GEFÄHRLICH VERLIEBT IN PARAGUAY - Heinrich Düllmann - E-Book

GEFÄHRLICH VERLIEBT IN PARAGUAY E-Book

Heinrich Düllmann

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Beschreibung

Als beim gemeinsamen Spaghetti-Bolognese-Kochen plötzlich die Liebe hochkocht, wechseln Bea und Richi ganz schnell die Kochstelle. In letzter Sekunde denkt er noch daran, das Gas abzustellen, doch dann gibt es kein Halten mehr. Danach essen sie sogar noch die völlig weichgekochten Nudeln mit Appetit, weil Richi die Bolognese mit einem Schuss Worcestersauße raffiniert und schmackhaft verfeinert. Sie lieben sich allerdings in einer sehr gefährlichen Situation, denn Bea ist eine der Frauen, die sich Mafiaboss Don Carlos durch Gewalt und Erpressung gefügig gemacht hat. Die Gefahr verschärft sich noch, als auch Richi in die Abhängigkeit vom Mafiaboss gerät. Sie kämpfen um ihr Glück. Doch hat ihre Liebe unter diesen Bedingungen überhaupt eine Zukunft? In alle Unsicherheiten hinein fällt Bea eine folgenschwere Entscheidung … Der Roman spielt in Paraguay und erhält ein exotisches Flair. Auf dem Weg der Berg- und Talfahrt dieser Liebesgeschichte werden sozusagen im Vorbeigehen lateinamerikanisches Leben und landestypische Gebräuche eingestreut. Im Mitgehen und Erleben der handelnden Personen erscheint das Fremde nah, weil Liebe keine Grenzen kennt.

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Heinrich Düllmann

GEFÄHRLICH VERLIEBT IN PARAGUAY

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

GEFÄHRLICH VERLIEBT

SPAGHETTI BOLOGNESE UND WIE DIE LIEBE HOCHKOCHT

ABGESTÜRZT

ERWISCHT UND GEDEMÜTIGT

AUS DER BAHN GEWORFEN

DROGENKURIER

THEATER

DIE LIEBE KAM WIE EINE HEFTIGE GRIPPE

DER LANGE ABGANG

EIN NEUES KAPITEL IM DROGENHANDEL

MIT DON CARLOS IN DEN SCHLAF GESUNGEN

SZENEN

SCHLAGLÖCHER

 DIE ANGST IM NACKEN

DAMENOPFER

AUF DER FLUCHT

DEN SCHALTER UMLEGEN

UNTERM MANGOBAUM

EINE FOLGENSCHWERE ENTSCHEIDUNG

BEGRIFFSERKLÄRUNGEN

Impressum neobooks

GEFÄHRLICH VERLIEBT

GEFÄHRLICH VERLIEBT

Eng umschlungen küssen wir uns. Plötzlich löst sich Bea mit einem kräftigen Stoß aus der Umarmung, sodass ich fast das Gleichgewicht verliere.

»Versuch das nie wieder! Ich bin verheiratet und liebe meinen Mann«, fährt sie mich an.

Ich bin völlig verdutzt und verstehe nicht, warum sie jetzt als Schauspielerin agiert.

»Du musst das noch viel empörter zum Ausdruck bringen! Noch einmal, Bea, aber jetzt bitte mit mehr Power und Emotion!«, lasse ich mich geistesgegenwärtig auf die neue Situation ein und spiele den Regisseur.

Sie wiederholt ihren Part. 

»Toll gemacht, so klingt es überzeugend«, klatsche ich anerkennend in die Hände.

Es ist jemand ins Theater gekommen. Wahrscheinlich hatte sie Schritte gehört und deshalb so ungewöhnlich reagiert. Als wir uns zur Seite drehen, sehen wir Carlos.

»Hallo Carlos«, ruft Bea ihm zu und springt von der Bühne, um ihn mit einem Kuss zu begrüßen.

»Wir sind auch schon fertig«, sage ich und bin ich ebenfalls mit einem Sprung bei ihnen.

Carlos nickt zufrieden. »Das passt ja prima. Ich habe nämlich heute mit Bea noch einiges vor.«

»Davon weiß ich ja noch gar nichts«, antwortet Bea überrascht. Dann verabschiedet sie sich mit einem schnellen »Tschüss Richi« von mir, denn Carlos hat es eilig und drängt sie zum Ausgang.

Mich schüttelt es kräftig, denn ich muss mich jedes Mal gefühlsmäßig sehr zurücknehmen, wenn Carlos Bea berührt, um meine Abneigung ihm gegenüber nicht spürbar werden zu lassen. Seit zwei Monaten ist Bea am Theater und in der Schauspielschule. Wir haben uns schon nach kurzer Zeit ineinander verliebt. Doch jeder freie Moment, in dem wir zusammen sind und uns unsere Zuneigung zeigen, ist voller Angst, denn Carlos ist sehr misstrauisch und vor allem eifersüchtig. Wenn er uns erwischte, hätte das unvorhersehbare Konsequenzen.

Er ist sehr reich und hat in der Gegend von Villarica etwa 2000 Hektar Land, hauptsächlich Viehweiden, aber in anderen Teilen Paraguays kommt er locker auf 20000 Hektar.

Sein Name ist Programm. Programm für alle Rassen und Klassen von Verbrechen. Es gibt nichts, was man ihm nicht zutrauen würde. Überall hat er seine Finger im Spiel und ist durch ein fein gesponnenes Denunziantennetz bestens über alles informiert. Die örtlichen Polizeibehörden und die Obrigkeiten stören ihn schon lange nicht mehr, und viele nützliche Idioten tanzen nach seiner Pfeife. Alle kennen den Don, alle fürchten den Don. Er ist grausam und erbarmungslos konsequent im Durchsetzen seiner Forderungen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit gehen einige unaufgeklärte Morde und viele andere Verbrechen auf sein Konto. Einmal, danach nie wieder, kam er vor Gericht, weil er in seinem Jähzorn einen Menschen erschlug, der es gewagt hatte, seine Freundin anzupacken. Natürlich wurde er freigesprochen!

Bea ist eine seiner Frauen, die er sich gefügig gemacht hat. Aus nackter Angst hat sie sich ihrem Schicksal ergeben. Es ist in erster Linie die Angst, dass Carlos ihrer Familie was antun könnte, wenn sie nicht spurte oder weglaufen würde.

In dieser Situation leben wir also und zermartern uns, weil wir keine Zukunft für unsere Liebe sehen. Die Augenblicke, die wir miteinander verbringen, sind kostbar, und wir genießen sie so intensiv, wie es nur geht, auch wenn die Angst und die Vorsicht uns immer begrenzen.

Seit ich Bea liebe, werde ich von Eifersucht und Hass auf Carlos zerfressen. Diese Gefühle habe ich früher nicht gekannt, und sie haben mittlerweile ein Ausmaß angenommen, das mich beängstigt. Ich fühle mich abhängig von diesem Schurken und kriege ihn einfach nicht mehr aus meinem Kopf heraus. Sogar bis in meine Träume verfolgt er mich. Bea und ich haben noch nie darüber gesprochen, was wir tun können, aber immer häufiger spüren wir die quälenden Fragen, wenn wir uns in die Augen blicken. Wie lange können wir noch mit der Angst leben, erwischt zu werden? Wie können wir überhaupt jemals vom Don loskommen und unbeschwert glücklich werden? Ich bin total zerrissen und fühle mich abgrundtief hilflos.

Wie ein Verrückter renne ich mehrmals durch das Theatergebäude und springe dann die Stufen zu meiner über dem Theater liegenden Wohnung hinauf. Ich muss mich abreagieren, um nicht von meinen Gefühlen zermalmt zu werden. In der Küche präpariere ich mir einen Matetee und gehe dann zum Schreibtisch. Ich versuche, mich durch das Schreiben an meinem Theaterstück abzulenken. Oft schon ist es mir dadurch gelungen, in eine andere Welt einzutauchen und für eine Weile alles andere zu vergessen. So auch heute.

Bis tief in die Nacht hinein schreibe ich ohne Unterbrechung. Irgendwann bin ich so müde, dass ich mich einfach nur noch aufs Bett werfe.

Die Hausklingel holt mich aus dem Schlaf. Dieser schrille Ton ist mir schon im Wachzustand ein Gräuel, aber jetzt fahre ich im Bett hoch wie von der Tarantel gestochen. Ich schaue auf mein Handy. Es ist acht Uhr, der Schulbetrieb beginnt. Da ich noch angezogen bin, gehe ich zwar ein bisschen wackelig, aber zielstrebig einen Stock tiefer zur Eingangstür, die zum Theater und zur Wohnung führt. Obwohl ich einen besonders wachen Eindruck zu vermitteln versuche und die wartenden Schülerinnen und Schüler mit einem fröhlichen Guten Morgen begrüße, können sie sich das Lachen nicht verkneifen. Sie sehen sofort, nicht nur an meinem zerknitterten T-Shirt und den strubbeligen Haaren, dass ich gerade erst aufgestanden bin.

»So sehe ich halt aus, wenn ihr mich aus dem Bett schmeißt«, sage ich lächelnd und fahre mit meinen Händen durch die Haare, um noch verschlafener zu erscheinen. »Gebt mir zehn Minuten, um mich salonfähig zu machen. Überlegt in dieser Zeit, wie die dritte Szene spannend eröffnet werden kann.«

Es ist ein harter Vormittag, weil ich ständig gegen meine Müdigkeit kämpfen muss. Jedoch halten mich die jungen Leute durch ihre engagierte Mitarbeit auf Trab, sodass die Stunden schnell vorüber sind. Als der Klassenverbund sich um zwölf auflöst, spreche ich Bea an, die gerade den Klassenraum verlassen will.

»Bis heute Nachmittag, oder wollen wir etwas zusammen kochen?«

Sie bleibt stehen und schaut mich überrascht an, weil wir noch nie zusammen gekocht hatten.

SPAGHETTI BOLOGNESE UND WIE DIE LIEBE HOCHKOCHT

»Was kann ich tun?«, fragt Bea, als wir in der Küche sind. »Ich weiß gar nicht mehr, ob ich noch kochen kann. Die letzten fünf Jahre habe ich nicht mehr kochen brauchen.«

»Hast du früher in der Familie nicht gekocht?«

»Ja und nein. Für die Familie hat immer Mama gekocht. Wir Kinder mussten zuarbeiten, Mandioka waschen und schälen und Salat oder Gemüse putzen. Zweimal die Woche verkauften wir zweihundert Empanadas auf dem Markt in Villarica. Da ging es richtig zur Sache. An diesen Tagen mussten alle in der Familie ran und morgens schon um vier Uhr aufstehen. Bis sechs mussten die Empanadas fertig sein. Je früher wir auf dem Markt waren, umso schneller waren sie verkauft.«

»Puh, das war aber hart!«, sage ich anerkennend.

»Ja, aber wir brauchten unbedingt diese Einnahmen für den Lebensunterhalt der Familie, denn mein Vater hatte keine feste Arbeit und brachte als Tagelöhner meistens zu wenig Geld nach Hause.«

»Oje, ich habe nicht gedacht, dass du aus so einfachen Verhältnissen kommst!«

»Was kochen wir überhaupt, Richi?«, lenkt Bea vom Thema ab.

»Spaghetti Bolognese mit grünem Salat.«

»Lecker, das habe ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr gegessen.«

Ich gebe ihr den Salat. »Wasch und zerpflück ihn, ich werde in der Zwischenzeit alles zusammenstellen, was wir für eine gute Bolognese brauchen.« Ich hole die Zutaten aus dem Kühlschrank und von den Regalen und stelle sie auf die Ablage.

Bea blickt vom Spülbecken zu mir rüber und schmunzelt mich an. »Ich dachte, wir kochen ein einfaches und schnelles Gericht!« Sie kommt zu mir und schaut sich alles an. »Hackfleisch, Spaghetti, Zwiebeln, Tomaten, Salz und Pfeffer, vielleicht noch Knoblauch, das würde mir vollkommen reichen.« Bei der Aufzählung hält sie jede Zutat demonstrativ hoch und positioniert sie dann an einen anderen Platz.

»Mir reicht das nicht, Bea! Das ist die Basis, okay, aber für einen guten Geschmack brauchst du unbedingt noch Oregano, Peperoni, Karotten, Sellerie, Petersilie, selbst gemachte Rinderbrühe, einen guten Rotwein und zum Abschmecken immer einen kräftigen Spritzer Worcestersoße, die mir Freunde aus Deutschland mitbringen.«

Wie Bea nahm auch ich jede aufgezählte Zutat in die Hand und hielt sie ihr lächelnd vors Gesicht.

»Worcestersoße, igitt, das kann ich mir ja überhaupt nicht vorstellen! Meine Mutter hat immer einen Teelöffel Guayaba-Marmelade hineingetan. Mmh, das hat gut geschmeckt! Solltest du auch mal probieren!«

Ich nehme sie in die Arme und küsse sie. »Alles braucht einen krönenden Abschluss. Das ist nicht nur in der Liebe so, sondern auch beim Kochen. Bei der Bolognese ist das für mich die Worcestersoße. Ich hoffe, dass du es nachher auch schmeckst und zu honorieren weißt!«

Wir küssen uns nochmals und gehen wieder an die Arbeit. Während ich die Zwiebeln schneide, beschäftigt Bea sich wieder mit dem Salat. Ich schneide auch tapfer weiter, als mir die Tränen in die Augen steigen und die Nase zu kribbeln beginnt.

»Hatschi«, unterbreche ich dann doch und gehe zu ihr hin.

»Bist du schon überfordert?«, sagt sie und leckt mir mit der Zunge die Tränen ab. Als ich sie küssen will, legt sie ihre Hand auf meinen Mund. »Jetzt nicht, sonst werden wir nie fertig. Lass mich die Zwiebel schneiden!«

Während Bea schneidet, stelle ich die Töpfe auf den Gasherd.

»Holt dich Carlos heute auch wieder ab?«

»Nein, er ist unterwegs. Das war gestern sowieso eine große Ausnahme. Seit zwei Wochen hatten wir keinen Kontakt mehr. Doch gestern … bei ihm weiß ich nie, woran ich bin. Er ist unberechenbar.«

»Wie bist du überhaupt an diesen Kerl geraten?«

»Willst du mir den Appetit verderben?«

»Natürlich nicht. Aber ich verstehe einfach nicht, wie du dich mit solch einem Schurken einlassen konntest!«

Sie erregt sich heftig und antwortet aggressiv: »Meinst du etwa, ich hätte mit einem solchen Mistkerl angebändelt, wenn ich schon damals gewusst hätte, was für ein gemeiner und hinterhältiger Schuft er ist?« Sie blickt mich streng und ziemlich ärgerlich an.

»Natürlich war er ganz anders, als ich ihn kennenlernte, er war sehr charmant, humorvoll und äußerst sympathisch. Aber das erzähle ich dir später einmal, jetzt wollen wir kochen. Die Zwiebeln sind geschnitten. Was kommt jetzt?«

»Jetzt brate ich das Hackfleisch an.«

»Nicht zuerst die Zwiebeln?«

»Nein, das geht überhaupt nicht. Zuerst das Fleisch, dann die Zwiebeln.«

»Wenn du meinst«, antwortet sie wenig überzeugt.«

»Bea, im Moment gibt es für dich nichts zu tun, deshalb könntest du doch noch ein bisschen erzählen«, muntere ich sie auf.

Sie reagiert überraschend entspannt und tippt mir an die Nase.

»Du alter Quengler. Aber ich werde dir trotzdem genau auf die Finger gucken!«

»Mach das! Ich kann auch beim Kochen ganz gut zuhören!«

»Zuerst will ich dir noch einiges über meine Familie erzählen. Meine Eltern sind einfache Leute, meine Mutter spricht kaum Spanisch. In ihrer Gegenwart wird deshalb nur Guarani gesprochen. Aber es war ihnen sehr wichtig, dass alle Kinder eine gute Schulbildung bekamen. Ich hatte gerade das Abitur gemacht, als ich von meiner Cousine zu dem bedeutendsten Fest in unserer Region eingeladen wurde, zum Ball der Viehzüchtervereinigung. Natürlich freute ich mich riesig, und es war eine besondere Ehre für mich, mit den Reichen und Schönen zu feiern. Das Problem war nur, dass ich nichts Passendes zum Anziehen hatte. Ich wollte aber top aussehen, um nicht gleich als Dorftrampel abgestempelt zu werden. Da ich kein Geld für neue Klamotten hatte, klapperte ich die Verwandtschaft ab, ging zu Freundinnen, um mir was auszuleihen. Das war eine Tortur, kann ich dir sagen. Aber es klappte dann doch nach unzähligen Versuchen. Wie glücklich war ich, als ich meiner Familie ein mega-schönes Kleid präsentieren konnte, dazu noch passende Schuhe und sogar eine extravagante Handtasche.

So kam der große Tag. Jetzt ging es darum, meine Schönheit ins beste Licht zu rücken. Ich freute mich, dass mich darin meine Schwestern unterstützten, obwohl sie alle auf mich neidisch waren! Als ich dann perfekt geschminkt und frisiert mit meiner Galaausstattung auf die Veranda trat, wurde es laut. Wow!, begeisterten sich meine Schwestern. So wirst du jedem Mann den Kopf verdrehen!

Meine Cousine wartete schon. So verabschiedete ich mich von der vollständig versammelten Familie. In den Augen meiner Eltern erblickte ich den Stolz über ihre schöne Tochter, und meine Brüder pfiffen mir hinterher, als ich gemächlich zum Auto stolzierte, an dem ich von meiner Cousine und ihrem Mann herzlich begrüßt wurde. Stopp, Bea, noch nicht einsteigen. Wir wollen vorher noch ein Foto von dir machen, rief mir meine Schwester Lia nach und knipste einige Bilder.«

»Wie viele Geschwister hast du?«, unterbreche ich sie, als ich die Zwiebeln zum Fleisch gebe. Bea sitzt inzwischen auf der Ablage neben dem Herd.

»Wir sind sechs Mädchen und sieben Jungens.«

»Aber du bist die Schönste, Morena«, sage ich und küsse sie.

»Bei dieser Behauptung würden dir meine Schwestern bestimmt die Augen auskratzen!«   

»Dieses Risiko würde ich eingehen!«

»Tapfer, Liebster«, streichelt sie über meine Wange. »Aber jetzt erzähle ich weiter!«

ABGESTÜRZT

»Es war ein berauschendes Fest. Ich fühlte mich wohl zwischen den Leuten. Ich konnte jeder Frau das Wasser reichen, was Attraktivität und Kleidung betraf. Rein äußerlich betrachtet gab es endlich mal keinen Klassenunterschied zu erkennen. Ich tanzte die ersten Tänze mit dem Mann meiner Cousine. Das gefiel ihr überhaupt nicht, auch deswegen nicht, weil meine Schönheit sie an diesem Abend glatt in den Schatten stellte.

Dann kam Carlos auf mich zu und bat mich um einen Tanz. Mein Herz zappelte. Don Carlos will mit mir tanzen? Natürlich hatte ich von ihm gehört. Als ich dann aber in seine dunklen Augen sah, die mich anstrahlten, sein Lächeln erblickte, seine charmante und witzige Art, mich aufzufordern, als so angenehm empfand, da spielte dieser Klassenunterschied keine Rolle mehr. Ich tanzte mit ihm, nicht nur einmal, sondern immer und immer wieder drehten wir unsere Runden auf der Tanzfläche, und ich genoss es, dass die Leute verstohlen oder offen zu uns hinblickten. Ich war von seinen einfühlsamen Gesten angetan, mit denen er mir Wertschätzung entgegenbrachte. Ich war berauscht, wie cool und leidenschaftlich er mich umgarnte. Es war einfach schön, und so etwas wie Verliebtsein nistete sich bei mir ein.

Richi, heute ist das so unwirklich für mich, dass mir kotzübel wird, wenn ich nur daran denke. Ich kann es mir nicht verzeihen und schäme mich so, für ihn Gefühle gehabt zu haben! Weißt du, worüber ich mich auch sehr wundere und was mich sogar ein wenig erschreckt?«

Sie zieht mich zu sich hin, um mir in die Augen zu schauen. »Dass ich dir das alles ohne jegliche Bedenken erzählen kann. Bisher habe ich mit niemand, auch nicht mit meiner Familie, darüber sprechen können. Ich habe gar keine Angst, dass du mein Vertrauen missbrauchen könntest!«

Ich spüre, dass ich jetzt nichts sagen sollte, dass jedes Wort zu nichtssagend sein könnte. Wir blicken uns lange an. Nach einer gefühlten Ewigkeit schnappt sie mich energisch und küsst mich kurz, aber wild.

»So, jetzt gehst du an deine Arbeit und ich versuche, den Faden wieder aufzunehmen.«

»Bevor du weitererzählst, probiere doch bitte mal die Soße. Ich würde noch mehr Chili und Oregano reintun.«

»Das tue ich ganz bestimmt nicht, ich lasse mich gerne überraschen und bin jetzt schon gespannt, was die Worcestersoße bei mir auslöst.«

Während ich nachwürze und abschmecke, erzählt Bea weiter.

»Carlos imponierte mir. Ich glaubte, auch bei ihm Gefühle für mich entdeckt zu haben. So verging Tanz um Tanz, und wir kamen uns dabei auch körperlich immer näher. Bestimmt war ich zu naiv, mit einem wie Carlos diese Nähe zuzulassen, aber ich wollte mir diese knisternde Spannung nicht durch noch so berechtigte Bedenken kaputt machen lassen. Ich wollte diesen Abend und die Nacht einfach nur unbeschwert genießen und sehen, was passiert.

Und es passierte. Wir schliefen nicht nur in dieser Nacht miteinander. Er holte mich sogar zu sich nach Hause auf seine Finca, auf der ich in Luxus lebte und mich das erste Mal nicht mehr um die Alltäglichkeiten des Lebens, kochen, putzen, waschen und anderes, kümmern musste. Ich war einfach nur glücklich.

Ja, Richi, ich konnte mein Glück gar nicht fassen, so überschwänglich war mein Gemütszustand.«

Ich lasse sie nicht mehr aus den Augen und halte ihre Hände. Die Spaghetti waren schon im kochenden Wasser und die Soße köchelte vor sich hin. Sie erzählt weiter und ich spüre und höre, wie angespannt sie ist.

»Doch schon nach einigen Wochen zerplatzte dieses Glück wie eine Seifenblase. Ich war ihm lästig geworden durch meine Gefühle für ihn. Er wollte nur Sex, ich wollte aber auch Liebe. Das passte nicht zusammen. Irgendwann sagte er mir das auch hammerhart: Bea, du gehst mir auf den Keks mit deiner Gefühlsduselei. Das wird mir zu eng. Ich genieße den Sex mit dir, aber mehr ist da nicht. Ich kann dich hier nicht mehr brauchen. Du wohnst ab jetzt in meiner Rosa Villa in Villarica, die ist gerade frei geworden.«

Plötzlich löst sie sich aus meinen Armen, springt von der Ablage und klammert sich ganz fest an mich. Sie legt ihren Kopf auf meine Schulter und setzt fort. Ich denke, damit ich sie beim Erzählen nicht ansehen kann.

»Ich kochte vor Wut und spürte die Zornesröte in meinem Kopf hochziehen. Ich glaubte verglühen zu müssen und fauchte ihn an: Du meinst also, dass ich hier an deiner Seite nichts mehr zu suchen habe, aber als Hure noch gebraucht werde? Verstehe ich das richtig, Carlos? – Ja, du verstehst das richtig, sagte er in einer selbstverständlichen Gelassenheit, die mich noch rasender machte, sodass ich wie wild auf ihn losstürmte und ihm an die Gurgel ging. Er befreite sich sofort von mir, packte mich, stellte mich vor sich hin und schlug mir mit aller Härte ins Gesicht, sodass ich umfiel.

Wenn du das noch einmal machst, fällst du tot um. Widerspruch und Widerstand dulde ich nicht. Ist das klar?, schrie er mich an. Dann riss er mich brutal und wutentbrannt wieder hoch, schaute mir mit seinem jähzornigen Blick in die Augen und schmiss mich mit voller Wucht wieder auf den Boden. Ich schicke dir Lisa, die soll dich verarzten, und morgen sprechen wir wieder. Und – versuche erst gar nicht zu fliehen. Es ist zwecklos! Du weißt ja, ich habe scharfe Hunde und aufmerksame Bodyguards. Wenn die dich ich in die Finger kriegen …«, sagte er und verschwand.

Fünf lange Jahre bin ich nun schon in seinen Händen und tue bedingungslos, was er will.«

Bea nimmt ihren Kopf von meiner Schulter und blickt mir in die Augen.

Ich halte ihrem intensiven Blick stand und sage nichts. Es erstaunt mich, wie emotionslos sie diese letzte Passage mit den Dialogen erzählt hat, so, als ob sie gar nicht selbst darin verwickelt gewesen wäre. Ihr Körper hat sich entspannt und wir nehmen uns wieder in die Arme.

»Danke, dass du mir das erzählt hast.«

»Ich danke dir auch, Richi, es hat mir sehr geholfen, dass ich meine Scham überwinden konnte und du mich ermutigt hast, dir endlich meine grauenhafte Situation zu schildern.«

Nach einer Pause, in der wir zärtlich umarmt bleiben, nimmt sie meinen Kopf zwischen ihre Hände und fragt mich mit einem zögerlichen Klang in der Stimme: »Liebst du mich immer noch?«

»Ja, wie verrückt!« Ich stelle das Gas ab, denn jetzt gibt es kein Halten mehr. Küssend verlassen wir die Küche. Bis zum Schlafzimmer kommen wir nicht mehr. Wir lassen uns auf dem nackten Holzboden des Wohnzimmers nieder und übergeben uns der Lust. In diesem Moment fühlen wir uns grenzenlos und können uns das erste Mal hemmungslos und ungebremst lieben.

Als wir nach dem Duschen wieder angezogen in der Küche stehen, frage ich Bea: »Hast du Hunger?«

»Und wie! Vor allem freue ich mich schon auf den Spritzer Worcestersoße.«

»Dann werde ich die Bolognese nochmals aufkochen und abschmecken.«

»Mach das, ich kümmere mich inzwischen um die Spaghetti.«

Sie prüft sie mit einer Gabel und ruft dann entsetzt: »Oje, sind die weich geworden! Wenn deine Soße nicht so gut schmeckt, wie du mir vorgeschwärmt hast, können wir die Spaghetti den Schweinen zum Fraß geben!«

ERWISCHT UND GEDEMÜTIGT