seine und meine, mit meinem ersten Laptop ins Jenseits befördert werden, bin ich wirklich traurig.

Levi und ich schreiben uns fast jede Nacht und verstricken uns immer weiter in erotische Fantasien.

 

Der erste Mann, mit dem ich dann tatsächlich schlafe, sitzt seit ein paar Tagen jeden Abend besoffen und traurig an der Theke bei uns im Club. Ich bestelle mir gerade meinen ersten Feierabenddrink – Wodka-Cranberry mit Limette –, als er mir aus Versehen seinen Drink ins Dekolleté kippt. Whiskey-Cola zwischen den Brüsten mag ich ja besonders gerne. Vollidiot. Aber wir kommen irgendwie trotzdem ins Gespräch. Robin trauert um seine Ex-Freundin, die ihn verlassen hat, und ertränkt das jetzt jeden Abend in einem feinen Mix aus Whiskey und Wodka. Es geht sehr schnell um gescheiterte Beziehungen und die Elefanten in unseren Porzellanherzen.

Und auf einmal finde ich ihn doch ganz heiß. Tätowiert bis unters Kinn, rotzevoll, nur am Pöbeln – eine Schwäche für Punker hatte ich irgendwie schon immer. Wir trinken und pöbeln und stolpern über die Tanzfläche und helfen uns gegenseitig, kurz zu vergessen, was uns quält.

Dass er mich dann tatsächlich sehr höflich fragt, ob er mich küssen dürfe, lässt mich leise kichern. Wir sitzen gefühlte Stunden knutschend an der Theke, bis ich genug Mut dazu habe, ihn zu fragen, ob wir gemeinsam nach Hause wollen. Er ist sofort dabei, und wir teilen uns ein Taxi. Zu ihm. In seine Eigentumswohnung mit Badewanne und Balkon in Mitte. So Punkrock.

Die ganze Bude ist vollgestopft mit komischen Sachen. Im Wohnzimmer steht eine riesige Anlage, deren Boxen Affenkostüme tragen, irgendwo lehnt ein orangener Berliner Straßenmülleimer, Spielautomaten, Straßenschilder, Skateboards in jeder Ecke und riesige, zum Teil echt schlechte Graffiti an den Wänden. Auf dem Klo wohnt ein aggressiver Hummer im Aquarium, den ich wirklich gruselig finde. Aber irgendwie Punkrock.

Er bietet mir ein kaltes Bier an, und jetzt bin ich doch etwas verlegen. Ich stehe unsicher an der Wand in der Küche, er reicht mir die Flasche und zieht seine Jacke aus. Als Robin zu mir kommt, mich küsst und gegen die Wand drückt, weiß ich wieder, warum ich hier bin. Wir ziehen uns gegenseitig aus, Stück für Stück, bis ich in Unterwäsche vor ihm stehe. Es ist wild und unkoordiniert. Ist aber auch richtig schwer, irgendwie aus superengen Jeans rauszukommen, ohne dabei total beknackt auszusehen. Unsere Zähne stoßen oft aneinander, und unsere Zungen verfehlen sich immer wieder. Ich finde es trotzdem super. Weil es neu ist. Und anders.

Wir haben zweimal unspektakulären Sex, und ich komme kein einziges Mal. Vielleicht, weil wir nicht so richtig harmonieren. Oder weil ich so aufgeregt und gespannt und fasziniert bin, wie anders Sex doch sein kann und wie mein Ego sich dadurch wieder aufbaut. Oder einfach, weil wir rotzevoll sind.

Dafür haben wir morgens noch mal Sex, und das ist viel besser. Vielleicht, weil wir fast nüchtern sind, vielleicht, weil ich über Nacht einfach selbstbewusster geworden bin. Vielleicht, weil ich endlich anfange, mich zu entspannen. Auf einmal ist mir klar, dass wir nur Sex haben würden. Es geht nicht um Romantik oder Verlieben. Es geht um Sex. Nicht mehr und nicht weniger. Und diese Erkenntnis ist wunderbar, weil sie für eine Leichtigkeit bei mir sorgt, die ich vorher nicht hatte. Einfach mal nicht alles zerdenken.

 

Und so kommt es, dass ich noch völlig verstrahlt in der U-Bahn nach Hause sitze, als mich ein leises »Hallo, Nina« aus meinen Sextagträumen reißt. Fuck. Natürlich muss Levi auftauchen, wenn ich mit verschmierter Schminke, roten Flecken im Gesicht, Fahne bis zum Fernsehturm und wirren Haaren von meinem ersten One-Night-Stand komme. Was soll das denn?

»Du siehst durchgefickt aus!« Ähm, bitte? Charmant wie immer. Ich muss trotzdem grinsen. Zum Glück muss er schon nach einer Station gemeinsamer Fahrt wieder aussteigen und ich nicht weiter rot werden, falls das überhaupt möglich ist. Meine Ohren glühen. Aber warum eigentlich schämen?

Ein paar Stunden später kommt Levis Nachricht: »Heute Lust auf Kino?« Erstes Date im Kino? Ist ja richtig kommunikativ. Aber sein Argument, dass wir nachmittags gehen würden, wenn kein anderer ins Kino geht, und wir den ganzen Film lang knutschen und fummeln könnten, überzeugt mich doch sehr schnell. Außerdem, zwei neue Männer an zwei aufeinanderfolgenden Tagen? Hell, yes!

Er schlägt das Kino am Hackeschen Markt vor, wir trafen uns vorher in einer der Touristenbars unter der S-Bahn. Ziemlich schlau, wenn man der Gefahr aus dem Weg gehen möchte, Bekannte zu treffen – hier hält sich nämlich kein in Berlin Lebender freiwillig auf.

Wir sind tatsächlich alleine im Kino. Obwohl ich kaum etwas von dem Film mitbekomme, kann ich mich später immer noch erinnern, dass es irgendeiner dieser Action-Blockbuster mit Vin Diesel war. Aber bis wir uns im Kino küssen, dauert es die ganze Werbung, die Kinovorschau und die ersten fünf Minuten des Films. Ich erinnere mich an diesen ersten Kuss. Ganz neugierig und vorsichtig. Die Überraschung, wenn man den anderen das erste Mal schmeckt, wenn sich die Lippen und die Zunge das erste Mal berühren. Und genau in diesem Moment kommen tatsächlich noch drei junge Typen mit Nachos und Popcorn in den Saal. Und natürlich setzen sie sich genau zwei Reihen hinter uns. Damit ist der Zauber des Kino-Dates verflogen. Wir gehen einfach, nach nicht mal der Hälfte des Films.

Dafür ist der Spaziergang zu ihm in die Torstraße in Berlin Mitte umso spannender. Wir berühren uns während des Laufens nicht, aber alle paar Meter zieht er mich in Hauseingänge und Toreinfahrten, um mich zu küssen. Dabei kichern wir viel. Am Eingang eines 50er-Jahre-Neubaus schließt er die Tür auf und bittet mich in eine unschöne, seit der Wende unsanierte, Männer-WG. Hat er mir vorher erzählt, dass er mit Ende 20 in einem Hochbett schläft? Falls er es getan haben sollte, habe ich es anscheinend sofort verdrängt. Hochbetten sind wie Actionfiguren, Pferdeposter, Kuscheltiere, Modellautos und andere Relikte der längst vergangenen Kindheit unsexy as hell! Okay, ich gebe zu, ich habe auch einen ollen Teddybären im Bett. Mist. Aber den armen Kerl kann ich im Ernstfall einfach im Wäschekorb verschwinden lassen. Ein Hochbett lässt sich schlecht verstecken.

Egal, es ist ja eh zu spät. Wir klettern auf sein Hochbett und machen rum. Auf einmal hält er mich am Kinn fest: »Erzähl mir von gestern Nacht. Ich will genau wissen, was du mit dem Typen gemacht hast!« Am Anfang ist es mir etwas unangenehm. Es ist echt noch mal was anderes, direkt darüber zu reden, schreiben ist da wirklich einfacher. Levi stellt, wie auch beim Chatten, sehr direkte Fragen, über die ich immer erst eine Weile nachdenken muss.

»Hast du sein Sperma im Mund gehabt? Wie hat es geschmeckt? Wie hat sich seine Eichel an deiner Zunge angefühlt? Hat er deinen Kitzler gefunden? Hattet ihr Analsex?«

Ich glaube, er ist ein bisschen enttäuscht, dass ich seinem Vorgänger weder einen geblasen noch Analsex mit ihm gehabt habe. Trotzdem scheint ihn die Vorstellung, wie ich Sex mit einem anderen habe, anzumachen. Dabei fasst er mir immer an die Brüste, fast so, als müsse er sich davon überzeugen, dass er auch große Brüste gut findet. Die mag er sonst nämlich nicht so.

Levi ist der erste Mann, der mit mir beim Sex auch richtig kommuniziert. Er spricht ganz offen aus, was er will, und vor allem auch, was er macht. Was mich anfangs total verunsichert. Kein Wunder, wenn du mit einem noch relativ fremden Mann im Bett liegst und er auf einmal sagt: »Press deine Brüste zusammen, ich will meinen Penis dazwischenschieben. Guck mich an! Ich will dir so gern ins Gesicht spritzen und mein Sperma dann auf deinen großen Brüsten verteilen«, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt.