Gesang der Lerchen - Otto Sindram - E-Book

Gesang der Lerchen E-Book

Otto Sindram

4,8

Beschreibung

Das Leben hat es schwer in einer Welt voller Mauern – und die Liebe allemal. Mächtige Ideologien bestimmen den Zeitgeist. Mauern, ob real oder in den Köpfen, trennen Menschen, Länder und Kontinente. Und plötzlich ändern sich die Zeiten. Mauern fallen, die Menschen schauen sich in die Augen und versuchen ein Leben mit aufrechtem Gang. Das Buch beschreibt ein lebendiges Stück Zeitgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts. Es erzählt von zwei Liebenden, deren Liebe in Deutschland aussichtslos erscheint, bis sie endlich alt sind: Ihre Zukunft beginnt - und das Leben.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 980

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,8 (16 Bewertungen)
13
3
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Otto Sindram

Gesang der Lerchen

Von Menschen und Mauern und über die Liebe

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 13: 9783927708464

© 2006 MariPosa Verlag

12205 Berlin

Fon 030 2157493

Fax 030 2159528

U. Strüwer, Drakestr. 8a

www.mariposa-verlag.de

Umschlaggestaltung: Friedericke van Meer

Umschlagfotos: Thomas Krumenacker, Klaus Welscher

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2013

Alle Rechte vorbehalten

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Widmung

Zitat

Prolog

Erster Teil: Liebe, Liebe

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

Zweiter Teil: Licht auf dem Wasser

1

2

3

4

5

6

7

8

9

Dritter Teil: Die Puppe

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Vierter Teil: Herrenjahre

1

2

3

4

5

6

7

8

Fünfter Teil: Langer Abschied

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Epilog

Der Autor

Im Text verwendete Abkürzungen

Es ist sicher, dass es jenseits des sozialen Daseins, des Familienlebens eines Menschen, jenseits der Gebärden, zu denen ihn seine Umwelt, sein Beruf, seine Ideen oder sein Glaube zwingen, ein geheimeres Leben gibt: Oft liegt auf dem Grunde dieses Bodensatzes, allen Augen verborgen, der Schlüssel, der uns dieses geheime Leben endlich erschließt.

FranÇois Moriac

Prolog

Endlich wird die Beatmungsmaschine abgeschaltet. Philipp muss sich darauf konzentrieren, wieder selbstständig und gleichmäßig zu atmen. Aus weiter Ferne hört er die Stimme des Professors.

»Wir haben Ihnen drei Bypässe gelegt, Herr Siebert; alles in Ordnung. Ab jetzt können Sie Ihre Rente noch einige Jahre genießen. Denken Sie nicht an das Atmen, das muss von ganz alleine gehen. Denken Sie an irgendetwas, nur nicht ans Atmen.«

Einatmen – ausatmen – einatmen. Ich muss an irgendwas denken, ausatmen – einatmen ...

»Du bist aus der britischen Zone?«, fragt das Mädchen mit den schwarzen Zöpfen Philipp.

»Ja, aus dem Ruhrgebiet.«

»Aus dem Ruhrgebiet auch noch!«

Philipp kann sich nicht erklären, was so besonders daran sein soll, und fragt zurück.

»Und woher bist du?«

»Jetzt hier aus Berlin, aus Weißensee, aber ich habe lange in der Sowjetunion gelebt. Ich war noch nie in Westdeutschland. – Sophie«, sagt das Mädchen, sich vorstellend, und gibt Philipp die Hand.

Der erste Unterrichtstag wird mit organisatorischen Fragen vertan. Zum Schluss bekommen die Schüler eine Wassersuppe, die als Schulspeisung von den Sowjets kommt und nach dem sowjetischen Stadtkommandanten von Ostberlin Kotikow-Süppchen genannt wird. Am nächsten Tag, noch ehe der Unterricht beginnt, spricht Christian Philipp an.

»Setz dich zu mir, die anderen sind mir alle zu blöd.«

»Ich habe aber schon einen Platz neben der Sophie.«

Philipp kennt Christian von der Aufnahmeprüfung, ihm ist seine harte Aussprache aufgefallen.

»Was willst du mit der, die hat ja nichts in der Bluse. Einen Arsch hat sie wohl auch nicht«, sagt Christian und zieht Philipp auf den leeren Platz neben sich.

Draußen wird es Herbst. Mehr als drei Jahre ist der Krieg nun schon vorbei. Der Unterricht beginnt.

Erster Teil Liebe, Liebe

1

Philipp Siebert war ratlos. Der Mann in der Berufsberatung hatte ihm eindringlich geraten, Bergarbeiter zu werden.

»Der Führer braucht Kohle für den Endsieg. Du siehst doch selber, wie diese Mörderbande das Ruhrrevier bombardiert hat. Wir müssen sie bald besiegen.« Also müsse Philipp unbedingt Bergarbeiter werden. Der Vater sei doch auch Bergarbeiter? »Na siehst du! Und außerdem gehört dort das Abzeichen der Hitlerjugend hin.«

Der Mann stieß mit seinem Zeigefinger energisch gegen Philipps Brust. Dieser trug noch immer den Bleyle-Anzug aus dunkelblauer Wolle von seiner Kommunionsfeier, mit kurzen Hosen und einer Jacke mit langem Revers; jetzt zwar ohne weißen Kragen, den hatte er inzwischen abgeknöpft, aber eben auch ohne das Abzeichen der Hitlerjugend. Philipp fühlte sich schuldig und hätte dem Mann am liebsten sofort seine Begeisterung für den Beruf des Bergarbeiters mitgeteilt.

»Ehe du Bergmann wirst, schlage ich dich vorher tot«, hatte zu Hause der Vater gesagt und dann ruhig weiter an seiner Tabakpfeife gesogen.

Und nun war Philipp ratlos. Da nahm die Mutter ihn an die Hand und sie gingen zur Eisenhütte. Philipp wurde Schlosserlehrling, aber mit einem unguten Gefühl, wenn er an den Endsieg dachte.

In der Werkstatt standen die Jungen in langen Reihen an den Schraubstöcken und lernten das Feilen, Meißeln und Bohren an vorgefertigten Metallteilen.

Der Werkstattleiter war ein jähzorniger Mann mit einer silbernen Schädelplatte, die er nach einer Verwundung an der Front bekommen hatte. Ständig trug er einen Hut; nur wenn er mit wehenden Kittelschürzen schimpfend und Ohrfeigen verteilend durch die Werkstatt eilte und ein letztes Argument nötig zu haben glaubte, zog er den Hut und zeigte allen seinen Silberschädel.

Philipp machte gewissenhaft seine Übungsarbeiten, lebte aber doch mit der dauernden Angst, geohrfeigt zu werden. Nach zwei Wochen, Philipp war gerade an diese Umgebung gewöhnt, kam der Meister mit der Silberplatte an seinen Schraubstock.

»Pack deine Sachen zusammen, aus dir wird doch kein Schlosser. Melde dich drüben im Forschungsinstitut, da ist im Labor eine Stelle für einen Laborantenlehrling frei geworden.« Als er Philipps verängstigtes, ratloses Gesicht sah, wurde er ungnädig. »Hau ab! In einer halben Stunde will ich dich hier nicht mehr sehen, sonst gibt es was!«

Der Laborleiter nahm Philipp mit zum Büro des Professors.

»So so, du bist das also«, sagte der Professor und hielt eine Rede über Pflichterfüllung für Führer und Vaterland in einer außergewöhnlichen Zeit und dass Jungen wie Philipp nur in einer solch großen Zeit so viel Glück zuteil werden könne.

Philipp gefiel die Rede, besonders wenn er Wendungen wie »zuteil werden« und »große Zeit« hörte. Er betrachtete respektvoll das Parteiabzeichen am Revers des Professors und das Führerbild an der Wand, fühlte sich auf einmal bedeutend und vergaß endgültig, dass er eigentlich Bergarbeiter werden sollte.

Zum Laborleiter, der Peter Hansen hieß und den hinter dessen Rücken alle Pidder nannten, fasste Philipp bald Vertrauen. Über ihn ging das Gerücht, er sei ein Kommunist. Philipp bekam von ihm Zeitschriften und Bücher geliehen.

»Lies das!«, sagte Pidder und legte dem Jungen immer mal wieder ein Exemplar auf den Arbeitsplatz.

Nach Ende des Krieges dauerte es ein halbes Jahr, bis der Professor aus einem englischen Internierungslager frei kam und an seinen Schreibtisch zurückgekehrt war. Es hieß, dass er als Mitläufer eingestuft worden sei. Im Institut hatte sich wenig verändert, nur an der Wand hinter dem Schreibtisch des Professors hingen jetzt die »Betenden Hände« von Dürer.

Als Philipp seine Ausbildung abgeschlossen hatte, musste er wieder vor diesem Schreibtisch stehen und einen Vortrag anhören. Von der Erwartung war die Rede und dass er nun seine Pflicht für Firma und Vaterland ... Er habe eine gute Prüfung gemacht, sicher, aber menschlich − der Professor wiegte seinen Kopf −, menschlich habe er enttäuscht.

»Was warst du doch ein netter, bescheidener Junge, als du bei uns anfingst! Du musst lernen dich einzuordnen und Autoritäten zu achten. Und halte dich von Leuten fern, die einen schlechten Einfluss auf dich haben.«

Philipp musste immer auf die »Betenden Hände« an der Wand schauen und erwartete jeden Moment, dass sie sich voneinander lösen und zum Führergruß erheben würden. Er musste grinsen.

»Mach, dass du rauskommst!«, polterte der Professor.

Pidder nahm den Jungen zur Seite.

»Geh von hier weg! Wenn du weiter zur Schule gehen möchtest, werde ich dir helfen. Ein Stipendium könntest du auch bekommen. Ich beziehe aus Berlin das ›Neue Deutschland‹, da steht gerade etwas für dich drin. Morgen bringe ich es dir mit.«

Am nächsten Tag las Philipp: An der Berliner Universität ist jetzt auch eine Vorstudienabteilung eröffnet worden. Arbeiter- und Bauernkinder sowie Kinder der werktätigen Intelligenz, die über eine abgeschlossene Grundschul- und Berufsausbildung verfügen und sich durch hervorragende Arbeitsleistungen in der Produktion auszeichnen, können von sozialistischen Betrieben zum Besuch der Vorstudienabteilung delegiert werden.

Ein sozialistischer Betrieb ist das hier ja nun nicht gerade, dachte Philipp, und in den Osten delegieren wird mich wohl auch keiner. Pidder aber meinte, das sei ein Text für die Sowjetzone, und in Berlin würden sie es wohl nicht so genau nehmen. Dabei zupfte er an seinen kräftigen, schwarzen Augenbrauen, als wollte er sie ausreißen, was er immer tat, wenn er verlegen wurde.

Einen Monat nach der Währungsreform, Philipp hatte gerade das erste Mal sein Gehalt in neuem Geld bekommen, erhielt er aus Berlin eine Einladung zur Aufnahmeprüfung. Ende September verabschiedete er sich im Institut.

»Was nütze es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele«, gab ihm der Professor bedeutungsvoll mit auf den Weg, schenkte ihm ein kleines Buch mit Bibelsprüchen, ging anschließend ins Labor und rieb sich inmitten der Laboranten die Hände.

»Den sind wir also los!«

Alle lachten zustimmend. Pidder schwieg und drückte, als sie alleine waren, dem Jungen auch ein schmales Bändchen in die Hand. Als Philipp das Bändchen aufschlug, sah er, dass es in London gedruckt worden und genau 100 Jahre alt war; das Papier war schon ganz gelb. Es trug den Titel »Manifest der Kommunistischen Partei« und begann mit dem Satz: Ein Gespenst geht um in Europa ...

Vater Siebert brachte Philipp zum Bahnhof und trug den Jutesack mit dem Federbett.

»Wie willst du mit den beiden Koffern das alles noch tragen?«, fragte er.

»Es wird schon gehen«, antwortete Philipp. Er brauchte dieses Federbett nicht, wollte aber seine Mutter nicht kränken.

»Deine Aussteuer, und damit du es warm hast«, hatte sie mit einem missglückten Lächeln gesagt, ihm einen Kuchen eingepackt, verstohlen noch einen Christopherus-Taler in die Hand gedrückt und dann still geweint, so wie er sie manchmal hatte weinen sehen, wenn sie von ihrem Mann geprügelt worden war oder ein anderer Kummer sie quälte.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!