Geschichte der deutschen Entwicklungspolitik - Michael Bohnet - E-Book

Geschichte der deutschen Entwicklungspolitik E-Book

Michael Bohnet

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Beschreibung

Die deutsche Entwicklungspolitik war unter den bislang 13 Ministerinnen und Ministern durch ein Wechselbad von Strategien geprägt. Außen- und Sicherheitspolitik, Wirtschafts- und Rohstoffpolitik sowie Umwelt- und Friedenspolitik waren stets durchwoben von ethisch-humanitären Motiven. Der Autor skizziert diese häufigen Paradigmenwechsel durch die Geschichte und vermittelt eine eindrucksvolle Innenansicht der Etappen der deutschen Entwicklungspolitik. Zu allen Perioden werden Stimmen von Zeitzeugen wiedergegeben. Neu in dieser Auflage: Der Autor bettet die 15 Etappen der deutschen Entwicklungspolitik (von 1960 bis heute) stärker in den geschichtlichen Zusammenhang ein und er skizziert die aktuelle Entwicklungspolitik unter Gerd Müller in einem erweiterten Kapitel. Auch die Rolle zivilgesellschaftlicher Organisationen berücksichtigt er stärker. Die Erfolge und Misserfolge der letzten 60 Jahre stellt er ausführlich dar und ein 15-Punkte-Programm für die künftige Entwicklungspolitik vor. Auch weitere Zeitzeugen kommen mit Kurzbeiträgen zu Word. Das Geleitwort verfasste Dirk Messner.

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Seitenzahl: 423

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Geschichte der deutschen Entwicklungspolitik

Strategien, Innenansichten, Erfolge, Misserfolge, Zeitzeugen, Herausforderungen

2., überarbeitete und erweiterte Auflage

UVK Verlag ‧ München

 

 

© UVK Verlag München 2019 - ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen www.narr.de • [email protected]

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

 

ISBN 978-3-8252-5138-3 (Print)

ISBN 978-3-8463-5138-3 (ePub)

Inhalt

„Es werden so viele ...Geleitwort von Dirk MessnerVorwortZusammenwirken staatlicher Entwicklungspolitik, nicht-staatlicher Organisationen und PartnerlandDanksagungAbkürzungsverzeichnis1 Grundwissen Entwicklungspolitik❋ Definitionen❋ Ziele❋ ArtenEntwicklungspolitik im engeren Sinne (Entwicklungszusammenarbeit)Entwicklungspolitik im weiteren Sinne (globale Strukturpolitik)❋ Erfolgskontrolle❋ Grafiken2 Die mühseligen Anfänge der deutschen Entwicklungspolitik (1953–1961)❋ Beschreibung und Wertung❋ Stimmen von Zeitzeugen: Walter Kiefer, Dr. Günther OldenbruchErwachende Solidarität: Die Kirchen als Wegbereiter der EntwicklungszusammenarbeitDer lange Weg zum Uhlhof – die Vorbereitungsstätte der DSE3 Entwicklungspolitik im Dienste der Deutschlandpolitik❋ Beschreibung und Wertung❋ Stimmen von Zeitzeugen: Harald Hofmann, Winfried Böll, Prof. Peter Molt, Dr. Martin GreiffAller Anfang ist schwerDie freischaffenden KünstlerDie Geburt der Auslandsarbeit der Politischen Stiftungen, eines weltweit einzigartigen DialoginstrumentsKennedy, Adenauer und Lübke geben sich die Ehre4 Entwicklungspolitik unter erschwerten innenpolitischen Bedingungen❋ Beschreibung und Wertung❋ Stimmen von Zeitzeugen: Dr. Wolf Preuss, Dr. Helmut Giesecke, Dr. Sigvard ClasenDer GerechteAusbau der jungen Entwicklungspolitik trotz WirtschaftsflauteEntwicklungszusammenarbeit als Schlüsselelement für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Prosperität in Südkorea und Malaysia5 Entwicklungspolitik im Lichte der ökologischen Grenzen des Wachstums❋ Beschreibung und Wertung❋ Stimmen von Zeitzeugen: Manfred Kulessa, Herbert SahlmannWeltinnenpolitik und PietcongManfred Kulessa: Abgang Erhard Eppler (1974)Klarer Denker und wertorientiertes Handeln6 Entwicklungspolitik im Zeichen des Ölpreisschocks❋ Beschreibung und Wertung❋ Stimmen von Zeitzeugen: Prof. Uwe Holtz, Karsten Hinrichs, Jochen KennewegEin Real- und wirkmächtiger Entspannungspolitiker in Nord-Süd-FragenEin strategischer DenkerBahr’sche Triolen7 Entwicklungspolitik zur Förderung der Frauen❋ Beschreibung und Wertung❋ Stimmen von Zeitzeugen: Hans-Jürgen Stryk, Elisabeth D’HondtEine Ministerin mit Herz und engagierte ParlamentarierinEine Vorkämpferin für die Gleichberechtigung der Frauen8 Entwicklungspolitik in einer Phase verschärfter Ost-West-Spannungen❋ Beschreibung und Wertung❋ Stimmen von Zeitzeugen: Dr. Hans-Peter Schipulle, Georg Lührs, Prof. Dr. Heinz-Günter Geis, Christian Wilmsen, Dr. Hans-Dietrich Pallmann, Heinrich LehneWie ein Hobby die Amtsführung prägtKonzeption und WirklichkeitSchwierige Beziehung zwischen BMZ und kritischer ForschungZwei ungläubig Staunende: Die Entdeckung der Omnipotenzfalle9 Entwicklungspolitik im Zeichen wirtschaftlicher Rezession❋ Beschreibung und Wertung❋ Stimmen von Zeitzeugen: Dr. Hans-Helmut Taake, Dr. Helmut Schaffer, Walter Kiefer, Dr. Susanne Nonnen, Bernd Blank, Gert-Robert LiptauEin Mann der klaren AnsageWarnke und die „Linksabweichler“ im entwicklungspolitischen Vorfeld des BMZNeue Ideen brauchen Zeit oder die begrenzte Sichtweise eines MinistersZukunft braucht Erfahrung: Die Erfolgsgeschichte des Senior Experten ServiceEin Haushaltsloch wird entdeckt„Steter Tropfen …“10 Entwicklungspolitik im geschichtlichen Zusammenhang❋ Beschreibung und Wertung❋ Stimmen von Zeitzeugen: Manfred H. Obländer, Dr. Alexander G. Friedrich, Dr. Gero Jentsch, Cay GabbeImmer mit Fliege und viel Humor: der Außen- und Entwicklungspolitiker Hans KleinDer vaterlandsbewusste Sudetendeutsche mit internationalem WeitblickEntbürokratisierung der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mit den KirchenKleins politischer Coup: der Schuldenerlass11 Entwicklungspolitik im Prozess der Wiedervereinigung und das Schicksal der DDR-Entwicklungsprojekte❋ Beschreibung und Wertung❋ Stimmen von Zeitzeugen: Dr. Gerd Schetting, Prof. Dr. Matthias Weiter„Entwicklungszusammenarbeit“ der DDRDer Entwicklungspolitische Runde Tisch12 Entwicklungspolitik in gesamtdeutscher Verantwortung❋ Beschreibung und Wertung❋ Stimmen von Zeitzeugen: Dr. Klemens van de Sand, Prof. Franz Nuscheler, Reiner Kraetsch, Dr. Günter BonnetDer Minister, der von rechts kam und links überholteVom innenpolitischen Saulus zum entwicklungspolitischen PaulusPolitik der Armutsbekämpfung – ein administrativer Quantensprung unter SprangerBonn wird Deutsches Zentrum für internationale Zusammenarbeit13 Entwicklungspolitik als globale Strukturpolitik❋ Beschreibung und Wertung❋ Stimmen von Zeitzeugen: Dr. Michael Hofmann, Adolf Kloke-Lesch, Wolfgang Kroh, Prof. Dirk Messner, Dr. Reinhard HermleEntwicklungspolitische Fortschritte durch vier PowerfrauenSicherheitspolitik für MenschenEine kraftvolle Neuerung: Fachliche und Regionale Schwerpunktbildung in der bilateralen EntwicklungszusammenarbeitDie Globalisierung gestaltenDistanz und Nähe: Zum Verhältnis von NRO und BMZ14 Entwicklungspolitik mit wirtschaftsfreundlichem Profil❋ Beschreibung und Wertung❋ Stimmen von Zeitzeugen: Prof. Dr. Jürgen Wilhelm, Gerold Dieke, Thomas AlbertDie TurbofusionWichtige Reformen, schwierige ÖffentlichkeitsarbeitEine gelungene Integration der Entwicklungspolitik in die Außenpolitik15 Paradigmenwechsel: Nachhaltigkeit rückt ins Zentrum❋ Beschreibung und Wertung❋ Stimmen von Zeitzeugen: Prof. Dr. Dr. hc. Joachim von Braun, Hans-Joachim Daerr, Prof. Constantin von BarloewenEntwicklungspolitischer Wandel nach 2010: Suche nach neuer Identität im WettbewerbHerausforderung: das FlüchtlingsproblemIst Modernisierung zwingend Verwestlichung?16 Licht und Schatten nach 60 Jahren Entwicklungspolitik❋ Wirkungen der Entwicklungszusammenarbeit❋ Erfolgsfaktoren ❋ Fünfzehn Lehren für aktuelle und zukünftige entwicklungspolitische Herausforderungen❋ FazitTabellarische ÜbersichtenDie handelnden Personen im Überblick❋ Die Minister des BMZ1)❋ Die Parlamentarischen Staatssekretäre des BMZ1)❋ Die beamteten Staatssekretäre des BMZ1)❋ Die Abteilungsleiter des BMZ (die sog. „politischen Beamten“)❋ Die Unterabteilungsleiter des BMZ❋ Organisationspläne des BMZ aus den unterschiedlichen Epochen (1961–heute)❋ Vorsitzende des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AwZ) des Deutschen Bundestages❋ Institutionen der EntwicklungszusammenarbeitKurzbiographie des AutorsLiteraturverzeichnisPersonenverzeichnisStichwortverzeichnis

für Heidi,

Max, Hans, Nikolina,

Leonel und Hannes

„Es werden so viele schöne Worte über Freiheit geredet, aber nichts in der Welt macht so unfrei wie Armut!“

Martin AndersenNexø (1869–1954), dänischer Schriftsteller

Geleitwort von Dirk MessnerMessner, Dirk

Die erste Auflage der „Geschichte der deutschen Entwicklungspolitik” war ein großer Erfolg. Die zweite, nun vorgelegte Auflage, wurde von Michael Bohnet gründlich erarbeitet und ergänzt, insbesondere durch eine präzise Analyse der Entwicklungspolitik unter Bundesminister Müller. Die Lektüre der 2. Auflage lohnt in jedem Falle, schon um das neue Kapitel „Licht und Schatten nach 60 Jahren Entwicklungspolitik – fünfzehn Lehren für die zukünftige Entwicklungspolitik“ zu studieren. Nur wenige Autoren verfügen, aus wissenschaftlicher und praktischer Perspektive zugleich, über so viel Überblick, Kontext und Detailkenntnisse, Wissen über das Innenleben der Entwicklungspolitik sowie die Fähigkeit zu kritischer und konstruktiver Analyse, wie Michael Bohnet.

Michael Bohnet war fünf Jahre Leiter der Entwicklungsländer und Afrikaabteilung des ifo-instituts für Wirtschaftsforschung in München, bevor er 1973 ins BMZ wechselte. Über 40 Jahre hat er die deutsche und die multilaterale Entwicklungspolitik mitgeprägt, zunächst als Leiter des Planungsstabes des BMZ, dann als Leiter des Evaluierungsreferates und des UNReferates. Ab 1991 gestaltete er als Unterabteilungsleiter die sektorale und globale Entwicklungspolitik des Ministeriums mit. Ab 1998 war er Abteilungsleiter der multilateralen Abteilung des BMZ, ab 1999 Leiter der bilateralen Abteilung und zugleich stellvertretender Staatssekretär. Michael Bohnet kennt die deutsche Entwicklungspolitik, mit allen ihren Facetten, wie nur sehr wenige andere.

Zwischen 1961 und heute gab es vierzehn EntwicklungsministerInnen. Michael Bohnet hat in vierzig Jahren mit über zehn von ihnen zusammengearbeitet. Das vorliegende Buch untersucht nicht nur die sich wandelnden Strategien der deutschen Entwicklungspolitik und ihre jeweiligen Rollen in der internationalen Zusammenarbeit für Entwicklung, sondern diskutiert mit klarem, kritischen, aber auch immer problemlösungsorientiertem Blick die Erfolge und Misserfolge. Dabei bietet dieses Buch eine interessante Doppelperspektive auf die Entwicklungspolitik. Als Insider vermittelt Bohnet detaillierte Innenansichten aus dem „Maschinenraum“ der Entwicklungspolitik, die externen Betrachtern üblicherweise eher verborgen bleiben. Als Mitgestalter und Macher der Entwicklungspolitik weiß er, was funktionierte und was nicht. Zugleich setzt Michael Bohnet in der Rückschau auf 60 Jahre Entwicklungspolitik die Brille des kritischen, aber konstruktiven Beobachters auf. Es sind diese Perspektivwechsel, die dieses Buch besonders lesenswert machen.

Das Buch wird angereichert durch Beiträge von Zeitzeugen, die aus ihren jeweiligen Perspektiven die Etappen der deutschen Entwicklungspolitik kommentieren, einordnen, Kontroversen sichtbar machen, zuweilen ironisch betrachten. Die zweite Auflage enthält zudem einprägsame InfoGraphiken, ergänzt durch ein Kapitel über das „Grundwissen der Entwicklungspolitik“, ihre Ziele, Organisationen, Heuristiken, Instrumente. Ein 15PunkteProgramm zur Zukunft der Entwicklungspolitik macht Reformbedarfe in der deutschen Entwicklungspolitik deutlich, die sich nicht zuletzt aus den großen Herausforderungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts ergeben: Wie kann Wohlstand für bald 10 Mrd. Menschen in den Grenzen des Erdsystems geschaffen werden? Wie kann die Entwicklungspolitik auf autoritärpopulistische Bewegungen im Westen und die Erosion des Multilateralismus reagieren? Wie gelingt Europa eine tragfähige Partnerschaft mit Afrika?

Michael Bohnet ist ein Chronist der deutschen Entwicklungspolitik, ein Brückenbauer zwischen Praxis und Theorie, ein Volkswirt, der immer wieder seine disziplinären Grenzen überschreitet, indem er die kulturellen, sozialen, politischen, ökologischen Dimensionen menschlicher Entwicklung ausleuchtet, ein Analyst, der Detailwissen mit der Analyse des Systems der Entwicklungspolitik zu verbinden versteht. Dem Buch ist zu wünschen, dass es dazu beiträgt, die oft vorherrschende Sprachlosigkeit zwischen den Praktikern, Beobachtern und Theoretikern der Entwicklungspolitik aufzubrechen. Michael Bohnet weiß, dass bessere Entwicklungspolitik nicht nur ein Umsetzungsproblem ist, sondern Investitionen in Wissen und Forschung auch in der Entwicklungspolitik Grundlage von Innovations und Zukunftsfähigkeit sein müssen. Sein Buch zeigt zugleich, dass kritische Wissenschaft und wirksame wissenschaftliche Politikberatung in der Entwicklungspolitik von dem Wissen, der Erfahrung und den Innenansichten der Praktiker profitieren können. Entstehen solch epistemische Gemeinschaften aus Praktikern, Theoretikern, Beobachtern, Kritikern, sind die Chancen für eine Entwicklungspolitik „auf der Höhe der Zeit“ groß. Wo Praktiker und Theoretiker sich aus dem Weg gehen, drohen Pfadabhängigkeiten und geringe Innovationskraft – auf beiden Seiten.

 

Bonn, im April 2019 Dirk MessnerMessner, Dirk

Zur Person

Prof. Dr. Dirk Messner ist seit Oktober 2018 Leiter des Instituts für Umwelt und Menschliche Sicherheit der Universität der Vereinten Nationen in Bonn. Er war von 2003 bis 2018 Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) in Bonn und hat den Aufstieg des DIE zur einem der weltweit führenden Forschungsinstituten im Bereich der Kooperation mit Entwicklungsländern entscheidend vorangetrieben und geprägt.

Vorwort

Die vergangenen 60 Jahre deutscher Entwicklungspolitik waren geprägt durch ein Wechselbad unterschiedlicher strategischer Ansätze – deutschlandpolitische, außenpolitische, sicherheitspolitische, wirtschaftspolitische, rohstoffpolitische, umweltpolitische und friedenspolitische Interessen waren und sind durchwoben von moralischhumanitären Motiven. Dieses Buch verdeutlicht den häufigen Paradigmenwechsel in der deutschen Entwicklungspolitik.

Auf den folgenden Seiten beschreibe und bewerte ich die Strategien, Inhalte und Ergebnisse von 14 Etappen deutscher Entwicklungspolitik, beginnend mit den mühseligen Anfängen in den 1950er-Jahren und dem ersten Entwicklungsminister Walter Scheel in der ersten Hälfte der 1960er-Jahre bis hin zum Entwicklungsminister Gerd Müller heute.

Das erste Kapitel skizziert die Kernelemente der deutschen Entwicklungspolitik. Es definiert Ziele, Arten, Instrumente und Formen der Entwicklungspolitik und vermittelt Ihnen dadurch einen guten Einstieg. Diese Begriffsklärungen erleichtern es Ihnen, die in den folgenden Kapiteln genannten Fachausdrücke zu verstehen und in einen Gesamtzusammenhang einzuordnen.

Um den zeitgeschichtlichen Hintergrund zu verdeutlichen, werden Äußerungen einzelner Minister an verschiedenen Stellen im Originalwortlaut wiedergegeben und zu allen Epochen deutscher Entwicklungspolitik Stimmen von Zeitzeugen aufgenommen. Sie erläutern und bewerten die entwicklungspolitischen Inhalte der einzelnen Phasen und die Arbeit der verschiedenen Minister.

Das Buch schließt mit einer Bilanz. Fortschritte und Rückschläge werden deutlich benannt.

Die Erfolgsgeschichten betreffen vor allem die verbesserte wirtschaftliche und soziale Lage in Entwicklungsländern – auch in Afrika. Angesichts einer Medienlandschaft, in der oft gilt: „bad news sells“, zeige ich anhand faktenbasierten Wissens auf, wie sich in den letzten 20 bis 30 Jahren die Armut, die Kinder und Müttersterblichkeit, die Ausbreitung von Tuberkulose, Malaria und AIDS verringert haben und wie sich der Grundschulbesuch und der Zugang zu sauberem Trinkwasser drastisch erhöht haben – auch in Afrika. Das ist eine Erfolgsgeschichte, die in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt ist, da sie überdeckt wird durch aktuelle Katastrophenmeldungen, z.B. Ebola in Sierra Leone, oder politische Krisen in Syrien, Yemen, Mali und Südsudan.

Ich schildere allerdings auch die Rückschläge: Die Misserfolgsgeschichten betreffen vor allem die Hungerbekämpfung und die ökologische Lage (Zerstörung der Wälder, Verlust der Artenvielfalt, Anstieg der Treibhausgasemissionen, Überfischung der Meere). Der Anteil der Entwicklungspolitik an diesen positiven und negativen Entwicklungen wird deutlich benannt.

Der Blick in die Zukunft verlangt von der Entwicklungspolitik sich gegen die Globalisierung der Gleichgültigkeit zu stemmen. Sie verlangt aber auch einen intelligenten strategischen Mix, denn in den vergangenen Jahren wurde die Welt von zwei heftigen Turbulenzen erschüttert, der globalen Finanzkrise und der Nahrungsmittelkrise. Hinzu kommt ein drastischer Klimawandel als eine Art Schiffbruch in Zeitlupe. Diese drei Faktoren zusammen haben unsere Vorstellung davon, wie sich die Welt entwickelt, gründlich verändert. Hier gilt es, „neu zu denken“ und UN-Konventionelle entwicklungspolitische Antworten zu finden. Das Buch zeigt deswegen fünfzehn große Herausforderungen auf dem Weg von der Entwicklungszusammenarbeit zur globalen Kooperation auf.

Die nächsten Jahrzehnte werden entscheiden, ob Armut und Hunger ebenso Geschichte werden wie die Sklaverei oder ob ein neues von Konflikten und Chaos bestimmtes Zeitalter die Fortschritte der vergangenen 60 Jahre wieder zunichtemachen wird.

Zusammenwirken staatlicher Entwicklungspolitik, nicht-staatlicher Organisationen und Partnerland

Konkrete Politik wird nicht nur von Ministern gemacht, die entscheidenden Akteure sind daneben die Staatssekretäre und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der entwicklungspolitischen Institutionen. Deshalb werden in einem Anhang die Namen aller Minister, aller beamteten und parlamentarischen Staatssekretäre, der Abteilungsleiter (die sog. politischen Beamten) und der Unterabteilungsleiter des BMZ von 1961 bis heute aufgeführt. Auch die Vorsitzenden des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Deutschen Bundestag von 1961 bis heute werden genannt. Ferner werden Organisationspläne aus allen Perioden des BMZ zugänglich gemacht, aus denen die Namen aller Referatsleiter seit 1961 bis heute zu ersehen sind. Des Weiteren wird eine Liste wichtiger entwicklungspolitischer Institutionen (mit dem Namen der derzeit Verantwortlichen) beigefügt.

Politik wird nicht nur „von oben“ gemacht, sondern entscheidend auch von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Ministerien im Zusammenspiel mit den Durchführungsorganisationen, mit dem Parlament und vielen zivilgesellschaftlichen Gruppen. Da in historischen Abhandlungen fast ausschließlich die „Oberen“ genannt werden, halte ich es für angemessen und notwendig, stellvertretend für die entwicklungspolitische Community die Namen der BMZPersonen aus den vergangenen über 60 Jahren zu nennen, die die eigentlichen „Gestalter“ waren.

Zu warnen ist vor einer „MachbarkeitsEuphorie“ von Ministern, Machern im Apparat und Experten in Entwicklungsorganisationen (die „MetaEbene“), deren Ideen und Vorschläge häufig an der harten Realität vor Ort zerbröseln. Nicht Verkündung von Politik ist oberstes Gebot, sondern die Umsetzung, und die bedarf einer Bodenhaftung an die Wirklichkeit von Armut, Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen vor Ort. Die Menschen in den Partnerländern sind es letztendlich, die entscheiden, ob ein Weg aus der Armuts und Ökologiefalle gefunden wird. Entwicklungszusammenarbeit ist immer nur Hilfe zur Selbsthilfe.

Es muss deutlich betont werden, Entwicklungspolitik ist nicht nur eine staatliche Aufgabe, sondern eine gesamtgesellschaftliche. Die sog. nicht-staatliche Entwicklungszusammenarbeit, d.h. die Arbeit vieler großer und kleiner zivilgesellschaftlichen Organisationen leistet einen beachtenswerten Beitrag zur Bewältigung von Hunger und Armut, doch letztlich gilt: Entwicklung braucht Selbstbestimmung. Änderungen, die die Wurzel der Armut erfassen, können nur die Betroffenen selbst herbeiführen. Generell stellt sich für unsere entwicklungspolitischen Konzeptionen die Entlastung von uneinlösbaren Ansprüchen, die Rückkehr zum Gedanken der Eigenverantwortlichkeit der Entwicklungsländer. Mut ist gefordert, um eine andere Art der Definition von Entwicklungspolitik ins Auge zu fassen: Entwicklungspolitik ist Rücksichtnahme auf das, was andere können.

Bonn, im Mai 2019

Michael Bohnet

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich insbesondere Herrn Dipl. oec. Rainer Berger danken, der als verantwortlicher Lektor des UVK Verlages das Buch in all seinen Phasen auch die 2. Auflage äußerst kundig und wirkungsvoll betreut hat. Ihm verdanke ich viele wertvolle Hinweise.

Ich danke auch den zahlreichen Zeitzeugen, die durch ihre konstruktiven und kritischen Beiträge, die in diesem Buch abgedruckt sind, dem Buch die richtige Würze gegeben haben.

Ferner danke ich meiner langjährigen Sekretärin Frau Elke Treu, die durch ihren unermüdlichen Einsatz, ihren bewundernswerten Fleiß, ihre Sachkunde und ihre Geduld das Buch erst ermöglicht hat.

Mein Dank gilt auch meiner Frau Dr. Heidi Bohnetvon der Thüsen, die als Lektorin – jahrzehntelang beim Piper Verlag München tätig – darauf verzichtet hat, den Rotstift zu ziehen. Sie wusste mich bei Herrn Rainer Berger in besten Händen.

Ich danke auch meinem Sohn Dr. Johannes Bohnet für die Hilfe bei der Erstellung der Infografiken.

Organisationspläne

Die Organisationspläne des BMZ aus den unterschiedlichen Epochen finden Sie beim Buch online unter dem Reiter „Zusatzmaterial“ auf  utbshop.de.

Abkürzungsverzeichnis

AA

Auswärtiges Amt

ADB

Asian Development Bank

AfDB

African Development Bank

AGEH

Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe e. V.

AIDS

Acquired Immunodeficiency Syndrom

AKP

Afrikanische, Karibische und Pazifische Staaten

AvH

Alexander von Humboldt-Stiftung

AwZ

Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit

BfE

Bundesstelle für Entwicklungshilfe

BGR

Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe

BK

Betriebliche Kooperation

BM

Bundesminister

BMWi

Bundesministerium für Wirtschaft

BMZ

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

BRICSLänder

Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika

BSP

Bruttosozialprodukt

CDG

Carl Duisberg Gesellschaft e. V.

CFI

Christliche Fachkräfte International

CIC

Center for International Cooperation

CSR

Corporate Social Responsibility

DAAD

Deutscher Akademischer Austauschdienst

DAC

Development Assistance Committee

DDR

Deutsche Demokratische Republik

DED

Deutscher Entwicklungsdienst

DEG

Deutsche Investitions und Entwicklungsgesellschaft

DEVAL

Deutsches Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit

DFB

Deutscher Fußballbund

DFG

Deutsche Forschungsgemeinschaft

DGVN

Deutsche Gesellschaf für die Vereinten Nationen

DIE

Deutsches Institut für Entwicklungspolitik

DIHT

Deutscher Industrie und Handelstag

DOSB

Deutscher Olympischer Sportbund

DSE

Deutsche Stiftung für internationale Entwicklung

DSU

Deutsche Soziale Union

Dienste in Übersee

EED

Evangelischer Entwicklungsdienst

EF

Entwicklungspolitisches Forum

EG

Europäische Gemeinschaft

Eirene

Internationaler Christlicher Friedensdienst

EKD

Evangelische Kirche Deutschlands

ERP

European Recovery Programm

ERT

Entwicklungspolitischer Runder Tisch

EU

Europäische Union

EZ

Entwicklungszusammenarbeit

FAO

Food and Agriculture Organization of the United Nations

FCKW

Fluorchlorkohlenwasserstoff

FZ

Finanzielle Zusammenarbeit

GAWi

Garantie Abwicklungsgesellschaft

GEP

Globale Entwicklungspartner

GEF

Global Environmental Facility

G7/G8

Gruppe der sieben großen westlichen Industrieländer (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, USA) und Russland

GIZ

Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit

GSG 9

Grenzschutztruppe 9 der Bundespolizei

GTZ

Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit

HIPC

Highly Indebted Poor Countries

HIV

Human Immunodeficiency Virus

HO

Handelsorganisation der DDR

IDA

International Development Association

IFAD

Internationaler Fonds für Landwirtschaft und Entwicklung

IG Metall

Industriegewerkschaft Metall

IMF

International Monetary Fund

INEF

Institut für Entwicklung und Frieden

InWEnt

Internationale Weiterbildung und Entwicklung gGmbH

IRA

Interministerieller Referentenausschuss

ISAF

International Security Assistance Force

IUCN

International Union for Conservation of Nature

IWF

Internationaler Währungsfonds

KfW

Kreditanstalt für Wiederaufbau

LDC

Least Developed Countries

MDB

Mitglied des Bundestages

MDG

Millennium Development Goals

MIGA

Multilateral Investment Guarantee Agency

Misereor

Bischöfliches Hilfswerk (lat. Misereor „Ich erbarme mich“)

MWZ

Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit der DDR

NATO

North Atlantic Treaty Organization

NGO

NonGovernmental Organization

NRO

Nichtregierungsorganisation

ODA

Official Development Assistance

ODI

Overseas Development Institute

OECD

Organization for Economic Cooperation and Development

OMVG

Organisation pour la Mise en Valeur du Fleuve Gambie

OMVS

Organisation pour la Mise en Valeur du Fleuve Sénégal

OPEC

Organization for Petroleum Exporting Countries

PPP

Public Private Partnership

PSPPA

Poverty and Social Policy Programme for Africa

PTB

PhysikalischTechnische Bundesanstalt

SADCC

Southern Africa Development Coordination Conference

SDG

Sustainable Development Goals

SED

Sozialistische Einheitspartei Deutschlands

SEF

Stiftung Entwicklung und Frieden

SES

Senior Experten Service

S24/E31

Sondereinheit 24/Einheit 31

TOSD

Total Official Support for Development

TZ

Technische Zusammenarbeit

UdSSR

Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken

UN

United Nations

UNCCD

United Nations Convention to Combat Desertification

UNCED

United Nations Conference on Environment and Development

UNDP

United Nations Development Programme

UNEP

United Nations Environment Programme

UNFCCC

United Nations Framework Convention on Climate Change

UNFPA

United Nations Population Fund

UNHabitat

United Nations Human Settlements Programme

UNHCR

United Nations High Commissioner for Refugees

UNICEF

United Nations International Children’s Emergency Fund

UNIFEM

United Nations Development Fund for Women

UNV

United Nations Volunteers

UVP

Umweltverträglichkeitsprüfung

VENRO

Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen

VN

Vereinte Nationen

WBGU

Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen

WFD

Weltfriedensdienst

WFP

World Food Programme

ZEF

Zentrum für Entwicklungsforschung

ZEi

Zentrum für Europäische Integration

ZFD

Ziviler Friedensdienst

1Grundwissen Entwicklungspolitik

❋ Definitionen

Die EntwicklungspolitikEntwicklungspolitik umfasst alle Maßnahmen der Industrieländer zur Förderung der sozialen, ökonomischen und ökologischen Entwicklung in Entwicklungsländern.

Der Begriff EntwicklungslandEntwicklungsland wird häufig unscharf verwendet, denn eine einheitliche Definition gibt es nicht. Entwicklungsländer weisen in der Regel gemeinsame Merkmale auf: Unterernährung größerer Gruppen der Bevölkerung, Armut im Sinne eines niedrigen Pro-Kopf-Einkommens und mangelnder Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Prozess, schlechte Gesundheitsversorgung, unzureichende Bildungsmöglichkeiten, hohe Arbeitslosigkeit sowie eine extrem ungleiche Einkommens und Vermögensverteilung.

Eine Liste der Entwicklungsländer hat der Entwicklungsausschuss (DAC) der OECD erstellt. Diese Liste wird ständig aktualisiert. Über die Website des BMZ kann diese Liste eingesehen werden:

 www.bmz.de/de/ministerium/zahlen_fakten/hintergrund/dac_länderliste

❋ Ziele

Die deutsche Entwicklungspolitikentwicklungspolitische Ziele verfolgt vier Ziele:

die weltweite Armut zu bekämpfen,

den Frieden zu sichern und Demokratie zu verwirklichen,

die Globalisierung gerecht zu gestalten und

die Umwelt zu schützen.

Diese Anliegen ergänzen sich gegenseitig und stehen in einem inne­­ren Wirkungszusammenhang.

❋ Arten

Unter Entwicklungspolitik im engeren Sinne versteht man die Entwicklungszusammenarbeit. Die Entwicklungspolitik im weiteren Sinne ist die globale Strukturpolitik.

EntwicklungspolitikEntwicklungspolitikim engeren Sinne im engeren Sinne (Entwicklungszusammenarbeit)

Der Entwicklungsausschuss der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Development Assistance Commitee, DAC) definiert Öffentliche EntwicklungszusammenarbeitÖffentliche Entwicklungszusammenarbeit (Official Development Assistance, ODA-ODA) als Leistungen der OECD-Länder, die von öffentlichen Stellen stammen und

in Form von Zuschüssen oder Darlehen gewährt werden, was im Falle der Darlehen bedeutet, dass die Mittel ein Zuschusselement von 25 % aufweisen müssen (Konzessionalität),

dem Hauptziel der Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung von Entwicklungsländern dienen und

an Entwicklungsländer bzw. Staatsangehörige von Entwicklungsländern oder an internationale Organisationen zugunsten von Entwicklungsländern vergeben werden.1

In der entwicklungspolitischen Praxis wird zwischen bilateraler und multilateraler Entwicklungszusammenarbeit unterschieden: Bilaterale Entwicklungszusammenarbeit wird von einem einzelnen Staat, multilaterale Entwicklungszusammenarbeit hingegen von einer internationalen Einrichtung vergeben. Grundsätzlich bevorzugen staatliche Geber die bilaterale gegenüber der multilateralen Entwicklungszusammenarbeit, nur knapp 30 % wird über multilaterale Stellen (einschließlich der EU) zur Verfügung gestellt.

Bilaterale EntwicklungszusammenarbeitEntwicklungszusammenarbeitbilateral

Im Rahmen der bilateralen staatlichen Zusammenarbeit unterstützt die Bundesregierung Projekte und Programme der Partner. Sie leistet ihre Beiträge unmittelbar an ein Partnerland und schließt mit ihm darüber völkerrechtlich gültige Verträge ab.

Die staatliche bilaterale Entwicklungszusammenarbeit verfügt im Wesentlichen über folgende Instrumente:

Finanzielle ZusammenarbeitZusammenarbeitfinanzielle (FZ): Sie dient überwiegend dem Aufbau leistungsfähiger Strukturen sowie der Finanzierung von Sachgütern bzw. Anlageinvestitionen und wird den Entwicklungsländern in der Regel in Form günstiger Kredite – für ärmste Entwicklungsländern (LDC) als nichtrückzahlbare Finanzierungsbeiträge – zur Verfügung gestellt. Bei der Finanziellen Zusammenarbeit werden vornehmlich Investitionen zum Ausbau der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, zum Umwelt, Klima und Ressourcenschutz sowie zur Stärkung des Finanzsektors finanziert.

Technische ZusammenarbeitZusammenarbeittechnische (TZ): Sie hat vor allem die Aufgabe, die Fähigkeiten von Menschen, Organisationen und Gesellschaften in den Partnerländern zu erhöhen (Capacity Development). Technische Zusammenarbeit umfasst unter anderem folgende Leistungen: Beratung durch Fachkräfte, Finanzierung von Beratungsleistungen, Bereitstellung von Ausrüstung und Material für die Ausstattung der geförderten Einrichtungen und die Erstellung von Studien und Gutachten. Die Leistungen der Technischen Zusammenarbeit werden unentgeltlich erbracht.

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung beauftragt Durchführungsorganisationen mit der konkreten Umsetzung der entwicklungspolitischen Vorhaben der Bundesregierung. Die verantwortliche Organisation für die

finanzielle Zusammenarbeit ist die Kreditanstalt für Wiederaufbau EntwicklungsbankKreditanstalt für Wiederaufbau Entwicklungsbank (KfW),

technische Zusammenarbeit die Deutsche Gesellschaft für Internationale ZusammenarbeitDeutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).

In Einzelfällen werden die Leistungen auch direkt von der Bundesregierung erbracht, z.B. von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) oder der PhysikalischTechnischen Bundesanstalt (PTB).

Neben der staatlichen technischen Zusammenarbeit, die im Auftrag der Bundesregierung geleistet wird, umfasst die bilaterale Zusammenarbeit auch die nicht-staatliche Zusammenarbeitnicht-staatliche Zusammenarbeit, in deren Rahmen private Träger in eigener Verantwortung – aber gefördert mit staatlichen Zuschüssen – TZMaßnahmen durchführen.

Auch Nahrungsmittel, Not und Flüchtlingshilfe, die Ernährungssicherungsprogramme und die Förderung der Zusammenarbeit mit der deutschen Wirtschaft mit Entwicklungsländern sind Formen der bilateralen Zusammenarbeit.

Zu den zivilgesellschaftlichen Organisationenzivilgesellschaftliche Organisationen, deren eigene Entwicklungsarbeit die Bundesregierung seit über 40 Jahren fördert, gehören

die KirchenKirchen (Evangelischer Entwicklungsdienst, Misereor),

politische Stiftungenpolitische Stiftungen (KonradAdenauerStiftungKonradAdenauerStiftung, HannsSeidelStiftungHannsSeidelStiftung, Friedrich-Ebert-StiftungFriedrich-Ebert-Stiftung, FriedrichNaumannStiftungFriedrichNaumannStiftung, HeinrichBöllStiftungHeinrichBöllStiftung, RosaLuxemburgStiftungRosaLuxemburgStiftung),

private Trägerprivate Träger (z.B. WelthungerhilfeWelthungerhilfe, Kolping InternationalKolping International, Terre des HommesTerres des Hommes, Deutscher Genossenschaft und RaiffeisenverbandDeutscher Genossenschaft und Raiffeisenverband, KindernothilfeKindernothilfe, Deutscher VolkshochschulverbandDeutscher Volkshochschulverband, WeltfriedensdienstWeltfriedensdienst, AndheriHilfeAndheriHilfe, Karl-Kübel-StiftungKarl-Kübel-StiftungKarl-Kübel-Stiftung, Don Bosco Mondo e.V., Eirene – Internationaler Christlicher Friedensdienst, SolwodiDon Bosco Mondo e. V.).

Die Förderung zivilgesellschaftlicher Organisationen macht etwa 10 % an den Gesamtausgaben des BMZ-Haushaltes aus.

Zur Lösung globaler Strukturprobleme werden weltweit engagierte akademische Führungskräfte benötigt. Mit vielfältigen ProgrammMaßnahmen fördert das Ministerium daher im Rahmen der Wissenschafts und Hochschulkooperation die Anbindung der Partnerländer an globale Wissensnetze und die Qualifizierung akademischer Fach und Führungskräfte in entwicklungsrelevanten Sektoren. Dazu zählen die Programme des Deutschen Akademischen AustauschdienstesDeutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD), der Alexander von Humboldt-StiftungAlexander von Humboldt-Stiftung (AVH) und der Deutschen ForschungsgemeinschaftDeutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die auch vom BMZ finanziell gefördert werden.

Das BMZ arbeitet in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit mit folgenden Partnerländern zusammen.

Region

Kooperationsland

Asien

Afghanistan, Bangladesch, Indien, Indonesien, Kambodscha, Kirgistan, Laos, Mongolei, Nepal, Pakistan, Tadschikistan, Usbekistan, Vietnam

Südosteuropa/ Kaukasus

Albanien, Kosovo, Serbien, Ukraine

Lateinamerika und Karibik

Bolivien, Brasilien, Ecuador, Guatemala, Honduras, Kolumbien, Mexiko, Peru

Naher Osten

Ägypten, Jemen, Palästinensische Gebiete

Afrika

Äthiopien, Benin, Burkina Faso, Burundi, Ghana, Kamerun, Kenia, Demokratische Republik Kongo, Mali, Malawi, Marokko, Mauretanien, Mosambik, Namibia, Niger, Ruanda, Sambia, Südafrika, Südsudan, Tansania, Togo, Uganda

Tab. 1: Bilaterale entwicklungspolitische Zusammenarbeit: Kooperationsländer mit bilateralem Länderprogramm

Region

Kooperationsland

Asien

Myanmar, Philippinen, Sri Lanka, TimorLeste, Länderübergreifende Zusammenarbeit Zentralasien (bezieht auch die Länder Kasachstan und Turkmenistan mit ein)

Südosteuropa/ Kaukasus

Bosnien und Herzegowina, Kaukasus-Initiative (Armenien, Aserbaidschan, Georgien), Moldau

Lateinamerika und Karibik

KaribikProgramm (Dominikanische Republik, Haiti, Kuba), Costa Rica, El Salvador, Nicaragua, Paraguay

Naher Osten

Irak*, Jordanien, Syrien, Libanon*

Afrika

Algerien, Programm „Fragile Staaten Westafrika“ (Elfenbeinküste, Sierra Leone, Liberia, Guinea), Madagaskar, Nigeria, Senegal, Tunesien, Libyen*, Somalia*, Tschad*, Zentralafrikanische Republik*

* Länder mit vorübergehender Zusammenarbeit im Rahmen langfristig strukturbildender Maßnahmen

Tab. 2: Bilaterale entwicklungspolitische Zusammenarbeit: Kooperationsländer mit fokussierter regionaler oder thematischer Zusammenarbeit

Thematische Schwerpunkte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit sind: Bildung, Gesundheit, ländliche Entwicklung, gute Regierungsführung, Klimaschutz und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung. Leitprinzip ist dabei der Schutz der Menschenrechte.

Multilaterale EntwicklungszusammenarbeitEntwicklungszusammenarbeitmultilateral

Lösungen für die immer dringender werdenden globalen Entwicklungsprobleme mit weltweiten Ursachen und Auswirkungen können nicht von einzelnen Staaten alleine gefunden werden, sie erfordern multilaterale Zusammenarbeit.

Die wichtigsten Institutionen der multilateralen Entwicklungszusammenarbeit, die die Bundesregierung finanziell unterstützt, sind

der Europäische EntwicklungsfondsEuropäischer Entwicklungsfonds und das Entwicklungszusammenarbeitsbudget der Europäischen Union,

die WeltbankgruppeWeltbankgruppe,

die Asiatische, Lateinamerikanische, Karibische und die Afrikanische Entwicklungsbank (Regionalbanken),

die UNFonds und ProgrammeUNFonds und Programme (wie z.B. UNDP, UNFPA, UN Women, UNICEF, WFP, UNHCR und UNHabitat),

der Globale Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und MalariaGlobale Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria.

EntwicklungspolitikEntwicklungspolitikim weiteren Sinne im weiteren Sinne (globale Strukturpolitikglobale Strukturpolitik)

Entwicklungspolitik im weiteren Sinne wird als globale Strukturpolitik bezeichnet. Unterschieden werden vier Arten von Globalisierung, die

ökonomische Globalisierung,

soziale Globalisierung,

ökologische Globalisierung und

politische Globalisierung.

Wenn sich Probleme globalisieren, muss sich auch die Politik globalisieren, d.h. globale Verantwortung übernehmen und Strukturen aufbauen, die globales Handeln ermöglichen. Der Versuch zur Bewältigung von globalen Herausforderungen heißt Global GovernanceGlobal Governance (globale Ordnungspolitik). Global Governance hat die Aufgabe, die Globalisierung politisch so zu gestalten, dass deren Risiken minimiert und deren Chancen optimiert sowie Ungerechtigkeiten abgebaut werden. Entwicklungspolitik wird also als globale Strukturpolitik definiert, deren Ziel es ist, die wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und politischen Verhältnisse in den Entwicklungsländern zu verbessern und einen Beitrag zur Mitgestaltung der globalen Ordnungspolitik zu leisten. Dabei lassen sich vier Ansatzpunkte unterscheiden:

Ökonomische Globale OrdnungspolitikGlobale OrdnungspolitikökonomischeGlobale Ordnungspolitik: Regeln für eine gerechtere Welthandelsordnung, internationale Regeln gegen das Unterwandern nationalstaatlicher Steuergesetze, die Einführung internationaler Steuern und Abgaben.

Soziale Globale OrdnungspolitikGlobale Ordnungspolitiksoziale: Internationale Sozialstandards, Kernarbeitsnormen, Kampf gegen Kinderarbeit, Sozialklauseln, Soziale Gütesiegel, Global Compact.

Ökologische Globale OrdnungspolitikGlobale Ordnungspolitikökologische: Insbesondere Klimarahmenkonvention, Artenvielfaltkonvention, Montrealer Protokoll zur FCKWMinderung, Wüstenkonvention.

Politische Globale OrdnungspolitikGlobale Ordnungspolitikpolitische: Internationaler Strafgerichtshof, reformierter Weltsicherheitsrat, Idee: UNSicherheitsrat für wirtschaftliche und soziale Rechte.

Schließlich hat die Entwicklungspolitik den Auftrag, einen Beitrag zur „Weltinnenpolitik“, die Carl-Friedrich von Weizsäckervon Weizsäcker, Carl-Friedrich in den 1960er-Jahren bereits vorgedacht hat, zu leisten.

❋ ErfolgskontrolleErfolgskontrolle

Entwicklungszusammenarbeit ist nur dann erfolgreich, wenn die finanziellen und personellen Mittel sinnvoll und effektiv eingesetzt werden. Daher überprüft das BMZ nicht nur regelmäßig die ordentliche Verwendung der eingesetzten Haushaltsmittel, sondern lässt die entwicklungspolitische Wirksamkeit seiner Vorhaben zusätzlich im Rahmen sog. EvaluierungEvaluierungen überprüfen. Das Ministerium verfügt über ein umfangreiches Instrumentarium, mit dem es die Vorhaben auswertet. Hierzu zählen Feldforschungen, Wirkungsanalysen, Befragungen, ExpostAnalysen und internationale Vergleiche. So kann es aus Rückschlägen lernen und Erfolge auf andere Vorhaben übertragen. Zur Stärkung der Unabhängigkeit der Evaluierung hat das BMZ ein eigenes Evaluierungsinstitut mit Sitz in Bonn gegründet – das Deutsche Evaluierungsinstitut der EntwicklungszusammenarbeitDeutsche Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval).

Auf der Website  www.deval.org kann das Evaluierungsprogramm, aktuelle Evaluierungen und Berichte eingesehen werden.

❋ Grafiken

Abb. 1: Motive der Entwicklungspolitik

Abb. 2: Gründe für Flucht und Migration

Abb. 3: Instrumente der Entwicklungspolitik

2Die mühseligen Anfänge der deutschen Entwicklungspolitik (1953–1961)

Die ersten entwicklungspolitischen Versuche im Wirtschaftsministerium und im Auswärtigen Amt sowie Gründung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit.

❋ Beschreibung und Wertung

Die Anfänge der Entwicklungszusammenarbeit waren mühselig, mutig und verwirrend zugleich. Sie gehen auf den Beginn der 1950er-Jahre zurück.

Die Bundesrepublik Deutschland hat erstmals im Jahre 1953 Entwicklungshilfe geleistet. Im Haushaltsplan dieses Jahres wurde aus Gegenwertmitteln des MarshallplanMarshallplans1 ein Betrag von 500.000 DM für Entwicklungshilfe ausgewiesen, und zwar im Etat des Bundesministeriums für Wirtschaft als „Zuschüsse für die Förderung des Erfahrungsaustausches mit weniger entwickelten Gebieten“.2 Bemerkenswert ist, dass diese Mittel aus dem ERPSondervermögen stammten, obwohl nach dem Gesetz über die Verwaltung des ERPSondervermögens ERPMittel nur zur „Förderung der deutschen Wirtschaft“ ausgegeben werden durften. Als Hilfsbrücke diente die Bezeichnung „Erfahrungsaustausch“.3 Was Deutschland von den Amerikanern an Hilfe erfahren hatten, wurde weitergereicht an Entwicklungsländer – aus „Nehmenden“ wurden „Gebende“. Die Einschätzung, dass die Entwicklungshilfe als genuiner Bestandteil der Außenwirtschaftspolitik zu betrachten sei, ließ das neue Sachgebiet wie selbstverständlich in die Kompetenz des Bundesministeriums für WirtschaftBundesministerium für Wirtschaft(BMWi) fallen.4 Dem Drängen des BMWi auf eine Erhöhung der Mittel folgte der Bundestag im Bundeshaushalt 1956 mit einem Titel von 3,5 Mio. DM mit der Zweckbestimmung „Hilfeleistungen für den wirtschaftlichen Aufbau von weniger entwickelten Ländern“5, diesmal im Haushalt des AA.

In der Zwischenzeit hatte sich im Bundestag ein interfraktioneller Konsens unter entwicklungspolitisch motivierten Abgeordneten herausgebildet, die sich mit ihrer Forderung nach Erhöhung der Entwicklungshilfebeiträge allerdings nur langsam gegen die Haushalts und Finanzexperten der Fraktionen durchsetzen konnten. Gleichzeitig wirkten die USA über diplomatische Kanäle massiv auf eine Erhöhung der Beträge hin. Die USA begründeten ihr Drängen mit der notwendigen Aufteilung der Verteidigungslasten, zu denen sie auch die Kosten der Eindämmungspolitik gegenüber der Sowjetunion in der Dritten Welt rechneten.6, 7

Folgerichtig wurde im gleichen Haushaltsjahr 1956 ein Titel von 50 Mio. DM angesetzt, der imAuswärtigen Amt den Zweck „Förderung wirtschaftlich unterentwickelter Länder“ auswies. Dieser Impuls kam vom sozialdemokratischen Abgeordneten Helmut KalbitzerKalbitzer, Helmut. Mit diesen 50 Mio. DM begann im Auswärtigen Amt die deutsche Entwicklungshilfepolitik.8

Allerdings häuften sich im Auswärtigen AmtAuswärtiges Amt damit zugleich die Probleme. Für das neue Aufgabenfeld fehlte es an einem geeigneten Verwaltungsapparat. Dennert vergleicht zutreffend die damalige Situation des Auswärtigen Amtes mit der eines Mannes, „dem unverhofft ein Elefant geschenkt wird“,9 denn es fehlten Entwicklungshilfefachleute ebenso wie sachkundig durchgeprüfte Projekte und vor allem eine mit den Einzelproblemen und Eigenheiten der Entwicklungshilfe vertraute Administration.10 Um die neue Staatsaufgabe administrativ zu bewältigen, griff die Bundesregierung zunächst auf vorhandene Arbeitseinheiten der obersten Bundesverwaltung zurück, insbesondere auf die des Auswärtigen Amtes, des Bundesministeriums für Wirtschaft und des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.11

Um die Interessen und Prioritäten aller beteiligten Ressorts gebührend zu bündeln, wurden die sog. interministeriellen Koordinierungsausschüsse auf Ministerialebene gebildet. Es war dies vor allem der interministerielle Ausschuss für Entwicklungspolitik, allgemein Lenkungsausschuss genannt, und die beiden interministeriellen Referentenausschüsseinterministeriellen Referentenausschüsse (IRAs) für Technische Hilfe und Kapitalhilfe.12, 13

Der Lenkungsausschuss bestand aus Vertretern der beteiligten Ministerien, und zwar unter wechselndem Vorsitz des AA und des BMWi. Er entschied unter Vorbehalt der Zuständigkeit des Kabinetts in allen Fragen der Entwicklungshilfe von grundsätzlicher Bedeutung. Ihm oblag die Bestimmung des Mitteleinsatzes, während die Durchführung der Projekte von den jeweils zuständigen Fachressorts übernommen wurde (etwa dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, dem Bundesarbeitsministerium oder dem Bundesverkehrsministerium). Doch die Kompetenzkonflikte häuften sich. Vor allem das AA und das BMWi gerieten in einen permanenten Zuständigkeitskonflikt, der sich noch dadurch verschärfte, dass andere, sachlich an einzelnen Projekten beteiligte Ressorts ebenfalls Zuständigkeiten beanspruchten. Ordner um Ordner füllten Regale mit „Zuständigkeitsunterlagen“.14

Die Anstöße zur Errichtung eines Entwicklungsministeriums als Koordinationsorgan gingen nicht von der Verwaltung, sondern gegen Ende der dritten Bundesregierung unter Konrad AdenauerAdenauer, Konradvon Abgeordneten des Deutschen BundestagesDeutscher Bundestag aus.15,16 Insbesondere die Sprecher der oppositionellen SPD sowie der entwicklungspolitische Sprecher der FDP, Walter ScheelScheel, Walter, forderten immer wieder ein eigenes Entwicklungsministerium.17 Walter ScheelScheel, Walter: „Die Kompetenz sollte in einer Hand, in einer politisch verantwortlichen Hand konzentriert sein. Ich sehe überhaupt nicht ein, warum man bei Finanzhilfen, bei Investitionshilfen neun Ressorts braucht. Das halte ich für baren Unsinn“.18 Niemand hat stärkeren Einfluss auf die Gründung des BMZ ausgeübt als ScheelScheel, Walter selbst.19

Im Parlament herrschte die Ansicht vor, dass der viel beklagte Mangel an Koordination der Hauptnachteil der deutschen Entwicklungshilfe sei. Die Verstärkung der Kompetenzkonflikte im Zuge der rapiden Steigerung der finanziellen Mittel könne durch „ein Koordinierungsministerium“ am besten aufgefangen werden. Die Bedeutung der Entwicklungshilfe sei durch eine selbstständige Vertretung im Kabinett zu unterstreichen, zumal das Mittelvolumen für Entwicklungshilfe bereits dasjenige bestehender Ministerien überstieg. Die Existenz eines eigenen Ressorts sollte den Willen der Bundesrepublik Deutschland zur praktischen Entwicklungshilfe manifestieren, das Image der deutschen Maß­nahmen verbessern und die Kontakte zu den Entwicklungsländern konzentriert in geordnete Bahnen lenken.20 Der BundestagDeutscher Bundestag kann also mit Recht die Entwicklungspolitik als sein ureigenes Kind betrachten. Von Anfang an sah das Parlament in der Entwicklungspolitik eine Sache sui generis.21

Zur Gründung des BMZ trug bei, dass sich die Landkarte auf dem Nachbarkontinent Afrika beträchtlich änderte, viele Entwicklungsländer waren erstmals als solche präsent, viele standen kurz vor der Unabhängigkeit.

Im Vorfeld der Gründung des BMZ war 1959 – auf Initiative von Dr. Gerhard Fritz – die Deutsche Stiftung für EntwicklungsländerDeutsche Stiftung für Entwicklungsländer (DSE)22 in BerlinTegel errichtet worden, die die Aufgabe hatte, die Beziehungen der Bundesrepublik zu den Entwicklungsländern auf der Grundlage gegenseitigen Erfahrungsaustausches zu pflegen, insbesondere durch Tagungen, Seminare, Exkursionen und die Vorbereitung von Fachkräften für eine Tätigkeit in Entwicklungsländern. Die DSE war eine Art Vorhut des späteren Entwicklungsministeriums.

Bei der Bundestagswahl vom 15. September 1961 verlor die Union die absolute Mehrheit. In den Koalitionsverhandlungen mit der FDP Mitte November 1961 fiel die Entscheidung, ein eigenes Fachressort für Entwicklungshilfe bzw. politik zu gründen. Noch kurz davor, am 10. November 1961, hatten Außenminister Heinrich von Brentanovon Brentano, Heinrich und Wirtschaftsminister Ludwig ErhardErhard, Ludwig mit ihren Spitzenbeamten versucht, mit einer gemeinsamen Kabinettvorlage zu „Fragen der Zusammenarbeit und Organisation der Entwicklungshilfe“ dies zu verhindern, mit der Argumentation, dass das Ausschusssystem die optimale Lösung darstelle.23 AdenauerAdenauer, Konrad entschied jedoch gegen ihr Votum und gründete das BMZ.

❋ Stimmen von Zeitzeugen: Walter KieferKiefer, Walter, Dr. Günther OldenbruchOldenbruch, Günther

Walter KieferKiefer, Walter

1953–1956 Assistent am UNESCOInstitut für Jugendfragen, 1956–1959 Geschäftsführer des Kath. Akademischen AusländerDienstes (KAAD), 1959–1963 stellvertretender Geschäftsführer von Misereor und seit 1962 Vorstandsmitglied der Kath. Zentralstelle für Entwicklungshilfe (KZE), 1963–1966 Leiter der Projektabteilung des DED, 1966–1973 Vorstand der Kübel-Stiftung und GF der Gesellschaft für wirtschaftliche und soziale Entwicklung, 1973–1990 GF der Carl Duisberg Centren, 19911996 GF der SEQUA.

Erwachende Solidarität: Die Kirchen als Wegbereiter der Entwicklungszusammenarbeit

Auf der Jahresversammlung der deutschen Bischöfe in Fulda im August 1958 trug Kardinal FringsFrings, Kardinal Joseph in einem großangelegten Referat einen mutigen Plan zur Gründung von Misereor vor. Frings: „Bei dem zu gründenden Werk geht es nicht um ein Mittel der Mission, sondern um die Teilnahme an der Leibsorge des Herrn. Es geht nicht darum, den Gefahren auf politischem und religiösem Gebiet zu begegnen, also auch nicht um eine Aktion, um dem Bolschewismus zuvorzukommen, sondern schlicht um die Betätigung der christlichen Barmherzigkeit“. Die Not Christi in seinen Brüdern zu erkennen, am Erbarmen Christi für sie teilzunehmen, das waren die Leitmotive, die Kardinal Frings dem Werk Misereor mit auf den Weg gab. Als Grundsatz galt: MisereorMisereor sucht sich den zu Helfenden nicht nach seiner Religion oder seiner politischen Orientierung aus.

Einen so großzügigen und großherzigen Plan zu verwirklichen, wie ihn Kardinal FringsFrings, Kardinal Joseph vor Augen hatte, musste Ende der 1950er-Jahre – also rund 13 Jahre nach Ende des Krieges – als Wagnis und Risiko erscheinen. Dass die Bischöfe dennoch zustimmten, dass der Durchbruch erzielt werden konnte, dass auch die Evangelische Kirche – ausgelöst durch eine Hungersnot in Indien – die gleiche Idee aufgriff und ihre Aktion „Brot für die WeltBrot für die Welt“ ins Werk setzte, darauf dürfen die katholischen und evangelischen Christen diese Landes mit einiger Dankbarkeit und einigem Stolz zurückblicken.

Niemand unterlag damals der Versuchung, zu meinen, mit den beschränkten Mitteln der Kirche könnten Hunger und Not in der Welt beseitigt werden. Die Kirchen wollten mit ihrer Hilfe ein Beispiel geben. Ihr regelmäßiger Aufruf sollte der Öffentlichkeit das Unrecht in der Welt vor Augen stellen. So verstand sich MisereorMisereor als ein ständiger Mahner an das eigene Volk und die Regierung, um im Sinne der Sozialenzyklika „Mater et Magistra“ zu handeln, das heißt Armut und Ungerechtigkeit zu bekämpfen.

Das eigentliche Abenteuer, das Misereor bis heute darstellt, besteht in der Verbindung des Impulses christlicher Liebe, christlicher Solidarität mit rationalem und pragmatischem Handeln zugunsten der Armen. Die Kirchen waren somit auch die Wegbereiter der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit. Daran gilt es zu erinnern.

Dr. Günther OldenbruchOldenbruch, Günther (†)

Von 1967 bis 1999 Leiter der Zentralstelle für Auslandskunde der DSE. Lehrbeauftragter an der Universität Potsdam und an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl. Seit 1999 Vorsitzender des Bonner Chapter der Society for International Development (SiD).

Der lange Weg zum Uhlhof – die Vorbereitungsstätte der DSE

Im Frühjahr 1956 verbrachte ich auf Einladung einer ägyptischen Familie drei Monate in Ägypten. Ohne mich sonderlich auf diese Zeit vorzubereiten, trank ich das Wasser, aß, was auf den Tisch kam, lebte völlig integriert in dieser Familie. Die Amöbenruhr war mir sicher. Die Frau meines Gastgebers war Leiterin der Ballettfakultät. Als ich mich in eine ihrer Sportlehrerinnen verliebte, wies sie mich darauf hin, dass, wenn ich „so weitermachte“, ich sie heiraten müsste. Das sei hier so üblich. Und ich hatte plötzlich das unendliche Bedürfnis nach einem deutschen Essen.

Später übersetzt in die Kategorien von „Vorbereitung für eine Tätigkeit in Entwicklungsländern“ hieß das „Kenntnis über und Respekt vor der anderen Kultur“ und „Kenntnis der eigenen kulturellen Prägung als Voraussetzung für eine gelingende interkulturelle Kommunikation“.

Ich bewarb mich um ein Promotionsstipendium beim DAAD. Die Fragen des Kunsthistorikers Prof. Lützeler, des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses, über Indien habe ich anscheinend nicht so richtig beantwortet, was ihn zu der Schlussfrage veranlasste, ob ich denn wohl wenigstens (!) den Unterschied zwischen Hinduismus und Christentum kennen würde. Wenn schon nicht vorbereitet, dann wenigstens forsch: „Ich bin DiplomKaufmann und fahre ja deswegen dorthin.“

Wir trafen uns wenige Wochen später auf einem Frachtdampfer von Rotterdam nach Indien wieder. In den vier Wochen der Reise waren Lützeler und ich sehr auf einander angewiesen. Und ich lernte viel. Und ich kam gut vorbereitet in Indien an.

Ich verbrachte einige Tage im „German Social Center“ des Stahlwerks Rourkela. Ein wichtiges Thema: Wie muss und kann man die deutschen Fachkräfte auf diese Arbeit vorbereiten?

Die Deutsche Stiftung für EntwicklungsländerDeutsche Stiftung für Entwicklungsländer war 1959 zur Erhöhung der BerlinPräsenz des Bundes in Berlin gegründet worden. Ich lernte ihren Ableger „Auslandkunde“ in Bonn kennen. Und habe in der Folge ca. 30 einwöchige Kurse für RourkelaPersonal durchgeführt.

Als dieser Ableger einen neuen Chef brauchte, machte ich das Rennen. Und stellte mich einschlägig im BMZ vor. Dort musste ich die Frage beantworten, was ich denn von solch einwöchigen Kursen hielte: „Nicht viel“. „Wie lange müsste denn eine sorgfältige Vorbereitung dauern?“ „Drei Monate – mit Sprache“. „Dann machen Sie doch mal einen Vorschlag“: Dieser wurde angenommen.

Die dreimonatige Vorbereitung in der neu der DSE zur Verfügung gestellten alten Villa Mauser, dem Uhlhof, in Bad Honnef hatte das Licht der Welt erblickt.

Womit die Konflikte begannen. Der Höhepunkt: Vier Wochen nach Beginn ihrer Vorbereitung erklärte eine Teilnehmerschaft die Vorbereitung für beendet. Unser Bild von Entwicklungsländern und Entwicklungshilfe war nicht das ihre. Dort wollten sie nicht hin.

Erst mit der von BM EpplerEppler, Erhard am 11. Februar 1971 vorgestellten „Entwicklungspolitischen Konzeption für die zweite Entwicklungsdekade“ bekamen wir Boden unter die Füße: Entwicklungshilfe dient nicht nur dem wirtschaftlichen Wachstum, sondern auch dem sozialen Fortschritt. Es war ein mühseliger Anfang.

3Entwicklungspolitik im Dienste der Deutschlandpolitik

Minister: Walter ScheelScheel, Walter (1961–1966)

Walther Scheel

* 1919 †2016

❋ Beschreibung und Wertung

Als „Geburtstag“ des BMZ gilt der 14. November 1961, der Tag, an dem Walter ScheelScheel, Walter mit 42 Jahren im Kabinett von Bundeskanzler Konrad AdenauerAdenauer, Konrad zum ersten Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit ernannt wurde – übrigens gegen massive Bedenken von Ludwig ErhardErhard, Ludwig.1 Für Walter ScheelScheel, Walter sprachen verschiedene Faktoren: Zum einen war er im Europaparlament seit 1958 Vorsitzender des Entwicklungshilfeausschusses und brachte von dorther die erforderliche fachliche Kompetenz mit, zum anderen war er der prominenteste Sprecher der FDP in Sachen Entwicklungspolitik2, und schließlich spielten koalitionspolitische Gesichtspunkte eine wichtige Rolle.3 AdenauerAdenauer, Konrad, den die FDP im Wahlkampf aufs Altenteil schicken wollte, brauchte, um die Widerspenstigen doch noch ins Boot zu holen, ein Ministerium für Walter ScheelScheel, Walter. Anekdoten zufolge soll ScheelScheel, Walter selbst nicht zuletzt deshalb an einem Amt des Entwicklungshilfeministers gelegen haben, weil er sich ein Ressort wünschte, das ein überschaubares Maß an Aktenarbeit und viele Auslandreisen mit sich brachte.4

Wenn der damalige Kanzler AdenauerAdenauer, Konrad dem Minister Walter ScheelScheel, Walter, der auf Einrichtung dieses Ministeriums gedrungen hatte, eine „Dorne ohne Rosen“ verhieß5, so lag das vor allem an den Kompetenzüberschneidungen, die die Arbeit des Ministeriums erschwerten.

Der Aufbau des neuen Hauses selbst begann zunächst im Bundeshausrestaurant. Ehe die Bundestagsadministration ScheelScheel, Walter ein Ministerbüro zur Verfügung stellen konnte, tagte der Ressortchef mit seinen Mitarbeitern an einem Esstisch. Erst nach einigen Wochen konnte man in mehreren Räumen der Amerikanischen Botschaft und anschließend in eine Baracke auf dem Gelände des Finanzministeriums umziehen.6 Das BMZ nahm mit 34 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seine Arbeit auf. Ein eigenständiges Ministerium für Entwicklungsaufgaben – das war ein Novum in ganz Europa. Die Tatsache, dass ScheelScheel, Walter trotz aller widrigen Umstände in kurzer Zeit einen Stab hervorragender Fachleute zusammen bekam, hatte eine Ursache wohl auch in den Aufstiegschancen, die ein neues Ministerium nun einmal zu bieten hat.7

Bei der bilateralen Hilfe gab es zwei wichtige Stränge: mit der KapitalhilfeKapitalhilfe, meist zinsgünstige Kredite, wurden überwiegend große Infrastruktur und Industrievorhaben finanziert (Häfen, Flughäfen, Straßen, Staudämme, Wasserkraftwerke, Stahlwerke, Düngemittelfabriken, Zementfabriken etc.). Neben dieser Projekthilfe wurden in begründeten Einzelfällen auch Kredite bewilligt, um die Einfuhr dringend benötigter Rohstoffe, Maschinen und Ersatzteile zu finanzieren (Warenhilfe). Bei der Technischen HilfeTechnische Hilfe (Zuschüsse) standen technischgewerbliche Ausbildungsstätten, Mustereinrichtungen und Demonstrationsprojekte im Vordergrund.

Nach dem Bundeskanzlererlass vom 29. Januar 1962 oblag dem BMZ im Wesentlichen die Koordinierung der Entwicklungshilfepolitik des Bundes. Die fachliche Zuständigkeit für Kapitalhilfe und Technische Hilfe als auch der Vorsitz und die Geschäftsführung der interministeriellen Referentenausschüsse für Kapitalhilfe und Technische Hilfe blieben dem BMWi und dem AA überlassen. Mit der Durchführung der Technischen Hilfe betraute das AA die „Treuarbeit“, die Deutsche Revisions und Treuhand GmbH, die sog. GAWiGAWi. Das Kürzel war vom Vorkriegsnamen der Organisation „GarantieAbwicklungsGesellschaftGarantieAbwicklungsGesellschaft“ übrig geblieben.8 Mit der Durchführung der Kapitalhilfe betraute das BMWi die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Mit anderen Worten: Das BMZ erhielt in summa nur das Recht, über alle Vorgänge auf dem Gebiet der Entwicklungspolitik informiert zu sein.9

Die Koordinierungsprobleme bei der Entwicklungshilfe verschärften sich 1962/1963 weiter. Einem Gutachten des BundesrechnungshofBundesrechnungshofs vom Dezember 1963 zufolge war die Entwicklungshilfe schließlich auf 16 Ressorts mit zusammen 231 Referaten in der Ministerialbürokratie verteilt. In den interministeriellen Referentenausschüssen für Kapitalhilfe und Technische Hilfe befanden bis zu 45 Beamte aus bis zu 10 Ministerien über einzelne Projekte.10 Es war die Zeit des sog. „Verwaltungskrieges“, der alle Beteiligte Zeit und Kraft gekostet hat.11

Auf diese Situation reagierte der Bundeskanzlererlass vom 23. Dezember 1964. Er verbriefte zum ersten Mal die Eigenständigkeit der Entwicklungshilfepolitik.12 Dem BMZ wurde die Zuständigkeit für die Grundsätze und Programme der Entwicklungshilfepolitik sowie die Planung und Durchführung der Technischen ZusammenarbeitZusammenarbeittechnische übertragen, die bisher beim AA lag. Die Zuständigkeit des BMWi für die KapitalhilfeKapitalhilfe und die Verantwortung des AA für alle außenpolitischen Fragen der Entwicklungshilfe blieben unangetastet.13, 14 Walter ScheelScheel, Walter bekannte in der Haushaltsdebatte am 24. Mai 1965: „Nun ich muss sagen, dass bei der Neuregelung von Zuständigkeiten die Umsetzung einer Grundsatzentscheidung in die Praxis ein ungewöhnlich qualvoller Prozess ist. Aber dieser Prozess muss nun einmal durchgestanden werden.“15

Während seiner Amtszeit (1961–1966) erarbeitete Walter ScheelScheel, Walter die ersten Konturen der deutschen Entwicklungspolitik.

Vor über 60 Jahren kam der HallsteinDoktrinHallsteindoktrin eine besondere Bedeutung zu. Der HallsteinDoktrin zufolge wurde die Aufnahme diplomatischer Beziehungen dritter Staaten mit der DDR von der Bundesrepublik aufgrund ihres Alleinvertretungsanspruches für das gesamte deutsche Volk als unfreundlicher Akt angesehen und in der Regel mit dem Abbruch bzw. der Nichtaufnahme diplomatischer Beziehungen beantwortet. Entwicklungspolitik war ein Instrument zur Durchsetzung der HallsteinDoktrin.16, 17 Man drohte bei der Anerkennung der DDR mit der Einstellung der Entwicklungshilfe. Die Entwicklungshilfe wurde gezielt an Länder vergeben, um die Anerkennung der DDR durch Staaten der Dritten Welt zu verhindern.18 Der Erfolg dieser Politik war, dass außer Kuba und Kambodscha bis 1969 kein Entwicklungsland volle diplomatische Beziehungen zur DDR aufnahm.19 Die Instrumentalisierung der Entwicklungspolitik als Mittel der Deutschlandpolitik schlug sich in einer breiten Streuung der Entwicklungshilfe nieder („GießkannenprinzipGießkannenprinzip“)20. ScheelScheel, Walter schrieb dazu: „Der wichtigste Grund für die Ausarbeitung eigener Hilfsprogramme für jedes einzelne Empfängerland ist der, dass die Bundesrepublik, ähnlich wie die USA, nur mit einem sehr viel geringeren Hilfspotenzial gezwungen ist, praktisch alle Entwicklungsländer bei der Durchführung ihres Aufbauprozesses zu unterstützen. Die Bundesrepublik kann sich nicht – wie dies vor allem Frankreich und Großbritannien tun – ausschließlich oder überwiegend auf bestimmte Regionen konzentrieren.“21 Und an anderer Stelle: „Großbritannien arbeitete in den letzten Jahren mit 40 Entwicklungsländern zusammen, Frankreich mit 23, wir jedoch mit 71, im Bereich der Technischen Hilfe sogar mit 90. Die besondere politische Lage unseres Vaterlandes lässt es zunächst geboten erscheinen, möglichst viele Entwicklungsländer zu unterstützen“ und eine entsprechend „weitgestreute Entwicklungspolitik zu betreiben.“22

Und weiter: „Wir können von den Entwicklungsländern Unterstützung in der Frage der Wiedervereinigung nur erwarten, wenn wir auf ihr eigenes vordringlichstes Interesse – die Förderung ihres wirtschaftlichen Aufstiegs – in dem gebotenen Maße eingehen. Durch Verständnis für die Sorgen der Entwicklungsländer müssen wir um Verständnis für unsere eigenen Probleme werben. Der Ostblock und nicht zuletzt die sowjetische Besatzungszonesowjetische Besatzungszone haben diese Zusammenhänge erkannt und konkurrieren mit uns um Sympathie und politisches Verständnis der Entwicklungsländer. Die sowjetische Besatzungszone ist in 23 Ländern der Dritten Welt mit insgesamt 33 Vertretungen (Generalkonsulate, Konsulate, Handelsvertretungen, Vertretung der Kammer für Außenhandel, der deutschen Notenbank, des Ministeriums für Außenhandel) tätig und versucht, durch steigenden Einsatz personeller und wirtschaftlicher Mittel und Kräfte ihre Anerkennung zu erreichen. Doch die HallsteinDoktrinHallsteindoktrin hat sich als eine Formel erwiesen, deren flexible Anwendung die formale Anerkennung der SBZ durch Entwicklungsländer bisher verhindern konnte.“23

Neben der Deutschlandpolitik wurde auch das Spannungsfeld zwischen Entwicklungspolitik und Außenwirtschaftspolitik in den 1960er-Jahren intensiv diskutiert.24, 25 ScheelScheel, Walter setzte sich mit Nachdruck für die Berücksichtigung außenwirtschaftlicher Interessen ein: „Es wäre eine fragwürdige Exporthilfe, wenn wir Kapitalhilfe nur deshalb geben würden, damit die deutsche Investitionsgüterindustrie exportieren kann. Es geht vielmehr darum, dass die deutsche Entwicklungspolitik, ohne sie zu einer simplen Exportförderungspolitik zu machen, zu einem Instrument entwickelt wird, das langfristig gesehen einen entscheidenden Beitrag zur Konsolidierung unseres Außenhandels mit der Dritten Welt leisten kann. So gesehen versteht sich Entwicklungspolitik als Basisinvestition für den lebenswichtigen Außenhandel der deutschen Wirtschaft. Durch eine geeignete Kombination von ausgewählten Maßnahmen und durch geschickte Wahl regionaler Schwerpunkte wird es möglich sein, die entwicklungspolitischen Zielsetzungen mit den außenwirtschaftlichen Interessen langfristig so miteinander in Einklang zu bringen, dass beide Seiten, Geber und Nehmer, den größtmöglichen Nutzen ziehen.“26

Wie alle Gebernationen stand auch die Bundesrepublik seit Beginn ihrer Unterstützungspolitik vor der grundsätzlichen Frage, ob sie den Entwicklungsländern über gemeinsam getragene multilaterale Organisationen helfen oder ob sie direkt mit den einzelnen Empfängerländern Verträge schließen sollte. Die offizielle ebenso wie die interne Diskussion vollzog sich weitgehend in der verengten Perspektive geberorientierter Interessenstandpunkte.

Die Situation der deutschen Teilung legte es nahe, sich mit einer gezielten bilateralen Förderungspolitik möglichst viele politische Freunde in der Dritten Welt zu erwerben. Bei der Entwicklungspolitik war die „Strahlkraft der Projekte für das freie Deutschland“ intendiert. Man glaubte, beide Ziele, die Stärkung des eigenen Wiedervereinigungsstandpunktes wie die Demonstration des „besseren Deutschlands“, nur über direkte entwicklungspolitische Kontakte von Land zu Land erreichen zu können. Die hohe Exportabhängigkeit der deutschen Wirtschaft legte eine DefactoBindung finanzieller Hilfe an deutsche Lieferungen nahe.

Unter öffentlichkeitspolitischen Gesichtspunkten argumentierte man, ein wachsender entwicklungspolitischer Beitrag lasse sich auf die Dauer nur dann mobilisieren, wenn dem skeptischen Steuerzahler ein möglichst direkter politischer und wirtschaftlicher Nutzen nachgewiesen werden könne. Faktisch bleibt festzuhalten, dass der Anteil multilateral geleisteter öffentlicher Hilfe an der öffentlichen Hilfe der Bundesrepublik im Durchschnitt der Jahre 1963–1966 insgesamt verschwindend gering war, nämlich bei 6 % lag.27

Regional setzte ScheelScheel, WalterSchwerpunkte in Asien. Deutschland hatte mit den Ländern des asiatischen Kontinents schon seit jeher gute wirtschaftliche und politische Beziehungen. Es war daher nur natürlich, dass die Bundesrepublik bei ihren entwicklungspolitischen Maßnahmen gerade diesem Raum besondere Beachtung schenkte. Schwerpunkte der deutschen Entwicklungshilfe in Asien waren die Länder IndienIndien, PakistanPakistan und AfghanistanAfghanistan.

Das Stahlwerk RourkelaStahlwerk Rourkela28 in IndienIndien