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Mitte des 23. Jahrhunderts werden die von Menschen besiedelten Planeten durch eine kriegerische Alien-Zivilisation bedroht. Nach Jahren des Krieges herrscht ein brüchiger Waffenstillstand, aber den Verantwortlichen ist bewusst, dass jeder neue Waffengang mit den Fremden das Ende der freien Menschheit bedeuten würde. Zu überlegen ist der Gegner. In dieser Zeit bricht die STERNENKRIEGER, ein Raumkreuzer des Space Army Corps , unter einem neuen Captain zu gefährlichen Spezialmissionen in die Weite des fernen Weltraums auf... Alfred Bekker schrieb die fesselnden Space Operas der Serie CHRONIK DER STERNENKRIEGER. Seine Romane um DAS REICH DER ELBEN, die GORIAN-Trilogie und die DRACHENERDE-SAGA machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er schrieb für junge Leser die Fantasy-Zyklen ELBENKINDER, DIE WILDEN ORKS, ZWERGENKINDER und ELVANY sowie historische Abenteuer wie DER GEHEIMNISVOLLE MÖNCH, LEONARDOS DRACHEN, TUTENCHAMUN UND DIE FALSCHE MUMIE und andere. In seinem Kriminalroman DER TEUFEL VON MÜNSTER machte er mit dem Elbenkrieger Branagorn eine Hauptfigur seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einem höchst irdischen Mordfall. Zuletzt erschien DER BEFREIER DER HALBLINGE bei Blanvalet. INHALT Band 33 Goldenes Artefakt Band 34 Hundssterne Band 35 Ukasis Hölle Band 36 Die Exodus-Flotte
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Chronik der Sternenkrieger 33-36 Sammelband Nr.9
Galaktischer Ruf
Ein CassiopeiaPress E-Book
© 2014 by Alfred Bekker
© 2014 der Digitalausgabe by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich (Westf.)
www.AlfredBekker.de
1. digitale Auflage 2014 Zeilenwert GmbH
ISBN 9783956171659
Cover
Titel
Impressum
Band 33 Goldenes Artefakt
Band 34 Hundssterne
Band 35 Ukasis Hölle
Band 36 Die Exodus-Flotte
Übersicht über die Serie
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Mitte des 23. Jahrhunderts werden die von Menschen besiedelten Planeten durch eine kriegerische Alien-Zivilisation bedroht. Nach Jahren des Krieges herrscht ein brüchiger Waffenstillstand, aber den Verantwortlichen ist bewusst, dass jeder neue Waffengang mit den Fremden das Ende der freien Menschheit bedeuten würde. Zu überlegen ist der Gegner.
In dieser Zeit bricht die STERNENKRIEGER, ein Raumkreuzer des Space Army Corps, unter einem neuen Captain zu gefährlichen Spezialmissionen in die Weite des fernen Weltraums auf…
Alfred Bekker schrieb die fesselnden Space Operas der Serie CHRONIK DER STERNENKRIEGER. Seine Romane um DAS REICH DER ELBEN, die GORIAN-Trilogie und die DRACHENERDE-SAGA machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er schrieb für junge Leser die Fantasy-Zyklen ELBENKINDER, DIE WILDEN ORKS, ZWERGENKINDER und ELVANY sowie historische Abenteuer wie DER GEHEIMNISVOLLE MÖNCH, LEONARDOS DRACHEN, TUTENCHAMUN UND DIE FALSCHE MUMIE und andere. In seinem Kriminalroman DER TEUFEL VON MÜNSTER machte er mit dem Elbenkrieger Branagorn eine Hauptfigur seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einem höchst irdischen Mordfall. Zuletzt erschien DER BEFREIER DER HALBLINGE bei Blanvalet.
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„Wir waren lange nicht hier“, stellte Commander Steven Van Doren, der Erste Offizier des Sondereinsatzkreuzers STERNENKRIEGER II fest. Van Doren regulierte die Feinabstimmung und den Zoomfaktor an der Anzeige des Panorama-Schirms. Ein kleinerer Bildausschnitt zeigte den Blick zurück zu Wurmloch Alpha und die durch Ausbrüche fünfdimensionaler Strahlung verursachten Lichterscheinungen, die in einem völlig unvorhersehbaren Rhythmus in der Schwärze des Alls aufflackerten.
Der Blick nach vorn, in das, 50.000 Lichtjahre von der Erde und den Humanen Welten, entfernt gelegene Raumgebiet war vergleichsweise nüchtern.
Tausende von Fixsternen leuchteten vor einem tiefschwarzen Hintergrund.
Captain Rena Sunfrost, die Kommandantin der STERNENKRIEGER, schlug die Beine übereinander und berührte leicht das Amulett, das sich unter ihrer Uniformjacke ein wenig abhob.
„Bremsvorgang ist eingeleitet, Rendezvouspunkt X wird angesteuert“, meldete Lieutenant John Taranos, der Rudergänger der STERNENKRIEGER II. Der außerordentlich begabte Pilot nahm ein paar Schaltungen an einer Konsole vor. „Austrittsgeschwindigkeit 0,4023 LG.“
„Ausgezeichnet“, nickte Commander Steven Van Doren, seines Zeichens Erster Offizier der STERNENKRIEGER. „Die 5-D-Strahlen-Emission des Wurmlochs liegt im Normalbereich.“
Rena Sunfrost sah zu ihrem Ersten Offizier hinüber. „In dieser Hinsicht kann uns ja jetzt auch wohl nichts mehr passieren, oder?“
„Sie meinen wegen der Installation eines Von-Schlichten-Aggregats?“ Van Dorens Gesicht wirkte skeptisch. Auf dem Gesicht des Ersten Offiziers, das von leicht rotstichigem Haar und Bart umrahmt wurde, erschien ein Zug, der tiefe Zweifel ausdrückte. „Ehrlich gesagt, traue ich dem Ding erst, wenn es wirklich einer Belastungsprobe ausgesetzt wurde.“ Van Doren stellte durch Berührungen von ein paar Sensorpunkten auf seinem Touchscreen eine Verbindung zum Maschinentrakt her.
Das facettenäugige Gesicht von Lieutenant Simon E. Erixon erschien auf einem Nebenschirm. Der Leitende Ingenieur der STERNENKRIEGER wirkte etwas abgelenkt. Aus dem Hintergrund heraus schien ihn jemand anzusprechen, der nicht im Bild war.
„Überprüfen Sie noch mal den Beta-Verteiler, Fähnrich Gomes“, sagte er und wandte sich dann voll ins Bild. „Commander?“
„Wie sieht es mit dem Alpha-Faktor aus, L.I.?“, fragte Commander Van Doren.
„Alles in bester Ordnung. Das Von-Schlichten-Aggregat funktioniert tadellos. Ich sehe keine der Nebenwirkungen, die es in der Testphase gegeben hat. Allerdings ist das Aggregat bis jetzt auch nur mit sehr geringer Leistung gefahren worden, weil wir im Moment ja selbst bei der Wurmloch-Passage eine verhältnismäßig geringe Belastung durch 5-D-Strahlen hatten.“
„Das freut mich zu hören. Ich möchte, dass Sie bei der kleinsten Unregelmäßigkeit sofort die Brücke verständigen.“
„Natürlich, Sir.“
„Van Doren Ende.“
„Ihre Bedenken sind offenbar unbegründet, I.O.“, sagte Captain Sunfrost. Ein verhaltenes Lächeln erschien in ihrem feingeschnittenen, von sportlich kurz geschnittenem Haar umrahmten Gesicht.
Kommunikationsoffizierin Lieutenant Susan Jamalkerim meldete sich nun zu Wort. „Captain, wir bekommen die ID-Kennungen und Peilsignale mehrerer Space Army Corps Einheiten herein. Die STAR WARRIOR CARRIER Y-1, die MARIA STUART, die AMSTERDAM…“
„Wir sind die letzten“, stellte Sunfrost fest.
*
Der Rendezvouspunkt befand sich 50 AE von der Porta des Wurmlochs entfernt. Ein Schnittpunkt von drei abstrakt gezogenen Linien, die ihre Bezugspunkte durch astronomische Phänomene des Trans-Alpha-Sektors bekamen– mehr war hier nicht.
Ein Treffen im Nichts fand hier statt. Insgesamt zwanzig zum Teil große Einheiten des Space Army Corps hatten sich hier eingefunden. Admiral Thorbjörn Soldo, der als Held von Alpha Picus wohl seinen Platz in der Geschichtsschreibung sicher hatte, befehligte vom Carrier STAR WARRIOR CARRIER Y-1 aus den Verband, zu dem auch die drei Schwesterschiffe der STERNENKRIEGER gehören sollten.
Allerdings ortete Lieutenant Riggs lediglich die Sondereinsatzkreuzer AMSTERDAM und MARIA STUART.
„Die SONNENWIND unter Captain Chip Barus fehlt noch“, stellte Van Doren fest.
„Das heißt, wir sind doch nicht die letzten– obwohl wir noch einen Abstecher nach Sedna mussten, um auf die Sonderwünsche unserer kleinen Schar von erlesenen Wissenschaftlern einzugehen“, lautete der sarkastische Kommentar des Taktikoffiziers. Lieutenant Commander Robert Ukasi war in der Bordhierarchie nach dem Captain und dem Ersten Offizier die Nummer drei.
Warum dieser bittere Unterton?, fragte sich Rena Sunfrost. Ukasi war ein Mathematiker mit herausragenden Fähigkeiten. Er hatte eigentlich keinen Anlass, um sich gegenüber den Mitgliedern der Wissenschaftler-Gruppe an Bord der STERNENKRIEGER minderwertig zu fühlen. Ukasi könnte es mit manchen von denen sicherlich an Begabung aufnehmen, dachte Sunfrost. Und vielleicht denkt er jetzt darüber nach, dass er das auch besser getan und nach Sedna oder auf die Brüderschule von Sirius gegangen wäre, anstatt zum Space Army Corps…
„Captain, ich habe hier eine Signatur auf dem Ortungsschirm, die auf ein Etnord-Schiff hinweist…“, meldete Ortungsoffizier Lieutenant Wiley Riggs. Er nahm ein paar Feineinstellungen vor und aktivierte einen sogenannten IF-Peilstrahl, der speziell auf die fluoreszierende, kristalline Schicht reagierte, von der alle Etnord-Schiffe überzogen waren. „Das endgültige Ergebnis werden wir gleich haben…“
Van Doren, der sich die Ortungsdaten auf seine eigene Konsole holte, nickte langsam, als die Analyse der Orter-Daten abgeschlossen war.
Als dann auch noch das Ergebnis der IF-Peilung eintraf, gab es keinen Zweifel mehr.
„Etnord“, murmelte Steven Van Doren. „Damit war zu rechnen.“
„Es handelt sich um eine Einheit, die ursprünglich mal ein Leichter Kreuzer gewesen ist“, stellte Riggs fest. „Der einzige Unterschied dürfte die Bewaffnung sein.“
Die umgebauten Schiffe der menschlichen Taralon-Kolonisten verfügten sowohl über Strahlenwaffen, als auch über die herkömmlichen Gauss-Geschütze. Je nach taktischem Vorteil konnten die Etnord auf beide Waffensysteme zurückgreifen.
„Gibt es Anzeichen für die Anwesenheit weiterer Etnord-Einheiten, Lieutenant Riggs?“, erkundigte sich Rena.
„Nein, Ma’am.“
„Dann sollten wir uns auch nicht den Kopf darüber zerbrechen. Dass sie uns beobachten, ist nur natürlich und es wäre verwunderlich, wenn sie es nicht täten.“
„Sie wissen, dass wir den Virus haben, der sie alle zu vernichten vermag“, stellte Ukasi fest. „Also werden sie sich kaum auf eine Konfrontation einlassen.“
Wenig später meldete die Funkoffizierin Susan Jamalkerim eine Transmission von der STAR WARRIOR CARRIER Y-1.
„Schalten Sie den Kanal frei, Lieutenant Jamalkerim“, befahl Sunfrost.
„Aye, aye, Sir.“
Auf dem Bildschirm erschien das Gesicht eines ernst dreinblickenden Mannes mit dunklen Haaren und V-förmigem Kinn.
„Hier spricht Commodore Derek Bailor, Erster Offizier der STAR WARRIOR CARRIER Y-1.“
„Ich grüße Sie, Commodore“, erwiderte Sunfrost. „Die Verzögerungen bei unserer Anreise bitte ich zu entschuldigen. Aber die waren nicht von mir zu verantworten.“
„Über die Umstände, die zu den Verzögerungen führten, sind wir bereits informiert worden“, sagte Bailor.
Sunfrost horchte auf. Kommunikation durch das Wurmloch ist nur über eine Funksonde oder ein Kurierschiff möglich, durchfuhr es die Kommandantin der STERNENKRIEGER. So viel Aufwand? Da hat aber jemand von ganz oben die Prioritäten gesetzt!
„Captain, der Admiral möchte Sie und Ihre Führungsoffiziere zu einer Lagebesprechung an Bord der STAR WARRIOR CARRIER Y-1 willkommen heißen, damit die weitere Planung der Mission besprechen können.“
„In Ordnung“, bestätigte Sunfrost. Haben wir denn so viel Zeit?, fragte sie sich. Vor Beginn der Mission hatte Captain Sunfrost einen kurzen Funkkontakt zu Admiral Raimondo gehabt, dem neuen Vorsitzenden des Humanen Rates, der nun wohl endlich dort angekommen war, wo er schon seit langem hingewollt hatte– nämlich ganz die Spitze.
Dass Raimondo die Position eines Ratsvorsitzenden und letztlich den gesamten Rat als eine machtlose Pseudoregentschaft ansah, weil ihm einfach nach den Gesetzen der Humanen Welten zu wenig Machtbefugnisse gegeben waren, um eine wirklich starke Führung ausüben zu können, stand auf einem anderen Blatt.
Raimondo hatte Rena Sunfrosts Weg von Anfang an aufmerksam verfolgt. Fast wie ein Mentor. Er selbst hatte wohl auch solche Mentoren gehabt, denn sonst wäre auch sein Aufstieg wohl kaum möglich gewesen.
Dass der Admiral mit Rena Kontakt aufgenommen hatte, obwohl er im Space Army Corps schon lange gar keine operative Funktion mehr hatte und schon gar nicht ihr direkter Vorgesetzter war, fand Rena daher auch nicht weiter verwunderlich.
Bei diesem Gespräch hatte Raimondo erwähnt, dass der Geheimdienst Informationen darüber besaß, dass auch die K'aradan eine Expedition nach Trans-Alpha unternommen hatten– allerdings über Wurmloch Beta.
Die seltsamen Objekte, die in großer Zahl durch beide Wurmlöcher gekommen waren, beschäftigten die Fantasien aller. Woher waren sie gekommen? Handelte es sich um Sonden einer unbekannten Macht? Man wusste so gut wie nichts über diese leuchtenden Phantome, die wie Spiegelungen aus einem fremden Raum wirkten, so als wären sie gar nicht wirklich im Einstein-Universum materialisiert. Man hatte nichts gegen sie unternehmen können. Sie breiteten sich überall aus und drangen selbst in Sperrzonen hinein vor. Sowohl die Humanen Welten als auch Teile des K'aradan-Reichs und das Gebiet des ehemaligen Nalhsara, das jetzt zu neun Zehnteln dem K'aradan-Reich angegliedert worden war, hatte diese Invasion erdulden müssen. Und selbst vor dem Heiligen Imperium der Qriid hatten diese nicht fassbaren Irrlichter nicht Halt gemacht, bevor sie die Wurmlöcher wieder passiert hatten und im Trans-Alpha-Sektor verschwunden waren– einem Raumgebiet, das 50 000 Lichtjahre von Wurmloch Alpha entfernt auf der entgegen gesetzten Seite der Galaxis lag und von der Erde aus auf Grund der enormen Helligkeit des galaktischen Zentrums nicht einmal beobachtet werden konnte.
„Admiral Soldo erwartet Sie umgehend“, drang nun Commodore Bailors Stimme in Renas Bewusstsein.
„Vielleicht wäre es ratsam, wenn unser wissenschaftlicher Berater Bruder Guillermo sowie einige andere Spezialisten, die sich derzeit an Bord der STERNENKRIEGER befinden an dieser Unterredung teilnehmen“, meinte Sunfrost.
Aber Commodore Bailor schien da anderer Ansicht zu sein.
„Nein. Nur Offiziere. Und Bruder Guillermo ist kein Teil der Offiziershierarchie. Auch wenn er die Privilegien eines Space Army Corps Offiziers genießen mag.“
„Wie Sie meinen“, gab Sunfrost etwas kleinlaut zurück.
„Aber Ihren Schiffsarzt, den sollten Sie bitte mitbringen.“
„Ich werde den Wünschen des Admirals entsprechen“, versprach Rena.
Kurz darauf unterbrach Commodore Bailor die Verbindung. Rena wandte sich an Van Doren. „Seltsame Töne, die da angeschlagen werden“, fand sie.
„Das ist eigentlich nicht Soldos Art“, stellte der Erste Offizier fest.
„Ganz meiner Meinung, I.O. Das kommt von ganz oben.“ Sie wandte sich an Jamalkerim. „Lieutenant Mandagor übernimmt hier das Kommando. Rufen Sie ihn und sorgen Sie dafür, dass sich genug Fähnriche einfinden, um die Brücke zu besetzen.“
„Aye, Ma’am.“
„Danach finden Sie sich bitte wie alle anderen im Hangar ein. Wir wollen den Admiral schließlich nicht warten lassen.“
*
Nachdem die STERNENKRIEGER ihr Bremsmanöver abgeschlossen und sich dem Flaggschiff bis auf 20 000 Kilometer genähert hatte, ließ sich Captain Sunfrost zusammen mit den anderen Offizieren der STERNENKRIEGER mit der Fähre L-1 ausschleusen. Yakuf Bogdan war der Pilot der L-1. Er saß an der Steuerkonsole und lenkte das Shuttle auf den gewaltigen Carrier zu, der sich wie ein Gigant erhob. Anderthalb Kilometer lang war dieser y-förmige Koloss. Die STERNENKRIEGER war mit ihrer Länge von kaum hundert Metern geradezu ein Winzling dagegen und selbst die 800 m langen Dreadnought-Schlachtschiffe wirkten klein gegen dieses Ungetüm. Dabei besaß die STAR WARRIOR CARRIER Y-1 trotz ihrer enormen Größe und Ausdehnung mit ihren zwanzig schwenkbaren Gauss-Geschützen eine Feuerkraft, die gerade mal doppelt so groß war wie jene des Sonderreinsatzkreuzers STERNENKRIEGER. Aber die eigentliche Waffe von Schiffen wie der STAR WARRIOR CARRIER Y-1 waren auch nicht die Geschütze. Die dienten ausschließlich der Selbstverteidigung im Nahbereich, wenn es feindlichen Einheiten gelang, bis zum Schiff vorzudringen.
Die wichtigste Waffe eines Carriers waren seine Jäger.
329 waren es derzeit an Bord von Admiral Soldos Schiff.
Eine mächtige Streitmacht, denn jeder dieser Jäger war letztlich nur ein mit Mesonenantrieb ausgerüstetes Gauss-Geschütz, das von einem Piloten gelenkt wurde. Die extreme Beschleunigungs- und Wendefähigkeit dieser Maschinen machte es für den Gegner sehr schwer, ihre Schiffe abzuwehren.
Dr. Trent, der neue Schiffsarzt der STERNENKRIEGER, hatte auch seinen Platz in der Fähre, was einige verwunderte. Zwar war der Schiffsarzt eines Sondereinsatzkreuzers– im Regelfall ein Lieutenant– auch Offizier, aber normalerweise war es so, dass der Bordarzt abgesehen von einer Grundsausbildung wenig mitbekommen hatte, was ihn für eine Kommandofunktion im militärischen Ernstfall qualifiziert hätte.
„Auf Ihre Anwesenheit wurde ausdrücklich bestanden, Dr. Trent“, wandte sich Sunfrost während des Fluges ganz offen an den Arzt. „Haben Sie eine Erklärung dafür? Schließlich geht es in erster Linie vermutlich um operative Fragen und da…“
„…bin ich nicht gerade der Spezialist“, grinste Trent. „Sie haben Recht, das will ich gar nicht erst abstreiten. Aber in aller Unbescheidenheit kann ich feststellen, dass meine Anwesenheit dort ganz sicher nicht ohne Bedacht arrangiert wurde, Captain.“
Sunfrost hob die Augenbrauen. „Ihr Vertrauen in unsere politisch-militärische Hierarchie scheint ja nahezu unbegrenzt zu sein, Dr. Trent.“
„Na ja, ich will auch nicht übertreiben. Nehmen wir es einfach wie es ist. Jemand hält es für wichtig, dass ich gut informiert bin.“
„Heißt dieser jemand zufällig Gregor Raimondo?“
„Ich habe gehört, dass Sie ebenfalls gute Beziehungen zu dem Admiral unterhalten, Captain.“
Unterhielten, hätte Rena beinahe korrigiert, aber sie konnte sich gerade noch auf die Lippen beißen und die Äußerung verhindern. Aber es passte tatsächlich besser, wenn man diese Aussage in die Vergangenheit setzte, denn mit vielem, was Raimondo in seiner neuen Eigenschaft als Vorsitzender des Humanen Rates tat, war Rena keineswegs einverstanden. Das begann schon einmal damit, dass er sich von der Unterstützung der radikalen Humanity First Bewegung abhängig gemacht hatte. Ein gewisses Zwielicht hatte Raimondo schon immer umgeben und Rena Sunfrost war weit davon entfernt, ihn wirklich zu durchschauen.
*
An Bord der STAR WARRIOR CARRIER Y-1 wurden Sunfrost und ihre Offiziere im Hangar von Commodore Bailor abgeholt, der die Gruppe in die großzügig angelegte Offiziersmesse der STAR WARRIOR CARRIER Y-1 brachte, wo sie von Admiral Thorbjörn Soldo erwartet wurden.
Soldo– ein blonder, bärtiger Hüne mit breitem Gesicht und kräftige Statur– begrüßte die Ankömmlinge knapp.
Man setzte sich an einen Konferenztisch mit integrierten Touch Screens und Displays.
Neben Sunfrost hatten Van Doren und Taranos Platz genommen. Ukasi, Jamalkerim und Riggs nahmen die restlichen Plätze auf dieser Seite des Konferenztischs ein, während ihnen Soldo und Bailor gegenübersaßen.
„Ich habe Sie dazu veranlasst, Ihre Anweisungen und die entsprechende Daten dazu persönlich in Empfang zu nehmen, weil dies eine außerordentlich heikle Mission ist“, erklärte Soldo. „Es liegt zwar jederzeit in unserer Macht die Etnord durch den Anti-Etnord-Virus zu vernichten– aber es liegt niemandem daran, den Konflikt wieder aufleben zu lassen. Andererseits ist es aber unerlässlich, dass wir herausfinden, wo der Ursprung dieser seltsamen Sonden ist, die die Wurmlöcher passiert haben. Es ist noch nicht einmal ausgeschlossen, dass sie von den Etnord geschickt wurden, auch wenn unsere Geheimdienstspezialisten der Meinung sind, dass diese Technik über dem Niveau der Etnord liegt.“ Soldo zuckte mit den Schultern. „Meiner persönlichen Ansicht nach muss das überhaupt nichts heißen. Es gibt kaum ein Volk, das die Technik anderer so perfekt zu assimilieren vermag und da wir bislang noch nicht einmal wissen, wie weit sich der Einflussbereich der Etnord in Trans Alpha ausdehnt und welche Zivilisationen dort von ihnen unterworfen wurden, können wir dazu streng genommen auch keine Aussage machen. Aber da die Sonden zweifellos 5-Technik darstellen, könnten sie durchaus Hinterlassenschaften der Alten Götter sein, die von den Etnord genauso reaktiviert wurden wie die Wurmlöcher.“
Admiral Soldo aktivierte durch das Berühren eines Sensorpunktes auf seinem Touch Screen einen Wandbildschirm. Dort wurde eine Positionsübersicht in scheinbar dreidimensionaler Qualität eingeblendet. Die veranschaulichte Raumregion erkannte Sunfrost an der typischen Konstellation wieder.
Das Taralon-System, dachte sie. Zentrum des Etnord-Reichs in Trans-Alpha…
„Der Plan des Oberkommandos sieht folgendes vor: Wir werden eine massive Streitmacht in einem Umkreis von 100 AE um die Trans-Alpha-Porta des Wurmlochs Alpha positionieren, um den Etnord auf der einen Seite unsere Entschlossenheit zu zeigen. Auf der anderen Seite wollen wir sie nicht provozieren und entsenden deswegen nur zwei Einheiten ins Taralon-System, in der Hoffnung dort mehr über die Herkunft der Sonden zu erfahren. Das werden die beiden Sondereinsatzkreuzer SONNENWIND und STERNENKRIEGER sein. Die SONNENWIND befindet sich bereits im Anflug auf das System.“ Eine Markierung hob die gegenwärtige Position hervor.
Dann sind wir also doch die Letzten gewesen, ging es Sunfrost durch den Kopf, während Soldo fortfuhr: „…und Sie werden sich in ein bis zwei Tagen dorthin begeben.“
„Ist das ganze diplomatisch flankiert?“, fragte Rena.
„Durchaus. In zahlreichen Funktransmissionen haben wir den Etnord versichert, dass wir nicht auf ihre Vernichtung aus sind und uns nur die Herkunft der mysteriösen Sonden interessiert.“
„Wie war die Reaktion?“, fragte Sunfrost.
„Genau das ist das Problem, Captain Sunfrost.“ Soldo hob seine Augenbrauen, was kaum zu sehen war, da sie so hell waren, dass sie sich fast gar nicht von der Hautfarbe abhoben. „Es gab keine Reaktion. Wir wissen aber durch unsere Analyse des Funkverkehrs, wie nervös die andere Seite ist. Auch wenn viele Funksprüche verschlüsselt sind und die Codes von unserer Seite aus auch gar nicht so schnell geknackt werden können, gibt alleine schon die Verteilung und die Häufigkeit der Kommunikation einen Aufschluss darüber, was die Rückkehr des Space Army Corps nach Trans Alpha ausgelöst hat!“
Soldo aktivierte ein paar schematische Übersichten, die die aufgezeichneten Kommunikationsströme innerhalb des Taralon-Systems veranschaulichten.
„Ich habe Sie doch richtig verstanden, Sir“, meldete sich nun überraschenderweise Dr. Trent zu Wort. „Die Vernichtung der Etnord ist doch nach wie vor eine Option, die nicht ausgeschlossen ist!“
Soldos Gesicht veränderte sich und wurde starr, während er Trent ansah.
Weiß Trent mehr?, fragte sich Sunfrost. Hat man ihn an höherer Stelle mit einer weitergehenden Order gebrieft? Langsam begann sich Sunfrost zu fragen, welches Ei man ihr da ins Nest gelegt hatte. Zusammen mit dem äußerst merkwürdigen Umstand, dass Trent ein Renommee als Wissenschaftler hatte, das ihn eigentlich für die Funktion eines Schiffsarztes an Bord eines Sondereinsatzkreuzers völlig überqualifiziert erscheinen ließ, ergab das alles ein sehr eigenartiges Bild. Hat man ihn mit einer speziellen Order an Bord geschickt, von der ich nichts weiß?
Sunfrost gefiel der Gedanke nicht.
Soldo musterte Trent einen Augenblick.
„Sie haben vollkommen Recht, Trent. Die Vernichtung der Etnord bleibt militärisch eine Option. Die letzte Option.“ Der Admiral aktivierte eine weitere Darstellung.
In diesem Augenblick meldete sich der Kommunikator des Admirals mit einem Summton. Man konnte verschiedene Tonsignale einstellen– und dies war das Signal für höchste Priorität.
Soldo nahm das Gespräch entgegen.
„Hier ist der Admiral. Was gibt es?“
Auf dem Mini-Display des Gerätes meldete sich Commodore Ashra Nasangataram, die auf der STAR WARRIOR CARRIER Y-1 die Funktion eines Zweiten Offiziers ausfüllte und derzeit offenbar das Brückenkommando hatte.
„Admiral, soeben sind die 25 Etnord-Schiffe aus dem Zwischenraum materialisiert, deren Ankunft wir bereits über Sandström-Sonden geortet hatten.“
„Danke, Commodore“, sagte Soldo. „Ich bin gleich auf der Brücke.“ Dann unterbrach er die Verbindung und wandte sich an Sunfrost. „Scheint so, als würde es jetzt ernst.“
„Wäre es nicht besser, wenn wir sofort ins Taralon-System aufbrechen würden?“, fragte Rena.
„Das könnte genau der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt. In ein paar Tagen hat sich vielleicht alles beruhigt und den Etnord ist klar geworden, dass wir keinen Krieg wollen. Bailor?“
„Ja, Sir?“, meldete sich der Erste Offizier der STAR WARRIOR CARRIER Y-1 und nahm dabei selbst im Sitzen unwillkürlich Haltung an.
„Übergeben Sie Captain Sunfrost noch den vorbereiteten Datenträger.“
„Aye, aye, Admiral.“
„Sie mögen sich darüber wundern, dass wir Ihnen die Einsatzdaten auf diesem Weg zukommen lassen, aber wir sind uns nicht sicher, welche Möglichkeiten der Spionage die andere Seite hat– insbesondere, was die Fähigkeit angeht, unsere Schiff–zu Schiff-Kommunikation zu entschlüsseln. Captain Barus hat eine Kopie dieses Datensatzes. Aber es wird davon nichts von Schiff zu Schiff übertragen. Unter keinen Umständen.“
„Ich habe verstanden, Sir“, versicherte Sunfrost.
*
Captain Chip Barus erwachte durch den Summton des Interkom. Der Kommandant des Sondereinsatzkreuzers SONNENWIND öffnete die Augen und es brauchte drei weitere Summtöne, ehe er sich daran erinnerte, wo er sich befand.
Barus nahm das Gespräch über seinen Armbandkommunikator entgegen.
„Hier spricht der Captain. Was gibt es?“
Auf dem Mini-Display tauchte das Gesicht seiner Ersten Offizierin Reena McKee auf.
„Captain, wir orten zahlreiche dieser mysteriösen Sonden“, erklärte sie.“
„Ich bin gleich bei Ihnen“, versprach Barus.
Er gähnte. Seit 24 Stunden befand sich die SONNENWIND am Rand des Taralon-Systems, das einst das Zentrum der menschlichen Siedlungen im Trans-Alpha-Sektor gewesen war, bevor die Etnord gekommen waren und die Siedler durch Implantierung ihrer faustgroßen Parasitenkörper nach und nach unterwandert hatten. Als sich Wurmloch Alpha 2341 plötzlich zu schließen drohte, ohne dass es dafür einen für die menschliche Wissenschaft einleuchtenden Grund gegeben hatte, hatten dennoch die meisten der Taralon-Siedler es vorgezogen, fünfzigtausend Lichtjahre von der Erde entfernt eine vom Rest der Menschheit unabhängige Existenz zu führen. Acht Jahre brauchte selbst ein überlichtschneller Sandström-Funkspruch für diese Distanz– und manche der in der Frühzeit von dort abgesetzten Nachrichten hatten die Menschheit wie Geisterbotschaften aus der Vergangenheit schließlich sogar erreicht.
Aber in der Praxis hatte man davon ausgehen müssen, dass der Kontakt völlig abbrach– was dann auch geschehen war.
Barus hatte oft darüber nachgedacht. Die Menschen von Taralon hatten den Mut gehabt eine völlig eigenständige Zivilisation zu gründen, die zwar anfangs auf den gesellschaftlichen und technischen Standards der Humanen Welten aufgebaut hätte, sich später aber zwangsläufig anders entwickelt hätte.
Doch der Mut der Siedler war ihnen letztlich zum Verhängnis geworden.
Wie hätten sie– die damals einen Raum von maximal dreißig Lichtjahren um die Trans-Alpha-Porta herum erforscht hatten– auch ahnen können, welche Bedrohung aus den Tiefen des für sie völlig unbekannten Raumes da auf sie gewartet hatte.
Die Etnord…
Eine Spezies von Parasiten, die nicht nur die Körper, sondern auch die Technologie und die Kultur ihrer jeweiligen Wirte vereinnahmten, sie sich zu Eigen machten und alles heraussaugten, was ihnen in irgendeiner Form von nutzen sein konnte.
Ein uraltes Hilfsvolk der legendären Alten Götter, die vor einer Million Jahren die Galaxis mit ihrer ungeheuer überlegenen Technologie beherrscht hatten– geschaffen, um zu kämpfen und zu vernichten.
Dass sie die Technologie ihrer Schöpfer nur sehr unzureichend beherrschten und mit den Hinterlassenschaften der Alten Götter ähnlich unbeholfen herumspielten, wie es ein Neandertaler vielleicht mit der Steuerkonsole eines Raumschiffs getan hätte.
Es konnte für die Menschheit nur ein Trost sein, dass die Etnord in ihrem Verständnis des uralten Wissens der Alten Götter keinen größeren Vorsprung besaßen.
Barus zog sich die Stiefel seiner Uniform an und war wenig später auf dem Weg zur Brücke.
Den Weg nutzte er, um sich beim Leitenden Ingenieur Lieutenant Brass von Gerling nach dem fehlerfreien Funktionieren des Von-Schlichten-Aggregats zu erkundigen.
Bisher gab es nur minimale Schwierigkeiten, aber da der Probelauf dieser Aggregate sehr problematisch verlaufen war, stieß der Einbau der Geräte zunächst bei fast allen betroffenen Kommandanten auf große Skepsis.
Zunächst waren nur die vier Sondereinsatzkreuzer des Space Army Corps damit ausgerüstet worden, aber es war auch geplant, mittelfristig den Rest der Space Army Corps Schiffe auf diese Weise vor der schädlichen Wirkung zu schützen, die Resonanzwellen fünfdimensionaler Impulse auf die Raumtechnik haben konnten.
Und so lange man dem Erbe der Alten Götter auf der Spur war, würde man es wohl immer wieder mit derartigen Phänomenen zu tun haben.
Darüber hinaus schützte das Von-Schlichten-Aggregat auch vor den 5-D-Strahlungsausbrüchen, die im Zusammenhang mit Wurmlöchern immer wieder auftraten.
„Alles in Ordnung“, bestätigte von Gerling.
„Da bin ich ja beruhigt, L.I.“
„Bei den bisher aufgetretenen 5-D-Schwankungen hat das Aggregat einen Neutralisierungsgrad von fast 98 Prozent erreicht. Es handelte sich dabei zwar nicht um die Signalformen, dir wir bisher als gefährlich eingestuft hatten, aber es gibt keinen Grund anzunehmen, weshalb es dann nicht auch funktionieren sollte.“
Barus beendete das Gespräch und ereichte wenig später die Brücke.
Commander McKee nahm Haltung an.
„Achtung! Captain auf der Brücke.“
„Mache Sie weiter, McKee“, sagte Barus.
„Ja, Sir.“
Auf dem Hauptschirm war eine Positionsübersicht zu sehen. Die SONNENWIND befand sich mit einem Abstand von fast 90 AE in einem noch sehr großen Abstand zum inneren Teil des Systems, wo sich die Planten befanden– insbesondere Taralon III, das von einem golden schimmernden Kubus von gigantischen Ausmaßen umkreist wurde. Dieser Kubus war der Ausgangspunkt der 5-D-Signale gewesen, die das Von-Schlichten-Aggregat bisher so erfolgreich neutralisiert hatte. Es handelte sich um eine riesige Steuerzentrale der Alten Götter. Eine Raumstation, die von den Etnord ins Orbit von Taralon III geschleppt worden war. Von dort war die teilweise sehr ungeschickte Manipulation der Wurmlöcher ausgegangen. Aber seit Ende des Etnord-Krieges konnte dieser Kubus von keinem Etnord mehr betreten werden, da das Artefakt seitdem mit dem Anti-Etnord-Virus verseucht war.
Es musste für die Führung der Etnord frustrierend sein, diese gewaltige Hinterlassenschaft der Alten Götter mit ihren unerschöpflichen und nach wie vor wahrscheinlich intakten Datenspeichern in einer Entfernung von nicht einmal 400 000 Kilometern zur eigenen Hauptwelt zu wissen und diese Station nicht betreten zu können– geschweige denn, dass es möglich gewesen wäre, sich weitere Teile des Wissens anzueignen.
Auf der Positionsübersicht wurde auch angezeigt, wie sich die Flottenverbände der Etnord derzeit verteilten. Sie konzentrierten sich im Orbitalbereich von Taralon III, aber seitdem die SONNENWIND am Rand des Systems aus dem Sandström-Raum getaucht war, hatten mindestens ein Dutzend Etnord-Schiffe einen Abfangkurs eingeschlagen. Sämtliche Versuche einer Kontaktaufnahme waren bisher fehlgeschlagen. Die andere Seite antwortete einfach nicht, während zur gleichen Zeit die Funkaktivität innerhalb des näheren, von den Etnord beherrschten Raums um ein Vielfaches angestiegen war.
Insgesamt sechzehn der geheimnisvollen Lichtsonden waren auf der Übersicht verzeichnet. Sie waren die Objekte, die sich mit Abstand am schnellsten bewegten. Und sie alle schienen ein Ziel zu haben…
Den Kubus, erkannte Barus.
„Keine einzige dieser Sonde konnten wir seid unserer Passage durch Wurmloch Alpha bisher orten“, stellte McKee fest, eine Frau mit einem dichten, roten Haarschopf, den sie zu einem Zopf gebunden hatte. „Jetzt tauchen plötzlich so viele auf einmal auf– das kann kein Zufall sein.“
„Es könnte sein, dass diese Sonden gerufen wurden“, mischte sich Ortungsoffizier Lieutenant James Teluvion ein. „Das Auftauchen der Sonden korreliert jedenfalls mit der bisher heftigsten 5-D-Schwankung, die von unserem Ortungssystem an Bord des Kubus lokalisiert wurde.“
„Halten Sie es für möglich, dass sich jemand an Bord dieser Gigant-Station befindet?“, erkundigte sich Barus.
Teluvion zuckte mit den Schultern. „Schwer zu sagen. Wenn, dann ist es sicher kein Etnord. Aber was die Artefakte der Alten Götter angeht, wurden die in der Vergangenheit ja durchaus auch ganz von allein aktiv…“
„Klopfen Sie die Daten in jeder nur erdenklichen Hinsicht ab, Mister Teluvion.“
„Aye, Aye, Captain.“
„Und seien Sie dabei unvoreingenommen. Ich will nicht hoffen, dass die Etnord ein Gegenmittel zur Bekämpfung des Virus gefunden haben und es ihnen vielleicht doch wieder möglich ist, die Station zu betreten– aber können wir das deshalb vollkommen ausschließen?“
*
Der Herr stand vor der großen Bildwand in einer der Hallen seiner Residenz. Er war schlank und trug einen sehr eng anliegenden Overall in dunkelblauer Farbe. Eine ID-Kennung war in den Hinterkopf implantiert. Es durfte niemals einen Zweifel daran geben, wer er war.
Herr lautete die schlichte Bezeichnung, mit der ihn alle Etnord, die unter seiner Herrschaft standen, anredeten, sofern ihre Wirtskörper ein Anreden überhaupt möglich machten. Angehörige zahlloser Rassen waren von den Etnord unterworfen worden. Normalerweise übernahmen Etnord die Individualbezeichnungen ihrer Wirte.
Das hatte rein praktische Gründe. Die Namen, die sich die primitiven Lebensformen selbst gegeben hatten, entsprachen zumeist auch ihrem Artikulationsvermögen und das machte die interpersonale Informationstransmission– die menschlichen Wirte hätten das vielleicht ein Gespräch genannt– einfach leichter.
Aber der Herr war in dieser Hinsicht eine Ausnahme.
Das hatte bei den Etnord eigentlich nur praktische Gründe. Wozu einen weiteren Namen, wenn ohnehin klar war, dass es nur einen Herrn gab.
Wer herrschte, konnte seinen Namen ablegen, sofern er je einen besessen hatte. Und wer eigens zu dem Zweck implantiert worden war, um zu herrschen, brauchte sich gar nicht erst eine Individualbezeichnung zu geben.
Manche Etnord sagten sogar, dass es für einen Herrscher einem schlechten Omen gleichkäme, seinen Namen zu behalten. Schließlich konnte man das auch als ein Zeichen für mangelnden Optimismus verstehen, denn ein Herrscher, der seinen Namen behielt, deutete ja damit auch an, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür bestand, dass es zu seinen Lebzeiten noch einen anderen Herrschern gab.
Auch um diesen fatalen Eindruck zu vermeiden verzichtete der Herr auf das Tragen einer zusätzlichen Individualbezeichnung.
Der Kopf des Herrn war völlig haarlos. Die Implantierung des Etnord hatte bei zahlreichen Spezies gewisse äußerlich sichtbare Nebenwirkungen. Bei den Menschen gehörte der Verlust jeglicher Behaarung dazu. Sie tat nicht sofort nach der Implantierung ein, sondern zumeist erst nach einiger Zeit. Bis zu sechs Wochen konnten vergehen, ehe dieser Effekt einsetze.
Der Mensch, in dessen Körper man den Herrn implantiert hatte, hatte ohnehin nur einen unvollständigen Haarkranz und– gemäß den Eigenarten seines Geschlechts– etwas Haarwuchs um den Mund herum aufzuweisen gehabt. Dem Etnord war Haarwuchs ohnehin zuwider und er bedauerte jeden seiner Artgenossen, der das Pech hatte, in den Körper einer behaarten Spezies implantiert worden zu sein.
Was die Menschen anging, ließ sich das ertragen.
Und abgesehen davon war die unhygienische Fluserei nach ein paar Wochen ja auch ohnehin vorbei.
Beim Herrn der Etnord gab es da nur eine einzige Ausnahme und die brachte ihn manchmal zur Weißglut. Vor allem dann, wenn er ohnehin schlechter Stimmung war. Die Haare in seiner Nase waren geblieben und wuchsen auch stets kräftig nach, wenn er sie stutzte. Manchmal kitzelten sie und brachten ihn zum Niesen.
Abgesehen davon war er allerdings mit seinem Menschenkörper ganz zufrieden.
Die Schuppenhaut der sauroiden Fulirr war viel empfindlicher, ließ sich schwerer reinigen und war dadurch extrem anfällig für allerlei Mikroben, die sich in den kleinen Ritzen zwischen den Schuppen festsetzen. Außerdem musste immer ein ganz genau bestimmter Feuchtigkeitsfilm aufrechterhalten bleiben, was die Sache noch etwas komplizierter machte. Nein, er konnte insgesamt schon ganz zufrieden sein mit dem Körper, in den er implantiert worden war.
Der Herr machte einen Schritt auf die große Bildwand zu.
Mittels einer kleinen Fernbedienung, die sich an einem unscheinbaren Ring an der linken Hand befand, veränderte er den Bildausschnitt.
Eine der Ganglien, die von dem faustgroßen Etnord-Implantat in seiner Brust bis in die äußersten Enden der alles in allem doch recht effektiv angeordneten Extremitäten reichten, hatte der Herr mit der Fernbedienung verbunden, sodass er sie direkt mit den neuronalen Strömen seines Etnord-Hirns bedienen konnte.
Er zoomte ein Objekt heran, das wie ein Mond am Himmel von Taralon III stand. Nur hatte es eine ganz andere Form. Es war ein Kubus.
Der Kubus stand in der Nacht wie ein großes Licht am Himmel– deutlich größer als die nächsten Sterne des Sektors, den die Menschen Trans-Alpha nannten. Aus den Basis-Erinnerungen, die der Herr von seinem Wirt nach der Implantierung übernommen hatte, bevor die Wirtspersönlichkeit schließlich restlos aufgelöst wurde, kannte der Etnord-Herrscher den Anblick des Erdmonds. Es war einfach ein einprägsames Bild aus den Erinnerungen seines Wirts, die diesen offenbar in früher Jugend geprägt hatten. Menschen verbanden mit dem Anblick des Trabanten ihrer Heimatwelt so etwas wie eine gewisse irrationale Romantik. Und zwar selbst dann, wenn sie diesen Erdmond gar nicht aus eigener Anschauung kannten, weil sie irgendwo sonst im Kosmos geboren worden waren. Aber die Unterhaltungsmedien der Menschen nahmen immer wieder auf diesen Mondmythos Bezug, der in der Entwicklung dieser Spezies offenbar eine sehr tiefgehende Bedeutung gespielt hatte.
Dem Herrn waren derartige sentimentale Regungen völlig fremd. Er konnte sie nur mit einer Mischung aus Befremden und erstauntem Interesse zur Kenntnis nehmen.
Es gibt nichts, was so absonderlich ist, dass man es nicht als Ausgangspunkt eines Lernprozesses begreifen könnte, fiel ihm ein Axiom der uralten Etnord-Überlieferungen ein, die seit Urzeiten tradiert wurden und deren Ursprünge vielleicht auch in jenes dunkle Zeitalter zurückreichten, in denen die Erhabenen noch das Universum bevölkert hatten.
Der Herr zoomte den Kubus so nahe heran, wie es sein System zuließ. Die Bilder stammten von mehreren Satelliten, die Taralon III in einem Orbit umkreisten, das exakt mit der Umlaufbahn des Kubus synchronisiert war.
Außerdem befanden sich ständig mindestens ein Dutzend der mit einer kristallinen Fluoreszenz-Schicht überzogenen Etnord-Raumschiffe in der Nähe dieses gewaltigen Artefakts, das den Etnord einst in die Hände gefallen war.
Der Herr hatte es hier her gebracht, um es in der Nähe des Macht-Zentrums zu haben.
Die Gedanken rasten nur so durch die Windungen seines Etnord-Hirns, das selbstverständlich den Hauptteil des faustgroßen Etnord-Implantats in seiner Brust ausmachte. Das ziemlich ungeschützt im Kopf befindliche Menschenhirn, dessen exponierte Lage für den Wirt sicher sehr problematisch gewesen war, weil es den Träger anfällig für gewalttätige Angriffe aller Art machte, diente nur als Nebenspeicher und zur Koordination von Bewegungen und Reflexen.
Ich werde eine Reihe von Entscheidungen treffen müssen, stellte der Herr fest. Das Auftauchen des Menschen-Schiffs hier in unserem System hat es offenbar werden lassen… Und ganz gleich, wie die Entscheidungen ausfallen werden, so werden die Konsequenzen für unser Volk furchtbar sein…
Der Herr fand, dass es in der gegenwärtigen Lage das Beste war, auf Zeit zu spielen. Mit einem Gedanken aktivierte er über seine Ring-Fernbedienung den Abspielmodus für die bisher in der Residenz der Etnord eingegangenen Transmissionen der Menschen.
Die erste stammte von dem blonden Admiral namens Soldo, der den Oberbefehl über die Verbände der Humanen Welten in Trans Alpha zu führen schien. Soldo versicherte in dieser über Sandström-Funk abgestrahlten Botschaft den Friedenswillen der Humanen Welten und kündigte gleichzeitig an, dass eigene Schiffe den Kubus anfliegen würden.
Der Herr hatte diese Nachricht ebenso wenig beantwortet wie die späteren, die von Captain Barus, dem Kommandanten des Sondereinsatzkreuzers SONNENWIND abgesetzt worden waren, der sich momentan noch etwa 37 AE vom Kubus entfernt befand.
Unser Vorteil ist, dass wir so vieles über euch wissen. Über eure Körper, eure Kultur und eure kollektiven Erinnerungen. Und nicht zuletzt auch über eure Technik.
Und doch hatten die Menschen und ihre Verbündeten einen zumindest vorläufigen Sieg gegen die Etnord davongetragen, obgleich der Herr Pläne hatte, die zu revidieren.
Ein Signal ertönte.
„Der Berater ist hier“, sagte eine Stimme, die ein Mensch als angenehm moduliert empfunden hätte. Der Herr ertappte sich dabei, dass er diese Ansicht inzwischen teilte.
„Soll hereinkommen“, erwiderte er. „Und was ist mit Commodore Mizuko?“
„Sein Shuttle befindet sich im Landeanflug.“
„Dann soll er sich so schnell wie möglich hier her bewegen.“
„Jawohl.“
Schritte ließen den Herrn sich herum wenden.
Ein Sauroide mit blauer Tunika betrat die Halle. Er war mit etwa einem Meter sechzig etwas kleiner als ein durchschnittlicher männlicher Mensch.
Der Sauroide blieb etwa vier Meter vor dem Herrn stehen und führte einen Gruß nach Art seiner Wirts-Spezies durch, indem er seine vierfingrige rechte Faust an die linke Schulter schlug.
„Seid gegrüßt, Herr“, sagte er im Idiom der Fulirr. Ein Translator übersetze seine Worte.
„Guten Tag, Berater Tambashorrr“, erwiderte der Herr.
Tambashorrr war einer der zahlreichen Etnord mit Fulirr-Wirtskörpern, die es seit der Zerschlagung des Nalhsara durch die Etnord-Invasoren gab. Nach der Rückeroberung des Fulirr-Territoriums durch die Anti-Etnord-Koalition waren die Etnord-Fulirr über Wurmloch Beta in großer Zahl nach Trans-Alpha geflohen.
Ein Teil von ihnen siedelte im Taralon-System. Die meisten hatten sich allerdings auf Planeten in der unmittelbaren Umgebung niedergelassen, auf denen die Siedlungsdichte weniger groß war.
Für die Flotte der Etnord bildeten die Beute-Schiffe der Fulirr eine wichtige Unterstützung, zumal sie mit Antimateriewaffen ausgestattet waren und daher eine wichtige strategische Variante darstellten.
Tambashorrr war zu einem der wichtigsten Berater des Herrn in Sicherheitsfragen geworden.
Die zweite Person, auf die der Herr so dringend wartete war Commodore Mizuko, ein hoher Offizier der Flotte. Mizuko war ein Menschen-Etnord, dessen Wirt ein ehemaliger Space Army Corps Offizier war, der es 2241 vorgezogen hatte, zusammen mit der Mehrheit der menschlichen Siedler im Trans-Alpha-Sektor zu bleiben. Die unter den menschlichen Wirten unüblichen Rangstufen waren auch unter sogenannten Neuen Ordnung, die die Etnord seinerzeit auf den Taralon-Welten errichtet hatten, beibehalten worden.
„Was sollen wir tun?“, fragte der Herr an Tambashorrr gerichtet. „Unsere Freunde haben uns in der Hand. Sie können uns nach Belieben unter Druck setzen und wir können nichts dagegen tun.“
„Um so vorsichtiger müssen wir reagieren“, riet Tambashorrr.
„Das ist leichter gesagt, als getan. Denn wenn wir den Willen unserer Freunde erfüllen, werden uns die Menschen ausrotten wie Ungeziefer!“ Die blasse Gesichtsfärbung des Herrn veränderte sich etwas. Sie wurde dunkelrot. Am Hals rankte eine der Ganglien empor und tauchte im Nacken in die Tiefe, um eine Verbindung mit dem Gehirn herzustellen. Dabei kreuzte diese Ganglie die angeschwollene Schlagader. „Die Menschen kennen die Sage von den Ungeheuern Skylla und Charybdis, die unsere Situation ganz gut veranschaulicht.“
„Wir sollten auf den Faktor Zeit setzen.“
„Und weiter jeden Kontakt verweigern?“
„Das vielleicht nicht. Aber wir müssen Zeit gewinnen…“
In diesem Moment meldete der Lautsprecher das Eintreffen von Commodore Mizuko.
Der Flottenoffizier nahm Haltung an, nachdem er in den Raum getreten war. Eine Sitte, deren Sinn ich bis heute nicht begriffen habe!, dachte der Herr. Aber die Flottenangehörigen hatten sie verinnerlicht und sie widersprach in keiner Weise dem System der Neuen Ordnung, das unter der Herrschaft des Herrn etabliert worden war. Also, so fand der Herrscher Taralons, gab es keinen Grund sich dagegen zu wenden.
„Ich bitte meine Verspätung zu entschuldigen“, sagte Commodore Mizuko.
„Sie haben gewiss gute Gründe dafür“, erwiderte der Herr. „Wissen Sie schon, wann die nächsten Schiffe hier im Taralon-System auftauchen werden?“
„Bislang ist kein weiteres jener Schiffe, die das Wurmloch passiert haben in den Zwischenraum eingetaucht“, gab Mizuko zu bedenken. „Ich habe gerade noch– vor wenigen Minuten Kontakt mit einem unserer Späher-Schiffe gehabt, die wir im Bereich um die Porta zurückgelassen haben.“
Der Herr runzelte die Stirn.
Menschen-Etnord besaßen keine Augenbrauen, da ihnen ja sämtliche Haare ausfielen. Viele von ihnen trugen stattdessen Tätowierungen– so auch Commodore Mizuko. Jetzt bildeten diese ansonsten unnatürlich gerade gezogenen wellenförmige Linien und in der Mitte der Stirn zog sich vertikal eine tiefe Furche vom Haaransatz bis zur Nasenwurzel. „Welche Schande, dass wir so in die Hand anderer geraten sind“, stieß er hervor.
Der Herr horchte auf. War das vielleicht ein Warnzeichen, auf das er besser achten sollte? Ein versteckter Hinweis auf einen drohenden Autoritätsverfall?
Die sogenannte Neue Ordnung sah eigentlich nicht vor, dass der Herrscher gewechselt wurde, solange er nicht eindeutig hinfällig oder seinen Aufgaben nicht mehr gewachsen war.
Aber genau darauf könnte die Argumentation möglicher Gegner hinauslaufen!, erkannte der Herr. Er musste auf der Hut sein. Welch Universum– erfüllt von Feinden - äußeren und inneren!
*
Mehrere Tage lang geschah kaum etwa in der erweiterten Porta-Region. Es trafen noch ein paar weitere Einheiten zur Verstärkung ein, darunter auch das Dreadnought-Schlachtschiff Nelson unter Commodore Noel Sakur sowie der Leichte Kreuzer ALDEBARAN, der von einem guten Bekannten kommandiert wurde. Commander David Kronstein, der vor ein paar Jahren noch Kommunikations- und Ortungsoffizier auf der STERNENKRIEGER I gewesen war, fungierte als Captain.
Rena Sunfrost erinnerte sich sehr gut an die gemeinsame Zeit. Allerdings war sie sehr froh darüber, dass er nicht mehr an Bord ihres Schiffes Dienst tat. Sie hatte sich damals richtig ein wenig in Kronstein verliebt.
Gut zwei Jahre war das her…
Rena erschien das beinahe wie eine Ewigkeit.
Sie verbrachte die nächsten Tage vor allem damit, sich das Material auf dem Datenträger mit den taktischen Geheimdaten eingehend anzusehen. Dazu besprach sie sich mit den Offizieren, allen voran Van Doren, Ukasi und Taranos.
„Ma’am, gestatten Sie mir ein offenes Wort“, sagte Taranos im Anschluss an eine dieser in dem an den Captain’s Room angrenzenden Konferenzraum abgehaltenen Sitzungen.
Sunfrost zuckte mit den Schultern. „Ich bitte darum!“
„Mir gefällt Soldos Order nicht, nach der wir hier tatenlos ausharren müssen, während sich die SONNENWIND bereits am Ort des Geschehens befindet!“
„Das gefällt mir auch nicht, Lieutenant Taranos. Aber ich kann verstehen, weshalb er so handelt. Es mag sein, dass unsere Seite den Etnord durch den Anti- Etnord-Virus überlegen ist– aber faktisch können wir uns einen Krieg ebenso wenig leisten. Das Space Army Corps– und eigentlich auch die gesamten Humanen Welten sind in der Schlussphase des Etnord-Krieges am Rande des Ruins gewesen.“
„Ich hoffe, dass wir bald aufbrechen.“
„Das liegt nicht in unserer Hand, Lieutenant.“
„Das ist mir bewusst, Captain.“
*
Die an Bord der STERNENKRIEGER befindlichen Wissenschaftler nutzten diese Zeit so produktiv wie möglich. Der Kryptologe und Linguist Yngvar MacKenzie hielt sich zusammen mit Professor Yasuhiro von Schlichten und Bruder Guillermo vorzugsweise im Kontrollraum C des Maschinentrakts auf. MacKenzie versuchte dabei, auf die gespeicherten Daten der Wurzelbücher Zugriff zu nehmen und mit der langwierigen Analyse des virtuellen Materials fortzufahren, dass die STERNENKRIEGER vom Planeten der Wyyryy mitgenommen hatte.
Die Bibliothek der Alten Götter hatte man dort gefunden– oder glaubte es zumindest. Aber die Entschlüsselung der Daten hatte sich bisher als äußerst zäh erwiesen. Nur Bruchstücke waren lesbar gemacht worden und es schien wohl so bald nicht den einfachen Königsweg zu geben, um an das Wissen der Alten Götter heranzukommen.
Die Wissenschaftler bekamen Unterstützung von Dr. Ash Trent und hin und wieder ließ sich auch Professor Miles Rollins sehen.
Trent war Spezialist für die Informationsspeicherung durch biologische Systeme. Dafür hatte er sogar in verhältnismäßig jungen Jahren einen Nobelpreis bekommen.
Ein Preis, der ihn bei Kollegen wie Yasuhiro von Schlichten und anderen Besatzungsmitgliedern nicht unbedingt beliebter machte.
Dr. Rollins beäugte Trent durchaus mit Misstrauen. Der ehemalige Schiffsarzt der STERNENKRIEGER hatte natürlich auch deswegen ein leicht unterkühltes Verhältnis zu Trent, weil er irgendwie wohl nicht verwinden konnte, wie leicht anscheinend Dr. Nikolaidev hatte ersetzt werden können. Simone Nikolaidev hatte Rollins immer als eine Ziehtochter angesehen. Zumindest im übertragenen Sinn. Rollins war es schließlich gewesen, der Nikolaidev massiv darin bestärkt hatte, Medizin zu studieren– damals, Ende der dreißiger Jahre, als Rollins noch als Schiffarzt diente und Nikolaidev als Krankenschwester.
Eine gute Krankenschwester– kein Zweifel.
Aber Rollins hatte von Anfang an das Potenzial gespürt, das da noch mehr in der jungen Frau schlummerte.
Und er hatte Recht behalten.
Rollins hatte die STERNENKRIEGER I für seine Berufung auf die Far Galaxy Akademie auf Sedna verlassen. Er war der Erste gewesen, der einen Lehrstuhl für Exo-Medizin bekommen hatte.
Man konnte im Grunde behaupten, dass Miles Rollins dieses Fach in seiner heutigen Ausprägung überhaupt erst begründete. Bis dahin hielt man es nämlich für nebensächlich, sich mit den medizinischen Bedürfnissen von Außerirdischen zu beschäftigen. Wozu auch? Reichte es nicht, wenn ein Arzt des Space Army Corps dafür sorgte, dass die eigenen Leute wieder einsatzfähig wurden?
Inzwischen hatte sich die Meinung dazu geändert. Man hatte begriffen, wie wichtig das grundlegende Verständnis anderer Spezies für die Existenz der Menschheit war– und das betraf nicht nur den Bereich Kommunikation, sondern eben auch die physiologische Basis, auf der diese Kommunikation überhaupt erst möglich war.
Ein langer Weg, dachte Rollins. Sowohl für Nikolaidev, als auch für mich…
Und jetzt ersetzte man sie durch jemanden wie Trent. Einen Mann, den Rollins nicht wirklich als Arzt betrachtete.
Zumindest nicht im ethisch geprägten Sinn des Wortes…
„Gibt es auf der Krankenstation nichts zu tun?“, fragte Rollins recht süffisant an Trent gerichtet– kurz nachdem der Exo-Mediziner den Kontrollraum betrat.
„Im Moment habe wir noch keine Gefechtssituation, Dr. Rollins“, gab Trent kühl zurück. „Und da habe ich Professor MacKenzie meine Hilfe angeboten.“
„Die Wurzelbücher der Wyyryy stehen uns zwar nur in virtueller Form zur Verfügung, aber nichtsdestotrotz geht es um biologische Systeme“, erklärte MacKenzie.
„Haben Sie denn schon irgend etwas herausbekommen?“, wandte sich Rollins nun an den Kryptologen.
„Die üblichen Bruchstücke“, antwortete MacKenzie. „Aber man hat die Hieroglyphen der Ägypter auch nicht in ein paar Tagen entschlüsselt.“
„Es fehlt das richtige Lesegerät“, ergänzte Bruder Guillermo. „Zumindest im übertragenen Sinn. Unsere Digitalisierung der Daten ist ja nur ein Behelf, aber wie viel informationsreicher können biologische Speicher sein! Das beweist die DNA jeder einzelnen menschlichen Zelle.“
Dr. Rollins setzte sich in einen der Schalensessel.
Er drehte sich etwas von den Anderen weg. Niemand bemerkte das, denn im selben Moment meldete Professor Yasuhiro von Schlichten das Auftauchen von der Lichtsonden, nach denen man schon die ganze Zeit über in Trans-Alpha vergeblich gesucht hatte.
„Hier von Schlichten an Brücke“, sagte der ehemalige Entwicklungschef des Far Galaxy-Konzerns, der dem Konzern allerdings auf eine nicht immer ganz durchschaubare Weise auch weiterhin verbunden war. Von Schlichten hatte Lieutenant Riggs an der Kom-Leitung und beide tauschten sich über eine optimale Einstellung der Ortungssysteme aus.
Insgesamt erschienen innerhalb kurzer Zeit fünf solcher sondenartiger Objekte im Erfassungsbereich der Ortung.
Dr. Rollins schaltete an seinem Kommunikator herum.
Wenig später ertönte ein Summton– und zwar einer, der auf eine ganz spezielle und auf allen Space Army Corps Schiffen normierte Weise moduliert war, um den Schiffsarzt zur Krankenstation zu rufen.
„Ich glaube, das ist Ihr Gerät, Dr. Trent“, stellte Dr. Rollins trocken fest.
Trent hatte das Signal nämlich schlicht ignoriert und stattdessen den von Yasuhiro von Schlichten bis auf halbe Wandgröße vergrößerten Ortungsschirm angestarrt. Die Positionen der Sonden waren dort genau zu verfolgen.
Trent schaltete eine Taste seines eigenen Kommunikators.
Er runzelte die Stirn.
„Seltsam, da meldet sich niemand.“
„Dann würde ich doch mal nachsehen, Doktor!“
Die Art wie Miles Rollins das Wort Doktor betonte, ließ Trent aufhorchen. Er musterte seinen Vor-Vorgänger an Bord der STERNENKRIEGER einige Augenblicke und verließ dann den Raum nachdem das Signal ein weiteres Mal ertönt war.
„Mal ehrlich, das waren Sie doch!“, stellte Bruder Guillermo fest.
„Und wenn schon“, murmelte Rollins. „Ich kann die Anwesenheit von jemandem wie ihm einfach schwer ertragen… Und ich habe auch gesagt, weshalb.“
„Vielleicht sollten wir ihn darauf offen ansprechen“, erwiderte Bruder Guillermo.
„Rechnen Sie nicht damit, dass sich dann alles zwischen uns in Wohlgefallen auflöst. Außerdem wird er alles abstreiten. Aber ich weiß, dass es wahr ist…“
„Gentlemen, vielleicht können Sie die Pflege Ihrer Sozialbeziehungen mal etwas in den Hintergrund stellen“, mischte sich von Schlichten auf seine gewohnt trockene Art ein. „Soweit ich informiert bin, ist niemand von Ihnen ein Etnord– also können Sie sich sogar völlig gefahrlos von ihm Blut abzapfen oder ein Beruhigungsmittel verschreiben lassen!“
*
Die in den Erfassungsbereich der Ortung eingeflogenen Sonden kamen sehr rasch näher. Sie verfügten über ein beinahe unglaubliches Beschleunigungsvermögen.
Von Schlichten erklärte das mit der besonderen dimensionalen Struktur dieser Objekte. Es sprach nämlich vieles dafür, dass sich ihre eigentliche Substanz in einem anderen Kontinuum– vielleicht dem X-Raum– befand. Andernfalls wären sie auch ohne Zweifel durch die enormen Beschleunigungen, denen sie ausgesetzt wurden, zerrissen worden. So aber wirkten die Bewegungen dieser Sonden vollkommen mühelos und unangestrengt. Energiemangel schienen die Erschaffer dieser Objekte nicht zu kennen– oder sie hatten eine Kraftquelle angezapft, die gemessen an den Möglichkeiten irdischer Technik einfach nur gigantisch zu nennen war.
Admiral Soldos STAR WARRIOR CARRIER Y-1 wurde von den Sonden ganz besonders intensiv untersucht. Zumindest gemessen an der Zeit, die sie damit verbrachten.
Die AMSTERDAM unter Captain Abdul Rajiv wurde zunächst scheinbar links liegengelassen. Erst als die Sonden mit der STAR WARRIOR CARRIER Y-1 fertig waren, nahmen sie sich Rajivs Schiff vor. Eine Meldung der Funkerin Lieutenant Akagawa traf auf der Brücke der STERNENKRIEGER ein.
Captain Sunfrost nahm sie mit regungslosem Gesicht zu Kenntnis.
Es gibt nichts, was wir dagegen tun können, ging es ihr durch den Kopf.
Wenig später war offenbar die Untersuchung der AMSTERDAM abgeschlossen und die Sonden teilten sich in zwei Gruppen auf. Eine untersuchte die MARIA STUART unter Captain Gossan, die zweite nahm sich die STERNENKRIEGER vor.
„Ich nehme nicht an, dass Sie irgendeine Idee haben, wie wir uns gegen ein Eindringen wehren können, Lieutenant Commander Ukasi“, wandte sich Sunfrost an den Taktikoffizier.
„Es ist wahrscheinlich das Beste, gar nichts zu unternehmen“, sagte Ukasi. Die Sonden, die durch Wurmloch Alpha gekommen waren und sich über einen Umkreis von über siebzig Lichtjahren ausgebreiteten, hatten keinerlei Schaden verursacht. Vermutlich war das auch bei diesen Sonden der Fall.
Zumindest gab es keinen Grund, etwas anderes anzunehmen.
Captain Brabak Gossan von der MARIA STUART meldete das Eindringen einer Sonde in den Maschinenraum des von ihm befehligten Schiffes. Ein Effekt auf Antrieb, Energieversorgung und andere relevante Systeme war jedoch nicht zu verzeichnen.
„Na, das macht uns ja Hoffnung“, konnte sich Van Doren eine sarkastische Bemerkung nicht verkneifen.
Rena Sunfrost erhob sich von ihrem Sitz und machte einen Schritt auf den großen Panorama-Bildschirm zu, der zumindest optisch diesen Raum vollkommen beherrschte.
Mehrere leuchtende Objekte waren darauf zu sehen.
Riggs betete die Entfernungswerte herunter und stellte eine erhöhte Strahlung mit 5-D-Komponenten fest.
„Das Übliche also“, seufzte Sunfrost.
Erixon meldete vom Maschinentrakt aus, dass das Von-Schlichten-Aggregat planmäßig und störungsfrei arbeitete.
Plötzlich blendete auf dem Schirm eine Lichterscheinung auf. Sie war so grell, dass offenbar nicht einmal die Abblend-Filter funktionierten. Die Brückencrew schützte unwillkürlich die Augen mit den Händen.
„Riggs!“, rief Van Doren den Ortungsoffizier, der normalerweise für die Bildschirmeinstellungen zuständig war.
Aber im nächsten Moment wurde klar, dass Riggs damit nichts zu tun hatte. Ein leuchtendes Objekt drang durch den Bildschirm hindurch und schwebte bis in die Mitte der Brücke. Sunfrost wurde kurzzeitig davon erfasst, ebenso Rudergänger John Taranos.
Nichts zu spüren, dachte Sunfrost. Dieses Ding ist im wahrsten Sinn des Wortes nicht von dieser Welt…
Ukasi gab Eindringlingsalarm.
Das Objekt schrumpfte auf einen Durchmesser von anderthalb Meter. Mehr als sein Licht war nicht zu erkennen. Keine Formen, keine Einzelheiten– gar nichts. Dann verschwand das Objekt durch die Decke.
Es herrschte einige Augenblicke lang vollkommenes Schweigen, bis schließlich Lieutenant Riggs den Austritt des Objekts durch die Außenhülle meldete, nachdem es ein Munitionsdepot und einen Schützenstand für eines der zehn schwenkbaren Gauss-Geschütze an Bord der STERNENKRIEGER durchdrang.
Im Moment tat dort Fähnrich Lin Al-Katibi Dienst.
Die etatmäßigen Waffenoffiziere brauchten schließlich auch mal ihre Auszeiten. Für sie würde es vielleicht schneller etwas zu tun geben, als den meisten von ihnen lieb war.
„Ich konnte ein paar sehr genaue Messungen vornehmen“, meldete sich Bruder Guillermo aus Kontrollraum A des Maschinentrakts. „Allerdings werde ich für die Analyse wohl noch Zeit brauchen. Ich denke, Professor von Schlichten wird mich bei der Interpretation der Daten substantiell unterstützen.“
„Wann glauben Sie, werden Sie Ergebnisse haben?“, fragte Rena Sunfrost.
„Das lässt sich schwer vorhersehen“, sagte Bruder Guillermo.
Innerhalb der nächsten Stunden verschwanden die Objekte dann wieder vollkommen aus dem Erfassungsbereich, den die Ortung der Space Army Corps Schiffe aufzeichnen konnte.
*
Zwei weitere Tage vergingen. In dieser Zeit war von den leuchtenden Objekten zumindest im Umkreis von 200 AE um die Wurmloch-Porta keine der Lichtsonden zu sehen.
Captain Barus von der SONNENWIND meldete jedoch aus dem Taralon-System eine völlig andere Situation. Das System schien die Lichtobjekte wie magisch anzuziehen. Sie drangen dann fast nach Belieben in den goldenen Kubus ein, der den dritten Planeten umflog. Interessanterweise hatte Ortungsoffizier James Teluvion festgestellt, dass die Sonden in einem relativ energiearmen Zustand die Station erreichten und sie auf einem energiereicheren verließen.
Teluvion stellte eine Verbindung zur STERNENKRIEGER her und überspielte die Daten, sodass sich von Schlichten und die anderen Wissenschaftler damit befassen konnten.
Trent war allerdings nicht dabei.
Er musste all jene, die bei der Durchdringung der STERNENKRIEGER von den Lichtsonden mit ihnen in Berührung gekommen waren untersuchen– und das war fast ein Drittel der Mannschaft, denn außer auf der Brücke hatte es ähnliche Begegnungen im Maschinentrakt und auf verschiedenen Mannschaftsdecks gegeben.
Die Untersuchungen brachten jedoch keinerlei gesundheitliche Beeinträchtigungen zu Tage. Die Schädigung durch zusätzliche 5-D-Emissionen war praktisch nicht feststellbar.
In der Zwischenzeit tauchten immer weitere Etnord-Einheiten aus dem Zwischenraum auf. Sie hielten Abstand zum Verband der Space Army Corps Schiffe und machten auch nicht den Versuch, zur eigentlichen Wurmloch-Porta vorzudringen.
Aber Tatsache war, dass die Präsenz der Etnord über eine Beobachtungsmission weit hinausging. Das zeigte sich an der Art der Einheiten, die sich inzwischen in mehreren Formationen versammelt hatte. Der Großteil bestand aus Einheiten, deren Basis die Technik der Space Army Corps Schiffe war, nur dass sie natürlich zusätzlich mit einer kristallinen Fluoreszenz-Schicht bedeckt waren und zusätzlich zu den Gauss-Geschützen auch noch Strahlengeschütze besaßen. Davon abgesehen verfügten Etnord-Schiffe grundsätzlich über Gravitationsschirme, die sämtliche Geschosse abprallen ließen– es sei denn, sie trafen in einem bestimmten, günstigen Winkel auf oder drangen durch die sogenannte Schirmlücke. Diese Schirmlücke entstand dadurch, dass es einfach unmöglich war einen 360 Grad-Rundumschutz auf der Basis eines Gravitationsschirms zu installieren, da das betreffende Schiff dann durch die Kraft der eigenen Schirme zerdrückt worden wäre. Maximal 270 Grad konnten geschützt werden. Die Schirme wurden bei wechselnden Gefechtssituationen in ihrer Ausrichtung verändert.
Die Achillesferse blieben natürlich Angriffe von mehreren Seiten, weshalb im Krieg gegen die Etnord dem Einsatz der kleinen, wendigen Jäger auf Seiten des Space Army Corps eine entscheidende Rolle zugekommen war.
Der zweite Schiffstyp, der unter den Schiffen des Etnord-Verbandes häufiger anzutreffen war, glich den Schiffen der Fulirr. Das bedeutete, dass den Etnord auch Antimaterie zur Verfügung stand. Die Schiffe nach der keilförmigen Fulirr-Bauweise wurden von Anfang an so positioniert, dass bei der Benutzung von Antimateriewaffen ein maximaler Schaden durch die Mini Black Holes entstand.
Admiral Soldo betrachtete die Entwicklung mit Sorge.
Gleichzeitig wurden nach wie vor jegliche Kontaktversuche abgeblockt– sowohl bei der Trans-Alpha-Porta des Wurmlochs als auch im Taralon-System, wo sich Captain Barus immer wieder darum bemühte, einen Kommunikationskanal zum sogenannten Herrn aufzubauen.
Admiral Soldo forderte Verstärkung an– und bekam sie auch in Form einiger Einheiten. Aber über Sandström-Sonden war erkennbar, dass noch viel größere Anzahlen von Etnord-Schiffen gegenwärtig im Sandström-Flug waren und schon sehr bald zu ihren Verbänden stoßen würden. Die voraussichtlichen Eintrittspunkte dieser Einheiten ins Normaluniversum konnte man bereits vorausberechnen.
Andererseits konnte sich eigentlich niemand im taktischen Stab von Admiral Soldo vorstellen, dass die Etnord tatsächlich bereit waren, Vabanque zu spielen und den Einsatz des Virus auf Seiten des Space Army Corps zu riskieren.
Schließlich meldete sich Soldo bei Sunfrost und gab ihr den Befehl zum Aufbruch.
„Die Lage kann sich jetzt nur noch zuspitzen“, sagte der Admiral. „Also ist es wichtig, dass Sie Ihren Auftrag schnell ausführen. Es gibt offenbar einen Zusammenhang zwischen den Lichtsonden und dem goldenen Kubus, aber wir haben keinerlei Hinweise darüber, worin der bestehen könnte. Ansonsten befolgen Sie die Anweisungen auf dem Ihnen übergebenen Datenträger.“
„Ja, Sir“, bestätigte Sunfrost.
„Wir wollen zwar nicht unnötig martialisch auftreten, aber im Moment besteht durch die Abweisung jeglicher Kontakte wenig Hoffnung darauf, dass wie mit den Etnord zu irgendeiner Form der Kooperation kommen. Daher werden wir an verschiedenen, strategisch ausgesuchten Rendezvouspunkten außerhalb des Taralon-Systems Einheiten positionieren, die Ihnen im Notfall zu Hilfe kommen können.“
„Das beruhigt mich etwas, Sir.“
„Noch etwas! Die Messdaten der SONNENWIND legen den Schluss nahe, dass hinter dem Schweigen der Etnord etwa stecken könnte, was wir vielleicht nicht genügend in unser strategisches Kalkül einbezogen haben.“
Soldo machte eine Pause.
Sunfrost hob die Augenbrauen.
„Sir?“
„Ich spreche von den Fulirr. Die Analyse läuft noch, aber es könnte sein, dass die SONNENWIND Signatur-Fragmente von Fulirr-Technologie aufgezeichnet hat.“
„Dann schlage ich vor, Sie überspielen die Daten an die STERNENKRIEGER, damit sich das Wissenschaftler-Team damit beschäftigen kann.“
„Das geschieht gerade mit dem dieser Transmission zu Grunde liegenden Datenstrom.“
Unmittelbar nachdem Soldo das Gespräch beendet hatte, gab Captain Sunfrost Rudergänger Taranos den Befehl, auf maximale Beschleunigung zu gehen. Das Mesonentriebwerk begann zu rumoren. Innerhalb von drei Stunden konnte es die zum Eintritt in den Sandström-Raum nötige Geschwindigkeit von 0,4 LG erreichen.
Ein paar Tage Sandström-Flug waren es bis Taralon.
*
50.000 Lichtjahre entfernt, im Gebiet der Fulirr…
Der Flug des Leichten Kreuzers NEPTUN unter dem Kommando von Commander Raphael Wong nach Nabman war seit langem geplant gewesen. An Bord befand sich Botschafter John Aljanov, der Verhandlungen mit der Führung der Fulirr führen sollte. Eigentlich waren das schon benahe Routine-Konsultationen. Es sollte nach dem Ende des Etnord-Krieges nicht mehr dazu kommen, dass der Kontakt abriss und sich von neuem außenpolitische Spannungen aufbauten.