Geschichte Israels - Michael Tilly - E-Book

Geschichte Israels E-Book

Michael Tilly

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Beschreibung

Das Buch hat zwei Hauptteile: Wolfgang Oswald, Professor für Altes Testament an der Universität Tübingen, beginnt seine Darstellung bei der Entstehung des Königtums in Israel und stellt die wechselhafte Geschichte des Landes bis zum Ende des Persischen Reich dar. Michael Tilly, Leiter des Instituts für antikes Judentum und hellenistische Religionsgeschichte in Tübingen, knüpft mit den Entwicklungen zur Zeit Alexanders des Großen und seiner Nachfolger an und entfaltet die weitere Geschichte Israels bis zur Entstehung des rabbinischen Judentums im 3. Jahrhundert nach Christus. Auf Basis biblischer Texte, archäologischer Funde, Inschriften und zahlreicher weiterer Quellen entwerfen die beiden Autoren ein ebenso gründliches wie klar strukturiertes Panorama des antiken Israel mit besonderem Schwerpunkt auf den politischen Entwicklungen in der Region. Mit Zeittafeln, ausführlicher Bibliografie und Register.

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Seitenzahl: 292

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GESCHICHTE KOMPAKT

Herausgegeben vonKai Brodersen, Martin Kintzinger,Uwe Puschner, Volker Reinhardt

Herausgeber für den Bereich Antike:Kai Brodersen

Beratung:Ernst Baltrusch, Peter Funke,Charlotte Schubert, Aloys Winterling

GESCHICHTE KOMPAKT

Wolfgang OswaldMichael Tilly

Geschichte Israels

Von den Anfängen biszum 3. Jahrhundert n. Chr.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der DeutschenNationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig.Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung inund Verarbeitung durch elektronische Systeme.

© 2016 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), DarmstadtDie Herausgabe dieses Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht.Lektorat: Tobias Gabel, HeppenheimSatz: Lichtsatz Michael Glaese GmbH, HemsbachEinbandabbildung: Die zwölf Stämme Israels. Mosaik in der Beit Habad Gallery,Jerusalem © Yael Portugheis/zeevveez, Wikimedia CommonsEinbandgestaltung: schreiberVIS, Bickenbach

Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de

ISBN 978-3-534-26805-4

Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich:eBook (PDF): 978-3-534-74165-6eBook (epub): 978-3-534-74166-3

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Inhaltsverzeichnis

Informationen zum Buch

Informationen zu den Autoren

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Geschichte kompakt

    I. Einleitung

   II. Die Vor- und Frühgeschichte Israels

1. „Israel“ – Volk, Staat und Land

2. Die südliche Levante in der mittleren und späten Bronzezeit

3. Die südliche Levante im 11. Jahrhundert

  III. Die Anfänge der Monarchien in Israel und Juda im 10. Jahrhundert

1. Die Erzählungen über David und Salomo im Licht der Archäologie

2. Der frühe Staat – sozial- und politikwissenschaftliche Annäherungen

3. Die Herrschaft Davids und Salomos – ein mögliches Szenario

4. Die Entstehung zweier Monarchien in Israel und Juda

  IV. Das Königreich Israel (Nordreich)

1. Die Dynastien in Israel und in Juda gemäß den Samuel- und Königebüchern

2. Die Frühzeit des Nordreiches Israel und sein föderaler Charakter

3. Die Omri-Dynastie

4. Die Jehu-Dynastie

5. Die letzten Jahrzehnte des Nordreiches Israel

   V. Das Königreich Juda (Südreich)

1. Die Anfänge des Königtums in Juda gemäß den Samuel- und Königebüchern

2. Juda im Einflussbereich Israels und Arams

3. Juda unter assyrischer Oberherrschaft

4. Juda unter ägyptischer Oberherrschaft

5. Juda unter babylonischer Oberherrschaft

  VI. Die babylonische Epoche

1. Die Judäer in Babylon

2. Die Judäer und Benjaminiter in Juda und Benjamin

3. Das benjaminitisch-judäische Gemeinwesen in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts

 VII. Die persische Epoche

1. Der Beginn der persischen Herrschaft im Orient

2. Die Provinz Jehud in der frühen Perserzeit

3. Benjamin-Juda in der frühen und mittleren Perserzeit

4. Die Provinz Jehud am Ende des 5. Jahrhunderts

5. Die Provinz Samaria in früh- und mittelpersischer Zeit

6. Die Provinz Jehud und der Jerusalemer Tempelstaat im 4. Jahrhundert

VIII. Alexander der Große und die Diadochenherrschaft

1. Die Eroberung Koilesyriens durch Alexander den Großen

2. Die Herrschaft der Diadochen

  IX. Judäa unter ptolemäischer Herrschaft

1. Die ptolemäische Provinz Syrien und Phönizien

2. Politische und gesellschaftliche Strukturen in Judäa

3. Der Tobiaden-Clan

   X. Judäa unter seleukidischer Herrschaft

1. Die Eroberung Koilesyriens durch Antiochos III.

2. Die „Religionsverfolgung“ unter Antiochos IV.

3. Der Kampf der Judäer gegen die syrische Oberherrschaft

  XI. Die Hasmonäerherrschaft

1. Die hasmonäische Expansionspolitik

2. Innenpolitische Konflikte in Judäa

3. Das Eingreifen Roms

 XII. Die römisch-herodianische Epoche

1. Das römische Klientelfürstentum Jerusalem-Judäa

2. Die Partherinvasion

3. Herodes der Große

XIII. Vom Ende Herodes’ des Großen bis zum Jüdischen Krieg

1. Die Herrschaft der Herodessöhne

2. Herodes Agrippa I. und sein Königreich

3. Herodes Agrippa II.

4. Der Jüdische Krieg und die Neuordnung in Judäa

XIV. Die römische Provinz Syria Palaestina

1. Vom Ende des Jüdischen Krieges bis zu Kaiser Hadrian

2. Der Bar-Kochba-Aufstand und seine Folgen

3. Die römische Provinz Syria Palaestina im 2. und 3. Jahrhundert

Verzeichnis der Siglen und Abkürzungen

Auswahlbibliographie

Bibelstellenregister

Geschichte kompakt

In der Geschichte, wie auch sonst, dürfen Ursachen nicht postuliert werden, man muss sie suchen. (Marc Bloch)

Das Interesse an Geschichte wächst in der Gesellschaft unserer Zeit. Historische Themen in Literatur, Ausstellungen und Filmen finden breiten Zuspruch. Immer mehr junge Menschen entschließen sich zu einem Studium der Geschichte, und auch für Erfahrene bietet die Begegnung mit der Geschichte stets vielfältige, neue Anreize. Die Fülle dessen, was wir über die Vergangenheit wissen, wächst allerdings ebenfalls: Neue Entdeckungen kommen hinzu, veränderte Fragestellungen führen zu neuen Interpretationen bereits bekannter Sachverhalte. Geschichte wird heute nicht mehr nur als Ereignisfolge verstanden, Herrschaft und Politik stehen nicht mehr allein im Mittelpunkt, und die Konzentration auf eine Nationalgeschichte ist zugunsten offenerer, vergleichender Perspektiven überwunden.

Interessierte, Lehrende und Lernende fragen deshalb nach verlässlicher Information, die komplexe und komplizierte Inhalte konzentriert, übersichtlich konzipiert und gut lesbar darstellt. Die Bände der Reihe „Geschichte kompakt“ bieten solche Information. Sie stellen Ereignisse und Zusammenhänge der historischen Epochen der Antike, des Mittelalters, der Neuzeit und der Globalgeschichte verständlich und auf dem Kenntnisstand der heutigen Forschung vor. Hauptthemen des universitären Studiums wie der schulischen Oberstufen und zentrale Themenfelder der Wissenschaft zur deutschen und europäischen Geschichte werden in Einzelbänden erschlossen. Beigefügte Erläuterungen, Register sowie Literatur- und Quellenangaben zum Weiterlesen ergänzen den Text. Die Lektüre eines Bandes erlaubt, sich mit dem behandelten Gegenstand umfassend vertraut zu machen. „Geschichte kompakt“ ist daher ebenso für eine erste Begegnung mit dem Thema wie für eine Prüfungsvorbereitung geeignet, als Arbeitsgrundlage für Lehrende und Studierende ebenso wie als anregende Lektüre für historisch Interessierte.

Die Autorinnen und Autoren sind in Forschung und Lehre erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Jeder Band ist, trotz der allen gemeinsamen Absicht, ein abgeschlossenes, eigenständiges Werk. Die Reihe „Geschichte kompakt“ soll durch ihre Einzelbände insgesamt den heutigen Wissensstand zur deutschen und europäischen Geschichte repräsentieren. Sie ist in der thematischen Akzentuierung wie in der Anzahl der Bände nicht festgelegt und wird künftig um weitere Themen der aktuellen historischen Arbeit erweitert werden.

Kai Brodersen

Martin Kintzinger

Uwe Puschner

Volker Reinhardt

I. Einleitung

Antike Texte als historische Quellen

Das zentrale Problem jeder Darstellung der Geschichte Israels ist die Beurteilung des historischen Quellenwerts sowohl der Bücher der Hebräischen Bibel, des christlichen Alten Testaments, als auch der jüdischen und frühchristlichen Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit. In gewisser Weise steht der Historiker bei jedem Text und bei jedem archäologischen Fund vor dieser Frage, doch im Falle der biblischen Texte ist der Sachverhalt ungleich schwieriger. Denn hierbei handelt es sich nicht um in situ gefundene Monumentalinschriften oder um leicht datierbare Annalen, und auch nicht um Werke von namentlich bekannten Historikern, sondern um mehrheitlich anonyme Texte, die sich zum Teil keiner bekannten Gattung zuordnen lassen und die – wie etwa das Alte Testament – in einem Jahrhunderte langen Prozess abgefasst und fortgeschrieben wurden. Selbst die ältesten, meist nur fragmentarisch erhaltenen Handschriften dieser Texte sind viele Jahrzehnte, meist sogar Jahrhunderte jünger als ihre mutmaßliche Abfassungszeit. Eine einfache Antwort, die für alle Bibeltexte zutrifft, kann es nicht geben, denn dazu sind sie zu unterschiedlich. Wer die antiken jüdischen und christlichen Schriften im Hinblick auf historische Fragen auswerten will, muss zuerst exegetisch an ihnen arbeiten und ihre jeweiligen Intentionen verstehen.

Samuel- und Königebücher

Unter den erzählenden Büchern des Alten Testaments wird man den Königebüchern am ehesten einen historischen Informationswert zubilligen können, zumal diese ab 1 Kön 14 immer wieder auf die Annalen der Könige von Israel und auf die der Könige von Juda Bezug nehmen. Doch sind auch die Königebücher nicht geschrieben worden, um die Geschichte der beiden Königreiche zu erzählen; vielmehr zielen sie darauf ab, den Herrschaftsanspruch des davidischen Herrscherhauses auf Juda und Israel zu begründen. Dieselbe Intention lässt sich für die Erzählungen der Samuelbücher namhaft machen, die den Herrschaftsanspruch Davids und seiner Nachfolger gegenüber den benjaminitischen Nachbarn verteidigen. Gleichwohl gibt es gute Gründe anzunehmen, dass die Grundkonstellation der Erzählungen, der Aufstieg des Judäers David zum König, historisch ist.

Pentateuch und Josua

Das ist in den Erzählungen des Pentateuch und des Josuabuches anders. Bei diesen handelt es sich nicht, wie man früher gelegentlich annahm, um legendarisch ausgeschmückte Ereignisberichte, deren historischer Kern durch die Subtraktion jener Ausschmückungen wieder freigelegt werden könnte. Vielmehr handelt es sich überwiegend um Erzählungen, die von vornherein darauf abzielten, drei für die Adressaten aktuell wichtige Fragen zu beantworten: „Was ist Israel? Wie ist Israel organisiert? Wer gehört zu Israel?“ Diese Texte sind daher keine Quellen für die Zeit der Erzählung, sehr wohl aber für die Zeit ihrer Abfassung. Sie bieten reiche Informationen über politische Strukturen und Prozesse in Juda bzw. Israel im assyrischen, babylonischen und persischen Zeitalter und werden daher im Folgenden zur Rekonstruktion dieser Epochen herangezogen.

Esra-Nehemia und Chronik

Das soeben Gesagte gilt für auch die Chronikbücher, die historisch ausschließlich als Quelle für die Zeit ihrer Abfassung im 3. Jahrhundert in Frage kommen. Differenziert müssen hingegen die Teilkompositionen des Esra-Nehemia-Buches behandelt werden. Einige von ihnen geben nicht nur über ihre Abfassungszeit Aufschluss, sondern auch über ihre Erzählungszeit.

Prophetenbücher und Psalmen

Die Prophetenbücher nehmen immer wieder Bezug auf soziale Konstellationen und politische Ereignisse ihrer Zeit. Wo solche ermittelt und mit hinreichender Wahrscheinlichkeit datiert werden können, sind diese Texte gute historische Quellen, oft sogar bessere als die erzählenden Bücher. Die weiteren Bücher des Alten Testaments, etwa die Psalmen oder die Proverbien, geben einen Einblick in die Kultur einer bestimmten Epoche und sind für kulturgeschichtliche Fragen gute Quellen, nur ganz selten aber für einzelne Ereignisse.

Die alttestamentliche Wissenschaft, aber auch die Altorientalistik, haben sich auf Grund ihrer primär historischen Ausrichtung lange schwer getan, den weitgehend nicht-historischen Charakter der Texte des Alten Testaments zu akzeptieren. Die Akzeptanz dieser exegetischen Erkenntnis bedeutet jedoch nicht die Unmöglichkeit, eine Geschichte Israels zu schreiben. Sie bedeutet lediglich, nur solche Textabschnitte auszuwerten, die nach Maßgabe exegetischer Analyse und historischer Wahrscheinlichkeitsabwägung historische Informationen enthalten.

Primär- und Sekundärquellen

Hilfreich ist die Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärquellen. Primärquellen stammen aus der Zeit, über die sie informieren, Sekundärquellen sind spätere Berichte über frühere Ereignisse. Die Texte des Alten Testaments sind ab dem 9. Jahrhundert entstanden und haben für die Zeiten davor, wenn überhaupt, als Sekundärquellen zu gelten. Die Königschroniken beginnen an der Wende vom 10. zum 9. Jahrhundert und stellen für die folgenden Jahrhunderte der Monarchien in Israel und Juda das historische Grundgerüst bereit, das durch zahlreich vorhandenes inschriftliches Material ergänzt wird. Für die Zeiten davor sind jedoch die archäologischen Funde sowie die epigraphischen Quellen aus der Levante und aus Ägypten die einzigen Primärquellen. Für die Epochen nach dem Ende der Monarchien stehen zwar keine annalistischen Quellen zur Verfügung; die Tatsache jedoch, dass die meisten Texte des Alten Testaments aus dieser Zeit stammen, macht sie neben den archäologischen Funden, die natürlich für den gesamten hier behandelten Zeitraum vorliegen, zu Primärquellen und erlaubt ihre Auswertung für die Rekonstruktion der babylonischen, persischen und hellenistischen Zeit.

Chronologie

Eine Bemerkung ist notwendig zu den im Hauptteil A angegeben Jahreszahlen. Die vorhellenistische Chronologie der Könige Israels und Judas ist im Großen und Ganzen recht gut gesichert, auch wenn für viele Ereignisse Details noch diskutiert werden. Die folgende Darstellung orientiert sich für die Könige von Israel und Juda bei gelegentlichen Vereinfachungen und Abweichungen von maximal einem Jahr an den Datierungen, die Herbert Donner in der ersten Auflage seiner Geschichte Israels verwendet hat. Auf Detaildiskussionen wird nicht eingegangen, auch auf das allfällige „etwa“ wurde verzichtet, denn der damit ausgedrückte Vorbehalt gilt generell.

Der Name des Gottes Israels

In den zitierten Passagen aus dem Alten Testament kommt gelegentlich der Name des Gottes Israel vor, der in den üblichen Bibelübersetzungen mit „Herr“ wiedergegeben wird. Tatsächlich stehen im Originaltext jeweils die vier Buchstaben JHWH, die jedoch schon im Altertum nicht mehr ausgesprochen wurden. Man vermutet, dass der Name ursprünglich „Jahwe“ gelautet hat. In diesem Band steht immer „Jhwh“, so dass die Leser und Leserinnen selbst entscheiden können, ob sie „Jahwe“ oder „Herr“ oder etwas anderes hören wollen.

Die Übersetzungen der altorientalischen Quellen sind überwiegend der Sammlung „Historisches Textbuch zum Alten Testament“ (HTAT) sowie gelegentlich der Sammlung „Texte aus der Umwelt des Alten Testaments“ (TUAT) entnommen. Sie werden aber in der Regel nur auszugsweise und zudem in vereinfachter Darstellung wiedergegeben. Sie wollen die tiefer gehende Lektüre der Quellen nicht ersetzen, sondern dazu anregen.

Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit

Auch die Verfasser der jüdischen Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit und des Neuen Testaments waren durchweg an aktuellen Fragestellungen ihrer Zeit interessiert. Der Bezugsrahmen ihrer jeweiligen Gegenwart und ihre kulturelle Enzyklopädie, aber nicht eine Ansammlung von realgeschichtlichen Daten und Fakten, prägten ihre erinnernde Wahrnehmung der Geschichte Israels. Auch die von ihnen beschriebene „Vergangenheit“ war stets das Ergebnis einer kulturellen Konstruktion; sie wurde immer von spezifischen Motiven, Erwartungen, Hoffnungen, Zielen geleitet und von dem Bezugsrahmen der spezifischen Lebenswirklichkeit der Autoren geformt.

Antike Texte als historische Quellen

Heutige Historiker befragen die antiken Quellen oftmals daraufhin, was sie zu unserem heutigen Verständnis der Geschichte Israels beitragen, blenden dabei viele Dinge aus, die sie nicht interessieren, und gehen anderen intensiv nach, weil sie diese als besonders aktuell und spannend erachten. Ebenso haben bereits die antiken jüdischen und christlichen Verfasser die sie umgebende Wirklichkeit und ihre Erinnerungen an die Vergangenheit nicht photographisch abgebildet, sondern grundsätzlich mit ihren ganz persönlichen Sichtweisen, Hoffnungen und Erwartungen vermischt. Die antiken Quellentexte sind also ihrerseits oft auswählend, deutend, verzerrend oder pointierend. Sie bilden die historischen Gegenstände ihrer Darstellung nicht selten so ab, wie sie ihrer Auffassung nach sein sollten, und nicht so, wie sie wirklich sind.

Fiktionale Dichtungen

Dieser methodische Vorbehalt betrifft zunächst sämtliche relevanten jüdischen Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit. Unbeschadet ihres hohen historischen und religionsgeschichtlichen Quellenwerts als Zeugnisse sowohl der umfassenden Inkulturation der älteren Überlieferungen Israels in die pagane Welt als auch der unterschiedlichen Glaubensvorstellungen und kulturellen Prägungen im antiken Judentum zu hellenistisch-römischer Zeit sind sie zunächst keine Mitteilungstexte, sondern fiktionale Dichtungen. Ihre Wahrnehmung als „geschichtliche“ Dokumente, denen innerhalb eines bestimmten historischen Kontexts bestimmte textpragmatische Funktionen zukommen, bedingt deshalb die konsequente historisch-kritische Interpretation ihres eigentlichen Erzählinhalts.

Neues Testament

Auch die Schriften des Neuen Testaments sind zunächst als literarischer Ausdruck der historisch, situativ und kommunikativ bedingten Glaubensvorstellungen, religiösen Weltdeutungen und Praktiken innerhalb des Christentums in seiner formativen Phase zu betrachten. Auch sie waren nicht als Historiographie im neuzeitlichen Sinne gedacht, sondern wurden aufgeschrieben, um Orientierungspunkte für die lebendige Predigt und Lehre in den christlichen Gemeinden zu schaffen.

Flavius Josephus

Die umfangreichen Geschichtswerke des jüdischen Schriftstellers Flavius Josephus (37/38–nach 100) enthalten indes genaue Beobachtungen vieler Vorgänge und Ereignisse und zahlreiche authentische Dokumente und Quellen. Insbesondere gibt Josephus als vornehmer Priestersohn viele „Insiderinformationen“ aus dem Umkreis des Jerusalemer Tempels wieder und beweist zugleich eindrücklich, wie tiefgehend die Verflechtung des antiken Judentums mit der hellenistisch-römischen Kultur tatsächlich war. Für die Erhellung der jüngeren Geschichte Israels ist er zwar einer der wichtigsten Gewährsleute; er lässt aber bei seiner Darstellung der historischen Ereignisse und Zusammenhänge durchweg auch ein deutliches Bestreben erkennen, die erzählten Inhalte dem Geschmack und dem Wertekanon seiner römischen Leser anzupassen, was deren Quellenwert zuweilen schmälert.

Rabbinische Traditionsliteratur

Was schließlich die seit dem 3. Jahrhundert n. Chr. entstandene rabbinische Traditionsliteratur anbelangt, so liegt das wesentliche historiographische Problem darin, dass sich zu der Zeit, als diese Texte in ihrer heute greifbaren Form aufgeschrieben wurden, die äußeren Verhältnisse und die innere Struktur der jüdischen Gesellschaft bereits einschneidend verändert hatten. Weder gab es nach dem Jahr 70 unserer Zeitrechnung noch einen Tempel in Jerusalem noch einen regelmäßigen Opferkult gemäß den Geboten der Tora. Zudem wollten auch die jüdischen Gelehrten weniger die Vergangenheit dokumentieren oder die sie umgebende Gegenwart beschreiben, als vielmehr aus ihren zahlreichen Erinnerungen und Beobachtungen, Überlieferungen und Lehren eine umfassende und geordnete Quelle der Halacha (= jüdischer Lebensregeln) schaffen, die zuweilen sogar utopische Züge trägt.

II. Die Vor- und Frühgeschichte Israels

Überblick

Die Region, in der sich die Geschichte Israels überwiegend abgespielt hat und auch noch abspielt, ist die südliche Levante. In der Bronzezeit konzentrierte sich die Bevölkerung vor allem auf die Küstengebiete, das Bergland hingegen war nur spärlich besiedelt. Während des ägyptischen Neuen Reiches (18.–20. Dynastie, ca. 1550–1069 v. Chr.) beherrschten die Pharaonen große Teile der Levante. Der Stadtkönig von Jerusalem war einer von vielen ägyptischen Vasallen. Pharao Merenptah unternahm um 1200 v. Chr. einen Feldzug nach Kanaan, worüber er eine Siegesinschrift schreiben ließ. Darin wird „Israel“ zum ersten Mal erwähnt, und zwar als ein in der Region ansässiger Stamm, der besiegt wurde. Nach dem Ende der ägyptischen Oberherrschaft über die Region veränderte sich die Siedlungsstruktur in der südlichen Levante erheblich. Die Bevölkerung in den Stadtstaaten der Küstenebene ging zurück, dagegen entstanden im ephraimitischen und judäischen Bergland im Laufe des 11. Jahrhunderts sehr viele kleine Siedlungen.

1650–1550

Zweite Zwischenzeit in Ägypten/Herrschaft der „Hyksos“

1550–1069

Neues Reich: Dauerhafte ägyptische Oberherrschaft in der Levante

1479–1425

Thutmosis III.: Kriegszüge in die Levante

1352–1336

Amenophis IV. Echnaton/Amarnabriefe/Abdu-Ḫeba von Jerusalem

1279–1213

Ramses II.: Kriegszüge in die Levante

1213–1203

Merenptah: Erwähnung von „Israel“ auf der Siegesstele

1184–1153

Ramses III.: Ansiedlung der Philister in der Südlevante

ab ca. 1100

Niedergang der ägyptischen Oberherrschaft in der Levante und des kanaanäischen Stadtstaatensystems; Aufsiedlung im palästinischen Bergland

1069–664

Dritte Zwischenzeit in Ägypten

1. „Israel“ – Volk, Staat und Land

Der Name „Israel“

Der Begriff „Geschichte Israels“ bezeichnet den Inhalt der vorliegenden und anderer Darstellungen nur ungenau, er wird aber beibehalten, weil er seit Langem in der Wissenschaft etabliert ist. Tatsächlich geht es um die Geschichte zweier eng aufeinander bezogener Größen, Israel und Juda. In den Königebüchern des Alten Testaments bezeichnet „Israel“ das nördliche Königreich, dessen Hauptstadt Samaria war, während das südliche Königreich mit seiner Hauptstadt Jerusalem als „Juda“ bezeichnet wird. Gleichwohl wird der Ausdruck „Israel“ in vielen Texten des Alten Testaments auch auf das Volk angewandt, das in diesen beiden Regionen ansässig ist oder ansässig werden soll. In den programmatischen Texten des Pentateuch bezeichnet „Israel“ das gesamte Volk und das Gemeinwesen, das dieses Volk im verheißenen Land etablieren wird. Diesen Sprachgebrauch findet man auch in zahlreichen anderen Texten ab der Babylonierzeit. Als Bezeichnung für ein bestimmtes Territorium wird der Ausdruck „Israel“ im hier behandelten Zeitraum nicht verwendet; dafür stehen der moderne geographische Begriff „südliche Levante“, die ursprünglich ägyptische Bezeichnung „Kanaan“ oder der römische Name „Palästina“.

Ausdehnung des Landes

Das Land, in dem sich die Geschichte Israels abspielt, ist im Westen durch das Mittelmeer begrenzt. Im Osten bilden der Jordan sowie seine Fortsetzung im Toten Meer und im Trockental der Araba eine gewisse, aber nicht absolute Grenze, da sich ein Landstrich östlich des Jordans zeit- und teilweise auch unter israelitischer bzw. judäischer Herrschaft befunden hat. Im Süden stellen die Wüstenlandschaft des Negev eine natürliche und die Kleinstaaten der Philisterstädte am Mittelmeer eine politische Grenze dar. Im Nordwesten endet Israel am Herrschaftsgebiet der Phönizierstädte im heutigen Libanon, im Nordosten am Herrschaftsgebiet des Aramäerstaates von Damaskus. Damit ist aber lediglich ein grober Rahmen benannt; tatsächlich haben die beiden Königreiche und später die beiden Provinzen stets nur Teile des umrissenen Gebietes umfasst.

Landschaftsformen

Dieses Gebiet, das im Wesentlichen dem Territorium des heutigen Staates Israel unter Einschluss der Westbank entspricht, ist geographisch stark gegliedert. Im Westen erstreckt sich die Küstenebene von Süden nach Norden und wird nur auf Höhe des heutigen Haifa durch den Karmel unterbrochen, einen in Ost-West-Richtung verlaufenden Bergrücken, der sich bis an das Meer vorschiebt. Auf die Küstenebene folgt das Hügelland, das in seinem südlichen Teil „Schefela“ genannt wird. Dieses wird in östlicher Richtung vom Bergland abgelöst, im Süden vom Judäischen Gebirge, im Mittelteil vom Gebirge Ephraim und im Norden von den Bergen Galiläas. Zwischen dem mittleren und dem nördlichen Gebirge liegt die Jesreel-Ebene, die direkt in das Jordantal übergeht. Vor allem im Süden fällt das Gebirge relativ schroff zum Jordantal hin ab. Auf der östlichen Seite des relativ breiten Jordantales wiederum steigt das Gelände schnell steil an.

Niederschlag und Vegetation

Die Niederschlagsmenge ist im Norden und generell auf der dem Mittelmeer zugewandten Westseite wesentlich höher als im Süden und auf der dem Jordangraben zugewandten Ostseite. Die Vegetationsfülle ist im Norden (Libanon, Hermon, Galiläa, See Genezareth) relativ hoch und sinkt, je mehr man nach Südosten (Totes Meer, Araba, Negev) kommt. Das Jordantal bietet um den See Genezareth herum ein Bild üppigsten Wachstums, während sich flussabwärts im Gebiet um das Tote Meer eine ausgetrocknete und unwirtliche Landschaft ausbreitet.

Die Landschaften des Alten Israel und seiner Nachbarregionen

Bevölkerung

Die Bevölkerung des Gesamtgebiets einschließlich Israels und Judas ist überwiegend westsemitisch-kanaanäischen Ursprungs. Die Philister im Südwesten sind am Ende des 2. Jahrtausends aus dem Mittelmeerraum eingewandert, haben sich danach aber recht schnell kanaanäisch akkulturiert. Im Nordosten siedelten sich zu Beginn des ersten Jahrtausends die aus dem nordsyrischen Raum stammenden Aramäer an.

2. Die südliche Levante in der mittleren und späten Bronzezeit

Kanaanäisches Stadtstaatensystem

Die südliche Levante ist seit Jahrtausenden besiedelt, aber wegen ihrer kleinräumigen Gliederung haben sich nur selten ausgreifende Territorialherrschaften gebildet. Vielmehr war die Region in der Spätbronzezeit (bis etwa 1100 v. Chr.) von einer Vielzahl von kleinen und kleinsten Stadtstaaten geprägt. Man spricht daher vom „Kanaanäischen Stadtstaatensystem“, das sich vor allem in der Küstenebene und im Hügelland ausbildete. Das judäische und ephraimitische Bergland, wo später die beiden Königreiche Israel und Juda entstehen sollten, war zunächst nur sehr dünn besiedelt.

Das „Mittlere Reich“ Ägyptens

Seit jener Epoche der ägyptischen Geschichte, die man das „Mittlere Reich“ nennt (11.–12./13. Dynastie, ca. 2055–1773 v. Chr.), war die Levante immer wieder Ziel von Feldzügen der Pharaonen. Sie errichteten während des Mittleren Reiches dort jedoch keine permanente Herrschaft. Vielmehr kehrten die Ägypter mit Tributen und Kriegsgefangenen wieder in ihr Reich zurück, ohne im Norden eine Besatzung zurückzulassen. In einer ägyptischen Quelle aus dem 19./18. Jahrhundert, den sogenannten Ächtungstexten, taucht zum ersten Mal der Name der Stadt Jerusalem auf („Rūšalimum“, vgl. HTAT 003), die offensichtlich zu jener Zeit im ägyptischen Machtbereich lag. Über die bloße Erwähnung des Namens hinaus ist aber nichts bekannt. Die Politik des Ausgreifens in die Levante hatte jedoch auch den umgekehrten Effekt, dass vor allem im Nildelta vermehrt Kanaanäer ansässig wurden.

Die „Zweite Zwischenzeit“ und die Hyksos

Auf das Mittlere Reich folgte die sogenannte „Zweite Zwischenzeit“. Die Zwischenzeiten der ägyptischen Geschichte zeichneten sich dadurch aus, dass es keinen Monarchen gab, der das gesamte Land von Theben im Süden bis in das Nildelta im Norden unter seiner Herrschaft vereinigen konnte. Vielmehr herrschten in diesen Epochen oft mehrere Regionalfürsten gleichzeitig, die gelegentlich auch einen gewissen Teil des Landes unter ihre Kontrolle bringen konnten. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts gelang es einem dieser Regionalfürsten, der der kanaanäischen Bevölkerungsgruppe angehörte, die Herrschaft über das Nildelta zu erringen. Die Hauptstadt dieser Dynastie war Avaris im östlichen Nildelta, und sie benutzte die Selbstbezeichnung „Herrscher der Fremdländer“ (ḥq3.w ḫ3ś.wt), was später von den griechisch schreibenden Autoren mit „Hyksos“ wiedergegeben wurde. Während der etwa einhundert Jahre währenden Herrschaft der Hyksos ist ein gewisser kanaanäischer Kultureinfluss in Unterägypten zu beobachten. Mit dem Auftreten der ersten Herrscher der 18. Dynastie, die den Beginn des „Neuen Reiches“ markiert, ging diese Episode der ägyptischen Geschichte allerdings zu Ende.

Flavius Josephus und die Hyksos

Die für die Geschichte Israels an sich irrelevante Herrschaft der Hyksos hatte eine spätes und folgenreiches Nachspiel, weil der jüdische Schriftsteller Flavius Josephus im 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung die Hyksos mit den Vorfahren der Israeliten identifizierte (Contra Apionem 1,73–105). Diese Gleichsetzung basierte freilich nicht auf historischer Forschung, sondern auf dem apologetischen Interesse, das hohe Alter des Judentums beweisen zu wollen. Gleichwohl wurde sie auch von modernen Historikern aufgegriffen und mit der biblischen Josephserzählung in Verbindung gebracht. Doch diese Hypothese hat weder einen exegetischen Anhaltspunkt in den Texten noch eine historische Wahrscheinlichkeit für sich.

Das „Neue Reich“ Ägyptens

Mit dem Auftreten der 18. Dynastie und dem damit verbundenen Beginn des „Neuen Reiches“ (18.–20. Dynastie, ca. 1550–1069 v. Chr.) änderte sich die ägyptische Präsenz in der Levante erheblich, denn nun wurden in mehreren Städten Garnisonen und Stützpunkte eingerichtet, die eine permanente Herrschaftsausübung ermöglichten. Hauptorte waren Gaza am Mittelmeer und Beth-Schean im mittleren Jordantal. Zu nennen ist insbesondere Pharao Thutmosis III. (1479–1425), der mehrfach im palästinisch-syrischen Raum intervenierte. Im Jahr 1458 eroberte er die später israelitische Stadt Megiddo und ließ die Fürsten der Region einen Loyalitätseid schwören, der auf einer seiner Siegesstelen dokumentiert ist: „Wir werden nichts Böses wiederholen gegen Mn-ḫpr-R‘ (= Thutmosis), er lebe ewig, unseren Herrn, in unserer Zeit des Lebens; denn wir haben seine Macht gesehen. Er hat uns Atem gegeben, wie er wollte.“ (nach HTAT 032, vgl. auch die Annalen HTAT 031; TUAT.NF 2, 212–220).

Jerusalem in den „Amarnabriefen“

Aus der Zeit der Pharaonen Amenophis III. (1390–1352) und Amenophis IV. (= Echnaton, 1352–1336) sind zahlreiche Briefe aus der Staatskanzlei erhalten geblieben, die nach ihrem Fundort „Amarna-Briefe“ genannt werden. Sie geben einen guten Einblick in die politische Lage Kanaans während des Neuen Reiches. Absender der Briefe sind etliche der Stadtfürsten in der Region, die den Pharao über Probleme vor Ort unterrichten und häufig auch um Hilfe bitten. Die Briefe zeigen, dass die Stadtfürsten der Levante einerseits dem Pharao untertan waren, andererseits aber untereinander in heftiger Fehde lagen. Manche von ihnen strebten danach, ihr Herrschaftsgebiet auszudehnen, also eine Territorialherrschaft zu errichten, mithin das zu tun, was später Israel und Juda gelingen sollte. Ein weiteres Problem jener Epoche waren Bevölkerungselemente, die sich der Kontrolle des Pharaos, aber auch der seiner Vasallen, entzogen und für Unruhe und gelegentlich sogar Aufruhr sorgten. Diese Personen werden in den Briefen „Hapiru“ genannt. Dieser Ausdruck ist etymologisch wohl mit dem Begriff „Hebräer“ verwandt. Diese „Hapiru“ waren freilich keine Ethnie, sondern lose, soziologisch als outlaws zu bezeichnende Gruppen und auch keine einmalige Erscheinung, sondern immer wieder anzutreffen.

König Abdu-Ḫeba von Jerusalem

Unter den Absendern der „Amarna-Briefe“ ist auch der Stadtfürst von Jerusalem, Abdu-Ḫeba, der sich gegen eine Koalition der Stadtfürsten von Sichem und Gezer zur Wehr setzen muss und dazu eine Garnison Soldaten vom Pharao erbittet. Der Name „Abdu-Ḫeba“ bedeutet „Diener der (Göttin) Ḫeba“, die seit dem 3. Jahrtausend als Hauptgöttin der Hurriter bekannt ist. Die Hurriter hatten im 3. und 2. Jahrtausend in Nordmesopotamien/Nordsyrien mehrere Königreiche errichtet, die ihr Einflussgebiet zeitweise bis in die südliche Levante ausweiten konnten. Möglicherweise gab es in Jerusalem eine hurritische Herrscherschicht über der ansonsten kanaanäischen Bevölkerung. Allerdings war Jerusalem in jener Zeit keine bedeutende Stadt: Die Zentren lagen weiter nördlich in Hazor, Megiddo und Sichem sowie in den Küstenstädten.

Quelle

Zum König, meinem Herrn, sprich: Folgendermaßen Abdu-Ḫeba, dein Diener: Zu den Füßen meines Herrn falle ich sieben- und (noch einmal) siebenmal nieder.

Siehe, Milki-ilu (= Stadtfürst von Gezer) trennt sich nicht von den Söhnen Lab’āyas (= Stadtfürst von Sichem) und von den Söhnen Arzāyas (= unbekannter Stadtfürst), die auf das Land des Königs für sich aus sind. Warum zieht der König einen Stadtherrn, der derartiges tut, nicht zur Rechenschaft? Siehe, die Tat Milki-ilus und Tagis, die sie verübt haben, ist, dass sie Rubūtu genommen haben und nun Jerusalem nehmen wollen. Wenn dieses Land dem König gehört, warum liegt es dann dem König nicht wie Gaza am Herzen? Siehe, das Land Ginti-Kirmil gehört Tagi und Leute von Gintu befinden sich als Garnison in Beth-Sean. Sollen wir etwa handeln wie Lab’āya, als er das Land Sichem den ’Apirū (= Hapiru) gab? Milki-ilu hat an Tagi und die Söhne Lab’āyas geschrieben: „… Gebt alles, was sie wünschen, den Leuten von Kegila, damit wir Jerusalem (ú-ru-sa-lim) isolieren!“

… So möge der König sich erinnern und es möge der König 50 Mann als Garnison schicken, um sein Land zu schützen. Das ganze Land des Königs ist abgefallen. … (EA 289 nach HTAT 058, vgl. TUAT II/5, 514–516)

Ramses II. und Merenptah

Auch die Pharaonen der 19. Dynastie hielten die Kontrolle über den syrisch-palästinischen Raum aufrecht. Für einen der größten Pharaonen, Ramses II. (1279–1213), war er das Aufmarschgebiet für seine Auseinandersetzungen mit dem hethitischen Großreich, die schließlich mit dem Friedensvertrag von 1259 endeten, dem ersten und zudem gut erhaltenen Friedensvertrag der Weltgeschichte. Ramses’ Nachfolger Merenptah (1213–1203) hat eine Siegesinschrift aus seinem fünften Regierungsjahr hinterlassen, in der er zahlreiche von ihm beherrschte Länder und Völker aufzählt.

Quelle

Die Häuptlinge werfen sich nieder und rufen „Schalom“ (š3-r-m). Keiner von den Neun Bögen (= Feindvölker) hebt sein Haupt. Tjehenu (= Libyen) ist erobert. Cheta (= Hethiterreich) ist befriedet. Kanaan ist mit allem Übel erbeutet. Askalon ist herbeigeführt. Gezer ist gepackt. Inuam (= Stadt südlich des Sees Genezareth) ist zunichte gemacht. Israel ist verwüstet, ohne Samen. Charue (= Hurriterreich) ist zur Charet (= Witwe) des Geliebten Landes geworden. Alle Länder insgesamt sind in Frieden. Wer als Fremdling herumzieht, wird gebändigt vom König von Ober- und Unterägypten: Meri-Amun, Ba-en-Re, dem Sohn des Re: Mer-en-Ptah, Hetep-her-Maat, der mit Leben beschenkt ist wie Re (= Sonnengott) alle Tage. (nach TUAT I/6, 551, und HTAT 066)

Der Name „Israel“ auf der Siegesstele

Bemerkenswert ist die Erwähnung von „Israel“ (jj-s-i-r-j-3-r), das hier als Menschengruppe, etwa als Stamm oder Volk, klassifiziert wird und nicht wie Askalon, Gezer und Inuam als Stadt bzw. Stadtstaat. Damit wird Israel von den kanaanäischen Stadtstaaten kategorial abgesetzt, was in gewisser Weise dem entspricht, was sich im 10. Jahrhundert dann auch zeigen wird, dass nämlich Israel nicht als Stadtstaat, sondern als Regionalherrschaft entsteht. Es wird diskutiert, ob man dieses „Israel“ auf Grund der Abfolge der Namen in der Inschrift lokalisieren kann. Das hängt zum einen an der nicht sicheren Lokalisierung der Stadt Inuam und zum andern an der Frage, ob der Text ein Feldzugsbericht oder eine hymnische Aufzählung von beherrschten Ländern und Völkern ist. Je nachdem muss man dieses Israel im ephraimitischen Bergland oder weiter nördlich um den See Genezareth suchen. Wie dem auch sein mag: Diese Inschrift gibt einen kleinen Blick frei auf das, was später einmal das Nordreich Israel werden sollte.

Ursprung der Exodustradition?

Möglicherweise enthält die Merenptah-Inschrift sogar den Kern dessen, was sehr viel später zur Gründungslegende Israels werden sollte, nämlich der Exodustradition. Nach diesem hypothetischen Szenario könnte es Pharao Merenptah gewesen sein, der nach einem Feldzug in die Levante Israeliten als Kriegsgefangene nach Ägypten gebracht hat. Nach seinem Tod brachen länger anhaltende Nachfolgekämpfe mit mehreren schnellen Wechseln auf dem Thron aus (Amenmesse, Sethos II., Siptah, Tausret, ca. 1203–1186). Vielleicht sind im Laufe dieser Unruhen einige der Kriegsgefangenen entkommen und wieder in ihre Heimat zurückgekehrt. Es gibt zwar keinerlei Belege für einen solchen Ablauf der Ereignisse, doch stellt diese Rekonstruktion eine Möglichkeit dar, die Entstehung der Exodustradition zu erklären.

Ansiedlung der Philister

Während der Herrschaft der 20. Dynastie, insbesondere unter Ramses III. (1184–1153), erlebte die Levante den sogenannten „Seevölkersturm“, eine frühe Völkerwanderung. Diese Menschen kamen aus verschiedenen Regionen des Mittelmeerraumes und zerstörten unter anderem das Hethiterreich in Anatolien sowie zahlreiche Städte in der Levante. Ramses III. konnte ihren Expansionsdrang schließlich eindämmen und einige von ihnen in der südlichen Levante ansiedeln. Darunter waren die Philister, die ab dem 12. Jahrhundert im Südwesten Kanaans mehrere Städte gründeten bzw. übernahmen, u.a. Gaza, Aschdod, Aschkelon, Ekron und Gat, die für die Geschichte Israels fortan eine wichtige Rolle spielen sollten.

Beginn der „Dritten Zwischenzeit“

Die ägyptische Oberherrschaft über die kanaanäischen Stadtstaaten endete mit dem Untergang der 20. Dynastie, und auch in der darauf folgenden „Dritten Zwischenzeit“ (21.–25. Dynastie, ca. 1070–664 v. Chr.) erschienen die Pharaonen nur gelegentlich in der Levante. Der letzte Herrscher der 20. Dynastie, Ramses XI., regierte von 1099–1069, und seine Herrschaft war wie die seiner Vorgänger von Aufständen und wirtschaftlichen Problemen geprägt. Die Schwächephase Ägyptens sowie der Seevölkersturm hatten erhebliche Auswirkungen auf die gesamte Levante, die in einem deutlichen Rückgang des Handels, der städtischen Siedlungen und der Bevölkerung resultierten. Der Niedergang des kanaanäischen Stadtstaatensystems in den Jahren um 1100 führte aber im Gegenzug dazu, dass andere Regionen stärker besiedelt wurden, und darin liegt die Wiege Israels.

3. Die südliche Levante im 11. Jahrhundert

Aufsiedlung im Bergland

War das Bergland während der Spätbronzezeit nur sehr spärlich besiedelt, so ändert sich dies ab dem 11. Jahrhundert etwa zeitgleich mit dem Niedergang des kanaanäischen Stadtstaatensystems. Nach zögerlichem Anfang im 12. Jahrhundert ist ab etwa 1100 eine starke Zunahme von kleinen und kleinsten dörflichen Siedlungen zu verzeichnen, die sich zunächst im galiläischen und ephraimitischen Bergland ausbreiten, mit einer gewissen Verzögerung aber auch im südlicher gelegenen judäischen Bergland. Begünstigt wurde diese Besiedlung vormals unwirtlicher Regionen durch außergewöhnlich hohe Niederschläge, die man für die Zeit zwischen 1100 und 950 in den Sedimenten nachgewiesen hat.

Herkunft der Berglandbewohner

Wer waren diese Berglandbewohner? Schriftliche Zeugnisse haben sie nicht hinterlassen, und ihre materielle Kultur zeigt gegenüber der benachbarten Kultur der kanaanäischen Städte im Tiefland sehr viel Kontinuität und nur wenig Eigenes. Ihre bevorzugte Wohnform etwa war das sogenannte Vierraumhaus, in dem eine ganze Familie samt Vieh unterkommen konnte.

Israel Finkelstein

Manche Forscher, deren führender Vertreter der israelische Archäologe Israel Finkelstein ist, sehen hier Parallelen zur Wohnform von Nomaden und vermuten, dass diese Dörfler vormals Nomaden gewesen waren. Nach dieser Theorie hätten während der Bronzezeit im Bergland (relativ wenige) Nomaden gelebt, die ihre tierischen Produkte gegen die ackerbaulichen der Städte in den Ebenen eintauschten. Mit dem Zusammenbruch des Kanaanäischen Stadtstaatensystems sei diese Symbiose zu Ende gegangen, und die Berglandbewohner seien gezwungen gewesen, nun ihrerseits sesshaft zu werden und Ackerbau zu betreiben.

William Dever

Eine andere Gruppe von Forschern, die von dem amerikanischen Archäologen William Dever angeführt wird, weist darauf hin, dass das Vierraumhaus wie auch andere kulturelle Eigenarten nicht nur im Bergland, sondern in der gesamten Region angetroffen werden können. Nach dieser Theorie führte der wirtschaftliche Niedergang im 11. Jahrhundert dazu, dass die Zahl der Menschen, denen die Städte eine Lebensgrundlage bieten konnten, stark zurückging. Die Verlierer dieses Verarmungsprozesses hätten nach neuen Existenzmöglichkeiten gesucht und diese im Bergland gefunden.

„Protoisraeliten“?

Beide Szenarien stimmen sowohl darin überein, dass diese Berglandbewohner Teil der kanaanäischen Kultur waren, als auch darin, dass am Ende dieses über hundert Jahre währenden Prozesses der Aufsiedelung im Bergland dort zwei neue Machtzentren entstanden waren, nämlich Israel und Juda. Die Berglandbewohner des 11. Jahrhunderts werden gern als „Protoisraeliten“ bezeichnet. Es ist aber strittig, inwieweit, ja sogar ob diese Menschen überhaupt ein Identitätsbewusstsein hatten, das sie von den Kanaanäern des Tieflandes absetzte.

Die Stämme Israels

Sehr viel wahrscheinlicher ist, dass die Berglandbewohner zunächst nur in Sippen und später darüber hinaus in Stämmen organisiert waren. Diese Stämme werden im Alten Testament vielfach erwähnt, meist jedoch in Gestalt eines hierarisch differenzierten Zwölf-Stämme-Systems, das bereits eine enge Zusammengehörigkeit und damit auch das Königtum voraussetzt – so etwa in der Jakobserzählung (Gen 29,31–30,24; 35,16–20; 35,22b–26a) oder in den Stämmesegen (Gen 49; Dtn 33). Ein älterer, vermutlich aus der frühen Königszeit stammender Text, das Deboralied (Ri 5), erwähnt dagegen ganz unsystematisch einige Regionalgruppen, die darüber beraten, ob sie gemeinsam in den Krieg ziehen wollen – bemerkenswerterweise noch ohne den Begriff „Stamm“ und noch ohne die später wichtige, symbolische Zwölfzahl.

Quelle

5,14

Aus Ephraim, dessen Wurzel in Amalek ist,

hinter dir, Benjamin, mit deinen Volksscharen,

aus Machir zogen herab Gebieter

und aus Sebulon die den Führerstab halten.

15

Und die Obersten in Issachar waren mit Debora

und wie Issachar so Baraq.

In die Ebene wurde er gechickt mit seinen Fußtruppen,

in den Sippen Rubens waren große Beratungen des Herzens.

16

Warum bliebst du zwischen den Hürden,

das Flötenspiel bei den Herden zu hören? […]

17

Gilead blieb untätig jenseits des Jordan.

Und Dan, warum diente er auf fremden Schiffen?

Asser saß an der Küste der Meere,

und an seinen Buchten blieb er untätig.

18

Aber Sebulon ist ein Volk, das seine Seele dem Tod preisgab,

auch Naftali, auf den Höhen des Gefildes.

Stämme und Geographie

Die Namen der meisten Stämme sind wohl Landschaftsnamen. „Ephraim“ etwa bedeutet „lockere Erde“ und meint die Region im mittelpalästinischen Bergland, in der der Stamm zu Hause war. Auch der Name des Stammes Benjamin ist geographisch konnotiert, denn er bedeutet „Sohn des Südens“ und muss ihm von seinem nördlichen Nachbarn, dem lange Zeit dominierenden Hauptstamm der Israeliten, Ephraim, gegeben worden sein.

Die Stämme in der Geschichte Israels