Gefangen im Euro - Hans-Werner Sinn - E-Book

Gefangen im Euro E-Book

Hans-Werner Sinn

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Beschreibung

Die Euro-Zeitbombe tickt. Nach Griechenland, Zypern, Spanien und Irland stecken nun auch Frankreich und Italien in ernsten Schwierigkeiten. Die Kapitalanleger konnten sich aus dem Staube machen, weil der deutsche Staat und die Bundesbank an ihre Stelle getreten sind. Viele Hunderte von Milliarden Euro wurden so bereitgestellt: Geld, das für den Erhalt der deutschen Infrastruktur und die Verbesserung der Schulen dringend benötigt worden wäre. Kommen jetzt sogar Eurobonds? Und greifen damit die kriselnden Staaten Süd- und Westeuropas noch direkter in unsere Taschen? In gewohnt deutlicher Manier zeigt Hans-Werner Sinn die Entwicklungen in der Eurokrise auf – vom Krimi hinter den Kulissen bis zur immer wieder verkündeten Alternativlosigkeit der Scheckbuchpolitik, die in Wahrheit nur Angst vor notwendigen Entscheidungen war. Schon jetzt ist klar: Wir und unsere Kinder werden die Zeche zahlen müssen. Und doch lässt sich durch mutiges Handeln das Schlimmste verhindern. Hans-Werner Sinn plädiert für rasche und einschneidende Euro-Reformen – darunter schnelle Schuldenschnitte, eine veränderte Zusammensetzung der Eurozone und die radikale Veränderung der EZB-Stimmengewichte. Der neuen Bundesregierung gibt er damit eine lange Liste von konkreten Hausaufgaben auf den Weg – nur so kann der Frieden in Europa gesichert, kann die schleichende Entmündigung der Bürger und die Entwertung unserer Sparvermögen gestoppt werden.

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Hans-Werner Sinn

Gefangen im Euro

Helmut Schlesinger

zum neunzigsten Geburtstag

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:[email protected]

1. Auflage 2014

© 2014 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Herausgeber der »Edition Debatte« im Redline Verlag: Prof. Dr. Christoph Lütge und Jens Schadendorf, München

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Ulrike Kroneck, Melle-Buer

Umschlaggestaltung: Kristin Hoffmann, München

Satz: Georg Stadler, München

Druck: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt

Printed in Germany

ISBN Print 978-3-86881-525-2

ISBN E-Book (PDF) 978-3-86414-626-8

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86414-627-5

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.redline-verlag.de

Inhalt

Vorwort– Auf schwankendem Grund7

Prolog–Politische Interessen, ökonomische Gesetze und der Euro 13

Teil I: Die Eurokrise verstehen – ein Drama in sieben Akten 17

Missachtung des Maastrichter Vertrags: Die Kreditblase als erste Krisenstufe 17

Sind die Ökonomen schuld? Oder: Warum auch wir für Cristiano Ronaldo haften 29

Zweiter Akt: Selbstbedienung mit der Druckerpresse39

Parlamente als Erfüllungsgehilfen der Europäischen Zentralbank 46

Hinter den Kulissen: Wie Deutschland ausgespielt wurde 54

Dritter Krisenakt: Der Kauf der Staatspapiere gegen das Votum der Bundesbank 71

Noch tiefer im Haftungsstrudel: Die Rettungsschirme EFSF und ESM – vierter Akt der Eurokrise 73

Das OMT-Programm der EZB – fünfter Akt des Dramas 76

Hoffnung: Die Grätsche des Bundesverfassungsgerichts in die Politik der EZB 82

Es kommt noch schlimmer – die Bankenunion als sechster Krisenakt 94

Siebter Akt: Eurobonds – ein Hauch von DDR und die Enteignung der Sparer 102

Wo stehen wir? Ist die Krise vorbei? 113

Teil II: Die Krise dauerhaft bewältigen – ein Sechs-Punkte-Programm 125

TOP 1 Alles auf den Tisch: Schuldenkonferenz und Schuldenschnitt 128

TOP 2 Das kleinere Übel: Schneller Austritt überschuldeter Länder aus der Eurozone 134

TOP 3 Eigenleistungen der Euro-Krisenländer: Pfänder und Vermögensabgaben 154

TOP 4 Die Neuordnung des EZB-Systems: Damit keine neuen Kreditblasen entstehen 156

TOP 5 Der »atmende Euro«: Feste Regeln für zukünftige Ein- und Austritte 164

TOP 6 Eine Konkursordnung für die Eurostaaten 165

Teil III: Europa nach vorn denken167

Die Vereinigten Staaten von Europa: Ja, aber … 167

Eine Konföderation nach Schweizer Vorbild182

Danksagung 191

Der Autor 193

Der Gesprächspartner von ­Hans-Werner Sinn 195

Vorwort– Auf schwankendem Grund

Die Eurokrise scheint überwunden zu sein. Deutschland jubelt über sprudelnde Steuereinnahmen, zunehmende Beschäftigung und Exportwachstum. Doch der Schein trügt. Denn anders, als es der öffentliche Jubel glauben machen will, ist die Eurokrisekeinesfallsüberwunden. Im Gegenteil: Sie schwelt weiter und vernichtet sowohl die Lebenschancen der jungen Menschen in den südeuropäischen Krisenländern als auch einen erheblichen Teil des Wohlstands der Deutschen.

Die Massenarbeitslosigkeit in Südeuropa ist ungebrochen. In Spanien, Griechenland und Italien liegt die Industrieproduktion auf Katastrophenniveau, weil diese Länder im Euro gefangen sind und ihnen der Weg zu einer Währungsabwertung verwehrt ist. Frankreich, der Hauptlieferant und Hauptgläubiger der Südländer, ist angeschlagen. Und Deutschland ist wie noch einige andere Länder Nordeuropas in einer Haftungsspirale gefangen, weil es die Investoren aus aller Welt, die ihr Geld in den Südstaaten angelegt haben, mit immer mehr Rettungsversprechen ablösen muss.

Der Koordinator der Rettungsaktionen ist die Europäische Zentralbank (EZB). Sie nimmt die deutschen Steuerzahler ungefragt in die Haftung und geht mit großzügigen Regionalkrediten an die südeuropäischen Staaten in Vorlage, die den Deutschen Bundestag und die deutsche Regierung anschließend vor fast alternativlose Entscheidungssituationen stellen. Nicht nur das deutsche Verfassungsgericht ist der Meinung, dass sich die EZB Macht angemaßt hat, die ihr nicht zusteht, und dass die EZB die Parlamente Europas zu Erfüllungsgehilfen degradiert hat.

Mit der ihm eigenen Mischung aus Kompetenz, Prägnanz und Streitbarkeit zeichnet Hans-Werner Sinn in diesem Buch die allmähliche Eskalation der Eurokrise nach: vom Unterlaufen des Maastrichter Vertrags über die Euro-Rettungsschirme und die ausufernde Politik der EZB bis hin zu Bankenunion und drohenden Eurobonds.

Dabei ist Sinn mehr denn je die Stimme der ökonomischen Vernunft in der europäischen Finanzkrise. Er macht deutlich: Wir dürfen uns von öffentlichen Beschwichtigungen der Politiker und EZB-Repräsentanten nicht beirren lassen. Denn wir sind schon jetzt tief versunken im Euro-Haftungsstrudel, in den wir uns durch falsche Versprechen haben hineinziehen lassen. Schon jetzt sind wir immense, kaum mehr rückgängig zu machende Verpflichtungen gegenüber den wettbewerbsschwachen südeuropäischen Krisenländern eingegangen.

Spannend wie in einem Krimi erklärt Sinn nicht nur komplexeste Zusammenhänge. Er berichtet, selbst leidenschaftlicher Europäer, erstmals auch von Geschichten hinter den Kulissen, etwa wie Deutschlands Widerstand bei Verhandlungen überwunden wurde oder wie es zu den Rücktritten der von ihm geschätzten Axel Weber, ehemals Chef der Deutschen Bundesbank, Jürgen Stark, ehemals EZB-Chefvolkswirt, und Bundespräsident Horst Köhler kam.

Hans-Werner Sinn zeigt: Wir bewegen uns auf gefährlich schwankendem Grund, und den Preis für diese Situation werden Arbeitnehmer, Rentner und Hartz-IV-Empfänger und die folgenden Generationen zu zahlen haben – auch wenn das die Politiker nicht offen zugeben.

Doch Sinn bleibt nicht bei der Dynamik der Eurokrise stehen. Mit Vehemenz fordert er in den Konturen eines Sechs-Punkte-Programms eine Änderung der Euro-Krisenpolitik, die ein Ende macht mit der Vergemeinschaftung der täglich weiter wachsenden Schulden zugunsten der internationalen Investoren, die ihr in Südeuropa investiertes Geld von den Steuerzahlern der noch gesunden Länder Europas zurückbekommen wollen. Besonders betont er dabei eine notwendige Reform der Europäischen Zentralbank. Seine zentrale Forderung ist, den Krisenländern die Möglichkeit zu nehmen, sich das Geld zu drucken, das sie sich auf den Kapitalmärkten nicht mehr zu günstigen Konditionen leihen können.

Unterstützung für einen radikalen Kurswechsel in der Euro-Krisenpolitik erhielt Sinn auch durch das Bundesverfassungsgericht, mit dessen Kritik an der EZB-Politik er sich intensiv auseinandersetzt. Er ruft die Bundesregierung auf, das Verdikt über die EZB-Politik ernst zu nehmen und nun aktiv dagegen vorzugehen, wie es das Gericht verlangt.

Sinn wäre nicht Sinn, wenn er nicht einen Ausweg aus der Krise formulieren würde, um die den innereuropäischen Frieden bedrohende »Gefangenschaft im Euro« zu überwinden. Einerseits plädiert er dafür, die jetzige Krise durch eine europäische Schuldenkonferenz zu lösen, die die überschuldeten Länder von einem Teil ihrer nicht mehr tragbaren Schulden befreit, sowie einigen südeuropäischen Ländern den Weg zu einem temporären Austritt aus dem Euro nebst Währungsabwertung zu ebnen. Dabei formuliert er das Leitbild des »atmenden Euro«, eines Systems, in das man nicht nur eintreten, sondern aus dem man auch austreten kann. Andererseits fordert Sinn perspektivisch eine »Europäische Konföderation« nach Schweizer Vorbild als unabdingbare Voraussetzung für weitere Vergemeinschaftungsaktionen. Diese Konföderation sollte nicht auf die heutigen Eurostaaten beschränkt sein, sondern auch die ost- und nordeuropäischen Staaten umfassen. Frankreich, das er als Hauptprofiteur der Rettungsaktionen sieht, drängt er, dazu nun endlich Farbe zu bekennen und seine massiven Vorbehalte gegen eine weitere politische europäische Integration aufzugeben. Bundeskanzlerin Merkel fordert er auf, die Entwicklung einer konkreten neuen europäischen Vision federführend voranzutreiben, um die Krise durch beherzte Schritte zu überwinden und Europa wieder ein neues, nach vorn gerichtetes Ziel zu geben.

Dieses kompakte Buch ist kein im engeren Sinne wissenschaftliches Werk, sondern auf eine ganz andere Art und Weise fundiert, kämpferisch und persönlich zugleich. Wie schon der vor einem Jahr erschienene Bestseller Verspielt nicht eure Zukunft, der sich mit den ökonomischen Zukunftsfragen Deutschlands jenseits der Eurokrise beschäftigte, ist es das Ergebnis mehrerer längerer Gespräche, die ich mit dem Autor seit dem Winter 2012/2013 über mehr als ein Jahr immer wieder habe führen dürfen. Diese interviewhaften Gespräche hatten den Vorteil, dass sie den Leser, vertreten durch mich, dort abholten, wo er sich gedanklich befinden könnte. Im Anschluss gab es eine Niederschrift, in der Themen geordnet wurden, und danach wurde der Text im Wechselspiel mit dem Autor mehrfach gründlich überarbeitet und ergänzt. Auf diese Weise blieb einerseits die Dynamik und emotionale Lebendigkeit des persönlichen Gesprächs erhalten, andererseits konnten zugleich die ökonomischen Argumente noch sorgfältiger herausgearbeitet werden.

Wie immer gilt: Hans-Werner Sinn vertritt in diesem Buch teils unbequeme Standpunkte und bezieht Position für das aus seiner Sicht ökonomisch und deswegen letztlich auch politisch Richtige. Und doch ist er kein Mitglied einer politischen Partei und als Professor der Ludwig-Maximilians-Universität München und Präsident einer staatlich geförderten Forschungseinrichtung, des ifo Instituts, unabhängig und keinen wirtschaftlichen Einzelinteressen verpflichtet. Er äußert sich als Wissenschaftler und als engagierter Bürger, dem das Schicksal Europas und seiner Menschen am Herzen liegt.

»Wir sind gefangen im Euro und in der Euro-Rettungsmaschinerie«, ruft uns Hans-Werner Sinn zu: fachlich exakt auf den Punkt gebracht und verfasst mit dem leidenschaftlichen Willen zu Aufklärung und Einmischung. »Viel Kapital, das uns einmal gehörte, wurde schon verbrannt. Südeuropa versinkt in einer Massenarbeitslosigkeit. Nur mit einer beherzten Politik, die aufhört, die ökonomischen Gesetze zu missachten, können wir das europäische Einigungswerk retten und eine neue Perspektive für unsere Nachbarn und uns selbst eröffnen. Die brauchen wir unbedingt.«

Jens Schadendorf

Co-Herausgeber der Edition Debatte

München, im März 2014

Prolog –Politische Interessen, ökonomische Gesetze und der Euro

Herr Sinn, Sie sind einerseits forschender Wirtschaftswissenschaftler. Andererseits wollen Sie die Öffentlichkeit aufklären, nicht selten mit Kampfgeist. Gerade in Sachen Euro reiben Sie sich noch heftiger als sonst an der Politik …

Ja. Und das hat mit unterschiedlichen Ansprüchen und Sichtweisen zu tun. Denn es gibt politische Wahrheiten und wirkliche Wahrheiten. Politische Wahrheiten entstehen, indem hinreichend viele Politiker sie einander erzählen, bis sie selbst, die Medien und die Menschen sie glauben. Wirkliche Wahrheiten folgen aus statistischen Fakten sowie ökonomischen und naturwissenschaftlichen Gesetzen. Ich werde als Wirtschaftswissenschaftler von den Bürgern dafür bezahlt, dass ich die wirklichen Wahrheiten zu finden versuche. Die Vorstellung von der Existenz einer wirklichen Wahrheit, die sich nicht an dem orientiert, was in der Mediendemokratie mehrheitsfähig ist, mag manch einer für naiv halten. Aber davon gehen alle Wissenschaften aus.

Die Existenz wirtschaftswissenschaftlicher Wahrheiten wird häufig in Zweifel gezogen, weil sich die Wirtschaftswissenschaft mit der Politik beschäftigt und Antworten gibt, die mit Ideologien und bloßen Werturteilen konkurrieren. Es gehört aber zum Selbstverständnis einen Volkswirts, dass er sich davon, soweit es geht, freimacht. Dass anders denkende Politiker und Journalisten ihn trotzdem ideologisch verorten wollen, ist sein Schicksal. Das muss er hinnehmen, weil es sich nicht ändern lässt.

Seit es unser Fach gibt, steht es im Konflikt zwischen dem sogenannten Primat der Politik und den Gesetzen der Ökonomie. Nicht nur der Fall des Eisernen Vorhangs hat mich davon überzeugt, dass die Gesetze der Ökonomie sich letztlich durchsetzen werden. Mittel- bis langfristig ist keine Wirtschaftspolitik erfolgreich, die diesen Gesetzen widerspricht. Sie scheitert – auch wenn uns Politiker gern anderes glauben machen möchten, um wirtschaftliche Probleme in spätere Wahlperioden zu verschieben. So, wie das seit Jahrzehnten bei der Rente geschieht.

In Diktaturen kann es viele Jahrzehnte dauern, bis sich die Wahrheit durchsetzt, in Demokratien viele Jahre. Politiker, die die ökonomischen Gesetze missachten, mögen ein oder zwei Legislaturperioden damit durchkommen, doch irgendwann kommt es an den Tag, dass etwas falsch läuft. Dann kommen neue Politiker an die Macht und betreiben die Wende oder die Wende von der Wende. Es gibt Parteien, die sich dem Druck der Wähler nicht beugen, weil die Altvorderen, die ursprünglich die Fehlentscheidungen trafen, im Hintergrund aktiv bleiben und den Kurswechsel verhindern. Solche Parteien gehen auch schon mal unter und werden durch andere ersetzt. Oder sie werden so geschwächt, dass sie stark an Einfluss verlieren.

Und beim Euro?

Auch beim Euro zeigen sich die ökonomischen Gesetze unerbittlich. Kurzfristig – nach seiner Einführung – sah alles bestens aus. Aber nun zeigt sich, dass er Europa in eine ökonomische Zwickmühle gebracht hat, aus der es keinen leichten Ausweg mehr gibt. Exzessive Kreditflüsse haben die Länder Südeuropas in die Inflation getrieben und ihrer Wettbewerbsfähigkeit beraubt. Ohne Euro-Austritt kämen diese Länder nur dann aus ihrer Misere wieder heraus, wenn sie eine lange Phase der Stagnation und Deflation akzeptierten, die die Inflation wieder neutralisiert. Während einer solchen Phase herrscht indes eine Massenarbeitslosigkeit, an der die Gesellschaft zerbrechen kann. Diese Gefahr sollte man nicht unterschätzen. Wird aber versucht, die Massenarbeitslosigkeit durch nachfragestimulierende Maßnahmen abzumildern – etwa durch schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme –, dann entsteht ein chronisches Siechtum, weil die Deflation nicht stattfindet und sich die Wettbewerbsfähigkeit nicht verbessert. Genau das zeichnet sich ab. Die Länder Südeuropas sind im Euro gefangen, weil der Austritt als politisches Unglück deklariert wird und sie im Euro nur dann wieder wettbewerbsfähig werden, wenn sie zuvor eine lang währende Massenarbeitslosigkeit erdulden, die weit über das hinausgeht, was man von Tiefpunkten in konjunkturellen Zyklen kennt. Das ist eine fast ausweglose Situation.

Und wir Deutschen? Sind wir durch die ökonomischen Gesetze nicht auch im Euro gefangen?

Ja, aber anders. Wir sind in eine Situation geraten, in der man von uns fordert, durch immer mehr öffentlichen Kredit und immer mehr Kreditgarantien über die Europäische Zentralbank und die Rettungsfonds die zerstörte Wettbewerbsfähigkeit der südlichen Länder zu kompensieren. Uns scheint es zwar gut zu gehen, weil die Kapitalexporte aus Deutschland heraus den Eurokurs niedrig und Krisenländer liquide halten, sodass unser Güterexport ganz gut läuft. Aber der Schein trügt insofern, als es uns letztlich nicht gelungen ist, für die Exporte ein hinreichend solides und ertragreiches Auslandsvermögen aufzubauen. Zu Hause haben wir nicht mehr genug investiert, und die Auslandsinvestitionen erwiesen sich, soweit sie finanzieller Art waren und über unsere Banken und Lebensversicherungen flossen, als Flop. Um es auf eine Kurzformel zu bringen: Wir haben genug Arbeit, doch das Vermögen geht verloren. Uns geht es also nur scheinbar gut. Das wird in den nächsten zwei Jahrzehnten jedermann klar werden, nämlich dann, wenn die Babyboomer, die jetzt 50 sind, ins Rentenalter kommen und von ihren mittlerweile erwachsenen Kindern ernährt werden wollen, von denen es nur wenige gibt, und sich das vermeintliche Auslandsvermögen unserer Banken und Versicherungen in Luft aufgelöst hat.

Doch damit nicht genug: Auf der zwischenstaatlichen Ebene hat die Krise Spannungen hervorgebracht, wie wir sie in Europa – abgesehen vom Ost-West-Konflikt – seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr erlebt haben. Und das paradoxerweise als Ergebnis eines politischen Friedensprojektes! Helmut Kohl hat den Euro ja nicht ökonomisch begründet, sondern als großes europäisches Friedensprojekt. Er war kein Ökonom, und er hörte auch wenig auf ökonomische Argumente. Die Folgen erleiden wir heute und noch stärker in der Zukunft.

Gerade beim Euro sehen wir also: Die Politik kann nicht auf Dauer gegen die ökonomischen Gesetze funktionieren. Die Geschichte hat gezeigt, dass sich die ökonomischen Gesetze letztlich durchsetzen – es sei denn, es kommt zu politischen Megaereignissen, wie es z. B. Kriege sind. Aber ohne solche Eruptionen setzen sich die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten durch. Das gilt auch für den Euro und die Eurorettungspolitik. Je länger diese Politik versucht, die Gesetze der Ökonomie zu ignorieren – und das tut sie derzeit immer noch –, desto mehr müssen künftige Generationen dafür bezahlen.

Teil I: Die Eurokrise verstehen – ein Drama in sieben Akten

Missachtung des Maastrichter Vertrags: Die Kreditblase als erste Krisenstufe

Wann haben Sie erstmals geahnt und verstanden, dass der Euro eine Fehlkonstruktion darstellt?

Vor zwei Jahrzehnten, als der Maastrichter Vertrag beschlossen wurde, war der Euro für mich kein Forschungsthema. Damals hatte ich mein Augenmerk auf die Steuertheorie und die deutsche Vereinigung gerichtet. So gewann ich leider erst recht spät Einblick in das europäische Währungssystem und damit eine kritische Einstellung zum Euro.

Wie viele andere Bürger hatte ich seine Einführung zunächst begrüßt: »Eigentlich ganz schön, wenn wir eine gemeinsame Währung haben«, dachte ich. So bringen wir den politischen Einigungsprozess in Europa voran, und das müssen wir, weil es dem Frieden dient. Außerdem war ich – und bin es nach wie vor – davon überzeugt, dass völlig flexible Wechselkurse, wie wir sie nach der Aufhebung des Bretton-Woods-Systems im Jahr 1973 hatten, viel Unheil anrichten können. Das Wechselbad der Auf- und Abwertungen zwischen Dollar und D-Mark in den 1970er-Jahren, durch die Exportindustrien an- und ausgeknipst wurden, hatte ich immer als abschreckendes Beispiel vor Augen. Insofern habe ich den Euro verteidigt.

Ich erinnere mich aber, dass ältere Fachkollegen, die im Bereich der Geldpolitik geforscht hatten, fast unisono gegen die Einführung des Euro waren. Es gab sogar in Deutschland einen Aufruf gegen seine Einführung, der von 155 Volkswirten unterzeichnet wurde. Ich habe damals nicht unterschrieben, weil ich dachte, dass der Euro der europäischen Integration zuträglich sei und weil ich an die Umsetzbarkeit der Grundprinzipien des Maastrichter Vertrags glaubte – der neben der gemeinsamen Verrechnungseinheit auch festlegt, dass ein Land nicht für die Schulden anderer Länder verantwortlich ist. Diese Nicht-Beistands- oder No-Bailout-Klausel war und ist für mich der Dreh- und Angelpunkt der Konstruktionsidee des Euro. Dass sich ungeachtet dieser Kernaussage des Vertrages doch eine Verantwortlichkeit für die Staatsschulden anderer Länder herausstellen und die Finanzmarktteilnehmer davon ausgehen würden, es könne beim Investieren in Südeuropa nichts schiefgehen, weil im Zweifelsfall bestimmte europäische Rettungsaktionen stattfinden würden – das habe ich damals leider unterschätzt. Aus heutiger Sicht war es blauäugig zu glauben, dass man die Spielregeln für das neue Europa auf dem Papier festlegen könne, ohne zugleich über Institutionen zu verfügen, die ihre Einhaltung erzwingen. Meine älteren Kollegen hatten leider recht. Nun bin ich selbst älter und würde mich als Wissenschaftler schämen, wenn ich meine falsche Einschätzung angesichts der leidvollen Erfahrungen, die wir mit der Regeltreue der europäischen Regierungen machen mussten, nicht zugeben würde. Ein seriöser Wissenschaftler ist kein auf seine Wiederwahl fokussierter Politiker, der immer recht behalten will – im Zweifel zulasten späterer Generationen –, sondern er lernt durch die Fakten und ändert seine Meinung, wenn sie ihn dazu zwingen.

Die Missachtung des Maastrichter Vertrages war also der Grundstein für die derzeitige Misere?

Rückblickend betrachtet ja. Die Schaffung des Euro war die erste Stufe eines Dramas in sieben Akten, denen die Eurokrise gefolgt ist. Es war ein Fehler, daran zu glauben, dass das Beistandsverbot nach Artikel 125 des Maastrichter EU-Vertrages ernst genommen werden würde. Dieses Beistandsverbot besagt ja, verkürzt ausgedrückt, dass ein Euroland nicht für die Schulden eines anderen einstehen darf. Hätten die Anleger dieses Verbot ernst genommen, dann hätten sie von vornherein gewusst, dass sie im Risiko standen, wenn sie ihr Kapital nach Südeuropa und Irland bringen, und sie hätten kräftige Zinsaufschläge verlangt. Das wiederum hätte die Südländer und Irland von ihrer übermäßigen Verschuldung abgehalten, durch die schädliche Inflationsblasen entstanden sind, die sie ihrer Wettbewerbsfähigkeit beraubt haben.

Wie hätte der Maastrichter Vertrag stattdessen angelegt werden müssen?

Um den Kapitalmärkten zu signalisieren, dass das Beistandsverbot ernst gemeint war, hätte man mit dem Maastrichter Vertrag eine Konkursordnung für Staaten einführen müssen. Damit wäre den Gläubigern der Südländer und Irlands, also den Anlegern, die ihnen Geld liehen, von Anfang an unmissverständlich klar gewesen, dass Staatskonkurse möglich sind und dass sie im Fall des Falles keine Hilfen erhalten, sondern mit empfindlichen Vermögensverlusten rechnen müssen. Das wäre insbesondere für diejenigen Euroländer sinnvoll gewesen, die erst nach der Beseitigung des Wechselkursrisikos als quasi sichere Anlageorte angesehen wurden und deshalb sehr viel Kapital ansogen, das sich vorher nicht dorthin getraut hatte.

Aber so weit dachte in Brüssel offenbar niemand. Man wollte bewusst den Kapitalexport in die peripheren Länder des Südens und Irlands fördern, statt ihn zu verlangsamen. Warnsignale jedweder Art wurden ignoriert. Man hat das System so gestrickt, dass ein Maximum an Sorglosigkeit bei den Anlegern auf den Kapitalmärkten erzeugt wurde, um möglichst viel Sparkapital vom Norden in den rückständigen Süden zu leiten.

Wie sah dieses System konkret aus – vor allem mit Blick auf die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen Staatsverschuldung und Bankentätigkeit?

Unter anderem gestaltete man das Regulierungssystem für die Banken so, dass die Staatspapiere aller EU-Länder im eklatanten Widerspruch zum Beistandsverbot des Maastrichter Vertrages als absolut sicher deklariert wurden. Die Banken mussten keinerlei Eigenkapital als Sicherheiten vorhalten, wenn sie diese Staatspapiere kauften. Sie bauten ihre Bilanzen auf Sand.

Durch das Regulierungssystem wurden griechische und deutsche Staatspapiere von Anfang an als gleichermaßen sicher deklariert, um den Kapitalfluss nach Griechenland zu fördern. Dass die Banken des Nordens sich daraufhin mit den Staatspapieren der vor der Ankündigung des Euro noch als marode angesehenen Südländer vollpumpten, bloß weil die ein paar Zehntel Prozentpunkte mehr an Zinsen brachten, darf einen nicht wundern. Bei den Versicherungen war es übrigens ähnlich, denn das Regulierungssystem erlaubte es auch ihnen, in Staatspapiere beliebiger EU-Länder zu investieren, ohne Eigenkapital vorhalten zu müssen.

Der Regulierungsfehler bei den Banken ist zwar schon im Baseler Abkommen zur Bankenregulierung, das weltweit gilt, enthalten. Doch die EU hat ihn auf dem Wege einer Verordnung noch verstärkt. Denn sie erlaubte jenen Banken, die sich nicht auf eine pauschalierte Standardmethode zur Wahl der Risikogewichte für die Eigenkapitalunterlegung verlassen wollten und es vorzogen, ihre eigenen risikotheoretischen Modelle zu verwenden, eine Art Rosinenpicken. So durften sie den Staatspapieren sogenannte Risikogewichte von null zuweisen, obwohl ihre Modelle sagten, dass diese Papiere riskant waren. Das hört sich sehr technisch an, hatte aber einschneidende Folgen. Denn die Banken pumpten fortan ihre Bilanzen auch mit riskanten Staatspapieren voll – was die Staaten im Gegenzug ermunterte, sich immer weiter zu verschulden. Leider hat sich daran bis zum heutigen Tage nichts geändert. Das neue Regulierungssystem für die Banken, Basel III, sieht weiterhin Risikogewichte von null für die von Banken gehaltenen Staatspapiere vor.

Auf dem Verordnungswege wurde der Maastrichter Vertrag also von Beginn an ausgehöhlt. Schon damals hätte man aufschreien und dieser Praxis Einhalt gebieten müssen. Mit »man« meine ich: die deutsche Politik. Das geschah aber nicht, weil das System auch unseren Banken zu nützen schien. So nahm des Dramas erster Akt seinen Lauf – ohne dass es irgendjemand merkte oder merken wollte.

Es kam hinzu, dass die Existenz der EZB und des Eurosystems mit seinen nationalen Notenbanken die Investoren beim Verleih von Geld an die Banken der heutigen Krisenländer in Sicherheit wiegte. Man konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Länder pleitegehen, die über eine eigene Gelddruckmaschine für Euros verfügen. Vielmehr ging man davon aus, dass die nationalen Notenbanken den Geschäftsbanken im Krisenfall genug neues Geld leihen würden, um ihre Gläubiger damit auszuzahlen, zumal ja die dabei entstehenden Risiken im Eurosystem sozialisiert wurden. Abschreibungen auf möglicherweise faul werdende Kredite der Notenbanken an die heimischen Geschäftsbanken teilen sich die Notenbanken des Eurosystems in Proportion zur Landesgröße. Später hat man dann ja auch tatsächlich die Krise dadurch bekämpft, dass die Notenbanken der Krisenländer die nationalen Druckerpressen aktivierten.

Aus all diesen Gründen wurden die Anleger der Sorge enthoben, dass sie ihr Geld nicht zurückbekommen würden, und es floss viel billiger, privater Kredit in den Süden und nach Irland. Als Folge ergab sich eine rasche Konvergenz der bislang noch rückständigen Staaten, aber es kam viel zu viel Fahrt auf.

Inwiefern? Und wie wirkte sich das auf die südlichen Länder aus?

Es entwickelten sich Kreditblasen mit inflationärer Überhitzung, die die Wettbewerbsfähigkeit unterminierten. In Griechenland und Portugal floss der Kredit in den Staatssektor und ermöglichte exorbitante Lohnerhöhungen und eine Ausweitung der staatlichen Beschäftigung. In Spanien und Irland floss er zu den Baugesellschaften und privaten Häuslebauern, die damit immer mehr Neubauprojekte finanzierten, was die Löhne im Bausektor hochtrieb. Im Endeffekt war es egal, wie der Kredit ins Land kam, denn der jeweils andere Sektor profitierte mit. In Griechenland bauten die Staatsbediensteten mit ihren kreditfinanzierten Löhnen neue Häuser, und in Spanien bezahlten die Bauarbeiter und Hausbesitzer aus ihren kreditfinanzierten Lohn- und Vermögenszuwächsen mehr Steuern an den Staat. Auf jeden Fall kam es zu einer dramatischen Ausweitung der binnenwirtschaftlichen Aktivitäten, die die Arbeitslosigkeit reduzierte und die Löhne schneller erhöhte als die Produktivität. Das verursachte die Inflation, die die Länder ihrer Wettbewerbsfähigkeit beraubte. Die Exporte wurden gedämpft, und aus den kreditfinanzierten Löhnen wurden immer mehr Importe bezahlt. Es entstanden riesige Leistungsbilanzdefizite, die durch immer mehr Kredite aus dem Ausland finanziert werden mussten.

Ein Leistungsbilanzdefizit ist grob gesprochen ein Überschuss der Importe und Nettozinsverpflichtungen gegenüber dem Ausland über die Summe aus Exporten und möglicherweise vom Ausland erhaltenen Geschenken. Ein solches Defizit ist gleichbedeutend mit einem Nettokapitalimport, also einer Nettokreditaufnahme im Ausland oder einem Verkauf von Vermögensgütern an das Ausland, denn ohne sie ließe sich das Defizit nicht realisieren. Umgekehrt ist ein Leistungsbilanzüberschuss, also ein Überschuss der Exporte und erhaltenen Geschenke über die Summe aus Zinszahlungen an das Ausland und Importen, einem Nettokapitalexport gleich. Ein Land mit einem Leistungsbilanzüberschuss erwirbt netto Vermögenstitel im Ausland, baut also ein Auslandsvermögen auf. Deutschland wurde nach der Einführung des Euro nach China der zweitgrößte Nettokapitalexporteur und ist heute sogar der größte. Kein anderes Land hat einen so großen Leistungsbilanzüberschuss wie wir. Die südlichen Euroländer entwickelten demgegenüber riesige Leistungsbilanzdefizite, die sich erst seit Beginn der Krise allmählich abgebaut haben.

Und heute?

Heute sitzen die Südländer – Griechenland, Portugal, Zypern, Spanien und auch Italien – in der Falle. Ihre Löhne und Preise wurden durch den billigen Kredit aus dem Ausland in den Himmel gehoben. Und nun, da der Kredit nicht mehr fließt, müssen sie auf den Boden der Tatsachen zurück und Preis- und Lohnsenkungen akzeptieren. Aber es ist wie bei einem alten Wecker, den man nicht zurückstellen kann. Will man die Preis- und Lohnsteigerungen wieder zurückdrehen, läuft man Gefahr, dabei die Gesellschaft zu zerstören. Viele Menschen in den Krisenländern sind über beide Ohren verschuldet – immerhin haben wir es ja mit einer Kreditblase zu tun – und könnten ihren Schuldendienst nicht mehr leisten, wenn die Preise und Löhne tatsächlich erheblich zurückgingen. Verständlicherweise wehren sie sich. Wenn sie sich aber wehren und das ökonomisch Unabweisliche nicht akzeptieren, dann entsteht eine Massenarbeitslosigkeit, wie wir sie in Südeuropa nun beobachten. An diesem Konflikt kann eine Gesellschaft zerbrechen.

Welche weiteren Fehler wurden bei der Einführung des Euro begangen?

Es war zum Beispiel ein weiterer massiver Fehler, den Euro gleich mit den hochverschuldeten Ländern Südeuropas zu beginnen. Diese Länder wollten unbedingt in den Euro, weil sie ihre hohen Zinsen durch den impliziten Schutz, den die Euro-Gemeinschaft den Investoren bot, loswerden wollten. Aber genau deswegen hätten sie nicht mitmachen dürfen. Kohl hat immer betont, dass der Euro keine Schuldengemeinschaft sein werde. Das wurde er aber, weil die Zinssenkung die inflationäre Kreditblase erzeugte, die Südeuropa so zu schaffen macht. Durch die Schutzversprechen der EZB, die Rettungsaktionen und die Bankenunion ist der Prozess der Schuldenvergemeinschaftung nun in vollem Gange, denn das Geld der Staatengemeinschaft ersetzt nun die privaten Kredite, die der Euro im Übermaß nach Südeuropa gelockt hatte.

Anfangs hieß es noch, es dürften nur Länder beim Euro mitmachen, die gemessen am Bruttoinlandsprodukt weniger als 60 Prozent Staatsschulden aufweisen. Doch dann wurden auch Italien und Belgien aufgenommen, obwohl deren Schulden bei 120 Prozent lagen. Auch andere Länder wie die Niederlande, Spanien, Österreich und Irland mit Schuldenquoten im Bereich von 64 bis 68 Prozent durften mitmachen. Von Anfang an haben die Länder der Eurozone gezeigt, dass sie ihre selbst gesetzten Schuldenregeln nicht einhalten würden. Dazu war die Verlockung der niedrigen Zinsen, die der Euro brachte, einfach zu groß.

Auch Deutschland hat die Defizitgrenzen nicht eingehalten, als das Kapital aus Deutschland floh, wir eine kaum noch beherrschbare Massenarbeitslosigkeit hatten und Schröder gewissermaßen Feuerschutz für seine Agenda 2010 brauchte. Aber Portugal und Griechenland haben die Defizitgrenzen seit ihrem Beitritt zum Euro nicht in einem einzigen Jahr eingehalten, obwohl sie anfangs ein tolles Wirtschaftswachstum aufwiesen und die Steuereinnahmen nur so sprudelten.