Geschichte des Zauberers Merlin - Dorothea Schlegel - E-Book

Geschichte des Zauberers Merlin E-Book

Dorothea Schlegel

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Beschreibung

Dieses eBook: "Geschichte des Zauberers Merlin" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Dorothea Friederike Schlegel (1764-1839) war eine Literaturkritikerin und Schriftstellerin der Romantik, Lebensgefährtin und spätere Ehefrau von Friedrich Schlegel. Die Tochter des jüdischen Aufklärers Moses Mendelssohn war eine der prominentesten jüdischen Frauen, die um 1800 zum Christentum übertraten. Merlin ist der Name eines der bekanntesten mythischen Zauberer des westlichen Kulturkreises. Aus dem Buch: "Endlich zeigte Merlin sich dem König in seiner wahren Gestalt, so daß alle ihn erkannten, die ihn vormal gesehen. Er nahm den König beiseite und sagte ihm: "Von nun an bin ich ganz der Eurige und will Euch in allem, was Ihr bedürft, beistehen. Ich bin Merlin, nach dem Ihr so lange sucht; ich war der Hirt, der im Walde mit Euch sprach; ich war auch derselbe, der als Abgesandter hier bei Euch war; ich habe auch Eurem Bruder geraten, mit dem Hangius zu fechten. Unter den verschiedenen Gestalten, die ich angenommen, konnten Eure Räte, die mich ehedem gekannt, mich nicht wiedererkennen; denn diese Leute kennen nichts an mir als meine Außenseite, mein inneres Wesen aber werden sie nie erkennen. So wie ich jetzt hier vor Dir stehe, bin ich ihnen bekannt; ich kann aber, wenn ich will, mich immer vor ihnen verbergen. Euch aber, Herr König, bin ich ganz ergeben."...

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Dorothea Schlegel

Geschichte des Zauberers Merlin

e-artnow, 2015 Kontakt: [email protected]
ISBN 978-80-268-4749-6

Inhaltsverzeichnis

Vorwort
I. Von der Versammlung der Teufel und wie sie eine Familie ins Verderben trieben
II. Über zwei Schwestern, deren eine tugendhaft war und die andere von Lüsternheit übermannt wurde
III. Wie Merlin vom Teufel und einer frommen Jungfrau gezeugt wurde
IV. Merlin, der des Teufels und Gottes ist, und von beiden erstaunliche Gaben mitbekommt
V. Wie das Kind Merlin die Hinrichtung seiner Mutter verhinderte
VI. Über Begebenheiten, die Merlin dem Einsiedler Blasius in die Feder diktierte
VII. Wie Vortigern durch Ränke und Listen zur Macht kam
VIII. Wie König Vortigern sich seiner Helfer und Widersacher entledigte
IX. Wie Vortigern einen Turm bauen ließ, der dreimal zusammenstürzte
X. Von sieben ratlosen Astrologen und den Boten, die ausgesandt wurden, um Merlin zu töten
XI. Wie Merlin weitere Proben seiner Hellsicht und Prophetengabe ablegte
XII. Vom weißen und roten Drachen unter dem Turm, ihrem fürchterlichen Kampf und dem weiteren Schicksal der Astrologen
XIII. Wie Merlin König Vortigern die Drachen deutete und ihm den Tod prophezeite
XIV. Über den Sieg der Prinzen Pendragon und Uter und die Verwandlungskünste Merlins
XV. Wie Merlin dem neuen König in verschiedener Gestalt begegnete, zu seinem Ratgeber wurde und allerhand Schabernack trieb
XVI. Wie durch Merlins Rat das Land von den Heiden befreit wurde
XVII. Über einen Neider, der Merlin eine Falle stellte und den dreifachen Tod geweissagt bekam, sowie über das Buch der Prophezeiungen
XVIII. Wie Merlin die Schlacht gegen die Heiden vorausplante und welchen dunklen Todesspruch er fällte
XIX. Wie aus Uter König Uterpendragon wurde und Merlin in Irland Steine auftürmte, die er allein zum Grabmal zusammenfügte
XX. Über die dritte Tafelrunde in Wales, an der fünfzig Ritter teilnahmen und ein Platz leer blieb
XXI. Wie ein übler Ritter den leeren Platz besetzen wollte und was dann mit ihm geschah
XXII. Wie sich Uterpendragon in Yguerne verliebte und ihr durch ihren eigenen Mann einen Becher senden ließ
XXIII. Wie der König in Zorn geriet, als er von der Abreise des Herzogs von Tintayol erfuhr, und Genugtuung verlangte
XXIV. Von einer langanhaltenden Belagerung und dem Liebeskummer des Königs
XXV. Wie sich Uterpendragon, Ulsius und Merlin verwandelten und die Herzogin damit täuschten. Wie König Artus gezeugt wurde und Merlin das Neugeborene für sich verlangte
XXVI. Was Ulsius und Merlin dem König rieten, und wie Merlin dann Abschied nahm
XXVII. Wie durch geschicktes Reden der König die Witwe Yguerne zur Frau bekam und dafür noch gepriesen wurde
XXVIII. Yguerne entdeckt dem König, daß das Kind weder von ihm noch dem Herzog sei, und Merlin verabredet mit Anthor einen Kindestausch
XXIX. Wie ein fremder alter Mann das Neugeborene in Empfang nahm und Anthor es dann auf den Namen Artus taufen ließ
XXX. Vom Tode Uterpendragons, der Suche nach einem neuen König und von dem Schwert, das keiner aus dem Amboß zog
XXXI. Wie Artus versehentlich das Schwert ergriff, das Geheimnis seiner Herkunft erfuhr und etliche Male geprüft wurde, bis zur Krönung
XXXII. Wie die Ritter König Artus drohten und er sich in einen Turm verschanzte, Merlin ihm den Weg zu Leodagan wies, zur schönen Genevra und dem Reich Thamelide
XXXIII. Über den Wald von Briogne, den Ritter Dionas und seine Tochter Nynianne, die von Merlin allerhand Künste lernte
XXXIV. Über Artus' und Merlins letzte Begegnung, die Chronik des Blasius und wie der Zauberer seine geliebte Nynianne alles lehrte, bis er selbst verzaubert wurde
XXXV. Wie Gawin auf der Suche nach Merlin zwei seltsame Begegnungen hatte, Merlins Vermächtnis vernahm und schließlich heil zurückkehrte

Vorwort

Inhaltsverzeichnis

Rittersinn, Zauberei und Liebe bilden den Inhalt und den Geist jener schönen alten Romane, welche den größten deutschen Dichtern der schwäbischen Zeit und etwas später auch den italienischen den Stoff zu ihren herrlichen Ritterliedern gaben.

Die erfindungsreichsten und bedeutendsten unter diesen alten Romanen sind wohl überhaupt diejenigen, welche sich auf die Tafelrunde und den König Artus beziehen; und unter diesen ist wiederum nicht leicht einer wunderbarer und eigentümlicher als der vom Zauberer Merlin.

Die gegenwärtige deutsche Bearbeitung dieser Dichtung ist aus den besten französischen Quellen auf der Pariser Bibliothek in den Jahren 1803 und 1804 gezogen worden.

Friedrich Schlegel

I. Von der Versammlung der Teufel und wie sie eine Familie ins Verderben trieben

Inhaltsverzeichnis

Der böse Feind war voller Zorn, als Jesus Christus zur Hölle hinabgestiegen war und Adam und Eva daraus erlöste, samt allen, die mit ihnen in der Hölle waren. »Wer ist dieser Mensch«, sagten die Teufel voller Furcht, »welcher die Pforten der Hölle zerbricht, und dessen Macht wir nicht widerstehen können? Hätten wir doch niemals geglaubt, daß ein Mensch, vom Weibe geboren, nicht uns angehören sollte, und dieser da zerstört unser Reich. Wie kommt es wohl, daß er geboren werden konnte, ohne daß wir ihn versündigten, so wie es den andern Menschen geschieht?« Da antwortete ein andrer: »Er ist ohne Sünde geboren und nicht aus des Mannes Samen, sondern nach dem Willen Gottes durch seinen heiligen Geist im Jungfrauen-Leib. Darum wäre es wohl gut, wenn wir Mittel finden möchten, gleichfalls einen Leib in einem Weib zu bilden, der nach unserm Ebenbild geformt sei, der nach unserm Willen täte, und alle geschehenen Dinge und alles, was geschieht und gesprochen wird, wüßte so wie wir. Ein solcher könnte uns von großem Nutzen sein. Denn wir müssen darauf sinnen, wie wir wiedergewinnen, was der Welterlöser uns raubte.« Da waren alle Teufel einstimmig und riefen: »Ja, laßt uns Mittel finden, wie einer von uns einen solchen Menschen durch das Weib erzeugen kann.« Da rief einer von ihnen: »Ich habe Gewalt über ein Weib, so daß sie mir gehorcht, und vieles tut, was ich will; auch habe ich die Macht, Menschengestalt anzunehmen. Dieses Weib nun, über welches ich Gewalt habe, wird mir sicherlich Mittel verschaffen, mit einer Jungfrau einen Menschen zu erzeugen.« Es ward also unter ihnen beschlossen, daß dieser darangehen sollte, das Werk auszuführen; aber sie trugen ihm vorher noch auf, daß er ja sorgen solle, daß der Mensch, den er erzeuge, ihnen ähnlich werde und nach ihrem Willen handle.

Der Rat des Satans ging wieder auseinander; der Abgesandte aber eilte, und versäumte keine Zeit, um zu dem Weib zu kommen, über welches er Gewalt hatte.

Es war dies die Frau eines sehr reichen Mannes, der viele Güter besaß, viel Vieh und andre Schätze, von denen manches zu erzählen wäre; er hatte mit dieser Frau drei Töchter und einen Sohn. Satan fand das Weib ganz bereit, alles zu tun, was er verlangte. Er fragte, ob es ein Mittel gäbe, ihren Mann zu betrügen, oder ihn in seine Gewalt zu geben. Das Weib antwortete, das könne nur geschehen, wenn er ihn erzürnte und betrübe. Sie riet ihm deshalb, daß er hinginge und einen Teil seines Viehs umbrächte. Das tat der Teufel sogleich. Als die Hirten die Hälfte der Herden erschlagen sahen, liefen sie zu ihrem Herrn und sagten es ihm an, worüber er sehr erschrak. Als der Böse merkte, daß er schon um die Hälfte seiner Herden so erschrak, ging er in den Stall und tötete in einer Nacht zehn der besten Pferde. Als der reiche Mann das erfuhr, fehlte wenig, daß er rasend wurde; er schrie und tobte und rief: da der Teufel schon so viel geholt habe, gäbe er ihm das übrige alles dazu.

Als Satan dies hörte, war er sehr erfreut und nahm auch alles übrige. Der Mann, der auf einmal sich aller Schätze beraubt sah, betrübte sich so darüber, daß er ganz schwermütig wurde, sich ganz von all den Seinigen entfernt hielt, sich nicht um sie kümmerte und sie nicht um sich leiden mochte, sondern beständig einsam lebte. Der Teufel, der ihn nun so die Menschen hassen sah und wie er alle Gesellschaft floh, war jetzt gewiß, alle Gewalt über ihn zu haben und in seinem Hause schalten und walten zu können. Er ging auch sogleich hin und erwürgte des guten Mannes einzigen schönen Sohn. Darüber wollte der Vater vor Herzeleid und Betrübnis ganz vergehen. Der Teufel ging darauf zur Frau, die er ganz allein fand, und versuchte sie mit der Vorstellung ihres Unglücks dergestalt, daß sie einen Strick nahm und sich daran aufhing. Bald darauf starb der gute Mann, aus Gram über den schrecklichen Tod seiner Frau und seines Sohnes.

Nachdem der Böse dieses vollbracht hatte, überlegte er, wie er die Jungfrauen, die jungen Töchter dieses reichen Mannes, in seine Gewalt bekommen könne; um sie zu betrügen, mußte er erst sich ihnen gefällig bezeigen. Er holte also einen schönen Jüngling, den er schon längst in seiner Gewalt hatte, und brachte ihn zu den Jungfrauen. Der Jüngling brachte es mit lieblichen Reden, mit Hin- und Wiedergehen so weit, daß eine der Jungfrauen sich in ihn verliebte, worüber Satan sehr vergnügt war. Nun ruhte er auch nicht eher, sie mußte dem Jüngling ganz zu eigen werden. Dann ging er hin und entdeckte es der ganzen Welt, damit die Jungfrau zu Schanden werden sollte; denn damals war das Gesetz so: wenn ein Mädchen, das kein öffentliches war, des Umgangs mit einem Manne überführt wurde, so mußte es sterben. Satan brachte es durch Verrat dahin, daß die Richter es erfuhren. Der Jüngling entfloh, und die Jungfrau ward vor Gericht geführt. Die Richter hatten großes Mitleiden mit ihr, um ihres Vaters willen, der ein sehr braver Mann gewesen war. »Wunder!« sagten die Richter, »wie konnte dem armen Mädchen solches Leid widerfahren, es ist ja noch gar nicht lange her, daß ihr Vater, der frömmste Mann im Lande, starb.« Sie wurde verurteilt und lebendig begraben, aber aus Achtung vor ihren Anverwandten geschah es in der Nacht, um Aufsehen zu vermeiden.

II. Über zwei Schwestern, deren eine tugendhaft war und die andere von Lüsternheit übermannt wurde

Inhaltsverzeichnis

Es lebte nicht weit von dem Ort, wo die Jungfrauen wohnten, ein Einsiedler, der einen überaus frommen Wandel führte. Als dieser nun die wunderbare Begebenheit erfuhr, daß die eine der Jungfrauen lebendig begraben worden sei, ging er hin zu den anderen Schwestern, um ihnen mit seinem Rat beizustehen. Zuerst fragte er sie, auf welche Weise sie Vater und Mutter und alle Güter verloren hätten. »Das Schicksal«, sagten sie, »hat es so gewollt; wir werden von Gott gehaßt, und er hat uns zu solcher Betrübnis bestimmt.«

»Gott haßt keinen Menschen«, sagte der fromme Einsiedler; »vielmehr geht ihm alles, was Ihr Böses tut, sehr nahe; durch die Einwirkung des Teufels ist Eure Schwester zu solcher Schande verführt worden. Da Ihr aber nichts davon wißt und bis jetzt befreit davon seid, so hütet Euch ferner vor schlechter Gesellschaft und bösen Eingebungen.«

Der fromme Mann gab ihnen darauf noch viele vortreffliche Lehren. Er unterrichtete sie im Glauben, lehrte sie die göttlichen Gebote und die Tugenden des Heilands. Der ältesten Tochter gefielen diese Lehren wohl, und sie nahm sie sehr zu Herzen, gab sich auch große Mühe, alles zu erlernen, und alles das jeden Tag zu tun, was der fromme Einsiedler ihr zu tun gebot.

»Wirst Du«, sagte er zu ihr, »dem Rat immer so folgen, meine Tochter, und pünktlich so tun, wie ich es Dir heiße, so wirst Du zu vielen Ehren und großem Gut kommen; also folge meinem Rat. Komm zu mir, so oft Du über etwas in Zweifel bist oder in Versuchung gerätst, damit ich Dich mit Hilfe Gottes wieder auf den rechten Weg führe. Laß Dich von nichts bestürzt machen, sondern vertraue auf Gott.« Nachdem der fromme Mann die beiden Jungfrauen so gestärkt und unterrichtet hatte, ging er wieder in seine Einsiedelei, schärfte ihnen aber vorher noch einmal ein, daß sie zu ihm kommen und ihn um Rat fragen sollten, so oft ihnen etwas begegnen würde.

Dem Satan war der Zuspruch des frommen Mannes nicht lieb, er fürchtete sehr, die beiden Jungfrauen zu verlieren; sah auch ein, daß er sie nie würde betrügen können, außer mit Hilfe eines anderen von ihm besessenen Weibes. Er kannte eine, die schon oft seinen Willen getan, und deren er ganz mächtig war. Diese schickte er zu den Jungfrauen; sie wandte sich sogleich an die jüngste, denn mit der ältesten zu reden wagte sie nicht, weil sie zu fromm war. Das Weib nahm also die jüngste auf die Seite und fragte sie, wie sie lebte, und wie sie sich mit ihrer Schwester stände. »Meine Schwester«, antwortete das junge Mädchen, »ist über die vielen Begebenheiten, die wir hintereinander erlebt haben, so nachdenklich geworden, daß sie Essen und Trinken vergißt, und weder mir noch andern ein freundliches Gesicht zeigt. Ein guter, frommer Mann hat ihr Gemüt ganz zu Gott gewendet, sie glaubt und tut nichts, als was dieser Mann ihr sagt.«

»Schade,« sagte das Weib darauf, »daß ein so schönes Mädchen wie Du unter einer solchen Vormundschaft steht; denn niemals wirst Du Dich bei Deiner Schwester Deiner Schönheit erfreuen können. Mein süßes Töchterchen«, fuhr sie fort, »wenn Du wüßtest, welche Freude und welches Wohlleben die anderen Frauen genießen, Du würdest alles, was Du bei Deiner Schwester hast, für nichts achten. Trocknes Brot in Gesellschaft von Männern ist angenehmer, als alle Güter der Welt bei Deiner Schwester. Wie kannst Du es nur so allein aushalten; eine Frau, die keinen Mann kennt und mit keinem umgeht, weiß gar nicht, was Freude ist. Ich sage es Dir, schönes Kind, Du wirst niemals die Liebe eines Mannes genießen, Deine Schwester wird sie eher genießen als Du, denn sie ist die älteste und wird heiraten; dann wird sie sich aber gar nicht mehr um Dich bekümmern, und Du wirst die Freuden Deines schönen Leibes nicht kennen lernen.« Diese Reden machten das junge Mädchen ganz nachdenklich.

»Wie dürfte ich das wohl tun«, fing sie wieder an, »man würde mich lebendig begraben, wie meine Schwester.« – »Deine Schwester«, sagte das Weib, »war eine Törin und hat es sehr übel angefangen; wenn Du mir folgen willst, sollst Du alle Lust Deines Leibes genießen, und kein Mensch soll Dir etwas anhaben können.« – »Jetzt darf ich nicht länger mit Euch reden«, sagte das junge Mädchen, »meine Schwester möchte es gewahr werden; entfernt Euch jetzt, und kommt einen andern Tag wieder.« Das Weib ging fort, und Satan freute sich des guten Anfangs.

Als das Mädchen nun allein geblieben war, überlegte sie unaufhörlich die Reden des Weibes und sprach immer mit sich selber davon. Dadurch wuchs die Lüsternheit, die der Teufel durch jene Reden in ihr entzündet hatte, in ihr immer mehr, so daß als sie des Abends ihre Kleider abgelegt hatte, sie ihren schönen Leib betrachtete und sich dessen freute. »In Wahrheit«, sagte sie, »die kluge Frau hat Recht, ich wäre ohne den Genuß eines Mannes ganz verloren.« Sie ließ bald darauf jenes Weib wieder zu sich rufen und fragte sie, wie sie es machen müßte, einen Mann zu lieben, und nicht verraten und getötet zu werden, wie ihre Schwester. »Du brauchst nur«, sagte jene, »Dich einem jeden öffentlich hingeben. Fliehe wie erzürnt hier aus dem Hause und sage, daß Du es nicht länger mit Deiner Schwester zusammen aushalten kannst; nachher kannst Du tun, was Dir gefällt, und niemand darf Dich vor Gericht fordern oder Dich verurteilen. Wenn Du dann einst des wilden Lebens müde bist, kannst Du immer noch einen Mann finden, der Dich heiratet, um Deiner vielen Reichtümer willen; so wirst Du aller Freuden dieser Welt froh.«

Die Jungfrau folgte wirklich dem verderblichen Rat des verfluchten Weibes, entfloh aus dem Hause ihrer Schwester, und gab sich öffentlich jedem preis.

III. Wie Merlin vom Teufel und einer frommen Jungfrau gezeugt wurde

Inhaltsverzeichnis

So sehr der böse Feind sich freute, diesen Anschlag gelungen zu sehen, so sehr entsetzte sich die Schwester des Mädchens darüber. Es fehlte wenig, so wäre sie aus Betrübnis wahnsinnig geworden; und sogleich machte sie sich auf den Weg und lief zu dem Einsiedler. Als dieser sie ankommen sah, ging er ihr entgegen und sagte: »Mache ein Kreuz, meine Tochter, und empfiehl Dich Gott; ich sehe, Du bist sehr niedergeschlagen.« – »Ich habe wohl Ursache dazu«, sagte jene, und erzählte ihm, wie ihre Schwester entflohen sei und sich, wie man ihr gesagt, der Schande öffentlich preisgegeben. Der fromme Mann war sehr betrübt über diese Nachricht und sagte: »Noch ist der böse Feind um Dich her und wird auch nicht sobald aufhören, Dich zu verfolgen, um Dich in seinen Schlingen zu fangen, wenn Gott Dich nicht in seine besondere Obhut nimmt. Ich bitte Dich also und befehle Dir, daß Du Dich nicht dem Zorn und der Traurigkeit überläßt, denn über niemand hat der Böse mehr Macht als über die, die sich solchen Leidenschaften hingeben. Komm zu mir, sobald Dir ein Hindernis oder etwas Verderbliches in den Weg gelegt wird. Mache jeden Tag, ehe Du etwas issest oder trinkst, das Zeichen des Kreuzes an Dir; laß stets da, wo Du schläfst, ein Licht brennen, denn der Böse scheut das Licht.«

Nach diesen Lehren des frommen Mannes ging die Jungfrau wieder nach Hause. Viele Leute aus der Stadt besuchten sie und rieten ihr, sich zu verheiraten, damit sie nicht so allein und in Traurigkeit versenkt bliebe. Sie antwortete ihnen aber jedesmal: »Gott wird mir gewiß nichts anders zuschicken, als was mir gut ist.« Mehr als zwei Jahre lang blieb die Jungfrau in ihres Vaters Hause und führte ein sehr gottesfürchtiges frommes Leben. Der Böse konnte durchaus keine Gewalt über sie haben, weder in Gedanken noch in Werken; er suchte beständig sie zu erzürnen, damit sie im Zorn die Befehle des frommen Mannes vergessen möchte. Zu dem Zweck führte er eine Nacht ihre entlaufene Schwester wieder zu ihr, damit sie sich über sie erzürnen möchte; und gleich nach der Schwester schickte er einen Haufen junger Burschen ins Haus, die ihr nachliefen.

Als die Jungfrau dies erblickte, erschrak sie sehr und sagte zu ihrer Schwester: »So lange Du eine solche Lebensart führst, solltest Du nicht zu mir ins Haus kommen, denn Du bist Schuld, daß ich in üblen Ruf komme.« Jene, als sie hörte, daß ihre Schwester ihrem üblen Ruf die Schuld gab, ward ergrimmt und erhitzt und redete wie eine, die vom Teufel besessen ist; sie drohte ihrer Schwester und warf ihr vor, sie liebe den frommen Einsiedler mit weltlicher Liebe, und sie würde hingerichtet werden, wenn die Leute es wüßten. Die Jungfrau ward hoch erzürnt über diesen Vorwurf und befahl ihr, aus dem Hause zu gehen. Jene erwiderte aber, sie hätte zu dem Hause so viel Recht wie sie, und wollte nicht hinausgehen. Die Jungfrau wollte sie bei den Schultern hinaus stoßen, aber sie und die jungen Burschen, die mit ihr waren, wehrten sich und schlugen die arme, erzürnte Jungfrau. Sie entfloh ihnen endlich und schloß sich in ihr Zimmer ein; in ihren Kleidern warf sie sich aufs Bette, weinte sehr und vergaß in ihrer Betrübnis, das Zeichen des Kreuzes über sich zu machen, so wie ihr der fromme Mann befohlen hatte. Der Böse wachte neben ihr, und als er sah, daß sie sich selbst vergessen, dachte er: Nun ist es Zeit, daß wir den Menschen in ihr erschaffen, denn sie steht jetzt nicht in Gottes Obhut.

Darauf legte der Teufel sich zu ihr, und sie empfing, vergraben im festen Schlafe. Gleich nachher erwachte sie, und ihr erster Gedanke war an den frommen Einsiedler; sogleich machte sie das Zeichen des Kreuzes über sich. »Heilige Jungfrau Maria«, betete sie, »wie ist mir geschehen? Ich fühle mich entehrt! Selige Mutter Gottes, bitte Deinen glorreichen Sohn für mich, daß er meine Seele vor Verdammnis bewahre, meinen Leib vor Qualen, und mich schütze gegen die Macht des Bösen.« Nachdem sie so gebetet hatte, stand sie auf von ihrem Bett, und sann herum auf alle ihre Bekannte und suchte zu erraten, welcher Mensch ihr solches wohl möchte getan haben. Sie lief und untersuchte die Tür, fand sie aber dicht verschlossen, so wie sie selbst sie verschlossen hatte, ehe sie sich niederlegte; suchte auch allenthalben in ihrer Kammer herum, ohne etwas zu finden. Da ward sie es gewahr, daß sie vom bösen Feind überlistet und entehrt sei; warf sich sofort auf ihre Knie und betete lang und inbrünstig zu Gott, daß er sie in seinen Schutz nehmen und sie vor Schande bewahren möge. Als der Tag anbrach, führte der böse Feind die Schwester samt den jungen Leuten wieder zum Hause hinaus; da stand sie auf vom Gebet, öffnete ihre Kammer und überließ sich ganz ihrem übermäßigen Schmerz. Darauf ließ sie durch ihren Diener zwei ehrbare Frauen holen, und von diesen begleitet, ging sie sogleich zu ihrem Einsiedler, um zu beichten. Und wie der fromme Mann sie so voller Leid sah und sie darum befragte, erzählte sie ihm alles, was ihr in dieser Nacht geschehen war; gestand auch ein, daß sie im Zorn seinen Befehl vergessen, und wie sie dann im Schlafe sich entehrt gefühlt habe, ohne einen Mann zu kennen, von dem sie dies vermuten könne, da ihre Tür fest verschlossen gewesen und sie niemand in der Kammer gefunden habe.

Der fromme Mann glaubte ihr erst nicht und beschuldigte sie der Lüge; da sie aber fest auf allem bestand und große Betrübnis zeigte, legte er ihr eine strenge Buße auf, weil sie seinen Befehl vergessen hatte. Die nahm sie weinend an und versprach sie lebenslänglich zu halten; die Buße nämlich, so lange sie lebe, nur einmal am Tag zu essen. Nachdem sie dies gewiß zu halten versprochen, segnete er sie und betete über sie, sagte ihr auch, daß sie jedesmal wieder zu ihm kommen solle, wenn sie seines Trostes bedürfe. Sie ging nach Hause und der böse Geist fand sich zu seinem Verdruß durch ihre Reinheit und Frömmigkeit getäuscht, denn obgleich er sie im Schlafe betrogen, konnte er ihre Seele dennoch nicht verderben und hatte nicht im geringsten Gewalt über sie.

IV. Merlin, der des Teufels und Gottes ist, und von beiden erstaunliche Gaben mitbekommt

Inhaltsverzeichnis

Nach einiger Zeit wuchs das Kind im Leibe der Jungfrau, und ihre Schwangerschaft wurde sichtbar vor den Augen aller Menschen. Es kamen dann viele Leute zu ihr und fragten sie, da sie ihren Zustand nicht leugnen konnte, wer der Mann sei. »So gebe Gott mir Freude«, antwortete sie, »ich weiß es nicht, von wem ich das Kind habe.« Da verspotteten sie sie, und sagten mit Gelächter: »Also hattest Du mit so vielen Männern zu schaffen, daß Du den Vater Deines Kindes nicht kennst?« – »Niemals«, antwortete sie, »mag ich erlöst werden, wenn ich jemals einen Mann gekannt oder ein Mann meines Willens oder Wissens mit mir zu schaffen gehabt!«

Da machten die anwesenden Frauen das Zeichen des Kreuzes. »Dies ist nicht möglich«, sagten sie, »dies geschieht keiner Frau. Vielmehr denken wir, Du liebst den Mann, der Dich verführte, mehr als Dich selbst, und willst ihn nicht anklagen. Sehr schade ist es um Dich; wenn die Richter es erfahren, so mußt du sterben.« Die Jungfrau wiederholte noch einmal, daß sie von keinem Manne wisse. Die Weiber entfernten sich, erklärten sie für wahnsinnig und meinten, die Reichtümer des Vaters müßten ein übel erworbenes Gut sein, weil nun alles so verloren gehe, und es an den Kindern gestraft werde. Die Jungfrau war sehr erschrocken, ging sogleich wieder zu dem Einsiedler und erzählte ihm alles das, was die Leute zu ihr gesagt hatten. Da der fromme Mann sie wirklich schwangeren Leibes sah, konnte er sein Erstaunen nicht verbergen, fragte sie auch, ob seitdem dieses Wunderbare sich nicht wieder ereignet, und ob sie ihre Buße und seine übrigen Befehle ordentlich gehalten habe. Das erste verneinte sie, auf das letzte aber antwortete sie mit Ja.

Der fromme Einsiedler, über dieses Wunder ganz erstaunt, schrieb Nacht und Stunde auf, wo sie zuerst ihm davon gebeichtet. »Jetzt«, sagte er, »werde ich es genau wissen, ob Du mir Lügen sagtest oder nicht; denn ich vertraue auf Gott und glaube, daß er Dich, wofern Du Wahrheit redetest, nicht wird sterben lassen; aber die Furcht vor dem Tode wirst Du doch ausstehen müssen. Denn sie werden sagen, daß die Strafe Dir von Rechtswegen zukomme; aber eigentlich werden sie Dich um Deines großen Reichtums willen gern umbringen wollen. Sobald Du aber ins Gefängnis gesetzt wirst, laß es mich wissen; ich will Dir, wo möglich, zu Hilfe kommen.«

Die Jungfrau wurde wirklich bald hernach vor die Richter gefordert, und alsbald sandte sie nach dem Einsiedler, der sich sogleich auf den Weg zu ihr machte. Als er aber ankam, stand sie schon vor Gericht. Sobald die Richter den frommen Mann erblickten, erzählten sie ihm die Begebenheit und fragten ihn, ob er wohl glaube, daß ein Weib empfangen könne, ohne mit einem Manne Umgang zu pflegen. »Ich weiß Euch hierüber nichts zu sagen«, antwortete er; »aber mein Rat ist, daß Ihr sie nicht während ihrer Schwangerschaft hinrichtet, denn es ist weder recht noch billig, daß das Kind mit bestraft werde, da es doch nicht gesündigt hat.« Diesen Worten beschlossen die Richter zu folgen. Er riet ihnen auch, sie in einen festgeschlossenen Turm zu bringen und ihr zwei Weiber mitzugeben, die ihr in der Stunde der Geburt hülfen; aber kein anderer Mensch dürfe zu ihr gelassen werden. Er riet ihnen ferner, die Mutter leben zu lassen, bis das Kind reden könne; »alsdann«, sagte er, »werdet Ihr die Wahrheit erfahren und sie nach der Gerechtigkeit richten können.« Die Richter taten alles nach dem Rat des frommen Einsiedlers, gaben ihr zwei Frauen mit in den Turm, die geschicktesten und verständigsten Hebammen und Wärterinnen zu der Zeit; oben im Turm ward ein Fenster gemacht, durch welches man ihnen alles, wessen sie benötigten, reichen konnte.

Ehe die Jungfrau hineingeführt wurde, sagte ihr der Einsiedler: »Meine Tochter, laß Dein Kind taufen, wenn Du niedergekommen bist; und sollten sie Dich hinrichten wollen, so sende nach mir und laß mich rufen.«

Als nun die Zeit der Geburt gekommen war, gebar sie einen Sohn, der die Macht und den Willen des bösen Feindes, seines Erzeugers, haben sollte; aber Satan hatte töricht sich betrogen, indem er die Jungfrau im Schlaf betrog, aber ihre Seele nicht verführte, die ganz des Herrn voll war. Auch war sie gleich, nachdem sie aufwachte, aufgestanden, hatte andächtig gebetet und sich der Dreieinigkeit empfohlen; war dann, so schnell sie konnte, zu dem frommen Mann gelaufen, hatte gebeichtet, Gott und die heilige Kirche angerufen, und Buße und Absolution empfangen; seitdem auch Gottes und der Kirche Gebote auf das treulichste befolgt. Daher kam es, daß der böse Feind wieder verlor, was er erobert zu haben glaubte.

Das Kind der Jungfrau ähnelte darin seinem Erzeuger, dem Teufel, daß es alles wußte, was in der gegenwärtigen Zeit geschah und gesprochen wurde, aber durch die Frömmigkeit der Mutter und vermittelst der Reinigung der Taufe und der Gnade Gottes, erhielt es von Gott die Gabe, die Zukunft vorher zu wissen; so daß das Kind sich Gott oder dem Satan anheim geben konnte, oder auch Gott wiedergeben, was es von ihm hatte, und dem Teufel, was es von dem Teufel hatte. Der Teufel hatte ihm bloß den Körper, Gott aber hatte ihm die Seele und den Verstand gegeben, und zwar diesem Kind mehr als jedem andern, weil es ihm Not tat.

Als er zur Welt kam, fürchteten sich die Frauen vor ihm, denn er war groß und ganz behaart, und niemals hatten sie ein solches Kind zur Welt kommen sehen. Sie überreichten ihn der Mutter, die ein Kreuz machte, als sie seiner ansichtig ward. »Mein Sohn, Du erschreckst mich«, sagte sie. »Auch wir«, sagten die Frauen, »sind so über seinen Anblick erschrocken, daß wir ihn kaum halten können.« Die Mutter befahl, daß man ihn zum Fenster hinunterlasse, damit er getauft würde. »Wie soll er heißen?« fragten die Frauen. »Gebt ihm den Namen, den mein Vater hatte«, antwortete sie, »er hieß Merlin.« Es geschah also; das Kind wurde zum Fenster hinunter gelassen, das Volk nahm ihn, ließ ihn taufen und gab ihm auf Verlangen der Frauen, im Auftrag der Mutter, den Namen Merlin, wie sein Großvater hieß. Darauf wurde er wieder zu seiner Mutter gebracht, denn keine andre Frau würde es gewagt haben, ihn an die Brust zu legen und säugen zu lassen, so sehr fürchteten sich alle vor ihm.