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Heitere und besinnliche Anekdoten und Geschichten aus dem Leben einer Standesbeamtin.
Das E-Book Geflüster aus dem Standesamt wird angeboten von BoD - Books on Demand und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Hochzeit, Humor, Standesamt, Traureden, Ehealltag
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Seitenzahl: 82
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Es kommt nicht darauf an
wer im Standesamt vor dir steht,
sondern nur wer neben dir steht!
Die Traurede
Manni
Ein Versuch
Kleiderordnung
Morgens am Küchentisch
Junggesellinnen-Abschied
Junggesellenabschied
Glücksmomente
Alles so wie immer, nur schlimmer!
Lieber ohne Schnalle
Hochzeitseskorte
Nr. 40
Beileid
Das Geschenk
Rosarot
Der Zug-Anzug
Stille Wasser
Aller guten Dinge sind vier
Der Ring mit dem blauen Stein
Vier Hochzeiten und eine Traumreise
Alles im Kasten
Sabotage
Gut behütet
Scheinbar
Marie
Ein Kirschbaum für Heinzi
Hätte ich nein sagen sollen?
Was macht eine Standesbeamtin, wenn sie keine Trauung hat? Auf diese Frage finden Sie, liebe Leser, in diesem Buch eine Antwort. Im Standesamt wird unser ganzes Dasein von der Geburt bis zum Tod beurkundet. Dazwischen heiratet man für immer und ewig oder trennt sich, ändert seinen Namen, tritt aus der Kirche aus, erkennt die Vaterschaft an oder wird adoptiert. All das und noch viel mehr wird im Standesamt besiegelt. Eine verantwortungsvolle und vielseitige Arbeit, streng geregelt nach Recht und Gesetz. Seit 1991 führe ich, Heidi Wendt, diese Tätigkeit in einem kleinen Standesamt in Mecklenburg aus und habe viele Menschen kennen lernen dürfen - zu glücklichen und traurigen Umständen.
Ereignisse und Momente, manchmal lustig und kurios, manchmal besinnlich oder betrübt, sind nun aufgeschrieben. Viele eigene Gedanken und Handlungen, auch aus dem ganz persönlichen Alltag, regen zum Schmunzeln oder zum Nachdenken an.
Dies ist nun das dritte Buch unserer Reihe Bitte wend(t)en!, das Sie, liebe Leser, in den Händen halten. So wie in den vorangegangenen Büchern bereichert auch mein Mann dieses Büchlein mit humorvollen Geschichten.
So manches Brautpaar hat sich bereits wieder getrennt. Liebe Menschen sind nicht mehr unter uns. Aber die Erinnerungen an unvergesslich schöne, bewegende oder traurige Momente bleiben. Wir halten sie fest.
Ob diese Geschichten und Anekdoten wirklich wahr sind? Diese Frage lassen wir offen. Zumindest die Namen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit Personen sind natürlich rein zufällig. Lassen Sie sich doch einfach überraschen.
Wir bedanken uns ganz herzlich bei unseren Freunden Beate M. Kunze und Ines Hepperle, die uns beim Lektorieren geholfen haben, sowie bei dem Künstler Nils Rackwitz, der das Buch gestaltet hat. Erst durch eure professionelle Unterstützung ist es ein richtiges und schönes Buch geworden.
Viel Spaß beim Lesen wünschen
Heidi und Jürgen Wendt
Meine erste Trauung nahm ich im Februar 1992 vor. Und ganz ehrlich, ich war damals viel aufgeregter als das Brautpaar und dachte nur: „Da musst du jetzt irgendwie durch.“ Stundenlang habe ich die Rede vorbereitet, sie mir selbst vor dem Spiegel vorgesprochen und geübt. Alles ging gut, die Aufregung hat sich für beide Seiten gelohnt. Das Paar ist immer noch verheiratet. Inzwischen haben auch ihre Kinder in unserem Standesamt geheiratet und selbst eine eigene Familie gegründet.
Nach über 30 Jahren wird man gelassener und kann seinen Erfahrungen „trauen“. Und doch ist immer ein bisschen Lampenfieber dabei, besonders wenn es sich um eine große Hochzeitsgesellschaft handelt. Man hofft, dass nichts schiefgeht, dass man sich nicht verspricht. Bei dem Brautpaar selbst
ziehen die Worte oft wie im Rausch vorüber, denn sie sind in diesem Moment nur auf meine Frage, beziehungsweise auf ihr Ja-Wort fixiert. Oder erinnern Sie sich noch an Ihre Traurede? Ich denke manchmal im Scherz sogar, ich könnte dann sonst was fragen, zum Beispiel: „Ist es Ihr Wille, die Standesbeamtin zu heiraten?“ Was glauben Sie, welche Antwort da käme? Ich habe 1982 geheiratet und erinnere mich höchstens daran, dass unsere Standesbeamtin Karl Marx zitierte: „Die Familie ist die kleinste Zelle der Gesellschaft“.
Was eine Traurede heute beinhalten soll, beraten meine Kollegen und ich jeweils mit dem Brautpaar in einem kleinen Vorgespräch. Schön ist es, wenn sich die Verlobten vorher Gedanken gemacht haben und gerne auch die eine oder andere Kennlern-Anekdote verraten. Vielleicht denken Sie jetzt:
„Na ja, in den kleinen Standesämtern auf dem platten Land ist ja auch nicht viel los, da können sich die Standesbeamten mehr Zeit nehmen.“ Trauungen finden zwar nicht jede Stunde statt, aber viele Ämter haben wunderschöne Außentrauorte wie Schlösser oder Gutshäuser. In der Hochsaison reisen wir bei größter Hitze, sehr oft samstags, von A nach B. Und neben den Eheschließungen mit ihren Vor- und Nachbereitungen gibt es noch sehr viele
weitere Aufgaben im Standesamt. Ich muss mir oft die Frage anhören, was ich in meinem kleinen Standesamt denn zu tun hätte, wenn nicht geheiratet wird. Der Arbeitstag wird ausgefüllt mit Beurkundungen der Sterbefälle, Ausstellungen von Urkunden aller Arten, Fortführung der Registereinträge, Namenserklärungen, Kirchenaustritten, Vaterschaftsanerkennungen, um nur einiges zu nennen. Standesämter in Städten mit Geburtskliniken haben natürlich sehr viele Geburten zu beurkunden. Ab und zu beurkunde ich auch mal eine Hausgeburt. Alles muss immer mit größter Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit erledigt werden. Die Bürger müssen sich auf unsere Arbeit verlassen können. Fehler können Falschbeurkundungen mit sich ziehen und ungeahnte rechtliche Folgen auslösen.
Die Globalisierung erhöht die Verantwortung für Kenntnisse im Umgang mit ausländischem Recht. Die Liebe kennt keine Grenzen. Internationale Paare sind lange keine Seltenheit mehr. Und wenn es Paare reizt, im Ausland zu heiraten, stehen sie letztendlich auch wieder vor meiner Tür, weil die Eheschließung nach deutschem Recht nachbeurkundet werden soll.
Es wird also nie langweilig.
Und dann gab es ja auch noch Corona. In diesen zwei Jahren fanden im ganzen Land weniger Hochzeiten statt. Die teilnehmende Gästezahl war begrenzt. Abstand halten, Mundschutz tragen und ständiges Desinfizieren machten die Zeremonie nicht gerade romantisch. Wer eine große Hochzeit feiern wollte, verschob den Termin von einem Sommer auf den anderen. Ich hoffe, dass diese Paare ihren Traum von einer Traumhochzeit inzwischen verwirklichen konnten und mit all ihren lieben Familien und Freunden nachgefeiert haben. Einigen Paaren kam dieser Umstand allerdings auch recht. Nämlich jenen, die eh kein großes Brimborium machen wollten, die Verwandtschaft zerstritten war oder man das viele Geld für andere wichtige Sachen brauchte. Die Pandemie brachte aber auch schon lange miteinander lebende Paare ins Standesamt, die ihre gegenseitige Verantwortung endlich mit ihrer Unterschrift und dem Ja-Wort rechtlich besiegelten.
Wissen Sie eigentlich, welche Frage man mir in geselliger Runde am meisten stellt? „Hat schon mal jemand ,Nein gesagt?“ Tatsächlich hat das bei mir noch niemand gewagt. Obwohl es mich ein ganz kleines bisschen reizen würde, auch hier das Häkchen in meinem Dienstleben zu setzen. Einmal hatte ich das Gefühl, dass der Bräutigam innerlich ein bisschen zweifelte. Altes Klischee, Frauen wollen ja immer gern geheiratet werden, Männer haben oft Angst, ihre Freiheit zu verlieren. Das wird dann von anwesenden Freunden mit einfältigen Sprüchen gegenüber dem wartenden Bräutigam noch geschürt. Kurz vor meiner amtlichen Frage bat ich einmal den Bräutigam: „Schauen Sie doch noch einmal auf Ihre Braut! Wenn Sie jemand in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten oder Jahren fragt, wer ist diese wunderschöne kluge Frau an Ihrer Seite? Dann können Sie mit Stolz und Recht sagen: Das ist Meine Frau!“ Mit einem Mal leuchteten seine Augen, und sein Ja-Wort kam dann laut und sicher. Dieser Mann ist heute immer noch stolz auf seine Ehefrau. Ich glaube, ich kann auch ohne das Häkchen gut leben. Ich bin von Herzen gerne Standesbeamtin! Ach ja, noch ein Tipp für Sie, liebes Brautpaar oder für Sie, liebe Hochzeitsgäste: Wenn Ihnen die Traurede gefallen hat, dürfen Sie es dem Standesbeamten oder der Standesbeamtin gerne sagen. Freude bereiten ist das Geheimnis eines glücklichen Lebens.
Meine Arbeit im Standesamt begann 1991. Die Stadtverwaltung suchte eine neue Standesbeamtin. Die Wende hatte meine bisherige Arbeit weggewendet. Ich bewarb mich und wurde eingestellt. In meiner Vorstellung bestanden meine Aufgaben darin, irgendwelche Sachbearbeitungen im Standesamt durchzuführen, wie zum Beispiel Urkunden auszustellen. Trauungen zu machen, kam mir gar nicht in den Sinn. Dass diese zu meiner Tätigkeit gehören sollten, wurde mir dann aber spätestens am zweiten Arbeitstag klar. Wat ' soils, der Arbeitsvertrag war unterschrieben. Ich hatte ein Jahr Schonfrist, da ich erst nach einem Jahr so richtig als Standesbeamtin bestellt werden durfte. Zeit genug, um mich damit auseinanderzusetzen, dass ich irgendwann auch die zu Trauungen gehörenden Reden halten würde. Die Gesetze der DDR galten nicht mehr, und es war gut so, dass ich also mit den neuen der Bundesrepublik Deutschlands startete. Ich beschäftigte mich mit allen Grundlagen des bundesdeutschen Personenstandsgesetzes und las die Dienstanweisung für Standesbeamte wie ein Buch.
Eine Partnergemeinde Schleswig-Holstein unterstützte die ostdeutsche Stadtverwaltung dabei, sie in eine westdeutsche umzuwandeln. Für zwei Monate wurde ich in den Westen delegiert, um als Mitläufer eines erfahrenen Standesbeamten mein Handwerk zu lernen. Ich wohnte bei einer sehr netten Familie in Ort. Mein ,Meister' im Amt war ein großer, sehr humorvoller Standesbeamter Mitte fünfzig. „Du kannst Manni to mi seggen“, sagte er gleich am ersten Tag. Er teilte sein Büro mit mir. Etwas schüchtern, doch wissbegierig sog ich alles auf, was er mir erzählte. Ich legte mir eine Sammelakte an und schrieb alles auf, was ich teilweise zuerst noch kaum richtig verstand. „Du mötst dat in de Praxis liern, süst ward dat nix“! Er gab mir viele Beispielfälle, und nach zwei Stunden arbeitete er mit mir zusammen die Lösungen durch. In unseren ostdeutschen Verwaltungen gab es kaum Männer. Verwaltung und Büroarbeit waren Frauensache. Ich bewunderte es, wie spielend einfach Manni die Tasten am PC bediente. Zehnfingersystem ohne hinzugucken. Und das als Mann! Das war schon beeindruckend, ich kann es bis heute nicht. In der Volkshochschule habe ich damals den Grundkurs für Arbeiten am PC belegt, aber perfekt Schreibmaschine schreiben bekam ich nie auf die Reihe.