Gefährliche Vergangenheit: Ein Verona Bay Roman - Katie Reus - E-Book
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Gefährliche Vergangenheit: Ein Verona Bay Roman E-Book

Katie Reus

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Beschreibung

Sie hat alles auf einen Schlag verloren …

Autumn Perez war erst zweiundzwanzig, als sie Zeugin eines brutalen Mordes wurde und ihr gesamtes Leben aufgab, um den Mörder hinter Gitter zu bringen. Ein Jahrzehnt später ist sie durch das Zeugenschutzprogramm im malerischen Verona Bay gelandet, wo sie an der örtlichen Highschool Kunst unterrichtet. Es ist ein ruhiges Leben … bis sie in einen weiteren schrecklichen Vorfall verwickelt wird, der die US-Marshals dazu verleitet, sie erneut umsiedeln zu wollen. Aber Autumn ist es leid, wegzurennen – sie hat sich hier ein Leben aufgebaut, hat Freunde. Und jetzt ist sie nach einem wahnsinnig heißen One-Night-Stand mit ihrem sexy Nachbarn auch noch schwanger.

Diesmal wird sie nicht wegrennen …

Lincoln Jordan steht schon eine ganze Weile auf seine talentierte und umwerfend schöne Nachbarin Autumn. Die Anziehung zwischen ihnen ist unbestreitbar und nach ihrer unglaublichen gemeinsamen Nacht will er mehr – aber sie scheint entschlossen, ihn auf Abstand zu halten. Doch als herauskommt, dass jemand sie umbringen will, ist er da, um sie zu beschützen. Denn der Feind ist weitaus näher als sie gedacht hätten.

Alle Teile der Verona Bay Reihe:
Tödliche Andenken
Gefährliche Vergangenheit
Stiller Beschützer

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Veröffentlichungsjahr: 2024

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GEFÄHRLICHE VERGANGENHEIT

EIN VERONA BAY ROMAN

KATIE REUS

ÜBERSETZT VONMICHAEL DRECKER

Gefährliche Vergangenheit

Ein Verona Bay Roman

Copyright © 2020 Katie Reus

* * *

Coverdesign von: Sweet ‘N Spicy Designs

Übersetzer und Herausgeber: Michael Drecker

Stühmeyerstraße 54, 44787 Bochum, Deutschland

Die Geschichte in diesem Buch ist frei erfunden. Die Namen, Charaktere, Orte und Begebenheiten entstammen der Fantasie der Autorin und existieren nicht wirklich. Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen, geschilderten Ereignissen, Örtlichkeiten oder Einrichtungen sind rein zufällig. Alle Rechte vorbehalten. Mit Ausnahme von Zitaten, die in Rezensionen verwendet werden, darf dieses Buch ohne schriftliche Genehmigung der Autorin weder reproduziert noch in jeglicher Art und Form verwendet werden.

Bitte geben Sie auch keine Kopie dieses Buches weiter. Mit dem Kauf sind Sie berechtigt, eine legale Kopie für Ihr eigenes, persönliches Lesevergnügen auf Ihrem persönlichen Computer oder Lesegerät anzufertigen. Sie sind nicht berechtigt, dieses Buch in jeglicher Art und Form mit derzeit bekannten oder noch nicht erfundenen Methoden an irgendjemanden weiterzuverkaufen, zu vertreiben, zu drucken, weiterzugeben oder dieses Buch in einem Datenaustauschprogramm hochzuladen. Wenn Sie dieses Buch mit einer anderen Person teilen möchten, so kaufen Sie bitte ein weiteres Exemplar für jede Person, mit der sie es teilen wollen. Bitte respektieren Sie das Werk und die Arbeit der Autorin.

Sie hat alles auf einen Schlag verloren …

Autumn Perez war erst zweiundzwanzig, als sie Zeugin eines brutalen Mordes wurde und ihr gesamtes Leben aufgab, um den Mörder hinter Gitter zu bringen. Ein Jahrzehnt später ist sie durch das Zeugenschutzprogramm im malerischen Verona Bay gelandet, wo sie an der örtlichen Highschool Kunst unterrichtet. Es ist ein ruhiges Leben … bis sie in einen weiteren schrecklichen Vorfall verwickelt wird, der die US-Marshals dazu verleitet, sie erneut umsiedeln zu wollen. Aber Autumn ist es leid, wegzurennen – sie hat sich hier ein Leben aufgebaut, hat Freunde. Und jetzt ist sie nach einem wahnsinnig heißen One-Night-Stand mit ihrem sexy Nachbarn auch noch schwanger.

Diesmal wird sie nicht wegrennen …

Lincoln Jordan steht schon eine ganze Weile auf seine talentierte und umwerfend schöne Nachbarin Autumn. Die Anziehung zwischen ihnen ist unbestreitbar und nach ihrer unglaublichen gemeinsamen Nacht will er mehr – aber sie scheint entschlossen, ihn auf Abstand zu halten. Doch als herauskommt, dass jemand sie umbringen will, ist er da, um sie zu beschützen. Denn der Feind ist weitaus näher als sie gedacht hätten.

INHALT

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Liebe LeserInnen

Weitere Bücher von Katie auf Deutsch

Danksagungen

Über die Autorin

Für all die Träumer, Kreativen und Künstler da draußen! Egal, welches Medium ihr nutzt, macht weiter damit, denn ihr alle verändert mit eurer Kunst die Welt. Und Kunst und Unterhaltung brauchen wir gerade mehr denn je.

PROLOG

Ana schob den Objektivdeckel von ihrer Kamera und näherte sich der nächsten Gasse. Gerade arbeitete sie für ihren Chef und Mentor an einem Projekt, bei dem die Armut in der Gegend hervorgehoben werden sollte. Das hier war ihr letzter Abend und sie hatte bereits einige unglaubliche Aufnahmen eingefangen. Es ging auf Mitternacht zu und sie war fast so weit, ins Fotostudio zurückzukehren.

Sie war hier im Laufe der Jahre schon oft gewesen – hatte sogar mehr Zeit in diesen Straßen verbracht, als ihr lieb war, denn als sie in die neunte und zehnte Klasse gegangen war, waren sie und ihre Mutter obdachlos gewesen. Es war keine einfache Kindheit gewesen, doch sie fühlte sich hier eine ganze Ecke wohler als bei ihren Freunden aus der Uni.

Am Anfang der Gasse konnte sie zwei Männer streiten sehen, von denen der eine den anderen gerade gegen die bröckelige Ziegelsteinwand schubste. Anstatt die Gasse also als Abkürzung zu benutzen, kehrte sie um und ging weiter den Bürgersteig entlang. Sie mochte sich hier zwar wohl fühlen, aber sie hatte keinen Todeswunsch. Die Gewalt in dieser Gegend war nicht allzu schlimm, aber sie kam vor. Und wenn das zwei Drogensüchtige waren, die sich wegen etwas stritten, wollte sie nicht zwingend in deren Nähe sein.

Die Bürgersteige in dieser speziellen Straße waren in ordentlichem Zustand. Eine kleine Geldwechselstube und das Pfandleihgeschäft hatten beide Gitter vor den Fenstern, doch der Barbershop und der Minimarkt hatten das nicht. Sie winkte Mr. Sanz zu, dem Besitzer des Minimarktes – ein Mann, den sie ins Herz geschlossen hatte. Als sie und ihre Mutter hier auf der Straße gelebt hatten, hatte er ihnen gegeben, was er konnte, und war einer von vielen Leuten gewesen, die ihnen geholfen hatten, wieder auf die Beine zu kommen.

„Ana!“ Er unterbrach sein Fegen und lehnte seinen Besen gegen die geschlossene Ladentür. „Was machst du so spät noch hier?“, fragte er und beantwortete direkt seine eigene Frage. „Ah, du machst immer noch deine Fotos, wie ich sehe.“

Sie lachte leicht und nickte. „Natürlich.“ Auf eine Eingebung hin hob sie ihre Kamera, und schoss ein Bild von seiner Ladenfront. Und dann von ihm.

Er lachte auf diese aufrichtige Art, die ihr schon immer ein Lächeln entlockt hatte. Der Mann war seit vierzig Jahren verheiratet, hatte fünf erwachsene Töchter und war eine feste Institution hier.

„Wie läuft das Geschäft?“, fragte sie.

Er zuckte mit einer Schulter. „Gut genug, um die Rechnungen zu bezahlen.“

Sie grinste über seine typische Antwort. „Gut. Hey, ich hab gehört, dass Ale“, seine älteste Tochter, Alejandra, „befördert worden ist.“ Ana wusste nichts Genaueres, nur dass es etwas mit dem Büro der Bezirksanwaltschaft zu tun hatte.

Das Lächeln, mit dem er sie daraufhin ansah, hätte die ganze Straße erleuchten können. „In ein paar Jahren wird mein Mädchen den ganzen Laden da leiten. Wir sind so stolz.“

„Das solltet ihr auch sein.“

„Und auf dich sind wir auch stolz. Hector meinte zu mir, dass du eines Tages noch berühmt werden wirst.“

Sie schnaubte leicht und schüttelte den Kopf über dieses Lob. Hector, ihr Chef und Mentor, erzählte das den Leuten ständig. Doch sie war einfach nur froh, dass er überhaupt an sie glaubte. „Ich hoffe nur, dass ich weiter das machen kann, was ich liebe.“ Für sie war ihre Kunst immer eine Konstante gewesen. Kunst und Bücher, was im Prinzip dasselbe war, nur in verschiedenen Medien. Bücher und ihre Fotografie hatten ihr während dieser harten Jahre geholfen, geistig gesund zu bleiben, und hatten ihr beigebracht, die Welt durch eine andere Linse zu sehen. Um ein kleines Wortspiel zu bemühen.

Er gab einen brüsken Laut von sich. „Quatsch, wenn er das sagt, wird das auch stimmen. Ich habe gehört, dass du dein Studium mit Auszeichnung abgeschlossen hast. Wir sind wirklich stolz auf dich. Die ganze Nachbarschaft.“

Sie schluckte schwer, als ihr unerwartete Tränen in die Augen treten wollten, doch sie blinzelte sie rasch weg. „Danke dir. Ich glaube nicht, dass ich ohne deine Güte, und die der anderen, hier wäre. Ich werde euch auf ewig dankbar sein.“

Jetzt war er derjenige, der ihren Dank abwinkte und wirkte, als wäre es ihm unangenehm. Dann trat er einen Schritt beiseite und öffnete die Tür für eine Kundin, die Ana als Krankenschwester wiedererkannte. Wahrscheinlich kam sie gerade von der Spätschicht.

„Ich lass dich mal weitermachen“, murmelte sie. „Bis bald.“

Er nahm wieder seinen Besen zur Hand, nickte und folgte der Frau in seinen Laden. Fünf Minuten später öffnete Ana die Tür zu Hectors Fotostudio und schloss direkt hinter sich wieder ab. Sie wollte die Bilder von heute Abend schnell entwickeln und dann nach Hause gehen und sich ein langes Bad gönnen.

Sie eilte durch das Fotostudio, auch im Dämmerlicht in der Lage, durch die Ausstellungsstücke zu navigieren. Im Flur ging sie in Richtung Dunkelkammer, hielt aber inne, als sie an Hectors Büro vorbeikam und auf einem der Monitore für die Überwachungskameras eine Bewegung sah. Hector war schon vor Stunden nach Hause gegangen, aber seine Kameras liefen rund um die Uhr.

Sie betrat sein Büro, beugte sich über den Schreibtisch und sah angestrengt auf die Monitore. Es war schwer auszumachen, was darauf vor sich ging, aber es sah so aus, als würde irgendwer etwas in ihren Müllcontainer schmeißen.

Sie stieß ein genervtes Knurren aus. Das musste der Besitzer des neuen italienischen Restaurants zwei Straßenblöcke weiter sein. Im Laufe des letzten Monats hatte er ständig jemanden losgeschickt, um hier und an anderen Stellen des Blocks altes Essen wegzuschmeißen, anstatt seinen eigenen verdammten Müllcontainer zu benutzen. Aber nicht heute Nacht.

Mit wachsender Verärgerung eilte sie aus dem Büro und schritt zur Hintertür. Rasch schob sie den Türriegel beiseite und schaltete die Außenbeleuchtung ein – sie hatte Hector schon mehrfach gesagt, dass er diese über einen Bewegungsmelder steuern sollte. Wer auch immer dieser Penner war, er würde eine große Überraschung erleben.

Als sie in die Gasse hinaustrat, hievte ein Mann, der in etwa ihr Alter hatte und vermutlich auch noch zur Uni ging, etwas – jemanden! – in den Container.

Oh Gott. Das waren nackte Beine. Ein Fetzen von etwas Pinkem. Rot, das die reglosen Beine der Frau herablief.

Ana erstarrte und ihr Atem ging rasselnd ein und aus. Dann traf ihr Blick auf seinen.

Er ließ los und der Körper fiel polternd in den Müllcontainer. Er starrte sie an und die dunklen Tiefen seiner Augen füllten sich umgehend mit Wut, während er auf sie zu kam.

Instinktiv hob sie ihre Kamera hoch und begann, Fotos mit Blitzlicht zu schießen. Sie musste ihn blenden, um fliehen zu können. Und Hilfe zu rufen.

Blitz. Blitz. Blitz.

Er stieß ein wütendes, bestialisch klingendes Knurren aus, und stürmte auf sie zu.

Sie wirbelte herum und rannte wieder ins Innere – und rammte den Türriegel gerade noch rechtzeitig zu, bevor sich jemand mit voller Wucht gegen die Tür warf.

Bumm! Bumm! Bumm!

Obwohl sie wusste, dass er nicht durch die Stahltür kommen würde, rannte sie trotzdem davon weg und zurück in das Büro, wo sie ihr Handy liegengelassen hatte. Mit klammen Händen und rasendem Herzen wählte sie den Notruf. Normalerweise rief sie nicht gerne die Polizei, aber jetzt hatte sie keine andere Wahl.

„Polizeilicher Notruf, wie kann ich Ihnen helfen?“

„Ich habe gerade gesehen, wie jemand eine Leiche entsorgt hat! Ich brauche Hilfe. Ich bin im Las Olas Kunststudio auf der Berger Street.“

Das Geräusch von zersplitterndem Glas ließ sie erstarren. Hatte der Typ die Vordertür aufgebrochen? Sie hatte keine Zeit gehabt, die Alarmanlage wieder scharfzustellen oder sonst irgendwas zu tun. Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott!

„Ich glaube, er ist jetzt im Studio“, flüsterte sie entsetzt.

„Ma‘am, ich habe einen Streifenwagen zu Ihnen geschickt. Sie sind in sieben Minuten da.“ Die ruhige Stimme der Telefonistin brachte Ana dazu, auch ruhig werden zu wollen. „Sie müssen etwas finden, wo Sie sich verstecken können.“

So leise sie konnte, spähte Ana zur Bürotür hinaus. Die Tür war zu instabil, um sie abzuschließen und dahinter sicher zu sein. Sie musste es zur Dunkelkammer schaffen – dort gab es eine verstärkte Tür und eine Türverriegelung. Sie hörte ein Poltern und dann ein Klappern von etwas, das über den Boden schlitterte. Wer auch immer das war, musste gegen eines der Ausstellungsstücke gestoßen sein.

Mit einem Herzschlag wie ein unkontrollierbarer Trommelwirbel in ihrer Brust, schlich sie durch den Flur und dorthin, wo das Bedienfeld für die Alarmanlage war. Die Polizei mochte unterwegs sein, aber irgendetwas sagte ihr, dass sie diese Person nur davonjagen konnte, wenn sie einen tatsächlichen Alarm auslöste. Als sie das Bedienpanel in der Wand erreichte, drückte sie auf den einzigen roten Knopf dort.

Augenblicklich zerriss das Plärren einer Sirene die Luft und Ana rannte geduckt in die Dunkelkammer und verriegelte die Tür hinter sich. Diese war zwar nicht aus Stahl, aber sie konnte wenigstens versuchen, sich hier zu verstecken. Sie schaltete das matte Rotlicht aus und durchquerte den stockdunklen Raum allein aus dem Gedächtnis.

„Ma’am?“

„Ich kann jetzt nicht reden“, flüsterte sie zur Telefonistin. Sie hörte, dass die Frau etwas erwiderte, antwortete aber nicht darauf. Die Angst hatte ihre Kehle zu sehr zugeschnürt, als dass sie ihre Stimme noch hätte benutzen können.

Sie huschte zu einem Schrank, kauerte sich hinein und zog die Tür zu. Dann schob sie ihr Handy in die Hosentasche ihrer Jeans und betete still. Sie hatte seit sie vierzehn war nicht mehr gebetet, aber gerade hatte sie das Gefühl, dass es helfen könnte.

Sie wusste nicht, wie viel Zeit verging, während sie in diesem kleinen Schrank hockte, doch es fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Der vertraute Geruch von Entwicklerlösung überdeckte die meisten anderen Gerüche und brachte ihr ein seltsames Gefühl von Geborgenheit.

Der Alarm brach abrupt ab und der Schock für ihre Sinne ließ sie gegen die Tür prallen.

Sie blinzelte in die Dunkelheit und die plötzliche Stille, und fuhr zusammen, als es auf einmal gegen die Tür der Dunkelkammer hämmerte.

Mit zitternden Fingern zog sie ihr Handy wieder aus der Hosentasche. Ohne das Plärren des Alarms konnte sie wieder hören und es sah so aus, als wäre die Telefonisten immer noch in der Leitung.

„Polizei!“, rief ihr eine fordernde Stimme von irgendwo draußen zu.

„Jemand, der sagt, er wäre von der Polizei, ist hier“, flüsterte sie in ihr Handy. „Ich verstecke mich in der Dunkelkammer.“

„Meine Kollegen haben das Fotostudio gesichert“, sagte die Telefonistin. „Sie sind jetzt in Sicherheit. Ich werde die beiden wissen lassen, dass Sie jetzt rauskommen. Okay?“

Erleichtert stieß sie den Atem aus. „Okay.“

Unfähig, ihr Zittern zu unterdrücken, öffnete sie die Schranktür und wappnete sich für einen Angriff, obwohl sie wusste, wie unwahrscheinlich das war. Sie tastete sich die Wand entlang und hielt inne, als sie den Lichtschalter fand und ihn dann umlegte. Ein sanftes, bernsteinfarbenes Licht erhellte den Raum und gab ihren Augen Zeit, sich daran zu gewöhnen. Es war niemand da. „Ich komme jetzt raus“, sagte sie der Telefonistin.

Die Zeit schien sich zu verlangsamen, während sie durch den kleinen, dunklen Raum ging. Alles an dem heutigen Abend war völlig surreal. Sie öffnete die Tür und stand einem Mann und einer Frau gegenüber, beide in Uniform.

„Ana Diaz?“, fragte die Frau.

Sie starrte sie an und fragte sich, woher die Frau ihren Namen kannte. Hatte sie den der Telefonistin genannt? Sie glaubte nicht.

„Sie haben uns über Ihr Handy angerufen?“, fuhr die Frau fort. „Das ist der Name, der uns über die Anruferkennung angezeigt wurde.“

Oh, natürlich. Sie nickte und ihre Kehle klebte noch einen Moment zusammen, bevor sie sprechen konnte. „Das habe ich. Und ja, ich bin Ana.“ Sie räusperte sich und zwang sich, weiterzureden. „Ich habe jemanden über unsere Überwachungskamera gesehen. Einen Mann. Er war … er hatte eine Leiche auf den Armen. Haben Sie ihn gefunden? Er ist hier eingebrochen.“

„Nein.“ Die beiden tauschten einen Blick aus, dann sahen sie wieder zu ihr. Die Frau redete weiter, offenbar die Wortführerin des Duos. „Aber wir haben eine Leiche in dem Müllcontainer hinterm Haus gefunden. Wir werden mit Ihnen über alles reden müssen, was Sie gesehen haben. Und Sie werden eine offizielle Aussage machen müssen.“

Sie nickte und ein Beben erfasste ihre Schultern. Das letzte Mal, als sie mit der Polizei gesprochen hatte, hatte sie die Leiche ihrer Mutter gefunden. „Natürlich. Ich habe mit meiner Kamera Fotos von dem Mann gemacht“, sagte sie und deutete auf die Canon, die um ihren Hals hing. „Ich kann sie für Sie entwickeln, falls Sie die brauchen.“ Sie wollte nicht, dass ihre Kamera als Beweismittel konfisziert wurde, aber die Polizei konnte den Film haben. Und ein tatsächliches Foto von dem Typen, wie er eine Leiche entsorgte, würde weitaus besser sein als eine Beschreibung von ihr – obwohl sie sein Gesicht problemlos aus dem Gedächtnis nachzeichnen könnte. Das hatte sich in ihrem Gehirn festgesetzt.

Die Augen der beiden Polizisten weiteten sich leicht, während sie simultan nickten, als wäre es eine Choreographie. Ihre Überraschung war ihnen deutlich anzusehen, aber ihnen schien zu gefallen, was sie da gerade gehört hatten.

„Könnten Sie das jetzt sofort machen?“, fragte die Frau, deren schwarzes Haar zu einem festen Dutt hochgebunden war und auf deren Namensschild „Officer Ramos“ stand.

„Ja. Das dürfte ungefähr vierzig Minuten dauern.“

Die Frau sprach rasch in ihr Funkgerät und wandte sich dann wieder Ana zu und nickte. „Dann fangen Sie gerne direkt an. Danach können Sie Ihre Aussage machen. Mit einem Foto dürften wir diesen Typen eine ganze Ecke schneller finden.“

„Erst muss ich meinen Chef Hector anrufen. Ihm gehört das hier.“

„Der ist bereits draußen vor der Tür. Er wurde informiert, als der Alarm losging.“

Zu wissen, dass Hector hier war, durchflutete sie mit Erleichterung. Er musste derjenige gewesen sein, der die Alarmanlage abgeschaltet hatte. „Ich werde die Dunkelkammer abschließen, damit niemand versehentlich reinkommt, während ich den Film entwickle. Okay?“

Officer Ramos nickte. „Ich werde trotzdem Wache stehen. Niemand wird rein oder raus kommen.“

Ana ging in den Raum zurück und machte sich mit zitternden Fingern ans Werk. Da hatte wirklich eine Leiche im Müllcontainer gelegen. Sie hatte gesehen, wie ein Mann die Leiche eine Frau verschwinden lassen wollte – und hatte sein Gesicht mit ihrer Kamera eingefangen.

KAPITEL1

Zehn Jahre später

Autumn eilte durch die Eingangstür der Bank von Verona Bay, etwa fünf Minuten bevor diese schließen würde. Normalerweise betrat sie das Gebäude nur selten, aber der Geldautomat draußen davor funktionierte nicht und sie wollte ein paar Schecks einzahlen. Sie brauchte eine neue Terrasse und sparte, um sich nächsten Sommer einen Pool bauen lassen zu können. Sich irgendwas davon mit einem Lehrergehalt leisten zu können war immer schwierig, also legte sie alles zusätzliche Geld, das sie mit ihren Kunstkursen und Auftragsarbeiten verdiente, beiseite.

„Hey Autumn, wie geht’s?“, fragte Melissa Weprin, die Bankmanagerin, die mit einem Lächeln aus ihrem Glasbüro kam.

„Hey Melissa. Ich wollte nur noch kurz ein paar Schecks vor dem Wochenende einzahlen. Was ist mit dem Geldautomaten los?“

„Oh, der muss gewartet werden. Sehen wir uns eigentlich bei Biancas Poolparty morgen?“

„Klar, das lass ich mir auf keinen Fall entgehen.“ Nächste Woche fing die Schule wieder an und sie hatte vor, bis dahin jeden letzten Moment ihres Sommers zu genießen. Dabei freute sie sich aber auch schon aufs neue Schuljahr, denn sie liebte ihren Beruf, liebte es, Kindern Kunstunterricht zu geben und die wunderbaren Dinge zu sehen, die sie kreierten.

Vor zehn Jahren hätte sie der Gedanke ans Unterrichten nur die Augen verdrehen lassen, doch das Leben hatte so eine Art, Dinge drastisch zu verändern. Das wusste sie aus erster Hand.

Obwohl sie also nicht das tat, wovon sie früher geträumt hatte, hatte sie trotzdem ein wunderbares Leben. Und sie hatte sich vor langer Zeit entschieden, sich nicht leidzutun – obwohl es einige Träume gab, die sie hatte begraben müssen.

„Ich hoffe, du bringst deinen Sangria mit“, sagte Melissa lachend, während sie zur Eingangstür ging, angesichts der Uhrzeit vermutlich, um sie abzuschließen.

„Ohne den wäre es ja keine Party“, erwiderte sie heiter und ging weiter, um sich in die kurze Warteschlange zu stellen.

Als sie einen plötzlichen Tumult hörte, sah sie über die Schulter – und erstarrte, als zwei Männer mit Masken und riesigen Schusswaffen die Tür auftraten und Melissa zu Boden stießen.

Mit entsetztem Starren verfolgte Autumn, wie einer von ihnen die Tür abschloss und sich dann mit erhobenem Gewehr zu ihnen umdrehte.

„Alle auf den Boden“, brüllte der größere der beiden Männer.

Beide trugen diese gruseligen weißen Masken aus den Scream-Filmen, was sie absolut furchteinflößend aussehen ließ.

Autumn zögerte nicht und kam dem Befehl sofort nach – sie warf sich zu Boden und bedeckte den Kopf mit ihren Armen. Aber sie drehte den Kopf zur Seite, um unter ihrem Arm hindurch spähen und die Männer beobachten zu können.

Sie hatte die Berichte über Banküberfälle in den Nachrichten gesehen. Diese beiden Typen raubten schon seit mehreren Wochen Banken entlang der Ostküste Floridas aus. Ihr wäre nie in den Sinn gekommen, dass es die zwei nach Verona Bay verschlagen könnte. Was ziemlich dumm von ihr gewesen war, den nirgendwo war man komplett sicher. Das wusste sie besser als die meisten.

Sie verfolgte, wie schwere Stiefel über den Fliesenboden zu den Glasfenstern der Bankangestellten stapften. Bis jetzt hatten diese Typen noch niemanden umgebracht, und sie hoffte, dass sie sich einfach das nehmen würden, was sie wollten, und dann wieder verschwanden, wie sie es bei den anderen Banken getan hatten.

„Öffne die zweite Tür, oder ich fange an, ein paar Köpfe wegzuballern“, schrie der Größere, während er sein Gewehr auf das wahrscheinlich kugelsichere Glasfenster richtete.

Blut rauschte in ihren Ohren, als sie sah, wie Gloria, die Frau hinter dem Glasfenster, ihn anstarrte und weinte.

„Ich habe die Schlüssel für die Tür und den Safe“, sagte Melissa und brachte Autumn dazu, den Kopf herumzureißen, obwohl sie versuchte, so ruhig wie möglich dazuliegen.

Der andere Mann richtete seine Waffe auf Melissa, während diese ruhig und gefasst auf die Männer zuging, mit den Schlüsseln, die in ihrer Hand baumelten.

Mit rasendem Herzen sah Autumn dabei zu, wie ihre Freundin zur Tür ging und diese aufschloss. Einer der Männer stürmte hindurch und begann, die Bankangestellte anzuschreien, dass sie die Kassen leeren sollte. Glücklicherweise schaffte Gloria es, sich von ihrem Schock zu erholen und seinen Befehlen Folge zu leisten.

Tu einfach, was sie sagen, schrie Autumn ihr in Gedanken zu. Sie wollte nicht, dass irgendwer verletzt wurde … oder Schlimmeres.

„Ich weiß, dass ihr da hinten noch mehr Cash habt“, bellte der andere Mann Melissa an.

Sie nickte und wandte sich der Tür zu, die zum Tresorraum führte. Dann verschwanden der Mann und Melissa für sehr lange sechzig Sekunden aus Autumns Sicht.

Trotz des klimatisierten Gebäudes lief ihr Schweiß über den Rücken und sammelte sich an ihrer unteren Wirbelsäule. Langsam und vorsichtig sah sie sich in der gesamten Bank um. Sie konnte keinen Wachmann entdecken, aber die Überwachungskameras zeichneten alles auf. Auf dem Boden nahe der Toilettentür erkannte sie einen Mann wieder, der im örtlichen Baumarkt arbeitete, und ihre Augen weiteten sich überrascht, als sie eine der Lehrerinnen entdeckte, mit denen sie unterrichtete, und die auf der anderen Seite der Bank im Durchgang zu einem der Büros hockte. Sie musste ein Beratungsgespräch gehabt haben und war dann auf der Stelle zu Boden gegangen, als die Männer die Bank infiltriert hatten.

Von den anderen erkannte sie nur wenige wieder, da fast alle die Gesichter in ihren Armen vergraben hatten und reglos am Boden lagen.

Kurze Zeit später kam Melissa mit leicht zitternden Händen zurück, gefolgt von dem Bankräuber, der sich eine blaue Sporttasche über die Schulter warf. Wenigstens war seine Waffe jetzt auf den Boden gerichtet. „Ich hab’s“, blaffte er. „Los, raus hier.“

Der Mann bei der Bankangestellten schnappte sich seine eigene Tasche und beugte sich zu Gloria. „Gut, denn die Schlampe hier ist zu langsam“, knurrte er und wandte sich dann ab, um nach draußen zu laufen.

Eine grässliche Kakophonie zerriss die Luft, als der große Mann begann, in die Decke zu schießen und überall Putz herabregnen ließ. Bumm. Bumm. Bumm.

Ein Schrei baute sich in Autumns Kehle auf, als ein Teil der Decke einen halben Meter vor ihr auf den Boden klatschte, aber sie ließ ihn nicht entweichen. Hastig bedeckte sie ihren Kopf, spannte sämtliche Muskeln an und blieb liegen, selbst als es plötzlich totenstill wurde.

Die Männer sprinteten zur Tür und stießen sie weit auf, bevor sie hinausstürmten.

Melissa eilte ihnen mit wild klackernden Absätzen nach. Umgehend verschloss sie die Tür, während Autumn zu ihrer Handtasche griff und ihr Handy herausholte. Sie dachte nicht nach, sie rief einfach ihren Nachbarn an – Sheriff Lincoln Jordan. Dabei wählte sie nicht den Notruf, sondern seine Privatnummer. Später mochte sie vielleicht darüber nachdenken, wieso sie das getan hatte, wenn sie ihm sonst eher aus dem Weg ging.

Aber sie wusste ohne jeden Zweifel, dass er für sie da sein würde, wenn sie ihn anrief.

Er hob direkt beim ersten Klingeln ab. „Autumn, hey.“

„Ich bin in der Bank. Wir wurden gerade von zwei bewaffneten Männern ausgeraubt“, stieß sie mit faseriger Stimme aus. „Sie hatten Masken auf, aber ich glaube, das sind die Typen, die schon an der ganzen Küste Banken überfallen haben. Die aus den Nachrichten. Sie sind buchstäblich gerade erst rausgerannt.“

Er fluchte leise. „Alles in Ordnung bei dir?“

„Ja, mir geht’s gut.“ Was nicht stimmte, aber das war auch nicht wichtig. Sie lebte noch und das war wichtig.

„Okay. Ich bin in zwei Minuten da. Bleib, wo du bist.“ Er legte auf und sie rappelte sich endlich vom Boden hoch. „Lincoln ist unterwegs“, sagte sie zu Melissa, die schon ihr eigenes Handy am Ohr hatte.

Ihre Freundin nickte mit ernster Miene, während sie mit der Polizei telefonierte.

Autumn sah sich um und entdeckte Mrs. Ackerley, die in einer Ecke hockte und leise weinte. Sie eilte zu ihr, um sicherzugehen, dass sie nicht von einem Querschläger getroffen worden war.

In der Ferne hörte sie Sirenengeheul näherkommen und das Geräusch brachte eine ganze Reihe schlechter Erinnerungen für sie zurück, doch sie unterdrückte sie schnell wieder und sperrte sie weg.

„Alles gut“, sagte sie sanft und ergriff die zitternden Hände der älteren Frau. „Niemandem ist was passiert.“

Mrs. Ackerley blinzelte und schüttelte den Kopf, während ihre Tränen langsam trockneten. Sie sah aus, als käme sie aus einem Nebel. „Am Wochenende ist der erste Geburtstag meiner Enkeltochter. Ich dachte … ich dachte, wir würden alle sterben.“

Autumn zog sie für eine Umarmung zu sich und war überrascht, mit welcher Kraft die Frau sie zurück umarmte.

Wieder flog die Tür auf und sie spannte sich reflexartig an, als sie beim Klang der kleinen Glocke über der Tür herumwirbelte.

Doch dann wurde sie von purer Erleichterung durchflutet, als sie Lincoln entdeckte. Seine grünen Augen machten sie sofort ausfindig – und ließen sie mit einem kurzen Starren an Ort und Stelle verharren, bevor er sie von oben bis unten musterte. Der Blick war komplett unleserlich, doch die Anspannung in seinen Schultern ließ ein klein wenig nach, als er sah, dass mit ihr alles in Ordnung war.

Dann wandte er sich gänzlich professionell Melissa zu und begann, mit ihr zu reden.

Autumn … wusste nicht, was sie mit diesem Blick anfangen sollte. Dieser Sorge. Allgemein wusste sie nicht, was sie mit ihrer Zuneigung zu ihm machen sollte. Sie ignorierte ihn schon seit Monaten. Ignorierte ihn so gut sie konnte, obwohl er ihr Nachbar war.

Und das würde sie auch weiterhin tun.

KAPITEL2

Lincoln fuhr sich mit einer Hand durch sein nasses Haar, erschöpft von den Ereignissen des Abends, und sah aus einem seiner Seitenfenster zum Nachbarhaus. Dem Haus von Autumn Perez, seiner äußerst attraktiven, zurückhaltenden Nachbarin, die er sehr gerne besser kennenlernen würde.

Er konnte vereinzeltes Licht hinter den Fenstern sehen, also wusste er, dass sie noch wach war. Es war erst neun, aber sie hatte heute mehrere Stunden mit dem FBI und seinen Leuten reden und eine Aussage machen müssen, nachdem sie die Bank gesichert hatten.

Er war noch dageblieben, sogar nachdem Autumn gegangen war, hatte mit dem FBI geredet, das die Bankräuber die ganze Ostküste entlang jagte, hatte Aussagen aufgenommen, dafür gesorgt, dass alle sicher nach Hause kamen, und mit der Presse geredet. Dementsprechend war er mittlerweile ziemlich fertig.

Aber er würde nicht schlafen können, bis er sich persönlich davon überzeugt hatte, dass es Autumn gut ging. Sie hatten sich zwar in der Bank unterhalten, doch durch den Trubel und den Lärm der ganzen Leute dort, war es nur kurz gewesen, und er hatte das Gefühl, sie beschützen zu müssen.

So fühlte er sich schon, seit sie vor einem Jahr neben ihm eingezogen war, und er war sich nicht ganz sicher, wieso.

Das war eine Lüge. Er fand sie einfach wahnsinnig sexy.

Sie war recht klein, keine eins sechzig, mit langem, dichtem, dunklem Haar, das sie in der Regel zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Ihre dunkelbraunen Augen hatten bernsteinfarbene Flecken in ihnen, wenn das Licht richtig auf sie fiel. Und sie hatte ständig Farbklekse oder Tinte an ihren Fingernägeln oder Händen. Ihre Arme hingegen wurden von einer anderen Art Tinte bedeckt – Tattoos, von denen er gerne mehr sehen wollte.

Sie war die Kunstlehrerin an der örtlichen Highschool und gab eine Menge zusätzlicher Kurse in der Stadt. Und je mehr er über sie herausfand, desto mehr mochte er sie. Er hatte erfahren, dass sie sehr gut mit Serenity befreundet war, seiner baldigen Schwägerin, die er schon seit der Uni kannte und eine Frau war, die er absolut verehrte. Eine Frau, die durch die Hölle gegangen war.

In sich hineinseufzend, marschierte er nach nebenan und klopfte sachte an die Haustür. Falls sie nicht aufmachen sollte, würde er wieder nach Hause gehen. Er wollte ihr nicht das Gefühl geben, als würde er in ihre Privatsphäre eindringen wollen, denn es war ziemlich eindeutig, dass sie diese schätzte. Sie hatte klare Grenzen zu ihm errichtet und sah sogar davon ab, ihn beim Namen zu nennen. Es war immer „Sheriff“, nicht Lincoln.

Ein paar Augenblicke später öffnete sie die Tür und ein Anflug von Überraschung huschte über ihr Gesicht, bevor sie ihm ein aufrichtiges Lächeln schenkte. Ein waschechtes Lächeln, das ihre gesamte Miene änderte und sie zehn Jahre jünger wirken ließ, als käme sie gerade aus der Uni.

„Lincoln, hey. Ist alles in Ordnung?“ Ihre dunklen Augen wirkten am heutigen Abend besonders warm.

Sie musste wirklich durch den Wind sein, wenn sie ihn beim Vornamen nannte. „Ja, ich wollte nur … Um ehrlich zu sein, wollte ich nur nach dir sehen. Das heute wäre für jeden eine Menge gewesen und du hast dich in der Bank wie eine Heldin geschlagen.“ Sowohl sie als auch Melissa hatten das alles mit einer Tapferkeit bewältigt, die wahrhaft beeindruckend gewesen war.

Sie schenkte ihm ein weiteres, etwas schwächeres Lächeln, und trat einen Schritt zurück. „Mir geht’s gut. Ich wollte mir gerade ein Glas Wein einschenken. Magst du auch eins?“

Eigentlich trank er keinen Wein, aber auf keinen Fall würde er sich dadurch davon abhalten lassen, Zeit mit Autumn zu verbringen. Er würde ohne Zögern zum Weintrinker konvertieren, wenn das dafür nötig war.

„Ja, gerne.“ Als er eintrat, spähte ein schwarzweißer Border Collie hinter einem Clubsessel beim Fenster hervor. Das Tier legte den Kopf schräg und beobachtete ihn argwöhnisch.

Überrascht zog er die Augenbrauen hoch. „Ich wusste gar nicht, dass du einen Hund hast.“ Normalerweise rannten Hunde los, um zu sehen, wer an der Haustür war, aber dieser hier war eindeutig ziemlich scheu.

Sie schnaubte. „Ich hab sie erst seit etwa einem Monat. Sie kommt aus dem Tierheim und heißt Shadow. Ich schwöre, sie ist mehr Katze als Hund. Anstatt zur Tür zu rennen, wenn jemand vorbeikommt, versteckt sie sich. Gib ihr einfach etwas Zeit, in ein paar Minuten wird sie sich schon zu dir trauen.“

Er winkte dem Hund kurz zu und fühlte sich etwas albern dabei, doch als er das Lächeln in Autumns Gesicht sah, hielt er es doch nicht mehr für so albern. Er war definitiv ein Hundefreund und hatte vorgehabt, sich nächstes Jahr selbst einen zu holen – sollte er in seinem Terminplan jemals Platz dafür finden.

Als sie in der Küche ankamen, sah er sich interessiert um. Im Vergleich zum Vorbesitzer hatte sie eine Menge verändert. Er hatte mitbekommen, dass sie Umbauten hatte vornehmen lassen, bevor sie einzogen war. Eine ganze Truppe von Leuten hatte alte Teppiche rausgerissen, neue Böden verlegt und andere Dinge gemacht, bevor er Autumn überhaupt begegnet war. Aber all die Änderungen zu sehen war imponierend.

„Du hast wirklich ein Auge für Design“, sagte er, während er sich den modernen Mix verschiedener Stilrichtungen ansah. Die Wände hatten ein blasses Grau, die Böden bestanden aus dunklem Holz, und überall gab es Farbe – von den Kunstwerken bis hin zu den Kissen und kleinen Deckchen. „Und diese Fotos sind unglaublich.“ Es waren Bilder aus Verona Bays Innenstadt, dazu welche aus etwas abgelegeneren Gegenden und mehrere Aufnahmen von verschiedenen Stadtfesten. Sechs der Fotos waren vergrößert worden und bedeckten eine ihrer Küchenwände. Die Bilder waren … beeindruckend. „Wo hast du die her?“

Als er wieder zu ihr sah, waren ihre Wangen rosa angelaufen. „Danke, die hab ich selbst gemacht.“

„Ich wusste gar nicht, dass du dich für Fotografie interessierst. Dass du malst, hab ich natürlich mitbekommen, aber offenbar bist du ein Multitalent.“

Sie gab einen schnaubenden Laut von sich, während sie zwei Weingläser aus einem Hängeschrank holte. Als sie das tat, rutschte ein Ärmel ihres extra weiten Pullovers runter und entblößte eines ihrer Tattoos – ein Band von elegant aussehenden weißen Blumen, das sich ihren inneren Unterarm hochschlängelte. „Ich mag es, mich in allen möglichen Bereichen auszuprobieren. So wird es nicht langweilig.“ Sie bemerkte seinen Blick und lächelte leicht. „Gefällt dir mein Tattoo?“

„Ja, allerdings. Hat das eine spezielle Bedeutung?“ Denn irgendetwas sagte ihm, dass sie sich keine Tattoos stechen lassen würde, die ihr nichts bedeuteten.

Sie schob ihren Ärmel noch weiter hoch und hielt ihn fest, während sie ihren Arm ausstreckte. „Das hier sind Maiglöckchen. Die habe ich mir aus mehreren Gründen stechen lassen – es waren die Lieblingsblumen meiner Mutter und obwohl sie zierlich sind, sind sie sehr widerstandsfähig. Sie überleben harsche Winter und blühen im Frühling. Außerdem sind sie giftig, also machen Tiere einen Bogen darum.“

„Gefällt mir.“ Und sie gefiel ihm auch. Er gestikulierte zu der Wand, die mit ihren Kunstwerken bedeckt war, während sie ihren Ärmel wieder fallenließ. „Du könntest einige dieser Fotos verkaufen.“ Sie hatten genug Straßenfeste und Wochenmärkte, wo sie potentielle Käufer finden könnte, und abgesehen davon würde wahrscheinlich selbst die örtliche Kunstgalerie ihre Bilder ausstellen wollen. Er hatte vielleicht nicht viel Ahnung von Kunst, aber er wusste, dass dies professionelle Fotos waren, die Leuten gefallen würden.

Sie zuckte bloß mit den Schultern und goss ihnen beiden etwas Rotwein ein. „Aus irgendeinem Grund habe ich das Gefühl, dass du eigentlich kein Weintrinker bist, falls du also doch nichts davon möchtest, würde mich das nicht beleidigen.“

Grinsend setzte er sich an die Kücheninsel in der Mitte. „Ich bevorzuge Bier, aber meine Mutter hat mich dazu bekommen, ein paar der Flaschen zu probieren, die sie aus ihrem letzten Italienurlaub mitgebracht hat.“

„Deine Mutter ist wirklich einzigartig“, sagte Autumn, während sie sich ihm gegenübersetzte. Ihre Fingernägel hatten ein helles Korallenrot und natürlich sprenkelten verschiedene Farbklekse ihre Hände.

„Ich wusste gar nicht, dass du sie kennst.“

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass jeder hier Mrs. Jordan kennt – die Mutter dieser drei Teufelsbraten aus Verona Bay.“ Ihre vollen Lippen verzogen sich zu einem kurzen Lächeln, bevor sie einen Schluck von ihrem Wein nahm.

„Wir waren keine Teufelsbraten.“ Sie konnte das sowieso nicht wissen, weil sie hier nicht aufgewachsen und erst kürzlich hergezogen war.

„Also ist an all diesen Gerüchten nichts dran?“

Jetzt musste er grinsen. „Nur an ein paar davon.“

Mit Belustigung in ihren dunklen Augen nahm sie einen weiteren Schluck von ihrem Wein und seufzte wertschätzend. Ihr schwarzweißer Strickpulli rutschte ihr leicht über die Schulter und entblößte glatte, bronzene Haut, die er küssen wollte.

Etwas, worüber er nicht nachdenken sollte. „Also, wie geht es dir? Ehrlich.“

Sie hielt inne, als müsste sie ihre Antwort abwägen. „Aufgewühlt. Alles ging so schnell heute. Sie kamen reingestürmt, haben Befehle gebrüllt und haben sich einfach … das, was sie wollten, mit Gewalt genommen. Es war wie ein surrealer Traum, als würde es jemand anderem passieren.“ Sie fröstelte und schlang die Arme um sich, während sie ihm in die Augen sah.

„Ich bin froh, dass niemand verletzt wurde. Das FBI wird diese Jungs bestimmt schnappen.“

„Das hoffe ich. Sie hätten jemanden verletzen können. Schlimmer noch, jeder von uns hätte durch einen Querschläger getötet werden können.“

Er zögerte einen Moment und überlegte, wie viel er ihr erzählen sollte. „Unter uns, das FBI kreist die beiden bereits ein. Und durch einige der Patronenhülsen haben sie den Käufer der Munition ermitteln können – was bestätigt hat, was sie sowieso schon vermutet haben.“ Sie kannten die Namen der Bankräuber, hatten diese aber noch nicht für die Öffentlichkeit freigegeben.

Sie zog die Augenbrauen hoch und nahm einen weiteren Schluck von ihrem Wein. „Nun, dann bin ich froh, dass sie offenbar einen dummen Fehler begangen haben. Es war alles so … unnötig brutal.“ Sie schüttelte den Kopf und stellte ihr Weinglas ab. „Manchmal frage ich mich, was bei manchen Menschen falsch gelaufen ist. Wie anders ihr Leben hätte verlaufen können, wenn sie andere Entscheidungen getroffen hätten.“ Sie sah zu ihrer Fotowand … und einen kurzen Moment hatte er das Gefühl, dass sie ihn nicht einmal mehr wahrnahm. Doch dann schüttelte sie den Kopf, sah ihn wieder an und schenkte ihm ein Lächeln. „Du warst heute wirklich gut mit den ganzen Leuten“, sagte sie, was ihn erstaunte.

„Das gehört zu meinem Beruf.“

„Es mag vielleicht zu deinem Beruf gehören, aber ich habe schon miterlebt, dass andere Polizisten solche Situationen nicht so souverän angegangen sind. Du hast allen das Gefühl gegeben, in Sicherheit zu sein, obwohl überall FBI-Leute rumliefen. Die eigentlich auch recht anständig waren.“ Sie wirkte positiv überrascht darüber, wozu er sich eine mentale Notiz machte.

Er nickte, denn er kannte das Team der Agenten, die an diesem Fall dran waren. Aber er wusste nicht wirklich, was er dazu sagen sollte, und ihr Lob und das intensive Starren, mit dem sie ihn bedachte, verunsicherten ihn leicht. Glücklicherweise kam Shadow in diesem Moment hereingetrottet und begann, seine Füße und Fußknöchel zu beschnuppern, also blieb er still.

Er lächelte auf die Hündin herab und hielt ihr seine Hand hin. Shadow ließ sich dazu bewegen, daran zu schnuppern, und musste dann entschieden haben, ihm zu trauen, denn sie sprang hoch, legte ihm eine Pfote aufs Knie und bettelte um Aufmerksamkeit. Lachend begann er, sie hinterm Ohr zu kraulen und beugte sich herab, damit sie ihm das Gesicht ablecken konnte.

Autumn grinste, als er sich wieder aufrichtete, und allein deswegen war es das schon wert gewesen. „Offenbar hast du einen neuen Fan. Sie muss dich wirklich mögen.“

„Ich kann immer noch nicht glauben, dass du einen Hund hast, von dem ich nichts wusste. Bellt sie überhaupt?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nö. Nicht einmal, wenn ich abends mit ihr Gassi gehe oder sie hinten im Garten rumlaufen lasse, und sie ist auch eher eine Stubenhockerin. Sie liebt es, bei mir zu sein. Ich mache mir ein wenig Sorgen, sie alleine zu lassen, wenn die Schule wieder losgeht, aber mein Stundenplan ist ganz in Ordnung, also sollte sie nicht allzu lange allein zu Hause bleiben müssen. Vielleicht heure ich sogar jemanden an, der vorbeikommt und mit ihr Gassi geht, wenn ich nicht da bin, nur damit sie ein wenig zusätzlichen Kontakt zu Menschen hat. Aber sie ist wirklich wie eine Katze, sie rollt sich nachts sogar neben meinem Kopf zusammen, wenn ich schlafen gehe.“

Das ließ seine Gedanken umgehend zu ihrem Bett wandern – wie es wohl aussah, wie sie wohl aussah, wenn sie darin lag. Er hatte schon viel zu viele Fantasien darüber gehabt, wie Autumn sich nackt unter ihm räkelte, während er ihre Lust entfachte. Doch diese Gedanken unterband er schnell wieder. Er war lediglich als ihr Nachbar hier.

Nur ein Nachbar, wiederholte er zu sich selbst.

Shadow, die er immer noch streichelte, ging endlich von seinen Knien runter und rannte zu ihrem Fressnapf.

Lincoln nutzte die Gelegenheit, um aufzustehen, da er Autumns Gastfreundschaft nicht überstrapazieren wollte.

Autumn stellte ihr Weinglas ab und kam um die Kücheninsel herum. „Danke, dass du vorbeigekommen bist. Ich weiß das wirklich zu schätzen, Lincoln.“

Er war sich nicht sicher, ob es daran lag, dass sie ihn erneut beim Vornamen nannte, aber allein seinen Namen von ihren Lippen zu hören, durchflutete ihn mit … irgendwas. Lincoln wusste, was es war, auch wenn er es nicht genauer definieren wollte. Ohne dass er darüber nachdachte, senkte sich sein Blick auf ihre vollen, zum Küssen einladenden Lippen.

Und da fiel ihm auf, dass sie zitterte. Gütiger Himmel. „Autumn?“

Sie schlang die Arme um sich. „Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Mir ist gerade so verdammt kalt. Ich dachte, ich würde damit klarkommen, aber ich sehe das alles immer wieder in Zeitlupe. Ich meine … mir sollte es gut gehen. Ich hab schon Schlimmeres erlebt.“ Rasch klappte sie den Mund zu und schlang die Arme noch fester um sich als zuvor.

Das speicherte er für ein andermal ab. Aber er hakte nicht weiter nach, um zu erfahren, was sie Schlimmeres erlebt hatte. Ihr Privatleben war ihr Privatleben und soweit er wusste, war sie eine gesetzestreue Bürgerin. Er würde weder ihre Privatsphäre stören noch in ihrer Vergangenheit wühlen.

Einem Instinkt folgend, streckte er die Hände aus und legte sie ihr sanft auf die Schultern. „Diese Jungs sind mittlerweile weit, weit weg von unserer Stadt. Sollten sie auf ihrer bisherigen Route bleiben, sind sie schon irgendwo in Nordflorida und morgen in Georgia. Es sei denn, das FBI schnappt sie vorher, wo ich tatsächlich recht zuversichtlich bin.“

Zu seiner Überraschung machte sie einen kleinen Schritt nach vorne und er war sich nicht sicher, wie es passierte, doch plötzlich hatten sich ihre Arme um ihn geschlungen. Er hielt sich ebenfalls nicht zurück, sondern umarmte sie, bis ihr Zittern langsam nachließ.

„Normalerweise bin ich nicht so ein nervöses Wrack“, murmelte sie gegen seine Brust. Ein schwacher Zitronenduft kitzelte seine Nase, etwas, das ganz Autumn war. „Und du bist ein sehr guter Nachbar.“

Er lachte leicht auf, während sie zurückwich, um zu ihm hochzusehen.

Einen heißen Moment lang landete ihr Blick auf seinem Mund und er sah das pure, brennende Verlangen darin. Es loderte wie ein wild flackerndes Feuer auf, und er bewegte sich ohne nachzudenken und neigte seinen Kopf zu ihr herab.

Er sagte sich, dass er aufhören sollte, dass sie Nachbarn waren und das hier definitiv ein Fehler war, doch sie krallte sich in sein T-Shirt und zog ihn den Rest des Weges zu sich herab.

Das war es, was ihn in Aktion treten ließ. Sie hatte nach ihm gegriffen. Autumn hatte tatsächlich nach ihm gegriffen.

In der Sekunde, in der sich ihre Münder berührten, war es, als würde etwas entflammen. Er hätte schwören können, dass Funken sprühten, als er sie hochhob und auf die Kücheninsel setzte.

Aufreizend fuhr er mit seiner Zunge über ihre, während sie ihn förmlich verschlang und Energie durch ihren Körper summte, als würde sie unter Strom stehen. Als sie an seinem T-Shirt riss, zog er es sich ohne zu zögern aus. Nur am Rande nahm er wahr, dass der Hund aus dem Raum lief, doch sein gesamter Fokus lag auf Autumn.

Auf die Art, wie sie schmeckte, die Art, wie sie sachte auf seine Unterlippe biss, und das leise, weiche Seufzen, das sie von sich gab, als er ihr den Pullover über den Kopf zog.

Als er sah, dass sie keinen BH trug, stöhnte er auf. Ihre Brustwarzen waren hellbraun und ihre Brüste klein und perfekt, genau eine Handvoll. Mehr als genug für ihn. Sie war die pure Perfektion – und er würde sich diese Chance mit ihr nicht entgehen lassen.

Er hoffte nur, dass das hier mehr als eine einmalige Sache war.

KAPITEL3

Autumn trank ihren Kaffee, schmeckte ihn aber kaum. Was wirklich enttäuschend war, da sie sich jeden Morgen auf ihren Kaffee freute. Die letzte Nacht war … nun, sie wollte es nicht als Fehler bezeichnen. Genau genommen war es auch keiner gewesen – aber definitiv eine schlecht durchdachte Entscheidung.

Die sie im Laufe der letzten Nacht viermal getroffen hatte.

Lincoln war wie eine Maschine gewesen. Eine äußerst sexy Maschine mit geschickten Händen und einem sündhaften Mund. Und sie hatte schon Ewigkeiten keine Nähe mehr gehabt. Nicht, dass sie allein dieser Tatsache die Schuld zuschieben konnte – sie hatte Lincoln gewollt. So ging es ihr schon, seit sie den zurückhaltenden Sheriff das erste Mal getroffen hatte. Gott, was stimmte nicht mit ihr?

Sie hatte tatsächlich mit ihrem Nachbarn geschlafen. Obwohl keiner von ihnen viel Schlaf bekommen hatte.

Autumn stöhnte innerlich und nahm einen weiteren Schluck von ihrem Kaffee, während sie aus dem Küchenfenster in ihren Garten sah. Shadow rannte draußen herum, jagte einen Schmetterling und war komplett mit sich selbst beschäftigt. Die roten und rosa Rosen in ihrem Garten blühten prächtig, obwohl sie wenig tat, um sie zu pflegen – es waren wilde Rose, die wuchsen, wie es ihnen passte. Doch die bunten Farbflecken inmitten des satten Grüns ließen alles noch lebendiger wirken.

„Das riecht aber gut hier.“ Lincolns tiefe, samtige Stimme legte sich um sie, als sie sich zu ihm umdrehte.

Oh Gott. Wie konnte er am helllichten Tag nur noch attraktiver sein? Oberkörperfrei und leicht verschlafen kam er in die Küche und sein dunkles, zerzaustes Haar ließ ihn noch verwegener aussehen. Er sah so köstlich aus, in seinen Boxershorts und mit diesem kräftigen Körper, der ihr letzte Nacht so viel Lust bereitet hatte.

„Morgen“, murmelte sie, während ihr Blick über seine harten Brustmuskeln und sein Sixpack schweifte. „Da steht noch eine volle Kanne Kaffee.“

Mit einem müden Wanken ging er zur Kanne, und ja, das war zugegeben sehr süß.

Sie unterdrückte ein Stöhnen. Wieso hatte sie nur mit ihm geschlafen? Sie hatte ihn seit ihrem Einzug auf Abstand gehalten, doch letzte Nacht hatte sich etwas in ihr verändert. Sie hatte einfach jemanden berühren müssen, hatte Sex gebraucht, dieses Gefühl, lebendig zu sein. Aber sie hätte nicht einfach nach irgendwem gegriffen. Oh nein. Offenbar stand sie auf einen gewissen Typ Mann – Lincoln.

Nicht, dass das eine Rolle spielte. Sie würde ihre Gefühle zurück in dieselbe Kiste stopfen, in der sie vorher gewesen waren. Die, auf der Freundschaft stand. Das hier war eine einmalige Sache gewesen. Doch diese Worte tatsächlich laut auszusprechen würde dennoch schwer werden – und unangenehm.

Sie räusperte sich. „Hör zu, die letzte Nacht war unglaublich.“ Obwohl dieses Adjektiv nicht annähernd ihre Gefühle beschrieb. Sie glaubte nicht, dass es genug deskriptive Worte gab, um zu erklären, wie wundervoll die letzte Nacht gewesen war. Sie war an Stellen wund, an denen sie sich nicht erinnern konnte, jemals wund gewesen zu sein. Wahrscheinlich, weil sie Ewigkeiten keinen Sex mehr gehabt hatte.

Er wandte sich zu ihr um, was ihr erneut sein sexy Sixpack präsentierte – doch seine Miene wirkte nüchtern. „Wieso hab ich das Gefühl, dass mir nicht gefallen wird, was du als Nächstes sagst?“ Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee und sah sie aufmerksam über den Rand der Tasse hinweg an, auf der „Beste Kunstlehrerin aller Zeiten“ stand.

Sie räusperte sich erneut. „Wir sind Nachbarn. Sollten wir uns da in irgendwas stürzen, besteht die Möglichkeit, dass das wirklich übel endet. Ich werde bestimmt nicht umziehen, und ich bezweifle, dass du das tun würdest. Ich denke, wir sollten die letzte Nacht als das stehen lassen, was es war, und die Sache vergessen.“

„Was war die letzte Nacht denn?“ Seine Stimme klang vorsichtig zurückhaltend, während er sie weiter mit diesen atemberaubenden Augen beobachtete.

Sie war mit langweiligen braunen Augen geschlagen, wohingegen seine ein bezauberndes Grün hatten, in dem sie sich ohne Weiteres verlieren konnte. Sie sah auf ihre eigene Tasse herab, um seinem Blick auszuweichen. „Letzte Nacht hat Spaß gemacht. Wirklich, wirklich viel Spaß.“ Nervös räusperte sie sich. „Aber ich habe keine Zeit für eine Beziehung. Nicht, dass du danach gefragt hättest“, fügte sie hinzu, als sie wieder zu ihm aufsah.

Vielleicht zog sie etwas voreilige Schlüsse, aber er hatte mehr als einmal angedeutet, dass er nichts dagegen hätte, sie auf ein Date einzuladen. Und von dem, was sie so in der Stadt gehört hatte – sogar direkt von seiner baldigen Schwägerin – war er niemand, der ständig irgendwelche Dates hatte. Tatsächlich schien er gar nicht mit anderen Frauen auszugehen.

Außerdem würde sie sich auf keinen Fall auf jemanden einlassen, der als Gesetzeshüter arbeitete. Nicht, solange sie im Zeugenschutzprogramm war. Das war einfach viel zu kompliziert.

Sie hatte kein Interesse mehr an komplizierten Dingen. Vor Jahren hatte sie einmal den Fehler gemacht, jemandem zu erzählen, dass sie im Programm war – jemandem, bei dem sie gedacht hatte, dass sie ihn lieben würde, doch im Nachhinein betrachtet wusste sie, dass sie nur verzweifelt nach einer Beziehung gesucht hatte. Er war ein Charmeur gewesen, ein nutzloser Mann, der gewusst hatte, wie man die richtigen Dinge sagte. Glücklicherweise hatte sie ihn – irgendwann – durchschaut, aber diesen Fehler würde sie nicht noch einmal machen.

Ihre Betreuerin hatte sie sofort wegbringen lassen – mitten in der Nacht. Die Leute waren in ihrer Wohnung aufgetaucht und hatten alles auf einen Schlag mitgenommen, so als hätte sie dort nie gelebt. Sie hatte sich von niemandem verabschieden können. Ihre Betreuerin war extrem enttäuscht von ihr gewesen, doch zum Glück hatte sie auch Verständnis gehabt. Autumn hatte geschworen, nie wieder etwas Derartiges zu tun und hatte eine zweite Chance bekommen. Jetzt war es neun Jahre später und sie hatte nicht noch einmal Mist gebaut.

„Also würgst du das mit uns ab, bevor wir überhaupt die Chance auf irgendwas hatten? Denn ich würde dich gerne auf ein Date einladen. Auf mehr als nur eins. Nur damit das schon mal klar ist. Ich will mehr als Sex, Autumn. Obwohl ich den auch gerne hätte.“

Autumn starrte ihm einen langen Moment in die Augen und versuchte, ihre Stimme wiederzufinden. Sie hasste es, nein sagen zu müssen, doch sie musste diese schwere Entscheidung treffen. Musste eine rote Linie ziehen. „Das ist keine gute Idee“, flüsterte sie. Bevor er etwas erwidern konnte, trat sie einen Schritt vor und überbrückte die Distanz zu ihm, denn sie wollte nicht, dass die Dinge zwischen ihnen noch unangenehmer wurden als sie es gerade eh schon waren. „Hör mal, ich schwöre, dass es nicht an dir liegt. Ich weiß, dass sich sowas immer bescheuert anhört, ich bin nur … Ich habe in meinem Leben keinen Platz für etwas Kompliziertes.“

„Ich bin ein sehr einfacher Mann. Mit sehr einfachen Bedürfnissen“, murmelte er, während sein Blick sich auf ihren Mund senkte.

Die Hitze in seinen Augen ließ ein Schaudern durch sie rollen. Am liebsten hätte sie all ihre Bedenken in den Wind geschlagen, aber … „Ich möchte mit dir befreundet sein. Wir sind Nachbarn.“

Sie konnte erkennen, dass er darüber diskutieren wollte, doch kurz darauf nickte er. Dann küsste er sie zu ihrer Überraschung auf die Stirn und seufzte. „Wir können sehr gerne befreundet sein. Und als dein Nachbar biete ich dir gerne meine Hilfe an, solltest du sie in Haus und Garten mal brauchen.“

Und wieder einmal benahm er sich wunderbar und perfekt. Ihre Freundin Serenity würde Lincolns Bruder Lucas heiraten und sie redete ständig darüber, wie großartig ihr Verlobter war. Vielleicht waren die Jordan Brüder ja alle wunderbar. Denn sie waren alle gutaussehend und unglaublich großherzig.

Anstatt sich wie ein Arsch zu benehmen, nachdem sie ihm gesagt hatte, dass sie nicht interessiert war, benahm er sich tatsächlich wie ein verdammter Erwachsener. Was Autumn ihre Entscheidung perverserweise noch schwerer machte. Sie hatte geglaubt, dass es ihr jetzt leichter fallen würde, ihn auf Abstand zu halten, denn sie war davon ausgegangen, dass er nicht nur eine Affäre gewollt hatte. Stattdessen reagierte er … erwachsen. Verdammt.

„Nun, Freunde laden einander zum Frühstück ein“, sagte sie. „Hast du Hunger? Ich habe noch ein Dutzend Eier und genug Zeug, um richtig gute Käseomeletts zu machen.“

Seine Lippen bogen sich leicht nach oben, obwohl er den Kopf schüttelte. „Ich muss mich heute noch um ein paar Dinge kümmern und habe meiner Mutter versprochen, dass ich auf der Ranch vorbeischaue.“

Sie nickte, denn es war wahrscheinlich besser, direkt hier und jetzt einen klaren Schlussstrich zu ziehen. Denn sie hatte so ein Gefühl, dass sie beide doch irgendwann wieder nackt sein würden, sollte er an diesem Morgen noch länger bei ihr bleiben – unabhängig von dem, was sie gerade gesagt hatte. Was die Dinge nur noch weiter verkomplizieren und sie unentschlossen wirken lassen würde.

Dann überraschte er sie erneut, indem er sie küsste, diesmal sanft auf den Mund, und sie drückte sich ohne bewusst nachzudenken in den Kuss – weil sie von ihm wie von einem Magneten angezogen wurde. Dann wich er wieder zurück und murmelte etwas darüber, dass er seine Sachen holen würde, und sie fühlte sich wie ein riesiger Arsch.

Als sie ein Kratzen an der Hintertür hörte, ließ sie Shadow rein, die im selben Moment in die Küche kam, in dem Lincoln zurückkehrte. „Nimm wenigstens deinen Kaffee mit“, sagte sie. „Die Tasse kannst du mir ja später zurückbringen.“

Mit einem Nicken nahm er die Tasse von der Kücheninsel, während Shadow leise winselnd hinter ihm herschlich.

Ja, so fühlte sie sich auch – sie wollte nicht, dass er ging, aber es war besser so. Was sie sich im Laufe des Tages wahrscheinlich noch hundertmal ins Gedächtnis rufen müssen würde.

An ihrer Haustür blieb er nochmal stehen und sagte mit aufrichtiger Miene: „Ich mein’s ernst, wenn du bei irgendetwas Hilfe brauchst, sag einfach Bescheid. Ohne Hintergedanken.“

Ihre Brust zog sich zusammen, als sie zu ihm hochsah. Sie hasste es, dass die Dinge nicht anders sein konnten – dass sie immer Geheimnisse haben würde. Und wenn sie ernsthaft darüber nachgrübelte, konnte sie sich eingestehen, dass es einige Aspekte in ihrem Leben gab, die sie hasste. Besonders, dass ihr all ihre Entscheidungen abgenommen worden waren. Doch sie weigerte sich, nochmal in diesen Gedanken zu versinken. Weigerte sich, sich selbst leid zu tun. Sie hatte Glück, noch am Leben zu sein. Hatte Glück, überhaupt diese Chance zu haben. „Das werde ich. Versprochen.“

Nachdem er gegangen war, setzte sie sich auf den Boden, mit dem Rücken an die Tür gelehnt, und Shadow sprang in ihren Schoß und küsste ihr Gesicht. Sie fühlte sich, als hätte sie gerade einen riesigen Fehler begangen, doch sie glaubte einfach nicht, dass es für sie überhaupt in Frage kam, in einer echten Beziehung zu sein. Und ganz bestimmt nicht mit jemandem, der in der Strafjustiz arbeitete.

Einfach … nein.

Als sie ein vertrautes Klingeln aus der Küche hörte, spannten sich sämtliche ihrer Muskeln an. Es war der Klingelton ihrer Betreuerin bei den US Marshals. Wenn Erica anrief, war das kein gutes Zeichen. Sie hatten eigentlich kaum noch Kontakt.

Doch Erica hatte höchstwahrscheinlich die Nachrichten gesehen. Autumn hatte darauf geachtet, von keinem der Pressefotografen eingefangen zu werden, aber wenn sie nur tief genug gruben, könnten sie in der Lage sein, ein Bild von ihr zu finden. Es gab kein offizielles Foto von ihr auf der Schulwebseite und sie besaß keine Social Media Accounts. Trotzdem könnte es sein, dass man sie als eine der Personen aufführte, die beim Banküberfall anwesend gewesen waren.

Der Gedanke ließ Eis durch ihre Adern fließen und sie wollte umgehend nachsehen, ob die Nachrichten sie als eine der Bankkunden aufgeführt hatten. Falls sie während der Übertragung ihr Gesicht gezeigt hatten und es online Videoclips davon gab … das wäre nicht gut.

Als das Klingeln aufhörte, sagte sie sich, dass sie ihre Betreuerin später zurückrufen würde. Sie war gerade einfach nicht in der mentalen Verfassung, sich mit irgendetwas auseinanderzusetzen. Nicht, nachdem sie Lincoln weggeschickt hatte.

Nicht nach einer weiteren verdammten Enttäuschung in ihrem Leben.

Schnell schaltete sie die Nachrichten ein und hoffte, etwas über den Banküberfall zu entdecken, während sie gleichzeitig betete, dass man nicht zufällig ihr Gesicht zeigte. Auch online würde sie noch nachsehen und sich auf eine ausgiebige Suche nach jeder Erwähnung des Überfalls begeben. Das war es, was ihr wirklich Sorgen machte – das Internet.

Sie wollte nicht nochmal umziehen. Verdammt, sie weigerte sich, nochmal umzuziehen. Sie hatte endlich einen Ort gefunden, den sie liebte, hatte endlich wieder Freunde und ein Haus, das sich nach einem Heim anfühlte. Und niemand würde sie aus ihrem Heim vertreiben.

KAPITEL4

Rand Coventry öffnete die Augen, als die Tür zur Krankenstation mit einem Klicken aufgeschlossen und dann geöffnet wurde.

„Sohn“, brummte sein Vater, als er sich dem Bett näherte. Wie gewöhnlich trug er einen Maßanzug, doch das Jackett schien heute ein wenig zu hängen und seine Wangenknochen wirkten etwas schärfer als normal.

Er schluckte schwer und drückte den Knopf an seinem Bett, damit er sich etwas aufsetzen konnte, wobei er die Beschwerden in seiner Seite ignorierte, als er sich bewegte. Man hatte ihm eine Infusion gelegt – Morphium vielleicht, aber er war sich nicht sicher, denn er hatte immer noch leichte Schmerzen.

„Ich werde dafür sorgen, dass der Gefängnisdirektor seinen Job verliert“, grummelte sein Vater und zog sich einen Stuhl ans Bett.

Rand schüttelte den Kopf, oder versuchte es zumindest, aber es kostete ihn zu viel Mühe. Früher einmal hatte sein Vater tatsächlich genug Einfluss besessen, um so etwas möglich zu machen. Er hatte Richter und andere wichtige Männer in der Tasche gehabt. Doch all das hatte sich vor einem Jahrzehnt geändert.

Alles war von Ana Diaz und ihrem losen Mundwerk ruiniert worden. Sie hätte das Schweigegeld annehmen sollen, oder … ach Scheiße, eigentlich sollte sie tot sein.

„Ist schon okay“, krächzte er, obwohl die Wut in ihm aufstieg. Er war immer wütend, war seit zehn Jahren durchgehend zornig. Er unterdrückte es, verbarg es so gut er konnte vor allen anderen, aber er gehörte nicht ins Gefängnis. Und schon gar nicht hatte er es verdient, wegen eines Basketballs abgestochen zu werden. Doch hier lag er jetzt, auf der Krankenstation des Gefängnisses, mit Glück, dass der Stich ihn nicht ein paar Zentimeter weiter rechts erwischt und in seine Niere geschnitten hatte. Wenigstens war es hier besser als in seiner Zelle – obwohl er eine Einzelzelle hatte.

„Ich verstehe nicht, wie das passieren konnte. Wie du in der allgemeinen Gefängnisbevölkerung gelandet bist.“ Sanft tätschelte sein Vater seine Hand, aber das war nur eine äußerliche Demonstration von Zuneigung. Genau genommen war es ihnen sowieso nicht erlaubt, sich zu berühren. Doch der Wachmann, der draußen vor der Zimmertür mit eingelassenem Glasfenster stand, machte keine Anstalten, Rands Vater davon abzuhalten, seine Hand auf die von Rand zu legen.

Sein Blick ging zurück zu seinem Vater. Vor zehn Jahren war Tom Coventry noch ein Staatssenator gewesen, der die politische Karriereleiter erklommen und sich auf der Überholspur zum US-Senator befunden hatte. Jetzt arbeitete sein Vater für einen Hedgefonds und war zwar ziemlich wohlhabend, doch das war nie der Traum seines Vaters gewesen. Und Rand hasste diese Diaz Schlampe dafür, dass sie seiner Familie das auch noch genommen hatte.

Sie hatte alles ruiniert.

---ENDE DER LESEPROBE---