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Strömten auf dem Mars einst gewaltige Flüsse? Wie beherrschen Dunkle Energie und Dunkle Materie die Entwicklung des Universums? Was ist ihre Natur? Welche Rolle spielen Schwarze Löcher bei der Entwicklung von Galaxien? Solche hochaktuellen Fragen versuchen Astrophysiker und Kosmologen in diesem Buch zu beantworten. Sachlich und kompetent führen sie die Leser zu den Rätseln des Kosmos. Sie beschreiben faszinierende Weltmodelle und konfrontieren die Leser mit offenen Fragen. 'Geheimnisvoller Kosmos' ist ein Reiseführer zu den Grenzen der heutigen Erkenntnis. Viele farbige Bilder und aussagekräftige Grafiken vereinfachen das Verstehen und machen das Lesen zum Genuss.
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Seitenzahl: 658
Veröffentlichungsjahr: 2013
Dem Himmel entgegen
Ab jetzt kein Zurück mehr
Das Gefühl der Schwerelosigkeit
Der unbeschreiblich schöne Blick auf die Erde
Faszination der Nacht
Abschied vom All
Literatur
Der Autor
Einmal Mars und zurück
Der Hinflug
Die Landung
Arbeit auf dem Mars und Rückflug
Landung und Bergung des Probencontainers
Zusammenfassung
Literatur
Der Autor
Aus Staub geboren
Die Geburt in der zirkumstellaren Scheibe
Das Überwinden der Meterbarriere
Vom Planetesimal zum Planetenkern
Junge Planeten auf Wanderschaft
Zusammenfassung
Literatur
Die Autoren
Klimawandel auf dem Mars
Hinweise auf flüssiges Wasser in jüngster Vergangenheit
Junge geomorphologische Phänomene
Wassereis im Boden
Eiszeiten auf dem Mars?
Raumsonden erkunden den Mars
Zusammenfassung
Literatur
Der Autor
Wasser auf dem Mars
Gusev — zunächst eine Enttäuschung
Meridiani Planum — ein voller Erfolg
Die bewegte Geschichte des Meridiani Planum
Auch Spirit findet Spuren von Wasser
Entdeckungen aus der Umlaufbahn
Klimaentwicklung
Ausblick
Zusammenfassung
Literatur
Der Autor
In den eisigen Welten des Saturn
Die Gasriesen – eine eigenständige Planetenwelt
Die kleinen Saturnmonde
Iapetus – Mond mit zwei Gesichtern
Tethys, Dione, Rhea – Spuren tektonischer Deformation
Enceladus – Eisfontänen am Südpol
Titan – spannend, aber sicher keine zweite Erde
Zusammenfassung
Literatur
Die Autoren
Sternenstaub in Meteoriten und Kometen
Sternenstaub in Meteoriten und Kometen
Kohlenstoffreicher Sternenstaub
Erzeugende Sterne
Sauerstoffreicher Sternenstaub
Unbeantwortete Fragen
Zusammenfassung
Literatur
Der Autor
Planeten bei fernen Sonnen
Radialgeschwindigkeitsmethode
Transitmethode
Astrometrie
Gravitationslinsenmethode
Direkte Abbildung
Planetensuche rund um den Globus
COROT
Zusammenfassung
Literatur
Die Autorin
Auf der Suche nach der zweiten Erde
Erdsystemmodellierung
Die bewohnbare Zone
Bewohnbare Supererden
Die Zahl bewohnbarer Planeten in der Milchstraße
Zusammenfassung
Literatur
Die Autoren
Vom Dunkel zum Licht
Von turbulenten Molekülwolken zu dichten Kernen
Die geringe Effektivität der Sternentstehung
Vom Wolkenkern zum Protostern
Das Drehimpulsproblem
Zirkumstellare Scheiben und Jets
Ausblick
Zusammenfassung
Literatur
Die Autoren
Kreislauf eines kosmischen Überlebenskünstlers
Entstehung und Lebenszyklus der PAHs
Von protoplanetaren Scheiben zu Kometen
Auf der Spur des Lebens
Zusammenfassung
Danksagung
Literatur
Der Autor
Wenn Sterne explodieren
Die Rolle von Supernovae
Klassifikation von Supernovae
Die Supernova 1987A
Erste Misserfolge
Eine zündende Idee
Aufbruch in neue Dimensionen
Faszinierende Perspektiven
Zusammenfassung
Literatur
Die Autoren
Die stärksten Explosionen im Universum
Das Feuerball-Modell
Die Afterglows
Gamma-Ray Bursts signalisieren Sternexplosionen
Gamma-Ray Bursts sind kollimierte Explosionen
Die kurzen Bursts
Zeugen des jungen Universums
Ausblick
Zusammenfassung
Literatur
Die Autoren
INTEGRAL entdeckt den Gamma-Himmel
Die Teleskope an Bord von INTEGRAL
Durchmusterung nach harten Röntgenquellen
Diffuser galaktischer Hintergrund
Gamma-Burst-Astronomie mit INTEGRAL
Zusammenfassung
Literatur
Der Autor
Die radioaktive Galaxis
Astronomie mit Gammalinien
Sternexplosionen
Radioaktivität im interstellaren Raum
Antimaterie im interstellaren Raum
Wie es weitergeht
Zusammenfassung
Stichworte
Literatur
Die Autoren
Die energiereichste Strahlung im Universum
Tscherenkow-Teleskope zum Nachweis kosmischer Gammastrahlung
Die aktiven Galaxien Markarian 421 und 501
Teleskopsysteme der nächsten Generation
Ergebnisse aus vier Jahren
Die Milchstraße
Supernova-Überreste – Quellen kosmischer Strahlung?
Pulsarwindnebel – ein kosmisches Plasmaphysik-Labor
Das Binärsystem LS 5039
Das Zentrum unserer Galaxis
Zusammenfassung
Danksagung
Literatur
Die Autoren
Die Kosmogonie der Schwarzen Löcher
Die Beobachtung Schwarzer Löcher
Der Motor im Zentrum einer Galaxie
Das Massereservoir Schwarzer Löcher
Entstehung und Wachstum Schwarzer Löcher
Die antihierarchische Entwicklung Schwarzer Löcher
Kosmologie und Schwarze Löcher
Zusammenfassung
Literatur
Der Autor
Die ersten Sterne im Universum
Das Ende der kosmischen Dunkelzeit
Der Stern entsteht
Feedback im frühen Universum
Hypernova
Die ersten Schwarzen Löcher
Von den ersten Sternen zu den ersten Galaxien
Die Jagd auf die ersten Sterne
Zusammenfassung
Literatur
Die Autoren
Kollisionen im All
Die dunkle Seite des Kosmos
Galaxien rotieren zu schnell
Galaxien in Haufen sind zu schnell
Frühe Nukleosynthese
Strukturen im kosmischen Mikrowellenhintergrund
Eine unbekannte Materieform…
… und was wir über sie wissen
Wie kalt ist kalt?
Zusammenfassung
Literatur
Der Autor
Die Dunkle Energie
Das kosmologische Standardmodell
Die Ausdehnung des Weltalls
Beschleunigte Expansion
Die kosmische Hintergrundstrahlung
Akustische Schwingungen im frühen Universum
Quintessenz
Warum nicht Vakuumenergie?
Kosmologie und Teilchenphysik
Zusammenfassung
Literatur
Der Autor
Maßarbeit im Universum
Das anthropische Prinzip
Aufbau und Struktur des Universums
Eine kurze Geschichte des Universums
Feinabstimmung der grundlegenden Kräfte und Massen
Feinabstimmung der Dichte des Universums
Eigenschaften der Raumzeit
Multiversum
Konsequenzen jenseits der Physik
Zusammenfassung
Literatur
Der Autor
Das Sterninterferometer auf dem Paranal
Vom Mount Wilson zum Cerro Paranal
Grundlagen der Sterninterferometrie
Sterninterferometer benötigen adaptive Optik
Höchste Präzision beim VLTI
„First Fringes!“
Eine neue ära
Zusammenfassung
Literatur
Der Autor
Der einäugige Riese
Auf dem Weg zum nächsten Groβteleskop
Optik der Superlative
Ein Gebäude wie ein Fuβballstadion
Wissenschaft mit dem E-ELT
Zusammenfassung
Literatur
Der Autor
Im Schatten Schwarzer Löcher
Geometrische Optik
Rotation und elektrische Ladung verändern den Schatten
Ist der Schatten eines Schwarzen Lochs beobachtbar?
Zusammenfassung
Literatur
Der Autor
Einstein und die Folgen
Raum und Zeit
Thermodynamik Schwarzer Löcher
Quantengravitation
Quantenkosmologie und Zeitpfeil
Zusammenfassung
Literatur
Der Autor
Kosmische Kreisel
Von Newton zu Einstein
Inertialsysteme
Sind astronomische Referenzsysteme Inertialsysteme?
Die Allgemeine Relativitätstheorie
Rotation lokaler Inertialsysteme
Auswirkungen der Lense-Thirring-Präzession
Präzession von Kreiseln
Präzession von Bahnebenen
Periastronpräzession
Zusammenfassung
Danksagung
Literatur
Der Autor
Antimaterie – Spiegelbild oder Zerrbild
Seltsames Ungleichgewicht
Antimaterie-Studien
Anti-Atome im Labor
Rekombination
Wie gewonnen, so zerronnen
Viele Wege zum gleichen Ziel
Ein Käfig für kalte Atome
Perspektiven für die Zukunft
Zusammenfassung
Literatur
Der Autor
Auf den Spuren des künstlichen Urknalls
Was ist ein Quark-Gluon-Plasma?
Experimente am SPS des CERN
Anomale J/Ψ-Unterdrückung
Mehr seltsame Hadronen erzeugt
Einige weitere Ergebnisse
Experimente am RHIC des BNL
Entdeckung des Jet-Quenchings
Anisotroper kollektiver Fluss
Einige weitere Ergebnisse
Erste Ergebnisse vom LHC des CERN
Fazit und Ausblick
Zusammenfassung
Literatur
Die Autoren
Nachtstart
Das Labor in der Erdumlaufbahn
Polardünen auf dem Mars
Säule der Schöpfung
Filigrane Wolken
Die Tarantel am Südhimmel
Explosionswolke eines einstigen Sterns
Kosmischer Crash
Stichwortverzeichnis
Herausgeber
Dr. Thomas BührkeWiesenblättchen 1268723 [email protected]
Roland WengenmayrKonrad-Glatt-Str. 1765929 [email protected]
TitelbildAbbildung © ESO
2. Auflage 2012
Alle Bücher von Wiley-VCH werden sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autoren, Herausgeber und Verlag in keinem Fall, einschließlich des vorliegenden Werkes, für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie für eventuelle Druckfehler irgendeine Haftung.
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Gedruckt auf säurefreiem Papier.
Satz TypoDesign Hecker GmbH, LeimenDruck betz-druck GmbH, DarmstadtBindung Litges & Dopf Buchbinderei GmbH, HeppenheimUmschlaggestaltung Adam Design, WeinheimIndex Publishing Service Borkowski, Schauernheim
ISBN 978-3-527-41071-2
Zwischen Galileis ersten Entdeckungen mit seinen kleinen Fernrohren und den Digitalaufnahmen heutiger Großteleskope liegen vier Jahrhunderte mit sensationellen astronomischen Entdeckungen. Mehrmals haben sie zu einem Wechsel des Weltbildes beigetragen. Nichts spricht dagegen, dass dies auch in Zukunft so weitergehen wird.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bekam die Astrophysik einen gewaltigen Schub. Waren die Beobachtungen bis dahin auf den Bereich des sichtbaren Lichts beschränkt, so steht heute dafür das gesamte elektromagnetische Spektrum zur Verfügung. Vom Gammabereich mit Wellenlängen unterhalb von 0,01 Nanometer bis zum Radiobereich mit Wellenlängen von mehreren Metern überdecken die Instrumente eine Spanne von etwa zwölf Größenordnungen.
Jeder Spektralbereich öffnet ein eigenes Fenster ins All. Im Gamma- und Röntgenbereich beobachtet man energiereiche Vorgänge in den Wolken explodierter Sterne oder in der Umgebung von Neutronensternen und Schwarzen Löchern. Im Infrarotbereich werden Phasen der Stern- und Planetenentstehung im Innern dichter Staubwolken sichtbar. Im Mikrometerbereich lässt sich die kosmische Hintergrundstrahlung als Nachhall des Urknalls untersuchen.
Eines der Topthemen des 21. Jahrhunderts ist die Erforschung extrasolarer Planeten, von denen mehr als 570 bekannt sind (Stand August 2011). Nie waren die Astronomen der Antwort auf die Frage, ob außerhalb unseres Sonnensystems Leben existiert, so nahe wie heute. Innerhalb der kommenden zwanzig Jahre könnte es möglich werden, Exoplaneten in der bewohnbaren Zone um ihr Zentralgestirn detailliert spektroskopisch zu untersuchen. Das in Planung befindliche European Extremely Large Telescope soll hier ab 2020 neue Maßstäbe setzen.
Neben der beobachtenden Astronomie haben uns Raumsonden die Vielfalt unserer kosmischen Heimat offenbart. Auf dem Mars floss wahrscheinlich vor Milliarden von Jahren Wasser. Unser Nachbarplanet ist damit neben der Erde der wohl einzige Planet im Sonnensystem, auf dem Leben entstanden sein könnte. Ein anderes Highlight: der Saturnmond Titan. Er ist – wieder neben der Erde – der einzige Körper, auf dem es Seen und Meere gibt. Allerdings sind sie nicht mit Wasser, sondern mit Methan und Ethan gefüllt, einem Gemisch, das wir bei uns als Erdgas kennen.
Das dritte Standbein der modernen Astrophysik ist die Theorie. Computer simulieren die Entstehung und Entwicklung von Galaxien, Sternen und Planeten. Die Explosion von massereichen Sternen in Form von Supernovae und Gamma-Ray Bursts ist eines der Topthemen der modernen Astrophysik. Und hinter alldem stehen zwei große Unbekannte: Dunkle Materie und Dunkle Energie. Sie beherrschen die Entwicklung des Universums, und doch wissen wir über ihre Natur so gut wie nichts.
Die Beiträge in diesem Buch reflektieren die aktuelle Forschung in der Raumfahrt, Planetenforschung, Astrophysik und Kosmologie. Experten ihres Faches haben sie ursprünglich für die Zeitschrift Physik in unserer Zeit geschrieben. Die „Blicke in den Kosmos“ zeigen faszinierende Astrofotos der letzten Jahre.
Für die zweite Auflage wurden alle Aufsätze aktualisiert und sieben neue Beiträge aufgenommen. So komplettieren zwei Kapitel über Sternenstaub in Meteoriten und Kometen sowie über komplexe organische Moleküle in der interstellaren Materie das große Thema Stern- und Planetenentstehung. Ein Aufsatz über die bislang unentdeckten ersten Sterne im Universum führt uns nahe an den Urknall heran, und eine Fotoreihe des Weltraumteleskops Hubble über kollidierende Galaxien demonstriert, dass es im Weltall mitunter recht turbulent zugeht.
Nicht zuletzt haben wir dem Thema Raumfahrt mehr Platz gewidmet. Während der bemannte Flug zum Mars in weite Ferne gerückt ist, bestehen konkrete Pläne für die erste unbemannte Rückholmission von Marsgestein zur Erde. Ein Erlebnisbericht des deutschen Astronauten Ulrich Walter von seinem Flug mit dem Space Shuttle Columbia soll an das Ende einer großen Ära erinnern.
Wir danken allen Autoren für das große Engagement und die erfreulich reibungslose Zusammenarbeit an diesem gelungenen Buch. Unser Dank gilt auch dem Verlag und seinem Lektorat für die tatkräftige Unterstützung.
Thomas Bührke und Roland Wengenmayr,Schwetzingen und Frankfurt am Main, August 2011.
ULRICH WALTER
Anfang 2011 wird zum letzten Mal ein Space Shuttle ins All aufbrechen. Damit geht eine bedeutende und ereignisreiche Ära der Weltraumfahrt zu Ende. Ulrich Walter flog 1993 als deutscher Wissenschaftsastronaut an Bord der Columbia im Rahmen der deutschen D-2-Mission in eine Erdumlaufbahn und experimentierte im damaligen Weltraumlabor Spacelab. Auszüge aus dem Tagebuch.
Kennedy Space Center, Florida, Shuttle Launch Pad 39A, 26. April 1993, 9:50 Uhr Ortszeit. Da liege ich nun, auf dem Rücken, die Beine angewinkelt nach oben, etwa 60 Meter über der Erde im Mitteldeck unserer Columbia, eine der amerikanischen Raumfähren, die uns sieben Astronauten in den Weltraum bringen soll. Dies ist der Ort und der Zeitpunkt, auf den ich jahrelang hingearbeitet habe. Ich schließe das Visier und … höre nichts mehr! Nur noch den aufs Notwendigste reduzierten, stakkatoartigen Funkverkehr kann ich wahrnehmen. Man ist wie von der Außenwelt abgeschnitten, und im Mitteldeck, wo ich sitze, sieht man auch nichts, bis auf die Schubladenwand über einem, auf die man dauernd starren muss und von der man hofft, dass sie beim Start nicht zufälligerweise eine ihrer Schubladen entlässt.
Abb. 1Am Morgen des 26. April 1993 hob die Raumfähre Columbia ab. Unter den sieben Astronauten befanden sich Ulrich Walter und Hans Schlegel, die in der Schwerelosigkeit Experimente im europäischen Weltraumlabor Spacelab ausführten.
Doch dann der Start! Sechs Sekunden vor dem Abheben werden die drei Flüssigkeitstriebwerke am Shuttle gezündet. Dadurch neigt sich die Spitze des Shuttles, weil die Bolzen, die das System noch am Boden halten, an den beiden weißen Feststofftriebwerken (Solid Rocket Booster, SRB) angebracht sind. In diesen sechs Sekunden schwingen die Astronauten wie in einer Schiffsschaukel etwa 1,5 Meter hin und zurück – was man deutlich spürt. Dabei vibriert der Shuttle dermaßen, dass es einem durch Mark und Bein geht, genauso wie bei einem Erdbeben. Ich, der drinnen sitzt, höre weder etwas von dem überwältigenden Gedonner, das draußen den Zuschauern das Zwerchfell beben lässt, noch vom hellen, peitschenden Krachen der Feststoffbooster. Und dann hört man über Funk nur: „SRB Ignition – Lift-Off!“. Die Feststoffmotoren haben gezündet.
Der Shuttle hebt ab … und was spürt man? Von 3 g, der berüchtigten starken Beschleunigung von der dreifachen Stärke der Erdanziehung, keine Spur! Der Schub der Antriebe, immerhin zweimal 1200 Tonnen der beiden Feststoffraketen plus dreimal 185 Tonnen Schub der drei Flüssigkeitsantriebe, übersteigt das Gewicht von 2000 Tonnen des ganzen Systems zwar um großzügige 50 Prozent; aber die Beschleunigung ist nicht stärker als bei einem Flugzeugstart.
Die Feststoffraketen sind jetzt die Arbeitspferde, die den Shuttle durch die Wolkendecke drücken, ihre Urgewalt bestimmt das Erlebnis der ersten zwei Minuten des Aufstiegs. Ihr leicht ungleichmäßiges Abbrennen, bedingt durch eine inhomogene Verteilung des Treibstoffs, versetzen dem Shuttle schnelle, starke Beschleunigungsschläge, die es durch und durch erschüttern und zu unregelmäßigem Schwingen anregen. Alles an Bord des Shuttles wird gnadenlos durchgerüttelt. Es ist ein Ritt wie mit 100 Sachen über Kopfsteinpflaster – und es herrscht Schweigen.
Nur ganz wenige Worte werden zwischen der Missionskontrolle und dem Commander gewechselt. Jeder der Beteiligten weiß, dass dies der mit Abstand kritischste Moment der ganzen Mission ist. Wenn jetzt etwas Unvorhergesehenes passiert, gibt es absolut keine Rettung. Auch die vielen Verbesserungen nach der Challenger-Katastrophe haben daran nichts geändert. Feststoffraketen sind wie Silvesterraketen – sie lassen sich nicht abschalten. Selbst ein Absprengen der Booster würde nichts helfen! Ihre Schubkraft ist so enorm, dass der hohe Luftwiderstand beim plötzlich ausbleibenden Schub dem gesamten Shuttle-System einen solchen Schlag versetzen würde, dass es auseinander bricht. Sollte sich also, wie 1986 bei Challenger, der Feuerstrahl eines undicht gewordenen Boosters wie ein Schneidbrenner in den externen Tank brennen – es ließe sich damals wie heute nichts dagegen tun. In diesen zwei Minuten ist die Besatzung dem Shuttle auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Daher diese schweigende Stille.
Die Beschleunigung, die Kraft, mit der man in den Sitz gepresst wird, hat zwischenzeitlich in dem Maße langsam zu-genommen, in dem das Shuttle um den abgebrannten Treibstoff leichter geworden ist. Kurz vor dem Abschlussbrand der Feststoffbooster, genau zwei Minuten nach dem Abheben, sind 1,8 g erreicht. Der Schub der ausgebrannten Booster geht schnell auf Null zurück und gleich darauf werden sie abgesprengt. Ist das vorüber, geht eine Art Aufatmen durch die Crew. Der eine oder andere kann ein „Yeahhh“ nicht unterdrücken und jeder denkt: Die Gefahr ist vorbei! Die Probleme, die jetzt noch auftreten könnten, lassen sich alle irgendwie meistern, sie wären nicht mehr so lebensbedrohlich.
Nach diesem befreienden Schubloch, in dem die Booster abgesprengt wurden, erzeugen nur noch die Flüssigkeitsantriebe den Schub. Ihr Abbrand ist wesentlich gleichmäßiger als der der Booster. Man hat außerdem schon die dichten, turbulenteren Bereiche der Atmosphäre verlassen. Es sind kaum mehr Vibrationen zu spüren. Die ganze harmonische Kraft der Antriebe äußert sich jetzt ausschließlich in dem stetig zunehmenden Andruck in den Sitz. Nach 4 Minuten 20 Sekunden kommt von der Missionskontrolle in Houston der „Negative Return Call“ – von jetzt an ist im Notfall keine Rückkehr zum Kennedy Space Center möglich.
Nach insgesamt 7½ Minuten, wenn der riesige, rostrote externe Tank zu 90 % entleert und das Shuttlesystem weniger als 200 Tonnen leicht geworden ist, erst dann hat der Andruck durch den Schub der drei Flüssigkeitsantriebe auf 3 g zugenommen. Man muss sich jetzt zum Atmen zwingen, weil es einfach angenehmer ist, nicht zu atmen – trotz Atemnot –, als durch die Atmung den Brustkorb mitsamt dem schweren Anzug nach oben zu stemmen. Die Antriebe werden nun gedrosselt, und es geht noch 60 Sekunden mit 3 g weiter. Dann, kurz bevor der Tank vollkommen leer ist, lässt der Commander wissen: „In 10 seconds we have MECO“, das heißt Main Engine Cut-Off. Innerhalb nur weniger Sekunden fährt er den vollen Schub auf Null herunter. Genauso plötzlich entlädt sich der Andruck von 3 g in die Schwerelosigkeit – ich bin im Weltraum!
Abb. 2Blick auf den Space Shuttle, aufgenommen von einer automatischen Kamera am Startturm.
Hier ist man sofort eingefangen von der Schwerelosigkeit, einem Gefühl, das es auf der Erde in dieser Form nie gibt. Zunächst macht sich diese neue Erfahrung bei etwa 70 % aller Raumfahrer gar nicht wohltuend bemerkbar, sie leiden vielmehr an der Weltraumkrankheit. Man merkt es auch selbst: Bei jeder schnellen Drehung des Körpers, bei jeder schnellen Kopfbewegung wird einem mulmig.
Als erste Gegenmaßnahme ziehen viele unwillkürlich den Kopf zwischen die Schulter, was die Kopfbewegungen stark einschränkt. Das mildert, verhindert jedoch nicht grundsätzlich den Gang des letzten Essens nach oben. Zurückhalten macht die Sache nur noch langwieriger. Ein Griff zur Tüte in der Brusttasche und einmal den Dingen freien Lauf lassen. Bei vielen gesellen sich Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, anhaltendes Unwohlsein und anderes dazu. Die, bei denen absolut nichts mehr geht, lassen sich von ihrem Kollegen eine Spritze mit Phenagran setzen, von ihrem Commander vorläufig „arbeitsunfähig schreiben“ und suchen sich zum Auskurieren der Raumkrankheits-Symptome für die nächsten Stunden ein ruhiges Eckchen – am besten ihre Schlafkoje.
Nun die gute Nachricht: Nach spätestens 36 Stunden ist alles vorbei, und dann kann man die Schwerelosigkeit so richtig genießen. Schließt man nun in Ruhe die Augen und lässt sich langsam durch den Raum driften, die Arme und Beine in ganz lockerer Haltung leicht angewinkelt, dann gibt es nichts, was einen noch beeinflussen könnte, und man kann sich vollkommen auf das eigene Empfinden konzentrieren.
Abb. 3In etwa zehn Kilometer Höhe durchstößt die Columbia die Wolkendecke.
Ich hatte zunächst das Gefühl, als wiederhole sich ein Traum. In meiner Jugend träumte ich oft, ich liefe vor unserem Haus eine abschüssige Straße hinunter. Ich wurde leichter und leichter, und irgendwann hob ich ab und schwebte. Ich flog nicht, ich schwebte und nirgendwo sonst hatte ich im täglichen Leben je dieses Gefühl. Und genau dieses Traumgefühl ist nahezu identisch mit dem in der Schwerelosigkeit. Es ist unter Psychologen bekannt, dass der Traum vom Laufen, Abheben und Schweben sehr verbreitet ist. Ist er eine unbewusste Erfahrung der Schwerelosigkeit? Oder ist er eine lustvolle Variante des Verstandes auf die kurze aber gefährliche Schwerelosigkeitserfahrung „Fallen“ im Alltag?
Im Zustand der Schwerelosigkeit fällt zunächst auf, dass etwas Wichtiges fehlt. In welchem Bezug zur Umgebung befinde ich mich gerade? Wo ist die Decke mit den Lampen und wo der Boden? Ich weiß es nicht mehr. Ich habe auch kein Gefühl mehr dafür – und ein Oben und Unten gibt es tatsächlich nicht mehr! Diese fehlende Beziehung ändert mein Empfinden radikal. Ich fühle mich nicht mehr in eine Welt eingebettet, die mich gerade noch umgab, sondern alles Sein reduziert sich nur noch auf mich. Wie kann es etwas anderes geben, zu dem ich keinerlei Beziehung mehr habe? Und selbst wenn es da irgendwo etwas gibt, ist es dann nicht dasselbe, als wenn es das nicht gäbe? Ich habe das elementare Gefühl, allein zu sein. Ich bin die Welt – sonst nichts!
Diese Hinwendung auf das Ich lässt einen nur noch mehr in sich hineinhorchen. Was hat sich an mir geändert? Mit fällt auf, dass nichts mehr belastet. Die Kleidung, die einen immer noch wärmt, schwebt wie eine Hülle um den eigenen Körper. Auch sie ist schwerelos und liegt weder auf den Schultern noch sonstwo auf. Es ist so eigenartig und un-gewöhnlich, dass man mit den Schultern ein wenig wackelt, um zu fühlen, ob die Kleidung noch da ist. Aber nicht nur die Last der Kleidung fehlt, auch die Last des eigenen Körpers ist verschwunden. Kein Köperdruck mehr auf die Fußsohlen beim Stehen oder auf den Allerwertesten beim Sitzen. Die Arme liegen nirgendwo auf wie sonst immer. Es ist schon eigenartig: Erst in dieser Situation, wo man absolut nichts mehr vom Körper verspürt, erkennt man umfassend, welche Belastungen der Körper auf der Erde wirklich hat, obwohl es doch genau umgekehrt sein sollte! Erst nach dieser Erfahrung wird mir heute das kaum spürbare Herunterhängen der Wangen bewusst. Und jetzt dieses leichte Schmetterlingsgefühl in meiner Magengegend ist, wie ich heute weiß, das Ziehen der Eingeweide unter dem Einfluss der Erdschwere. In der Schwerelosigkeit ist einfach absolut nichts mehr davon da. Man ist im wahrsten Sinne des Wortes „vollkommen unbeschwert.“
Vollkommen unbeschwert. Woran merke ich dann eigentlich noch, ob ich einen Körper habe, wenn nicht an diesen äußeren Eindrücken? Und die eigene Antwort ist verblüffend: Es scheint so, als gäbe es ihn tatsächlich nicht mehr! Nichts, aber auch gar nichts, deutet mehr auf ihn hin. Eigenartig, ein Sein ohne Körper! Aber was ist denn dann noch das, was ich als mein Sein empfinde? Auf der Erde hatte ich meinen Körper, und im Nachhinein erst merke ich, wie ich in der Erdschwere mein eigenes Sein doch nur über die Erfahrung des eigenen Körpers definierte. Ich wackle leicht mit den Schultern und tippe mit beiden Daumen auf die Zeigefinger. Jawohl, da ist er noch – da bin ich noch! Doch nun, ohne ihn, bin ich noch da? Natürlich bin ich noch da, ich spüre es, sonst könnte ich mir diese Frage nicht stellen! Aber genau das ist es! Das einzige, was mir bleibt, was mich ausmacht, ist das Denken. Ich denke, also bin ich! Das ist das Besondere an der Schwerelosigkeit: Sie reduziert, auf einen selbst, auf den Geist.
Abb. 4Schwerelos schwebt der Wissenschaftsastronaut Ulrich Walter im Innern des Spacelab.
Erwartungsvoll schaue ich hinaus und sehe … Wasser! Nichts als tiefblaues Wasser! Meine tägliche Erfahrung, nach der die Erde praktisch nur aus Land besteht, wird zutiefst erschüttert. Zwei Drittel der Erdoberfläche sind Wasser und nicht Land! Hier begreife ich es wirklich. Wahrscheinlich ist es der Pazifische Ozean und dabei wird es für die nächste halbe Stunde, also die nächsten 15 000 km, auch bleiben. Das wenige was man sieht reicht aber vorerst zum Staunen. Strahlend weiße Wolkenformationen verschleiern kunstvoll das Blau des Meeres.
Aus der Entfernung von 300 km ist die Erde zwar noch nicht als ganze Kugel zu sehen, aber die Erdkrümmung läuft bei richtiger Anordnung der Fenster gerade am oberen Gesichtsfeld entlang. Jetzt sieht man auch erstmals, was es bedeutet, dass der Durchmesser der Erde zwar 12 750 km beträgt, die sichtbare Atmosphäre aber nur etwa 20 km dünn ist. Bei diesem ins Auge springenden Größenvergleich erscheint unsere irdische Schutzhülle wie eine hauchdünne Reifschicht, so zerbrechlich, dass man glauben könnte, der geringste Windhauch genüge, sie einfach wegzufegen und jede Berührung, jede kleinste Beeinflussung hinterließe schwere Kratzer. Und in dieser gebrechlichen, zarten Schicht spielt sich all das ab, was wir Leben nennen. Das Leben, ein Balanceakt zwischen der mächtigen, undurch-dringbaren Masse Erde und – ein Blick zur Seite – dem lebensfeindlichen Nichts des Alls! Der Mensch bewohnt nicht einmal die ganze Erde. Die Menschheit ist lediglich ein unscheinbarer Bazillus auf einer die Erde umspannenden Seifenblase im unendlichen Meer des Universums.
Abb. 5Diese Aufnahme des Shuttles gelang mit einer automatischen Kamera, die auf einer frei fliegenden Plattform installiert war. Sie zeigt die geöffnete Ladebucht mit dem Spacelab.
Nach einigen Tagen kennt man jedoch „seine“ Erde, und man beginnt Zusammenhänge zu sehen, übergreifende Ei-genschaften, wie man sie vorher nie erwartet hätte. Man hat beispielsweise gelernt, Kontinente an ihren Farben zu erkennen. Wann immer man hinunterschaut und Land sieht, weiß man, über welchem Erdteil man sich gerade befindet, denn jeder Erdteil hat seine charakteristische Farbe! Südamerika etwa ist dunkelgrün. Die Farbe des Regenwaldes dominiert diesen Kontinent. Afrika mit seiner ausgedehnten Wüste Sahara und den angrenzenden Steppen und Savannen präsentiert sich in einem ocker-braunen Ton. Australien: der gesamte Kontinent ein tiefes Purpurrot! Indonesien mit seinen vielen Inseln, dessen Regenwald stets im Dunst liegt, ebenfalls ein dunkelgrünes Farbmeer. Europa? Im Süden noch ein freundliches hellbraun, ansonsten nur graugrün – sollten die Wolken ausnahmsweise einmal den Blick auf den Boden freigeben. Selbst die Wolken, ein trostloses Grau. Und hier beginnt man erstmals, die einfache aber zutreffende astronautische Faustregel abzuleiten:
SPACELAB
Spacelab war ein tonnenförmiges Weltraumlabor der Europäischen Weltraumorganisation, ESA, das für Experimente auf dem Space Shuttle entwickelt wurde. Das Spacelab wurde von einem europäischen Firmenkonsortium gebaut, woran Deutschland zu über 50 Prozent beteiligt war.
Bei der ersten Spacelab-Mission im Jahre 1983 führten Ulf Merbold und drei amerikanische Astronauten 72 Experimente zur Medizin, Biologie, Physik, Materialwissenschaften, Astronomie und Erderkundung aus. Bei der ersten Deutschen Spacelab-Mission im Jahre 1985, die daher die Bezeichnung D1 erhielt, befanden sich mit Reinhard Furrer und Ernst Messerschmid gleich zwei Deutsche an Bord des Shuttles Challenger. Knapp acht Jahre später startete die Columbia mit der SpacelabMission D2 mit Ulrich Walter und Hans Schlegel.
Das Besondere an den beiden D-Missionen bestand darin, dass die Durchführung der Experimente nicht von der Kontrollstation der NASA, sondern vom Weltraumoperationszentrum des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen geleitet wurde.
Das Spacelab absolvierte bis 1998 insgesamt 22 Flüge an Bord der Shuttles, die meisten unter amerikanischer Leitung. 121 Astronauten haben an Bord gearbeitet.
Abb. 6Bei Sonnenuntergang werden die Troposphäre (rötlich) und die Stratosphäre (blau) erkennbar.
Dort, wo der Mensch nicht leben kann, in den Eis- und Sandwüsten, ist die Welt wunderschön, und dort, wo der Mensch lebt, leben kann, ist die Welt nicht oder auch nicht mehr so schön!
Es ist darüber hinaus sehr befriedigend zu sehen, wie nichtig die anscheinend wichtigen menschlichen Probleme erscheinen. Die Nachrichten im Fernsehen, voll von staatlichen und kriegerischen wie diplomatischen Auseinandersetzungen. Aus dem Weltraum hat die Erde ein ganz anderes Gesicht. Für sie zählt der Mensch nichts. Sie käme auch gut, vielleicht besser, ohne ihn aus. In ihrer stoischen Ruhe sind die Menschen für sie von der Bedeutung, die Bakterien für den Menschen haben. Staatliche Grenzen? Nichts dergleichen prägt die Erde. Was zählt, sind Länder und Kontinente. Zwei Ausnahmen vielleicht: Die schnurgerade Grenze zwischen Israel und Ägypten – sie verläuft sichtbar am östlichen Rande des Sinai, und die ebenso geradlinige Grenze zwischen Angola und Namibia, 200 km nördlich der Etosha-Pfanne in Südwest-Afrika. Hier wie dort ist es jedoch nicht die Grenze selbst, die erkennbar wird, sondern der krasse Gegensatz zwischen der ausgedehnten Landnutzung in den angrenzenden Staaten.
Der Eintritt der dreiviertelstündigen Nacht mag für den Astronauten, der einfach nur die Erde betrachten will, im ersten Augenblick verschenkte Zeit sein. Wenig später, wenn sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, bietet die Erde bei Nacht ein ganz besonderes Schauspiel. Da sind zunächst die abendlichen Wärmegewitter, die sich bis in den irdischen Morgen hineinziehen. Es ist ein Lichterspiel der durch die Wolken gedämpften Blitze. Ohne Zusammenhang blitzt es in schnellem Wechsel auf. Manchmal bildet sich aber ein Blitz, der bis zu hundert Kilometer weit durch die Wolken zuckt und dabei eine schlängelnde Spur zieht. Im Gegensatz zum Furcht erregenden Gewitter auf der Erde hinterlässt ein aus dem Weltraum betrachtetes Gewitter einen eher gespenstischen Eindruck, denn ihm fehlt hier oben eine sehr irdische Zutat – der Donner!
Sollten Außerirdische nach dem Augenschein je den Schluss ziehen, die Erde sei mit intelligenten Wesen bewohnt – wobei sich darüber streiten ließe, ob es wirklich Intelligenz auf der Erde gibt –, dann kommt ihnen diese Einsicht sicherlich, wenn es Nacht ist auf der Erde. Denn nachts, wenn nicht gerade Wolken die Sicht nehmen, bestimmt der Mensch das Bild der Erde. Diese grellen, scharf begrenzten Lichter der Städte, verbunden mit ihren Vorstädten durch die Spinnenfäden der Straßenlichter, sind ein markantes Zeichen für die Existenz höherer Wesen. Der Mensch hat sich die Nacht untertan gemacht. Nirgendwo sieht man dies deutlicher als aus dem All. Die Zivilisation präsentiert sich als verzweigtes Lymphsystem, das das Land durchzieht und das Meer rändert, weil gerade Küsten von Menschen bevorzugt bewohnt werden.
Milchstraße. Dieses Wort erhält seine ureigenste Bedeutung im Weltraum zurück. Um die Pracht des Sternenhimmels in voller Schönheit genießen zu können, müssen die Lichter auf dem Flugdeck allerdings ganz heruntergefahren werden. Das Faszinierende dabei ist nicht nur die enorme Vielzahl von Sternen, die sich dabei offenbart, sondern ihre erbarmungslose Klarheit. Wie feinste Nadelstiche in einem von hinten beleuchteten Samtteppich, so unverrückbar festgenagelt wirken sie am Firmament. Kein Funkeln haucht ihnen scheinbares Leben ein. Ihr stummes Dasein drückt einfach nur die unendliche Stille des Universums aus.
So schön der Blick auf die Erde auch sein mag, den allergrößten Teil der Missionszeit hat man als Astronaut und insbesondere als Wissenschaftsastronaut eigentlich der Arbeit geopfert. Aber es ist wie immer mit der Erinnerung: Nur die schönen und eindringlichen Erlebnisse bleiben haften, die monotone Arbeit wird schnell vergessen, und die Zeit vergeht im wahrsten Sinne des Wortes wie im Fluge.
Nach zehn arbeitsreichen, aber auch wunderbaren Missionstagen im Spacelab (siehe „Spacelab“, S. 7) begebe ich mich zu meinem Sitz und bereite mich für den Wiedereintritt in die Erdschwere vor, indem ich die Checkliste durchlese. Wichtig ist vor allem die Cue-Card für den Notfall, auf der jede wichtige Aktivität stichwortartig in nur einer Zeile beschrieben ist. Das gibt mir die Beruhigung, dass man alles fest im Griff hat.
Zum Schluss noch eine Vorsichtsmaßnahme: Damit beim ersten Aufstehen nach der Landung der Kreislauf nicht zusammenbricht, sind die Astronauten angehalten, die Flüssigkeitsmenge im Körper stark zu erhöhen. Dafür müssen mehrere Salztabletten geschluckt und jede Menge Wasser getrunken werden. Das Salz bindet das Wasser im Körper und lässt es nicht gleich wieder von der Niere ausscheiden. Auf jeden Fall ist diese Prozedur wesentlich angenehmer, als mehrere Liter Salzwasser trinken zu müssen. Wir sind nun fertig für den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre.
75 Minuten oder eine halbe Erdumkreisung vor der Landung dreht der Commander zunächst das Shuttle so, dass es mit dem Heck voraus fliegt. Für uns ist dies vollkommen belanglos, ja, man merkt es nicht einmal, da es in der Schwerelosigkeit kein Oben und Unten gibt. Exakt eine Stunde vor der Landung werden die Orbitantriebe gegen die Flugrichtung für drei Minuten gezündet, wodurch sich die Geschwindigkeit um lediglich 300 km/h verringert: Statt 28 000 km/h fliegen wir jetzt also nur noch 27 700 km/h schnell. Diese scheinbar belanglose Änderung reicht jedoch aus, um den Shuttle auf einer leicht elliptischen Umlaufbahn in tiefere Schichten der Erdatmosphäre zu bringen.
Zwischenzeitlich hat der Commander den Shuttle wieder in die reguläre Fluglage gebracht und mit 35 Grad gegen die Flugrichtung angestellt. Wir verlieren dabei zunehmend an Höhe. Der Bordcomputer steuert in dieser Phase des Anfluges den Shuttle so, dass die Geschwindigkeit über die nächste halbe Stunde konstant 27 700 km/h bleiben wird. Der Luftwiderstand in diesen Höhen wird also ausschließlich dazu genutzt, die Flughöhe bei konstanter Geschwindigkeit abzubauen. Von dieser Anflugphase merkt man noch nicht viel. Die Luftwiderstandskräfte bleiben so gering, dass auch die entsprechende Beschleunigungskraft noch unter 0,2 g bleibt. Da man mit den Gurten fest in den Sitz eingespannt ist, sind diese schwachen Kräfte noch nicht spürbar. Lediglich ein leicht zur Decke geworfener Gegenstand, zum Beispiel ein Kugelschreiber, lässt erkennen, wie tief man bereits in die Atmosphäre eingetaucht ist. Stößt er nicht mehr an die Decke, sondern kehrt er vorher seine Flugbahn langsam um, dann weiß man, es geht bergab.
Abb. 7Der Shuttle Columbia im Landeanflug.
Noch 25 Minuten bis zum Touchdown. Die Luftreibungskräfte haben stark zugenommen und bringen die Kacheln auf der Unterseite des Shuttle bei 1500 °C zum Glühen. Dabei wird die Luft so stark ionisiert, dass auch der Funkverkehr bis auf weiteres abbricht. Vom Temperaturanstieg merkt man im Anzug kaum etwas. Man schwitzt vielleicht vor Aufregung, weil nun der Shuttle deutlich schüttelt. Die Luftdichte ist in dieser Höhe von 120 km soweit angestiegen, dass sich der Shuttle aerodynamisch – also wie ein Flugzeug – verhält. Die Beschleunigungskraft hat nun so stark zugenommen, dass der Anti-g-Anzug aufgeblasen werden muss. Der Anti-g-Anzug schützt durch den Druck von Luftpolstern auf Beine und Eingeweide vor einem Versacken des Blutes in den Unterkörper und damit vor einer Blutunterversorgung, also einem Black-Out, des Gehirns. Dies ist der Zeitpunkt, an dem der Commander die Steuerung des Shuttles übernimmt. Von diesem Punkt an reduziert er auch die Geschwindigkeit des Shuttles durch Roll- und Kurvenmanöver.
Abb. 8Zehn Tage nach dem Start landete die Columbia sicher auf der Landebahn der Edwards Air Force Base in Kalifornien.
Zwölf Minuten vor der Landung hat sich die Hitze an den Kacheln so weit verringert, dass der Funkverkehr wieder einsetzt. Der Shuttle ist jetzt in einer Höhe von 55 km und bei einer Geschwindigkeit von 12 000 km/h noch 900 km von der Landebahn der Edwards Air Force Base entfernt. Ich habe meinen Anti-g-Anzug nochmals kräftig aufgeblasen, weil die Belastung auf 1,3 g zugenommen hat. Das ist nach der Schwerelosigkeit im Weltall ungewohnt anstrengend. Man hört, wie die Ansagen des Commanders immer gepresster hervorgestoßen werden. Auch er kämpft also gegen die körperliche Schwäche an, und ich bin froh, dass ich sitze und mein Gewicht nicht im Stehen halten muss.
Noch fünf Minuten. Jetzt beginnt der eigentliche Anflug auf die Landebahn. Der Shuttle schießt in 25 km Entfernung und mit 2,5-facher Schallgeschwindigkeit im schrägen Gegenanflug auf die Landebahn zu, führt dann ein vorher genau festgelegtes Kurvenmanöver durch, das ihn exakt auf die Richtung der Landebahn bringt. Der Commander braucht jetzt nur noch den Anstellwinkel des Shuttles so einzustellen, dass er im Gleitwinkel von 22 Grad, für einen Piloten fast wie ein Stein, in Richtung Aufsetzpunkt fliegt.
Die Geschwindigkeit hat sich weiter auf 700 km/h verringert. 30 Sekunden vor dem Aufsetzen zieht der Commander die Nase des Shuttles nach oben, was den Gleitwinkel auf 1,5 Grad reduziert und die Geschwindigkeit auf die Landegeschwindigkeit herabsetzt. Erst 15 Sekunden vor der Landung wird das Fahrwerk ausgefahren, weil die bisherige hohe Geschwindigkeit das Fahrwerk hätte abreißen können. Mit ziemlich genau 400 km/h setzt der Shuttle schließlich auf: Touchdown.
Vom Aufsetzen hat man jedoch kaum etwas mitbekom-men, so sanft hat der Commander das Shuttle gelandet. Nur durch das Herunterzählen der Höhe des Piloten war man im Bilde, wie weit es noch genau bis zum Aufsetzen ist. Der Commander hält die Nase des Shuttle jetzt nach dem Aufsetzen noch lange in den Fahrtwind, damit der Shuttle weiter an Fahrt verliert. Wenn das vordere Fahrwerk schließlich den Boden berührt, wird der Bremsfallschirm ausgefahren, dessen effektive Bremswirkung man deutlich spürt. Genau eine Minute nach dem Aufsetzen ist der Shuttle zum Stillstand gekommen. Ich lehne mich entspannt zurück und weiß: Die Erde hat uns wieder!
U. Walter, In 90 Minuten um die Erde, Stürtz Verlag, Würzburg 1997. Erlebnis/Bildband seiner D2-Mission, dem dieses Tagebuch entnommen wurde.
Mission Erde, CD-ROM, United Soft Media Verlag, München 2000. Eine Bilderreise um die Erde.
Fotos: U. Walter/NASA.
Urlich Walter, geb. 1954, studierte Physik an der Universität Köln und promovierte dort 1985. Während eines Forschungsaufenthaltes in den USA bewarb er sich zusammen mit 1800 Bewerbern als deutscher Astronaut. 1987 wurde er in das deutsche Astronautencorps aufgenommen und flog 1993 mit seinem Kollegen Hans Schlegel und fünf weiteren Astronauten mit dem Space Shuttle Columbia ins All, wo er zehn Tage lang Experimente im europäischen Experimentallabor Spacelab ausführte. Anschließend war er unter anderem beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und im IBM Forschungslabor in Böblingen tätig, bevor er 2003 den Lehrstuhl für Raumfahrttechnik an der Technischen Universität München übernahm.
Anschrift
Prof. Dr. Ulrich Walter, Lehrstuhl für Raumfahrttechnik, Technische Universität München, Boltzmannstraße 15, D-85748 Garching. [email protected]
INTERNET
Seite von Ulrich Walter an der TU Münchenwww.astronautics.de
Space Shuttle und ISS bei de NASAwww.nasa.gov/topics/shuttle_station
MICHAEL KHAN
Eine der größten offenen Fragen der Wissenschaft ist die nach der Existenz von Leben außerhalb der Erde. Dabei konzentriert sich das Interesse auf unseren Nachbarplaneten Mars, weil auf seiner Oberfläche einst vermutlich flüssiges Wasser existierte. Wissenschaftler in aller Welt wünschen sich deswegen, Marsgestein in ihren Labors untersuchen zu können. Doch eine Mars Sample Return-Mission erfordert erhebliche technische und finanzielle Anstrengungen.
Bereits in den 1970er Jahren suchten die beiden amerikanischen Viking-Landesonden auf dem Mars nach Leben. Die nächste exobiologische Mission wird der Rover ExoMars der Europäischen Weltraumbehörde, der ESA, sein, dessen Start für 2016 geplant ist. Das Problem mit der In-situ-Forschung besteht jedoch darin, dass die Masse der wissenschaftlichen Instrumente an Bord und damit die Analysemöglichkeiten stark eingeschränkt sind, ebenso die Zeit für die Untersuchung der Proben.
Diese Probleme ließen sich umgehen, wenn man Mars-proben von ausgewählten Orten zur Erde holen würde, um sie dann in aller Ruhe und mit praktisch unbeschränkten wissenschaftlichen Ressourcen zu analysieren. Das soll im Rahmen einer Mars Sample Return-Mission (MSR) möglich werden, die in verschiedenen Formen bereits seit mehr als zehn Jahren studiert wird. Ein derartiges Unternehmen stellt die Weltraumingenieure vor erhebliche technische Probleme. Im Folgenden stehen diese Aspekte im Vordergrund, nicht die Wissenschaft.
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