Gekillt und verschwunden: 3 Top Krimis - Alfred Bekker - E-Book

Gekillt und verschwunden: 3 Top Krimis E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Kriminalromane der Sonderklasse - hart, actionreich und überraschend in der Auflösung. Ermittler auf den Spuren skrupelloser Verbrecher. Spannende Romane in einem Buch: Ideal als Urlaubslektüre. Dieses Buch enthält folgende drei Krimis: Horst Bieber: Schnäppchen mit Blutspuren W.A.Hary: Jesse Trevellian und der große Boss Alfred Bekker: Caravaggio verschwindet Chris(Tina) Dellbusch, die Jüngste im Tellheimer Referat 11 (Mord, Totschlag und Entführung) hat es mit der Leiche eines armen Schluckers namens Martin Brotesser zu tun, den seine Nachbarn den Trockenbrotesser nennen. Wer kann ein Interesse daran haben, so einen Mann zu erstechen? Tina ist lange damit beschäftigt, ein mögliches Motiv zu entdecken. Dann findet sie in einem Bankschließfach einen vor einem Notar geschlossenen Vertrag, wonach Brotesser ein Millionen-Grundstück im besten Viertel Tellheims kaufen will. Hatte er so viel Geld aus einem Lottogewinn oder trat er nur als Strohmann und Platzhalter auf? Tina muss eine Menge über Kommunalpolitik, Baurecht und Tellheimer Geschichte lernen, bis sie einen blutigen Betrug durchschaut: Wie reißt man sich ein wertvolles Grundstück fast legal unter den Nagel, ohne einen eigenen Cent dafür zu bezahlen?

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Seitenzahl: 306

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Alfred Bekker & W.A.Hary & Horst Bieber

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Inhaltsverzeichnis

Gekillt und verschwunden: 3 Top Krimis

Copyright

Schnäppchen mit Blutspuren

Jesse Trevellian und der große Boss

Copyright

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Caravaggio verschwindet

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Gekillt und verschwunden: 3 Top Krimis

von Alfred Bekker. Horst Bieber, W.A.Hary

Kriminalromane der Sonderklasse - hart, actionreich und überraschend in der Auflösung. Ermittler auf den Spuren skrupelloser Verbrecher. Spannende Romane in einem Buch: Ideal als Urlaubslektüre. Dieses Buch enthält folgende drei Krimis:

Horst Bieber: Schnäppchen mit Blutspuren

W.A.Hary: Jesse Trevellian und der große Boss

Alfred Bekker: Caravaggio verschwindet

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER STEVE MAYER

© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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Schnäppchen mit Blutspuren

HORST BIEBER

Kriminalroman
IMPRESSUM
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Author/ Titelbild: Nach Motiven von Pixabay mit Steve Mayer, 2016
© dieser Ausgabe 2016 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
www.AlfredBekker.de
Klappe
Chris(Tina) Dellbusch, die Jüngste im Tellheimer Referat 11 (Mord, Totschlag und Entführung) hat es mit der Leiche eines armen Schluckers namens Martin Brotesser zu tun, den seine Nachbarn den Trockenbrotesser nennen. Wer kann ein Interesse daran haben, so einen Mann zu erstechen? Tina ist lange damit beschäftigt, ein mögliches Motiv zu entdecken. Dann findet sie in einem
Bankschließfach einen vor einem Notar geschlossenen Vertrag, wonach
Brotesser ein Millionen-Grundstück im besten Viertel Tellheims kaufen will.
Hatte er so viel Geld aus einem Lottogewinn oder trat er nur als Strohmann und Platzhalter auf?
Tina muss eine Menge über Kommunalpolitik, Baurecht und Tellheimer
Geschichte lernen, bis sie einen blutigen Betrug durchschaut: Wie reißt man sich ein wertvolles Grundstück fast legal unter den Nagel, ohne einen eigenen Cent dafür zu bezahlen?
Personen
Martin Brotesser: Angestellter im Bezirksamt Tellheim-Weidenthal
Adolf Gruber: Angestellter im Tellheimer Liegenschaftsamt der DB
Leo Kusch: „Ökonom“ in der Bikini-Bar
Gerda Linke: Wirtin im Hölzer Hof
Helga Troll: Gerdas Schwester, Hausmeisterin in der Ludwigstraße 44
Susanne (Susi) Lauter: Früher Bedienung in der Bikini-Bar
Christine (Tine) Dellbusch: KK im Referat R – 11 der Tellheimer Kripo
Britta von Sandau: Staatsanwältin in Tellheim
Lorenz Koch (67): Redakteur i.R.
Annegret Stamper: Mitarbeiterin in der Tellheimer Kriminaltechnik
Josef Tönnissen: Verstorbener Hausbesitzer in Tellheim-Weidenthal
Dr. Walter Brünn (51): Kinderarzt
Miriam Tönnissen (33): Geschäftsfrau in Karlsruhe, Josefs Nichte
Anke Tönnissen (31): Lehrerin in Stuttgart, Josefs Nichte
Maria Gerber geborene Tönnissen (35): Ehefrau in Basel
Alle Namen und Taten, Personen und Ereignisse, Geschäfte und Organisationen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.
Erstes Kapitel
Britta von Sandau hielt sich entsetzt die Nase zu: „Stinkt das bei euch immer so?“
Doktor Rupp, der neben der Leiche kniete, hob den Kopf und lächelte mokant: „Da können wir Ihnen noch was ganz anderes bieten, Frau Staatsanwalt.“
Tine Dellbusch, die noch nie dienstlich mit der Staatsanwältin von Sandau zu tun gehabt hatte, schwieg lieber und konzentrierte sich auf die Leiche des vielleicht vierzigjährigen, etwas dicklichen Mannes mit gekräuselten hellbrünetten Haaren, die dringend nach einem
Friseur verlangten. Der Mann war nicht rasiert und machte auf Tine einen seltsam schmuddeligen Eindruck. Er lag auf der rechten Seite, mit dem Kopf zum Fenster, und war an zwei Stichen in die linke Körperseite verblutet, das Blut war zum Teil an seinem Körper heruntergelaufen, hatte das langärmelige hellgrauen Shirt verfärbt und eine fast runde Lache zwischen Körper und Couchtisch gebildet. Ein schmales Rinnsal hatte von dort noch die Kante eines Hosenbeines der abgewetzten Jeans erreicht. Das inzwischen fast eingetrocknete Blut hatte den hellen, abgetretenen Teppichboden dunkel gefärbt. Das Wohnzimmer war nicht groß und spärlich, dazu geschmacklos möbliert, keines der Stücke sah elegant oder neu oder teuer aus. Es gab auf den ersten Blick auch keine Spuren oder Anzeichen eines Kampfes oder Einbruchs. Die Stichwaffe war verschwunden. Britta von Sandau räusperte sich unfreundlich: „Danke, das hier reicht mir schon vollkommen.“
Dr. Rupp beugte sich wieder zu dem Toten hinunter und Tine Dellbusch fragte nüchtern: „Wie lange ist er tot?“
„Schätzungsweise drei Tage.“
„Also am vergangenen Sonntag gegen Abend erstochen?“
„Vermutlich, ja.“
„Zwei Stiche in die Seite, nicht wahr?“
„Ja. Der Täter war höchstwahrscheinlich Linkshänder und stand hinter seinem Opfer.“
„Der Täter? Eine Frau kommt nicht in Frage?“
„Eher nein. Es sei denn, sie ist ungewöhnlich kräftig.“
Den Namen des Toten kannten sie von der Hausmeisterin, die den ermordeten Mieter gefunden und die Polizei alarmiert hatte. Martin Brotesser, der in der Tellheimer Stadtverwaltung, im Bezirksamt Weidenthal arbeitete. Ledig, keine Kinder, keine feste Freundin. Viel mehr wusste die Hausmeisterin nicht von ihm, was Tine Dellbusch ihr nicht so recht glaubte. Der Fotograf hatte seine Knipserei beendet und begann, die Nummernschilder einzusammeln. Die Kollegen der Spurensicherung warteten schon ungeduldig darauf, dass sie anfangen konnten. Die Kommissarin Christine Dellbusch sah die Staatsanwältin an: „Also ab zur Gerichtsmedizin?“
„Aber ja.“
Christine Dellbusch, im mundfaulen Präsidium nur als Tine Dellbusch bekannt, zog sich die scheußlichen weißen Plastik-Fingerhandschuhe an und begann ihren Rundgang durch die kleine Dreizimmerwohnung und diktierte wie schon zuvor alles, was ihr auffiel, in ihr tragbares Aufnahmegerät. Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, eine fensterlose Abstellkammer mit einem abgeschrammten Schreibtisch, auf dem ein Computer stand. Alle Möbel sahen aus, als seien sie gebraucht gekauft. Kein Hinweis darauf, dass jemand versuch hatte, etwas Bestimmtes zu finden. Das Bett im Schlafzimmer war benutzt, ebenso die Dusche und die Toilette im Bad. Es roch muffig, eben ungelüftet. Die Hausmeisterin hatte behauptet, es gebe keine Verwandten Brotessers in der Nähe der Stadt, also packten sie auch den Inhalt der beiden Kleiderschrankhälften ein. Um alles weitere würden sich die Spurensicherung und ihr Leiter Seidel oder seine Vertreterin Annegret Stamper kümmern, mit der sich Tine mittlerweile duzte.
Wie mit ihr vereinbart, suchte Tine die Hausmeisterin Gerda Linke im Parterre auf. Die hatte bereits Kaffee gekocht und schien sich auf ein Schwätzchen zu freuen. Wann konnte man schon mal über einen Mord in seinem Haus erzählen? Tine vermutete, Gerda Linke würde, wenn später die Journalisten mit gefüllten Brieftasche anrückten, sich noch an viele, auch märchenhafte Details „erinnern“, die sie der Kriminalbeamtin Tine Dellbusch verschweigen wollte. Gerda war früher eine sehr propere Frau gewesen, Spuren des ehemaligen Reizes waren noch immer zu entdecken.
„Ja, der Brotesser. Schäbiger Mann, schäbig gekleidet, schäbige Wohnung. Die anderen Hausbewohner nannten ihn den Trockenbrotesser, weil er so aussah und sich aufführte, als könne er sich weder Butter noch Belag leisten.“
„Aber wenn er bei der Stadt arbeitete, kann er doch nicht so schlecht verdient haben.“
„Hat er wohl auch nicht. Aber er hat das Geld lieber für andere Dinge ausgegeben.“
„Zum Bespiel?“
„Zwei-, dreimal die Woche hat er sich mit Kumpeln zum Skat im Hölzer Hof an der Eichengabel getroffen. Dort hat er auch oft gegessen und ordentlich gebechert.“
„Woher wissen Sie das, Frau Linke?“
„Meine geschiedene Schwester Helga Troll hat den Hölzer Hof gepachtet.“
„Brotesser war, wie Sie mir oben gesagt haben, nicht verheiratet?“
„Nein.“
„Eine feste Freundin hatte er nicht?“
„Nein, ein- oder zweimal die Woche bekam er 'Besuch' von einer recht hübschen jüngeren Frau.“
„Wissen Sie, wer diese Frau ist oder wie sie heisst?“
„Nein. Er hat sie in meiner Gegenwart immer nur 'Susi' genannt, und wenn Sie mich fragen, ist sie ein Professionelle.“
Den Gefallen, sie zu fragen tat ihr Tine nicht, die stämmige Gerda sprach ohnehin unverblümt aus, was ihr gerade durch den Kopf ging. „Sollten Sie dieser Susi noch einmal begegnen, sagen Sie ihr doch bitte, Sie möchte sich im Polizeipräsidium am Krötengraben melden. Ich heiße Christine Dellbusch und arbeite im Referat R – 11.“
Gerda Linke versenkte die Karte mit der linken Hand in einer ihrer Kitteltaschen, als handele es sich um eine gewonnene Goldmedaille.
„Sie schauen doch nicht alle Tage nach den Mietern?“
„Nein, es sei denn, die habe sich in den Urlaub oder ins Krankenhaus abgemeldet und mich gebeten, mal nach den Blumen und der Post zu gucken.“
„Blumen habe ich oben nicht gesehen.“
„Nein. Mir war aufgefallen, dass Brotesser heute den dritten Tag seine Zeitung nicht aus dem Fach genommen hatte und sein Briefkasten überlief.“
„Wie lange hat Martin Brotesser hier in der Ludwigstraße 44 gewohnt?“
„Ich habe vor fünf Jahren hier angefangen, und da wohnte er schon mehrere Jahre im dritten Stock.“
„Und gearbeitet hat er im Bezirksamt Weidenthal in der Pohlstraße?“
„Ja.“
Das waren, soweit Tine sich erinnerte, vier oder fünf Minuten zu Fuß. Dazu brauchte Brotesser kein Auto. Seine Stammkneipe lag drei Gehminuten in der Gegenrichtung. Kein großer Radius eines anscheinend sehr bescheidenen Lebens. In die Tellheimer Innenstadt musste er den Bus nehmen, der in der Parallelstraße, der Ganghoferstraße, hielt.
Die Firma Holzbauer & Söhne hatte in der Eichengabel mehrere Jahrzehnte lang Möbel für Büros, Wohnungen und Geschäfte gebaut. Dann hatte ein Großbrand das wertvolle Holz- und Furnierlager vernichtet. Vater und Sohn Holzbauer hatten nicht mehr die Kraft aufgebracht, neu anzufangen, sie verkauften das wertvolle Grundstück und zogen in den Süden. Eine Brauerei sicherte sich an der Straßenfront Eichengabel eine vierstöckige Immobilie, die als mehr oder minder seriöse Kneipe unter dem Namen Hölzer Hof bis heute überlebt hatte. Das Hauptgeschäft stellte zur Zeit wohl das Mittagsmenü dar, Suppe, Salat und ein Haupt-Tellergericht für zusammen unter zehn Euro, die meisten Gäste arbeiteten in den Büros der Nachbarschaft. Der Hölzer Hof würde kein Geheimtip für Feinschmecker werden, aber was er bot, war nicht so schlecht, wie man annehmen sollte.
Als Tine eintrat, rief ihr eine ältere Frau entgegen: „Mittagessen erst ab 12 Uhr 30.“
„Ich möchte nicht essen, ich suche eine Frau Helga Troll.“
„Das bin ich, und sie sind sicher die Kommissarin Christine Dellbusch? Meine Schwester hat mich schon angerufen und Sie angekündigt.“
Genau das hatte Tine befürchtet. Aber gegen so etwas war kein Kraut gewachsen. Immerhin hatte Helga Troll dadurch Zeit gehabt, sich über den Verlust eines Stammgastes zu beruhigen, eines Stammgastes, den sie, wie sie ungefragt eingestand, nicht sehr geschätzt hatte, obwohl er und seine Skatkumpel ganz schöne Rechnungen gemacht und sich immer ruhig verhalten hatten.
„Nach eben diesen Skatkumpeln wollte ich mich bei Ihnen erkundigen.“
„Viel kann ich Ihnen nicht sagen. Der eine heisst Adolf Gruber und arbeitet bei der Immobilienverwaltung der Deutschen Bahn, die – wie Tine zu ihrem Erstaunen erfuhr – in Tellheim, in Weidenthal zumal beträchtliche Flächen und Immobilien besaß. „Wissen Sie, wo diese Immobilienverwaltung liegt?“
„Ja, gleich nebenan in Brökel in der Sybelstraße.“
„Zum Skat gehören drei. Brotesser, Gruber und ...“
„... und der Leo Kusch.“ Ihre Stimme verriet, dass sie diesen dritten Mann nun überhaupt nicht leiden mochte.
„Es wäre toll, wenn Sie wüssten, wo er wohnt oder arbeitet“, lockte Tine.
„Wo er wohnt, weiß ich nicht. Wahrscheinlich hier ganz in der Nähe. Eine Gegenfrage: Wissen Sie, was ein Ökonom ist?“
„Ein Volks- oder Betriebswirt oder Finanzwissenschaftler. Oder im Milieu der Hausmeister und Mann für alles in einem etwas zwielichtigen Lokal.“
„Leo Kusch arbeitet, wenn man das überhaupt Arbeit nennen darf, in der Bikini-Bar in Brökel.“
Von dem Schuppen hatte Tine schon im Präsidium gehört. Bar war fast ein Euphemismus. Es handelte sich um einen Puff der gehobenen Preisklasse, in dem alle Bedienungen in knappen Bikinis herumliefen. Und zu jeder vollen Stunde einmal fielen alle Hüllen, dann boten die Damen auf der Bühne im Eva-Kostüm eine Tanz-Show. Tine hatte gestaunt – hundert Euro Eintritt und Getränkepreise, die einem Normalverdiener die Tränen in die Augen trieben. Aber weil nicht jeder hereingelassen wurde, Glücksspiel und Rauschgift und handgreiflicher Streit mit rauen Methoden unterbunden wurden, war die Bikini-Bar selten das Ziel von Polizei-Einsätzen. Eine Zeitlang hatte sich das Jugendamt intensiv für die Bedienungen und Tänzerinnen interessiert – die Truppe führte den merkwürdigen Namen „Hayler Elfen“ - aber keine Verstöße gegen Gesetze und Schutzbestimmungen feststellen können. Das Unternehmen zahlte sogar korrekte Steuern und Sozialabgaben für seine Angestellten.
Die Kommissarin hatte inzwischen ihr Batterie-Bandgerät aufgebaut, was Helga Troll nicht zu gefallen schien. Sie sagte aber nichts.
Tine musste bei ihrer nächsten Frage grinsen: „Was treibt einen Bikini-Mann in den Hölzer Hof?“
„Der Kerl muss, wie gesagt, hier in der Nähe wohnen und hat vielleicht Sehnsucht nach normal bekleideten Menschen und Biertrinkern“, erwiderte Helga Troll grimmig.
„Kusch – wie der Befehl an den Hund?“
„Ja, genau so. Leo Kusch.“
„Aber Kusch verhält sich hier ganz unauffällig?“
„Völlig, fast ein Mustergast. Aber sympathisch ist er mir trotzdem nicht.“
„Und dieser Adolf Gruber?“
„Das ist ein Großmaul. Dicke Lippe, spuckt große Töne und nichts dahinter und nichts auf der hohen Kante. Der geborene Hochstapler und Betrüger.“
„Die drei so unterschiedlichen Typen haben sich vertragen?“
„Zumindest beim Skat, ja.“
„Wann haben Sie Brotesser zu letzten Mal gesehen?“
Sie musste überlegen: „Am vorigen Freitag gegen 20 Uhr, da habe ich den Fernseher für die Tagesschau angestellt.“
„Können Sie sich einen Grund vorstellen, warum Gruber oder Kusch den Brotesser umgebracht haben könnten?“
Sie schüttelte energisch den Kopf. „Nein, ausgeschlossen. Der Gruber ist zu feige und der Kusch weiß zu genau, was einem dann blühen kann.“
„Er ist also vorbestraft?“
„Mehrfach.“
Tine erkundigte sich nicht, woher Helga Troll das wissen wollte. Und weil auf dem Bandgerät der Warnblinker für die Akkuspannung seine Arbeit aufgenommen hatte, verabschiedete sie sich und fuhr ins Präsidium. Dort legte sie zuerst die berühmte Akte an „... zum Nachteil von Martin Brotesser...“ und begann zu sinnieren.
Wer ermordete einen armen Kerl, den seine Nachbarn als Trockenbrotesser verspotteten? Na schön, mehrmals die Woche Skat, mäßiges Essen in einem Lokal, für das die Bezeichnung Restaurant die reinste Hochstapelei wäre. Dazu – wenn die neugierige Gerda richtig lag – ab und zu der 'Besuch' einer Nutte namens Susi – war das alles in seinem Leben? Weiter kam Tine nicht, weil sie von Annegret Stamper gestört wurde, der Vizechefin der Spurensicherung. „Schau mal, Tine, was wir unter einer Schublade in Brotessers Wohnzimmerschrank gefunden haben. Mit einem Stück Tesa festgeklebt.“
„Das ist ein Schließfachschlüssel ...“
„Richtig. Und zwar von der Leininger Volksbank.“
„Weisst du zufällig auch schon, in welcher Filiale?“
„Nein. Dafür soll uns die schöne Britta einen formellen richterlichen Beschluss besorgen.“
„Warum nennst du sie die schöne Britta?“
„Ihre Mutter Dörte war noch schöner, ebenfalls Staatsanwältin. Befreundet mit einem Hauptkommissar, mit dem sie in einem Haus wohnte. Die beiden haben zusammen gründlich aufgeräumt. Ein Chef des Landes-Verfassungsschutzes, zwei ranghohe Mitarbeiter des BND und des MAD mussten gehen. Und als Britta sich hier vorstellte, meinte der Leitende Hornvogel: 'Hoffentlich sind Sie nicht so rabiat wie Ihre Mutter. Schön genug sehen Sie ja aus'.“
„Ein liebenswürdiger Leitender.“
„Na ja, er wurde bald danach gegangen.“
Tine lächelte trübe. Es dauerte, bis man die Seilschaften und inoffiziellen Verbindungen und Beziehungen in einer Behörde durchschaute. Hornvogels letzter Nachfolger als Leitender Oberstaatsanwalt, Paul Hase, war in das Amt des Generalstaatsanwaltes versetzt worden. Seine langjährige Freundin Jule Springer fungierte jetzt als Erste Hauptkommissarin im Referat 11 – Mord, Totschlag und Freiheitsberaubung – und würde den Polizeidienst in wenigen Monaten verlassen, um nun doch ihren Hoppelhasen, „mein Langohr Paulchen“, zu heiraten: Es wird Zeit für mich und, wenn wir noch kleine Häschen haben wollen.“ Jules Vorgängerin im R – 11 hatte aus unbekannten Gründen vorzeitig den Dienst gekündigt, um zu ihrem Freund nach Berlin zu ziehen, dessen Frau sich von ihm getrennt hatte. Es war ein stetes Kommen und Gehen, das der jungen Kommissarin Christine (Tine) Dellbusch gar nicht gefiel. Und nun noch eine neue Staatsanwältin, die den Ruf als Tochter einer streitbaren Mutter zu verteidigen hatte.
Tine tippte noch bis 21 Uhr 30 die ersten Protokolle für die Akte Brotesser und fuhr dann zur Bikini-Bar. Der Mann am Eingang musterte sie grämlich: „Frauen haben keinen Zutritt.“
„Ach, wissen Sie, in gewisser Weise bin ich keine Frau.“ Sie hielt ihm ihren Dienstausweis unter die Nase: „Ich möchte Leo Kusch sprechen.“
„Jetzt?“
„Warum nicht?“
Der bullige Typ erinnerte sich wohl daran, dass er Anweisung hatte, Ärger mit der Polizei zu vermeiden, und zog den Kopf ein: „Moment, ich rufe ihn an.“
Leo Kusch sah ganz und gar nicht so aus, als würde er auf Kommando eines Frauchens kuschen, aber auch er riss sich zusammen und führte Tine Dellbusch über einen Nebeneingang, zu dem er Schlüssel besaß, in ein Büro, bot ihr einen Stuhl an und sagte dann spöttisch: „Sie kenne ich noch gar nicht. Bei der Sitte sind Sie nicht, wie?“
„Nein, bei Mord und Totschlag.“
„Ach nee. Und was habe ich mit Mord und Totschlag zu tun?“
„Mit dem jüngsten Opfer haben Sie oft Skat gespielt, im Hölzer Hof.“
„Ach nee. Und wer hat den Löffel abgegeben? Gruber? Oder der Trockenbrotesser?“
„Martin Brotesser.“
„Ich glaub's nicht! Wer bringt denn so ein harmloses und nutzloses Würstchen um?“
„Um das herauszufinden, bin ich hier.“
„Also, ich war's nicht- damit das gleich klar ist.“
„Wann haben Sie Brotesser zum letzten Mal gesehen?“
„Das war – Moment – am vergangenen Freitag. Im Hölzer Hof. Helga – die Wirtin – hatte gerade den Fernseher angemacht, da ist Martin aufgestanden und hat gemeint, es werde Zeit für ihn, er bekäme gleich noch lieben Besuch.“
„Besuch?“
„Das war so eine Umschreibung für das Callgirl, das regelmäßig zu ihm kam.“
„Callgirl?“
„Er hatte keine Freundin, aber gelegentlich männliche Bedürfnisse. Und mit Susi hatte er einen festen Preis und feste Termine ausgehandelt.“
„Susi?“
„Susanne Lauter.“
„Sie kennen sie?“
„Na klar doch. Susi hat mal hier gearbeitet. Sie war eine der Hayler Elfen.“
„Ich kenne Elfen aus dem Märchenbuch, aber Elfen aus Hayl bin ich noch nie begegnet.“ Hayl war ein größeres Dorf am Fuß des Vorgebirges.
Kusch musste sich zusammenreißen, um ruhig zu bleiben und zu einer längeren Erklärung anzusetzen.
Drei junge Mädchen aus Hayl, alle groß, schlank und blond, hatten zu ihrem eigenen Vergnügen eine Tanzgruppe gebildet und traten bei Volksfesten, Jahrmärkten und Jubiläums-Feiern auf. Und weil jedes Kind einen Namen haben muss, nannten sie sich nach ihrem Heimatdorf die Hayler Elfen. Das Trio hatte Erfolg, so dass sich andere Blondinen ihnen anschlossen, die schon nicht mehr aus Hayl stammten. An einem Wochenende bekam sie Otto Kulicz zu sehen und der hatte – wie so oft -sofort eine zündende Idee. Er suchte für seine neu eröffnete Bar nicht weit vom Bootshafen Tellheim eine ungewöhnliche Attraktion und schlug den Mädchen vor, dort als Bedienungen im Bikini zu arbeiten und jede Stunde einmal nackt ihre Tänze und Akrobatik vorzuführen. Die meisten Mädchen sprangen ab, aber es blieben genug übrig, eine zuerst winzige Tanztruppe Hayler Elfen zu bilden, der sich im Laufe der Jahre immer mal wieder Neuzugänge anschlossen.“
„Im Laufe der Jahre?“ unterbrach Tine. Kusch schaltete sofort. „Ja. Die Truppe besteht seit fast elf Jahren. Elfen, die zu alt oder zu dick oder zu steif werden, müssen gehen und manche tun dann das, was sie in der Bikini-Bar nach der letzten Vorstellung um ein Uhr nachts schon häufiger getan haben. Sie gehen mit ihren Freunden und Bekannten oder Kunden von der Bar auf eines der Zimmer – das kümmert die Geschäftsführung nicht, so lange das friedlich, ohne Skandal und ohne Gewalt abläuft. „Private Kunden“ außerhalb der Bar sind den Elfen erlaubt. Die Bikini-Bar verdient an dem Hurengeschäft nicht direkt.“
„Und so eine ausgemusterte Elfe ist diese Susi?“
„Ja.“
„Haben Sie ihre Adresse und ihre Handynummer?“
„Aber ja.“ Er schaute im Computer nach und kritzelte die Angaben dann auf einen Zettel.
„Danke. Wie haben Sie Brotesser und Gruber kennengelernt?“
„Im Hölzer Hof suchten zwei Männer einen dritten Kumpel für einen gepflegten Skat. Die Wirtin hat mich vorgeschlagen.“
„Wann haben sie Brotesser zum letzten Mal gesehen?“
„In der vergangenen Woche. Da haben wir zuletzt Skat geklopft.“
„Haben Sie Brotesser umgebracht“
„Blödsinn. Warum sollte ich?“
„Was ist mit Gruber?“
„Nennen Sie mir einen Grund, warum der das getan haben sollte.“
„Mit Gruber habe ich noch nicht gesprochen“, sagte Tine ehrlich.
„Brauchen Sie Anschrift, Arbeitsplatz und die Telefonnummern?“
„Bitte ja.“
Kusch half gerne aus und meinte dann etwas vorsichtig: „Ich würde an Ihrer Stelle nach dem Täter nicht nur unter uns Skatbrüdern suchen.“
„Ich habe heute erst angefangen.“ Es war klar, dass Kusch möglichst viele Verdächtige ins Spiel bringen wollte. Er hatte zwar anscheinend offen und rückhaltlos geantwortet, aber ein alter knastgeschulter Fuchs wusste, dass hauptsächlich viele Blindspuren des Spürhunds Ende sind.
Was er nicht wissen konnte, war, dass er in Tines Erinnerung eine schmerzhafte Stelle getroffen hatte. Christine Dellbusch stammte nicht aus Hayl, war aber in der benachbarten Stadt Guntersburg aufgewachsen und hatte die Hayler Elfen noch als Dreiergruppe bei einem Lantener Herbstfest etwas neidisch bewundert. Sie hätte damals auch gerne so ein besticktes Trachtenkleid besessen, aber der Preis überstieg das Familienbudget bei weitem.
Und sie hätte sich auch gerne an der Rampe verbeugt, um bewundert und beklatscht zu werden – ein Traum, den sie immer für sich behalten und von dem sie nur schwer und spät Abschied genommen hatte.
Sie hatte nie gehört, was aus den ersten drei Hayler Mädchen geworden war, und konnte sich nicht vorstellen, dass alle als Prostituierte und Nackttänzerinnen in einer Bikini-Bar gelandet waren. Doch Tine hatte inzwischen erlebt und gelernt, dass viele Lebenswege sehr krumm verliefen und an allen möglichen unerwarteten Endstationen wie in Sackgassen scheiterten.
Die Spätlese hatte, wie es ihrem Namen scheinbar entsprach, noch geöffnet. Das Weinlokal schloss selten vor Mitternacht, weil wichtige Stammkunden erst viertel vor zwölf aufbrachen. Denn dann waren sie eine Minute vor Mitternacht am Eingang des privaten Altersheimes Zukas, das Punkt 24 Uhr schloss. Die alten Herren waren geschätzte Kunden in der Spätlese, weil sie erfahrene Weintrinker waren, schöne Rechnungen machten und ausgesprochen leise und diszipliniert Karten oder Schach spielen. Die ganz in ihre Partie versunkenen Schachspieler scheuchte der Wirt Fido Lorch rechtzeitig mit dem Satz: „Zukas sperrt Sie aus“ auf die Straße. Tine Dellbusch hatte mit dem früheren Kripo-Kollegen Fido Lorch ein Verhältnis gehabt, das aber nur knapp einen Monat dauerte; doch sie waren nach ihrer einvernehmlichen Trennung Freunde geblieben und wenn Tine „ihren Moralischen“ hatte, schaute sie vor dem Schlafengehen gerne bei Fido auf ein Glas herein. Und der sagte auch prompt: „Du siehst müde aus. Kummer?“
„Es geht... Nein, dienstlich läuft alles glatt, aber ein Zeuge hat mich, was er nicht wissen konnte, an eine unschöne Phase meiner Schulzeit erinnert.“
„Ich habe einen spanischen Contado, inzwischen ausreichend gelagert.“
„Gerne.“
Der Wein war hervorragend, Fido verstand eine Menge von Weinen, und viele verkaufte er ungern, weil er sie lieber selben getrunken hätte.
„Großartig, Fido. Zum Dank eine weniger großartige Frage. Kennst du die Bikini-Bar?“
„Die in Brökel?“
„Ja.“
„Warum fragst du?“
„Ich habe einen Mordfall, und das Opfer hatte ein- oder zweimal die Woche Besuch von einer früheren Hayler Elfe bekommen. Das ist doch die große Attraktion in dem Schuppen, nicht wahr?“
„Na ja. Die Bedienungen laufen, wie schon der Name sagt, alle in sehr knappen Bikinis herum, da bleibt nicht viel verborgen. Jede volle Stunde fallen auch diese Stofffetzen und die ganze weiblich Mannschaft tanzt nackt auf der Bühne.“
„Hübsche Frauen?“
„An sich ja. Für meinen Geschmack etwas zu dünn, zu wenige Busen und zu wenig Po. Aber da denkt wohl jeder Mann anders.“
„Aber was passiert ...“
„Moment, Tine. Was die Mädchen nach der letzten Show treiben, bleibt ihnen überlassen. Kritisch wird es erst, wenn der Busen nicht mehr so stramm und der Po nicht mehr so knackig ist. Dann werden sie rigoros aussortiert und manche landen dann bei Hausbesuchen ... Schau mich nicht so strafend an: Ich bin da nur ein Mal gewesen, hundert Euro sind doch verdammt viel Eintritt für einen jungen Kripomenschen, und wenn du sie als Spesen absetzen willst, musst du verdammt viel erklären. Und keiner will dir glauben. Hast du einen bestimmten Verdacht?“
„Nein. Ich wollte nur morgen bei der Neuen nicht so dumm dastehen.“
„Die Neue?“
„Britta von Sandau. Ich habe zum ersten Mal dienstlich mit ihr zu tun. Jule hat eine Kiefervereiterung und feiert krank.“
„Toi,toi,toi. Und bevor dich eine quälende Frage auf dem Heimweg überfällt: Das Schicksal der Hayler Elfen kenne ich von Asta Krendel. Ich mochte sie gut leiden und sie mochte mich so einigermaßen leiden und hat mir seinerzeit gut zugeredet, den Dienst zu quittieren, als ich mit Olaf Heidiger in den Clinch geraten war. Der soll übrigens eine Zeitlang Stammkunde in der Bikini-Bar gewesen sein.“
Der Abschiedskuss war nicht aufregend, aber Tine ging doch getröstet nach Hause. Alle hatten ihr gesagt, auf den Ex-Kollegen Fido Lorch und seine Verschwiegenheit dürfe man sich verlassen. Und sie hatte sonst niemanden, bei dem sie während einer melancholischen Phase Trost suchen konnte.
Zweites Kapitel
Susi Lauter meldete sich am Handy und gähnte los: „Wer sind Sie?“
„Ich heiße Christine Dellbusch, Kripo Tellheim. Ich würde mich gerne mit Ihnen über Martin Brotesser unterhalten.“
„Nix dagegen. Geben Sie mir eine Chance, vorher zwei oder drei Stunden zu schlafen? Ich komme gerade von der Arbeit.“
„Natürlich. Ich komme dann zu Ihnen in den Reusensweg, einverstanden?“
Adolf Gruber war schon zum Dienst losgeradelt, wie seine Freundin am Telefon erklärte. Tine rief im Liegenschaftsamt der Bahn an und verabredete sich mit Adolf Gruber auf 17 Uhr in seinem Haus im Septimusweg 22. Pünktlich an ihrem Schreibtisch saß dafür die Staatsanwältin Britta von Sandau, der Tine ausführlich Bericht erstattete.
„Merkwürdig“, sagte die Sandau gedehnt. „Irgendein Motiv für den Mord in Sicht?“
„Bisher nicht. Allerdings hat die Spusi in Brotessers Wohnung versteckt einen Schließfachschlüssel gefunden. Wahrscheinlich bei einer Filiale der Leininger Volksbank. Wir brauchten bitte einen richterlichen Beschluss für die Öffnung des Faches und für Einsicht in Brotessers Konten.“
„Geht in Ordnung“, murmelte Staatsanwältin von Sandau. „Was ist mit Liebe, Hass, Eifersucht? Soll ich mir mal diese Hausmeisterin aus der Ludwigstraße vorknöpfen?“
„Geben Sie mir noch ein, zwei Tage Zeit? Noch zeigt sie sich ganz kooperativ.“
„Okay. Den dritten Skatmann haben Sie noch vor sich?“
„Heute nachmittag im Septimusweg.“
„Donnerwetter. Was sagten Sie? Angestellter bei der Liegenschaftsverwaltung der Bahn? Kein Wunder, dass die Fahrpreise so irre steigen, wenn sich ein kleiner Angestellter bei der Liegenschaftsverwaltung der Bahn den Septimusweg leisten kann.“
Tine schaute sie groß an, und die Sandau lachte gutmütig: „Sie kommen nicht aus Tellheim?“
„Nein, ich bin in Guntersburg groß geworden.“
„Ja dann ... Der Septimusweg liegt in Weidenthal und das ist so das feinste und teuerste Viertel von Tellheim, der Quadratmeter kostet ab 3000 Euro aufwärts.“
„Nein.“
„Ich kann mir Weidenthal nicht leisten und wenn ich mich nicht irre, verläuft der Septimusweg, das Weidenthaler Filetstück, direkt am Weidenbusch entlang. Deswegen sollten Sie die Augen offen halten, wo Sie eine Möglichkeit für Betrug und Schiebereien oder Erpressung sehen.“
Tine ging wie betäubt in ihr Büro zurück. Sie hatte mit viel Mühe eine bessere Einraumwohnung mit knapp vierzig Quadratmetern gefunden und zahlte 15 Euro kalt für den Quadratmeter, die Mieten stiegen in Tellheim geradezu verboten rasch. Und wenn gebaut wurde, dann Eigentumswohnungen zu Preisen, von denen Tine im Moment nicht einmal zu träumen wagte.
Der Reusenweg war eine schmale Sackgase, die direkt am Fuß des vor kurzem erhöhten Flussdeiches endete. Links und rechts standen je vier windschiefe Häuschen, bessere Hütten, die alle so aussahen, als würden sie beim nächsten Hochwasser wegschwimmen. Und die Hochwassermarken gingen fast so rasch in die Höhe wie die Mieten.
Susi Lauter wartete schon auf sie. „Kaffee ist gekocht. Von ausgeschlafen kann keine Rede sein. Wenn Sie mich wegen Martin Brotesser sprechen wollen, wissen Sie sicher, welchen Beruf ich ausübe.“
„Ja, Sie waren eine Hayler Elfe, sind dann – Entschuldigung – ausgemustert worden und machen heute Hausbesuche.“
„Ja, angeblich hüpften meine Brüste und mein Po wabbelt. Zum Glück gibt es noch Männer, denen das gefällt und die dafür anständig zahlen.“
„Zu denen gehörte Martin Brotesser?“
„Ja. Ein-, zweimal die Woche hat er mich bestellt.“
„Wann waren Sie zum letzten Mal bei ihm?“
„Am Sonntagnachmittag. Ich wäre sogar freiwillig länger geblieben, aber er hat mich regelrecht vor die Tür gesetzt. Er erwartete nämlich noch Besuch, und der sollte mir auf keinen Fall begegnen.“
„Wissen Sie, wer das war?“
„Der Weihnachtsmann.“
„Wie bitte?“
„Nach diesem Besuch würde er, Martin, der Trockenbrotesser, genug Geld haben, sich auch ein großes Haus mit Garten oder zumindest eine große Wohnung zu kaufen.“
„Haben Sie ihm das geglaubt?“
„Keine Silbe. Martin war ein Träumer und auch beim Träumen einer von der langsamen Truppe. Wissen Sie, warum manche Männer am Sonntag während des Gottesdienstes plötzlich laut auflachen?“
Tine schüttelte verblüfft den Kopf.
„Weil sie in der Sekunde den Witz kapieren, den einer am Freitagabend beim Bier erzählt hat.“
„Ein Langsamschalter also?“
„Eine Geistes- und Gehirnschnecke. Nicht dumm, er kapierte alles, was man ihm sagte oder erklärte, aber eben erst sehr viel später als die anderen. Aber das behielt er dann auch, er hatte ein Gedächtnis wie ein Elefant.“
„Kennen Sie seine Skatbrüder aus dem Hölzer Hof?“
„Jein. Den Leo Kusch kenne ich natürlich aus der Bikini-Bar, aber diesem Adolf Gruber bin ich nie begegnet.“
„Können Sie sich einen Grund vorstellen, warum einer der beiden Brotesser getötet haben sollte?“
„Nein. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, warum einer dem armen Martin was getan haben soll. Gut, er konnte einen mit seiner Langsamkeit gelegentlich auf die Palme treiben, aber deswegen jemanden ermorden? Und ich habe einen festen Kunden verloren, der keine Offenbarung war, auch finanziell nicht, aber pflegeleicht und der pünktlich ohne Meckern zahlte. Was nicht bei allen Männern die Regel ist.“ Sie trank ihre Tasse aus und sah Tine fest an: „Ich kann mir überhaupt keinen Grund vorstellen, warum irgendwer Martin Brotesser ermorden sollte.“
„Aber beim letzten Mal hat er Ihnen gegenüber davon gesprochen, dass er bald auch ein Haus besitzen werde?“
„Ja.“
„Plante oder hoffte er auf ein großes Geschäft? Eine Erbschaft? Den Lotterie-Hauptgewinn?“
Susi antwortete nicht sofort und grübelte, während Tine sie intensiv musterte. Eine naive, oder gar elfenhafte Schönheit war Susi schon lange nicht mehr, aber sie hatte noch nicht den harten Ausdruck einer zynischen Hure angenommen, die heimlich jeden Menschen verachtete und vor allem ihre Kunden. Und die bösartigen Begriffe „aussortiert“ oder „ausgemustert“ verstand Tine angesichts der immer noch sehenswerten Figur Susis in dem schwarzen engen Turnanzug noch weniger. Dann schaute Susi hoch und begegnete Tines musterndem Blick. „Sie bringen mich da auf einen Gedanken“, sagte sie ernsthaft. „Martin hatte etwas Geld für sein Hausprojekt zusammengekratzt, das er mir stolz gezeigt und vorgezählt hat. Nämlich fünfundzwanzigtausend in bar. 'Martin' habe ich ihm gesagt, 'dafür kann man heute in Tellheim nicht einmal eine Garage oder Hundehütte kaufen, geschweige denn ein ganzes Haus.'- 'Weiß ich doch', hat er mir sofort geantwortet, 'das ist ja auch nur der Anfang, den Rest kriege ich noch'.“
Tine schnaufte: „Wir haben in Brotessers Wohnung kein Bargeld gefunden, sondern nur einen versteckten Schließfachschlüssel, mit Tesa unter einer Schublade festgeklebt. Noch wissen wir nicht, in welcher Bank er was in dem Fach aufgehoben hat.“
„Leininger Volksbank, die Filiale am Fassmarkt.“
„Die Filiale kennen wir auch noch nicht.“
„Das hat er mir gesagt.“
Nun ja, Brotesser war ein komischer Vogel gewesen, gut möglich, dass er ein Callgirl ins Vertrauen gezogen hatte. „Sie kennen doch Gerda Linke?“
„O ja. Die Neugier auf zwei Plattfüßen.“
„Halten Sie es für möglich, dass sie ...“
„Na ja. Aber sie ist ja nicht dumm. Sie hat mit ihrem Generalschlüssel eine Leiche gefunden, und sie weiß, dass man sie als erste verdächtigen wird, wenn was aus der Wohnung verschwunden ist.“
Das klang nur zum Teil logisch. Und wenn der Mörder das Bargeld mitgenommen hatte? Mit Gerda Linke würde Tine ohnehin noch mehr als einmal sprechen müssen.
„Dann hätte ich noch eine Frage: War Brotesser ehrlich?“ Und weil Susi sie verwundert anstarrte, setzte Tine hinzu: „Wissen sie, wir haben es bei der Polizei mit zwei Sorten Ehrlichkeit zu tun. Die einen sagen die Wahrheit, weil sie wissen oder fürchten, dass wir ihnen das Gegenteil schnell nachweisen können. Die anderen sind von sich aus ehrlich; das sind die selteneren.“
„Tja, wie soll ich ... Es gibt noch eine dritte Sorte: Die würden ganz gerne mal betrügen und lügen, aber die haben zu viele schlechte Erfahrungen gemacht, und trauen ihrer Intelligenz nicht so ganz.“
„Und dazu gehörte Brotesser?“
„Ich glaube nicht, dass er irgendwelche Hemmungen gehabt hätte, andere Menschen über's Ohr zu hauen, aber mit solchen Absichten ist er wohl zu oft auf die Schnauze gefallen, um es wieder zu versuchen. Gegen eine Notlüge hat er sicher nie etwas gehabt.“
„Sehr helle war er also nicht?“
„Nein, aber ihm hat viel geholfen, dass er ein tolles Gedächtnis besaß. Langsam zwar, aber zuverlässig.“
„Ein Sonntagslacher in der Kirche.“
„Ja, bestimmt.“
Tine rief für alle Fälle vorher bei Gerda Link an, die ihr aber einen Korb gab: „Tut mir leid, Frau Kommissarin, aber ich habe einen Termin für eine Knochendichtemessung, und den möchte ich nicht versäumen.“
„Kein Problem, ich melde mich wieder – und für heute toi, toi, toi.“
„Danke.“
In der Kantine setzte sich Tine neben Asta Krendel, die Leiterin des R – 13, im Haus immer noch kurz die Sitte genannt.
„Was kann ich für Sie tun?“ fragte Asta Krendel endlich, weil Tine immer noch schwieg.
„Mir ist in einem Fall eine Hayler Elfe begegnet, die aus dieser Tanztruppe in der Bikini-Bar rausgeflogen ist.“
„Und jetzt arbeitet sie sozusagen in meinem Bereich?“
„Ja. Sie macht 'Hausbesuche', und einer der so Beglückten ist ermordet worden.“
„Haben Sie die Elfe in Verdacht?“
„Nein.“
„Was möchten Sie hören?“
„Was ist das für ein Schuppen, diese Bikini-Bar?“
„Ein Puff für gehobene Ansprüche.“
„Rauschgift, Glücksspiel, Erpressung?“
„Nichts davon ist uns bekannt.“
„Und wem gehört der Schuppen?“
„Einer Leininger Unterhaltungs-KG.“
„Kommanditisten mit lokalem politischem Einfluss?“
„Wie kommen Sie darauf?“
„Ich habe mit Fido Lorch einen fantastischen Rotwein getrunken.“
„Dann sind Sie die Nicht-Bomben-Christine?“
„Ja.“
„Erklären Sie mir, wie man zu so einem albernen Namens-Attribut kommt?“
„Gerne. Bei Lengede sind mal bei einem Grubenunglück mehrere Bergleute in einer Luftblase unter Tage eingeschlossen gewesen. Man hat dann einen Minischacht in diese Blase gebohrt und die Leute in einer Art Metallgitterröhre ans Tageslicht gezogen. Diese Metallröhre heisst die Dahlbuschbombe und die ganze Rettungsaktion das Wunder von Lengede. Ich heiße Dellbusch, aber viele fragen sofort – haben Sie was mit der Rettungsbombe von Lengede zu tun?“
„Aha. Jetzt verstehe ich. Fido hat sich mal etwas voreilig mit dieser KG angelegt und den Kürzeren gezogen. Sehen Sie ihn häufiger?“
„Ja.“
„Dann bestellen Sie ihm doch bitte beim nächsten Mal schöne Grüße von Asta.“
„Mach' ich.“
„Und wenn Sie sich unbedingt mit dieser Puff-KG anlegen wollen, kommen Sie lieber vorher zu mir.“
„Okay, danke.“
Bevor sie in den Weidenbusch fuhr, las Tine noch Dr. Rupps Bericht. Brotesser schien sich gegen seinen Mördern nicht gewehrt zu haben, außer den beiden Einstichen gab es keine weiteren Wunden oder Hinweise auf Gegenwehr. Auch an der geschätzten Todeszeit hatte sich nichts geändert. Sonntagabend. Kein Alkohol im Blut, kein Rauschgift, nur ein handelsübliches rezeptpflichtiges Mittel zur Blutverdünnung. Rupp hatte noch vermerkt, der gute Martin habe ziemlich wenig Brot gegessen, sondern die Kalorien lieber in flüssiger Form zu sich genommen; seine Leber hatte gerade angefangen, sich dagegen zu wehren. Die Waffe könnte ein sehr spitzes, stabiles Küchenmesser mit wenigstens 25 Zentimetern Klingenlänge gewesen sein, aber ein Messerblock, in dem so ein Messer wohl gesteckt hatte, war in Brotessers Küche nicht gefunden worden. Wenn, dann hatte der Mörder nicht nur die Mordwaffe, sondern den ganzen Block mitgenommen.
Das half ihr auch nicht viel weiter.
Tine war noch nie durch den Weidenbusch gelaufen, der sich als ein kleines, lichtes Wäldchen mit alten Buchen und Eichen herausstellte. Die größten Lücken hatten sich rund um umgestürzte Bäume gebildet, auf denen prachtvolle Pilze wucherten, die allerdings alle nicht essbar aussahen. Um diese Tageszeit herrschte reger Hundeverkehr, Blase und Darm wollten geleert werden. Die meisten Hundebesitzer schienen sich zu kennen und hielten kleine Schwätzchen, und wer keine Hundeleine in der Hand trug, schob einen Kinderwagen oder eine Kinderkarre. Bis auf das Kläffen aufgeregter Zwergpinscher und die Spielgeräusche auf einem gut besuchten Bolzplatz war es himmlisch ruhig, warm und schattig, nur sehr weit entfernt rollte ab und zu ein Zug. Zwischen zwei Hecken führte ein Pfad aus dem Wäldchen hoch auf den Septimusweg, dessen handtuchähnliche Grundstücke mit den Schmalseiten bis an den Waldrand reichten. An der Straße standen hohe Linden, bereit, die dazwischen parkenden Autos mit klebrigen Tröpfchen zu beglücken. Irgendwo brummte ein Rasenmäher. In den meisten Häuser links und rechts der Straße waren die Dachstühle ausgebaut. Zweigeschossige Bauten waren selten und sichtlich älter, wie das Haus Nummer 22. Als Tine auf die Haustür zuging, kam sie an einem total verwilderten, mit seltsam vertrocknetem und ihr unbekannten Unkraut mit blauen Blüten im hoch bewachsenen Teil des Grundstücks vorbei – die blauen Blüten waren alle schon vertrocknet – auf den letzten Metern kam ihr ein junger Mann Anfang zwanzig entgegen, der den Kopf wegdrehte, um sie nicht ansehen oder grüßen zu müssen. Tine schaute ihm verwundert nach. Direkt vor dem Haus parkten zwei Autos mit Tellheimer Kennzeichen. Garagen schien es nicht zu geben. Tine lächele schräg. Von der Haustür bis zum Septimusweg waren es wohl an die 30 Meter, und das war für viele heutige Autofahrer ein zu langer Fußmarsch. Aber vielleicht scheuten sie auch nur die Lindentröpfchen.
Adolf Gruber war groß, stämmig.eist und blond. Tine missfiel er auf den ersten Blick, zumal er auch eine Herablassung an den Tag legte, die wohl freundlich gemeint war, aber ganz anders wirkte. Sie setzten sich in der Essecke an einen schmalen Holztisch.
„Jaja, der arme Brotesser.“
„Sie haben davon gehört.“
„Sicher, Leo Kusch hat mich angerufen.“
„Herr Gruber, wann haben Sie Martin Brotesser das letzte Mal gesehen oder gesprochen?“
„Das war – Moment – Freitag voriger Woche, da haben Leo, Martin und ich im Hölzer Hof Skat gespielt.“
„Hat Brotesser bei der Gelegenheit zufällig gesagt, was er für das Wochenende plante?“
„Nein. Dass seine flotte Susi ziemlich regelmäßig am Sonntagnachmittag zu ihm kam, wussten wir. Aber sonst – nein, kein Wort.“
„Können Sie sich vorstellen, dass Susi Lauter ihn erstochen hat?“
„Nein, warum denn? Martin war ein Stammkunde und Susi ist, was sie gar nicht verheimlichte, mittlerweile auf solche Kunden angewiesen. Mag sein, dass er nicht ihr Lieblingskunde war, aber er hat nie angedeutet, dass es Spannungen mit seiner Susi gab.“
„Hatte Brotesser mit andern Menschen Ärger, Probleme, Spannungen? Gab es Drohungen, Warnungen? Können Sie sich irgendeinen Grund vorstellen, warum man ihn umgebracht hat.“
„Nein, das kann ich nicht. Martin war eher ängstlich und vorsichtig, ging jedem Streit aus dem Wege.“
„Mehrere Bekannte haben mir gesagt, dass er sehr langsam war.“
Gruber lachte. „Das dürfen Sie laut sagen ... Bis der sich mal entschieden hatte. Beim Reizen konnte er einem den letzten Nerv rauben, aber ihn deswegen umbringen?“
„Das heisst, er hatte keine Feinde?“
„Zumindest keine, die Leo oder ich kennen.“
„Herr Gruber, vielleicht können Sie mir bei einem anderen Widerspruch helfen. Brotesser schwamm ja nicht gerade in Geld ...“
„... Oh nein, wir haben ihm oft aushelfen müssen, sein Essen und Bier im Hölzer Hof zu zahlen ...“