Gegen Jugendarbeitslosigkeit - Peter Hartz - E-Book

Gegen Jugendarbeitslosigkeit E-Book

Peter Hartz

0,0
19,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Europatriates sind arbeitslose und weiterbildungsinteressierte Jugendliche, die temporär in ein europäisches Partnerland gehen, um einen Beruf zu erlernen oder eine Beschäftigung aufzunehmen. Sie sammeln dabei praktische Erfahrungen, theoretische Kenntnisse, europarelevantes und interkulturelles Wissen. Sie haben die Chance, sich im internationalen Rahmen bewegen zu lernen und sich in Europa zunehmend „heimisch“ zu fühlen. Dieser Band stellt Ideen, Konzepte, Modelle und Strategien vor, die auf dem „Ersten operativen Kongress gegen die Jugendarbeitslosigkeit in Europa“ im Juni 2014 in Saarbrücken erarbeitet und präsentiert wurden. 507 Teilnehmer aus 24 Ländern sind gekommen: Junge Menschen aus ganz Europa, Arbeitsmarktspezialisten, Vertreter aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Finanzwesen, aus Ministerien und Verwaltung – eine breite Phalanx von Experten und Expertinnen, die dem Problem massenhafter Jugendarbeitslosigkeit in Europa entgegentreten. In Vorträgen, auf Podien, in Workshops und in Arbeitskreisen werden Ideen und Modelle diskutiert und konkrete Projekte und Tools von „best practice“ vorgestellt, die unter einer europäischen Perspektive für die Lösung des Problems der Jugendarbeitslosigkeit innovative Beiträge leisten. Hier werden erstmalig die jungen Menschen selbst gehört. Interdisziplinäre und intergenerationale Diskurse zeigen: Es gibt Wege, die Probleme zu lösen. Sie müssen beschritten werden – engagiert, tatkräftig und innovativ –, um der Gefahr einer „lost generation“ zu begegnen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 813

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Peter Hartz, Hilarion G. Petzold (Hrsg.)

Gegen Jugendarbeitslosigkeit

Innovative Ideen, Modelle, Strategien

Zukunftsperspektiven für die Jugend in Europa

1. Europäischer Kongress gegen Jugendarbeitslosigkeit 23. bis 25. Juni 2014 Saarbrücken

Unter der Schirmherrschaft von José Manuel Barroso, Präsident der Europäischen Kommission

www.europatriates.eu

AISTHESIS VERLAG

Impressum

Copyright: SHS Foundation

Herausgeber: Peter Hartz, Hilarion G. Petzold

Verlag: AISTHESIS VERLAG GmbH & Co. KG, Bielefeld

Bildnachweis: SHS Foundation, Becker & Bredel, dpa Picture-Alliance GmbH (Anto Magzan), privat

Gestaltung:acpress, Wadgassen

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2017

ISBN: 978-3-8498-1209-6

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Vorwort: Prof. Dr. h. c. Peter Hartz / Prof. Dr. mult. Hilarion G. Petzold

Geleitwort: José Manuel Barroso

Begrüßung und Eröffnung: Prof. Dr. h. c. Peter Hartz

Grußwort: Anke Rehlinger

A) Politische Strategien und wirtschaftliche Rahmenbedingungen in Europa

László Andor: 5,5 Millionen Jugendliche ohne Arbeit, eine gemeinschaftliche Lösung – die europäische Jugendgarantie

(5.5 million young people unemployed, a community solution – the European YOUth Guarantee)

Nicolas Schmit: Perspektiven von Wachstumsregionen für die Mobilität junger Arbeitskräfte

(Growth region perspectives for mobility among the young workforce)

Paolo Pennesi: Arbeit für die Jugend Europas – die Situation in Italien

(Work for Europe’s YOUth – the situation in Italy)

Heiko Maas: Der Beitrag der Bundesregierung zur Lösung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa

(The federal government’s contribution to solving YOUth unemployment in Europe)

Dr. Frank-Jürgen Weise: Der Beitrag der europäischen Arbeitsmarktservices zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa

(How European employment services help to combat YOUth unemployment in Europe)

Annegret Kramp-Karrenbauer: Die Großregion Saar-Lor-Lux-Wallonie – wie ein europäischer Arbeitsmarkt zusammen wächst

(The greater Saar-Lor-Lux-Wallonia region – the convergence of a European labour market)

Prof. Dr. Lars Feld: Die wirtschaftlichen Ursachen der Jugendarbeitslosigkeit in Europa und die Voraussetzungen zu ihrer Lösung

(The economic causes of YOUth unemployment in Europe and the conditions for solving it)

B) Gesellschaftlich-philosophischer Hintergrund

Prof. Dr. mult. Hilarion G. Petzold: Jugend hat ein „Recht auf Zukunft“

(Young people have a ‘right to a future’)

Anmerkungen

Thomas Ullrich: Trainer für Lebenskompetenz – integrativer Coach für Jugendliche

(Life skills trainer – integrative coach for young people)

Prof. Dr. Robert Masten: Die Bedeutung von Arbeit und Leistung für die Identitätsbildung von Heranwachsenden

(The importance of work and achievement for identity building in adolescents)

C) Operative Lösungsvorschläge: Konzept europatriates

Prof. Dr. h. c. Peter Hartz: Was ist aus den deutschen Arbeitsmarktreformen übertragbar in Europa? Das 6-Punkte-Konzept der europatriates

(What elements of German labour market reform are transferable to Europe? Europatriates’ six-point concept)

Dr. Sascha Göttling: Jeder Bewerber und jede Mitarbeiterin ist wertvoll – ungenutzte Ressourcen mit der integrativen Talentdiagnostik nutzen!

(Every applicant and employee is valuable – using unused resources through integrative talent diagnostics!)

Anmerkungen

Andreas Frintrup: Talentdiagnostik – individuelle Ressourcen für das Matching am Arbeitsmarkt nutzen

(Talent diagnostics – using individual resources for employment market matching)

Anmerkungen

Prof. Dr. Wolfgang Maaß: Die Chancen von Big Data als Beitrag zur Lösung der Arbeitslosigkeit

(The opportunities of big data in helping to solve unemployment)

Imke Keicher: Beschäftigungsradar – das Marktpotential für innovative Dienstleistungen und Arbeitsplätze darstellen

(Job radar – presenting market potential for innovative services and employment)

Dr. Christine Kaul: Fitness für den Job und mehr

(Fitness for work and more)

Prof. Dr. Jürgen Rosenberger: Gesundheitscoaching aus der Sicht des Mediziners

(Health coaching from a doctor’s perspective)

Corinna Mühlhausen: Neue Jobs für Arbeitsuchende in 7 Trendmärkten

(New jobs for jobseekers in seven trend markets)

Prof. Dr. Martin Dietrich: Bedarfsanalyse für innovative Dienstleistungen und ausgewählte Aspekte ihrer Promotion

(Needs analysis for innovative services and selected aspects of their promotion)

Dr. Christian Ege / Dr. Nicole Paschke: Europatriates Social Franchising Netzwerk

(Europatriates social franchising network)

D) Best Practice aus Europa

Solveigh Hieronimus: Ausbildung für Beschäftigung – Europas Jugend in Arbeit bringen

(Training for employment – placing Europe’s young people in employment)

Prof. Dr. Piotr Błędowski: Die Effektivität der Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik für arbeitslose Jugendliche in Polen

(The effectiveness of active labour market policy instruments for unemployed young people in Poland)

Dr. Katrin Goldhorn: Volkswagen AG: Lernen in der Berufsfamilie

(Volkswagen AG: learning in occupational families)

Dr. Yves Barou: Personaldienstleistungen und marktgerechte Qualifizierung aus einer Hand

(Personnel services and market-driven qualification from one source)

Laurent Choain: Europäisches Netzwerk für Talententwicklung fördert Innovation, Kreativität und Phantasie

(European network for talent development promotes innovation, creativity and imagination)

Pieter Timmermans: Behandlung der Jugendarbeitslosigkeit in Belgien: Befunde und Herausforderungen

(Treatment of YOUth unemployment in Belgium: results and challenges)

Chris Johnston: Best Practice aus Europa: Talent 4 Europe

(Best practice from Europe: Talent 4 Europe)

Workshop: Ich will es und ich kann es! Entrepeneurship statt Arbeitslosigkeit

(I want to and I can! Entrepreneurship not unemployment)

Peter Hadasch: YOUth Employment Initiative – Nestlé needs YOUth

(YOUth employment initiative – Nestlé needs YOUth)

Olaf Katzer: Die internationale Berufsausbildung bei Volkswagen

(International vocational training at Volkswagen)

E) Ergebnisse der Podiumsdiskussionen

Innovative Finanzierungswege für jugendliche Arbeitslose in Europa.

(Innovative financing methods for young unemployed people in Europe)Moderation: François Villeroy de Gallhau

Wie finden junge Talente mit ihren Interessen und ihren Fähigkeiten zum richtigen Job?

(How do young people find the right job for their interests and skills?)Moderation: Dr. Sascha Göttling

Wie 5,5 Millionen arbeitslose Jugendliche Ausbildung und Beschäftigung finden und Europa weiter zusammenwächst

(How 5.5 million young unemployed people find training and employment and how Europe can grow closer together)Moderation: Dr. Christian Ege

Polylog der Generationen mit Vertretern europäischer Jugendverbände

(Polylogue of generations with representatives of European YOUth organisations)Moderation: Prof. Dr. mult. Hilarion Petzold

Weiterer Titel

Die Partner

Fußnoten

Vorwort

Prof.Dr. h. c. Peter Hartz

Prof.Dr. mult. Hilarion G. Petzold

Die Arbeitslosigkeit von über 5 Millionen junger Menschen in Europa geht uns alle an, denn dadurch entstehen schwerwiegende körperliche, psychische und soziale Probleme für die Betroffenen und für die europäischen Gemeinwesen und Staaten. Langzeitarbeitslosigkeit von Jugendlichen hat gravierende gesundheitliche Folgen und birgt ein hohes Risiko scheiternder Lebenskarrieren, hat also Langzeitwirkungen. Wir wissen das alle, und deshalb besteht ein dringender Handlungsbedarf. Das Schicksal dieser jungen Menschen darf uns nicht unberührt lassen, sondern muss unsere Mitmenschlichkeit, Solidarität und Verantwortlichkeit ansprechen, Qualitäten, die für einen humanitären „europäischen Geist“ stehen, den wir Europäer uns auf schwierigen Wegen durch sehr dunkle Zeiten in der europäischen Geschichte mühsam erarbeiten konnten.

Wir sind immer noch auf dem Wege hin zu einer „gesamteuropäischen Zivilgesellschaft“, ein Weg, der immer noch keineswegs ungefährdet ist und den wir fest und sicher machen müssen. Dafür brauchen wir eine Jugend mit positiver Zukunftsausrichtung und einem klaren Engagement für Europa, in dem man seine nationale und seine inter- und transkulturelle Heimat hat, das wirtschaftlich stabil ist, sozial sicher und demokratisch gefestigt. Massenhafte Jugendarbeitslosigkeit bietet hierfür keinen guten Boden, sondern schafft gravierende Probleme. Hat die Jugend in Europa keine Zukunft, hat Europa keine Zukunft. Die Gesetze der Soziodemographie sind da unerbittlich. Wir können uns in Europa keine „lost generation“ leisten. Das stellt uns vor große Herausforderungen. Man muss einfach tätig werden, jeder – im eigenen und gemeinschaftlichen Interesse. Die Probleme machen an keiner Landesgrenze halt.

Vor diesem Hintergrund hat die saarländische Zukunftsstiftung „SHS Foundation“ 2007 eine Arbeitsgruppe eingerichtet: mit Wissenschaftlern, Fachleuten des Arbeitsmarktes und mit Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen waren als „ExpertInnen in eigener Sache“. Ziel war und ist, Konzepte für Lösungen zu erarbeiten und erste praktische Pilotprojekte für Umsetzungsmöglichkeiten durchzuführen. Auf dem Boden der dabei gewonnenen Erfahrungen und der geleisteten Expertenarbeit entstand ein umsetzungsorientiertes Konzeptbuch „Wege aus der Arbeitslosigkeit“ (Hartz, Petzold 2013), das deutlich machte: Es bedarf operativer Lösungen auf einer breiten Basis, die in den gesamten europäischen Raum ausgreifen.

Bei vielen der aktuellen Problemlagen in Europa wird unübersehbar, dass die Schwierigkeiten nicht in einem Land gelöst und nicht von einem Land allein geschultert werden können. Deshalb hatten wir uns entschlossen, mit der SHS Foundation für das Jahr 2014 einen ersten „operativen Kongress zur Lösung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa“ in Saarbrücken zu veranstalten, einer Region mit vier angrenzenden europäischen Ländern. Unser Ziel: ein Forum für Ideen zu bieten, unsere Konzepte und andere lösungsorientierte Modelle vorzustellen und zu diskutieren. In der Vorbereitung und während der Kongresstage wurde eindrücklich erfahrbar: Der erste Kongress dieser Art in Europa war in der Tat überfällig. Seine Organisation war durch die europaweite Vernetzungsarbeit eine Herausforderung und für unser Team zugleich eine sehr bereichernde Erfahrung.

Es kamen 507 Teilnehmer aus 24 Ländern, um in POLYLOGEN, in „Gesprächen mit Vielen nach vielen Seiten“ interdisziplinär, intereuropäisch und generationenübergreifend über die gesellschaftlichen, ethischen, philosophischen, ökonomischen, psychosozialen, ökologischen und politischen Rahmenbedingungen zu diskutieren. All diese Themenbereiche sind nämlich notwendig, damit wirksame und nachhaltige Maßnahmen für die Beseitigung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa auf den Weg gebracht werden können.

Auf dem Kongress wurden von vielen Seiten Konzepte vorgestellt und Beispiele von „Best Practice“ gegeben. Mit unserem Team, unseren MitarbeiterInnen, unserer Forschergruppe und mit unseren Kooperationspartnern haben wir einen Schwerpunkt bei der Vorstellung des von uns entwickelten Konzeptes der „europatriates“ gesetzt.

Unter „europatriates“ verstehen wir arbeitslose Jugendliche, aber auch andere, auf Weiterqualifizierung und Horizonterweiterung ausgerichtete junge Menschen, die temporär in ein europäisches Partnerland gehen, um einen Beruf zu erlernen oder eine Beschäftigung aufzunehmen. Sie sammeln dabei praktische Erfahrungen, erwerben exzellente theoretische Kenntnisse, interkulturelles Wissen, werden wachsend „europabewusst“. Sie haben die Chance, sich im internationalen Rahmen bewegen zu lernen, sich in Europa zunehmend „heimisch“ zu fühlen – heute schon wesentlich und künftig ein „Muss“ in einem europäischen Wirtschafts- und Kulturraum, der vor den Herausforderungen einer globalisierten Welt und im internationalen Wettbewerb mit anderen Großräumen steht.

Europatriates erhalten europatheoretische Schulungen, Informationen über das Partnerland im europäischen Kontext mit dem Ziel, europäisches Bewusstsein und europäisches Identitätserleben zu fördern. Der Begriff „europatriates“ ist abgeleitet von dem in der Wirtschaft praktizierten Expatriates-Konzept, dem zeitbefristeten Entsenden von Mitarbeitern in Niederlassungen und Zweigstellen im Ausland. Mit der Betonung des europäischen Charakters im Europatriates-Konzept wird gezielt auf die Förderung von „interkulturellen Kompetenzen und Performanzen“ abgestellt und auf die Stärkung eines „europäischen Bewusstseins“, durch das man sich in seinem Herkunftsland und in Gesamteuropa verwurzelt fühlen kann. Die Idee der europatriates rüstet für ein zukunftssicheres Berufs- und Privatleben in einem zusammenwachsenden europäischen Großraum aus. Das Konzept setzt auf das Erkennen, Fördern und Entwickeln von Talenten, von Kompetenzen, d.h. Fähigkeiten und Wissen, von Performanzen, d.h. Fertigkeiten und Können, weiterhin auf das Stärken von Ressourcen und Potentialen junger Menschen – mit der Option, die entwickelten Methodologien und Strategien auch bei anderen Zielgruppen einzusetzen: bei älteren Arbeitnehmern, Longinos, d.h. aktiven Senioren, Migranten etc.. In das Konzept sind neueste Forschungsergebnisse aus der Psychologie, Medizin und Neurobiologie, aus Soziologie, Sozialpsychologie, Erwachsenenbildung, aus der Sozialpädagogik und der Sozialarbeit eingeflossen. Sie wurden verbunden mit Erkenntnissen aus den Gesundheitswissenschaften, der Personal- und Organisationsentwicklung, insbesondere aber mit den Erfahrungen von kompetenten Praktikern aus der Arbeitswelt und last but not least mit der Expertise der Arbeitslosen selbst.

Es bleibt Dank zu sagen an alle, die sich für das Zustandekommen dieses Kongresses engagiert haben, insbesondere den Referenten, den Sponsoren und dem Kongressteam der SHS Foundation unter der Leitung ihres Vorstandes Michael Hartz.

Der Kongress hat – das wurde aus der öffentlichen Resonanz deutlich – sehr viele Impulse ausgesendet. Es entstand ein Dialog mit der neugewählten Europäischen Kommission. Die zuständige Kommissarin Marianne Thyssen hat mit den Fachleuten der Kommission und der SHS Foundation einen breit angelegten Workshop durchgeführt, um die Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen zu diskutieren. Es bleibt nun Überzeugungsarbeit in den einzelnen Mitgliedsländern zu leisten und Umsetzungsinitiativen anzustoßen. Insbesondere können die neuentwickelten Tools der Talentdiagnostik und des Beschäftigungsradars sehr schnell eingesetzt werden, und es bietet sich an, ein europäisches Netzwerk als „Social Franchising System“ einzurichten, mit dessen Aufbau begonnen wurde (siehe www.europatriates.eu). Ein Pilotprojekt als europatriates in Deutschland mit einer Gruppe spanischer Jugendlicher, die auch an dem Kongress teilgenommen haben, wurde erfolgreich gestartet. Ebenfalls sind Pilotprojekte für die Länder Griechenland, Spanien, Litauen, Ungarn und Bulgarien mit jeweils nationalen Partnern und der Ruhr-Universität Bochum in Vorbereitung. Eine gute Resonanz gab es auf den Kongress in Frankreich und Italien. Das internationale Medienecho ist auf der Webseite von europatriates eingestellt.

Jeder und jede unter den Jugendlichen in Europa, die wollen und können, sollen ein Angebot für die eigene berufliche Zukunft erhalten, sei es für Ausbildung oder Studium, für Beschäftigung oder Selbständigkeit. Das ist die „mission“ von europatriates.

Der vorliegende Dokumentationsband ergänzt das SHS-Konzeptbuch (Hartz, Petzold 2013) mit allen Vorträgen, Workshops und Podiumsdiskussionen des Kongresses. Er bietet operative Lösungsvorschläge und Beispiele für Best Practice aus Europa und stellt, so hoffen und wünschen wir, Materialien bereit, die weiterführen und Hilfen bieten für möglichst viele Initiativen, die Jugendlichen in Europa zugutekommen.

Die Probleme der Jugendarbeitslosigkeit und der Langzeitarbeitslosigkeit sind schwerwiegend, aber sie sind lösbar, wenn man die Probleme wirklich in Angriff nimmt, in die richtigen Maßnahmen investiert. Unternimmt man nichts oder zu wenig, wird es richtig teuer, was die gesundheitlichen Folgen für die Betroffenen und die volkswirtschaftlichen Langzeitfolgen für die Gemeinwesen und europäischen Staaten anbelangt. Die „Folgen nach den Folgen“ werden letztlich alle Länder treffen.

Drei Dinge brauchen wir: Die Initiative der Europäischen Kommission und der Regierungschefs der Mitgliedsstaaten, die erforderlichen Ressourcen und solide, wissenschaftlich begründete Konzepte zur Lösung der vielfältigen Probleme, die mit Jugendarbeitslosigkeit verbunden sind. Wir haben unser Konzept in unseren Beiträgen dieses Bandes vorgelegt und hoffen, damit zu überzeugen, denn es handelt sich um ein fachlich sehr fundiertes, breitgreifendes, praxisbewährtes und für Jugendliche engagiertes Konzept. Wir bitten Sie um Ihre Unterstützung.

Danke!

Peter Hartz

Hilarion Petzold

SHS Foundation Saarbrücken

Europäische Akademie für Biopsychosoziale Gesundheit, Hückeswagen

Saarbrücken/Hückeswagen, im Oktober 2015

Geleitwort

José Manuel Barroso, Präsident der Europäischen Kommission

Als „Europatriate“ begrüße ich diese Initiative zur Lösung eines der dringlichsten Probleme im heutigen Europa – der dramatisch hohen Zahl junger Menschen in Europa, die keine Arbeit finden.

Die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch eine Bewährungsprobe für unsere Zukunft und für die Nachhaltigkeit unseres Wirtschafts- und Sozialmodells. Dies sind wir den jungen Menschen von heute und den künftigen Generationen schuldig.

Die Aufgabe ist gewaltig, und alle müssen mithelfen – die Betroffenen selbst wie auch die Unternehmen, Sozialpartner, Regionen und Mitgliedstaaten. Und da es sich um eine europaweite Herausforderung handelt, muss die Lösung ebenfalls auf europäischer Ebene gefunden werden. Deshalb haben wir ein neues politisches Instrument – die Jugendgarantie – vorgeschlagen, die direkt aus der Beschäftigungsinitiative für junge Menschen gefördert wird, und verschiedene EU-weite Initiativen wie die Europäische Ausbildungsallianz und die Große Koalition für digitale Arbeitsplätze auf den Weg gebracht.

Auch müssen wir rasch handeln, denn je früher wir beginnen, desto eher werden junge Menschen etwas davon haben und desto eher werden sie wieder Hoffnung schöpfen. Was unsere jungen Menschen außer Hoffnung und der Aussicht auf eine bessere und nachhaltigere Zukunft brauchen, ist die richtige allgemeine und berufliche Bildung, die ihnen die Qualifikationen für die Arbeitsplätze von morgen vermittelt.

Ich hoffe sehr, dass dieser erste europäische Kongress zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit vielen jungen Menschen den Übergang von der Ausbildung in die Beschäftigung ermöglichen wird.

Bei diesem Kongress geht es darum, dass die Teilnehmer die erfolgreichsten Konzepte zusammentragen, damit junge Menschen in Europa davon profitieren können. Europäisch zu denken ist der Schlüssel, der Türen öffnet.

Ich bin zuversichtlich, dass der Kongress innovative und praktische Lösungen für eine deutliche Reduzierung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa hervorbringen wird.

Begrüßung und Eröffnung

Veranstalter: SHS Foundation

Prof.Dr. h. c. Peter Hartz, Vorsitzender der Regierungskommission der Arbeitsmarktreformen in Deutschland

Guten Tag meine Damen und Herren,

für den Veranstalter, die SHS Foundation, darf ich Sie herzlich begrüßen. Wir danken Ihnen dafür, dass Sie zu uns nach Saarbrücken gekommen sind, um gemeinsam die Lösungen des Problems der Jugendarbeitslosigkeit zu diskutieren. Sie gehören zu dem Kreis unserer Gesellschaft, der diesem Problem nicht gleichgültig gegenübersteht.

Meine Damen und Herren, das Problem Jugendarbeitslosigkeit ist das dringendste Europas. Es geht um unsere Kinder, um unsere Jugend. Wir alle wünschen uns eine Generation Jugendlicher, die gerne Europäer sind. Über 5 Millionen junge Europäer sollen erfahren: „Europa hilft uns, wir können auf Europa zählen“. In der sensiblen Lebens- und Entwicklungsphase Mitte 20, in der junge Menschen zu Erwachsenen reifen, sind sie besonders lernwillig, wissbegierig, aufgeschlossen, weltoffen und mobil. Sie suchen nach Sinn, Werten und Gerechtigkeit und sind zu Leistungen fähig. Sie wollen zeigen, was sie können. Wir dürfen sie nicht enttäuschen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesen drei Tagen des ersten europäischen operativen Kongresses zu diesem Thema wollen wir ein Konzept vorstellen und mit Ihnen diskutieren, ergänzen, verbessern, anreichern mit Best Practices, mit dem zur Lösung des Problems der Jugendarbeitslosigkeit ein substantieller Beitrag geleistet werden kann. Unter Einbeziehung all Ihrer Ideen, die Sie und andere in Europa haben, werden wir fleißig die wichtigsten Konzepte zusammentragen. Im Auftrag der gemeinnützigen Stiftung SHS Foundation hat eine Gruppe von Fachleuten und Wissenschaftlern in den letzten Jahren dieses Konzept erarbeitet und auf seine Machbarkeit hin getestet. Die Fortschritte in den letzten 10 Jahren in Wissenschaft und Forschung nach der Arbeitsmarktreform wurden dabei für die praktische Umsetzung ausgewertet. Sechs Themenfelder, sechs Module werden uns beschäftigen. Sie sollen klare Antworten geben auf die Initiative der Europäischen Kommission mit der Jugendgarantie, und zwar, wie diese operativ umgesetzt werden kann.

Wir freuen uns, dass wir Herrn Kommissar Andor heute bei uns haben, deshalb haben wir ein paar Minuten später angefangen, er war noch auf dem Wege. Wir bedanken uns bei Ihnen, bei ihm mit realistischen Umsetzungsvorschlägen zur Unterstützung dieser großen Aufgabe. So haben wir im Kongress gleich mehrere Höhepunkte zum Auftakt. Nach Kommissar Andor hören wir den Beitrag der Bundesregierung zur Lösung dieses Problems, durch Bundesminister Maas, den wir hier sehr herzlich begrüßen und der hier im Saarland ein Heimspiel hat. Die Sicht der Mitgliedsländer und ihren Handlungsbedarf erfahren wir heute durch Minister Schmidt aus Luxemburg und Generalsekretär Paolo Pennesi aus Italien, den wir ebenfalls sehr herzlich begrüßen. Ein weiterer Höhepunkt sind die Ausführungen des Chefs der Bundesagentur Frank Jürgen Weise zum Netzwerk und Beitrag der europäischen Arbeitsverwaltung. Die Wissenschaftler aus vielen Europäischen Ländern, die der wissenschaftliche Leiter unseres Kongresses, Prof.Dr.Hilarion Petzold, eingeladen hat und die mit ihrer Expertise wichtige Beiträge leisten werden, heiße ich herzlich willkommen. Ganz besonders heiße ich all die jungen Menschen aus ganz Europa willkommen, die wir hier zu Gast haben und denen diese Veranstaltung dienen soll. Ich freue mich, dass Sie hier nach Saarbrücken gekommen sind, um unsere gemeinsame Sache zu unterstützen.

Meine Damen und Herren, 46 Redner und Teilnehmer auf den Podien werden fachlich den Kongress gemeinsam mit Ihnen prägen. Über die drei Tage erwarten wir 475 Teilnehmer aus 24 Nationen. Besonderen Raum wird das Themenfeld „Finanzierung“ aus unserem Sechs-Punkte-Konzept einnehmen. Dieses Konzept finden Sie in der Kongressbroschüre. Kreative und innovative Wege werden wir diskutieren.

Wir haben alle europäischen Mitgliedsländer eingeladen, deshalb freuen wir uns, dass die Landesregierung durch Frau Ministerin Anke Rehlinger, die wir ebenfalls sehr herzlich begrüßen, Sie nun im Saarland willkommen heißen wird. Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, dass wir die Erwartungen an diesen Kongress, ein realistisches Konzept zur Lösung der Jugendarbeitslosigkeit zu erarbeiten und ein Pilotprogramm für alle 28 Mitgliedsstaaten vorzustellen, erfüllen können. Es wird hoffentlich eine nützliche Unterstützung unserer Politiker bei dem nächsten Gipfel zu diesem Thema am 11. Juli in Turin bieten. Vielen Dank also an alle. Und nun darf ich Frau Anke Rehlinger noch einmal herzlich begrüßen, und sie bitten, zu uns zu sprechen.

Grußwort

Anke Rehlinger, Ministerin für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr des Saarlandes

Lieber Peter Hartz, meine sehr verehrten Damen und Herren aus Nah und Fern, auch ich darf Sie sehr herzlich hier in Saarbrücken im Namen der saarländischen Landesregierung bei diesem Kongress „Zukunftsperspektiven statt Jugendarbeitslosigkeit“ begrüßen. Es ist uns natürlich eine besondere Freude und auch eine besondere Ehre, Sie alle hier bei uns in unserem wunderschönen Bundesland begrüßen zu können, zu einem solch hochwertig besetzten Kongress. Peter Hartz hat ja schon den ein oder anderen an dieser Stelle begrüßt. Neben den Regierungsvertretern, auch von europäischer Ebene, sind auch Vertreter und Vertreterinnen der Legislativen hier vor Ort, die sich natürlich auch an ihrer Stelle mit diesen Fragen zu beschäftigen haben. Ich will vielleicht an erster Stelle das Mitglied des Europäischen Parlaments noch einmal begrüßen, Jo Leinen, schon lange unterwegs auf der europäischen Ebene und auch bei diesem Thema immer aktiv.

Es wäre jetzt protokollarisch eine Aufgabe, die kaum zu lösen ist, wenn man diese Liste unendlich fortsetzen würde, aber nichtsdestotrotz glaube ich, ist es eine lohnende Aufgabe, doch noch mal anhand der einzelnen Begrüßungen vielleicht auch darzulegen, wer sich alles bei diesem Thema hier vor Ort mit einbringt. Nicht nur die Frage der Legislative und der Exekutive, sondern eben auch, wer sich als solches noch als Partner auf diesem Feld hier umtut, und auch dort ist ein Blick in die Reihen außerordentlich aufschlussreich, denn auch dort ist die Spreizung mit vorhanden. Ich sehe als Vertreter auch der Arbeitskammer Hans-Peter Kurz und auch als Gewerkschafter, die sich ebenfalls mit diesem Thema zu befassen haben, aber genauso die Industrie- und Handelskammer, die hier vertreten ist mit ihrem Präsidenten Richard Weber, der ja insgesamt das Engagement der Industrie- und Handelskammern auch auf der europäischen Ebene prominent für uns hier aus dem Saarland heraus vertritt, und damit letztendlich deutlich macht, dass das Thema Jugendarbeitslosigkeit nicht nur eines der Politik ist, sondern ein Thema insgesamt der Gesellschaft ist. Und dort natürlich nicht nur wirtschaftspolitisch zu betrachten ist, sondern auch gerade von den Arbeitnehmern und Arbeitnehmervertretern als ein sehr wichtiges angesehen wird.

Aber genauso habe ich viele Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitsverwaltung gesehen, die sich des Themas annehmen, natürlich an der Spitze sicherlich mit Herrn Weise, aber auch regionale Vertreter sind hier vor Ort. Ich gucke hier in die Reihen, Herr Flech ist anwesend, und demonstriert, dass das ein Thema ist, das in den Arbeitsverwaltungen rauf und runter diskutiert wird, und auch dort ist man natürlich tagtäglich gerade mit den praktischen Fragen befasst. Und, weil wir das Ganze ja in der europäischen Dimension diskutieren, und weil wir uns hier im Saarland ganz in der Nähe der französischen Grenze befinden, ein ganz besonderer Willkommensgruß dem französischen Generalkonsul, der erfreulicherweise heute hier unter uns ist. Lieber Frederic Giroud, dir ein herzlicher Willkommensgruß, eine schöne Geste, dass du an dem Kongress teilnimmst.

Vielleicht stellvertretend für die kommunale Seite, zwei, die ich namentlich begrüßen möchte, zum einen den Oberbürgermeister der gefühlten Landeshauptstadt Saarlouis, lieber Roland Henz, ein herzlicher Willkommensgruß, sowie die Landrätin des schönen Landkreises Merzig-Wadern, Daniela Schlegel-Friedrich, der kommunalen Seite ein herzliches Willkommen.

Und vielleicht der wichtigste Willkommensgruß an dieser Stelle, wenn man von hier oben in die Reihen blickt, all den Jugendlichen, die hier sitzen und hoffentlich vor allem auch viel mitdiskutieren werden. Ich bin sehr froh darüber, dass gerade auch so viele Generationen anwesend sind, um die es tatsächlich in dem 3-tägigen Kongress gehen wird. Und wenn ich das richtig sehe, sind es Vertreterinnen und Vertreter von Jugendlichen aus allen Nationen, die hier mit dabei sind, und deshalb ein ganz besonderer herzlicher Willkommensgruß an die Jugendlichen auf diesem Kongress.

Ich habe eben gesagt, es ist uns eine besondere Freude und Ehre, dass dieser Kongress hier in Saarbrücken stattfindet. Ich sage mal, für mich als saarländische Arbeitsministerin ist es deshalb eine besondere Freude, weil damit zum Ausdruck kommt, dass bei diesem hochkarätig besetzten Kongress sich eine Vielzahl von Persönlichkeiten eines absolut wichtigen Themas, des Zukunftsthemas der Beschäftigung für Jugendliche, hier annehmen. Für mich, aber auch als Mitglied der saarländischen Landesregierung, ist es eine besondere Freude, dass Sie das ausgerechnet hier in Saarbrücken tun. Selbstbewusst wie wir sind, gibt es gute Gründe dafür, wir sind nämlich, und man sehe mir das bitte nach, das schönste Bundesland der Welt. Das ist natürlich ein Grund, weshalb Sie gut daran getan haben, es hier in Saarbrücken zu tun, aber es gibt vor allem auch einen sachlich wichtigen Grund, warum ein solcher Kongress gerade hier im Saarland einen richtigen Ort gefunden hat. Denn das Saarland ist nicht, wie viele vorschnell meinen, eine Region an der Grenze der Republik, sondern das Saarland ist vielmehr eine Region im Herzen Europas. Und wir sind vor allem eine europäische Grenzregion, und eine Grenzregion, in der das Thema Arbeitsmarkt tagtäglich mit Leben erfüllt wird. Wir haben einen grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt, den größten grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt in der Europäischen Union.

Insgesamt ist die Großregion SaarLorLux, aber auch Rheinland-Pfalz, die Wallonie, und die deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens ein Verbundsystem. Tagtäglich pendeln über 210.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jeweils über die Grenzen hinweg, um zu ihrem Arbeitsplatz zu gelangen. 25% der Grenzgänger in Europa leben hier in unserer Großregion, und diese Zahl wächst jetzt nunmehr seit 20 Jahren schon an. Insofern sind wir hier im Saarland auch geradezu das ideale Versuchsfeld, wenn es darum geht, bestimmte Entwicklungen auf den Teilarbeitsmärkten zu beleuchten, und auch die Probleme herauszuarbeiten, vor allem auch diese Probleme sachgerechten und praxistauglichen Lösungen zuzuführen. Wir haben dazu, nur um ein Beispiel zu nennen, eine Task-Force „Grenzgänger“ eingerichtet, die sich genau mit den tagtäglichen Problemen des grenzüberschreitenden Arbeitsmarktes beschäftigt und Lösungsansätze dafür sucht, wie wir in der Großregion hier ein Stück weit weiterkommen. Und ich glaube, dass diese Großregion, wenn man den Blick noch etwas engen möchte, auch gerade deshalb ein besonders gutes Beispiel ist, wenn man hier noch einmal die Frage der Jugendarbeitslosigkeit im Besonderen beleuchtet und die Entwicklung auf den Teilarbeitsmärkten hier noch stärker in den Blick nehmen möchte.

Dazu vielleicht nur zwei Zahlen, um deutlich zu machen, wie unterschiedlich die Entwicklung auf den Teilarbeitsmärkten sein kann. Das Saarland hat eine Jugendarbeitslosigkeit von 6,1%, und die Jugendarbeitslosigkeit in Lothringen liegt bei rund 25%. Das macht schon deutlich, dass auf diese unterschiedlichen Entwicklungen unterschiedliche Antworten gegeben werden müssen, und dass vor allem der Blick über den Tellerrand und – hier mal etwas konkreter gesprochen – der Blick auch über die Grenze hinweg der Schlüssel dazu sein kann. Wie man Lösungen findet, die beiden Seiten gleichermaßen weiterhelfen, ein Ansatzpunkt, den auch wir hier gewählt haben im Saarland. Natürlich noch in den Kinderschuhen, aber wie ich glaube, durchaus erfolgversprechend, indem wir jetzt dafür werben, dass zum Beispiel der praktische Teil der Ausbildungen von lothringischen Jugendlichen hier im Saarland absolviert werden kann. Um erste Hemmschwellen abzubauen, um die Ängste vor Sprachbarrieren zu nehmen, und die Jugendlichen dann mehr an den saarländischen Arbeitsmarkt heranzuführen.

Wir haben eine Fachstelle für eine grenzüberschreitende Ausbildung eingerichtet. Wir sind damit befasst, die Fragen der Ausbildung insgesamt noch mal in Vertragsform mit Lothringen zu bearbeiten und damit letztendlich eine Situation herbeizuführen, die für beide Seiten gleichermaßen gewinnbringend ist. Und ich glaube, das ist – so habe ich zumindest den Ansatz dieses Kongresses verstanden – etwas, das auch europaweit so praktiziert werden sollte, indem man die einzelnen Teilarbeitsmärkte in den Blick nimmt, sie analysiert und zum gegenseitigen Nutzen miteinander verbindet. Ein wichtiger Schlüssel dabei ist natürlich das Thema Mobilität der Jugendlichen, sie dazu zu bringen, sich auch einmal auf neue Wege einzulassen, und da ist sicherlich eine Schlüsselqualifikation, das Thema Sprache, eine Herausforderung, auf die wir sicherlich noch Antworten finden müssen. Welche Antworten das sind, welcher Weg hier gegangen werden muss, welche Maßnahmen und welche Instrumente letztendlich die richtigen sind, das ist eine Aufgabenstellung, der sich dieser Kongress angenommen hat. Ich halte das für eine wichtige Aufgabenstellung, und deshalb will ich die Gelegenheit nutzen, mich sehr, sehr herzlich zu bedanken bei denjenigen, die bei diesem 3-tägigen Kongress daran mitwirken werden, die Instrumente zu identifizieren und Maßnahmen zu definieren, damit wir weiter vorankommen können bei der wichtigen Aufgabe der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Und ich will natürlich stellvertretend für viele, die hier jetzt 3 Tage lang mitwirken werden, einem sehr herzlich danken, und das ist an erster und prominentester Stelle Peter Hartz. Dir, lieber Peter, ein herzliches Dankeschön für dein Engagement, dafür, dass du diese Aufgabe angegangen bist. Dieser Kongress, der maßgeblich von dir mit initiiert worden ist und hier auch in dieser Form stattfinden kann. Ein herzliches Dankeschön an Peter Hartz.

Die Bewältigung der Herausforderung Jugend-Perspektiven statt Jugend-Arbeitslosigkeit kann natürlich nur gelingen, wenn sie nicht nur in einem Kongress dieser Art abgehandelt wird, sondern wenn sie als gesamtgesellschaftliche, als gesamtpolitische Aufgabe begriffen wird. Wenn sie als Aufgabe in den Regionen, in den Nationalstaaten, aber auch in der Europäischen Union als Aufgabe in Gänze verstanden wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, der Erfolg der Europäischen Union wird maßgeblich davon abhängen, dass sie neben ihrer friedensstiftenden Funktion es zukünftig auch schafft, gerade gegenüber den jungen Generationen ein Zukunftsversprechen auf Wohlstand und Teilhabe einlösen zu können und damit letztendlich auch eine Antwort auf die Frage der Jugendarbeitslosigkeit geben zu können. Wir haben hier im Saarland eine neue Dachmarke konzipiert, sie heißt „Großes entsteht immer im Kleinen“. Es ist eine Anspielung auf die Größe unseres Bundeslandes, trotzdem sehen wir uns aufgrund der Tatsache, dass wir nicht ganz das größte Bundesland sind, doch in der Lage, Großes daraus entstehen zu lassen. Und ich wünsche mir vor diesem Hintergrund in Anspielung auf diese Dachmarke, dass ausgehend von diesem Kongress hier im kleinen Saarland Großes entstehen kann, wenn es darum geht, die Jugendarbeitslosigkeit in Europa zu bekämpfen. In diesem Sinne wünsche ich uns allen, dass dieser Kongress möglichst viele, gute, sehr konkrete Ideen dazu entwickeln kann, und ich wünsche Ihnen allen einen guten Aufenthalt hier im Saarland und hoffe, dass Sie sich wohlfühlen, das Saarland in guter Erinnerung behalten und vor allem sehr oft hierher zurückkommen werden.

Herzlichen Dank und Glück auf.

A) Politische Strategien und wirtschaftliche Rahmenbedingungen in Europa

5,5 Mio. Jugendliche ohne Arbeit, eine gemeinschaftliche Lösung – die europäische Jugendgarantie

Referent: László Andor, Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Integration der Europäischen Kommission

Summary: 5.5 million young people unemployed, a community solution – the European YOUth Guarantee

The YOUth Guarantee specifies that young people will be offered employment, a training place, an internship or further training within four months of becoming unemployed or completing training. This requires true structural reform. Firstly, the number and quality of jobs need to be increased, and secondly crossborder employment mobility is required. To counter Europe’s social and economic division, it is important to coordinate employment and social policy more closely and to reflect upon financial transfer payments between states.

Keywords: training, structural reform, mobility, transfer payments, EURES

Zusammenfassung: 5,5 Millionen Jugendliche ohne Arbeit, eine gemeinschaftliche Lösung – die europäische Jugendgarantie

Die Jugendgarantie sieht vor, dass jungen Menschen innerhalb von 4 Monaten nach Eintritt der Arbeitslosigkeit oder nach der Ausbildung ein Arbeitsplatz, eine Ausbildungsstelle, ein Praktikum oder eine weiterführende Ausbildung angeboten wird. Dazu ist eine echte Strukturreform nötig. Zum einen muss die Anzahl und die Qualität der Stellen erhöht werden, zum anderen die grenzüberschreitende Beschäftigungsmobilität. Um der sozialen und wirtschaftlichen Spaltung Europas zu begegnen, ist es wichtig, die Beschäftigungs- und Sozialpolitik enger zu koordinieren und über finanzielle Transferleistungen zwischen den Staaten nachzudenken.

Schlüsselwörter: Ausbildung, Strukturreform, Mobilität, Transferleistungen, EURES

Sommaire: 5,5 millions de jeunes sans travail, une solution au niveau communautaire – la garantie européenne pour la jeunesse

La garantie pour la jeunesse prévoit de proposer aux jeunes un emploi, un apprentissage, un stage ou une formation continue dans les 4 mois suivant la perte de leur emploi ou la fin de leur scolarité. Une véritable réforme structurelle s’impose pour ce faire. Il convient d’une part de rehausser le nombre et la qualité des emplois, d’autre part d’améliorer la mobilité de l’emploi de part et d’autre de la frontière. Pour prévenir des clivages sociaux et économiques en Europe, il est important de procéder à une coordination plus étroite de la politique de l’emploi et de la politique sociale et de réfléchir à des transferts financiers d’un Etat à l’autre.

Mots clés: formation, réforme structurelle, mobilité, transferts, EURES

Meine Damen und Herren,

meine herzlichen Grüße an Sie und vielen Dank an die Organisatoren für Ihre Einladung in diese wirklich schöne Region, die in den letzten 60 Jahren immer ein Brennpunkt der europäischen Integration war.

Wie wir von Präsident Barroso (per Videobotschaft) gehört haben, gibt es nur sehr wenige Themen, die heute einen höheren Stellenwert auf der europäischen Agenda haben als die Jugendarbeitslosigkeit. Junge Menschen haben durch Arbeitsplatzverluste und Arbeitslosigkeit während dieser lang anhaltenden Wirtschaftskrise mit am meisten gelitten. Darüber hinaus wirkt sich die Krise auch auf lange Sicht negativ auf die Arbeitsmarktsituation der jungen Menschen aus, da ihre zukünftigen Beschäftigungschancen beeinträchtigt sind.

Europa kann es sich nicht leisten, eine so große Zahl an Arbeitskräften unerschlossen zu lassen und dadurch das Risiko einer ernsten und unbeherrschbaren sozialen Krise einzugehen. Der aktuelle Trend muss umgekehrt werden, und zwar schnell. Die Lebensrealität von jungen Menschen sieht heute ganz anders aus als die älterer Generationen. Tatsächlich dauert der Übergang von der Schule ins Arbeitsleben viel länger und ist viel komplexer als noch vor 20 Jahren. Fehlende oder unzureichende Erfahrung ist häufig das Hauptproblem für junge Menschen, die nach der Ausbildung einen Arbeitsplatz suchen.

Um all diesen kurz und langfristigen Herausforderungen zu begegnen, hat die Europäische Kommission vor 18 Monaten die Jugendgarantie eingeführt, die ein neues, aus EU-Mitteln finanziertes Politikinstrument zum Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit und Beschäftigungslosigkeit darstellt. Im Kern soll die Jugendgarantie dazu dienen, die strukturellen Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen, welche den Übergang von der Ausbildung ins Arbeitsleben so schwierig machen.

Die Jugendgarantie sieht vor, dass jungen Menschen innerhalb von vier Monaten nach Eintritt der Arbeitslosigkeit oder nach Abschluss einer formellen Ausbildung entweder ein Arbeitsplatz, eine Ausbildungsstelle, ein Praktikum oder eine weiterführende Ausbildung angeboten wird.

Die Einführung einer Jugendgarantie stellt eine echte Strukturreform dar. Bei der Jugendgarantie geht es darum, Weiterbildungen, Praktika, Berufsausbildungen, unternehmerische Förderung und Einstiegsjobs in einem viel größeren Ausmaß als momentan verfügbar zu machen.

Außerdem geht es darum, die öffentliche Arbeitsverwaltung und das System der Berufsausbildung zu verbessern. Die Jugendgarantie ist als neuer europäischer Standard anzusehen. Tatsächlich müssen alle Menschen unter 25 Jahren ein qualitativ gutes Angebot erhalten. Die Mitgliedstaaten zeigen großes Engagement bei der Umsetzung der Jugendgarantie. Und last but not least muss man die Jugendgarantie auch als eine wichtige Investition sehen. Natürlich kommen kurzfristig Belastungen auf die Steuerzahler zu, aber diese Kosten sind sehr viel geringer als die Kosten des Nichtstuns. Die Kosten der Sozialleistungen, die an arbeitslose Jugendliche ausgezahlt werden, belasten den Haushalt der EU schätzungsweise mit 1,21% des europäischen Bruttoinlandsprodukts. Das bedeutet einen jährlichen Verlust von mehr als 150 Milliarden Euro für die EU-Mitgliedstaaten.

Die Einrichtung von Jugendgarantien wird gefördert durch den Europäischen Sozialfonds und durch ein neues eigenes Finanzinstrument, das wir „Initiative gegen Jugendarbeitslosigkeit“ nennen und das von Präsident Barroso auf mindestens sechs Milliarden Euro beziffert wurde. Dieses neue Instrument stellt eine zusätzliche finanzielle Förderung für die Regionen dar, die am meisten mit Jugendarbeitslosigkeit und Beschäftigungslosigkeit zu kämpfen haben; das sind Regionen, in denen die Jugendarbeitslosigkeit bei über 25% liegt. Das Instrument richtet sich an junge Menschen unter 25 (oder 29 in einigen ehrgeizigeren Mitgliedstaaten). Und man muss sich diesen Jugendlichen zuwenden, die weder in Arbeit, Ausbildung noch in Weiterbildung sind.

Zweck der Initiative gegen Jugendarbeitslosigkeit ist die Förderung der jungen Menschen, indem man ihnen qualitativ gute Arbeitsplätze, Aus- und Weiterbildung anbietet. In dieser Hinsicht ist die Initiative dafür konzipiert, Investitionen in die Menschen zu fördern. Natürlich hängt der Erfolg der Jugendgarantie auch von weiteren Investitionen ab, z.B. in Strukturreformen zur Modernisierung der Arbeitsverwaltung sowie der Sozial- und Bildungssysteme. Obwohl sich die Initiative gegen Jugendarbeitslosigkeit auf einzelne Mitgliedstaaten konzentriert, muss sie daher auch andere Finanzierungsquellen, wie z.B. den Europäischen Sozialfonds und ihre nationalen Budgets für diese Arten struktureller Investitionen erschließen.

Meine Damen und Herren, das Schlüsselelement für eine erfolgreiche Umsetzung der Jugendgarantie ist eine Finanzierungsbasis, die auf einer stabilen und umfassenden Strategie zur Förderung von Jugendbeschäftigung aufbaut und die für jedes einzelne Land im Umsetzungsplan für die Jugendgarantie zusammengefasst ist. Heute werden 28 nationale Umsetzungspläne für die Jugendgarantie ausgerollt. Sie spiegeln die jeweils sehr unterschiedlichen Situationen und Probleme, die Politikansätze und institutionellen Gegebenheiten sowie die Knappheit der Mittel in den Mitgliedstaaten wider.

Die Europäische Kommission beaufsichtigt die Umsetzung der Jugendgarantie im Kontext einer verstärkten wirtschaftlichen Steuerung. Länderspezifische Empfehlungen für das europäische Semester 2014 berücksichtigen die Anstrengungen der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Jugendgarantie.

Es gibt noch immer viele Herausforderungen. Dazu gehört der Ausbau der Kapazität der Arbeitsverwaltungen, die Reform der Bildungs- und Berufsausbildungssysteme und die Stärkung von Partnerschaften, um inaktive junge Menschen zu erreichen, die nicht bei den Arbeitsverwaltungen gemeldet sind. In den meisten Fällen macht die Forderung nach einem qualitativ guten Angebot eine weitere Bearbeitung notwendig. Die Mitgliedstaaten sind gerade dabei, die Finanzierung bereitzustellen, um die Umsetzung der Jugendgarantie merklich zu beschleunigen.

Der anhaltende Dialog und die enge Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten haben bereits wichtige Ergebnisse hervorgebracht. Vor drei Wochen hat die Kommission das erste einsatzfähige nationale Programm für die Initiative gegen Jugendarbeitslosigkeit verabschiedet. Konkret erhält Frankreich 620 Millionen Euro aus der Initiative gegen Jugendarbeitslosigkeit und aus dem ESF. Darüber hinaus haben weitere 10 Mitgliedstaaten, darunter Spanien als größtes Nehmerland, aus dem 6 Milliarden Euro umfassenden Fonds ihre einsatzfähigen Programme an die Kommission übermittelt. Die Kommission hat Verfahren eingerichtet, die eine schnelle Verabschiedung gewährleisten.

Lassen Sie mich außerdem betonen, dass einige Mitgliedstaaten, wie z.B. Polen, Kroatien, Schweden, Irland und Bulgarien, die Möglichkeit nutzen, Ausgaben seit dem 1. September letzten Jahres geltend zu machen. All das sind gute Neuigkeiten und wir müssen unser Möglichstes tun, um den Prozess noch weiter zu beschleunigen. Darum wird die Kommission in den kommenden Wochen ein Seminar organisieren, das Mitgliedstaaten unterstützen soll, die bei der Vorbereitung ihrer Programme und bei der Nutzung der Finanzinstrumente mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben.

Meine Damen und Herren, Ihr heute stattfindender Kongress wird ein Pilotprojekt im Bereich Berufsausbildung und Unternehmertum starten. Lassen Sie mich diesen Schritt als wichtige Initiative willkommen heißen. Insbesondere die berufliche Ausbildung ist einer der Stützpfeiler der europäischen Jugendgarantie. Das europäische Bündnis für die berufliche Ausbildung, das vor einem Jahr in Leipzig gegründet wurde, soll zu einem Einstellungswandel gegenüber dieser Ausbildungsart führen. Es dient als Plattform für die Koordination und erfolgreiche Intensivierung von Ausbildungsbündnissen und zur Förderung nationaler Partnerschaften für die duale berufliche Ausbildung.

Dabei ist es wichtig hervorzuheben, dass 25 Mitgliedstaaten bereits die Verpflichtung eingegangen sind, die Anzahl und die Qualität der angebotenen Ausbildungsstellen zu erhöhen. Ich bin davon überzeugt, dass Ihre Initiative zu diesen Angeboten beitragen wird. Und neben Ausbildungsstellen spielen auch Praktika eine Schlüsselrolle dabei, den nahtlosen Übergang von der Ausbildung ins Arbeitsleben zu gewährleisten. Praktika sind nur dann nützlich, wenn sie qualitativ hochwertige Lerninhalte unter zufriedenstellenden Arbeitsbedingungen vermitteln. Sie dürfen nicht als kostenlose oder billige Arbeitsquelle benutzt werden, die ordentliche Arbeitsverträge ersetzt. Da der Rat nun den Vorschlag der Kommission über eine Empfehlung für einen Qualitätsrahmen bei Praktika zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Lerninhalte angenommen hat, können wir uns jetzt um die Umsetzung kümmern.

Und über die sich zu Hause bietenden Möglichkeiten hinaus erweitert grenzüberschreitende Beschäftigungsmobilität den Horizont für junge Menschen. Die meisten von ihnen sind sehr daran interessiert, im Ausland zu studieren und zu arbeiten. Die Europäische Union hat ein System für die Anerkennung von beruflichen Qualifikationen und Regeln für die Koordination von Sozialleistungen eingerichtet, wodurch sichergestellt wird, dass mobile Arbeitskräfte ihre Rechte nicht verlieren, wenn sie sich dafür entscheiden, zum Arbeiten in ein anderes Mitgliedsland zu ziehen.

Die Kommission ist außerdem dabei, EURES, das Netzwerk der Arbeitsverwaltungen, zu reformieren. Ziel ist es, Arbeitgeber zu unterstützen, die Mitarbeiter aus anderen Ländern einstellen möchten, sowie Hinweise und Beratung für Arbeitnehmer anzubieten, die Beschäftigungsmöglichkeiten in anderen EU-Mitgliedstaaten suchen. Außerdem haben wir „Dein erster EURES-Arbeitsplatz“ gestartet, eine kleine Maßnahme zur beruflichen Mobilität in Kombination mit finanzieller Unterstützung für junge Menschen zwischen 18 und 30, denen wir damit helfen, einen Arbeitsplatz, ein Praktikum oder eine Ausbildungsstelle in einem anderen Mitgliedsland zu finden. Bis zum Ende diesen Jahres sollen so etwa 5.000 Beschäftigungsverhältnisse vermittelt werden. Und letzte Woche hat die Kommission bekannt gegeben, dass der europäische Skills-Pass für das Gastgewerbe auf EURES gehostet werden soll. Es ist der erste einer ganzen Reihe von Pässen für Sektoren der europäischen Wirtschaft mit hoher Mobilität und weitere werden in Zukunft auch für andere Sektoren folgen.

Meine Damen und Herren, ich habe die Tools aufgelistet, an deren Umsetzung wir derzeit arbeiten, um die Jugendgarantie zu fördern, und es zeigt sich sicherlich ein Paradigmenwechsel bei der Art und Weise, wie wir mit Jugendarbeitslosigkeit und Beschäftigungslosigkeit umgehen. Es wird deutlich, dass eine neue Dynamik in Gang gekommen ist und dass die Jugendgarantie als Katalysator einer neuen Denkweise dient, was die Jugend-Beschäftigungspolitik in der gesamten EU anbelangt. Dennoch sollte man die aktuellen und anhaltenden Unterschiede bei den Arbeitslosenzahlen und bei der Jugendarbeitslosigkeit in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten und insbesondere im Bereich der EU nicht übersehen.

Warum ist es zu einer derartigen wirtschaftlichen und sozialen Spaltung Europas gekommen? Im Jahr 2013 hat die Kommission ihren Beitrag zur wachsenden und sehr wichtigen Debatte über die soziale Dimension der Wirtschafts- und Währungsunion geleistet. Wir haben klar gesagt, dass es in einer Währungsunion, in der die Mitgliedstaaten nicht mehr über Instrumente wie z.B. Wechselkurse oder unabhängige Währungspolitik verfügen und wo ihre Haushalte aufgrund gemeinsam vereinbarter Regeln stark eingeschränkt sind, besonders wichtig ist, Beschäftigungs- und Sozialpolitik enger zu koordinieren, damit sozio-ökonomischer Wandel gefördert wird.

Es ist insbesondere im Interesse der gesamten Währungsunion, dass wichtige Beschäftigungs- und Gesellschaftsprobleme in allen Teilen der Währungsunion schnell und effizient bemerkt und bekämpft werden. Zu diesem Zweck haben wir ein Punktesystem mit fünf entscheidenden Beschäftigungs- und Sozialindikatoren erstellt, die für das reibungslose Funktionieren einer Währungsunion relevant sind. Zwei der fünf Schlüsselindikatoren für Beschäftigung und soziale Ungleichheiten beziehen sich auf die Arbeitsmarktsituation für junge Menschen. Sie decken Jugendarbeitslosigkeit bzw. den Teil junger Menschen ab, die weder in Beschäftigung noch in Ausbildung oder Lehre sind. Das Punktesystem stellt einen ersten, aber sehr wichtigen Schritt dar. Wie ich bereits erwähnt habe, wurde es 2014 zum ersten Mal angewendet.

Aber es gibt heute einen wachsenden Konsens darüber, dass die Wirtschafts- und Währungsunion Europas gestärkt werden muss, und zwar durch einen gut durchdachten Mechanismus finanzieller Transferleistungen zwischen Mitgliedstaaten innerhalb des Euro, sogenannte automatische Stabilisatoren. Die Ungleichheiten bei der Arbeitslosigkeit und der Jugendarbeitslosigkeit im Euroraum zeigen, wie wichtig und dringend es ist, Optionen für eine finanzielle Stabilisierung auf der Ebene der europäischen Währungsunion in Betracht zu ziehen, z.B. in Form einer Arbeitslosenversicherung.

Diese Maßnahme muss natürlich gut durchdacht sein, damit lang anhaltende Transferzahlungen zwischen Ländern, die immer in dieselbe Richtung fließen, verhindert werden; es gibt jedoch immer mehr Literatur, die zeigt, dass dies möglich wäre. Je früher ein solcher Mechanismus vereinbart und auf den Weg gebracht wird, desto besser wird es für alle sein, auch für die Länder, die heute von mehr Beschäftigung profitieren und sich vor den Auswirkungen der Wirtschaftskrise sicher fühlen. Ein solcher automatischer Stabilisator auf europäischer Ebene würde die Widerstandsfähigkeit und das Wachstumspotential der gesamten Eurozone verbessern. Es würde sich um einen Solidaritätsmechanismus zwischen Ländern und Beschäftigten handeln, der wirtschaftliche Vorteile für alle hätte und Europa auch politisch stärker machen würde.

Meine Damen und Herren, 2010 hat sich die Europäische Union mit der Europa-2020-Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum das markante Ziel gesetzt, eine Beschäftigungsquote von 75% zu erreichen. Wir haben uns auch ein Armutsziel gesetzt, um mindestens 20 Millionen Menschen die Überwindung von Armut oder sozialer Ausgrenzung zu ermöglichen. Europa 2020 basierte auf der Annahme, dass die EU die Krise hinter sich lässt oder sich die Situation zumindest stabilisieren würde. Jedoch gibt es beim Erreichen der Europa-2020-Ziele aufgrund der langen und tiefen Eurokrise starke Schwankungen. Gleichzeitig existieren die langfristigen Herausforderungen, nämlich der soziale und demografische Wandel, die Notwendigkeit von Ressourceneinsparungen, die Probleme der Globalisierung und des technologischen Wandels unvermindert weiter.

Das Erreichen der Europa-2020-Ziele erfordert starke Maßnahmen. Das Vorhaben der deutschen Regierung, einen flächendeckenden Mindestlohn und Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie einzuführen, sind starke Anzeichen für ein solches Voranschreiten. Trotzdem zeigen die Entwicklungen von Arbeitsmarkt und Gesellschaft in Europa heute deutlich, dass die Krise die Spaltung zwischen dem Zentrum und der Peripherie der Union weiter vertieft hat.

Die Überwindung dieser Polarisierung wird eine der Hauptaufgaben in den nächsten fünf Jahren sein. Zur Anpassung von Europa 2020 für die Zukunft hat die Kommission eine öffentliche Konsultation eröffnet, die bis Ende September dauert, um Meinungen und Ideen für den Zeitraum nach der Krise zu sammeln. Die neue Kommission wird dann Anfang 2015 einen Vorschlag für eine überarbeitete Strategie vorstellen. Der Kampf gegen Arbeitslosigkeit und insbesondere gegen die Arbeitslosigkeit junger Menschen bleibt eine Schlüsselpriorität innerhalb dieser Strategie.

Meine Damen und Herren, diese scheinbar unendliche Wirtschaftskrise hat die Legislaturperiode dieser Kommission geprägt. Die Zeichen für eine Erholung sind ermutigend und wir können damit anfangen, positiv über die Zukunft nachzudenken. Der Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit muss aber noch gewonnen werden. Es muss eine kollektive Anstrengung werden, welche die betroffenen jungen Frauen und Männer, die Geschäftswelt, die gesellschaftlichen Partner, die Regionen und die Mitgliedstaaten einbezieht.

Dieser Kongress kann eine sehr positive Rolle spielen, indem er die erfolgreichsten praktischen Lösungen und Ansätze aus ganz Europa zusammenstellt. Meine besten Wünsche für einen sehr erfolgreichen Kongress und für Ihr persönliches Streben in der Zukunft.

Ich danke Ihnen vielmals.

Perspektiven von Wachstumsregionen für die Mobilität junger Arbeitskräfte

Referent: Nicolas Schmit, Minister für Arbeit, Beschäftigung sowie Sozial- und Solidarwirtschaft, Luxemburg

Summary: Growth region perspectives for mobility among the youngworkforce

Human mobility is part of the solution for combatting unemployment, together with a well-balanced growth and employment policy to re-establish greater convergence in Europe. Among other things, this requires massive financial resources from both the state sector and private funding bodies for education, training and innovation. Companies have a social responsibility. Entrepreneurial spirit must be stimulated, for example via micro-loans. Cross-border training models need to be developed. Economic efficiency and social responsibility must go hand in hand.

Keywords: micro-loans, social franchising, talent diagnostics, insecurity, convergence

Zusammenfassung: Perspektiven von Wachstumsregionen für die Mobilität junger Arbeitskräfte

Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist Mobilität der Menschen ein Teil der Lösung; ebenso eine ausgewogene Wachstums- und Beschäftigungspolitik, um wieder mehr Konvergenz in Europa herzustellen. Unter anderem braucht es massive Finanzmittel, sowohl der öffentlichen Hand als auch privater Finanzträger, für Bildung, Ausbildung und Innovation. Betriebe haben eine soziale Verantwortung. Unternehmergeist muss, z.B. mithilfe von Minikrediten, geweckt werden. Es sind grenzüberschreitende Ausbildungsmodelle zu entwickeln. Wirtschaftlichkeit und soziale Verantwortung müssen Hand in Hand gehen.

Schlüsselwörter: Minikredite, Soziales Franchising, Talentdiagnostik, Prekarität, Konvergenz

Sommaire: Perspectives qu’offrent les régions en pleine croissance pour la mobilité des jeunes travailleurs

La mobilité des personnes est un volet de la solution pour lutter contre le chômage; tout comme une politique équilibrée pour la croissance et l’emploi pour une meilleure convergence économique en Europe. Des moyens financiers considérables, publics et privés, sont entre autres nécessaires pour l’éducation, la formation et l’innovation. Les entreprises ont une responsabilité sociale. Il convient d’éveiller l’esprit d’entreprise en proposant par ex. des mini-crédits. Des modèles de formation transfrontaliers doivent être mis au point. Rentabilité et responsabilité sociale doivent aller de pair.

Mots clés: mini-crédits, réseau de compétences, diagnostic des talents, précarité, convergence

Liebe Ehrengäste, lieber italienischer Kollege, lieber Herr Hartz. Liebe europäische Mitbürger, besonders junge Mitbürger aus Spanien und aus allen anderen Ländern.

Es ist für mich eine große Ehre, heute am luxemburgischen Nationalfeiertag an diesem sehr wichtigen Kongress teilzunehmen. Als ich mich mit Ihnen, Herr Hartz, vor einigen Wochen über Ihr Vorhaben unterhalten habe, war ich umso mehr davon überzeugt, weil ich spürte, dass Sie ihre ganze Willenskraft und Ihre ganze Kreativität in dieses Projekt investieren. Ja, Sie haben Recht. Das Problem der Jugendarbeitslosigkeit stellt für unsere Länder wie für Europa die größte politische, wirtschaftliche und soziale Herausforderung dar.

Dieser Kongress ist aber nicht ein weiterer Kongress, eine weitere Zusammenkunft, die über das Thema der Jugendarbeitslosigkeit diskutiert. Wie Sie das in ihrem Titel angegeben haben, möchten Sie einen operativen Kongress haben. Das heißt, Sie möchten Taten sehen und das, was wir heute brauchen, das sind natürlich Diskussionen. Das ist natürlich Austausch. Aber was wir vor allem brauchen für die jungen Menschen in Europa, das sind Taten, das sind klare Konzepte und klare Aktionen. Europa darf und kann sich keine verlorene Generation oder Lost Generation leisten. Zu fragil sind die politischen Gleichgewichte. Die übrigens schon bei den Europawahlen stark auf die Probe gestellt wurden. Zu groß ist der wirtschaftliche Verlust, auf die Talente und Arbeitskraft Millionen junger Menschen zu verzichten. Hundert, hundertfünfzig Millionen, der Kommissar hat das angesprochen, werden angegeben. Aber Zahlen drücken nicht alles aus.

Die europäische Wettbewerbsfähigkeit, von der wir ja so oft reden, ist mit Millionen von jungen Menschen, die keine Möglichkeit haben, sich in einem Job zu verwirklichen und ihr Leben zu organisieren, unvereinbar. Fast sechs Millionen junge Arbeitslose in unseren Ländern bedeuten aber insbesondere ein großes soziales Risiko. Keine Familiengründung, Hoffnungslosigkeit. Eine immer größer werdende Kluft zwischen den Ländern, wo Jugendarbeitslosigkeit hoch ist, und denen, wo sie niedrig ist. Aber auch ein Riss in unseren Gesellschaften, zwischen denen, die Beschäftigung haben, und denen, die sich immer weiter vom Arbeitsmarkt entfernen und höchstens die ständige Prekarität als Perspektive haben. Darauf baut man keine wirtschaftliche und soziale Zukunft auf. Da bleibt mittelfristig eine immer größere Ungleichheit und die sichere Altersarmut, je weiter die Auflösung der sozialen Kohäsion geht.

Die OECD hat festgestellt, dass seit dem Anfang der Krise auch die Ungleichheit in Europa angestiegen ist. Wir haben ja gehört, dass sogar der internationale Währungsfonds jetzt sagt: Ungleichheit ist nicht wirtschaftlich. Mit Ungleichheit kann man nicht dauerhaft wirtschaftliche Prosperität und Wachstum fördern. Aber die, die besonders von dieser Ungleichheit betroffen sind, sind die jungen Menschen. Ihr Einkommen, ihre Perspektiven haben sich in den letzten zehn Jahren besonders verschlechtert. Europa kann man gerade bei den jungen Generationen nicht mehr allein als Friedensprojekt legitimieren. Europa findet nur dann ihre Unterstützung und ihr Vertrauen, wenn wir fähig sind, Arbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen und jedem jungen Menschen eine glaubhafte Perspektive anzubieten.

Das ist der Sinn der Jugendgarantie, über die der Kommissar gesprochen hat und für die ich mich auch persönlich sehr stark eingesetzt habe. Aber die Jugendgarantie allein schafft keine Jobs. Sie versetzt auch keine Berge. Sie funktioniert nur dann, wenn sie Teil eines umfassenden Projektes ist, und davon sind wir leider heute relativ weit entfernt.

Erlauben Sie mir vielleicht eine etwas bissige Bemerkung. Wir diskutieren jetzt in Europa über einige wenige Jobs und die Ambitionen einiger weniger Leute, und diese Diskussion überschattet eigentlich das Ganze. Was glauben Sie, was junge Menschen eigentlich denken, die keinen Job haben. Und sie sind nicht nur wenige, sie sind Millionen. Und da spielt sich auch ein Teil der Glaubwürdigkeit der europäischen Politik ab. Wie steht es denn mit den Zukunftsjobs der Millionen arbeitslosen Jugendlichen oder den Möglichkeiten der 7,5 Millionen Needs, das heißt die Jugendlichen, die weder in Arbeit noch in Ausbildung noch im Training sind und die nirgendwo sind. Die wir nicht kennen, die irgendwo anonym in unserer Gesellschaft leben. Von denen hört man nichts oder zumindest sehr wenig. Wo bleiben die Konzepte, der politische Wille, diese realen Probleme anzugehen? Ich muss sagen, wir haben in den letzten Jahren schon Fortschritte erzielt, beispielweise mit der Jugendgarantie. Aber im Vergleich zu dem, was sich an Problemen stellt, sind diese Ansätze doch relativ zaghaft. Ich habe mit großer Genugtuung gehört, dass die ersten 600.000Euro von den sechs Milliarden jetzt an Frankreich fließen können. Das ist positiv. Aber man muss ja sagen, das war schon lange eine beschlossene Sache. Und 600.000Euro in einem Land scheint mir doch ein sehr zaghafter Anfang zu sein. Sie sind eben der bekannte Tropfen auf den heißen Stein. Deshalb ist dieses Versäumnis, schneller voranzugehen, und auch, glaube ich, schon massiver voranzugehen, umso kritischer, als auch da die Glaubwürdigkeit des europäischen Projekts im Spiel ist.

Ich höre immer die Sorge besonders im Rahmen der Haushaltskonsolidierung, und um es ganz klar zu sagen, Haushaltkonsolidierung brauchen wir, ohne Zweifel. Aber ich höre gerade in diesem Rahmen die Sorge, wir dürfen ja die zukünftigen Generationen nicht weiter mit neuen Schulden belasten. Richtig, ohne Zweifel, dürfen wir auch nicht. Aber was machen wir mit den aktuellen Generationen? Was sagen wir den Millionen jungen Menschen, die keine Perspektive heute haben? Die machen sich natürlich auch Sorgen über ihre Zukunft. Und es ist also wichtig, dass wir die allgemeine europäische Politik neu ausbalancieren. Ja, die zukünftige Generation, aber auch im Sinne und im Interesse der Existenz der heutigen Generation, die sonst zur Lost Generation wird. Ich habe es schon gesagt, es wurde manches unternommen. Die Jugendgarantie ist ein positiver Schritt. So wie auch die Employment Initiative und die Programme des europäischen Sozialfonds alles gute und positive Ansätze sind.

Ich möchte auch besonders die Europäische Investitionsbank hervorheben, die sich ganz stark in den Programmen engagiert hat. Und Herr Heuer ist sehr sensibel bei dem Punkt der Arbeitslosigkeit, insbesondere der Jugendarbeitslosigkeit, weil ja auch in ihren Konzepten die europäische Investitionsbank direkt angesprochen ist. Und ich glaube, dass sie auch ein wichtiger Partner in dieser Politik sein kann. Aber all diese Projekte, so positiv sie auch sein mögen, stehen nicht auf Augenhöhe mit den Problemen, mit denen Europa und insbesondere die Krisenländer konfrontiert sind.

Natürlich wird größere Mobilität oft als Teillösung des Problems angepriesen und ich glaube, Mobilität ist auch eine Teillösung. Aber nur eine Teillösung. Sie bietet ohne Zweifel einen Ausweg sowohl für die Länder, wie Deutschland und teilweise auch Luxemburg, die einen Fachkräftemangel haben, wie natürlich für die Länder, wo Jugendarbeitslosigkeit besonders hoch und dramatisch ist. Mobilität, Freizügigkeit, ist ein fundamentaler Bestandteil der europäischen Integration. Und in dem Sinne müssen wir auch von der Mobilität profitieren, um Europa stärker zusammenwachsen zu lassen. Sie ist insbesondere in einer Währungsunion eine absolute Notwendigkeit. Und in dem Sinne muss ich sagen, dass die Idee der europatriates: Mobilität, Ausbildung und Rückkehr – und ich glaube, das Thema Rückkehr ist besonders wichtig, denn die Rückkehr ist ja die Möglichkeit, Wissenstransfer zu machen, und neue Gelegenheiten, neue Möglichkeiten, neue Jobs zu schaffen – ist in dem Sinne voll zu unterstützen. Es ist ein solidarisches Projekt, das Europa menschlich und kulturell zusammenwachsen lässt.

Aber ich bin der Überzeugung, dass Mobilität gewollt sein muss. Dass sie nicht neue Formen von Prekarität und Ausgrenzung schaffen darf. Dass die Herkunftsländer nicht junge Menschen ausbilden, welche dann die Arbeits- und Wirtschaftsmärkte der Gastländer, der reicheren Gastländer, noch reicher machen. Eine solche Mobilität würde die Kluft zwischen den Ländern in der EU noch vergrößern. Was wir aber jetzt dringend brauchen, ist eine ausgewogene Wachstums- und Beschäftigungspolitik. Wir brauchen wieder mehr Konvergenz, weil die Wirtschaften sich in der Finanz- und Wirtschaftskrise in Europa zu stark auseinander entwickelt haben. Hier liegt die größte Gefahr für die Währungsunion, deren Ziel es ja gerade war, für mehr Konvergenz zu sorgen. In den letzten Jahren ist aber gerade das Gegenteil passiert und wir sehen politisch, dass davon besonders die Populisten und Europagegner stark profitieren.

Ich will jetzt nicht länger auf die makroökonomischen Bedingungen eingehen. Wir brauchen natürlich mehr Wachstum in Europa, das im Vergleich mit anderen Regionen in dieser Welt hinterherhinkt. Das Investitionsniveau ist ungenügend, öffentlich wie privat, um die großen Herausforderungen wie Klimawandel, Energieumstellung, auch im Sinne einer stärkeren Energieautonomie, zu meistern. Und wir wissen ja, von was wir da reden, von digitalem gemeinsamem Markt, von einer neuen Industrieproduktion. Europa muss wieder ein kompetitiver Industriestandort werden. Das sage ich in Deutschland, wo das ja noch größtenteils der Fall ist. Aber nicht nur ein Land darf das sein. Das muss natürlich viel breiter in Europa der Fall sein. Ein anderes Problem, das wir angehen müssen, ist unsere alternde Bevölkerung, wir müssen dieses Problem aufnehmen und – es ist nicht nur ein Problem, es ist auch eine Chance, wenn wir fähig sind, es als Chance anzusehen. Und auch aus dieser Situation neue Jobs, neue Technologien entwickeln können. Hier kann Wachstumspotential entstehen, und damit auch neue Beschäftigungsimpulse. Damit solche neuen Wachstumsschübe sich konkretisieren, sind natürlich gut ausgebildete junge Menschen notwendig. Deshalb ist sicherlich die duale Ausbildung wichtig, und, der Minister hat das ja auch gezeigt, Deutschland ist das beste Beispiel, Österreich ein anderes, Luxemburg auch noch, obwohl wir das in der Vergangenheit etwas vernachlässigt haben. Aber zu glauben, dass dieser Weg, diese Tradition, die nicht nur im Schulsystem, sondern auch vor allem in den Betrieben verwurzelt ist, sich kurzfristig auf andere Länder übertragen lässt, halte ich nicht für realistisch. Wir brauchen hier eine breit angelegte Strategie, die öffentliche Träger wie auch Unternehmen mit einbezieht. Die dazu gegründete „alliance for apprenticeship“ ist ein richtiger Ansatz, der aber wahrscheinlich auch mehr finanzielle Mittel braucht, damit dieser Prozess etwas schneller vorangeht.

Dem Problem der Arbeitslosigkeit insgesamt, und im Besonderen der Jugendarbeitslosigkeit, ist ohne Mobilisierung von massiven Finanzmitteln nicht beizukommen. Sie haben, Herr Hartz, in einem Interview von 215 Milliarden gesprochen, eine Zahl, die viele abzuschrecken scheint. Besonders in einer Periode, wo es scheint, dass Finanzmittel eigentlich rar sind – sie sind ja eigentlich gar nicht rar, man weiß eigentlich nichts damit anzufangen, wir haben eigentlich zu viel Liquidität in unseren Wirtschaftsystemen; und diese Zahl schreckt ab, obwohl, wenn ich sie in Verbindung setze mit anderen Zahlen, ist sie eigentlich relativ bescheiden. Ich habe, als ich diese Zahl las, nachgeschaut, und ich habe nicht gesehen, was hat eigentlich die Bankenrettung gekostet. Das sagt man ja ganz gerne, Jugendarbeitslosigkeit auf der einen Seite, Bankenrettung auf der anderen. O.K., das ist etwas provokativ, auch etwas polemisch, aber nicht völlig von der Hand zu weisen. Ich habe mir nur eine Bank angesehen, ich habe gesagt, was hat in Deutschland, weil wir ja in Deutschland sind, die Rettung einer Bank gekostet? Und zwar der Hypo Real Estate, was hat das die öffentliche Hand gekostet? Und ich bin da, ich habe mich vielleicht geirrt, ich bin da auf 130 Milliarden Euro gestoßen, 130 Milliarden für eine relativ bescheidene, ich würde sagen, nicht systemrelevante Bank und 200 Milliarden oder 215 Milliarden für die Rettung einer ganzen Generation. Das muss man in Verbindung bringen. Wenn man also weiß, dass dieses Geld da ist, man muss es natürlich intelligent mobilisieren, dann wird diese Aufgabe, Jugendarbeitslosigkeit intensiv zu bekämpfen, und auch positive Resultate zu bekommen – dann wird die ganz konkret und auch realistisch.

Es geht aber jetzt nicht darum, dass die Staaten oder die Europäische Union allein mit einem Schlag solche Summen mobilisieren müssen, dann bekommen wir ja wieder diese Debatte über Konsolidierung und Ausgaben und Defizite und Stabilitätspakt. Darüber reden wir heute Abend nicht. Es gibt andere Möglichkeiten, dieses Geld zu mobilisieren, wir müssen ein mehrjähriges Programm aufstellen, das, wie es Ihnen auch vorschwebt, sowohl die öffentliche Hand, national wie europäisch, aber auch private Finanzträger engagiert. Diese Summen sind Investitionen in die Zukunft. Es sind nicht Ausgaben, es sind Investitionen in die Zukunft. Sie können für Europa einen neuen Wachstumspfad eröffnen. Werden diese Investitionen nicht getätigt, dann wird das nicht ohne große Verluste gehen. Wir haben ja über die 100 oder 150 Milliarden pro Jahr Verlust an Wirtschaftsleistung schon geredet. Die ja auch Herr Andor angesprochen hat. Es wird ständig von Strukturreformen gesprochen, die hauptsächlich darin bestehen, den Arbeitsmarkt flexibler zu gestalten und die Lohnkosten zu drosseln. Dass gewisse Reformen, der deutsche Minister hat das ja auch angesprochen, notwendig sind, und in Spanien auch aufgegriffen wurden, scheint mir absolut notwendig. Aber Achtung, Prekarität schafft keine Arbeitsplätze. Prekarität ist auch kein Instrument, die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Prekarität hat einen negativen Impakt, zumindest mittelfristig auf die Nachfrage. Sie belastet die Nachfrage, wie wir das jetzt in den Krisenländern sehen, wo interne Abwertungen zu dauerhaften Rezessionen und Massenarbeitslosigkeit geführt haben. Auch die zaghaften Wachstumszeichen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass massiv Wachstumspotential in diesen Ländern zerstört wurde. Es wird Jahre dauern, bis diese Länder diese großen Verluste aufgearbeitet haben werden. Bis dahin werden sie mit struktureller Arbeitslosigkeit zu kämpfen haben, die vor allem junge Menschen trifft.

Wir brauchen also Strategien, die dazu beitragen, Reichtum zu staffeln, Produktionsmöglichkeiten herzustellen anstatt Produktionskapazitäten zu zerstören. Es ist ohne Zweifel ein fataler Irrtum, bei Bildung, Ausbildung und Innovation massiv zu sparen. Hier sind die Voraussetzungen für eine Transformation der Volkswirtschaften in Richtung von höherer Produktivität und Produktinnovation. Ohne diese Investitionen wird längerfristig die Wettbewerbsfähigkeit nicht gestärkt und die Schaffung von qualitativ hochwertigen und sicheren Arbeitsplätzen kann so nicht gefördert werden.