Für ein Denken des Südens - Edgar Morin - E-Book

Für ein Denken des Südens E-Book

Edgar Morin

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Beschreibung

"Wir stehen vor einer Menschheitskrise, die keinen Zugang zur Menschheit findet." Nord-Süd-Konflikt, Dritte Welt, Globalisierung. Woran liegt es, dass der Norden immer reicher, der Süden immer ärmer wird? Wie können wir es schaffen, dass sich Globalisierung nicht nur einen Einfluß auf Handel und Warenverkehr, sondern auch auf das Denken hat? Wie können wir die Hegemonie des Nordens überwinden und ein Denken des Südens etablieren? Vor allem aber; was genau macht das Denken des Südens aus? Ein starkes Plädoyer für ein "echtes Heimatland Erde".

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Edgar Morin

FÜR EIN DENKEN DES SÜDENS

Aus dem Französischen von Lilian-Astrid Geese

MSeB

Inhaltsverzeichnis

Für ein Denken des Südens
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Anmerkungen
Weitere eBooks bei MSeB
Volker Braun: Zukunftsrede
Alexander Pschera: Dataismus. Kritik der anonymen Moral
Byung-Chul Han: Bitte Augen schließen
Emmanuel Carrère: Davos
Guillaume Paoli: Mao siegt
Impressum

1.

Was ist der Süden? Zuerst einmal handelt es sich um einen ziemlich unklaren Begriff. Der Süden wird offenbar in Bezug zum Norden definiert; von Europa aus gesehen, ist der Maghreb der Süden, während er gleichzeitig ein Norden für Afrika ist. In Europa gilt Italien als südeuropäisches Land, mit der Lombardei und Milano in seinem Norden. Frankreich, ein Land des Nordens, hat seinen Süden: die Provence, das Languedoc. Und São Paulo, Metropole des Südens, ist ganz vom Norden durchdrungen. Der Begriff des Südens ist also ein relativer Begriff. Deshalb ist jede Verdinglichung oder Substantialisierung des Terminus »Süden« zu vermeiden. Der Norden kann ebensowenig als geografische Entität verstanden werden. Dazu ist er zu heterogen, und wir sprechen wohlweislich bei Russland nicht von einer größeren kulturellen Verbundenheit mit dem angelsächsischen Norden als mit Südeuropa, noch tun wir dies bei Sibirien. Ebenso wenig kann er als Idealtypus nach Max Weber verstanden werden. Auch handelt es sich nicht um einen reduzierenden Begriff, der alle vom Norden ausgehenden Qualitäten vergessen ließe. In der Tat hieß, was wir heute Norden nennen, vor einigen Jahrzehnten noch Westen oder Abendland und stand im Gegensatz zum Osten, dem Orient; als Gegensatz zum Süden wurde daraus der Norden, und die Bezeichnung Dritte Welt ist gleichzeitig veraltet. Für den Süden gibt es in der Tat eine Vorherrschaft des Nordens. Diese besteht in einer technischen und wirtschaftlichen Überlegenheit des Kalküls, der Rationalisierung, der Rentabilität und Effizienz. Begriffe, die nicht von der Hand zu weisen sind, denen gegenüber sich jedoch eine bewusste, kritische Sicht des Südens zum Ausdruck bringen muss, je mehr diese Vorherrschaft ihre Dynamik dem ganzen Planeten aufzwingt. Umso mehr, da der Norden momentan den Süden verschlingt – oder wenigstens zu verschlingen versucht.

Der Süden ist selbstverständlich in sich sehr verschieden, jedoch in seiner Ganzheit der einheitlichen Sichtweise des Nordens ausgesetzt: als rückständig, unterentwickelt, dem Imperativ von Fortschritt und Modernisierung unterworfen. Diese Sichtweise verhindert die Wahrnehmung der im Süden zu findenden Qualitäten und Vorzüge, Lebensarten, Wissensformen, die es nicht nur zu bewahren, sondern auch im Norden zu verbreiten gälte. Ein umfassendes Verständnis der Qualitäten und Vorzüge des Südens erfordert das Denken des Südens. Dieses Denken ist aus dem Erfahrungswissen der verschiedenen südlichen Regionen zu erarbeiten.