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Manche Geheimnisse beschützen dich …
Adeline Rodriguez hat ihre brutale Vergangenheit hinter sich gelassen, ihre Geheimnisse vergraben, und in Verona Bay neu angefangen. Jetzt ist sie erfolgreiche Mitbesitzerin des örtlichen Tierpflegesalons und hat sich ein Leben in dieser idyllischen Gemeinde aufgebaut. Hat wieder echte Freunde. Doch ihre Vorgeschichte macht es ihr schwer, wieder eine echte Beziehung einzugehen. Aber als die Umstände es zulassen, dass sie endlich ihre Verschlossenheit ablegt und sich auf den umwerfenden Mac Collins einlässt, serviert er sie eiskalt ab. Ihr erster Instinkt sagt ihr, sich wieder zu verschließen, doch sie entscheidet, ihn stattdessen zu konfrontieren – und diese verhängnisvolle Entscheidung bringt sie direkt ins Visier eines Mörders.
Andere können dich zerstören …
Mac steht schon seit ihrer allerersten Begegnung auf Adeline, aber sie hat ihm mehr als deutlich gemacht, dass sie keine Beziehung will. Also blieb er auf Abstand. Bis sie zufällig gemeinsam in einem Haus am See stranden und sich die Dinge zwischen ihnen verändern. Doch Mac wird von seiner Vergangenheit eingeholt, also stößt er Adeline von sich, um sie zu beschützen. Leider ist es zu spät – und jetzt ist sie ebenfalls in Gefahr. Um sie zu retten, hat Mac keine andere Wahl, als die Bedrohung zu beseitigen. Nur dann kann er versuchen, das Herz der Frau zu gewinnen, ohne die er nicht mehr leben kann. Doch die temperamentvolle Adeline für sich zu gewinnen, könnte schwerer werden, als einen Mörder aufzuhalten.
Alle Teile der Verona Bay Reihe:
Tödliche Andenken
Gefährliche Vergangenheit
Stiller Beschützer
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Stiller Beschützer
Ein Verona Bay Roman
Copyright © 2021 Katie Reus
* * *
Coverdesign von: Sweet ‘N Spicy Designs
Übersetzer und Herausgeber: Michael Drecker
Stühmeyerstraße 54, 44787 Bochum, Deutschland
Die Geschichte in diesem Buch ist frei erfunden. Die Namen, Charaktere, Orte und Begebenheiten entstammen der Fantasie der Autorin und existieren nicht wirklich. Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen, geschilderten Ereignissen, Örtlichkeiten oder Einrichtungen sind rein zufällig. Alle Rechte vorbehalten. Mit Ausnahme von Zitaten, die in Rezensionen verwendet werden, darf dieses Buch ohne schriftliche Genehmigung der Autorin weder reproduziert noch in jeglicher Art und Form verwendet werden.
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Über dieses Buch
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Epilog
Liebe LeserInnen
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Danksagungen
Über die Autorin
Manche Geheimnisse beschützen dich …
Adeline Rodriguez hat ihre brutale Vergangenheit hinter sich gelassen, ihre Geheimnisse vergraben, und in Verona Bay neu angefangen. Jetzt ist sie erfolgreiche Mitbesitzerin des örtlichen Tierpflegesalons und hat sich ein Leben in dieser idyllischen Gemeinde aufgebaut. Hat wieder echte Freunde. Doch ihre Vorgeschichte macht es ihr schwer, wieder eine echte Beziehung einzugehen. Aber als die Umstände es zulassen, dass sie endlich ihre Verschlossenheit ablegt und sich auf den umwerfenden Mac Collins einlässt, serviert er sie eiskalt ab. Ihr erster Instinkt sagt ihr, sich wieder zu verschließen, doch sie entscheidet, ihn stattdessen zu konfrontieren – und diese verhängnisvolle Entscheidung bringt sie direkt ins Visier eines Mörders.
Andere können dich zerstören …
Mac steht schon seit ihrer allerersten Begegnung auf Adeline, aber sie hat ihm mehr als deutlich gemacht, dass sie keine Beziehung will. Also blieb er auf Abstand. Bis sie zufällig gemeinsam in einem Haus am See stranden und sich die Dinge zwischen ihnen verändern. Doch Mac wird von seiner Vergangenheit eingeholt, also stößt er Adeline von sich, um sie zu beschützen. Leider ist es zu spät – und jetzt ist sie ebenfalls in Gefahr. Um sie zu retten, hat Mac keine andere Wahl, als die Bedrohung zu beseitigen. Nur dann kann er versuchen, das Herz der Frau zu gewinnen, ohne die er nicht mehr leben kann. Doch die temperamentvolle Adeline für sich zu gewinnen, könnte schwerer werden, als einen Mörder aufzuhalten.
Für meine Mutter.
Das Klingeln ihres Handys lenkte Adeline von dem Fortschritt ab, den sie beim Malen ihres Gemäldes machte. Sie war den ganzen Tag in ihre Arbeit vertieft gewesen und hatte das Ding beinahe vergessen.
Mit einem Blinzeln drehte sie sich um und suchte das Wohnzimmer nach der Quelle des Klingelns ab. Als sie Serenitys Namen auf dem Smartphonedisplay sah, ihre beste Freundin und Geschäftspartnerin, hob sie ab. „Hey, was gibt’s?“
„Ich wollte nur fragen, wie es dir geht. Und ob du sicher am Ferienhaus angekommen bist.“ Serenity hatte ihren mütterlichen Ton angeschlagen.
Sie grinste leicht, während sie durch das Wohnzimmer des kleinen Hauses am See ging, und sich auf eines der Ledersofas setzte. Es war gemütlich hier, und mit dem Regen, der auf das Blechdach prasselte, wusste sie, dass sie keine Probleme haben würde, einzuschlafen. „Ich bin nur vierzig Minuten von dir entfernt.“ Sie hatte nicht einmal Florida verlassen. Aber sich auf diese Art eine Auszeit zu nehmen war bereits therapeutisch.
Adeline und Serenity hatten den Pflegebereich ihres gemeinsamen Tierpflegesalons für eine Woche geschlossen, weil es dort um diese Jahreszeit immer recht ruhig zuging. Weihnachten war nur noch wenige Wochen entfernt, und obwohl sie den vorderen Teil ihres Ladens weiterhin geöffnet hatten, um Hundeleckerli und anderes Haustierzubehör zu verkaufen, brauchten sie beide eine Pause von der Pflegearbeit.
„Ich weiß, aber du bist da ganz alleine.“
Adeline wusste es zu schätzen, dass ihre Freundin nachfragte, wie es ihr ging – sie liebte es, Freunde zu haben, denen das tatsächlich wichtig war. Keine oberflächlichen Bekanntschaften, sondern ernste und ehrliche Beziehungen.
Sie beide waren vor nicht allzu langer Zeit durch die Hölle gegangen. Adeline war Anfang des Jahres entführt worden, obwohl es sich anfühlte, als wäre das schon ein Jahrzehnt her. Als wäre dieser Teil ihres Lebens ein weit zurückliegendes Kapitel in ihrer Vergangenheit. Doch dem war nicht so, gelegentlich hatte sie immer noch Albträume, wachte etwa einmal die Woche schweißgebadet auf. „Es ist wunderschön hier. Und ruhig, obwohl es heute echt viel geregnet hat.“ Sie hatte gehofft, einige Spaziergänge um den See machen zu können oder das Kanu auszuprobieren, das im Bootshaus hing, doch stattdessen hatte sie drinnen gehockt, ein Feuer im Kamin angemacht und gemalt … fast den ganzen Tag, wie ihr auffiel, als sie auf die Uhr sah. Ihr Magen knurrte und erinnerte sie daran, dass sie seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte. Denn Kaffee zählte nicht wirklich.
„Ich freue mich, dass du eine Auszeit bekommst.“
„Wie läuft es denn mit deiner Auszeit?“ Adeline war sich nicht sicher, ob Serenity sich tatsächlich eine gönnte. Ihre Freundin war eine vielbeschäftigte Mutter, der es schwerzufallen schien, Leuten auch mal „Nein“ zu sagen.
„Harper hat ab nächster Woche schulfrei, also versuche ich, meine Weihnachtseinkäufe zu erledigen und die Geschenke einzupacken, die ich hier schon versteckt habe – und mich um alle möglichen anderen Dinge zu kümmern, jetzt, da ich etwas Freizeit habe.“
„Ich hoffe, du planst da auch etwas Zweisamkeit mit deinem sexy Verlobten ein?“ Serenitys baldiger Ehemann Lucas besaß ein lokales Bauunternehmen und war genauso beschäftigt wie sie.
Serenity kicherte. „Vielleicht.“
„Gut. Das habt ihr beiden euch auch verdient.“ Und der Herrgott wusste, dass bei Adeline nichts dergleichen anstand. Es war so lange her, dass sie das letzte Mal Sex gehabt hatte, sie wollte nicht einmal über den tatsächlichen Zeitraum nachdenken, geschweigen denn es laut aussprechen. Daher hoffte sie, dass ihre Freundin den fehlenden Sex in Adelines Leben wettmachen würde.
„Beschreib mir genau, wie wunderbar es ist, ganz allein zu sein“, sagte Serenity mit einem sehnsüchtigen Unterton in der Stimme. „Ich liebe meine Familie, aber ich bin auch ein klein bisschen neidisch auf dich.“
„Nun, ich werde mir gleich ein heißes Bad gönnen, mir etwas Wein einschenken und mich dann mit einem guten Buch vors Kaminfeuer kuscheln. Also sei ruhig ordentlich neidisch.“
Serenity stöhnte leicht, doch dann erklangen bei ihr Stimmen im Hintergrund, sehr wahrscheinlich von Harper und Lucas. „Ich muss los. Ich wollte wirklich nur kurz nachfragen, ob bei dir alles in Ordnung ist. Guck mal zwischendurch auf dein Handy – tauch die Woche nicht komplett ab.“
„Okay.“
Nachdem sie sich verabschiedet hatten, saß Adeline eine Weile lang einfach nur da. Sie wusste, dass Serenity sich Sorgen um sie machte, doch größtenteils hatte sie die Nachwirkungen ihrer Entführung gut im Griff. Außer wenn sie auf die verblassenden Brandwunden an ihrem linken Arm herabsah – eine Erinnerung daran, dass sie fast gestorben wäre. Und das nicht zum ersten Mal. Obwohl Serenity von der vorherigen Sache nichts wusste. Oder von ihren anderen Narben.
Das tat niemand in Verona Bay.
Ihr Blick wanderte zu der Leinwand, auf der sie gemalt hatte, und sie starrte einen Moment lang auf das fast fertiggestellte Bild. Sie hatte nicht einmal vorgehabt, ihre Mutter zu malen, doch sobald sie damit begonnen hatte, hatte sie nicht mehr aufhören können. Irgendwie hatten die Gedanken an ihre Vergangenheit sie eingenommen und jetzt … sah sie in die dunklen Augen ihrer verstorbenen Mutter und fragte sich, was ihre Mom wohl von ihr denken würde. Wäre sie stolz auf sie? Seufzend nahm Adeline ihre Pinsel und ging damit zur Küchenspüle, um sie auszuwaschen.
Eine Freundin aus Verona Bay hatte ihr das Ferienhaus eine Woche lang überlassen und gemeint, da gerade keine Hauptsaison sei, wäre sie nur froh, dass es überhaupt genutzt würde. Die gute Frau hatte keine Miete oder ähnliches verlangt, aber Adeline würde ihr trotzdem etwas überweisen, um ihren Aufenthalt abzudecken.
Das Häuschen lag an einem recht großen See, der aber nicht so groß war, dass sie die andere Seite nicht mehr hätte sehen können. Obwohl sie keine direkten Nachbarn hatte, hatte sie trotzdem einen guten Blick auf die schicken Häuser, die vereinzelt um den See herum lagen. Und sie hatte hier draußen Internet und Handyempfang. Aber es war nett, sich ausnahmsweise nicht mit anderen Menschen in der Nähe befassen zu müssen. Eine schöne Art, zu entspannen.
Nachdem sie sich ein Glas Wein eingeschenkt hatte, tat sie genau das, was sie Serenity gesagt hatte: Sie ließ sich ein heißes Bad ein und steckte sich die Haare hoch, bevor sie sich ins Wasser sinken ließ.
Das war ihr Urlaub und sie würde ihn in vollen Zügen genießen.
* * *
Mac runzelte die Stirn, als er in die Auffahrt einbog. Frische Reifenspuren führten zu der geschlossenen Garage. Derek hatte ihm gesagt, dass er sein Haus am See haben könnte, um dort ein paar Tage zu entspannen. Und Gott wusste, dass er das gebrauchen konnte.
Sein Bruder Joe hatte die letzten Abende seine Freundin zu ihnen eingeladen und obwohl es ihm nie etwas ausgemacht hatte, mit seinen beiden jüngeren Brüdern zusammenzuwohnen, merkte Mac in letzter Zeit, dass er sich nach etwas mehr Privatsphäre sehnte. Etwas mehr Zeit für sich. Aber natürlich hatte er Joe und Marcy auch nicht rausschmeißen wollen. Nach dem Tod ihrer Eltern hatte Mac es übernommen, Joe und Dylan großzuziehen, und sie lebten alle noch in dem Haus, in dem sie aufgewachsen waren. Er konnte seinem Bruder schlecht sagen, dass er seine Freundin nicht dorthin einladen durfte. Es war nur ungewohnt, so oft jemand Fremdes in seinem Heim zu haben.
Und wenn er ehrlich war, die beiden zusammen zu sehen erinnerte Mac daran, dass er irgendwie seine Chance bei Adeline Rodriguez vergeigt hatte. Er war sich nicht ganz sicher, wie, doch zuvor hatte es da definitiv einen Funken von Affinität zwischen ihnen gegeben. Ach was, mehr als nur einen Funken. Die schwelende Hitze zwischen ihnen war elektrisierend gewesen.
Doch als er sie um eine Verabredung gebeten hatte, hatte sie sich so schlagartig zurückgezogen, als hätte er sie eingeladen, ein rituelles Tieropfer mit ihm zu begehen. Und die letzten zwei Monate war sie ihm eindeutig aus dem Weg gegangen.
Egal, wie sehr er es auch versuchte, er bekam sie nicht aus dem Kopf. Und das lag auch daran, dass er wusste, dass er sich diesen Funken, diese Anziehungskraft zwischen ihnen, nicht nur eingebildet hatte. Sie hatte es auch gespürt und er wusste, dass sie Single war. Aber etwas hielt sie davon ab, sich auf ihn einzulassen.
In sich hineinseufzend, schnappte er sich seine Reisetasche, und nachdem er sich kurz gegen den sintflutartigen Regen gewappnet hatte, eilte er aus seinem Wagen. Er rannte zur Haustür und schloss sie mit dem Schlüssel auf, den Derek ihm gegeben hatte.
Dann erstarrte er einen Moment und setzte langsam seine Tasche auf den Boden, während ihm das Regenwasser von Gesicht und Armen tropfte. Er war nicht allein.
Von irgendwoher weiter im Innern drang Musik zu ihm und selbst über den aufs Dach prasselnden Regen hinweg, konnte er definitiv Bewegungen hören. Er wusste, dass Derek dieses Haus den Sommer über vermietete, aber nicht im Herbst und Winter. Derek hatte ihm außerdem gesagt, dass die Alarmanlage eingeschaltet sein würde, aber … Mac sah zum Bedienpanel neben der Tür. Nein, die war aus.
Vorsichtig schritt er durch den Eingangsbereich und seine Muskeln spannten sich an, während er sich darauf vorbereitete, sich mit einem Eindringling auseinandersetzen zu müssen.
Als er sich durch den Flur bewegte, hörte er plötzlich ein leises Summen und eine Art brutzelndes Geräusch. Und dann … traf ihn eine Duftwelle von Gewürzen und etwas, das absolut köstlich roch. Jemand war in der Küche und kochte? Da fühlte sich der Eindringling wohl wie zu Hause.
Vorsichtig bog er um die Ecke, doch der Anblick, der sich ihm bot, ließ ihn wie angewurzelt stehenbleiben.
Adeline stand in der Küche und trug ein kurzes, knappes … Kleid? Negligé? Er wusste nicht, was das für ein Stofffetzen war, aber er sah gut an ihr aus. Das pinke Kleidchen mit den dünnen Trägern hob sich hell von ihrer dunklen Haut ab und betonte den perfektesten Arsch, den er je gesehen hatte. Sie summte vor sich hin, während seichte Musik lief und sie ihre Hüften auf die freiste, sinnlichste Art schwang, die er je hatte mitansehen dürfen.
Gütiger Himmel. Jetzt fühlte er sich wie ein Eindringling, und er wusste, dass er sich bemerkbar machen musste. „Adeline.“
Sie stieß einen Schrei aus, wirbelte zu ihm herum und hielt ihren Pfannenwender wie eine Waffe vor sich. Dann erstarrte sie. „Mac? Was … machst du denn hier?“ Verdutzt blinzelte sie ihn mit diesen großen braunen Augen an.
„Derek meinte, dass ich das Haus die nächsten beiden Tage haben könnte.“
Sie zuckte zusammen und stieß dann ein nervöses Lachen aus. „Ah, naja, Madison hat mir gesagt, dass ich es haben könnte.“
Dereks Ehefrau. „Da sind die beiden offenbar mit ihren Terminplanern durcheinandergekommen.“ Obwohl er enttäuscht war, dass er wieder fahren musste, trat er einen Schritt zurück. „Dann mach ich mich wieder vom Acker.“ Sie zu sehen hatte ihn aufgewühlt, besonders da er die letzten Monate mehr oder weniger besessen von ihr gewesen war. Immer darauf gehofft hatte, kurze Blicke von ihr in der Stadt zu erhaschen, obwohl es wie Folter gewesen war – wenn auch von der besten Sorte. Und jetzt stand sie direkt vor ihm und ihre Brüste quollen fast aus ihrem Kleid, als wäre seine Fantasie zum Leben erwacht.
Sie schüttelte leicht den Kopf und ihre großen Locken glitten sachte über ihre Schultern. „Nein, es ist schon spät und das Wetter da draußen ist furchtbar.“
„Es ist erst neun Uhr.“
„Der Regen …“ Sie verstummte und sah an sich herab, als wäre ihr plötzlich eingefallen, was sie trug. Dann räusperte sie sich. „Äh, warte kurz.“ Sie drehte die Herdplatte ab und eilte aus dem Raum.
Als sie das tat, bot sich ihm ein Blick auf sehr viel Haut und eine Andeutung ihres Hinterns, als das kleine Kleidchen hochbauschte.
Seine Muskeln spannten sich an, als ihm ihre Anwesenheit noch deutlicher bewusst wurde. Er hatte sich schon immer zu ihr hingezogen gefühlt. Von dem Moment an, in dem sie bei ihnen aufgetaucht war, um seinem kleinen Bruder Nachhilfe zu geben. Aber verdammt, sie so zu sehen? Er fuhr sich mit einer Hand übers Gesicht und versuchte, die Erregung abzuschütteln, die ihn ergreifen wollte.
Weniger als eine Minute später kam Adeline zurück und trug jetzt eine Yogahose und einen weiten Pullover mit einem Herzchen darauf. „Wahrscheinlich sollten wir Derek und Madison anrufen und herausfinden, was passiert ist. Oder ihnen zumindest Bescheid geben.“
„Nein wirklich, ich verspreche, dass das keine große Sache ist. Ich mache mich einfach wieder auf den Weg.“ Er hatte noch nicht einmal ausgepackt, war aber dennoch enttäuscht. Er hatte sich auf seine Zeit hier gefreut.
Ein Donnern grollte direkt über ihnen und beide hielten sie kurz inne, als die Fenster bebten.
Sie schüttelte den Kopf, während sie zurück an den Herd ging. „Der Regen wird immer schlimmer und ich habe gerade eine Tornadowarnung auf mein Handy bekommen.“ Wie um ihre Worte zu unterstreichen, vibrierte sein eigenes Handy und zeigte ihm eine Warnung an, dass es einen Tornado in der Gegend gegeben hatte. „Du solltest bei diesem Wetter nicht auf der Straße sein. Wahrscheinlich sind sogar schon ein paar Bäume umgestürzt.“ Sie klang, als wäre es bereits eine beschlossene Sache, dass er hierblieb.
Sie hatte recht, das wusste er. Doch er wollte ungern in ihre Privatsphäre eindringen, wo sie es zuvor so deutlich gemacht hatte, dass sie ihn nicht in ihrer Nähe haben wollte. Er sah sich in der Küche um, sorgsam darauf bedacht, sie nicht anzusehen. „Das riecht sehr gut.“
„Es schmeckt auch gut – und ich habe genug, um es zu teilen. Ernsthaft, das ist kein Problem, hier gibt es zwei Schlafzimmer. Geh und bring deine Tasche in das leere. Das ist die erste Tür rechts im Flur. Ich hab mir das größere geschnappt.“ Sie grinste leicht und dieses Lächeln stellte etwas mit ihm an – nämlich, dass er vergaß, zu atmen. „Um fair zu sein, ich wusste nicht, dass noch jemand kommen würde.“
Die Situation war so seltsam und Adeline war so nett zu ihm. Als wäre sie ihm nicht monatelang aus dem Weg gegangen. Und … er wollte wirklich nicht nach Hause fahren. Nicht wegen des Sturms, sondern weil er Zeit mit ihr verbringen wollte.
In diesem Moment entschied er, dass er nicht länger mit diesem unerwarteten Geschenk hadern würde. Er nickte einfach und ging zurück zum Eingangsbereich, wo er seine Reisetasche nahm und tat, was sie gesagt hatte.
Als er das freie Schlafzimmer betrat, ließ ein Donner das gesamte Haus erbeben und er überlegte, dass sie ein paar Kerzen gebrauchen könnten – für den Fall, dass der Strom ausfiel. Er schrieb Derek eine Textnachricht, ließ ihn von der Doppelbuchung wissen, und fragte ihn, wo sich die Notfallausrüstung befand.
Als er zurück in die Küche ging und Adeline vorfand, die das, was sie gekocht hatte, gerade in zwei bunte Schüsseln umfüllte, überkam Mac erneut dieses surreale Gefühl, das er nicht ganz abschütteln konnte.
„Ich werde auf meine Portion noch ein Spiegelei machen. Willst du auch eins?“, fragte sie.
Er sah auf die Schüssel mit Reis und Bohnen und dann zu den Avocadoscheiben auf dem Schneidebrett. „Ja, gerne. Das sieht wirklich sehr lecker aus. Was ist das?“
„Eine modifizierte Version der Huevos Rancheros meiner Mutter – ich lasse die Maistortilla weg und verzichte darauf, meine eigene Salsa zu machen.“ Sie lachte leicht und der Klang hüllte sich um ihn. „Ich nehme die aus dem Laden“, sagte sie, als würde sie ihm ein Geheimnis beichten. „Meine Mutter hat das früher ständig für mich gemacht. Ich hab die Gewürze, die sie für den Reis benutzt hat, nie so perfekt hinbekommen wie sie, aber es kommt ziemlich nah ran.“
„Benutzt hat?“
„Ja, sie ist gestorben.“ Sie sah ihn nicht an, gab keine weiteren Details preis, doch er konnte sehen, dass sich ihr Kiefer kurz anspannte, während sie ein Ei in die Pfanne schlug.
Mac hörte den scharfen Biss des Schmerzes in ihren Worten – etwas, das er nur allzu gut verstand, da auch er seine Eltern in relativ jungen Jahren verloren hatte. Also hakte er nicht nach.
Bevor ihm etwas einfiel, das er sagen könnte, fuhr sie fort. „Ich hab da vorne eine offene Flasche Wein stehen. Ich weiß nicht, ob du Wein trinkst, aber du kannst dir gerne welchen nehmen. Und im Kühlschrank stehen noch ein paar Bier. Bestimmt von Derek.“
Er schüttelte den Kopf, während er ein Stück weiter in die Küche ging. „Ich trinke nicht, aber danke.“
Sie hielt inne und warf ihm einen Blick zu. „Du trinkst keinen Alkohol?“
„Nein.“
„Nun, ich habe auch Wasser und Eistee im Kühlschrank.“
„Und ich habe noch eine Kühltasche in meinem Bronco. Die wollte ich eigentlich erst morgen früh reinholen.“ Er hatte vorgehabt, hier anzukommen und sich direkt hinzulegen.
„Hast du was gegessen, bevor du in Verona Bay losgefahren bist?“
Er lachte leicht und lehnte sich an die Küchenanrichte. „Zählt Beef Jerky von der Tanke?“
Sie sah ihn erneut an und ihre braunen Augen weiteten sich entsetzt. „Nein, das tut es definitiv nicht.“
Ihr so nahe zu sein war eine Herausforderung für seine Sinne – und drohte, sie zu überlasten.
Er stieß sich von der Anrichte ab und suchte nach Besteck, um den kleinen Tisch am Fenster zu decken, von dem aus man den See überblicken konnte. Die Fensterläden standen offen, aber draußen war es zu dunkel, um viel zu sehen. Wenn er die Augen zusammenkniff, konnte er den See gerade so hinter den herabfallenden Regenschleiern erkennen.
„Die Blitze sind ganz schön abgefahren. Sie erleuchten den gesamten See. Sieht ziemlich cool aus“, sagte sie.
Er wandte sich vom Fenster ab. „Ich habe Derek geschrieben und ihm von der Doppelbuchung erzählt. Und von dem Gewitter – er hat mir gesagt, wo sie noch Kerzen haben, also hole ich die eben und stelle sie schon mal auf.“
„Gute Idee, daran hatte ich gar nicht gedacht … Übrigens, macht es dir etwas aus, wenn ich trinke? Falls es dich stört, kann ich den Wein auch gerne wegstellen.“
Einen Moment lang war er erstaunt von ihrer Intuition, aber vielleicht hätte er das nicht sein sollen. Die meisten Menschen verstanden erst nicht, was er meinte, wenn er sagte, dass er keinen Alkohol trank. Er sagte es immer so sachlich. Für gewöhnlich glaubten die Leute, er meine damit, dass er in dem Moment keinen Alkohol trinken wollte. „Nein, das macht mir nichts aus, versprochen. Ich bin gleich zurück.“
Er betrat die Wäschekammer und fand die Kiste mit batteriebetriebenen Kerzen, Wachskerzen, Taschenlampen, kleinen Teelichtern und anderen Dingen, aus denen das Unwetter-Kit bestand, und trug sie zurück in die Küche. Er setzte alles auf einer der Arbeitsflächen ab, während Adeline ihre Schüsseln auf den Tisch stellte.
„Tut mir leid, dass ich deinen Urlaub störe“, sagte er, als er sich zu ihr in die Essecke gesellte.
Sie schnaubte bloß und deutete ihm, sich zu setzen, während sie selber Platz nahm. „Ich könnte dasselbe sagen. Du bist ganz offensichtlich ebenfalls für eine Auszeit hier. Tut mir leid, dir das ruiniert zu haben.“
„Mit dir hier zu sein ist eine nette Abwechslung. Ich hab dich die letzten Monate nicht oft gesehen.“ Verdammt, das hatte er nicht sagen wollen. Er wollte nicht, dass es peinlich zwischen ihnen wurde, denn sie war eindeutig bemüht, die Dinge leicht und fröhlich zu halten. Offenbar hatte er sich nicht gut unter Kontrolle.
Doch er bildete sich definitiv nicht ein, dass ihre Wangen rot wurden.
Er räusperte sich. „Tut mir leid, ich wollte das hier nicht unangenehm machen. Du bist nur so nett zu mir. Es … überrascht mich etwas, weil es sich sonst so anfühlt, als würdest du mir aus dem Weg gehen.“
„Nein, ist schon in Ordnung. Naja, ich schätze … vielleicht bin ich dir aus dem Weg gegangen.“
„Vielleicht?“
„Na gut, das bin ich.“ Ihre Wangen bekamen ein noch dunkleres Rot und sie vermied es, ihn anzusehen, während sie ihre Gabel in die Hand nahm.
„Nur weil du nicht mit mir ausgehen willst, heißt das ja nicht, dass wir nicht befreundet sein können.“ Es wurmte ihn, dass sie ihn praktisch links liegen gelassen hatte, nachdem er sie um ein Date gebeten hatte.
„Es ist nicht so, dass ich nicht mit dir ausgehen wollte … das wollte ich. Das will ich. Ich meine …“ Ihr Gesicht brannte jetzt. „Ich weiß nicht einmal, was ich zu sagen versuche. Es ist nur so, dass ich gerade mit niemandem ausgehen will, und ich schätze, ich bin in Panik geraten. Und da ich nicht wollte, dass die Dinge zwischen uns unangenehm sein würden, hab ich mich verzogen.“
Doch er fokussierte sich auf den „Das will ich“-Teil ihrer Aussage. Interessant. Er war sich nicht ganz sicher, was er davon halten sollte.
„Also, wie war deine Fahrt hier hoch?“, fragte sie und versuchte offensichtlich, das Thema zu wechseln.
Er tat ihr den Gefallen, da er nicht wollte, dass ihre Unterhaltung vollkommen ins Unangenehme abdriftete, besonders da sie sich gerade eine Unterkunft teilten. „Ganz in Ordnung, bis der Regen anfing. Auf den letzten Meilen hierher waren die Straßen ganz schön rutschig. Und die Blitze—“ Wie aufs Kommando zuckte ein Blitz über den Himmel und erhellte den See mit grellweißen Adern.
Auf der anderen Seite des Tisches erschauderte Adeline leicht.
Sein Beschützerinstinkt wallte in ihm auf. Er mochte es nicht, wenn irgendwer Angst hatte, aber besonders nicht Adeline. Nicht nach dem, was sie durchgemacht hatte. „Wenn wir mit dem Essen fertig sind, sollten wir am besten ein paar Kerzen aufstellen, nur um vorbereitet zu sein.“ Er sah zum Kamin hinüber. „Das Feuer kann ich auch wieder anmachen.“
„Ja, das habe ich irgendwie vernachlässigt. Ich war baden und hab danach direkt mit dem Kochen angefangen.“
Die Vorstellung, wie sie nackt in der Wanne lag, ließ seine Zuneigung zu ihr nicht gerade schwinden. Ganz im Gegenteil. „Das schmeckt übrigens großartig. Ich glaube, deine Mutter wäre stolz gewesen.“ Er genehmigte sich einen weiteren Bissen und rief sich ins Gedächtnis, nicht alles wie ein Wilder in sich hineinzuschaufeln.
„Danke.“ Ihre Wangen wurden erneut rot und ihm gingen alle möglichen Gedanken dazu durch den Kopf – insbesondere fragte er sich, ob sie wohl am ganzen Körper rot anlaufen würde, wenn er seinen Kopf zwischen ihren Beinen vergraben würde.
Stille breitete sich zwischen ihnen aus und er wusste nicht recht, ob es eine angenehme oder eine peinliche Stille war. Die Situation war nach wie vor etwas seltsam, doch Adeline hatte zugegeben, dass sie ihm aus dem Weg gegangen war und … mit ihr hier zu sein, fühlte sich nicht schräg an. Er mochte es, in ihrer Gesellschaft zu sein, mochte sie, und sie versuchte zweifellos, das Beste aus den aktuellen Umständen zu machen.
„Darf ich dich fragen, wieso du nicht trinkst?“, fragte sie plötzlich. Dann weiteten ihre Augen sich leicht. „Ich meine, vergiss es, ich bin echt zu neugierig. Wenn ich nervös bin, neige ich dazu, zu viel zu reden und dumme Dinge zu sagen. Ignorier mich einfach.“
Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln, während er sie musterte. Er hatte sie noch nie so neben der Spur erlebt. Sie war süß und witzig – sie brachte seinen Bruder immer zum Lachen, wenn sie ihn unterrichtete. Aber dass sie so nervös war? Nein, definitiv nicht.
„Ist schon okay. Mir macht es nichts aus, darüber zu reden. Ich bin seit etwa dreizehn Jahren bei den Anonymen Alkoholikern. Und ich habe kein Verlangen mehr, zu trinken.“ Er zögerte. „Genau genommen bekomme ich etwa einmal pro Jahr das Verlangen, aber das geht für gewöhnlich schnell wieder vorbei. Dann frage ich mich, ob ich nicht einfach einen Drink haben und danach wieder aufhören könnte. Aber ich bin einfach einer dieser Menschen, die nicht trinken können. Ich weiß einfach nicht, wann ich aufhören soll. Es ist, als wäre da ein Schalter in meinem Kopf, der sich dann nicht wieder umlegen lässt. In der Highschool war das keine große Sache, falls du es noch nicht gehört hast, ich hatte damals den Ruf, ziemlich krass zu feiern.“
Sie nickte. „Ich habe ein paar Geschichten gehört.“
Ja, das hatte er sich gedacht, und er hoffte, dass die schlimmsten nicht dabei gewesen waren. Er war jung und dumm gewesen, doch es war ihm immer noch peinlich, wenn er daran zurückdachte, wie er sich benommen hatte. „Also, wie auch immer, da war das normal, oder zumindest habe ich gedacht, dass es das wäre. Ich war ein unreifer Idiot und all meine Freunde haben sich genauso verhalten.“ Natürlich hatten seine Freunde nicht unter der Woche nach der Schule getrunken, so wie er. „Bei den Marines habe ich dann endlich mein Leben auf die Reihe bekommen. Als ich im Auslandseinsatz war, habe ich nicht viel getrunken, außer wenn wir es geschafft hatten, etwas in unsere Zelte zu schmuggeln. Aber mir wurde bald klar, dass ich, im Gegensatz zu meinen Kameraden, einfach nicht aufhören konnte. Einer meiner Befehlshaber hat sich dann lange mit mir hingesetzt und mit mir darüber geredet, wie mein Leben verlaufen wird, wenn ich das nicht in den Griff bekomme – und daraufhin habe ich mich bei den Anonymen Alkoholikern angemeldet, mir einen Sponsor besorgt und aufgehört, zu trinken. So einfach, wie das jetzt klingt, war es natürlich nicht – ich habe vielen Menschen in einer Weise weh getan, die ich sehr bereue, hatte Rückschläge und habe mehr Mist gebaut, als ich zugeben möchte – aber das ist die Kurzfassung des langen Weges, den ich hinter mir habe. Es ist ein Teil von mir und ich bin jetzt an einem Punkt, an dem ich damit klarkomme.“ Er versteckte diesen Teil von sich nicht unbedingt, aber normalerweise redete er auch nicht so frei darüber. Doch es gefiel ihm, so offen mit ihr zu sein, und er wollte sie wissen lassen, wer er war. Besonders jetzt, da er glaubte, noch eine Chance bei ihr zu haben.
„Gehst du noch zu den Treffen?“
„Einmal die Woche. Es ist gut für mich, mich mit den Leuten dort zu unterhalten und mich daran zu erinnern, dass ich es auf keinen Fall riskieren kann, zu dem zurückzugehen, der ich einmal war.“ Er hatte sich seine eigene Schreinerei aufgebaut, hatte zwei Brüder, um die er sich kümmerte, und er mochte sein Leben. All das zu ruinieren, um sich kurzzeitig zu betäuben, war es das nicht wert.
Sie nahm einen Bissen von ihrem Abendessen und nickte gedankenvoll. „Meine Mutter war auch Alkoholikerin. Deswegen habe ich immer sehr darauf geachtet, wie viel ich trinke. Ich weiß, dass es vererbbar sein kann.“
„Mein Vater war auch einer. Er hat es gut versteckt, aber mit dem, was ich jetzt weiß, würde ich sagen: Ja, er hatte ein Problem. Das habe ich damals nur nicht gemerkt, weil ich ein egozentrischer Teenager war. Und ich glaube ernsthaft, dass er nicht realisiert hat, dass er ein Problem hatte. Ich schätze, das war irgendwie die Gruppendynamik bei ihm und seinen Freunden.“ Er räusperte sich. „Kann ich dich was Persönliches fragen?“
„Ja, natürlich. Besonders, nachdem du so offen warst.“ Sie betrachtete ihn mit diesen hübschen braunen Augen, in denen er sich verlieren könnte.
„Du hast nie viel über deine Vergangenheit geredet. Ich habe auch gar keine konkrete Frage dazu, ich bin nur neugierig, und jetzt hast du deine Mutter erwähnt, also …“ Mist, er wusste gar nicht, was er zu sagen versuchte. Er wollte sie bloß besser kennenlernen.
„Äh, nun, meine Mutter … war Künstlerin. Eine talentierte Künstlerin. Alkohol und Drogen gehörten bei ihr und ihren Künstlerfreunden zum Lebensstil. Sie dachte bestimmt auch nicht, dass sie ein Problem hätte, und sie hätte ihr Trinken nie als Alkoholismus bezeichnet, aber … sie hat weit über das gesunde Maß hinaus getrunken.“
Bevor er irgendetwas erwidern konnte, schoss ein weiterer Lichtblitz über den Himmel und erleuchtete den See, bevor das komplette Haus in Dunkelheit getaucht wurde.
Adeline fuhr zusammen, als das Licht plötzlich ausging, und verharrte dann regungslos. Es war so dunkel, dass man kaum noch die eigene Hand vor Augen sehen konnte. „Mac?“, flüsterte sie, obwohl sie wusste, dass er nicht weit weg sein konnte. Es war nur so still.
„Bleib einfach sitzen. Ich gehe und zünde ein paar Kerzen an.“
Seine tiefe Stimme war beruhigend, und sie hörte, wie sein Stuhl scharrend nach hinten geschoben wurde. Dann erhellte ein weiterer Blitz die Küche, während er zu der Anrichte ging, wo er die Kiste mit der Notfallausrüstung abgestellt hatte. Sie zitterte, als sie wieder in Dunkelheit getaucht wurden und merkte, dass sie sehr froh war, ihn hierzuhaben. Der Gedanke, jetzt gerade allein zu sein, ohne Strom in einem abgelegenen Haus am See? Unter normalen Umständen wäre sie damit klargekommen, aber nach dem Jahr, das hinter ihr lag … nein, danke. Als sie entführt worden war, war sie mitten in der Nacht desorientiert in diesem beschissenen FEMA-Trailer aufgewacht, in dem es keinerlei Licht gegeben hatte. In der Dunkelheit zu sein war immer noch desorientierend für sie. Und es war der Grund, warum sie jetzt mit einem Nachtlicht schlief.
Dennoch, dass Mac unangekündigt hier aufgetaucht war, hatte sie auf die schlechtmöglichste Art aus der Bahn geworfen. Sie fühlte sich wie ein nervöses Wrack und gab viel zu viele unüberlegte Dinge von sich. Und dass sie leicht beschwipst von ihrem Wein war, half wahrscheinlich auch nicht. Aber in der Gegenwart von Mac Collins neigte sie dazu, zu sprechen, bevor sie zu Ende gedacht hatte. So war es schon, seit sie ihm Anfang des Jahres zum ersten Mal begegnet war.
Sie war bei ihm zu Hause aufgetaucht, um seinen jüngsten Bruder zu unterrichten, und war praktisch von Ehrfurcht ergriffen worden, als sie diesen großen, sexy Mann gesehen hatte. Gütiger Himmel, er war der Stoff, aus dem Frauenträume waren. Groß gewachsen, breite Schultern, unglaublich muskulöse Arme und ein Bart, der ihm einen dunklen, grüblerischen Holzfäller-Look verlieh – was von den Flanellhemden, die er in seiner Schreinerei trug, nur noch unterstützt wurde. Und diese strahlend blauen Augen waren wie die Kirsche auf dem Sahnetörtchen, das Mac Collins war. Nun, vielleicht waren auch seine unbeschreiblichen Unterarme die Kirschen – denn die wollte sie definitiv abschlecken.
Oh Gott, sie musste aufhören, über ihn zu fantasieren.
Plötzlich gingen kleine, flackernde Lichter an und sie sah, dass Mac einige der batteriebetriebenen Kerzen eingeschaltet hatte.
Erleichtert stieß sie einen Atemzug aus, von dem sie nicht einmal gemerkt hatte, dass sie ihn anhielt, und die Luft kam als lautes Pusten heraus.
„Alles in Ordnung?“ Seine tiefe, dröhnende Stimme schickte ein Schaudern durch sie.
„Ja, alles gut.“ Es war ihr nur etwas peinlich, dass sie Angst im Dunkeln hatte. Jetzt, da die kleinen Lichter an waren und sie Mac lediglich drei Meter entfernt in der Küche sehen konnte, fühlte sie sich sicherer – und es half, zu wissen, dass sie nicht wieder in vollkommener Schwärze gefangen sein würden. Behutsam stand sie vom Tisch auf und ließ ihr Weinglas und die Schüsseln wo sie waren.
Ein weiteres Licht flackerte an der Küchenanrichte auf und als sie bei ihm ankam, reichte Mac ihr eine Taschenlampe.
„Da ist eine Kordel dran, du kannst sie dir also um den Hals hängen und wirst nicht mehr—“
Plötzlich ging das Licht in der Küche wieder an und Adeline sog aus einem anderen Grund den Atem ein. Mac unter der hellen Intensität der Küchenbeleuchtung so nahe zu sein war fast schon ein Schock. Er roch erdig, sexy, und gütiger Himmel, sie musste unbedingt einen weiteren dieser mentalen Abstürze verhindern, die in seiner Nähe zu geschehen schienen. Sie bezeichnete es als den „Mac-Rausch“.
Sein Blick fiel auf ihren Mund und entfachte eine Hitze in ihrer Mitte, die sich tiefer und tiefer ausbreitete.
Ooohhh, nein. Sie räusperte sich und trat einen kleinen Schritt zurück. Das war wirklich keine gute Idee. Ihre Erfolgsbilanz mit Männern war eher etwas, das in einen Horrorfilm passte, und sie weigerte sich, sich eine Dummheit zu erlauben, nur weil sie alleine waren und sie zu viel Wein getrunken hatte.
Außer … dass sie nur zwei Gläser gehabt hatte. Und sie wusste, was sie wollte – mit oder ohne Wein intus.
Mac.
Sie wollte ihn, seit sie ihm begegnet war, und hatte viel zu oft von seinen großen Händen und vollen Lippen fantasiert. Sie hatte dem Drang widerstanden, ihn zu malen – bis jetzt – denn das hätte sich fast schon übergriffig angefühlt, aber das Verlangen, sein Gesicht auf einer Leinwand festzuhalten, war da.
Er machte einen Schritt von ihr weg, um weitere Kerzen aus der Kiste zu nehmen, und sie konnte wieder frei atmen. „Lass uns die hier im Wohnzimmer, dem Badezimmer und den Schlafzimmern aufstellen. Wir können sie genauso gut schon anmachen, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass der Strom wieder ausfallen wird.“
Es war eine Erleichterung, etwas zu haben, das sie beschäftigte und davon abhielt, seine herrlichen Lippen küssen zu wollen. „Okay, ich mache hier noch kurz sauber und räume alles in die Spülmaschine, solange wir noch Strom haben.“
„Klingt nach einer guten Idee. Ich fange im Wohnzimmer an und kümmere mich dann auch direkt darum, das Kaminfeuer wieder anzubekommen.“
Sie machten sich an die Arbeit und Adeline war froh, ihre Hände beschäftigen zu können, damit sie nicht ständig darüber nachdachte, was wohl unter Macs Hemd war.
* * *
Adeline setzte sich auf die Couch, als Mac gerade damit fertig wurde, das Kaminfeuer zu schüren. Es war bizarr, mit ihm hier zu sein, doch wie sich herausgestellt hatte, war er genau der Typ, den man in einer Krisensituation bei sich haben wollte. Nicht, dass ein Stromausfall eine ausgewachsene Krise war, aber er war von allem so unerschüttert gewesen. Ein absoluter Fels. In mehr als einer Beziehung.
„Und, wie läuft’s mit der Arbeit?“ Sie versuchte, neutrales Territorium zu finden, denn ins Bett wollte sie noch nicht. Und obwohl in seiner Nähe sämtliche ihrer Sinne durchzudrehen schienen, wollte sie mehr Zeit mit ihm verbringen. Er gab ihr ein Gefühl der Sicherheit, und die Arbeit war ein ungefährliches Gesprächsthema.
„Gut. Anstrengend, aber ich liebe, was ich tue. Es gibt also keinen Grund zur Klage.“ Mac fertigte spezielle Holzarbeiten an, egal ob Möbelstücke oder Kunstwerke, und der Mann war unglaublich talentiert. Er hatte eine extrem lange Warteliste für seine Dienste und Adeline war sich ziemlich sicher, dass er für die nächsten zwei Jahre ausgebucht war. Sein Kundenstamm verteilte sich über die ganze Welt und den Leuten machte es nicht aus, zu warten. Außerdem fertigte er Auftragsarbeiten für ein lokales Bauunternehmen an, das dem baldigen Ehemann ihrer besten Freundin gehörte.
„Also hast du einfach entschieden, dich mitten in der Woche davonzumachen?“ Sie nahm ihre Tasse heißen Tee, auf den sie umgestiegen war, nachdem sie alles saubergemacht und die Kerzen aufgestellt hatten. Sie hatten nach wie vor Strom, hatten aber dennoch die meisten Lichter ausgeschaltet und ließen das Wohnzimmer vom Kaminfeuer erhellen. Das Knistern und die angenehme Hitze ließen alles gemütlich und intim wirken, als würde die Welt da draußen nicht einmal existieren.
„Joe hat in letzter Zeit ziemlich oft seine Freundin mit nach Hause gebracht.“ Macs Ton war trocken, als er in einem der gemütlichen Sessel beim Kamin Platz nahm und den Sessel zu ihr ausrichtete.
„Magst du sie nicht?“ Adeline kannte Marcy und erinnerte sich noch, dass die Frau völlig aufgelöst gewesen war, als man Joe zwei Tage lang vermisst hatte.
„Nein, sie ist sehr nett. Und sie tut ihm gut. Es ist nur … momentan sind ständig irgendwelche Leute bei uns zu Hause. Das ist eine Umstellung für mich.“
„Das glaube ich.“
Er wirkte eher wie ein Einzelgänger. Doch vielleicht war er das gar nicht, angesichts dessen, wie nah er seinen Brüdern stand. Allerdings, so wie er sich um sie kümmerte, war er mehr eine Vaterfigur als ein großer Bruder. Sie vermutete, dass es eine Umstellung für ihn war, dass seine Brüder jetzt erwachsen waren und ihr eigenes Leben hatten – keine Teenager mehr, die viel Führung brauchten.
„Okay, pass auf, ich werde morgen abreisen und du kannst hierbleiben“, sagte sie. Sie hatte ein Haus für sich und es machte ihr nichts aus, zurückzufahren. Ihm war deutlich anzumerken, dass er etwas Zeit für sich brauchte, und sie wollte, dass er die bekam.
„Auf keinen Fall. Ich haue hier direkt morgen früh wieder ab.“ Ein Donnergrollen rumorte direkt über ihnen und sie sahen beide aus dem Fenster, als ein gezackter Blitz über den Himmel schoss.
Es war gleichzeitig wunderschön und etwas furchteinflößend. Eine Art Kunst für sich.
„Oder vielleicht auch nicht“, murmelte er. „Wir werden sehen, wie das Wetter morgen ist. Hast du das gemalt?“ Er nickte zu der Leinwand, die in der Ecke stand.
Sie war noch nicht fertig damit, sie musste noch die Schattierungen überarbeiten und dem Bild den letzten Schliff verpassen, aber es kam bereits gut heraus. „Ja.“
„Du bist wirklich talentiert. Ich wusste gar nicht, dass du so gut malen kannst.“ Es lag ein Hauch Bewunderung in seiner Stimme, was ihr aus irgendeinem Grund innerlich ganz warm und flauschig werden ließ. „Die Frau da ist umwerfend.“
Sie spürte, wie ihre Wangen heiß wurden, und versuchte, das Kompliment mit einem Schulterzucken abzutun. „Das ist meine Mutter.“ Und sie war umwerfend schön gewesen. Adeline hatte es geschafft, diese schwachen, kastanienbraunen Strähnen im schwarzen Haar ihrer Mutter herauszuarbeiten, die nur im richtigen Licht zu sehen gewesen waren, und die Intensität ihrer dunklen Augen und das Lächeln waren ihr auch sehr gut gelungen. Dieses breite, ansteckende Lächeln, das viele Männer und Frauen dazu verleitet hatte, ihr die Welt zu versprechen. Im Hintergrund hatte Adeline kaum sichtbar ein paar Segelboote auf einem See skizziert, die kleinen Zeichnungen aber sehr abstrakt gehalten. Das Gemälde war aus einer lang verschollenen Erinnerung entstanden, bei der nur sie und ihre Mutter einen Tag zusammen verbracht hatten. Sie hatten gerade gepicknickt, als irgendein Typ sie auf sein Segelboot eingeladen hatte – aber ihre Mutter hatte ihn abgewimmelt, damit sie den Tag mit ihrer Tochter verbringen konnte. Sie hatte sich an jenem Tag für Adeline entschieden, was nicht immer der Fall gewesen war. „Aber verglichen mit ihrem Talent ist das da eher Fingermalerei.“ Okay, das war etwas übertrieben, aber es fühlte sich komisch an, für ihre Malerei gelobt zu werden, wenn das immer die Domäne ihrer Mutter gewesen war.
Er schnaubte leicht. „Irgendwie bezweifle ich das. Verkaufst du deine Werke auch?“
„Nein. Malen ist etwas, das ich nur für mich mache. Es ist mein kreatives Ventil. Ich habe zwar schon mal darüber nachgedacht, aber eigentlich ist das etwas, womit ich kein Geld verdienen möchte. Zumindest nicht im Moment. Aber wer weiß, was die Zukunft noch bereithält.“ Als sie nach Verona Bay gezogen war, hatte sie alle Aspekte ihrer Vergangenheit ablegen wollen – wobei sie kürzlich mit dem Gedanken gespielt hatte, einen Onlineshop zu eröffnen, aber sie war sich noch unsicher. Sie verdiente sich nebenbei mit Mathenachhilfe etwas dazu, und obwohl sie es liebte, Nachhilfe zu geben, hatte sie Sorge, dass sie die Freude am Malen verlieren könnte, sollte sie versuchen, auch damit Geld zu verdienen.
„Ja, deswegen gehe ich gerne angeln. Ich komme aus der Werkstatt, raus in die Natur und weg von allem.“ Er sah erneut zum Bild und dieselbe Bewunderung wie zuvor leuchtete in seinen blauen Augen auf. „Obwohl, um fair zu sein, ich könnte mit dem Angeln kein Geld verdienen. Du hingegen könntest wahrscheinlich richtig abräumen.“
Sie zeigte ihre Malereien nur den wenigsten Leuten, und er war so aufrichtig mit seinen Komplimenten. Sie räusperte sich und fühlte sich noch ein Stück weiter neben der Spur. „Wie geht es eigentlich Joe nach allem?“
„Der Junge hat sich echt schnell erholt. Ihm geht es wieder richtig gut.“ Schmunzelnd schüttelte Mac den Kopf. „Man würde nie auf die Idee kommen, dass er tagelang am Ufer eines Flusses getrieben ist und fast gestorben wäre.“
Sie schüttelte ebenfalls den Kopf und ihre Brust zog sich kurz zusammen, als sie sich daran erinnerte, wie er ausgesehen hatte, als sie ihn am Flussufer gefunden hatten. Joe war ein Jahrzehnt jünger als sie, doch manchmal fühlte es sich an, als würde sie und Joe mehr als nur das Alter trennen. Er war ein alberner, witziger Junge im Studentenalter, der an alles mit einer positiven Einstellung heranging. Es überraschte sie nicht, dass er wieder obenauf war.
„Also, auf die Gefahr hin, dass ich das hier unangenehm mache, kann ich dich was fragen?“
Sie verkrampfte sich leicht, nickte aber. „Ja.“
„Ich weiß, dass ich mir diesen Funken zwischen uns nicht eingebildet habe. Warum hast du nein gesagt, als ich dich um eine Verabredung gebeten habe?“
Genau genommen hatte Adeline nicht nein gesagt, sie hatte ihm nur nicht geantwortet – und dann waren sie unterbrochen worden. Und anschließend hatte sie ihn monatelang wie ein Feigling gemieden. Obwohl ihr erster Instinkt war, seiner Frage auszuweichen, behielt sie ihren Blick fest auf ihn gerichtet. „Meine Erfolgsbilanz mit Beziehungen ist nicht gerade rosig.“
„Also … willst du nie wieder eine Beziehung mit jemandem eingehen?“ Er streckte sich in seinem Sessel und seine langen, muskulösen Beine waren ein Fest für die Augen.
Ihr Blick wanderte zu seinen Oberschenkeln und verweilte dort – und sie musste ihre Gedanken bremsen, da diese in sehr gefährliches Territorium abdrifteten. „Das habe ich nicht gesagt.“
„Nun, gehst du denn auf Dates? Ich glaube nicht, dass ich dich jemals mit irgendwem gesehen habe.“ Seine Stimme war samtig, tief und – verdammt, warum gefiel ihr das so gut?
„Ich habe dich auch noch nie auf einem Date gesehen.“ Es war nicht gerade eine Frage, aber sie war neugierig. Soooo neugierig. Und vielleicht sogar etwas eifersüchtig.
Seine Lippen bogen sich leicht nach oben. „Touché. Ich bin auch schon eine ganze Weile mit niemandem mehr ausgegangen. Länger als ich drüber nachdenken mag. Eigentlich nicht mehr, seit ich zurück nach Hause gezogen bin, um mich um meine Brüder zu kümmern und meine Schreinerei hochzuziehen … Eine Beziehung hat da irgendwie nicht reingepasst.“
Und doch hatte er sie um ein Date gebeten.
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, fügte er hinzu: „Bis ich dir begegnet bin, hatte ich auch kein großes Interesse daran, mit jemandem auszugehen. Und auf die Gefahr hin, dass ich mich erbärmlich anhöre, falls du irgendwann mal mit mir ausgehen willst, das Angebot steht noch. Ich würde dich liebend gerne zum Abendessen einladen.“
Oooohh. Sie spürte die Hitze seines Blicks bis tief in ihr Inneres. Und dieser Blick sagte, dass er gerne mehr tun würde, als nur mit ihr zu Abend zu essen.
Sie rutschte etwas verlegen umher und verlagerte ihren Sitz, und die Wärme in ihren Wangen hatte nichts mit dem knisternden Feuer oder dem heißen Tee zu tun. Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte, obwohl sie sein Angebot wirklich, wirklich gerne angenommen hätte. „Ah, gut zu wissen.“
Doch Angst hatte sich ihren Weg in Adelines Brust gegraben und ihre rasiermesserscharfen Klauen dort versenkt. Sie hatte zwar in Verona Bay neu angefangen, sich ein Leben aufgebaut und neue Freunde gewonnen, aber sie hatte sich niemandem geöffnet, seit … einer wirklich, wirklich beschämend langen Zeit. Und das aus gutem Grund.
Der letzte Mann, mit dem sie eine Beziehung geführt hatte, war tot. Weil sie ihn getötet hatte.
„Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir uns verlaufen haben“, sagte Marcy skeptisch, während sie den schmalen Pfad entlangwanderten.
„Nein, ich kenne mich hier aus.“ Vielleicht würde sie ihm ja glauben, wenn Joe nur selbstbewusst genug klang. Er sah zu beiden Seiten in den Wald, der ihren Weg säumte, und bemühte sich, ein Stirnrunzeln zu vermeiden, während der Nieselregen ihre Jacken und Gesichter bedeckte. Hinter dem Anwesen seiner Familie lagen meilenweite Wanderwege. Lange bevor er auf die Welt gekommen war, hatten seine Eltern zwölf Hektar Land gekauft, das Land aber nie kultiviert oder anderweitig nutzbar gemacht, außer ein Haus darauf zu bauen und Pfade für ihn und seine Brüder anzulegen.
Der Regen hatte heute Morgen endlich nachgelassen, also hatten Marcy und er entschieden, eine kleine Wanderung hinter dem Haus seiner Familie zu machen. Doch sie waren erst dreißig Minuten unterwegs gewesen, als sie von einem erneuten Wolkenbruch überrascht worden waren. Erst hatten sie noch weitergehen wollen, hatten dann aber doch den Pfad verlassen und unter einer Gruppe von Bäumen Schutz gesucht, um wenigstens noch etwas trocken zu bleiben.
Doch als der Regen wieder nachgelassen hatte, musste Joe feststellen, dass er die Orientierung verloren hatte. Er kam nicht oft hierher, und für gewöhnlich nur zusammen mit seinem älteren Bruder Mac – und das auch nur, weil er Zeit mit Mac verbringen wollte, der die Wälder liebte. Joe zockte lieber Computerspiele, fuhr mit seinem Boot raus oder ging klettern. Aber Marcy hatte wandern wollen, und jetzt … Scheiße, sie hatten sich verlaufen.
„Wirklich?“ Zweifel schwang in ihrer Stimme mit und als er einen Blick zu ihr nach hinten warf, sah er Verärgerung in ihren hübschen grünen Augen aufflackern. Selbst mit der Kapuze ihres getupften Regenmantels klebte ihr das Haar an den Wangen.
Seine eigenen Schuhe waren bereits durchweicht und quietschen bei jedem Schritt. „Klar, hier sind wir richtig.“
Ihre Augen verengten sich leicht, während sie langsamer wurde. „Das klingt eher wie eine Frage.“
„Na gut, ich bin gerade etwas orientierungslos.“
Sie kicherte leicht und ihre Verärgerung löste sich auf. „War das so schwer, zuzugeben, dass du falsch liegst oder wir uns verlaufen haben?“
„Ja, irgendwie schon.“
Das brachte sie noch mehr zum Lachen, was ihn schließlich ebenfalls lachen ließ. „Mist, wir haben uns echt verfranzt. Obwohl wir nicht so weit weg vom Wanderweg sein können.“ Er seufzte und sah sich im Wald um, während er seinen kleinen Rucksack zurechtrückte. Sie waren auf einem der Pfade, also mussten sie eigentlich nur herausfinden, in welche Richtung sie laufen mussten. Alle Wege führten zum gleichen Punkt zurück, aber … diese Gegend war ihm nicht ansatzweise vertraut. Er war vielleicht kein eingefleischter Wanderer und Fährtenleser wie Mac, aber zumindest die Gegend sollte ihm bekannt vorkommen.
„Vielleicht sollten wir das GPS unserer Handys benutzen oder so“, schlug Marcy vor, während sie ein Stück weitergingen und ihre Turnschuhe quietschende Laute von sich gaben.
„Ich weiß nicht, ob das hier draußen funktionieren wird.“ Es nieselte jetzt nur noch leicht, also holte er sein Smartphone heraus und sah, dass er kein Netz hatte. Da war ein dickes fettes X, wo ihm normalerweise seine Verbindungsbalken angezeigt wurden. Verdammt.
„Hey, das sieht ein bisschen wie Reifenspuren von einem Quad aus.“ Sie zeigte in den Wald.
Er runzelte die Stirn, als er den behelfsmäßig angelegten Waldweg mit den frischen Reifenspuren sah, die nur leicht mit Wasser gefüllt waren. „Komm mit.“
Als sie begannen, den Pfad entlangzugehen, strich er sich sein nasses Haar aus der Stirn und verzog das Gesicht, als er den ganzen Schlamm sah. Hoffentlich würden sie so zurück in die Zivilisation kommen. Oder zumindest irgendwohin, von wo aus er den Weg nach Hause kannte.
Während sie dem Pfad folgten und ihre Schuhe bei jedem Schritt vom Boden angesaugt wurden, nahm er ihre Hand in seine. „Es könnte schlimmer sein, oder?“
„Ja, ich könnte gerade trockene Klamotten anhaben und eine heiße Tasse Kaffee trinken.“
Er lachte, was er oft tat, wenn sie bei ihm war. „Stimmt. Aber wenigstens sind wir zusammen.“
„Es gäbe keinen, mit dem ich lieber hier wäre. Und ich würde sagen, wenn wir zurück sind, hüpfen wir erst einmal zusammen unter die heiße Dusche.“ Ihre Stimme senkte sich leicht und wie aus dem Nichts reagierte sein gesamter Körper. Was ziemlich normal bei ihm war, was Marcy betraf. Er war gerade erst neunzehn geworden und war nicht davon ausgegangen, dass er vor der Uni irgendetwas Ernstes wollte, doch nachdem er Marcy begegnet war, war er süchtig nach ihr.
Er nickte. „Abgemacht.“ Während sie weiter den Waldweg entlanggingen, sah er etwa fünf Meter über ihnen ein paar alte Sperrholzbretter, die an einem der Eichenbäume zusammengenagelt waren. Rote Farbchips blätterten davon ab und er konnte die Worte nicht mehr erkennen, die dort mal gestanden hatten, doch wenn er hätte raten müssen, hätte er gesagt, dass es etwas in die Richtung von Zutritt verboten war. Er blieb stehen und deutete nach oben. „Ich glaube, ich weiß jetzt, wo wir sind. Scheint so, als wären wir schon auf dem Grundstück unseres Nachbarn.“
„Nachbarn?“
„Genau genommen sind es nicht unsere Nachbarn, aber ich weiß nicht, wie ich sie sonst nennen soll. Die Leute halt, denen das Grundstück hinter unserem gehört. Aber ich kenne die nicht. Ich erinnere mich, dass Mac mir mal von einem Arschloch erzählt hat, der hier in der Nähe wohnte, aber das ist schon Jahre her.“ Der Typ war im Gefängnis gelandet oder so.
Ein Schuss hallte in der Ferne durch die Luft und sie blieben beide wie angewurzelt stehen. Sein Herzschlag beschleunigte sich, aber nicht wegen des Schusses – die hörte er hier in der Wildnis oft genug.
„Glaubst du, dass da jemand jagt?“, flüsterte Marcy und ihre Hände schlossen sich fester um die Riemen ihres Rucksacks.
Er sah in den dunkler werdenden Himmel hoch und die grauen Wolken, die heranrollten, versprachen weiteren Regen. „Vielleicht.“ Es war immer noch Jagdsaison und die würde auch noch ein paar Wochen andauern, aber… „Jäger würden eigentlich erst nach dem Regen rauskommen, wenn die Tiere unterwegs sind. Nicht jetzt.“
Ein weiterer Schuss ertönte, rasch gefolgt von einem Rat-a-tat-tat. Er packte ihre Hand und zog sie vom Pfad runter.
„Das war kein Jagdgewehr.“ Zwar jagte er nicht selbst, aber er kannte sich gut genug aus, um zu wissen, wie normale Jagdschüsse klangen. Es gäbe einen, vielleicht zwei oder drei hintereinander, sollte der Jäger sein Ziel beim ersten Mal verfehlen. Doch das da … hatte wie eine halbautomatische Waffe geklungen. „Ich will von diesem Weg runter“, sagte er mit gesenkter Stimme. „Ich weiß nicht, was das war, aber ich würde sagen, wir laufen besser in Richtung Süden. So sollten wir irgendwann zurück zu mir nach Hause kommen.“ Zumindest hoffte er das sehr.
Sie nickte, während sie ihn mit ihren grünen Augen vertrauensvoll ansah, und er hasste es, dass sie sich wegen ihm so verirrt hatten. Er hatte bei diesem Wetter nicht einmal rausgehen wollen und hätte das einfach sagen sollen.
Wenigstens versanken ihre Schuhe nicht mehr auf den schlammigen Wegen, sondern quietschten über das Gras des höherliegenden Bodens. Während sie durch den Wald eilten, versuchte Joe, das Donnergrollen über ihnen zu ignorieren. Durch die Baumkronen konnte er die dunkelgrauen Wolken sehen, die über ihnen hinwegzogen. Ja, das Wetter würde erst nochmal schlimmer werden, bevor es wieder aufklarte.
Dann … hielt er die Hand hoch, als er in der Ferne Stimmen hörte. Das sanfte Prasseln des Regens und ein weiteres Donnergrollen erschwerten es, auszumachen, woher genau die Stimmen kamen.
Marcy blieb neben ihm stehen und sah sich mit angespannter Miene um.
In der Nähe unterhielten sich zwei Männer.
Sie legte sich einen Finger an die Lippen und signalisierte ihm damit, dass sie still sein würde. Er nickte und gemeinsam schlichen sie weiter in Richtung der Stimmen. Wenn es bloß Jäger waren, würden sie sie nach dem Weg fragen und von hier verschwinden. Aber er wollte vorsichtig sein, da diese Schüsse ungewöhnlich für die Gegend hier gewesen waren. Je weiter sie liefen, desto lichter wurde der Wald und umso lauter wurden die Stimmen.
Als sie den Rand der Lichtung erreichten, packte er Marcys Hand und zog sie hinter einem Gebüsch in Deckung.
Aus ihrem Versteck heraus spähte er durch das dichte Gras und die Azaleenbüsche. Der Regen wurde wieder stärker, aber er konnte zwei Männer sehen, die auf einer selbstgebauten Veranda vor einem alten Wohncontainer standen. Einer von ihnen trug T-Shirt und Jeans und der andere ein weißes Unterhemd und Boxershorts. Der Typ im Unterhemd hatte sich eine Atemmaske auf die Stirn hochgeschoben, während er mit dem in der Jeans diskutierte.
„Was, wenn das jemand gehört hat!“, schrie der Typ in Boxershorts.
Der Mann in Jeans hielt eine Hand hoch. „Hier draußen ist doch niemand! Keiner kann uns hören, du Idiot. Genau deswegen haben wir unser Geschäft ja hier.“
Geschäft? Joe betrachtete den Wohncontainer genauer und entdeckte, dass sämtliche Fenster offenstanden, obwohl es draußen kalt und regnerisch war. Dunkle Vorhänge flatterten im Wind und da war ein ganzer Haufen Atemmasken, die aus einer der offenen Mülltonnen quollen. Müll häufte sich auf der linken Seite des Containers und die beiden Tonnen dort waren komplett voll. Limoflaschen aus Plastik, in denen Schläuche steckten, verstopften eine der Tonnen, und auf dem Dach gab es etwas, das wie ein selbstgebauter Lüftungsventilator aussah.
Ooohhh, Scheiße. Das war ein Methlabor.
Panik setzte ein, als ihn diese Erkenntnis traf. Methdealer waren paranoide Wahnsinnige. Und diese Jungs hatten halbautomatische Waffen. Verdammte Scheiße.
Sie mussten hier verschwinden. Er ergriff Marcys Hand und drückte sie einmal kurz.
Mit Angst in den Augen nickte sie und beide huschten sie geduckt zurück, während ein weiteres Donnergrollen durch den Himmel dröhnte. Der Regen wurde jetzt wieder stärker und ertränkte die Laute ihrer Bewegungen, als sie sich schließlich wieder aufrichteten und zu rennen begannen.
Nachdem sie volle zehn Minuten gelaufen waren, wurde Marcy schwer atmend langsamer. „Das war ein Methlabor, oder?“
Er nickte, während die Zahnräder in seinem Kopf arbeiteten. Wenigstens hatte er jetzt eine ziemlich gute Ahnung, wo sie waren. Leider. Mist.
„Sollen wir den Sheriff anrufen?“, fragte sie.
„Erst will ich mit Mac reden. Ich weiß nämlich nicht genau, ob das noch das Zuständigkeitsgebiet von Sheriff Jordan ist. Ich denke, das könnte das Gebiet des benachbarten Polizeireviers sein.“
„Und warum können wir dann nicht einfach denen Bescheid sagen?“
„Weil ich mir ziemlich sicher bin, dass dieses Grundstück dem dortigen Polizeichef gehört.“ Weswegen er zuerst mit seinem Bruder reden wollte. Er brauchte einen Rat, bevor er etwas Dummes tat und die falsche Entscheidung traf.
Adeline bog vom Flur in die Küche ab und sah sich dort instinktiv nach Mac um, während sie das reiche Aroma des Kaffees einatmete. Doch bevor sie sich eine Tasse davon einschenkte, ging sie durchs Haus und hoffte, dass er noch nicht abgereist war.
Sie glaubte nicht, dass er einfach heimlich abgehauen war, während sie noch geschlafen hatte, aber der Regen hatte irgendwann in der Nacht oder am frühen Morgen aufgehört, also war er das vielleicht doch. Sie ging ins Wohnzimmer und blieb bei dem Anblick, der sich ihr bot, wie angewurzelt stehen. Mac stand mit dem Rücken zu ihr am Fenster und war oberkörperfrei, vielen Dank dafür, während er über den unberührten, glitzernden See blickte.
Sie musste einen Laut von sich gegeben haben, denn er drehte sich zu ihr um und seine Augenlider senkten sich einen Moment, doch dann schenkte er ihr genauso schnell ein kleines Lächeln. „Guten Morgen“, brummte er.
Er sah so sexy morgens aus, klang sexy … Oh, sie war in Schwierigkeiten. „Guten Morgen“, erwiderte sie heiser, dann räusperte sie sich. „Wie lange bist du schon wach?“
„Seit ein paar Stunden.“
Sie blinzelte. „Ernsthaft?“
Er zuckte die Schultern und rieb sich abwesend mit einer Hand über sein Sixpack. Versuchte er etwa, sie umzubringen? „Ja. Irgendwie konnte ich nicht abschalten. Ich mache mir Sorgen um meine Brüder.“
„Das kann ich mir nach dem, was mit Joe passiert ist, gut vorstellen.“ Er war tagelang vermisst worden, weil er sich den Kopf angestoßen hatte und bewusstlos in einer kalten Schlammpfütze getrieben war. Er hatte sich nach seiner Rettung zwar schnell wieder erholt, doch Adeline war an diesem Tag dabei gewesen, hatte gesehen, wie knapp er dem Tod entkommen war.
Mac nickte, als würde er noch etwas sagen wollen, doch dann wandte er sich ab und sah wieder aus dem Fenster. Der See war wie eine wunderschöne Glasscheibe, die sich zwischen Bäumen und Hügeln vor ihnen erstreckte.
Doch ihre Aufmerksamkeit galt nicht der Natur. Nein, die galt einzig und allein dem Mann vor ihr. Sie versuchte, nicht allzu sehr auf seine durchtrainierten Rückenmuskeln zu gaffen, wobei sie allerdings spektakulär versagte. „Ich kann gar nicht glauben, wie sehr das Wetter über Nacht aufgeklart ist.“ Adeline gesellte sich zu ihm ans Fenster und versuchte, unauffällig seinen erdigen, maskulinen Duft zu inhalieren, ohne wie eine offensichtlich Irre zu wirken.
„Wir sollten für ein, zwei Stunden eine Atempause bekommen, aber laut dem Wetterbericht soll es nachher wieder regnen“, sagte er. „Ich wollte mir nur noch einen Kaffee genehmigen, bevor ich losfahre.“
Ihre Bauchmuskeln zogen sich zusammen. Sie wollte nicht, dass er fuhr – aus mehreren Gründen. Er verlieh ihr ein Gefühl der Sicherheit, und … sie mochte ihn sehr. „Hör zu, du musst wirklich nicht abreisen. Und falls du unbedingt wieder fahren willst, willst du nicht vorher wenigstens noch was Schönes unternehmen? Mit dem Kanu rauspaddeln oder so?“ Sie wusste, dass er Wassersport mochte und war sowieso etwas nervös darüber, das große Kanu alleine aus dem Bootshaus zu holen. Und okay, sie wollte etwas mehr Zeit mit ihm verbringen. Das konnte sie an diesem Punkt unmöglich leugnen. Die letzte Nacht mit ihm unter demselben Dach verbracht zu haben, hatte das gefestigt.
Er zögerte und fast ging sie davon aus, dass er nein sagen würde, aber dann nickte er. „Bist du sicher?“
„Ja. Das Haus ist groß genug für uns beide.“
„Ich meinte, was das Rausfahren mit dem Kanu betrifft. Ich werde heute trotzdem noch abreisen. Ich weiß, dass du ein schweres Jahr hinter dir hast und—“
Oh nein, sie wollte bestimmt nicht über ihre Entführung reden. „Du bist ein frustrierender Mann, Mac Collins“, murmelte sie und trat einen Schritt zurück. „Ich hole mir einen Kaffee und ziehe mich um. Sollen wir uns hier in zehn Minuten wieder treffen?“ Und gütiger Gott, sie hoffte, dass er dann ein T-Shirt tragen würde. Obwohl, hoffte sie das wirklich?