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Vielleicht haben manche von uns mehr Einfluss auf das, was geschieht, als sie ahnen ... Freunde sagen, ich würde immer so sonderbare Kurzgeschichten schreiben ... Diese Geschichte hat auch als Kurzgeschichte begonnen - eine etwas längere eigenartige Kurzgeschichte eben
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Seitenzahl: 140
Veröffentlichungsjahr: 2011
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Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de Herstellung E-Book: www.epub-eBooks.deCopyright: © 2010 Brigitte KrächanISBN 978-3-8442-0480-3
Für Anna
Und für Katharina,weil sie mir mit einigen guten Ideenbei dieser Geschichte half.
Danke auch an @PonyQ,weil sie das Cover-Fotoverunheimlicht hat.
1
Sie haben mir ein Notebook gebracht.
Ich sollte schreiben, haben sie mir geraten.
Es würde helfen.
Sie können ja nicht ahnen, wobei es hilft...
2
„Wer bestimmt eigentlich, was passiert?“
„Wie meinst du das?“
„Naja, wer hat bestimmt, dass es jetzt regnet? Wer hat bestimmt, dass ich heute Morgen meine Tasse umgestoßen habe?“
„Also das mit der Tasse, da hattest du doch wohl selber schuld; du hast eben nicht richtig aufgepasst.“
„Ja, aber doch nur, weil ich der schwarzen Katze zugeschaut habe, die vor unserem Fenster über die Straße gelaufen ist. Also wer bestimmt, wann eine Katze vor unserem Fenster über die Straße läuft?“
„Das war Zufall – würde ich sagen“
„Dann ist das mit dem Regen auch Zufall?“
„Nein, das hat etwas mit Hoch- und Tiefdruckgebieten zu tun. Das ist vorausschaubar.“
„Was bedeutet vorausschaubar? “
„Wenn man sich etwas genau anguckt und dann überlegt, wie es weitergehen könnte. Wenn man sich die Wolken auf der ganzen Welt anschaut, weiß man, wo es wann regnet.“
„Aber manchmal stimmt das mit dem vorausschaubar nicht. Ist das dann Zufall?“
„Eher ein Irrtum, würde ich sagen. “
„Und die Katze ? War die vorausschaubar?“
„Nein, die war Zufall.“
„Aber ich habe sie doch kommen sehen. Und ich konnte mir denken, dass sie bei uns über die Straße läuft. Ich habe es vorausgesehen – aber ich habe es nicht bestimmt. Wer hat das bestimmt, das mit der Katze?“
„Niemand. Ich denke immer noch, dass das Zufall war.“
„Aber sie ist doch von irgendwo losgelaufen. Wie die Wolken, die sind auch von irgendwo gekommen und deshalb war der Regen vorausschaubar. Wenn ich nun alle Katzen anschauen würde, die ganze Zeit, dann wäre meine schwarze Katze vorausschaubar gewesen, wie der Regen. Aber ich wüsste immer noch nicht, wer sie losgeschickt hat. Wer hat die Wolken losgeschickt? Wer bestimmt, wann es regnet?“
„Es wird Zeit. Wir müssen zum Kindergarten. Vergiss deine Regenjacke und die Gummistiefel nicht.“
Haben Sie einmal versucht, einer Fünfjährigen den Determinismus zu erklären? Oder die Prinzipien der Chaostheorie? Was würde Anna wohl zum Schmetterlingseffekt sagen?
Ich brachte Anna zum Kindergartenbus.
Und dann musste ich mich beeilen, um die S-Bahn in die City zu erreichen. Sie fuhr zwar alle 20 Minuten, aber ich durfte nicht schon wieder zu spät zum Treffen kommen. Ich konnte froh sein, dass ich diesen Job hatte. Es war sicherlich nicht genau das, was ich mir vorgestellt hatte als ich mein Studium begann, aber es kam so vieles anders, als ich damals dachte. Und ich war wenigstens noch im gleichen Fachgebiet unterwegs und konnte von zu Hause aus arbeiten, meistens wenigstens. Heute Morgen war eine Lektoratbesprechung im Verlag. Wir wollten die neuen Manuskripte auf die Lektoren verteilen. In einer Woche sollte dann entschieden werden, ob eines der Manuskripte ins Verlagsprogramm passen würde. An den Programmplanungen des Verlages wurde ich nicht beteiligt. Das machten andere. Mir wurden nur die Resultate mitgeteilt und nach welchen Kriterien ich die Manuskripte bewerten sollte. Früher hätte ich wohl kistenweise maschinengeschriebene Manuskripte mit nach Hause schleppen müssen, heute passte der Stick mit den Daten in meine Handtasche. Die Arbeit blieb die gleiche. Die Autoren dieser Manuskripte waren noch unbekannt und die meisten würden es auch bleiben. Immerhin: unser Verlag schaute sich tatsächlich noch alle Manuskripte an. Es war meine Aufgabe, sie zunächst zu überfliegen und dann zu entscheiden, ob es sich lohnte, sie näher zu betrachten. Die meisten wurden schon nach dem ersten Anschauen verworfen. Das durfte ich alleine entscheiden und sie dann, mit einer kurzen Stellungnahme den Autoren zurück senden. Auch ein Entgegenkommen das sich längst nicht mehr alle Verlage leisteten. Ich bemühte mich sogar, die Schreiben mit ein paar persönlichen Worten zu füllen. Die meisten meiner Kollegen benutzten Standartbriefe und meinten, ich sei zu weich, die Leute müssten doch eigentlich wissen, wie schlecht sie seien und dass sie es nie zu einem ernsthaften Autor bringen würden. Sie hatten recht, das meiste, das wir da oberflächlich lasen, war tatsächlich einfach schlecht und trotzdem, ich wusste, aus eigener Erfahrung, wie viel Zeit, Engagement und Hingabe oft hinter diesen Manuskripten standen. Wenigstens das wollte ich würdigen.
Manchmal war etwas dabei, das sich von der Masse abzuheben schien. Das waren die wenigen Manuskripte, die ich dann tatsächlich durchlas. Solche Manuskripte gab ich danach ohne Kommentare an einen zweiten Lektor weiter. Zusammen entscheiden wir dann, ob wir das Manuskript zur Übernahme in das Verlagsprogramm vorschlagen würden. Die endgültige Entscheidung wurde von anderen getroffen und an der eigentlich interessanten Arbeit, nämlich der redaktionellen Aufbereitung des Manuskriptes gemeinsam mit dem Autor bis hin zur Veröffentlichung war ich nicht beteiligt. Aber das war okay so, es war meine eigene Entscheidung gewesen. Die Zusammenarbeit mit den Autoren würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Zeit, die oft bis spät in den Abend reichen würde. Und diese Zeit hatte ich nicht, ich musste und ich wollte mich in erste Linie um Anna kümmern. Aber ich hatte immerhin noch den Fuß in der Tür. Wenn ich die Stelle behalten würde, täte sich vielleicht später, wenn Anna älter wäre, daraus eine verantwortungsvollere, interessantere Arbeit ergeben. So war ich froh, dass ich wenigstens in meiner Sparte arbeiten konnte.
„Und, wie war es im Kindergarten?“, fragte ich Anna, als ich sie nachmittags vom Bus abholte.
„Vielleicht bin ich das ja, der bestimmt.“
„Der was bestimmt?“
„Na, das mit der Katze. Vielleicht habe ich mir ja gewünscht, dass die schwarze Katze kommt. Vielleicht habe ich es gar nicht richtig gemerkt, dass ich es mir gewünscht habe und trotzdem ist sie gekommen. Im Kindergarten, da haben wir eine Geschichte gelesen, da ist alles passiert, was man sich wünschte.“
„Ja, Anna, aber das war eine Geschichte und nicht alle Geschichten sind wahr.“
„Aber gib zu, es könnte doch sein. Ich war es, der bestimmt hat. Ich habe es mir gewünscht und deshalb ist es passiert.“
„Also ich glaube nicht, dass alles, was du dir wünschst, auch passiert. Du hast dir doch schon so viel gewünscht und es ist nicht wahr geworden.“
„Vielleicht klappt es nicht immer. In der Geschichte im Kindergarten, da mussten die beiden Kinder immer zu einem besonderen Baum gehen, um sich etwas zu wünschen.“
„Ja und du, wohin meinst du, musst du gehen, um dir etwas zu wünschen?“
„Weiß ich nicht. Vielleicht ist es ganz etwas anderes, das macht, dass ich bestimmen kann. Und manchmal, ohne dass ich es weiß, ganz zufällig ist es da und dann klappt das mit dem Wünschen. Dann kann ich bestimmen. Du sagst dann, es wäre Zufall. Dabei war ich es, der bestimmt hat. Ich muss also nur noch herausfinden, wie es geht, mit dem Bestimmen.“
„Na dann bleib mal an der Sache dran. Aber eines darfst du jetzt schon bestimmen: Was möchtest du gerne zu Mittag essen?“
Wie viele Male überall auf der Welt ist ein solches Gespräch wohl schon geführt worden. Gibt es ein Kind, das diese Frage noch nicht gestellt hat? Die Frage nach dem Zufall und dem, der bestimmt. Und das nicht wenigstens ein Mal davon träumte, derjenige zu sein, der bestimmen darf, dessen Wünsche in Erfüllung gehen.
Wie oft hatte ich mir das selber schon gewünscht. Nicht diese kindlichen Wünsche, nicht einmal jene berühmten Wünsche, von denen man immer drei hat. Wir Erwachsenen wissen, dass Wünschen nicht hilft. Ein Zeitvertreib bei einer Flasche Wein mit Freunden: die Frage, was würdest du wünschen, wenn du drei Wünsche frei hättest.
Nein, mein Wünschen ist bescheidener: nur ein ganz klein wenig die Gabe, die Welt zu bestimmen, ein klein wenig Einfluss nehmen zu können auf den Lauf der Welt. Ein ganz klein wenig dem Zufall eine Richtung geben zu können. Das hätte mir schon genügt. Ich habe es versucht, im Kleinen, aber mit Ausdauer, Lebenswege zu beeinflussen und Richtungen zu ändern, ein bisschen wenigstens zu bestimmen. Ich weiß, es klingt vielleicht alles andere als bescheiden, das zu sagen. Aber es ist wirklich nicht anmaßend. Kennen Sie Don Quichotte? Sein Kampf gegen die Windmühlenflügel ? Wissen Sie, was ich meine? Jeder kennt Don Quichote. Jeder kennt seinen Kampf gegen Windmühlen. Aber wissen Sie auch, ob er jemals damit aufgehört hat? Wissen sie, wie die Geschichte ausging?
Nun, egal.
Ich hatte damit aufgehört. Es war kindisch, zu meinen, man könnte etwas bewirken. Und gefährlich, es zu versuchen. Besser man lebt unauffällig und lenkt nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich.
3
„Aber weshalb schreibst du? Für wen?“
fragte ich Tom, „ du musst doch etwas bewirken wollen mit deinem Schreiben. Irgendwie die Welt verändern oder wenigstens weiterbringen. Zumindest die Ansichten deiner Leser ändern. Ihnen etwas Neues erzählen. Sie dazu bringen, etwas zu tun oder etwas zu ändern. Antworten geben oder wenigsten Fragen aufwerfen. Zweifel würden auch schon genügen.“
„Ich schreibe nicht für andere. Ich schreibe für mich.“
„Dann willst du durch das Schreiben etwas über dich selbst erfahren …“
„Nein, ich schreibe Geschichten.“
„Welche Geschichten ? Erzählst du aus deinem Leben? So eine Art Tagebuch? “
„Geschichten eben, erfundene. Sie entstehen in meinem Kopf: Menschen werden da geboren, bekommen einen Namen, einen Charakter, handeln ... Ich beschreibe sie: ihr Handeln, ihre Träume, ihre Freundschaften und Abenteuer.“
„Du schreibst einfach nur deine Geschichten auf? Aber wozu? Willst Du denn nichts bewirken durch dein Schreiben? Etwas verändern oder wenigstens etwas ganz Neues schreiben? “
„Ich mag das Schreiben so, wie ich schreibe. Ich mag es, einfach so Geschichten aufzuschreiben.“
„... ich habe das auch einmal gemacht, das mit dem Schreiben. Aber es hat sich nichts geändert durch das Schreiben, obwohl ich mir wirklich Mühe gegeben habe. Ich habe dann aufgehört.“
„Warum hast du dann aufgehört?“
„Weil ich glaube, dass es nichts mehr zu schreiben gibt, was nicht schon geschrieben wurde. Hast du gewusst, dass jährlich weltweit ungefähr hunderttausend Bücher neu erscheinen und da ist das Vielfache an Manuskripten, die niemals zum Buch wurden noch nicht einmal dabei. Es gibt schon zu viele Leute, die schreiben.“
„Und trotzdem hast du mein Manuskript zurückgeschickt und dich entschuldigt, weil der Verlag es abgelehnt hatte. Und du warst es, die mich gedrängt hat, nicht aufzuhören mit dem Schreiben …“
Das stimmte.
Und ich hatte ihn kurz darauf angerufen. Es war das erste Mal, dass ich den Autor eines Manuskriptes privat angerufen hatte. Ich wollte einfach nur wissen, wer das war, der so schrieb. Er schrieb Geschichten, die sich einfach nur ereigneten, gerade so, als würde man zum Fenster hinaussehen und teilnahmslos beobachten, was da geschah. Da war keine Intention, kein erhobener Zeigefinger, kein Spannungsbogen, keine Wertung; nur eine ruhige, objektive, gelassene Beschreibung des Geschehens. Ich hatte mir damals gewünscht, jemand würde mein Leben so entspannt, so wertfrei beschreiben. Ich glaube, deshalb hatte ich ihn eigentlich angerufen; weil ich mir jemanden zum Reden wünschte, einen ruhigen, ausgeglichenen Freund, mit dem ich reden konnte und der nicht werten würde.
Ich hatte meine Entscheidungen getroffen und ich wollte nur davon erzählen. Neue Ansichten und Ideen brauchte ich keine. Es stellte sich dann bald heraus, dass die einfachen Geschichten einen ziemlich komplizierten, ausgesprochen kritischen Schöpfer hatten. Aber den Freund hatte ich trotzdem gefunden.
Warum sollte man schreiben, wenn man damit nichts bewirkt.
Die Nobelpreise für Literatur werden nicht vergeben, weil einer einfach nur schreibt.
Haben sie einmal eine Laudatio gehört? Immer stellen sie die Wirkung des Buches auf den Leser und auf die Gesellschaft in den Vordergrund. Würde ich einen Nobelpreis vergeben an einen, der einfach nur schreibt, weil er die Worte, die Sprache, die Geschichten liebt. Einen Nobelpreis für eine ganz besonders schöne Geschichte, wunderbar und spannend formuliert und sonst nichts?
Ich glaube kaum.
Und doch ließ mich dieses Gespräch nicht los.
Nichts verändern wollen, nichts bewirken wollen, nichts bestimmen wollen und trotzdem schreiben. Ich konnte mich noch daran erinnern: ich hatte das auch so gemacht, vor Jahren, nein vor Jahrzehnten und damit aufgehört, weil ich eben doch verändern wollte, ein ganz klein wenig den Zufall bestimmen und weil Schreiben, mein Schreiben, dazu nicht taugte.
Und trotzdem schreiben? Ohne diesen Anspruch, auf irgendetwas Einfluss nehmen zu müssen ? Eigentlich ein seltsamer Gedanke.
Aber eigentlich könnte ich es doch auch wieder einmal probieren …
Und dann war da diese schwarze Katze eines Abends an der Balkontür. Ein riesiges Vieh. Sie hatte ausgesehen, als käme sie direkt aus der Hölle: grüne Augen und ein tiefschwarzes Fell. Sie tauchte plötzlich auf, stand unbeweglich da und starrte mich durch das Glas der Balkontür an. Ich hatte sie dann gefüttert; mit solchen schwarzen Katzen muss man sich gut stellen, man kann ja nie wissen ... und irgendwie hatte sie mir auch gefallen. Vielleicht würde sie ja bleiben. Aber sie kam die nächsten Tage nicht wieder, war wohl auf der Durchreise. Doch ich beschloss, diese Katze zum Anlass zu nehmen, wieder mit dem Schreiben zu beginnen. Einfach so, ganz unverbindlich, nur einige Notizen über diese Katze, vielleicht würde sich ja eine Geschichte daraus ergeben. Und ich beschloss, mir ein Notizbuch zu kaufen für meine Geschichten. Ich bin altmodisch, ich schreibe nicht gerne am Computer. Beim Bearbeiten der Manuskripte sitze ich lange genug vor dem Bildschirm. Ich würde handgeschriebene Geschichten vorziehen, da war ich mir ziemlich sicher.
Wäre dies eine erfundene Geschichte, würde ich nun erzählen, dass ich dieses Notizbuch irgendwo in einen seltsamen Laden mit einem seltsamen Besitzer in einer dunklen Ecke gefunden und gekauft habe. Aber meine Geschichte ist nicht erfunden, und ich habe das Notizbuch, als eines von vielen in einem ganz gewöhnlichen Schreibwarengeschäft gekauft. Nichts besonderes, ein einfaches schwarz eingebundenes Buch mit einem chinesischen Schriftzeichen auf der Vorderseite. Es war am unauffälligsten und nicht so teuer, deshalb habe ich es gekauft. Noch nicht einmal das Schriftzeichen hatte etwas Geheimnisvolles. Auf der Innenseite des Buchdeckels war seine Bedeutung erklärt, in Englisch stand da: Simplicity.
Und auf der ersten Seite beschrieb ich meine schwarze Höllenkatze.
Und mir war schon klar: sie würde bald der Hauptdarsteller einer Horrorgeschichte werden.
„Was schreibst du da in dein schwarzes Buch? “
Anna stand bettfertig im Schlafanzug in der Tür meines Arbeitszimmers.
„Nichts Besonderes. Ich beschreibe eine Katze, die ich vor ein paar Tagen an der Balkontür gesehen habe. Vielleicht wird ja einmal eine Geschichte daraus.“
„Liest du mir das vor, was du da von der Katze geschrieben hast? Jetzt gleich? Als Gute-Nacht-Geschichte?“
„Wenn du willst. Aber es ist noch keine Geschichte, nur ein paar Sätze.“
4
„Wieso bist du denn schon auf?“
„Ich weiß nicht, ich hatte plötzlich ausgeschlafen. Schade, dass du eben nicht in der Küche warst, es hat nämlich geklappt.“
Anna kam im Schlafanzug zu mir ins Arbeitszimmer.
„Was hat geklappt?“
„Das mit dem Wünschen hat geklappt. Aber jetzt ist sie weg.“
„Wer ist weg?“
„Na die Katze. Die, von der du mir gestern Abend vorgelesen hast. Ich habe mir gewünscht, dass sie heute Morgen an der Balkontür sitzen sollte und es hat geklappt. Es war genau die gleiche Katze, riesengroß mit grünen Augen. Und ein zerfetztes Ohr hatte sie gehabt. Ich habe es mir gewünscht und sie war da. Es klappt. Manchmal können wir bestimmen.“
„Aber ich hatte dir doch erzählt, dass sie schon einmal da gewesen war, und ich sie gefüttert hatte. Vielleicht ist sie zufällig heute Morgen wieder gekommen. Bist du ganz sicher, dass sie ein zerfetztes Ohr hatte?“
„Ich habe es ganz deutlich gesehen. Sie hat ganz lange ganz still da gesessen. Einen langen Riss hatte sie im Ohr. Aber dann ist sie weggelaufen.“
„Na schön, wenn sie wieder kommt, geben wir ihr etwas zum Fressen. Lass uns jetzt erst einmal frühstücken.“
Warum auch nicht. So unwahrscheinlich war es eigentlich nicht, dass diese Katze ein zweites Mal an unserer Balkontür auftauchte, zumal ich sie beim ersten Mal gefüttert hatte. Aber das zerfetzte Ohr hatte nichts mit der ursprünglichen Katze zu tun, das hatte ich beim Schreiben hinzuerfunden. Eine blödsinnige Idee übrigens viel zu klischeehaft, um sie in einer guten Geschichte zu verwenden. Aber wieso sagte Anna jetzt, die Katze an der Balkontür hätte einen Riss im Ohr gehabt ? Andererseits: Fünfjährige unterscheiden nicht immer zwischen Realität und Phantasie. Die schwarze Katze war da und weil es die schwarze Katze war, von der ich vorgelesen hatte, musste auch das zerfetzte Ohr da sein.
„Liest du mir heute Abend wieder etwas aus dem schwarzen Buch vor? Hast du eine Geschichte über die Katze geschrieben?“
„Ich bin dabei. Aber ich glaube nicht, dass es eine Geschichte werden wird, die man Kindern vor dem Einschlafen vorlesen sollte.“
„Schade- – Aber du lässt die Katze nicht sterben! Das musst du mir versprechen!“
„Versprochen.“
„Lies mir etwas anderes aus dem Buch vor.“