Game shot, Euer Ehren - Celia Williams - E-Book

Game shot, Euer Ehren E-Book

Celia Williams

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Beschreibung

Da Ike Drewer in Chicago keine Verbesserung seiner Lage erkennen kann, seine Freunde sich von ihm distanzieren und seine Arbeitskollegen ihm wegen seines homosexuellen Lebenswandels das Leben zur Hölle machen, ergreift er die einmalige Chance, die sich ihm bietet, mit beiden Händen. Der Bürgermeister von Reno bittet ihn, für das Amt des Zivilrichters im Washoe County zu kandidieren. Jetzt lebt er in Reno, geht einer geregelten Arbeit nach, hat erste Verbindungen geknüpft und eckt so gut wie nie wegen seiner Sexualität an. Die Glücksspielstadt in Nevada zeigt sich ihm gegenüber sehr liberal. Probleme machen ihm beruflich nur die Anfeindungen durch den geschlagenen Gegenkandidaten. Peter O'Riordan kann es als rechter Populist und Chef der nationalistischen Bürgermiliz "Reno Brotherhood" nicht auf sich beruhen lassen von einem Schwulen geschlagen worden zu sein. Nach mehreren teils sogar gefährlichen Ereignissen sucht Ike Schutz im Skycity, das seit Jahren mit dem Reno Police Department zusammenarbeitet. Zu Ikes Freude arbeitet sein Expartner Dwayne in dem Casino und er hofft, mit ihm wieder zusammenzukommen. Es kommt aber alles ganz anders, als er erwartet hat. Dieses Buch enthält homoerotische Elemente und ist daher nur für aufgeschlossene Leser geeignet. Für alle Anderen: Finger weg! Alle Bände der Skycity-Reihe: Band Eins: Rien ne va plus – Nichts geht mehr Band Zwei: Eye of sky – Kein Spiel ohne Risiko Band Drei: Texas Rodeo – Die Würfel sind gefallen Band Vier: Reno Nights Band Fünf: Texas Heat – Spiel mit gezinkten Karten Band Sechs: Game shot, Euer Ehren! Bonusband der Skycity-Reihe: Einsam an Valentin und Reno Summer Nights (Kostenfrei bei BookRix lesen)

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Celia Williams

Game shot, Euer Ehren

(Skycity 6) - Gay Romance

Hier möchte ich vor allem meinen Korrekturleserinnen danken. Sie stecken in meine Bücher mindestens so viel Energie und Liebe wie ich. Dafür kann ich ihnen gar nicht genug danken. Ich hoffe, dass ich euch erneut was zu lesen geben darf. ;-) Auch meiner Familie möchte ich für die anhaltende Unterstützung danken. Ohne euch ginge das hier nicht. Als letztes noch ein Dankeschön an alle meine Leser. Ihr gebt diesem Tun überhaupt erst einen Sinn. Danke, dass ihr meine Bücher kauft und lest. Eure CeliaBookRix GmbH & Co. KG80331 München

Wichtige Hinweise

 

***

 

 

Sämtliche Personen dieser Geschichte sind frei erfunden und Ähnlichkeiten daher nur zufällig.

 

E-­Books sind nicht übertragbar und dürfen auch nicht kopiert oder weiterverkauft werden.

 

Dieses Buch enthält homoerotische Handlungen und ist für Leser unter 18 Jahren und für homophobe Menschen nicht geeignet.

 

Im wahren Leben gilt ein verantwortungsbewusster Umgang miteinander und Safer‐Sex!

 

 

***

 

Liebe Leser,

 

erst einmal Dankeschön, dass Ihr diese Geschichte lest. Jetzt muss ich auch noch eine Entschuldigung hinterher schieben. Ich habe keine Ahnung wie das Rechtssystem in den USA konkret funktioniert. Natürlich bekommt man das eine oder andere in diversen Fernsehsendungen und Spielfilmen mit, aber es ist trotzdem eher unklar, welches Gericht für was zuständig ist. Auch eine ausführliche Internetrecherche hat mir da nicht wirklich weitergeholfen. Also bin ich einfach von Annahmen ausgegangen und habe diese als Tatsachen in meiner Geschichte genutzt. Sollte es sehr von der Realität abweichen, bitte ich Euch mir das nachzusehen. Ich gehe davon aus, dass jeder County seinen eigenen Gerichtshof für Fälle im eigenen Bezirk/Distrikt hat, in unserem Fall hier Washoe County. Die Richter werden von der Bevölkerung nach einem klassischen Wahlkampf gewählt und ihre Amtszeit dauert acht Jahre (damit sich der Aufwand auch lohnt). Danach kann ein Richter wiedergewählt werden. Zum Bundesrichter wird man vom Präsidenten ernannt und vom Senat bestätigt. Also das sind die Voraussetzungen und jetzt viel Spaß beim Lesen.

 

Eure Celia

 

 

 

 

Gegenspieler

 

Wütend stapfte Peter O’Riordan, Begründer der Bürgermiliz Reno Brotherhood durchs Clubhaus. Er war fuchsteufelswild. Er hatte sich für das Amt des nächsten Bezirksrichters von Washoe County beworben, da das Amt per Direktwahl durch die Bürger von Reno und dem Umland entschieden wurde. Bisher hatte es keinen Gegenkandidaten gegeben, doch ein Informant aus dem Kreis des Bürgermeisters hatte Peter gerade darüber informiert, dass ein Staatsanwalt aus Chicago Interesse bekundet hatte. Scheiße!

Zwar hatte Peter sein Jurastudium wie sich das gehörte abgeschlossen, da er aber den familieneigenen Baufachhandel hatte übernehmen wollen, hatte er nie die Zulassung zum Anwalt angestrebt. In seiner Jugend hatte er seinen eigenen Weg gehen wollen, doch noch während des Universitätsbesuchs erkannt, dass er sich als Geschäftsführer des ‚O’Riordans‘ wesentlich leichter tat. Für eine richtige Karriere hätte er von Reno weg und in eine größere Stadt ziehen müssen, doch Peter liebte seine Heimat und wollte nicht als Anwalt für Kleinkriminelle und Bagatellfälle versauern. Daher hatte jeder praktizierende Jurist, egal in welcher Funktion, mehr Erfahrung als er. Natürlich war der Heimvorteil auf seiner Seite, aber an Fachkompetenz mangelte es ihm. Bisher hatte das, aufgrund eines fehlenden Mitbewerbers, keine Rolle gespielt.

Vor dem PC ließ er sich auf den Bürostuhl fallen und hackte den Namen „Ike Drewer“ ins Suchfeld von Google. Schnell wurden ihm Ergebnisse angezeigt. Er fand zig Hinweise auf den smarten Anwalt aus Illinois mit Bildern, Biographie und Erfolgsstatistik. Der Scheißkerl war super erfolgreich als Verteidiger für reiche Leute und hatte auch Erfahrung mit Schwerverbrechern. Zornig schrie er auf, als er in dessen Vita las, dass er homosexuell war. Ein Schwuler trat gegen ihn an! Reno Brotherhood vertrat rechte Ansichten, inklusive der Meinung, dass man ausschließlich mit dem anderen Geschlecht verkehrte. Ganz besonders wütend machten ihn die Bilder des Scheißkerls. Der war groß, muskulös und sah gut aus. Wenn es Peter es nicht schwarz auf weiß vor sich hätte, hätte er den Anwalt nicht für schwul gehalten.

Aufgebracht marschierte er ins Bad und warf sich erst einmal eine Handvoll Wasser ins Gesicht. Er musste sich beruhigen und sich dann eine Strategie zurechtlegen, wie er den Wahlkampf für sich entscheiden konnte.

Es mangelte ihm an praktischer Erfahrung. Nun ja, daran konnte er nichts ändern. Dafür hatte er den Heimvorteil auf seiner Seite. Zwar wusste er, dass er die oberen Zehntausend nicht hinter sich bekam, denn sie stimmten mit seinen politischen Ansichten nicht überein. Beim Normalbürger sah die Sache anders aus. Gingen die aber wählen? Er musste die Bürger Renos also für diese Wahl begeistern und sie dazu bringen an die Wahlurnen zu gehen. Vom Optischen her machte Ike Drewer objektiv betrachtet mehr her als er selbst. Als verheirateter Mann genoss Peter die gute Küche seiner Frau und hatte sich ein wenig gehen lassen. Nicht das er fett wäre, nein, aber seine Körpermitte wurde von einem kleinen Bauchansatz verziert. Der musste weg. Natürlich hatte er noch die Tatsache auf seiner Seite, dass er mit einer Ehefrau und einem Sohn, also der perfekten amerikanischen Familie aufwarten konnte. Bei Wahlen um solche Ämter gewannen fast immer die gut bürgerlichen Kandidaten.

Jetzt wusste Peter, was er tun musste. Mit den Mitgliedern von Reno Brotherhood würden sie eine Strategie austüfteln, wie sie Wahlbeteiligung steigern konnten. Außerdem würde Peter sein Aussehen verändern und das in mehrerer Hinsicht. Er würde sich einen guten und teuren Friseur suchen. Bei einem Herrenausstatter würde er für seine Auftritte ein paar Anzüge in Auftrag geben. Im Bereich seiner Figur würde er schnelle Ergebnisse brauchen, er würde also nachhelfen müssen. Hier konnte ihm ein Sympathisant der Bürgermiliz helfen. Der Kerl betrieb schon seit Jahren eine Kette von Muckibuden und kannte sich mit Gewichtverlust und Muskelaufbau aus, auch auf die chemisch unterstütze Weise.

Zurück am Schreibtisch griff er sich das Telefon und machte seinen Anruf. Zufrieden legte er den Hörer wieder auf. Er hatte alles in die Wege geleitet. Jetzt konnte der Spaß losgehen. Ein wenig Wettkampf hatte noch keinem geschadet.

 

Vier Tage später traf sich Peter mit dem Betreiber des Fitnessstudios in dessen Büro und erhielt drei Einheiten Anabolika. Ausführlich bekam er den Umgang mit dem Mittel erklärt und wie er es dosieren musste. Im Grunde interessierte Peter nicht, was darin enthalten war, Hauptsache war, dass es ihm half schnell fit und durchtrainiert auszusehen.

Auf dem Rückweg zum Clubheim hielt er wie angewiesen in der nächsten Apotheke und kaufte sich Einwegspritzen. Gleich würde er mit der Steroidtherapie beginnen und schon bald würde er besser aussehen als Ike Drewer.

 

Einige Tage später nahm das Reno Police Department einen Schmugglerring für illegale Substanzen hoch. Es wurden Drogen, Medikamente unterschiedlicher Art und Anabolika konfisziert. Im Polizeilabor ergaben die Tests, dass das Heroin mit Rattengift gestreckt und das Anabolikum hochgradig verunreinigt war. Normalerweise handelte es sich dabei um eine ausgewogene Mischung aus verschieden Steroiden und Testosteron. Doch es fanden sich neben einer zu hohen Dosis des männlichen Hormons auch noch verschieden schädliche Benzolverbindungen. Der Gerichtsmediziner vermutete, dass es bei einer dauerhaften Einnahme zu verschiedenen Nebenerscheinungen kommen konnte, beispielsweise zu Psychosen, Persönlichkeitsveränderungen, bis hin zum Verfolgungswahn.

Ohne es zu wissen hatte Peter drei Flaschen genau dieser verunreinigten Anabolika gekauft und spritzte sich wie angeordnet jeden Tag eine Dosis von dreißig Millilitern. Er selbst bemerkte keine Veränderungen außer den gewünschten. Sein Gewichtetraining schlug schnell an und er verlor wie erwartet die überschüssigen Pfunde. Zur Wahl hatte er einen attraktiven und durchtrainierten Body.

 

Doch leider half ihm das wenig. Die Bürger Renos hatten sich zwar an die Wahlurnen treiben lassen, aber ihr gesunder Menschenverstand hatte nicht zugelassen, dass er die Wahl gewann. Das Wahlergebnis war für Peter niederschmetternd. Er hatte nur siebenundzwanzig Prozent aller Wählerstimmen erhalten. Die Schwuchtel hatte mit überragender Mehrheit gewonnen.

In dieser Nacht wurde der Grundstein für seinen extremen Hass gegen Ike Drewer gelegt. Seine durch das Anabolika ausgelösten psychischen Störungen verstärkten noch diese Tendenz. Mit jedem Tag wurde er wütender und paranoider. Er glaubte mittlerweile, dass jeder ihn betrog und hinterging. Doch Peter hatte auch ein enormes schauspielerisches Talent. Er gaukelte seinem Umfeld vor, dass er sich nicht sehr verändert hatte, denn er wollte alle in dem Glauben lassen, dass er sie nicht durchschaute. So dachte er die Oberhand behalten zu können.

Einzig Ike Drewer, der Stachel in seinem Fleisch, eiterte unkontrolliert weiter. Hier musste bald etwas unternommen werden. Reno Brotherhood schmiedete Pläne die Schmach ihres Präsidenten zu rächen. Sie würden es nicht dulden, dass so ein widernatürliches Etwas den Richterstuhl von Washoe County inne hatte.

 

***

 

Resigniert fuhr Jennifer O’Riordan von der Arbeit in Richtung Highschool. Jeden Tag der verging wurde ihr Mann seltsamer. Sie hatten sich kennengelernt, als Jennifer selbst noch auf die Highschool ging und im O’Riordans, dem Baufachhandel von Peters Eltern, in den Ferien jobbte. Der junge Mann, der gerade mit dem Jurastudium fertig geworden war beeindruckte die hübsche Jennifer übermäßig und es war leicht sich in den gebildeten und gutaussehenden Peter zu verlieben. Sie gingen aus, lernten sich kennen und irgendwann schliefen sie auch miteinander. Es kam, wie es kommen musste, sie wurde schwanger. Doch Peter liebte seine Jennifer und die O’Riordans mochten sie ebenso, also heirateten sie und gründeten einen eigenen Hausstand.

Damals war Jennifers Welt noch heil gewesen. Ihr Peter hatte moderate und gemäßigte Ansichten und benahm sich nicht wie die Axt im Walde. Doch dann wurde sein Vater krank, Alzheimer. Die schlimme Krankheit brachte Seiten an Jennifers Schwiegervater an die Oberfläche, die niemand jemals bei ihm vermutet hatte. Tief in seinem Inneren, verdeckt vom Anstand und der höflichen Fassade des Geschäftsmanns, lauerte ein rechtsradikaler Rassist. Der alte O’Riordan machte keinen Unterschied zwischen Schwarzen, Indianern, Mexikanern, Schwulen oder Frauen. Für ihn war jeder, der nicht weiß und männlich war, ein Mensch zweiter Klasse. Durch den regen Umgang und die Gewöhnung eignete sich auch Peter die eine oder andere Ansicht an und zu der Zeit als Jean, ihr Sohn, in die Vorschule kam, fand er übers Internet Gleichgesinnte. Schneller als Jennifer es für möglich gehalten hatte, organisierten sie sich und gründeten Reno Brotherhood.

Anfangs hielt Jennifer es noch für eine Eintagsfliege, etwas, das irgendwann vorbeiging. Die meisten Hobbies verloren irgendwann ihren Reiz und versanken wieder in der Versenkung. Doch jetzt, zehn Jahre später, war ihr Mann extremer als jemals zu vor. Seine Gesinnung trieb enorme Blüten und sie hatte gehofft, dass die verlorene Wahl ihn endlich wachrütteln würde. Stattdessen ließ sie ihn fast schon ins fanatische abrutschen. Zwar bekam sie von den Aktivitäten der Miliz nichts mit, weil ihr Mann sie konsequent außen vor hielt, was ihr mehr als recht war, aber sie befürchtete das Schlimmste.

Hinzu kam noch, dass ihr Sohn mit seinen vierzehn Jahren langsam aus der Phase der Selbsterkundung herauskam. Er begann sich für mehr als nur Videospiele und dergleichen zu interessieren. Bisher hatte er keinerlei Interesse an Mädchen gezeigt und Jennifer vermutete, dass das auch so bleiben würde. Wenn sie sich nicht total täuschte, hatte ihr Junge eher eine Tendenz zum eigenen Geschlecht. Für Jennifer stellte das kein Problem dar, aber Peter würde damit nicht klarkommen. Was sollte sie nur tun, wenn die Situation eskalierte?

Sie kannte doch nichts anderes. Aus dem sicheren Elternhaus war sie direkt mit Peter zusammengezogen. Gottseidank hatten ihre Eltern es zur Bedingung gemacht, dass Jennifer nach der Geburt doch noch eine Ausbildung machte, daher stand sie nicht vollkommen perspektivlos dar. Sie arbeitete seit ein paar Jahren als Sekretärin bei einem Immobilienmakler, kümmerte sich um die Akten und den Schriftverkehr mit den verschiedenen Ämtern und den Kunden. Sie liebte ihren Job, vor allem das Herauskommen aus dem häuslichen Trott. Auch die Arbeitszeit passte perfekt in ihr Leben. Sie verließ morgens mit Jean das Haus, setzte ihn an der Schule ab und fuhr dann zur Arbeit. Da sie flexible Arbeitszeiten hatte, machte sie meist um sechzehn Uhr Feierabend und holte ihren Jungen wieder ab. Die wenigen Überstunden machte sie dann, wenn Jean den Nachmittag mit Jimmy in dessen Elternhaus verbrachte, denn das bot sich an. In dieser zusätzlichen Zeit erledigte sie die nervige Ablage, die zu jedem Job dazugehörte. An diesen Tagen kam sie dann erst zwischen sechs und sieben nach Hause.

Wie gesagt, ihr Leben wäre perfekt, wenn ihr Mann nicht diese Veränderung in den letzten Jahren durchlaufen hätte, die sich in den letzten Monaten drastisch verschärft hatten. Warum das so war konnte Jennifer nicht sagen, aber es machte ihr Sorgen.

Mit einem Lächeln hielt sie vor der Highschool und ihr Sohn stieg fast sofort ins Auto ein. Mit einem „Hi, Mum!“ versüßte er ihr den Tag und vertrieb die unangenehmen Gedanken. Noch immer war er ihr Sonnenschein. Jean war fröhlich und unkompliziert und selbst die angeblich stressige Pubertät hatte sie nicht entzweien können. All seine Probleme und Sorgen besprach Jean mit ihr und suchte auch Trost und Anerkennung bei ihr. Das war schon immer so gewesen und Anfangs hatte Peter sich sehr daran gestört. Doch mit den Jahren hatte er sich daran gewöhnt und es passte in das Bild, das er sich von einer Vater-Sohn-Beziehung gemacht hatte. Liebevolle Strenge und ein vorgegebenes Reglement sollten hier vorherrschen. Bisher hatte das Jean keine Schwierigkeiten bereitet, er passte sich einfach seinem Vater an, auch wenn er nie in der Lage war ihn durch sportliche Erfolge stolz zu machen. Da er aber in Mathematik, Physik und Erdkunde spitzenmäßig war, akzeptierte sein Vater dies als seine Steckenpferde. Dass Jean in der Schule den Workshop für Handnähtechnik und bei der Theatercrew mitmachte, wusste er gar nicht und weder Jean noch Jennifer beabsichtigten das zu ändern. Hier hielten sie sich an das Motto: Was er nicht weiß macht ihn nicht heiß.

Winterliche Kälte

 

Frustriert starrte Ike hinaus auf das winterliche Reno. Ein ganz leichter Schneefall hatte eingesetzt und erinnerte ihn an seine alte Heimat. In Chicago gab es auch jeden Winter Schnee und Eisglätte, trotzdem unterschied sich Reno erheblich von der „Windy City“. Die Glücksspielstadt in Nevada wurde aus gutem Grund von ihren Bürgern als „die größte Kleinstadt der Welt“ bezeichnet. Hier fühlte sich Ike wie in einem Dreihundert-Seelen-Dorf. Man kannte sich, man achtete aufeinander und war stets nett zu seinen Nachbarn. So gut aufgehoben hatte sich Ike schon ewig nicht mehr gefühlt.

Mit Grauen erinnerte er sich an seine letzten Monate in Chicago. Nachdem er sein Amt als Staatsanwalt angetreten hatte, musste er erkennen, aus welchem Grund sein Expartner mit seiner Veranlagung hinterm Berg gehalten hatte. Jahrelang hatte Ike als Staranwalt Verbrecher aller Couleur verteidigt und dabei ziemlichen Erfolg gehabt. Seine Mandanten hatten sich nie an seiner sexuellen Ausrichtung gestört, da für sie nur seine Leistung zählte. Jeder Verbrecher mit den monetären Mitteln sich Ike leisten zu können, informierte sich im Vorfeld über ihn und wusste, dass er schwul war. Als man ihm den Posten des stellvertretenden Oberstaatsanwalts angeboten hatte, griff er zu ohne über die Konsequenzen nachzudenken. Im Grunde hatte er sich von Dwayne, einem Cop beim Morddezernat, getrennt, weil der sich nicht hatte outen wollen. Doch bereits eine Woche nach Dienstantritt wusste er, warum sein ansonsten so cooler Maori-Krieger sich dagegen entschieden hatte. An allen Ecken und Enden wurde Ike gemobbt. Rechtsanwaltsfachangestellte, die ihm zuarbeiten sollten, ließen seine Aufträge liegen, absichtlich Fristen verstreichen und zwangen ihn dazu alles doppelt und dreifach zu kontrollieren. Die Polizisten machten ihm zusätzlich das Leben schwer, auch wenn sie sich nicht so offen gegen ihn stellten, so blieben doch die hämischen Blicke und die dummen Sprüche. Kein Cop wollte, dass sein Fall vor Gericht den Bach hinunterging, weil er dem Staatsanwalt nicht alle Fakten zur Verfügung gestellt hatte und nur aus diesem Grund warf man Ike keine Stöcke zwischen die Beine. Selbst sein neuer Chef zeigte sich peinlich berührt, als ihm klar wurde, dass Ike mit Männern statt mit Frauen verkehrte. Warum hatte sich dieser nicht die Zeit genommen, das abzuchecken, bevor er ihm den Job anbot?

Nach einem halben Jahr war Ike kurz davor alles hinzuschmeißen und sich wieder in einer Kanzlei einzukaufen. Doch bevor er bei der Staatsanwaltschaft kündigen konnte, erhielt er die Anfrage, die sein Leben grundlegend verändern sollte. Kelly Marsden, die Assistentin von Raiden James, dem Bürgermeister von Reno, rief Ike an und erkundigte sich bei ihm, ob er sich vorstellen könnte als Richter tätig zu sein. Da sich Ike für die Stelle des stellvertretenden Staatsanwalts entschieden hatte, weil er politische Ambitionen hatte, kam ihm dieses Angebot gerade Recht. Seine Freunde hatten diesen Schritt nicht nachvollziehen können. Als Anwalt einer sehr betuchten Klientel strich Ike jahrelang extrem hohe Honorare ein und lebte auf einem entsprechenden Niveau. Als Angestellter von Uncle Sam verdiente er weit weniger. Zwar konnte er das eine Zeit lang ausgleichen, doch Ikes gesunder Menschenverstand untersagte es ihm ständig über seinen Verhältnissen zu leben. In diesem Moment musste er erkennen, warum sich Dwayne immer an seinen oberflächlichen Freunden gestört hatte. Keiner dieser Snobs hielt zu ihm. Nachdem er zum zweiten Mal erklärt hatte, dass er keine so großen Sprünge mehr machen konnte, wurde er nicht mehr so oft eingeladen. Das wiederum war sehr bezeichnend für seine Freunde und leider auch für Ike, der wohl das falsche Maß angelegt hatte, als er sich seine Freunde auswählte.

Sein Umzug nach Nevada verlief problemlos und zügig. Innerhalb einer Woche hatte er seinen Job gekündigt, sich von der Arbeit freistellen lassen und eine Umzugsfirma beauftragt. Mit nur einem Koffer flog Ike nach Reno und zog in das Apartment ein, das ihm die Stadt zur Verfügung stellte. Der Wahlkampf startete gut und er schien den Bürgern von Reno zuzusagen, zumal der Gegenkandidat eher durch seine rechtsgerichtete Einstellung auffiel. Aus genau diesem Grund hatte Raiden James nach einem Alternativkandidaten gesucht. Auf keinen Fall wollte er jemanden mit radikaler Ausrichtung auf dem Richtersessel von Reno. Wie erwartet gewann Ike die Wahl mit erheblichem Vorsprung, was zur Folge hatte, dass er von seinem Gegner bedroht wurde. Das führte dazu, dass er zeitweise Personenschutz erhielt. Natürlich konnte die Polizei das nicht dauerhaft leisten und seine Beschützer wurden nach zwei Wochen wieder abgezogen.

Seither waren Monate vergangen und die Lage wurde erneut gefährlich. Angefangen hatte alles mit diversen Drohungen in verschiedensten Formen. Erst gab es Anrufe, dann Mails und Briefe. Zuletzt legte man Ike tote Tiere vor die Haustür. Wie die Kerle es an den Überwachungskameras seines Wohnhauses vorbei schafften, wusste keiner. Trotz regelmäßiger Kontrollfahrten von Streifenpolizisten endete es nicht hier. Ikes Wagen brauchte eine neue Lackierung, da jemand „schwule Sau“ in seine Motorhaube gekratzt hatte. Außerdem verpasste man der kompletten Fahrerseite ein interessantes Streifenmuster aus unterschiedlich tiefen Kratzern. Die Situation eskalierte, als Ike eines Abends abgepasst und von drei Schlägern in eine Gasse gedrängt wurde. Er konnte nur entkommen, weil sein Ex darauf bestanden hatte, dass er einen Selbstverteidigungskurs absolvierte. Da Ike diese Form des Trainings besser gefiel als stumpfsinniges Gewichte stemmen, war er bei Selbstverteidigung geblieben und war mittlerweile ziemlich gut bei Krav Maga. Die sparsamen und zielgenauen Bewegungen dieser israelischen Kampfsportart lagen Ike und er nutzte die damit verbundene Beobachtungsgabe auch gerne in seinem Job. Der Körper eines Angeklagten verriet oft mehr als seine Worte.

Als Ike bei der Polizei die geflüchteten Schläger anzeigte, schritt der Polizeichef ein. Er wollte Ike erneut unter Polizeischutz stellen. Doch nach Durchsicht der Dienstpläne, Weihnachten stand direkt vor der Tür, erkannte er, dass dafür einfach keine Kapazitäten frei waren. Bürgermeister James schlug daher vor Ike im Skycity einzuquartieren. Die Security gehörte zu der besten in den USA und da man oft mit den Männern des Casinos zusammenarbeitete, bot es sich regelrecht an.

Nach einem Telefonat mit Michael Cole, dem Besitzer des Skycitys, hatte man sich auf folgende Konditionen geeinigt: Für die Sicherheit im Casino war der Sicherheitsdienst des Hauses zuständig, die Suite oder das Zimmer gingen zu Lasten des Casinos, doch für die Zeit Außerhaus musste die Polizei einen Personenschützer abstellen. Ike gefiel dieses Arrangement wesentlich besser als der Personenschutz, der ursprünglich durch die Polizei organisiert wurde. Ständig hatte sich jemand in seiner Nähe befunden, doch jetzt konnte er sich viel freier bewegen. Er sollte von einem Cop vom Skycity ins Gerichtsgebäude und wieder zurück begleitet werden. Im Glücksspieltempel konnte er schalten und walten wie er wollte. Im Courthouse gab es umfangreiche Kontrollen am Eingang und Ike brauchte sich in seinem Amtszimmer nicht zu sorgen. Für die nächsten Wochen würde das funktionieren, aber natürlich nicht für ewig.

Insgeheim hoffte er natürlich, so wieder Kontakt zu Dwayne zu bekommen. Sein Ex war stellvertretender Sicherheitschef im Casino und lebte hier in Reno geoutet offen an der Seite eines ehemaligen Berufsspielers. Doch wie glücklich konnte sein ehemaliger Partner mit solch einem Paradiesvogel schon werden? Wenn ein Mann zum Glücksspiel neigte, hörte er nicht von heute auf morgen damit auf. Dwayne würde mit solch einer Ungewissheit auf Dauer nicht leben können daher konnte er problemlos wieder zu Ike zurückkehren, zumindest stellte sich Ike das so vor.

Im Skycity

 

Wie vereinbart wurde Ike am Abend nach Dienstende von einem Cop an der Tür des Gerichtsgebäudes in Empfang genommen. Es handelte sich bei seinem Beschützer um einen Streifenpolizisten in schmucker Uniform und scharfem Blick für seine Umgebung. Ansonsten konnte er an dem Mann nichts Besonderes oder Auffälliges entdecken, es handelte sich um den typischen Durchschnittsamerikaner. Im ersten Moment fand Ike die Angewohnheit des großgewachsenen Mannes sehr irritierend, ständig die Augen umherschweifen zu lassen, denn so gut wie nie sah er ihn an. Schnell verstaute Ike seine Reisetasche auf der Rückbank. Im Wagen erkundigte er sich bei dem Mann, ob er ein Problem mit ihm hätte.

Fragend sah der Cop auf dem Fahrersitz zu Ike: „Nein Sir. Warum sollte ich ein Problem mit ihnen haben?“ Und wieder glitten seine Augen über die Straße und den angrenzenden Bürgersteig.

„Sie sehen mich nie an. Es wirkt, als würden sie mich meiden oder ablehnen“, kam es knapp von Ike. Er hatte in Reno bisher keine so offene Ablehnung erfahren, daher störte er sich jetzt daran.

Schmunzelnd sah ihn der blonde Polizist an: „Nichts von beidem. Mein Job ist es sie sicher ins Skycity zu bringen. Wenn ich nicht auf die Umgebung achte, sondern stattdessen sie anschmachte, wird das nichts. Ich mache nur meinen Job. Sollten wir uns einmal in der Freizeit treffen, dann sieht die Sache anders aus.“ Diese Aussage schloss der jüngere Mann mit einem Augenzwinkern ab. Danach setzte er lässig den Blinker links und parkte aus.

Im ersten Moment fehlten Ike die Worte. Als ehemaliger Staranwalt kannte er das gar nicht von sich. Doch er hatte nicht mit solch einem Konter gerechnet. „Gut.“ Nachdenklich musterte Ike seinen Chauffeur. Hatte der Kerl ihn gerade angemacht? Störte es ihn? Nach kurzem Nachdenken kam Ike zum Schluss, dass er es mochte. Es gab ihm nach all den Querelen der letzten Zeit ein gutes Gefühl nicht abgelehnt, sondern sogar begehrt zu werden. Zwar konnte er sich nicht vorstellen mit dem Polizisten wirklich etwas anzufangen, aber wenigstens ein Flirt war drin, sollten sie sich einmal privat über den Weg laufen.

 

Die restliche Fahrt verlief in auffälligem Schweigen, nicht einmal Musik füllte die Stille. Bewusst hatte Alexander, seine Familie nannte ihn Xander, das Radio ausgeschaltet, denn das lenkte ihn ab. Er liebte Musik und ließ sich von ihr gern gefangen nehmen. Er warf einen unauffälligen Blick auf den Mann neben sich. Dass er den neuen Richter so attraktiv fand, wunderte ihn ein bisschen. Bisher hatte er immer auf zierliche Twinks gestanden, doch der schwarzhaarige große Kerl sprach etwas in ihm an. Die gebräunte Haut und die sehnige Statur zeigten seine Vitalität und aus dem Polizeibericht wusste er, dass es sich bei seinem Schützling um einen ernstzunehmenden Gegner handelte, zumindest solange man ihn nicht mit einer Schusswaffe bedrohte. Für Selbstverteidigung musste man das Gegenüber schon auf Armlänge herankommen lassen. Einer Neun Millimeter war der Abstand aber egal, sie tötete auch aus zwanzig Metern Entfernung.

Direkt vorm Haupteingang des Skycity hielt Xander den Zivilwagen an und stieg zusammen mit Ike aus. Während der Richter seine Tasche aus dem Font des Autos nahm, überwachte er wie immer die Umgebung. Dabei traf sein Blick auf den von James Simmons, dem Sicherheitschef des Casinos. Wie es aussah wurden sie erwartet. Mit einem Nicken gab James dem Cop zu verstehen, dass die Umgebung gesichert und sein Schützling zumindest jetzt in Sicherheit war.

 

Als Ike sich dem Eingang näherte, beobachtete er diesen Austausch. Der Fremde kam ihm sehr gefährlich vor, wie einige seiner früheren Mandanten, die er für Geld rauspauken musste. Der dunkle Anzug und die kalten Augen machten jedem klar, dass mit ihm nicht gut-Kirschen-essen war. Eine Gänsehaut eroberte Ikes Rücken und ein Schauer raste seine Wirbelsäule hinunter. Mit dem Kerl wollte er nicht auf engem Raum eingesperrt sein.

 

„Keine Sorge. Das ist James Simmons, der Securitychef vom Skycity. Er wird für ihre Sicherheit Sorge tragen. Er ist ein Spezialist auf diesem Gebiet und sein Partner ein Organisationstalent. Sie werden bei ihnen in den besten Händen sein“, kam es beruhigend von Xander.

„Sie kennen ihn?“, kam die leise Erwiderung von dem Richter.

„Sicher. Mein Dad arbeitet am Empfang des Casinos. Ich kenne viele der Angestellten des Skycity, vor allem jene, die an meinem Ufer fischen. Außerdem trainiert das Sicherheitsteam des Casinos regelmäßig mit den Polizeitruppen, da wir eng zusammenarbeiten“, erklärte Xander. Dass er sich damit gegenüber dem Richter zu erkennen gab, störte ihn wenig. Nur bei seinen Eltern hatte er anfangs mit seiner Veranlagung hinterm Berg gehalten. Nachdem sein Dad dann aber eine Beziehung mit einem Mann eingegangen war, beschloss auch Alexander mit offenen Karten zu spielen. Seine Mutter hatte es nicht so gut aufgenommen und gab erst ihrem Exmann die Schuld daran. Doch natürlich hatte das eine nichts mit dem anderen zu tun. Nachdem sich seine Mum beruhigt hatte, setzte auch ihr Verstand wieder ein und sie erkannte, dass Adrian für Xanders Homosexualität so viel konnte wie für seine Haarfarbe. Die Genetik konnte manchmal ein ganz schönes Miststück sein, vor allem, wenn man die neusten Erkenntnisse zu Grunde legte, nach denen Adrian wirklich gar nichts dafür konnte.

 

Erstaunt sah Ike über seine Schulter den Cop an. Ob er seine Veranlagung ebenso wie Dwayne versteckte? Vermutlich, doch es sollte nicht sein Problem sein. Trotzdem sah er den Mann jetzt mit ganz anderen Augen. Noch immer hatte er ein eher gewöhnliches Gesicht und eine durchschnittliche Statur, auch wenn er wusste, dass er als Cop durchtrainiert sein musste. Sein Chief hätte ihm nicht diese Aufgabe übertragen, wenn er nicht leistungsfähig wäre. Als er den Polizisten genauer betrachtete, stachen ihm aber doch ein paar attraktive Merkmale ins Auge. Die Haare im Nacken bogen sich leicht aufwärts, vermutlich bekäme er Locken, wenn er sie länger trug, und um seine Augen lagen kleine Lachfältchen, die ihn sehr sympathisch aussehen ließen. Auch die Farbe seiner Iriden gefiel Ike sehr gut. Er konnte sich nicht erinnern jemals solch ein Blau gesehen zu haben, zumindest nicht in Natura. Irgend so ein gealterter Italo-Western-Schauspieler hatte auch solche stahlblauen Augen, doch der Name wollte Ike einfach nicht mehr einfallen.

 

„Herzlich willkommen im Skycity“, begrüßte James den ankommenden Bezirksrichter von Reno. Der Mann entsprach voll und ganz dem Erwarteten. Als Informationsquelle hatte Jim nicht nur das Dossier des ehemaligen Staatsanwalts von Chicago gedient, sondern auch sein Stellvertreter, der ebenfalls aus der Stadt am Michigansee stammte. Dass der Richter Dwaynes Ex war amüsierte Jim irgendwie. Die Situation konnte lustig werden, falls Phil, der Partner seines Stellvertreters, zur Eifersucht neigte.

 

„Danke“, erwiderte Ike und reichte James Simmons seine Hand, die sogleich akkurat geschüttelt wurde. Irgendwie hatte er erwartet, dass seine Finger zusammengequetscht würden. So konnte man sich irren.

Als sie in den Empfangsbereich vordrangen, wies Jim auf verschieden Einzelheiten hin: „Links neben dem Empfang geht es weiter zu den Aufzügen, an den Aufzügen vorbei befindet sich der Casinobereich. Gegenüber von den Aufzügen ist das „All-In“, unser Steak-Restaurant. Auf der rechten Seite ist der Wellnessbereich, die Konferenz- und Schulungsräume und natürlich unsere Ladenzeile, mit allem was das Herz so begehrt. Der mittlere Aufzug fährt ausschließlich hinauf ins Sky-Restaurant und zu der Sky-Lounge. Hier unten sind im Casinobereich noch zwei Bars integriert. Die anderen beiden Aufzüge fahren in die Hotelebenen.“ James marschierte weiter in Richtung Empfang und erwartete, dass ihm Ike und Alexander folgten.

Erstaunt sah Ike sich um. Er hatte in seinem ganzen Leben noch nie ein Casino betreten. Er hatte einfach nie den Wunsch danach verspürt und wunderte sich nun, dass es im Empfangsbereich aussah wie in jeder anderen Nobelherberge. Der Boden bestand aus Marmor, es gab mehrere Sitzgruppen mit ausgelegten Zeitungen und Zeitschriften, verborgen und separiert durch Ansammlungen von Topfpflanzen. Ebenso gab es die klassischen Telefonzellen, wobei sich der Besitzer diese Etablissements wirklich Mühe gegeben hatte. Es handelte sich um authentische Londoner Telefonzellen in klassischem Rot. Die Aufarbeitung hatte wahrscheinlich mehr gekostet als die Museumsstücke selbst. Aber es sah fantastisch aus. Bevor Ike sich alles ansehen konnte, erreichten sie schon den Empfang.

„Hallo Adrian“, begrüßte James den Concierge.

Lächelnd nickte Adrian, sah dann hinüber zu Ike und begrüßte diesen dienstbeflissen: „Herzlich willkommen im Skycity, Richter Drewer. Es ist uns ein Vergnügen sie als Gast begrüßen zu dürfen.“

Schmunzelnd nickte Ike. Sicher wusste der Mann hinter dem Tresen aus welchem Grund er hier eincheckte, doch er musste ja nicht die Stimmung verderben. So kurz vor Weihnachten sollte man etwas nachsichtig sein. Außerdem gefiel ihm der Gedanke die Feiertage nicht ganz alleine verbringen zu müssen. Ike hatte keine Familie mehr und früher hatte er Weihnachten mit Dwaynes Familie verbracht. Jetzt sah er ein paar einsamen Tagen entgegen, zumal er sich nicht einmal mit genügend Arbeit hatte eindecken können, da er dafür noch nicht genug auf dem Schreibtisch hatte.

Mit einem Lächeln begrüßte Adrian nun auch Alexander: „Hallo, Xander. Sehen wir uns an den Feiertagen?“

In diesem Moment erinnerte sich Ike daran, dass der Mann am Empfang der Vater seines Begleiters war. Interessiert verglich der die beiden Männer. Man sah die Verwandtschaft. Zwar hatte Adrian silberfarbenes Haar und braune Augen, aber die Grundzüge der Gesichter waren doch gleich. Auch die Körperhaltung zeigte, dass es sich um Vater und Sohn handelte.

„Ja, Dad. Aber erst am ersten Weihnachtsfeiertag. An Heilig Abend besuche ich abends Mum und am zweiten Weihnachtstag arbeite ich.“

„Schön, schön“, kam sogleich von Adrian Dobbs, bevor er sich wieder an Ike wandte. „Hier ist ihre Keycard für ihre Suite. Es sollte alles vorhanden sein, was sie benötigen. Wie mit der Security abgesprochen, möchte ich sie darum bitten beim Verlassen des Hotels immer ihre Card abzugeben. Sie werden während ihres Aufenthalts im Hotel mehrere Male umziehen, damit niemand herausfinden kann wo ihr Zimmer liegt. Es handelt sich um eine reine Sicherheitsmaßnahme.“

Dankbar nickte Ike und nahm das weiße Plastikkärtchen mit einem visitenkartengroßen Beleg entgegen. So konnte ohne darüber zu sprechen die Zimmernummer mitgeteilt werden.

„Der Beleg verbleibt bitte immer in ihrer Suite bis sie aus dieser ausziehen. Wenn der Zettel gefunden wird sind alle diese Maßnahmen umsonst“, kam es streng von Jim, der dabei auf den kleinen Beleg tippte.

Zustimmend nickte Ike und sah sich noch einmal in der Lobby um. Irgendwie fühlte er sich jetzt nicht nur beobachtet, sondern sogar ein wenig bedroht. Doch es gab außer ein paar anderen Gästen nicht viel zu sehen. Zwei wunderschön geschmückte Christbäume standen im Foyer, mehrere Girlanden aus Dauergrün und Lichterketten dekorierten Handläufe und Simse. Jedes Fenster trug eine Verzierung aus Eiskristallen und schimmernden goldgelben Lichtern. Sie blinkten in gleichmäßigem Rhythmus und verbreiteten ein warmes stimmungsvolles Licht. Dieses kleine Zeichen der Normalität halfen Ike wieder zu sich selbst zu finden. Die Angst tief in seinem Inneren legte sich und er kam zur Ruhe. Es half niemanden, wenn er sich verrückt machte.

Gemeinsam mit Jim und Alexander betrat er den Lift und sie fuhren hinauf in den fünften Stock. Nach wenigen Metern standen sie vor der Tür und Ike wollte sie schon öffnen, als er von Jim ausgebremst wurde.

 

„Es wird sie immer jemand hinaufbegleiten und auch ins Zimmer bringen. Entweder ihr Begleiter von der Polizei, einer meiner Mitarbeiter oder ich.“ Als Jim einen interessierten Funken in den Augen des Richters aufblitzen sah, beschloss er noch etwas konkreter zu werden. „Oft wird das auch mein Stellvertreter sein, doch der ist bis zum Jahreswechsel im Urlaub. Sie werden aber immer ausreichend abgesichert sein.“

 

Freude und Enttäuschung machten sich gleichzeitig in Ike breit. Er hatte sich darauf gefreut Dwayne wiederzusehen. Andererseits gefiel ihm der Gedanke nicht, dass es unter solchen Umständen war. Sein Ex hatte einen Heldenkomplex und es bestand die reale Gefahr, dass er wieder etwas mit ihm anfangen würde, nur weil er ihn beschützen wollte. So war Dwayne. Aber wenn Ike mit einem Mann zusammen war, dann wollte er, dass es um seinetwillen war und nicht wegen der Umstände.

 

Aufmerksam hatte Xander das Mienenspiel des Richters verfolgt. Der acht Jahre ältere Mann hatte ein sehr ausdrucksstarkes Gesicht, auch wenn seine Mimik und Gestik so gut wie nichts Preis gab. Nun ja, als Staranwalt und anschließend Staatsanwalt hatte er sich ja auch nicht in die Karten sehen lassen dürfen. Doch seine Augen erzählten ganze Romane, wenn man sich darauf konzentrierte in ihnen zu lesen. Der ganze Kerl hatte etwas fast mystisches. Die hohen markanten Wangenknochen und das glatte blauschwarze Haar passten perfekt zu dem Mann und doch ließ es ihn wirken, als stamme er aus einer anderen Welt. Zwar konnte Xander noch nicht sagen aus welcher Welt, aber definitiv nicht aus dieser. „In den nächsten Tagen, vermutlich bis nach Silvester, werde ich sie begleiten und daher auch zu ihrem Zimmer bringen. Danach kann dann Dwayne übernehmen.“ Xander wusste noch nicht, was es mit Ike und Dwayne auf sich hatte, aber er würde es in den nächsten Tagen schon noch herausfinden. Er könnte einfach im System nachsehen oder aber warten bis Ike es ihm erzählte. Er beschloss zu warten und sich die Infos direkt von der Quelle zu holen.

 

***

 

Wütend stapfte Peter O’Riordan durch das Clubhaus seiner Bürgerrechtsorganisation, deren Präsident er war. Seine Stiefelabsätze klackten im Stakkatotakt und er verfluchte im Moment jeden um sich herum. Seit er die Wahl zum Bezirksrichter verloren hatte beschattete er die Schwuchtel, die jetzt auf seinem Richterstuhl saß. Nach der beschissenen Wahl zweifelte Peter ernsthaft den gesunden Menschenverstand der Bürger dieser Stadt an, doch dann erkannte er, dass es am herrschenden Establishment lag. Unter den Geschäftsleuten gab es einige Schwuppen und diese zogen andere unweigerlich an. Dem musste Einhalt geboten werden und dafür war seine Organisation zuständig. Sie hatten es beharrlich mit Drohungen und Einschüchterung versucht, doch der Großstadtheini war wohl angstresistent. Daher hatte Peter eine Recherche in Auftrag gegeben, um alles über Ike Drewer herauszufinden. Der Kerl hatte sich mehr als ein Jahr als Staatsanwalt in Chicago gehalten, obwohl er nonstop angefeindet wurde. Entweder hatte der Idiot ein extrem dickes Fell oder war stur wie ein Auerochse.

Da ihre Bemühungen fruchtlos blieben, beschloss Peter größere Geschütze aufzufahren. Wenn Worte nicht genügen, mussten eben Taten folgen. Sorgsam hatten sie den Überfall geplant. Mehr als vier Wochen hatten seine Männer Drewer im Auge behalten, seinen Tagesablauf ausspioniert und herausgefunden, wo sie am besten zuschlagen konnten.

Letzten Endes hatte es wieder nicht funktioniert. Keiner hatte bei all den Informationen darauf geachtet, dass die Schwuppe seit Jahren einen seltsamen Sport trainierte. Jetzt wusste Peter was Krav Maga war. Dann eben anders. Über die Feiertage würde ihm schon eine passende Erwiderung einfallen.

Peter musste jetzt ein paar Aggressionen abbauen und da half nichts mehr als etwas Training an den Gewichten und dem Sandsack. Als Peter im Keller des Clubhauses ankam, griff er nach der Ampulle mit seinem Aufbaumittel. Sorgfältig zog er seine Spritze auf, wobei er mittlerweile nicht mehr nur dreißig Milliliter einfüllte, sondern schon fast vierzig. Er lebte nach dem Motto: Viel half viel. Seinem Körper konnte man das auch ansehen. Er sah aus wie ein fitter Dreißigjähriger ohne ein Gramm Fett und der passenden Muskelmasse dazu.

Dass er schon während des Trainings anfing über diverse Komplotte nachzudenken, die seine Mitarbeiter hinter seinem Rücken sicher ausheckten, bemerkte er gar nicht. Für ihn waren diese zwanghaften Vorstellungen schon so normal wie das Atmen. Es wurde mit jeder Injektion schlimmer und mittlerweile war er auf einer Straße ohne Widerkehr. Sein Gehirn nahm dauerhaften Schaden, ganze Bereiche wurden geschädigt und deformiert. Früher oder später würde er in einer Psychose versinken und nicht mehr daraus zurückfinden.

 

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