Generation Z - Valentina Vapaux - E-Book
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Generation Z E-Book

Valentina Vapaux

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Beschreibung

 Gegenstand des Buches ist eine differenzierte Auseinandersetzung mit der aktuellen Jugendkultur. Welchen Einfluss haben Influencer:innen, inwieweit prägt und verstärkt Social Media klassische Geschlechterrollen, wie sieht die von der Werbebranche getriebene Online-Welt wirklich aus und wie politisch sind die "Z s"? Analysiert wird außerdem wie Dating Apps Liebe und Beziehungen dieser Generation verändern und warum die Generation Z als "einsamste" Generation gesehen wird.  Die Themen sollen junge Leser:innen auf gesellschaftsrelevante Fragen aufmerksam machen und sie anregen ihre eigenen, generationstypischen Verhaltensmuster und ihr Konsumverhalten zu überdenken.  

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Seitenzahl: 204

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Impressum

© eBook: 2021 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

© Printausgabe: 2021 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

Gräfe und Unzer ist eine eingetragene Marke der GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, www.gu.de

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Verbreitung durch Bild, Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Projektleitung: Ariane Hug

Lektorat: Daniela Weise

Covergestaltung: ki 36 Editorial Design

eBook-Herstellung: Laura Denke

ISBN 978-3-8338-7882-4

1. Auflage 2021

Syndication: www.seasons.agency

GuU 8-7882 10_2021_01

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Wichtiger Hinweis

Die Gedanken, Methoden und Anregungen in diesem Buch stellen die Meinung bzw. Erfahrung der Verfasserin dar. Sie wurden von der Autorin nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten medizinischen Rat. Jede Leserin, jeder Leser ist für das eigene Tun und Lassen auch weiterhin selbst verantwortlich. Weder Autorin noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

»Mutig, reflektiert und selbstkritisch erklärt Valentina Vapaux uns die Welt aus den Augen der Generation Z. Ein Buch, das jede Politikerin und jeder Politiker lesen sollte, der junge Menschen erreichen will oder gar zu verstehen versucht.«

FOCUS ONLINE

»Valentina Vapaux ist bemerkenswert klug. Ihre Gedanken zur Generation Z sind manchmal unbequem und beunruhigend, klar analysiert – und trotzdem poetisch. Wer diese Generation besser verstehen will, bekommt hier Stoff zum Nachdenken.«

SWR HAUPTSTADTSTUDIO

»Valentina zeichnet ein vielschichtiges Bild der Generation, die zwischen den Polen Einsamkeit und kollektivem Aktivismus zu Hause ist – und dabei trotzdem sehr genau weiß, in was für einer Welt sie künftig leben will.«

DEUTSCHLAND 3000

»Reflektiert, kritisch, humorvoll und klug setzt sich Valentina mit der Lebensrealität der Generation Z an der Schnittstelle von Kapitalismus, Konsum, Klimakrise, dem Einsatz für soziale Gerechtigkeit und gegen Rassismus auseinander. Sie hinterfragt unsere Denkmuster, vermeintlich progressive Rollenbilder und tief im Patriarchat verwurzelte Ideale.«

CENTRE FOR FEMINIST FOREIGN POLICY

für mein jüngeres selbst

sans titre

last night in paris

and I can see the nightlights

illuminating dusty clouds

and the towers beam

in the tiny studio

on the eighth floor

which reminds me

of the twelfth

and the seventh

and the third

but also not at all

because clarity is missing

on horizon’s edge

over hospital beds

over dirty rivers

but

clarity has persisted

in my puff-white head

always chasing high

rise buildings

and rising high

hopes

for a better future

for a better me

INTERNET

digit liar

click press pause rewind

you have never left my mind

I asked so many times in vain

who are you, my turned off digit liar

I danced through blurry pics of pain

just to unlock an embezzled amplifier

between those tiny spaces of desire

lies you, a sought out version

of my damned off digit liar

leaked data overload conversion

drowned in pools like a virgin

break down a blister pack

I hate the interface

and what you hold back

when I click face-to-face

casino dreams worsen my space race

I keep a folder for your disgrace

left click right in colon: mental case

please delete my electronic database

shoot me into planetary outerspace

MENSCHEN UNTER WOLKEN

Heute habe ich an dich gedacht. Ich wollte dir sagen, dass ich dich vermisse. Aber nicht auf eine Wir-waren-einmal-verliebt-ineinander-, sondern auf eine Du-warst-mein-bester-Freund-und-jetzt-weiß-ich-nicht-mehr-wer-ich-bin-Art.«

»Ich weiß, was du meinst. Ich vermisse dich auch.«

Es fällt auf dich und zerdrückt dich. Aber es fühlt sich nicht danach an. Weil du so leer bist und so fucking schwer. Jede Bewegung fühlt sich an, als würdest du ein unerträgliches Gewicht hochheben. Du weißt nicht, was du tun sollst, wohin du gehen sollst. Du fühlst dich einsam. Auf eine Art ist es so, als würdest du gar nichts spüren, als würde nichts etwas bedeuten. Aber da ist dieser Drang, etwas zu spüren. Ist es nicht seltsam, dass Leere so schmerzhaft ist?

Ich sehe sie an, wie sie in ihrem Pulli versinkt. Wir knien auf der Schultoilette in der Kleinstadt und wiegen Drogen ab. Hinter ihren Augen liegen Glassplitter. Sie reflektieren das industrielle Licht der alten LED-Lampen. Mit ihr ist alles anders.

Wo beginnen Geschichten? Und wo hören sie auf? Tage sind vergangen, geschmolzen wie brauner Schnee.

In warmer Dunkelheit unter Stuck in Westberlin flüstert er: »Ich glaube, du suchst etwas. Und weißt vielleicht selbst nicht, was.«

Ummantelt von einer Melancholie, die mich seit dem Tag in der Abflughalle nicht verlassen hat, nicke ich stumm. Nach Monaten unter einer Taucherglocke habe ich gefunden, wonach ich gesucht habe. Das ist, glaube ich, das Problem. Nun stehe ich in einem weißen Raum und mir wird klar, dass ich das, was ich so sehr brauche, einfach nicht bekommen kann. Vor mir liegt das leere Wissen darüber, dass all das Glitzernde, Funkelnde, das noch kommen wird, nur Blattgold ist.

Eigentlich will ich das gar nicht. Den hohlen Raum betrachten, der in mir liegt. Es ist so zermürbend, ein mir sehr bekanntes und doch so unbeschreibliches Gefühl anzuschauen und immer und immer wieder in meinen Händen umzudrehen.

Es war nichts. Nur einige leise Worte, zwischen Hunderten von Häusern und Tausenden Wohnungen mit noch viel mehr Menschen. Und jeder von ihnen atmete, begann zu atmen, hörte auf zu atmen. Sie dachten und kochten und schwiegen. Und in mir zerbrach etwas. Ein kleines, dünn gesponnenes Seil war dort gewesen, wo die Scherben liegen. Kein großer Bruch am Boden, nur ein einziges Glas in einer endlosen Vitrine. Ich wusste, ich hatte schon Schlimmeres erlebt. Kronleuchter waren zerkracht und ich stand immer noch auf den Schienen in Ostberlin.

Aber so sehr ich mich auch dazu zwang, alles abzutun und mir zu sagen, dass sie nur eine von vielen war, bloß ein weiterer Name auf einer grotesk genauen Liste auf meinem Bildschirm – ich glaubte mir selbst nicht.

Der Wind war wieder kalt und ich spürte meine Knochen zittern. Mechanisch stieg ich aus der U-Bahn und lief über die Warschauer Brücke. Der Fernsehturm leuchtete, schaffte es heute jedoch nicht, mich zu retten. Ich sah aus wie ein alter Herr in einem zu kleinen, zu schmalen Körper. Die Schulterpolster meines Jacketts standen ab wie die Hörner eines Stieres im August. Meine pechschwarzen Haare wehten im eisigen Wind. Ich war endlich wieder dunkel und gefährlich. Nur mein Inneres war schwach und geleeartig wie der Dotter von pochierten Eiern.

Müsste ich den Schmerz beschreiben, würde er aussehen wie eine negative Parabel. Erst ist alles ganz in Ordnung. Du lebst und erfreust dich, du bist genervt und manchmal traurig. Alles läuft auf einer Ebene. Du gleitest sanft durch dein Koordinatensystem und nichts passiert. Doch plötzlich verändert sich etwas. Neue Funktionen, neue Graphen. Du schießt nach oben und bist nervös, wenn du sie vor dir siehst. Spielend ziehst du sie in deine Welt. Bis sie sich fallen lässt und du am Höhepunkt ankommst. Oben glitzert alles. Du atmest Euphorie und alles scheint endlos zu fließen. Die Sonne steht über Berlin und du hältst ihre Hand. Alles könnte so bleiben. Doch du weißt, dass Kostbarkeit durch ihre Endlichkeit bestimmt ist.

Wochen später stehst du unter dem Türrahmen beim bunten Park. Du willst sie küssen und sie schreckt zurück. Die Distanz zwischen euch klafft wie felsige Abgründe im Himalaja. Sie will dich nicht, weil du nicht bist wie sie.

Du gehst, blickst nicht zurück und merkst, wie du langsam runterfällst. Wie die Strahlen auseinanderfallen und dein Körper sticht. Irgendwie bist du leer und wütend auf dich selbst. Du hättest dich nicht öffnen sollen.

Zwei Jahre später liegst du in der Altbauwohnung in der dunklen Stadt. Draußen fliegen mikroskopisch kleine Partikel durch die Luft, die die ganze Welt zum Stillstand bringen. Ich laufe durch den Regen und setze mich mit nassen Haaren auf einen Sessel. Der Geruch des Raumes erinnert mich an etwas, doch ich kann es nicht zuordnen. Vor mir sitzt eine runde Frau, sie sieht aus wie eine Eule. Ich mag sie.

Ein paar Tage später halte ich einen Brief in der Hand. Auf welkem Papier steht dünn gedruckt: »Rezidiv Depression, mittelschwere Episode.«

Ich bin rückfällig geworden. Die Ausweglosigkeit meiner Situation lässt mich in alte Muster verfallen, schon vor die Tür zu gehen, kostet Kraft. Was soll ich da? Vor geschlossenen Läden stehen, in gerade so geöffnete Restaurants gehen, mit Freunden, die ich nicht habe. Erwachsenwerden ist für mich eine Treppe abwärts.

»Ich glaube, Social Media macht uns depressiv.« Meine Augen schmerzen. Ich habe gestern zu viel gekokst.

»Ja, da hast du recht, das merken auch wir Psychologen. In gewisser Weise leisten wir die Gegenarbeit zu dem, was online passiert«, sagt sie hoffnungsvoll und zugleich erschöpft.

»Ich bin ein Teil davon, Teil eines zerstörerischen Systems.« Wie soll ich die Ambivalenz, die in mir liegt, in Worte fassen?

»Fühlst du dich schuldig?« Sie schaut mir in die Augen und ich weiche aus, raus aus dem Fenster.

»Ja.«

Ein paar Wochen später fragt sie mich nach meiner moralischen Erziehung. Sie sieht, dass ich immer wieder zwischen Abgründen hänge. Dass sich kein größerer Sinn und keine Richtung in meinen Gedanken formen. Ich beantworte die Frage: Meine Mutter versuchte, mir ihr christlich-mexikanisches Regelwerk aufzuerlegen. Mein Vater hatte eine klare Linie, wenn es um das Lügen ging. »Das hat auf mich nicht wirklich Eindruck gemacht. Ich habe mich dem irgendwie so bedenkenlos widersetzt. Ich habe viel gelogen.« Ich spreche von den zwei unterschiedlichen Bildern, die es von mir gibt.

»In meinem Umfeld war das anders, es gab nicht wirklich Regeln für Richtig und Falsch. Ich war oft bei Freundinnen, die alles durften. Gutes Benehmen, Freundlichkeit, Empathie, das war nie für einen Gott oder eine abstrakte Vorstellung von Gesellschaft. Es war nur für einen selbst.« In meinem Kopf setze ich eine Notiz: Irgendwann mal was über Individualismuskritik schreiben.

»Du sagst Sachen, die ich ganz oft sehe. Eure Generation ist frei von moralischen Grenzen, ihr müsst euch nicht an irgendeiner Art von bürgerlicher oder religiöser Moral orientieren. Der Leitspruch eurer Generation ist: Alles ist erlaubt und richtig, solange es aus dir selbst kommt. Dabei wissen wir oft gar nicht, was wir wollen, wir können es auch nicht immer. Wir haben widersprüchliche Bedürfnisse und sind mit den endlosen Möglichkeiten überfordert.«

Eine moderne Diagnose, die eigentlich schon ziemlich alt ist. Entfremdung, Überforderung, die kalte Großstadt, Einsamkeit und Gott ist tot. Ich denke an die Gedichte des Expressionismus, die ich vor zwei Jahren so gern las. In einer Gedichtanalyse über Georg Trakls Gedicht »De profundis«schrieb ich: »Die empirische Glücksforschung geht heute davon aus, dass Glaube von hoher Bedeutung für die Glückseligkeit der Menschen ist. Ein Verlust von Glauben, wie er in der Moderne häufig vorzufinden ist, löst ein Bezugsvakuum für den Menschen aus. Es existiert kein offensichtlicher transzendenter Sinn mehr und der Mensch fühlt sich dadurch oft verloren.«

Aber was ist dieser Sinn? Gibt es den überhaupt?

Der moderne Mensch verspürt immer mehr eine Überforderung und Ohnmacht angesichts der Komplexität der Welt, ihrer Probleme und der Bedeutung des Einzelnen in ihr. Vor allem Menschen in den Metropolen des 21. Jahrhunderts tendieren dazu, diese Gefühle verstärkt wahrzunehmen. In einer Welt voller Menschenmassen, endloser technischer Möglichkeiten und von übertriebenem Materialismus stellen sich viele die Frage nach dem Sinn des Lebens. Es entsteht eine enorme Kluft zwischen der faktischen Austauschbarkeit des Einzelnen und dem in westlichen Gesellschaften zelebrierten, oft über alles gestellten Individualismus.

Die Frage, ob und inwiefern unser Leben jedoch von Bedeutung ist, ist aufgrund der Säkularisierung und der Vielfalt an Lebensphilosophien und politischen Ideologien allgemein nicht mehr zu beantworten. Im Ursprung war sie dies auch nie, jedoch haben Autoritäten in der Vergangenheit die Frage und somit auch deren Antwort für sich beansprucht und damit über das Leben anderer Menschen bestimmt. Heute ist es Leid und Erleichterung zugleich, dass wir diese Frage für uns ganz allein beantworten müssen.

Ich habe überhaupt keine Lust, über den Sinn des Lebens nachzudenken. Das macht nur mit 15 angetrunken auf Hügeln in trostlosen Vorstädten beim Sonnenuntergang Spaß. Jetzt ist das alles irgendwie so ernst und wichtig geworden, ein Framework für sein Leben zu haben. Ich bin glücklich darüber, dass ich in einer Zeit aufgewachsen bin, in der ich ich sein durfte. Aber ich frage mich auch, was ist heute anders? Warum fühle ich mich so? Sind das nur meine eigenen unbedeutenden Probleme oder vielleicht Symptome einer ganzen Generation?

Ich spreche mit vielen Menschen und trotz der unterschiedlichen Nuancen und Wahrnehmungen entsteht ein klares Bild, wir sind eine in uns selbst gespaltene Generation.

Auf einer dünnen Metalltreppe im fünften Stock über der Spree betrinke ich mich mit Marketing-Millennials.

»Ihr seid als Generation so cool. Ihr seid confident, accepting und stark nach außen, ihr könnt so über alles reden, Mental Health, Body Positivity, Masturbation, Trans, Gay, alles. Wir konnten das nicht, das war irgendwie tabu oder zumindest unhöflich.« Unter den DDR-Bauten in Ostberlin sagt eine Freundin: »Wir sind einfach alle fucking depressed.«

Menschen schreiben mir ihre Gedanken zur Generation Z: »Wir haben einen starken Drang zum Individualismus und sehen trotzdem alle gleich aus.« »Kinda broken but still goin’ strong.« »We can relate to everything yet so many of us are misunderstood.« »A (sad) generation with happy pictures.«

Einerseits wirken wir frei und selbstbewusst, wir haben alle Möglichkeiten, wir sind politisch aktiv und streben eine bessere Welt an. Aber in uns ist nicht alles, wie es nach außen scheint. Die endlosen Möglichkeiten in jedem Lebensbereich überfordern uns, wir sind orientierungslos, einsam und vergleichen uns mit unrealistischen, unerreichbaren Idealen. Psychische Krankheiten, vor allem Angststörungen und Depressionen, wie ich sie beschreibe, sind die Krankheiten unserer Generation.

Es ist, als würden wir unter einer Wolke schweben, die durchzogen ist von der Hoffnung auf eine bessere Welt, auf ein besseres Ich. Sie ist voller Versprechen, Möglichkeiten und Wege, doch sie führt uns auch zu unseren größten Ängsten und in eine tiefe Einsamkeit. Die Wolke, die die Lebenszeit unserer gesamten Generation lückenlos einschließt, ist Verheißung und Verdammnis zugleich: das Internet.

LAS VEGAS BLINKT AUCH NACHTS UM VIER

Ich stehe vor der riesengroßen Slotmaschine und ziehe den Hebel. Bilder flattern an meinem Auge vorbei. Kleine Spritzen tanzen über meine Haut. Sie stechen sanft und ich spüre sie kaum. Ich merke nur, wie mein Körper taub wird und die Zeit gefriert. Es klingelt, rollt und rauscht. Ich ziehe und ziehe und ziehe. Aus der kleinen Öffnung kommen goldene Münzen. Ich glaube, ich bin gerade frei. So lange, bis die Nadeln zu Boden fallen und eine Leere in mir entsteht.

Kraftlos richte ich mich auf und setze mich woandershin im bunten Raum. An dem Automaten blitzen Videos auf. Zitternde Informationen wanzen sich an mich ran. Und verschwinden wieder. Ich muss wissen, was als Nächstes passiert. Dunkle Partys. Schöne Oberflächen. Teure Stoffe. Ich ziehe schon wieder am Hebel.

Für einen Augenblick glaube ich, dass ich erlebe, was ich sehe. Doch die Bilder sind wie Nieselregen auf meinem Gesicht und vor der Tür tobt ein Sturm. Eigentlich will ich rausgehen und im Regen tanzen. Doch die Halle ist hell erleuchtet von den blinkenden Lichtern der Automaten. Es ist so einfach, auf dem roten Samtsessel zu sitzen und weiterzuspielen.

Mein Münzsack ist inzwischen voll. Ich hebe ihn auf und nehme eine in die Hand. Die Münze verfärbt und verformt sich. In meiner Hand liegt nur noch ein Klumpen Dreck.

Wir treffen uns vor hochgewölbten Galerien. Vor Designer-Sushi-Studios. Wir stehen auf Hügeln, fühlen uns ganz klein. Manchmal sitzen wir einfach nur so da, beieinander. Ein bisschen Wein unter einer Sternenlichtlampe. Wir reden dann so für zwanzig Minuten. Jemand checkt nur kurz die Nachrichten. Um sie entsteht eine Glasmauer. Sie ist nicht mehr anwesend. Die Konversation stagniert. Soll ich über das Wetter reden? Oder irgendwelche Gefühle stammeln? Wie kann ich die Energie im Raum am Leben halten? Mein Finger gleitet über eine Glashülle nach oben. Scrollen ist wie eine kurze Befreiung, eine Pause von der Welt. Plötzlich ist es still, irgendwo läuft nur scheppernder, alter SoundCloud Rap. Ich blicke nach oben und sehe, wie wir alle irgendwie woanders sind. Ich weiß nicht, wie viele Minuten vergangen sind. Shit, meine Bildschirmzeit geht hoch. Demonstrativ knalle ich mein Handy auf den Tisch.

»So, lasst uns jetzt doch kochen!« Rausgehen, lachen, trinken, rennen. Eigentlich scheißegal. Hauptsache, nicht stumm voreinandersitzen.

Es ist ja auch nicht so, als würden wir uns nicht mögen oder als hätten wir uns nichts zu erzählen. Wir sind nicht mal zwanzig und alles fühlt sich wie der fucking Weltuntergang an. Egal, ob da draußen die Welt wirklich untergeht oder ob es nur die unfassbare Wucht unserer Gefühle ist. Aber das machen wir jetzt gerade nicht. Es kostet Kraft und Kraft ist kostbar. Scrollen ist so einfach, leben viel zu schwer.

SOCIAL-MEDIA-SUCHT IST PROFITABEL

Von Psycholog:innen und Steinzeitfeuilletonist:innen wird Generation Z gern als iGen, Generation Selfie oder als Zoomers bezeichnet. Dazu muss man eigentlich gar nichts sagen. Es ist sehr unterhaltsam, Artikel zu lesen, die Titel wie »Leben für die Likes« tragen und dann mit Sätzen beginnen wie: »Selfies sind zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Sie werden im Netz geteilt und geliked. Um aber möglichst viele digitale Herzen zu erobern, müssen die Schnappschüsse schon etwas hermachen.«1

Moin, Klaus, du hast es voll raus. Ich geh dann mal wieder rein ins Netz, paar Herzen erobern! Irgendwer ist vor einigen Jahren dann auch auf die bescheuerte Idee gekommen, dass Smombie (I know, don’t get me started), also Smartphone und Zombie, das Jugendwort des Jahres ist. Der Joke an dem Ganzen war aber, dass das Wort bis zu dem Zeitpunkt noch kein einziges Mal im Internet aufgetaucht war. Irgendein Kultur-Jürgen dachte sich wahrscheinlich, das sei absolut genial. Jugendkultur ohne Internet. Ja klar, let’s go!

Texte von Boomern und Gen-X-Autor:innen zeigen, dass Welten zwischen den Generationen liegen. Die Sprache ist ganz anders, irgendwie ulkig. Vor allem wenn so von oben herab über »unsere« Themen geschrieben wird. Und trotz der klaffenden Lücke und des mangelnden Diskurses haben Jürgen und Klaus und all die anderen irgendwie recht. Auch wenn ihre Analysen oft sehr eindimensional sind und wir mehr als stumpfe Smombies sind, so sind wir doch vor allem eins: fucking Social-Media-süchtig.

Die sozialen Medien können inspirierend und unterhaltend sein, doch sie machen uns auch oft traurig, einsam oder depressiv. Aber wie ist es möglich, dass eine ganze Generation, eigentlich sogar ein Großteil der Menschen, so stark von einem kleinen metallenen Ding abhängig geworden ist?

»Menschen sind soziale Wesen« ist so ein Satz, den man gern mal in eine Deutschklausur reindrückt, um schlauer zu wirken. Vielleicht passt er nicht in jede beliebige Dramenanalyse, aber er beinhaltet eine tiefere Wahrheit über uns. Wir brauchen andere Menschen, deren Präsenz, deren Anerkennung, deren Meinung und deren Halt, um zu überleben. In den sozialen Medien wollen wir genau diese Bedürfnisse befriedigen.

Der Neurowissenschaftler Dar Meshi war der Erste, der die Wirkung von sozialen Medien anhand eines MRT-Gehirnscans analysierte. Die Untersuchungen ergaben, dass Likes, Kommentare und Nachrichten das Belohnungssystem in unserem Gehirn aktivieren.2 Evolutionsbedingt ist unser Körper darauf abgestimmt, lebenswichtige Handlungen wie Essen oder Sex als positiv zu empfinden, sodass wir diese immer und immer wiederholen möchten.

Was wir wollen, ist das Glückshormon Dopamin. Soziale Medien nutzen das Prinzip und basieren fast alle auf einem Instant-Gratification-System: Wir wollen sofortige Belohnung. Bei jedem Like setzt unser Gehirn Dopamin frei und wird somit langfristig auf schnelle, kurzlebige Dopamin-Highs programmiert. Und davon braucht es dann immer mehr.

Wir sehen Instagram-Likes und TikTok-Views als Beweise für unsere Beliebtheit. Sie erfüllen unser Bedürfnis nach Anerkennung. Und dabei geht es vor allem um Quantität. Instagram und alle anderen sozialen Medien basieren auf Zahlensystemen, die unsere Popularität direkt messbar und vor allem vergleichbar machen. »Möglich gemacht wurde das alles durch Gamification, das Anwenden von aus Spielen bekannten Mechanismen auf reale Situationen und Herausforderungen.« Wir leben in einem riesengroßen Casino. Soziale Medien sind unsere Slotmaschinen und wir sind zu High-Score-Chasern von digitaler Aufmerksamkeit geworden.3

Aber warum ist das so? Warum haben die Mittzwanziger-Genies im Silikon Valley das genau so entwickelt? Das Ergebnis liegt eigentlich bereits im Aufbau und der Struktur der Programme und Apps, die uns heute so sehr prägen. Das Ziel von sozialen Medien wie Instagram, TikTok, Twitter, YouTube oder Tumblr ist, dass wir sehr viel Zeit auf ihnen verbringen. Das ist notwendig, um möglichst viele Daten über uns zu sammeln. Damit kann uns dann eine noch personalisiertere Werbung angezeigt werden, und die soll uns zu einer Kaufentscheidung inspirieren. Je mehr wir durch Social Media scrollen, desto mehr lernt der Algorithmus über unser Verhalten, unsere Wünsche, unsere Unsicherheiten und unsere Träume. Der Spätkapitalismus hat uns beigebracht, die kreisenden Gedanken mit Konsum zu stillen.

In der Frontline-Dokumentation »Generation Like« erklärt der Journalist Douglas Rushkoff: »Wenn ein Teenager online etwas liked, ein Produkt oder eine Marke oder einen Star, wird es Teil seiner Identität, die er dann auch (über seine Social-Media-Kanäle) in die Welt broadcastet. (…) Und die Jugendlichen dazu zu bringen, sich für etwas zu interessieren, ist ein großes Geschäft. Deshalb ist es für die Unternehmen so wichtig, dass die jungen Menschen online bleiben, klicken, liken und tweeten.«4

Jeder kennt das subtil gruselige Gefühl, über ein Produkt zu sprechen und es am nächsten Tag vorgeschlagen zu bekommen. Viele glauben, dass die sozialen Medien mithören und unsere Gespräche verarbeiten. Und das ist teilweise auch der Fall (Smart TV, Alexa etc). Jedoch sind das (noch) zu große Datenmengen, als dass die Werbeindustrie sie effizient nutzen könnte. Aber wie kann es dann sein, dass Instagram weiß, dass ein rosa Kühlschrank oder ein lila gefärbtes Spitzentop mich für einen Moment glücklich machen würde?

Wir werden nicht abgehört, der Algorithmus hat uns einfach nur in den Tausenden von Stunden, die wir dort verbracht haben, so gut analysiert und kennengelernt, dass er Produkte, die wir haben wollen, schon voraussieht, bevor wir selbst wissen, dass wir sie unbedingt brauchen.

DIE PSYCHISCHE KRISE

Die Teenager stehen kurz vor der ernsthaftesten psychischen Krise seit Jahrzehnten. Doch an der Oberfläche ist alles in Ordnung.«5 Schreibt die Psychologin Dr. Jean M. Twenge in ihrem Buch »Me, My Selfie and I«. Sie gehört zu den bekanntesten Generationenforscher:innen und stellt ein umfassendes Porträt der Generation Z dar. Ein Kernthema ihrer Studien ist der Einfluss von sozialen Medien auf die psychische Gesundheit von Jugendlichen. Basierend auf großen Untersuchungen von Institutionen wie »Monitoring The Future« oder »YRBSS« (Youth Risk Behaviour Surveillance System) argumentiert sie, dass Jugendliche, die mehr Zeit online verbringen, unglücklicher sind als diejenigen, die mehr Zeit offline sind.6 Das ist erst mal nicht so überraschend, zumindest für mich. Oft hat man so was irgendwie schon gelesen oder gehört – gestiegene Selbstmordraten bei Jugendlichen, überproportionale Bildschirmzeit und wie sie unsere Psyche direkt beeinflusst.

Trotzdem ist das schon irgendwie komisch, als Betroffene zu sehen, wie das eigene Leid auf so trockene, wissenschaftliche Art verkürzt dargestellt wird. Für Außenstehende mag das eine interessante Information sein. Aber was bringt das? Zu wissen, dass »Jugendliche, die mehr Zeit vor Displays verbringen, mit größerer Wahrscheinlichkeit depressiv (werden)«?7

Depressionen und Angststörungen entstehen nicht auf Instagram, doch sie werden dort verstärkt. »Mehr junge Menschen erleben nicht nur depressive Symptome oder ein Gefühl der Angst, sondern eine klinisch diagnostizierbare schwere Depression.«8

Studien und wissenschaftliche Erkenntnisse können uns aber auch helfen, denn sie können andere Menschen sensibilisieren und zum Nachdenken anregen. Psychische Krankheiten sind kein Zeichen von Schwäche – wir müssen sie ernst nehmen. Wenn man Husten hat, wartet man nicht, bis man zu hohes Fieber hat, bevor man ein Halsbonbon lutscht. Und genauso sollte es auch mit psychischen Krankheiten sein: dass man sich nicht erst Hilfe holt, wenn die Krankheit schon weit fortgeschritten ist.

Psychische Erkrankungen sind immer noch stigmatisiert und tabuisiert, Menschen zögern zu lange damit, einen Therapieplatz zu beantragen, weil sie denken, dass sie die Hilfe nicht verdient haben, oder weil sie sich dafür schämen. Offen darüber zu sprechen, kann dazu beitragen, das gesellschaftliche Bild von den Betroffenen zu verändern.