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Die neue Praxis Dr. Norden - So war es nicht geplant, doch Dr. Danny Norden betrachtet es als Chance. Äußere Umstände zwingen ihn zu einem Neustart. Und diesen nimmt Danny tatkräftig in Angriff, auch, wenn er mit Abschied, Trennung, Wehmut verbunden ist. Dr. Danny Norden praktiziert jetzt in seiner neuen, modernen, bestens ausgestatteten Praxis. Mit Kompetenz, Feingefühl und Empathie geht er auf seine Patienten zu und schafft ein Klima, das die Genesung fördert: eben Dr. Danny Norden, wie er leibt und lebt, und er wird immer besser! »Achtung, Madame kommt«, raunte Sophia Lydia zu, die neben ihr an der Anrichte in der Praxisküche lehnte. Sie hielten beide eine Tasse mit Kaffee in der Hand und schauten auf die Tür zur Empfangsdiele, die einen Spalt offen stand. »Wie lange müssen wir sie noch ertragen?«, fragte Lydia. »Ihr Praktikum dauert sechs Wochen. Drei Wochen ist sie jetzt hier.« »Okay, dann werden die nächsten drei Wochen eine harte Geduldsprobe«, seufzte Lydia. »Morgen«, murmelte die große schlanke Frau, die gleich darauf die Tür zur Küche aufschob. »Guten Morgen, Corinna«, antworteten Lydia und Sophia und nippten an ihrem Kaffee. »Bringt eine von euch mir bitte einen Kaffee«, bat Corinna, nachdem sie sich auf einen der blauen Hocker gesetzt hatte, die an dem runden Tisch standen. »Du kannst dir auch gern selbst eine Tasse nehmen«, entgegnete Lydia und rührte sich nicht von der Stelle. »Ich habe zu tun, ich muss noch meinen Wochenbericht schreiben. Meine Tätigkeit in der Praxis muss dokumentiert werden«, erklärte Corinna und klappte den weißen Laptop auf, den sie auf den Tisch gestellt hatte.
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Seitenzahl: 123
Veröffentlichungsjahr: 2021
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»Achtung, Madame kommt«, raunte Sophia Lydia zu, die neben ihr an der Anrichte in der Praxisküche lehnte. Sie hielten beide eine Tasse mit Kaffee in der Hand und schauten auf die Tür zur Empfangsdiele, die einen Spalt offen stand.
»Wie lange müssen wir sie noch ertragen?«, fragte Lydia.
»Ihr Praktikum dauert sechs Wochen. Drei Wochen ist sie jetzt hier.«
»Okay, dann werden die nächsten drei Wochen eine harte Geduldsprobe«, seufzte Lydia.
»Morgen«, murmelte die große schlanke Frau, die gleich darauf die Tür zur Küche aufschob.
»Guten Morgen, Corinna«, antworteten Lydia und Sophia und nippten an ihrem Kaffee.
»Bringt eine von euch mir bitte einen Kaffee«, bat Corinna, nachdem sie sich auf einen der blauen Hocker gesetzt hatte, die an dem runden Tisch standen.
»Du kannst dir auch gern selbst eine Tasse nehmen«, entgegnete Lydia und rührte sich nicht von der Stelle.
»Ich habe zu tun, ich muss noch meinen Wochenbericht schreiben. Meine Tätigkeit in der Praxis muss dokumentiert werden«, erklärte Corinna und klappte den weißen Laptop auf, den sie auf den Tisch gestellt hatte. »Du liebe Güte, stopft ihr schon wieder diese klebrigen Kalorienbomben in euch rein?«, fragte sie und schaute kopfschüttelnd auf die Bäckertüte, die auf der Anrichte lag.
»Kümmere dich nicht um unsere Kalorien. Viel Spaß noch beim Berichteschreiben, wir haben zu tun«, sagte Lydia und stellte ihre Tasse auf die Anrichte.
»Wir wollen dich gar nicht bei deiner Arbeit stören«, ließ Sophia die Medizinstudentin wissen, die ein Praktikum in der Praxis Norden absolvierte.
Corinna hatte vor Kurzem ihr erstes Staatsexamen in Medizin bestanden. Ihr Vater kannte Daniels Vater und hatte ihr auf diesem Weg die Praktikumsstelle besorgt. Sie kam aus reichem Haus, woraus sie auch kein Geheimnis machte. Sie war stets elegant gekleidet, auch an diesem Morgen kam sie in einem hellen knielangen Kleid mit kurzen Ärmeln und hohen Schuhen in die Praxis. Ihr langes kastanienfarbenes Haar fiel ihr in langen Locken über den Rücken. Lydia und Sophia hatten ihr geraten, sich bequemer anzuziehen, so wie sie, in Jeans und T-Shirt, aber das lehnte sie ab.
»Ich bin eine angehende Ärztin, und solange ich nicht im OP stehe, gibt es für mich keine Bekleidungsvorschriften«, hatte sie geantwortet.
»Das Beste ist, wir kümmern uns gar nicht um sie«, raunte Sophia Lydia zu, als sie gleich darauf gemeinsam hinter dem weißen Tresen in der Diele standen.
»Sie ist aber hier, um etwas zu lernen«, entgegnete Lydia und schaltete den Computer an, der auf dem Tresen stand.
»Ich habe nicht den Eindruck, dass sie das auch wirklich will oder besser gesagt, ist sie wohl der Meinung, dass wir ihr nichts beibringen können.«
»Wunden verbinden oder Spritzen zu geben, ist nicht wirklich ihr Ding, ich weiß.«
»Dann sollten wir Daniel fragen, was genau wir ihr zumuten dürfen. Ob sie wirklich nur als Zuschauerin hier ist, die hin und wieder einen Bericht schreibt, oder ob sie den Praxisalltag tatsächlich miterleben soll?«
»Ich denke auch, dass wir das noch einmal mit ihm klären sollten«, stimmte Lydia Sophia zu. »Praxis Doktor Norden, Lydia Seeger«, meldete sie sich, als das Telefon läutete und sie das Gespräch annahm.
»Hallo, Frau Seeger, hier ist Irmi Dornsberger. Ich brauch eine Auffrischung für meinen Tetanusschutz. Könnt ich heut vorbeikommen zum Impfen?«, fragte Irmi.
»Sicher, kein Problem, dafür ist immer Zeit«, sagte Lydia.
»Also dann, bis später«, antwortete Irmi und legte auf.
Bald darauf trafen die ersten Patienten ein, die zu Daniel in die Vormittagssprechstunde wollten. Als Daniel um kurz vor neun in die Praxis kam, waren schon fast alle Plätze in dem Wartezimmer mit den gelben Sesseln und den hochgewachsenen Grünpflanzen besetzt, das nur durch eine Glaswand von der Empfangsdiele getrennt war.
»Was ist passiert?«, fragte Daniel, nachdem er Lydia und Sophia einen guten Morgen gewünscht hatte und beide ihn ansahen, als wollten sie ihm etwas sagen, was ihm nicht gefallen würde.
»Passiert ist nichts, aber Corinna macht es uns wirklich schwer, sie am Praxisalltag teilhaben zu lassen«, sagte Lydia so leise, dass Corinna es durch die angelehnte Tür der Küche nicht hören konnte.
»Das heißt, seit unserem Gespräch vor ein paar Tagen hat sich nichts verändert?«
»So ist es.«
»Ich dachte, sie hätte verstanden, um was es geht«, entgegnete Daniel mit einem bedauernden Achselzucken. Lydia und Sophia hatten ihn letzte Woche schon auf Corinnas Verhalten angesprochen. Er hatte ihr klar gemacht, dass sie von den beiden lernen konnte und nicht umgekehrt. Obwohl sie in einer Arztfamilie aufgewachsen war, schien sie nicht zu begreifen, wie wertvoll gute Mitarbeiterinnen in einer Arztpraxis und einer Klinik waren. »Ich spreche mit ihr«, versicherte Daniel den beiden.
»Guten Morgen, Daniel, könnten wir kurz reden?«, fragte Corinna, die mit dem Laptop unter dem Arm aus der Küche kam und mit ihren hohen Schuhen durch die Diele tippelte.
»Sicher, um was genau geht es?«, fragte Daniel.
»Nicht hier«, antwortete Corinna und gab sich geheimnisvoll.
»Gut, dann komm mit ins Sprechzimmer«, bat der junge Arzt seine Praktikantin.
»Ich würde zu gern wissen, was sie schon wieder mit ihm zu besprechen hat?«, wandte sich Lydia Sophia zu, die mittlerweile einige Telefongespräche entgegengenommen hatte und die Rezepte vorbereitete, die Patienten im Laufe des Tages abholen wollten.
»Da kann ich dir weiterhelfen. Die müssen unterschrieben werden«, sagte Sophia und deutete auf die Rezepte mit den Dauermedikamenten wie Blutdrucksenkern, Cholesterinsenkern und Medikamenten gegen Diabetes.
»Weißt du was, dieses Angebot nehme ich an«, sagte Lydia und griff nach den Rezepten.
»Befürchtest du, sie könnte bei Daniel über uns herziehen?«
»Ich denke, ihr ist inzwischen klar, dass wir hier als Team hervorragend funktionieren. Vermutlich will sie sich nur von uns abgrenzen, Daniel daran erinnern, dass sie als angehende Ärztin auf seiner Stufe steht.«
»So wie sie das sieht, bedeutet das, weit über uns«, sagte Sophia.
»Was sie dabei übersieht, dass sie dich, in Bezug auf das gesellschaftliche Ansehen, niemals überholen kann, egal, was sie tut.«
»Der Adel hat ausgedient, Lydia. Meine Vorfahren und auch die der anderen Adelshäuser waren Raubritter, die anderen ihren Besitz weggenommen haben.«
»Stimmt, aber darüber denken nur die wenigsten nach. Die anderen glorifizieren die alten Adelshäuser. Aber nicht auf jeden hat das Raubrittertum abgefärbt, und zu diesen Menschen gehörst du, und deshalb bist du auch meine Freundin, Baroness«, sagte Lydia lächelnd und hauchte Sophia einen Kuss auf die Wange, bevor sie sich mit den Rezepten auf den Weg zu Daniels Sprechzimmer machte.
*
Bevor Lydia das Sprechzimmer betrat, klopfte sie wie immer kurz an und ging dann hinein, ohne auf Daniels Antwort zu warten. Die Patienten störten sich nicht daran, wenn Sophia oder sie ins Sprechzimmer kamen. Sollte es doch einmal jemandem unangenehm sein, würde Daniel sie darum bitten, einen Moment zu warten, so hatten sie es mit ihm vereinbart.
»Ich denke, ich werde meinen Facharzt in Neurochirurgie machen«, sagte Corinna gerade, als Lydia das Sprechzimmer betrat.
»Da hast du noch einen langen Weg vor dir«, antwortete Daniel.
»Ich weiß, aber die Neurochirurgie ist hoch interessant. Das Gehirn ist die menschliche Schaltzentrale. Es muss perfekt funktionieren, dazu will ich beitragen. »Du hast es aber wieder eilig«, stellte Corinna fest und musterte Lydia mit einem herablassenden Blick, die die Rezepte auf Daniels Schreibtisch legte.
Lydia war klar, dass Corinna ihr damit nur sagen wollte, dass sie sich von ihr gestört fühlte. »Reparierst du gern Dinge? So etwas wie Uhren zum Beispiel?«, fragte Lydia und gab vor, ihre Bemerkung nicht gehört zu haben.
»Warum sollte ich das tun? Ich bin kein Handwerker und erst recht kein Uhrmacher«, entgegnete Corinna.
»Du besitzt also kein handwerkliches Geschick?«
»Nein, was soll diese Fragerei?«, wunderte sich Corinna. Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und schlug die Beine übereinander.
»Dann würdest du diese Uhr also nicht öffnen wollen, sollte sie plötzlich stehen bleiben?«, fragte Lydia und schaute auf die schöne alte Standuhr in ihrem Gehäuse aus rotem Ahornholz, die in Daniels Sprechzimmer stand.
»Nein, natürlich nicht.«
»Vielleicht solltest du dir das mit der Neurochirurgie noch einmal überlegen«, sagte Lydia.
»Wieso sollte ich das tun?«
»Ohne handwerkliches Geschick solltest du nicht in einem Gehirn herumfummeln. Du solltest überhaupt nicht an einem Menschen herumschneiden. Ein Chirurg ohne handwerkliches Geschick ist eine Gefahr für jeden Patienten.«
»Sorry, Lydia, aber das zu beurteilen, steht dir nicht zu.«
»Mag sein, ich tue es aber trotzdem. Danke, Daniel«, sagte Lydia, als Daniel ihr die unterschriebenen Rezepte reichte.
»Offensichtlich gibt es noch immer Unstimmigkeiten zwischen dir und Lydia und Sophia«, wandte sich Daniel Corinna zu, nachdem Lydia wieder gegangen war.
»Das sehe ich nicht so. Mir ist es eigentlich egal, wie die beiden über mich denken. Ich muss mich nicht mit ihnen abgeben. Von ihnen kann ich ohnehin nichts lernen.«
»Was den Umgang mit den Patienten und den Ablauf der Anwendungen in einer ärztlichen Praxis betrifft, kannst du durchaus von ihnen lernen«, widersprach Daniel Corinna.
»Ich weiß, dass du mit den beiden gut zurechtkommst, sie dir den täglichen Kleinkram vom Hals halten, aber letztendlich ist es nur der Kleinkram, von dem muss ich nicht unbedingt etwas verstehen.«
»Wenn dieser Kleinkram, wie du es nennst, nicht erledigt wird, dann ist die Praxis am Ende.«
»Ja, sicher, so ist es wohl«, entgegnete Corinna lachend, und dieses Lachen verriet Daniel, dass sie seine Aussage noch immer nicht ernst genommen hatte.
»Wir müssen uns noch einmal über dieses Thema unterhalten, aber jetzt sollten wir mit der Sprechstunde anfangen, sonst werden die Patienten ungeduldig«, sagte Daniel. Ganz offensichtlich hatte Corinna bisher noch nicht verstanden, wie der Alltag in einer ärztlichen Praxis funktionierte.
»Auf die Ungeduld der Patienten darf man nichts geben. Das verursacht nur unnötig Stress.«
»Richtig, es verursacht unnötigen Stress, aber bei den Patienten, die ohnehin schon gestresst sind, weil sie einen Arzt aufsuchen müssen.«
»Nun ja, auf deine Praxis trifft das nicht unbedingt zu. Was ich bisher beobachten konnte, sind die meisten deiner Patienten ziemlich entspannt. Sie sehen das Wartezimmer deiner Praxis als so eine Art Raum für Nachbarschaftstreffen.«
»Gut für sie und gut für mich, so geht es uns allen besser, aber das funktioniert nur, solange dieser Wohlfühlfaktor anhält. Sie unnötig warten zu lassen, würde nicht dazu beitragen, dieses Gefühl zu erhalten. Frau Meier, bitte«, rief er auch gleich darauf seine erste Patientin des Tages durch die Sprechanlage auf, die mit dem Lautsprecher im Wartezimmer verbunden war.
»Soll ich gleich hierbleiben?«, fragte Corinna.
»Du könntest diese Patientin übernehmen, nimm bitte Platz«, sagte Daniel und deutete auf den Stuhl hinter seinem Schreibtisch, von dem er sich erhoben hatte. Die Medizinstudenten, die ein Praktikum in einer Arztpraxis absolvierten, mussten nicht nur die Behandlungsmethoden unter Aufsicht des Arztes ausüben, sie sollten sich auch im Umgang mit den Patienten beweisen.
»Guten Morgen, Herr Doktor«, begrüßte Gusti Meier ihren Hausarzt, der ihr die Tür des Sprechzimmers aufhielt.
»Guten Morgen, Frau Meier, bitte sehr, Frau Winter, meine junge Kollegin, wird sich heute um sie kümmern«, sagte er.
»Verstehe, das ist eine Übung, wegen der Ausbildung«, entgegnete Gusti lächelnd. »Also dann, üben wir mal. Guten Morgen, Frau Winter«, wandte sie sich Corinna zu.
»Bitte«, entgegnete Corinna und deutete auf den Stuhl ihr gegenüber am Schreibtisch. »Welche Beschwerden haben Sie?«, fragte sie, nachdem Gusti Platz genommen hatte.
»Ich habe Magenschmerzen.«
»Seit wann?«
»Seit ein paar Tagen.«
»Wie genau äußern sich diese Schmerzen?«, fragte Corinna, während Daniel an der Untersuchungsliege lehnte und sie und Gusti beobachtete.
»Es zieht halt hier in der Gegend«, sagte Gusti und tippte auf ihren oberen Bauch. »Und dann drückt es auch oft so nach oben, wissen Sie«, schilderte sie ihre Beschwerden.
»Was genau heißt das?«, fragte Corinna.
»Na ja, es drückt halt. Sie sollten mich vielleicht mal untersuchen. Ein bissel abdrücken und so, das macht der Herr Doktor auch, wenn ich mit diesen Beschwerden zu ihm komme«, sagte Gusti.
»Wann ich, was tue, entscheide ich, Frau Meier«, entgegnete Corinna schnippisch.
»Ganz, wie Sie wollen«, antwortete Gusti unbeeindruckt, nachdem sie Daniel schmunzelnd zugezwinkert hatte. »Nun, wie geht es weiter?«, fragte sie.
»Haben Sie Probleme mit dem Kreislauf, Frau Meier?«
»Nein, alles in Ordnung, zumindest war es das noch vor zwei Monaten. Da hat der Herr Doktor mich zuletzt untersucht.«
»In zwei Monaten kann sich viel verändern, gerade in Ihrem Alter. Wie halten Sie es denn mit dem Alkohol?«
»Wie bitte?«, fragte Gusti fassungslos.
»Ich würde gern wissen, wie viel Sie am Tag trinken?«, fragte Corinna, während sie ihre Finger auf die Computertastatur legte, um Gustis Antwort sofort in ihrer Patientenakte festzuhalten.
»Geh, was soll denn das werden? Denken Sie, ich bin dem Alkohol verfallen?«, entrüstete sich Gusti.
»Es ist kein Geheimnis, dass Menschen jenseits der 60 gern zum Alkohol greifen, um dem Leiden und der Einsamkeit des Alters zu entfliehen.«
»Jetzt hören Sie mal gut zu, junge Frau. Ich bin weder eine Trinkerin noch habe ich irgendwelche Leiden, und einsam bin ich schon gleich gar nicht, und jetzt möchte ich mit dem Herrn Doktor sprechen«, erklärte Gusti. Sie drehte ihren Kopf zum Fenster und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Wenn ich Ihnen helfen soll, dann müssen Sie meine Fragen aber wahrheitsgemäß beantworten, Frau Meier«, versuchte Corinna ihre Patientin zu bewegen, sich ihr wieder zuzuwenden.
»Ach, jetzt lüge ich auch noch«, murmelte Gusti, ohne ihren Blick vom Fenster abzuwenden.
»Corinna, würdest du bitte das Ultraschallgerät für die nächste Untersuchung vorbereiten«, bat Daniel seine Praktikantin, weil er sicher war, dass aus diesem Patientengespräch nichts mehr werden konnte.
»Soll ich schon mit der Untersuchung anfangen?«, fragte Corinna, die offensichtlich dankbar für sein Eingreifen war.
»Ja, bitte, tu das. Ich bin gleich bei dir«, sagte Daniel.
Er wusste, dass Corinna mit dem Ultraschallgerät umgehen konnte. Er wollte sie nicht einfach aus dem Zimmer schicken, ohne ihr eine neue Aufgabe zuzuteilen. Seine Bitte um Hilfe würde dafür sorgen, dass Corinna vor der Patientin ihr Gesicht wahren konnte.
»Mei, Herr Doktor, die junge Dame muss aber wirklich noch recht viel lernen«, seufzte Gusti und wandte sich Daniel zu, der sich auf den Stuhl hinter seinen Schreibtisch setzte.
»Den Umgang mit den Patienten können unsere Studenten nicht in einer Vorlesung üben, dazu müssen sie in die Kliniken und Praxen, da kann es schon einige Anfangsschwierigkeiten geben. Ich hoffe, Sie verzeihen Frau Winter, dass sie noch nicht die richtigen Worte findet.«
»Freilich, schon vergessen«, erklärte Gusti mit einem freundlichen Lächeln.
»Sagen Sie, Frau Meier, könnte es sein, dass Ihre Magenschmerzen möglicherweise immer dann auftreten, wenn Sie etwas Bestimmtes gegessen haben? Vielleicht ein Stück Kuchen?«, fragte Daniel.
»Jetzt, wo Sie es sagen. Seit etwa zwei Wochen esse ich zum Frühstück ein oder zwei süße Hefestückchen, danach drückt es immer ein bissel, und wenn ich später einen Johannisbeersaft trinke, dann wird es noch schlimmer.«
»Manche Menschen vertragen süße Hefestückchen nicht so gut, und auch Johannisbeersaft ist nichts für Magenempfindliche«, sagte Daniel.
»Aber die Stückchen und den Saft habe ich früher immer vertragen.«