Geschichte Kroatiens - Ludwig Steindorff - E-Book

Geschichte Kroatiens E-Book

Ludwig Steindorff

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Beschreibung

Seit der Verselbstständigung Kroatiens 1991 und der Aufnahme in die Europäische Union 2013 ist das Interesse an der Geschichte des Landes gewachsen: Aus welchen historischen Landschaften besteht es? Wie entwickelte sich die Zusammensetzung seiner Bevölkerung durch die Jahrhunderte? Welche Rolle spielten Sprache und Konfession in der kroatischen Nationsbildung? Welche Chancen und Beschränkungen brachte der Staat Jugoslawien für die kroatische Nation? Wie erlangte das Land 1991 die Unabhängigkeit, und wie verliefen die Kriegsjahre 1991–1995? Was hat der junge Staat erreicht, und welche Aufgaben stehen noch an? Dieses von einem der besten Kenner der Geschichte Kroatiens verfasste Standardwerk gibt Antworten auf all diese Fragen.

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Ludwig Steindorff

Geschichte Kroatiens

Vom Mittelalter bis zur Gegenwart

Für Anton, Moritz und Casper

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikationin der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografischeDaten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

ISBN 978-3-7917-3132-2

© 2020 by Verlag Friedrich Pustet, Regensburg

Umschlaggestaltung: Martin Veicht, RegensburgSatz: Vollnhals Fotosatz, Neustadt a. d. DonauDruck und Bindung: Friedrich Pustet, RegensburgPrinted in Germany 2020

eISBN 978-3-7917-6172-5 (epub)

Weitere Publikationen aus unserem Programmfinden Sie auf www.verlag-pustet.deKontakt und Bestellungen unter [email protected]

Inhalt

Einleitung

Kroatien – Land der Vielfalt

Historische Territorien

Exkurs: Das „Schachbrett“ – Kroatiens Staatswappen

Bevölkerung

Einbindungen in geographische und historische Großräume

Nationalgeschichte eines jungen Staates

Kapitel 1

Der Raum Kroatiens in der Antike und während der Ethnogenese

Griechische Kolonisation und Romanisierung

Die Krisenzeit der Spätantike

Awaren und Slawen

Stichwort: Historia Salonitana – Eine Geschichte von Flucht und Neuanfang

Kroatische Ethnogenese

Exkurs: Zeugnisse vorchristlicher Religion – Eine Spurensuche

Kapitel 2

Frühmittelalter (9.–11. Jahrhundert)

Das byzantinische Dalmatien

Kroatien und die benachbarten slawischen Herrschaftsbildungen

Die Zeit Karls des Großen

Herrschaftsbildung und Christianisierung

Stichwort: Das Taufbecken des Višeslav – Frühes Zeugnis der Christianisierung

König Tomislav

Innerer Aufbau Kroatiens

Erste Berührungen mit Ungarn

Krönung und Lehnseid Zvonimirs

Der Dynastiewechsel

Kapitel 3

Hoch- und Spätmittelalter (12. Jahrhundert–1526)

Politische Organisation Slawoniens seit dem Ende des 11. Jahrhunderts

Kroatien und die dalmatinischen Städte vom 12. bis ins 14. Jahrhundert

Kommunebildung und Verrechtlichung

Adriapolitik unter den Anjou

Exkurs: Wirtschaftsgrundlagen der Küstenstädte – Salz und Wein, Oliven und Textilien

Dorf- und Stadtkolonisation in Slawonien

Die dynastische Krise nach 1382

Zur Geschichte Bosniens im Mittelalter

Exkurs: Die „Bosnische Kirche“ – Häretisch oder nicht?

Exkurs: Ein Ritter als Stifter – Das illuminierte glagolitische Missale des Hrvoje Vuk Hrvatinić

Der Aufstieg von Dubrovnik

Exkurs: Die Erfindung der Quarantäne – Eine Zäsur in der Medizingeschichte

Die Expansion der osmanischen Herrschaft bis 1526

Kapitel 4

Die glagolitische Schriftkultur

Das Werk von Konstantin und Method

Das Glagolitische in Kroatien

Kapitel 5

Die Frühe Neuzeit (16.–18. Jahrhundert)

Der Abschluss der osmanischen Expansion

Bedeutungswandel der Namen „Kroatien“ und „Slawonien“

Die Uskoken

Protestantismus bei den Kroaten

Exkurs: Die Druckerei des Hans Ungnad – Im Dienste des evangelischen Glaubens

Konfessionsverhältnisse von Bosnien-Herzegowina

Der Aufbau der Militärgrenze

Stichwort: Die Krawatte der Kroaten – Vom Kleidungsstück zum national branding

Orthodoxe und Unierte

Bäuerlicher Widerstand

Die Rebellion von Zrinski und Frankopan

Exkurs: „daß er sich auch meiner wird erbarmen“ – Der Abschiedsbrief von Petar Zrinski

Blüte und Niedergang von Dubrovnik

Kulturelles Leben

Zurückdrängung der Osmanen und Militarisierung der Grenze

Exkurs: Grenzermentalität – Zum „national-charakter der Croaten“

Zivilkroatien im 18. Jahrhundert

Kapitel 6

Das lange 19. Jahrhundert

Die Zeit der französischen Herrschaft

Der Illyrismus und seine Vorgeschichte

Die Sprachfrage im 19. und 20. Jahrhundert

Exkurs: Eine gelungene Reform – Die Rechtschreibung nach Ljudevit Gaj

Die Revolution 1848/49

Der Neoabsolutismus

Vom Verfassungsoktroi 1861 bis zu den Ausgleichen

Die Ausgleiche 1867 und 1868

Parteienbildung und nationale Programme in Kroatien-Slawonien

Die kroatische Nationalbewegung in Dalmatien und Istrien

Stichwort: Der Kriegshafen Pula – Aufstieg einer Stadt in wenigen Jahrzehnten

Bosnien-Herzegowina nach 1878

Bevölkerungsentwicklung und Urbanisierung

Exkurs: Die Übersee-Auswanderung – Via Hamburg in die Neue Welt

Der Ausbau des Eisenbahnnetzes

Gedächtnisorte der jungen Nation

Kapitel 7

Erster Weltkrieg und Zwischenkriegszeit

Auslands- und Inlandsarbeit bis 1918

Vom „Staat der Slowenen, der Kroaten und Serben“ zum „Serbisch-kroatisch-slowenischen Staat“

Die Friedensverträge 1919/20

Der Aufbau des gemeinsamen südslawischen Staates

Die Zeit des Parlamentarismus

Königsdiktatur und autoritärer Staat

Die Banschaft Kroatien

Wirtschaft und Gesellschaft in der Zwischenkriegszeit

Stichwort: Ivan Meštrović – Bauen an der Nation

Kapitel 8

Der Krieg in Kroatien 1941–1945

Die Bildung des Unabhängigen Staates Kroatien

Stichwort: Die Ustaša – Geburt als Terrororganisation

Innerer Aufbau des USK-Staates

Exkurs: Diana Budisavljević – Eine Heldin in ihrer Zeit

Exkurs: Schauplatz in Frankreich – Die Revolte der Kroaten in Villefranche-de-Rouergue

Widerstandsbewegungen

Das politische Programm der Partisanen

Das Kriegsende

Die Frage der Kriegsopferzahlen

Kapitel 9

Kroatien im sozialistischen Jugoslawien

Die Machtsicherung der Kommunisten

Exkurs: Föderale Einheiten und ihre Grenzen – Die sechs Republiken

Die Grenzfrage in Istrien

Industrialisierung und Agrarpolitik

Aussiedlung der Deutschen

Die Kirchenpolitik

Der Kominform-Konflikt und der Fall Hebrang

Der jugoslawische Sonderweg

Der Kroatische Frühling

Stichwort: Miroslav Krleža – Zentrale Gestalt des literarischen Lebens

Die Schulreform

Die Staatskrise Jugoslawiens

Exkurs: Lichtblicke aus einer schwierigen Zeit – Sport und Kultur

Sichtweisen auf die Ära des Sozialismus

Kapitel 10

Die Verselbständigung Kroatiens (1990–1999)

Von den freien Wahlen bis zur Unabhängigkeitserklärung

Stichwort: Franjo Tuđman – Historiker und Staatsmann

Die Kriege in Slowenien und Kroatien

Die internationale Anerkennung

Zwischen Stillstand und Reformen

Der Krieg in Bosnien-Herzegowina

Die Wende 1995

Die Spätzeit der Ära Tuđman

Kapitel 11

Kroatien in der Gegenwart

Parteien und Regierungen seit 2000

Exkurs: Die branitelji – Zur Situation der Veteranen

Exkurs: Agrokor – Das Ende des Imperiums von Ivica Todorić

Der Weg in die Europäische Union

Exkurs: Die Bucht von Piran – Konflikt um die Seegrenze

Exkurs: Die lex Perković – Ein Gesetz und seine Annullierung

Die Beziehungen zu Serbien, Montenegro und Bosnien-Herzegowina

Die Aufarbeitung von Kriegsverbrechen

Erinnerungskultur im gegenwärtigen Kroatien

Exkurs: Bleiburg – Ein schwieriges Thema der Erinnerungspolitik

Wirtschaft – es geht wieder bergauf

Kroatien: Authentisch und normal

Anhang

Zeittafel

Kroatien in Kürze

Literaturauswahl

Register

Bildnachweis

Zur Aussprache kroatischer Namen und Begriffe

c

wie deutsch z (Zoo)

č

wie deutsch tsch (Rutsch)

ć

keine Entsprechung im Deutschen; Laut zwischen tsch und tj

đ (dj)

keine Entsprechung im Deutschen; ungefähr wie general im Englischen

h

wie deutsch ch (Lachen, Licht)

s

wie deutsches stimmloses s (Masse)

š

wie deutsch sch (Schule)

v

stets wie deutsch w (Wasser)

z

wie deutsch stimmhaftes s (Sage)

ž

keine Entsprechung im Deutschen (wie Garage)

Alle anderen Buchstaben werden wie im Deutschen gelesen; das r wird gerollt.

Mehrfach verwendete Abkürzungen

AVNOJ

Antifašističko vijeće narodnog oslobođenja Jugoslavije, „Antifaschistischer Rat der nationalen Befreiung Jugoslawiens“

DS

Demokratska stranka, „Demokratische Partei“

HDZ

Hrvatska demokratska zajednica, „Kroatische demokratische Gemeinschaft“

HNS

Hrvatska narodna stranka, „Kroatische Volkspartei”

HRSS

Hrvatska republikanska seljačka stranka, „Kroatische republikanische Bauernpartei“

HSLS

Hrvatska socialno-liberalna stranka, „Kroatische sozialliberale Partei“

JAZU

Jugoslavenska akademija znanosti i umjetnosti, „Jugoslawische Akademie der Wissenschaften und Künste“ (1941–45, ab 1991: HAZU, „Kroatische Akademie der Wissenschaften und Künste“)

JMO

Jugoslavenska muslimanska organizacija, „Jugoslawische muslimische Organisation“

JNS

Jugoslavenska nacionalna stranka, „Jugoslawische Nationalpartei“

JRZ

Jugoslavenska radikalna zajednica, „Jugoslawische radikale Gemeinschaft“

KPJ

Komunistička partija Jugoslavije, „Kommunistische Partei Jugoslawiens“

SDK

Seljačko-demokratska koalicija, „Bäuerlich-demokratische Koalition“

SDP

Stranka demokratskih promjena, „Partei der demokratischen Veränderungen“; ab 1993 Socialdemokratska partija Hrvatske, „Sozialdemokratische Partei Kroatiens“

SDS

Srpska demokratska stranka, „Serbische demokratische Partei“

SKH

Savez komunista Hrvatske, „Bund der Kommunisten Kroatiens“

SLS

Slovenska ljudska stranka, „Slowenische Volkspartei“

USK

„Unabhängiger Staat Kroatien“; kroatisch: NDH, Nežavisna država Hrvatska

ZAVNOH

Zemaljsko antifašističko vijeće narodnog oslobođenja Hrvatske, „Antifaschistischer Landesrat der nationalen Befreiung Kroatiens“

ZK

„Zentralkomitee“, kroatisch: CK, Centralni komitet

EINLEITUNG

Kroatien – Land der Vielfalt

Die Republik Kroatien ist einer der jüngsten Staaten in Europa; zugleich reicht die Kontinuität kroatischer Staatlichkeit bis ins Frühmittelalter zurück. Volksname und davon abgeleiteter Landesname sind schon seit weit über tausend Jahren in der Geschichte präsent.

Historische Territorien

Das heutige Staatsgebiet setzt sich aus mehreren historischen Territorien mit mittelalterlichen Wurzeln zusammen; die jetzigen Abgrenzungen der einzelnen Territorien gehen meistenteils auf das 18. Jh. zurück. – Die Halbinsel ISTRIEN, deren Westküste im 18. Jh. noch zum venezianischen Dominium gehört hatte, war im 19. Jh. unter österreichischer Herrschaft politisch geeint. In der Zwischenkriegszeit stand Istrien unter italienischer Herrschaft; 1945 kam es an Jugoslawien; der kleinere nördliche Teil wurde der Teilrepublik Slowenien zugeordnet, der südliche Kroatien.

DALMATIEN umfasst im heutigen Sprachgebrauch die bis 1797 venezianischen Besitzungen an der mittleren Adriaostküste. Im weiteren Sinne gehört auch das Territorium der bis 1808 selbständigen Republik Dubrovnik, durch einen schmalen bosnisch-herzegowinischen Korridor bei Neum von den einst venezianischen Gebieten getrennt, zu Dalmatien, dem Gebiet Kroatiens, das im 19. Jh. ebenso wie Istrien in die österreichische Reichshälfte der Habsburger Monarchie einbezogen war.

SLAWONIEN erstreckt sich über den Raum zwischen Save und Drau ungefähr östlich der Linie Sisak–Bjelovar, über diejenigen Gebiete des heutigen Nordkroatien, die im 16./17. Jh. dem Osmanischen Reich angehörten.

KROATIEN im engeren Sinne umfasst den sich nach Süden und Norden verbreiternden, in der Mitte durch das bosnische Gebiet um Bihać verengten Landstreifen von der Adriaküste bis an die Drau parallel zur Südostgrenze des einstigen Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation und damit zur gegenwärtigen kroatisch-slowenischen Grenze. Es sind die Gebiete des heutigen Kroatien, die – neben Ostistrien – bereits im 16./17. Jh. unter habsburgischer Herrschaft standen. – Auf die Bedeutung der Bezeichnungen Dalmatien, Slawonien und Kroatien im Mittelalter und auf den damals teilweise anderen Umfang der drei Territorien sei an späterer Stelle eingegangen.

Das MEĐIMURJE (Zwischenmurgebiet) um Čakovec im Dreieck zwischen einstiger Reichsgrenze, Drau und deren Nebenfluss Mur gehörte, von den Jahren 1848–61 abgesehen, bis 1918 zu Ungarn. Ebenso ist die südliche BARANJA (Baranya), das Gebiet nördlich von Osijek im Winkel zwischen Unterlauf der Drau und Donau, bis 1918 ungarisches Territorium gewesen. Die schon im Mittelalter ausgebildete Landschaft SRIJEM (Syrmien), das Gebiet zwischen Donau und Unterlauf der Save, ist heute geteilt; der westliche Bereich mit den Städten Vukovar und Ilok gehört zu Kroatien, der östliche zur Vojvodina in Serbien. Der zu Kroatien gehörende Teil Syrmiens wird heute auch als Ostslawonien bezeichnet.

Exkurs: Das „Schachbrett“

Kroatiens Staatswappen

Die alten Wappen der historischen Landesteile sind auch in das heutige, 1990 eingeführte Staatswappen einbezogen: Der Schild mit dem rot-weißen Schachbrettmuster aus 25 Feldern steht für den Gesamtstaat Kroatien und zugleich für das historische Kroatien im engeren Sinne. Das Schachbrettwappen, in Vorformen seit dem 11. Jh. bekannt, ist seit dem 15. Jh. vielfach als Wappen Kroatiens belegt; z. B. ist es – ebenso wie das Wappen Dalmatiens – im 1514 von Kaiser Maximilian gestifteten Chorfenster der Nürnberger Kirche St. Sebaldus dargestellt. Das Staatswappen des 1918 gegründeten Jugoslawien nahm das historische kroatische Schachbrettwappen als Teilmotiv auf, allerdings mit dem ersten Feld links nicht mehr weiß, sondern rot. Der Unabhängige Staat Kroatien 1941–45 kehrte zur Tradition des ersten Feldes in Weiß zurück. Im nach dem Vorbild sowjetischer Heraldik gestalteten Wappen der sozialistischen Republik Kroatien war der Schachbrettschild ebenso enthalten, wieder mit dem ersten Feld in Rot: Ein vom roten Stern bekrönter Ährenkranz umrahmte das Bild des aus dem Meer aufsteigenden Schildes mit der aufgehenden Sonne im Hintergrund. Auch das heutige Staatswappen von 1990 beginnt mit dem roten Feld.

Über dem großen Schild des heutigen Wappens wölben sich fünf kleinere Schilde: Das illyrische Wappen am linken Rand zeigt Morgenstern und liegenden Halbmond auf blauem Grund. Die Verbindung von Morgenstern und Mond geht bereits auf die Heraldik und Numismatik des mittelalterlichen Slawonien zurück; seit dem 17. Jh. finden wir in Wappenbüchern das aus gelehrter Konstruktion entstandene Wappen für Illyrien, eine Landschaftsbezeichnung in antikisierender Manier. Das illyrische Wappen hatte für die kroatische Nationalbewegung im 19. Jh. hohen Symbolwert. Rechts neben dem illyrischen Wappen steht das Wappen der einstigen Republik Dubrovnik, zwei rote Balken auf blauem Grund. Es folgt das im 14. Jh. entstandene Wappen Dalmatiens mit drei Leopardenköpfen auf ebenfalls blauem Grund. Die Ziege vor blauem Grund im Wappen Istriens war schon in der Antike Symboltier dieser Landschaft.

Das Wappen von Slawonien, 1496 vom ungarisch-kroatischen König Władisław II. Jagiełło verliehen, zeigt im oberen Feld auf blauem Grund einen Stern, im mittleren einen silbergeränderten roten Balken mit einem Marder im Zentrum, darunter wieder ein blaues Feld. Der Marder, kroatisch kuna, spielt auf die marturina, die aus Slawonien bekannte einstige Naturalsteuer in Marderfellen an. - In historischer Reminiszenz an die Marderfell-Steuer hieß die Währung des Unabhängigen Staates Kroatien 1941–45 kuna. Auch die 1994 eingeführte Währungseinheit der Republik Kroatien trägt diesen Namen.

Das „Schachbrett“. Wappen der Republik Kroatien

Die Außengrenzen des heutigen Kroatien sind großenteils alt. So deckt sich die Grenze gegenüber Slowenien, von Istrien abgesehen, weitestgehend mit der Grenze gegenüber dem alten Österreich bzw. dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation seit dem Hochmittelalter; die Draugrenze gegenüber Ungarn ist mittelalterlichen Ursprunges. Die südöstlichen Grenzen entsprechen denen der Republik Dubrovnik seit dem 15. Jh.

Die Grenzen gegenüber Bosnien-Herzegowina beruhen weitestgehend auf den Friedensschlüssen vom Anfang des 18. Jhs. zwischen Habsburgerreich sowie Venedig auf der einen und Osmanischem Reich auf der anderen Seite. Nur die Grenzziehungen gegenüber Slowenien in Istrien und gegenüber der Vojvodina im Nordosten sind jüngeren Datums; sie erfolgten nach 1945 auf Grund der Siedlungsverteilung nach Nationalitäten. Die ungarisch-kroatische Grenze in der Baranja entspricht der ungarisch-jugoslawischen Grenzziehung nach dem Ersten Weltkrieg. Doch über das beträchtliche Alter der meisten Außengrenzen hinweg bleibt festzuhalten, dass nur das engere Kroatien und Slawonien schon seit der Frühen Neuzeit eine politische Einheit bildeten. Ansonsten ist die staatliche Zusammenfassung in den heutigen Grenzen erst ein Ergebnis der föderalen Neuordnung Jugoslawiens nach dem Zweiten Weltkrieg.

In der chronologischen Darstellung wird erkennbar, wie sich bereits seit dem Mittelalter politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Verbindungen zwischen den einzelnen Territorien entwickelten, wie sich Ansätze eines Bewusstseins von Gemeinsamkeit ausbildeten und wie hieraus die Voraussetzungen für die moderne kroatische Nationsbildung seit dem 19. Jh. erwuchsen.

Bevölkerung

Das Territorium der heutigen Republik Kroatien ist nicht deckungsgleich mit dem kroatischen Siedlungsraum. In Bosnien-Herzegowina konzentriert sich die kroatische Bevölkerung auf drei Hauptregionen: Kompakten kroatischen Siedlungsraum finden wir in der westlichen Herzegowina; außerdem gibt es einen größeren kroatischen Bevölkerungsanteil in der Posavina und in Zentralbosnien. Bei der Volkszählung 1991 lebten 756.000 Kroaten in Bosnien-Herzegowina; dies entsprach einem Anteil von 17,3 % neben 43,7 % Muslimen und 31,1 % Serben. Allerdings sind Zahl und Anteil der Kroaten, von der westlichen Herzegowina abgesehen, schon seit Jahrzehnten rückläufig und in Folge des Krieges 1992–95 sowie durch Abwanderung noch einmal gesunken. Ihr Anteil betrug laut Volkszählung von 2013 mit 545.000 Personen 15,4 %, noch stärker als früher räumlich konzentriert auf die westliche Herzegowina.

In der nordwestlichen Vojvodina in Serbien lebten 1991 ungefähr 100.000 Kroaten. Die Bevölkerungsgruppe geht auf verschiedene Kolonisationswellen seit dem 15. Jh. zurück. Man findet für sie auch die subethnische Selbstbezeichnung als bunjevci. Die Zahl der Kroaten in der Vojvodina, schon seit den 70er-Jahren rückläufig, ist seit 1991 durch Übersiedlung in die Republik Kroatien noch weiter zurückgegangen. Fallweise haben die Bewohner ganzer serbischer Dörfer in Slawonien und kroatischer Dörfer in der Vojvodina ihre Häuser getauscht. Bei der Volkszählung in Serbien 2011 erklärten sich in der Vojvodina 47.000 Menschen als Kroaten, 16.500 als bunjevci.

Eine wenige Tausend Menschen umfassende kroatische Enklave bestand bis ans Ende des 20. Jhs. in Janjevo (15 km südöstlich von Priština) und einigen benachbarten Orten im Kosovo. Zu ihren Bewohnern gehörten die Nachfahren von Bergleuten aus Oberungarn und von Kaufleuten aus Dubrovnik, die sich hier im 14. Jh. niedergelassen hatten. Jahrhundertelang durch die Konfession von ihrer Umgebung unterschieden, wurden die Katholiken aus Janjevo seit dem 19. Jh. national als Kroaten angesehen. Im letzten Jahrzehnt sind sie großteils nach Kroatien ausgesiedelt und leben konzentriert am östlichen Stadtrand von Zagreb; durch die Fluchtwelle während des Kosovo-Krieges im Frühjahr 1999 ist die Enklave in Janjevo fast ausgelöscht worden.

Im heute montenegrinischen Küstengebiet um die Bucht von Kotor, das im 19. Jh. zum österreichischen Dalmatien gehörte und bis weit in die Neuzeit konfessionell noch mehrheitlich katholisch geprägt war, bekannten sich bei den Volkszählungen 1991 wie auch 2011 ungefähr 5.000 Menschen als Kroaten.

Durch Flucht- und Kolonisationsbewegungen nach Norden entstanden im 16. Jh. kroatische Siedlungen im Burgenland entlang der historischen Westgrenze Ungarns, nach heutiger Terminologie am Ostrand Österreichs mit Ausläufern in der südwestlichen Slowakei und in Nordwestungarn. Heute sprechen noch ca. 60.000 Menschen die gegenüber dem modernen Standardkroatischen altertümlich wirkende Sprache der burgenländischen Kroaten. Ihre Minderheitenrechte sind im Österreichischen Staatsvertrag von 1955 garantiert.

In Ungarn leben laut Volkszählung von 2011 27.000 Kroaten (andere Schätzungen gehen von 50.000 aus), die meisten entlang dem nördlichen Drau-Ufer und in den zu Ungarn gehörenden nördlichen Teilen der Baranja/Baranya. Das Zentrum ihres kulturellen Lebens ist Pécs (kroat. Pečuh) mit einem kroatischen Theater. Die im rumänischen Banat siedelnde kroatische Minderheit umfasst ca. 5.000 Angehörige. Die Dörfer der Kroaten in der mittelitalienischen Landschaft Molise um Campobasso gehen auf Flüchtlingsgruppen aus dem 16. Jh. zurück; die Zahl der Sprecher wird heute auf ca. 2.000 geschätzt.

Schließlich ist durch die Auswanderung in der zweiten Hälfte des 19. und im frühen 20. Jh. eine starke kroatische Diaspora in Nord- und Südamerika wie auch Australien entstanden. Während die politisch motivierte Emigration seit 1945 zahlenmäßig wenig ins Gewicht fallen dürfte, hat die Arbeitsemigration seit den 60er-Jahren große Ausmaße angenommen. Auf diesem Wege sind bis 1991 ungefähr 750.000 Kroaten in die Länder Westeuropas, vor allem nach Westdeutschland, gelangt. Den ursprünglichen Plan, in absehbarer Zeit zurückzukehren, hat nur ein geringer Teil unter ihnen verwirklicht. In jüngerer Zeit ziehen manche nach Erreichen des Ruhestandes in die Heimat zurück.

Seit Mitte der 90er-Jahre lässt sich zudem ein neuer Trend beobachten: In Westeuropa oder Amerika aufgewachsene Kroatinnen und Kroaten lassen sich nach Schul- oder Hochschulabschluss in Kroatien nieder, beginnen dort eine von ihrer Zweisprachigkeit begünstigte berufliche Karriere und gründen Familien.

Kroatien ist inzwischen ein national weitgehend homogener Staat. Der Anteil der für den Staat namengebenden Bevölkerungsgruppe überwiegt deutlich. Es gibt aber weiterhin viele autochthone Minderheiten. Wie die Ergebnisse der Volkszählungen von 2001 und 2011 bestätigen, ist es in Folge des Krieges in Kroatien (1991–95) und Bosnien-Herzegowina (1992–95) zu großen demographischen Veränderungen gekommen. So lebten 2011 auf dem 56.500 km2 umfassenden Territorium der Republik Kroatien 4,284 Mio. Menschen; 1991 waren es 4,784 Mio., 2001 4,437 Mio. Von diesen erklärten sich als:

Siedlungsräume der Kroaten. Die Karte zeigt den Stand von 1991. Durch die Migration vor allem in Folge des Krieges 1991–95 sind die kroatischen Mehrheitsgebiete in Kroatien selbst nun fast flächendeckend; in Nord- und Mittelbosnien sind hingegen nur kleine kroatische Minderheiten verblieben.

Der Anteil der übrigen nationalen Minderheiten war 2001 wie auch 2011 kleiner als jeweils 10.000 Personen. Verschwunden ist der Anteil jener, die sich zur Zeit Jugoslawiens übernational als Jugoslawen deklarierten. Diese Gruppe erreichte 1981 mit 8,2 % ihre größte Stärke; ihr Anteil war 1991 schon auf 2,2 % zurückgefallen.

Die italienische Minderheit, durch Abwanderung nach dem Zweiten Weltkrieg stark verkleinert, ist auf die Städte Westistriens konzentriert. Die Ungarn leben vor allem in Ostslawonien und in der Baranja. In Westslawonien um Daruvar gibt es eine zahlenmäßig stärkere Gruppe von Tschechen. Die Zahl der Deutschen ist nach dem Zweiten Weltkrieg wegen Flucht, Vertreibung, späterer Abwanderung oder Assimilierung nur noch minimal.

Die Bevölkerung Kroatiens ist von 1991 bis 2011 um 500.000 Menschen zurückgegangen, um 350.000 bis 2001, um weitere 150.000 Menschen bis 2011. Für die Zeit bis 2001 liegen Hauptgründe in Abwanderung, Aussiedlung und Flucht der Serben und in Kriegsverlusten. Schon in diesem Zeitraum und später wirkten daneben die geringe Geburtenrate und die Arbeitsemigration insbesondere jüngerer Menschen als Faktoren des Bevölkerungsrückganges. Anfang 2019 wurde die Bevölkerungszahl auf 4,076 Mio. geschätzt.

Demgegenüber sind absolute Zahl wie auch relativer Anteil der Kroaten an der Gesamtbevölkerung bis 2001 deutlich gewachsen, zum einen wegen des Zuzugs von Kroaten aus Bosnien und der Herzegowina, in geringerem Maße aus der Vojvodina und dem Kosovo, zum anderen dank Rückkehrern aus den Ländern des Westens. Die Kroaten aus Bosnien-Herzegowina, die 1992–93 als Flüchtlinge nach Deutschland kamen, sind bei der Rückführung 1996 zum größeren Teil nicht in ihre Heimat zurückgekehrt, sondern haben sich in Kroatien niedergelassen. Gerade die Gebiete Kroatiens, die auch schon vor dem Krieg dünn besiedelt waren, sind im Zuge des Krieges 1991–95 noch weiter verödet. Die Verteilung nach Nationalitäten hat sich 2001–11 kaum verändert. Von den Albanern abgesehen, sind die absoluten Zahlen für alle Gruppen geringfügig zurückgegangen.

Der jahrzehntelange Trend zur Konzentration der Bevölkerung in der Region um die Hauptstadt hat sich fortgesetzt; die Erwartung allerdings, die Einwohnerzahl würde bald 1 Mio. erreichen, hat sich nicht erfüllt: Im Jahr 2011 lebten in Zagreb 790.000 Menschen.

Die Zuwanderung von Migranten aus außereuropäischen Ländern spielt einstweilen eine nur minimale Rolle. Fast alle Flüchtlinge, die von Serbien oder Bosnien-Herzegowina aus kroatisches Territorium erreicht haben, versuchen, möglichst bald weiter nach Westen zu gelangen. Ziel einer geplanten Zuwanderung aus eigenem Entschluss ist Kroatien nur in sehr geringem Maße.

Einbindungen in geographische und historische Großräume

Das Territorium Kroatiens lässt sich drei geographischen Großräumen zuordnen, denen auch die Gliederung nach ethnographischen Merkmalen wie Wohnen, Kleidung, Ernährung und Arbeitsformen ungefähr entspricht.

Kontinentalkroatien zwischen Drau im Norden und Kupa und Save im Süden gravitiert als südlichster Teil des pannonischen Beckens in Vegetation und Klima nach Mitteleuropa. Zur mediterranen Zone gehören Istrien und das dalmatinische Küstengebiet samt der Inselwelt.

Die beiden relativ dicht besiedelten, landwirtschaftlich gut erschlossenen Großräume im Norden und entlang der Küste sind durch das verkarstete Dinarische Gebirge getrennt, das an die Südostalpen anschließt und sich weiter nach Osten durch Bosnien-Herzegowina und bis nach Westserbien erstreckt. Während die Gebiete nördlich der Wasserscheide zwischen Adria- und Save-Zuflüssen bewaldet sind, sind die Gebiete zum Meer hin vielfach kahl. Die dünnbesiedelten, für Holz- und extensive Viehwirtschaft genutzten Gebirgszüge wirken als verkehrstechnischer Sperrgürtel, der allerdings durch den Autobahnbau in den vergangenen zwei Jahrzehnten viel durchlässiger geworden ist.

Kroatien nimmt, wie auch in der aktuellen Politik immer wieder thematisiert, Brückenfunktionen zwischen Ostmittel- und Südosteuropa ein und lässt sich gleichermaßen beiden Großräumen zurechnen. Darüber hinaus verbindet es mediterranen und pannonischen Raum.

Durch die vorprägende Wirkung der römischen Herrschaft, die einstige Lage im Einflussbereich osmanischer Herrschaft und die Zugehörigkeit zum südslawischen Sprachraum ist Kroatien – wie auch der westliche Nachbar Slowenien – in die Geschichtslandschaft Südosteuropa eingebunden. Schließlich verweist das geschichtliche Erbe der fast 70-jährigen, nur im Zweiten Weltkrieg kurzfristig unterbrochenen Zugehörigkeit zum Staat Jugoslawien auf Südosteuropa.

Andere, gleichermaßen wichtige Merkmale charakterisieren Kroatien ebenso wie Slowenien oder Ungarn als Teil Ostmitteleuropas. Hierzu gehören die im Frühmittelalter begründete westkirchliche Bindung und die damit verbundene kulturelle Ausformung, die Teilhabe an der hochmittelalterlichen Stadt- und Dorfkolonisation wie auch an den für ganz Mittel- und Westeuropa charakteristischen Prozessen der Ausbildung von Ständen und Stadtgemeinden. Über die Jahrhunderte hinweg dominierte in den politischen Beziehungen bis 1918 die Orientierung auf Ostmitteleuropa. Durch die staatliche Verselbständigung Kroatiens, durch die neue Offenheit der Grenzen und mittels der Teilhabe am europäischen Integrationsprozess erfahren die ostmittel- und westeuropäischen Bindungen Erneuerung und Stärkung.

Nationalgeschichte eines jungen Staates

Jede Geschichte Kroatiens, seines Gebietes und seiner Bevölkerung, erweist sich bei aller Berücksichtigung der Präsenz anderer ethnischer und nationaler Gruppen durch die Jahrhunderte zugleich als kroatische Nationalgeschichte. Es ist dabei ausgeschlossen, konsequent zwischen den Perspektiven der Staats-, Territorial-, Bevölkerungs- und Nationalgeschichte zu unterscheiden. Die Konzeption der folgenden Darstellung ist von der Prämisse geleitet, dass nicht nur das Bestehen des kroatischen Ethnos, sondern auch Sprache, ältere Staatlichkeit, historische Grenzen, frühneuzeitliche Geschichtskonzepte, ständische Nation, Konfession und kulturelle Bindungen als historisch gewachsene Rahmensetzungen für den Bau, für die Ausbildung der modernen kroatischen Nation seit dem 19. Jh. gedient haben.

Es gilt, die verschiedenen Ansätze zur Einbeziehung der kroatischen Nation in die nationalstaatliche Ordnung Europas aufzuzeigen. Hierzu sind auch die Formen der Zugehörigkeit zum jugoslawischen Staat zu zählen. Die Verselbständigung Kroatiens 1991 war zwar eine langfristig angelegte Alternative, doch ihre Verwirklichung ergab sich erst aus den kurzfristigen Konstellationen während der jugoslawischen Staatskrise am Ende der Ära des Sozialismus.

Schließlich sei Kroatien als ein Land vorgestellt, in dessen Geschichte sich über alle Besonderheiten hinweg viele strukturelle Gemeinsamkeiten mit anderen Ländern Europas erkennen lassen.

Dieses Buch beruht, vom Schlusskapitel „Kroatien in der Gegenwart“ abgesehen, weitestgehend auf meinem 2001 in 1. Auflage, 2007 in 2. Auflage ebenso im Verlag Friedrich Pustet erschienenen Buch „Kroatien. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart“. Es schließt damit auch an die beiden Übersetzungen an: Die kroatische Übersetzung „Povijest Hrvatske. Od srednjeg vijeka do danas“ ist 2006 beim Verlag Jesenski i Turk in Zagreb erschienen, die italienische „Croazia. Storia nazionale e vocazione europea“ 2007 im Verlag Beit in Triest.

Ich habe in meiner Konzeption der Geschichte Kroatiens gegenüber den früheren Ausgaben keine Veränderungen vorgenommen, aber es galt doch, fallweise neuere Forschungsstände zu berücksichtigen, hier und da sachliche Korrekturen einzubringen. Die weiteren Begegnungen mit dem Thema „Geschichte Kroatiens“ durch eigene Spezialuntersuchungen, bei der Arbeit und auf Exkursionen mit Studierenden, im Austausch mit Kolleginnen und Kollegen wie auch im Gespräch mit Interessierten im Laufe von zwei Jahrzehnten haben schließlich manchen Anstoß zu kleineren Änderungen und Ergänzungen gegeben. Viele von diesen haben in den neu eingeführten „Exkursen“ Platz gefunden. Entfallen gegenüber den älteren Fassungen sind die Kurzbiografien ausgewählter Persönlichkeiten und die Stichworte zu touristischen Sehenswürdigkeiten. Hierzu stehen im Vergleich zu vor zwei Jahrzehnten viel mehr anderweitige Informationsmöglichkeiten zu Verfügung. Wichtige biografische Angaben habe ich fallweise bei Einführung der Person in die laufende Erzählung eingefügt. – Jahreszahlen hinter Herrschernamen beziehen sich auf die Regierungszeit, bei sonstigen Personen auf die Lebenszeit.

Beim Erscheinen der 1. Auflage des Buches hatte die Gründungsära des selbständigen Kroatien mit dem Tod von Franjo Tuđman Ende 1999 und dem Regierungswechsel Anfang 2000 gerade erst geendet. Das Kapitel mit den Hauptthemen der Normalisierung der Beziehungen zu den Nachbarländern und der europäischen Integration hatte ein noch offenes Ende. In den beiden Auflagen des Buches „Kroatien“ wie auch in den Übersetzungen ist die Zeit nach dem Tod Tuđmans Ende 1999 und dem Regierungswechsel 2000 nur in einem knappen Unterabschnitt des 1990 einsetzenden Kapitels „Kroatien als selbständiger Staat“ behandelt. 2001 erschien die feste Einbindung in den europäischen Integrationsprozess nur als eine Hoffnung und ein Zukunftsziel. 2007 stand die Aufnahme in die NATO bevor, der Beginn der Verhandlungen mit der EU war endlich im Oktober 2005 erfolgt, doch der Abschluss war noch fern.

Für das frühere letzte Kapitel habe ich einen neuen Titel gewählt – „Die Verselbständigung Kroatiens“ –, um auf den langen Weg zur Konsolidierung der neuen Eigenstaatlichkeit zu verweisen. Das neue letzte Kapitel, im Jahr 2000 einsetzend, umfasst die jüngsten zwei Jahrzehnte, die, über alle sonstigen Faktoren und Entwicklungen hinweg, am stärksten von der Vorbereitung und Verwirklichung der Zugehörigkeit zur EU charakterisiert sind.

KAPITEL 1

Der Raum Kroatiens in der Antike und während der Ethnogenese

Der gesamte Raum des heutigen Kroatien befand sich einst innerhalb der Grenzen des Römischen Reiches; doch es bestehen große Unterschiede darin, inwieweit er durch die politischen und gesellschaftlichen Strukturen der Spätantike vorgeformt worden ist.

Am geringsten blieb die Prägung im gebirgigen Binnenland; die Bevölkerung der illyrischen Stämme wurde zwar, von Rückzugsgebieten abgesehen, sprachlich romanisiert, doch die Zeugnisse römischer Stadtkultur entlang der großen Straßen sind spärlich. – Etwas stärker sind die antiken Spuren in der Ebene des Nordens: Die 12/9 v. Chr. errichtete Provinz Pannonia umfasste auch die Ebenen von Save und Drau. Wichtigstes Zentrum in diesem Raum wurde die in der Nähe des Zusammenflusses von Save und Kupa gelegene Stadt Siscia, deren Name in der Form Sisak bis heute überdauert hat. Ca. 20 km südöstlich von Zagreb auf dem südlichen Save-Ufer sind die Ruinen der Stadt Andautonia ergraben. An der Stelle von Osijek und Vinkovci in Ostslawonien lagen die antiken Städte Mursa und Cibalae; doch schon der Namenwechsel verweist auf das Fehlen städtischer Kontinuität von der Antike ins Hochmittelalter. Die heißen Quellen von Varaždinske Toplice waren als Aquae Iasae schon in der Antike geschätzt.

Griechische Kolonisation und Romanisierung

Lediglich die Küstenregion, sowohl Istrien als auch Dalmatien, wurde in starkem Maße durch die Zugehörigkeit zum römischen Reich und allgemein durch die Anbindung an den mediterranen Kultur- und Verkehrsraum geprägt. An der Adriaostküste waren schon im 4. Jh. v. Chr. Städte aus griechischer Kolonisation entstanden: Siedler aus Syrakus gründeten 397–390 die Kolonie Issa (Vis); von dort aus erfolgte die Gründung von Tragurium (Trogir) und Epetium auf dem Festland. Kolonisten von der Insel Knidos ließen sich auf Corcyra nigra (Korčula) nieder. Der Beiname nigra, „schwarz“, bezog sich auf die Bewaldung der Insel, wodurch diese sich von ihrer Namensschwester Corcyra, dem heutigen Korfu, unterschied. Ebenso erwarben Kolonisten aus Issa Land auf Korčula. Das „Psephisma von Lumbarda“, die älteste erhaltene Inschrift aus dem Raum des heutigen Kroatien, regelt die Bodenbesitzverhältnisse zwischen Griechen und einheimischer Bevölkerung. Kolonisten von der Insel Paros in der Ägäis gründeten 385–84 mit Hilfe des Syrakuser Tyrannen Dionysios die Kolonie Pharos an der Stelle des heutigen Stari grad auf der Insel Hvar (Pharos). Die antike Großstadt Salona beim heutigen Split geht auf Kolonisation von Issa wie auch auf einheimische illyrische Siedlung zurück. Im 3. Jh. v. Chr. gelangten die griechischen Kolonien alle unter illyrische Herrschaft.

Schon seit der Mitte des 2. Jhs. v. Chr. wuchs die politische Einflussnahme durch die Römer auf die illyrischen Stämme zwischen Küste und pannonischer Ebene. Im Jahr 34 v. Chr. unterwarf Oktavian, der spätere Kaiser Augustus (27 v. Chr.–14 n. Chr.), diesen Raum, und am Anfang des 1. Jhs. wurde die Provinz Dalmatia gebildet, benannt nach dem Stamm der Delmatae. Der Name von deren Zentralort, Delminium, hat sich in der slavisierten Form Duvno fast bis in die Gegenwart erhalten: Das auf der Hochebene des Duvanjsko polje in Süd-west-Bosnien gelegene Städtchen hieß von 1925 bis 1945 nach dem mittelalterlichen kroatischen König Tomislav offiziell Tomislavgrad und hat 1990 diesen Namen wiedererhalten. Die Provinz Dalmatien reichte von der Küste bis an den Südrand der Save-Ebene und von Ostistrien bis ins heutige Westserbien.

Gefördert durch Kolonisation aus Italien, wurde die Küstenregion weitgehend romanisiert und urbanisiert. Hauptstadt der Provinz Dalmatien war Salona mit ca. 60.000 Einwohnern. Die antike Stadt, in der fruchtbaren Ebene am Kaštelanski zaljev, der Bucht zwischen Trogir und Split, gelegen, ist archäologisch gut erschlossen, zumal sie nicht durch jüngere Stadtschichten überbaut ist. – Zweitwichtigste Stadt Dalmatiens war die ursprünglich liburnische Siedlung Iadera (Zadar), die schon 34 v. Chr. den Status einer römischen Kolonie erlangte.

Die Krisenzeit der Spätantike

Kaiser Diokletian (284–305 n. Chr.) richtete 293 die Tetrarchie ein, d. h. er teilte das Reich in vier Gebiete auf und übertrug die Reichsverwaltung zwei Kaisern und zwei diesen unterstellten Caesaren. Zu diesem Anlass wurde die Provinz Dalmatien ungefähr entlang des Flusses Drina geteilt; die östlichen Gebiete gelangten an die neu gebildete Provinz Praevalitana. Der Kaiser, der aus Dalmatien, vielleicht gerade aus Salona, stammte, nahm nach der krankheitsbedingten Abdankung im Jahr 305 seinen Alterssitz bei Salona. Dort hatte er sich am Ort Aspalathum einen großen Palast errichten lassen, in dem sich später die Stadt Split entwickelte. Im Mausoleum, dem Herzen der Palastanlage, wurde der Kaiser bestattet.

Die Christenverfolgungen zur Zeit Diokletians trafen auch Dalmatien und Pannonien. Der spätere Spliter Stadtpatron St. Domnius, kroatisch Sveti Duje, fand damals als Bischof von Salona den Tod. Das Christentum hatte in Städten Dalmatiens wie auch Pannoniens spätestens am Anfang des 3. Jhs. stärker Fuß gefasst; seit der Mitte dieses Jahrhunderts sind die ersten Bistümer belegt. Mit dem Ausbau der kirchlichen Organisation in der Spätantike wurde in Übereinstimmung mit der damaligen Kirchenverfassung fast jede Stadt Sitz eines Bischofs.

Die Grenzziehung aus der Zeit der Tetrarchie blieb bestehen, als Kaiser Theodosius (379–95 n. Chr.) im Jahr 395 die dauerhafte Reichsteilung in ein West- und ein Oströmisches Reich vornahm. Dadurch verfestigte sich der schon einsetzende Dualismus zwischen Rom und Konstantinopel sowie – eng damit verbunden – zwischen West- und Ostkirche noch weiter.

Aus der Beobachtung, dass die heutigen Grenzen zwischen Kroatien und Bosnien-Herzegovina einerseits sowie Serbien und Montenegro andererseits mit der Grenze aus der Zeit der römischen Reichsteilung Ähnlichkeit haben, wird häufig auf die Dauerhaftigkeit einer „Zivilisationsscheide“ entlang der Drina geschlossen; doch – wie auch aus der folgenden Darstellung deutlich werden sollte – widerlegt die Geschichte die Angemessenheit einer solchen Deutung. Es bleibt nur festzuhalten, dass Berührung, Verschränkung oder auch Konfrontation von west- und ostkirchlicher Tradition für die geschichtliche Entwicklung im Raum Kroatiens immer wieder von Bedeutung gewesen sind.

Nachdem der germanische Heerführer Odoaker 475 den letzten weströmischen Kaiser Julius Nepos (474/75) für abgesetzt erklärt hatte, konnte sich dieser noch eine Zeitlang in Dalmatien halten. Erst nach dessen Ermordung 480 übernahm Odoaker auch hier die Herrschaft. – Nach dem Ende des Hunnenreiches 457 hatten sich die Ostgoten als Föderaten des Oströmischen Reiches in Pannonien an Save und Drau angesiedelt. Ihr König Theoderich der Große (474–526) schloss 488 mit Kaiser Zenon (474–91) einen Vertrag, demzufolge er das 476 errichtete Reich des Odoaker in Italien gewinnen und dort die Herrschaft stellvertretend ausüben sollte. Mit dem Sieg Theoderichs 493 über Odoaker gelangte auch Dalmatien an das neue Ostgotenreich.

Für die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse bedeutete die Ostgotenherrschaft noch keine Zäsur. Allerdings geriet das Städtewesen, soweit es nicht militärische Schutzfunktionen erbrachte, durch die einsetzende Ruralisierung sowie den Rückgang von Handel und Handwerk schon im 6. Jh. in eine schwere Krise.

Kurz nach dem Tod Theoderichs des Großen 526 begann der oströmische Kaiser Justinian (527–65) mit der Reconquista, der Wiedergewinnung weströmischer Gebiete für die Herrschaft nur eines Kaisertums. Dalmatien befand sich bereits 536 unter oströmisch-byzantinischer Herrschaft; in Italien zog sich der Krieg gegen die Ostgoten bis 553 hin.

Die Verwaltung Justinians förderte aus militärischen Erwägungen den Ausbau befestigter Plätze an der Adriaostküste. In diese Zeit fällt, wie die vor gut 30 Jahren freigelegten Grundmauern einer Basilika unter der heutigen Kathedrale zeigen, der erste Aufstieg von Dubrovnik. Entlang der Adriaostküste wurde eine noch heute nachweisbare Kette von Signalposten aufgebaut.

Die Sicherung der Oströmischen Herrschaft auf der westlichen Balkanhalbinsel und in Italien blieb eine Episode. 568 kam der größte Teil Norditaliens – außer dem Lagunengebiet, Ravenna und Istrien – an das neu errichtete Reich der Langobarden.

Awaren und Slawen

In das von den Langobarden geräumte Pannonien rückten sogleich die Awaren nach, ein Reitervolk aus dem zentralasiatischen Raum, das sich eines protobulgarisch-turksprachigen Idioms bediente. Die Awaren unternahmen von Pannonien aus Feld- und Beutezüge ins Oströmische Reich und gelangten 626 bis vor die Tore Konstantinopels, das sie vergeblich belagerten. Im Gefolge der Awaren siedelten sich in ganz Südosteuropa bis nach Ostistrien Slawen an. Die Urheimat der vor allem als Sprachgemeinschaft konstituierten Slawen befand sich nach weitgehendem Forschungskonsens im Raum nördlich der Karpaten. In welchem Maße dabei der slawische Sprachraum vom Dnepr bis ins Wendland und von der Ostsee bis an die Adria neben Migration auch durch Wechsel der Sprachpraxis entstanden ist, wird nie genau zu klären sein.

Im Kontext der Feldzüge der Awaren und der slawischen Ansiedlung am Ende des 6. und Anfang des 7. Jhs. brach der byzantinische Herrschaftsraum auf der westlichen Balkanhalbinsel zusammen und reduzierte sich, wie später weiter auszuführen sein wird, auf eine Reihe von Küstenstädten und Inseln. Die Ankunft von Awaren und Slawen war – unabhängig von der schon früher einsetzenden Krise des spätantiken Städtewesens – die entscheidende Zäsur für dessen Auslöschung im Binnenland. Die Handelstätigkeit kam weitestgehend zum Erliegen. Für eine in Schriftquellen berichtete Verwüstung von Salona durch die Awaren, die dann auf die Zeit zwischen 612 und 619, am ehesten 614, einzuordnen wäre, fehlen archäologische Belege. Aber der Sachverhalt der Verlagerung des städtischen Lebens und der Zentralitätsfunktionen in die Ruinen des einstigen Diokletianspalastes bleibt bestehen.

Stichwort: Historia Salonitana

Eine Geschichte von Flucht und Neuanfang

Der Archidiakon Thomas von Split erzählt in seiner kurz vor 1268 fertiggestellten Historia Salonitana in so empathischer und an moderne Erfahrungen erinnernder Weise von der Flucht aus Salona und einem Neubeginn, dass daraus einige Passagen zitiert seien: „Also begannen die einzelnen Leute [nach der Flucht auf die Inseln], aus den Schiffen aussteigend, ihre Familien zu suchen, Suchmeldungen zu den anderen Inseln zu schicken und sich nach Sippen zusammenzuschließen. Die sich fanden, freuten sich, einer so großen Gefahr entkommen zu sein; welche aber nicht gefunden wurden, wurden als Tote beklagt. Als sich aber der Schmerz und die Trauer über das große Unheil ein wenig beruhigt hatten, fingen sie an, sich gegenseitig zu trösten. Dann begannen alle, Hütten aus Laubwerk und Zweigen zusammenzubauen und sich an geeigneten Orten niederzulassen. Alle fingen an, verschiedene Tätigkeiten auszuführen.“

Split/Dalmatien. Das östliche Stadttor, die Porta argentea des einstigen Diokletianspalastes. Im Hintergrund der im 13. Jh. errichtete Turm der Kathedrale

Die Übersiedlung in den Diokletianspalast erscheint als planvoller gemeinsamer Akt, initiiert von einem gewissen, wahrscheinlich historischen Severus: „Sie machten einen solchen Vertrag unter sich aus, dass die Reicheren sich auf eigene Kosten Häuser bauen würden; die anderen jedoch, deren Vermögen nicht ausreichend war, um Häuser zu bauen, sollten die den Palast umstehenden Türme für ihre Behausungen haben; die restliche Menge sollte in den Kaminen und Kellergewölben wohnen.“ Die soziale Hierarchie wurde also auch in der Not nicht aufgebrochen – sie hat einfach weiterbestanden!

Über die Zeit der allmählichen Konsolidierung am neuen Wohnort schreibt Thomas: „Die Spliter begannen, mit den Slawen ab und zu Kontakt zu pflegen, Handelsgeschäfte auszuüben, Ehen zu schließen und sie friedfertig und vertrauensvoll ihnen gegenüber zu stimmen.“ Unabhängig von ihrer Konstrukthaftigkeit enthält die Geschichte doch zugleich eine noch heute gültige Grunderfahrung in der Begegnung verfeindeter oder noch gar nicht miteinander bekannter Gruppen: Die friedliche Kommunikation beginnt mit Handel; die höchste und nicht immer erreichte Stufe besteht darin, Eheschließungen über die alten Abgrenzungen hinweg zu akzeptieren.

Kroatische Ethnogenese

Mit dem Zusammenbruch der in der Antike ausgebildeten Herrschafts- und Gesellschaftsstrukturen einschließlich der Kirchenorganisation war der Freiraum zu einer Reihe von Ethnogenesen auf der westlichen Balkanhalbinsel geschaffen. Unter Ethnogenese verstehen wir die Stabilisierung einer frühgeschichtlichen, antiken oder frühmittelalterlichen Großgruppe von Menschen mit gleicher Kultur und Sprache; die Gruppe braucht zwar nicht politisch geeint zu sein, doch verfügt sie über ein Gefühl der Zusammengehörigkeit.

Die kroatische Ethnogenese ist eng verbunden mit der Errichtung des Awarenreiches und der slawischen Ansiedlung. Der Name der Kroaten ist erst in Quellen des 9. Jhs. belegt. In den ältesten Quellen mit Bezug auf den Raum ist nur von Slawen die Rede; erst jüngere Quellen sprechen rückblickend auch schon für die Zeit des 7. Jhs. von Kroaten. Doch unabhängig von diesem Umstand spricht wenig dafür, eine geschlossene Gruppe von Kroaten sei erst um 800 in das Gebiet an der nördlichen Adriaostküste eingewandert. Die Ethnogenese der Kroaten dürfte breitem Konsens zufolge schon in das 7./8. Jh. einzuordnen sein. Die Ansätze der Gruppenbildung sind demnach älter als die Stabilisierung des Namens.

Herkunft und Bedeutung des Namens „Kroate“, in der modernen Lautung der Selbstbezeichnung „Hrvat“, sind bis heute ungewiss. Mit Sicherheit ist der Name nicht slawischer Wurzel. Demnach ist auszuschließen, dass sich die Ethnogenese der Kroaten einfach als Ausdifferenzierung slawischer Stämme vollzog. Die Ankunft der Kroaten an der Küste bzw. die Ausbildung einer Gruppe, die sich als Kroaten bezeichnete, erfolgte vielmehr erst eine gewisse Zeit nach der slawischen Landnahme. Am wenigsten unwahrscheinlich ist eine iranische Herkunft des Namens; doch man kann hieraus keinesfalls die Vorstellung ableiten, es sei ein geschlossener Volkskörper aus dem Kaukasus an die Adriaostküste gewandert.

Das Ethnonym der Kroaten ist möglicherweise ursprünglich ein Ehrentitel mit funktionaler und sozialer Bedeutung innerhalb des Awarenreiches gewesen. Der Name diente zur Bezeichnung von Aufgaben für bestimmte Gruppen in Grenzgebieten des Awarenreiches. Er ist nämlich nicht nur an der Adriaostküste belegt, sondern auch am Ostrand der Alpen in Kärnten, in Nordböhmen, Sachsen und Südpolen, also in einem weiten Kreis um die Kerngebiete des Awarenreiches.

Von den verschiedenen Ansätzen kroatischer Gruppenbildungen ist nur eine auf Dauer erfolgreich geworden und bis zur frühmittelalterlichen Herrschaftsbildung gelangt, nämlich die Ethnogenese der Kroaten an der Adriaostküste. Sie vollzog sich durch schnelle, wahrscheinlich von der byzantinischen Diplomatie geförderte Abschüttelung der awarischen Herrschaft, durch sprachliche Slawisierung und durch Ausbildung einer eigenen Herrschaft, die in Quellen um 800 erstmals fassbar wird.

Exkurs: Zeugnisse vorchristlicher Religion

Eine Spurensuche

Die Slawisierung der Kroaten zeigt sich auch darin, dass wir im Brauchtum und in der Toponymie Kroatiens ebenso wie in anderen slawischen Siedlungsräumen zahlreiche Spuren der vorchristlichen Religion der Slawen wiederfinden. Nur einige Beispiele seien angeführt: Südöstlich von Split liegt der Berg Perun, benannt nach dem slawischen Hauptgott; Mokošica bei Dubrovnik heißt nach Peruns Frau Mokoš. Die kleine Halbinsel Veles bei Novi Vinodol erinnert an Peruns mit dem Wasser verbundenen Gegner Veles. Der Ortsname Perun ist häufig christianisiert worden; an die Stelle des heidnischen Gottes sind Sveti Vid, Sveti Mihovil oder Sveti Ilija, der hl. Veit, Michael oder Elias getreten. In Ortsnamenpaaren ist die Sakralisierung der Landschaft wiederzuerkennen: Im Učka-Gebirge in Nordistrien liegt unterhalb des Berges Perun die Örtlichkeit Trebišće, „Opferstätte“. Der Berg Vidova gora („Veitsberg“ anstelle von Perun) auf der Insel Brač ist mit der Zmajeva špilja, der „Drachenhöhle“, an seinem Fuß verbunden; das Namenpaar assoziiert den Zweikampf zwischen Perun und Veles. Dem Berg Sveti Vid auf Pag ist der Ort Dubrava, „Eichenhain“, als Opferstätte an seinem Fuß zugeordnet. Auf dasselbe Paar treffen wir am östlichen Stadtrand von Zagreb: Bergaufwärts nördlich von Dubrava liegt der Ort Vidovec.

KAPITEL 2

Frühmittelalter (9.–11. Jahrhundert)

Das byzantinische Dalmatien

Die frühmittelalterliche Geschichte des Raumes an der Adriaostküste ist bestimmt vom Dualismus zwischen Küstenstädten unter byzantinischer Herrschaft und slawischen Herrschaftsbildungen im Hinterland.

Die Orte des byzantinischen Dalmatien sind in der Länderbeschreibung des byzantinischen Kaisers Konstantin VII. Porphyrogennetos (913–59) De administrando imperio, „Wie das Reich zu regieren ist“, aus der Mitte des 10. Jhs. aufgezählt. Zur Reihe der Besitzungen gehörten im Norden in der Kvarner-Bucht die Doppelinsel Osor (heute Cres und Lošinj) mit dem gleichnamigen Hauptort (lat. Apsarum, ital. Ossero) sowie die Inseln Krk (lat., ital. Veglia) und Rab (Arbe) mit den gleichnamigen Hauptorten.

Für alle Festlandsstädte war die Schutzlage kennzeichnend. Zadar (lat. Iader, ital. Zara) liegt auf einer Halbinsel; die Bucht zwischen Stadt und Festland dient als Hafen. Der regelmäßige antike Straßenplan hat sich, durch Aufschüttungen über die Jahrhunderte hinweg um ungefähr einen Meter erhöht, bis heute erhalten. Die auf griechische Kolonisation zurückgehende Stadt Trogir (lat. Tragurium, ital. Traù) liegt auf einer kleinen Insel zwischen dem Festland und der Insel Čiovo.

Die Stadt Split (lat. Spalatum, ital. Spalato) entwickelte sich im ehemaligen Diokletianspalast; funktional übernahm sie die Stellung des verödeten Salona. Aus dem Mausoleum für den Kaiser wurde die Kathedrale, aus dem Jupitertempel das Baptisterium. Die Faszination dieses ältesten Stadtteiles von Split liegt in der kontinuierlichen Nutzung des antiken Baukörpers, der heute neben Wohnungen und Kirchen ebenso Läden, Banken und Lokale beherbergt.

Dubrovnik (Ragusa) ist die Nachfolgesiedlung des antiken, 20 km südöstlich gelegenen Epidaurus, dessen Ruinen heute teils unter dem Meeresspiegel liegen. Der slawische Ortsname Cavtat aus civitas [vetera], „[alte] Stadt“ hat die Erinnerung an Epidaurus bewahrt. Die Verlagerung von Epidaurus nach Dubrovnik begann bereits, wie erwähnt, im 6. Jh. in justinianischer Zeit. Der historische Stadtkern, den die 1278 errichtete und später immer weiter ausgebaute Mauer einschließt, umfasst eine ehemalige, zum offenen Meer hin ansteigende Insel und den unteren Bereich des gegenüberliegenden Berghanges. Der Kanal zwischen der Insel, auf welcher der älteste Siedlungskern lag, und dem Festland wurde schon im 11. Jh. geschlossen; auf seiner Fläche entstand die breite Straße Stradun. Der illyrische, später romanisierte Name Ragusa war ursprünglich nur an die Insel gebunden; er hat sich im Romanischen auf das ganze Stadtgebiet ausgedehnt. Umgekehrt war der slawische Name Dubrovnik, abgeleitet von dub, „Eiche“, ursprünglich nur auf eine Lokalität auf der Festlandsseite bezogen und hat sich auf den alten Stadtkern ausgeweitet.

Die Reihe der Städte unter byzantinischer Herrschaft schloss mit der heute in Montenegro gelegenen Stadt Kotor (Cattarum, Cattaro) am innersten Ende der Bucht von Kotor. Außerdem stand De administrando imperio zufolge eine Reihe kleinerer Inseln unter byzantinischer Hoheit.

Alle Festlandsstädte verfügten über ein kleines Umland; im Falle von Zadar wie auch der istrischen Stadt Pula haben Luftaufnahmen den Nachweis erbracht, dass das frühmittelalterliche städtische Territorium ungefähr dem ausgemessenen, aus der Luft noch erkennbaren antiken ager entsprach. Der Ausweitung des außerstädtischen Territoriums von Split und Trogir waren dadurch Grenzen gesetzt, dass sich das Gebiet des antiken Salona in kroatischer Hand befand.

Von Trogir abgesehen, wo erst seit dem Ende des 10. Jhs. ein Bischof residierte, waren alle Städte des byzantinischen Dalmatien in Fortsetzung der spätantiken Kirchenorganisation ohne Unterbrechung Sitze von Bischöfen, deren Diözesen natürlich sehr klein waren. Der Anspruch der Bezeichnung als civitas, als „Stadt“, war geradezu an den Bischofssitz gebunden. Nur im Hinterland war in Folge von Awareneinbruch und slawischer Ansiedlung die kirchliche Organisation zusammengebrochen.

Die Städte waren auf einen Bevölkerungszufluss aus dem Hinterland angewiesen; schon frühzeitig finden sich slawische Namen auch in den Oberschichten, und der Gebrauch der slawischen Sprache trat neben das romanische Dalmatische. Doch hieraus folgte keinesfalls eine ethnisch-sprachliche Gliederung der Stadtbevölkerung; entscheidend war die Gegenüberstellung von Stadt und Land. Die Zusiedler übernahmen das Bewusstsein der Stadtzugehörigkeit und grenzten sich auf diese Weise von der Welt ihrer Herkunft ab. Das romanische Dalmatische wurde allmählich vom Italienischen und Kroatischen verdrängt. In Resten hielt es sich bis ins 19. Jh.; der letzte Sprecher des Dalmatischen starb 1898. Die im Frühmittelalter angelegte Zweisprachigkeit im Küstenraum war bis ins 19. Jh. weit verbreitet; sie schuf auch die Voraussetzung für die im Spätmittelalter in den Städten aufblühende mehrsprachige Literaturproduktion: lateinisch, kroatisch, italienisch.

Die Stadtregierung in den dalmatinischen Städten lag gemeinsam beim Bischof und dem weltlichen Oberhaupt, dem Prior; an der Spitze einzelner Stadtteile von Zadar und Split standen bis ins 11. Jh. tribuni.

Politisches Zentrum des byzantinischen Dalmatien war Zadar, hier hatte der Archont, der Statthalter, bis Anfang des 8. Jhs. seinen Sitz. Den Höhepunkt byzantinischer Herrschaftspräsenz in Dalmatien bildete die – gegenüber anderen Reichsgebieten allerdings verspätete – Einrichtung des Thĕma (Militärbezirkes) Dalmatien um 869 nach erfolgreichem Entsatz des von einer arabischen Flotte belagerten Dubrovnik. Der bis 971 regelmäßig aus Konstantinopel entsandte Stratege vereinte militärische und zivile Gewalt. Später wurde die Einheit Dalmatiens nominell dadurch gewahrt, dass der Prior von Zadar als vornehmster Würdenträger in Dalmatien byzantinische Ehrentitel verliehen erhielt.

Kroatien und die benachbarten slawischen Herrschaftsbildungen

Welche Herrschaftsbildungen entstanden nun im Hinterland? Wie für die Reihe der Städte bietet die Länderbeschreibung De administrando imperio hier den besten Anhalt. Kroatien erstreckte sich, den Oberlauf der Save-Zuflüsse Kupa, Una und Vrbas noch erfassend, in einem breiten Gürtel entlang der Küste vom Westhang des Učka-Gebirges in Istrien bis ins heutige Westbosnien und bis an den Fluss Cetina östlich von Split. Im Südosten grenzte es an das Fürstentum der Narentaner; dieses reichte auf dem Festland bis an die Neretva und schloss die mitteldalmatinischen Inseln Brač, Hvar und Korčula ein.

Die Narentaner waren vom 9. bis ins 11. Jh. ein wichtiger Machtfaktor, indem sie die Schifffahrt durch die Inseln kontrollierten und Seeräuberei ausübten; mehrfach kam es zu Zusammenstößen zwischen ihnen und den Venezianern. Die gegenüber den Nachbarländern späte Christianisierung erst im 10. Jh. zeigt sich darin, dass wir in den älteren Quellen auch den Namen Pagania, „Heidenland“, finden. Die Festlandsgebiete des Fürstentums gelangten in der 2. Hälfte des 11. Jhs. in enge Bindung an Kroatien; letzte Spuren von Eigenständigkeit des Hauptortes Omiš an der Cetina-Mündung unter der Familie Kačić hielten sich bis ins 13. Jh.

Das Land Zahumlje, auch Hum genannt, umfasste das Gebiet im Hinterland zwischen Neretva-Mündung und Dubrovnik. Travunien – hieraus erwuchs der heutige Ortsname Trebinje – reichte von Dubrovnik bis Kotor; es war seit dem 11. Jh. dauerhaft mit dem südlich davon gelegenen Fürstentum Duklja verbunden. Duklja (lat. Dioclea) stieg im 11. Jh. neben Kroatien zur bedeutendsten Macht an der Küste auf; 1185 wurde es vom serbischen Großžupan Nemanja erobert und gehörte seitdem zum Nemanjidenreich, ohne dass dadurch die westkirchliche Prägung der Küstengebiete und ihre Einbindung in die Welt der mediterranen Stadtkultur in Frage gestellt waren.

Die Zeit Karls des Großen

Für den Raum der Adriaostküste bedeutete die Zeit Karls des Großen (768–814) eine wichtige Zäsur. Karl unterwarf 774 das Langobardenreich in Oberitalien. Nur die Lagunen von Venedig blieben einstweilen außerhalb seines Machtbereiches.

Um 788 unterstellte er das bis dahin byzantinische Istrien seiner Herrschaft. Auch hier bestand ähnlich wie in Dalmatien eine Reihe von Städten antiker Tradition, unter anderen Pula (Pola), heute bekannt durch seine Arena und den Augustustempel, und Poreč (lat. Parentium, ital. Parenzo) mit der Euphrasius-Basilika aus dem 6. Jh. Das auf einer Halbinsel gelegene Rovinj (Rovigno) erlebte seinen Aufstieg erst im Hochmittelalter, vor allem dank der Attraktivität als Pilgerstation, denn dorthin waren um 800 die Reliquien der hl. Euphemia von Chalcedon aus Konstantinopel überführt worden. Während die Westküste der Halbinsel romanisch geprägt blieb, waren die östlichen und stadtferneren Gebiete seit dem 7. Jh. slawisch besiedelt.

Pula/Istrien. Mauern der Arena aus dem 1. Jh. n. Chr.

Karls Statthalter, der dux Johannes, führte zahlreiche neue Abgaben ein und versuchte mit Hilfe der Bischöfe, die Autonomie der Städte zu beschneiden. Auf den Protest der Städte hin fand am Fluss Rižana (ital. Risano) in der Nähe von Koper im heutigen Slowenien (lat. Caput Istriae, ital. Cappodistria) 804 ein placitum, eine „Schiedsversammlung“, statt, auf der die alten Rechte wiederhergestellt wurden, darunter der unbeschränkte Fischfang und die freie Nutzung von Feldern und Weinbergen. Im placitum sind neben Pula und Poreč des Weiteren Triest, Rovinj, Labin, Buzet, Pićan, Motovun und Novigrad als Städte genannt, die dem byzantinischen Kaiser Tribut in unterschiedlicher Höhe gezahlt hatten.

Zadar/Dalmatien. Vorromanische Rundkirche St. Donatus, dahinter die Kathedrale St. Anastasia mit Glockenturm (1454; aufgestockt 1890–94)

Durch die Herrschaft über Istrien bis an die Raša grenzte das fränkische Reich nun an die Gebiete der Kroaten. Auf der Rückkehr von einem Vorstoß in diese Richtung kam Markgraf Erich von Friaul 799 in einem Hinterhalt wahrscheinlich beim ostistrischen Lovran ums Leben. Die fränkisch-kroatische Grenze in Istrien entsprach der zwischen den römischen Provinzen Histria et Italia einerseits und Dalmatia andererseits. Erst nachdem um 1100 die istrischen Markgrafen Ostistrien erobert hatten, bildete das Flüsschen Rječina zwischen der Stadt Rijeka (ital. Fiume, altertümlich deutsch St. Veit am Flaum) und der östlich davon gelegenen Burg Trsat die Grenze.

Die Eroberung des awarischen „Ringes“, der zwischen Donau und Unterlauf der Theiß gelegenen Hauptburg der Awaren, im Jahr 795 brachte eine weitere Stärkung des fränkischen Einflusses Richtung Südosten. Unabhängig von einzelnen jüngeren Nachrichten über Awaren markiert dieses Jahr das Ende des Awarenreiches als Machtfaktor.

Kroatien gelangte in fränkische Abhängigkeit; ebenso mussten die dalmatinischen Städte mit der Unterwerfung rechnen. Bischof Donatus von Zadar reiste gemeinsam mit dem Statthalter dux Paulus 805 nach Diedenhofen an der Mosel an den Hof Karls des Großen, um für die Städte zu vermitteln. Von einer Reise 807 nach Konstantinopel brachte Donatus die Gebeine der hl. Anastasia mit; sie liegen noch heute in einem kleinen Sarkophag in der Kathedrale von Zadar, die ihrerseits der hl. Anastasia geweiht ist.

Das Eindringen in den byzantinischen Herrschaftsraum war nur eine der Herausforderungen Karls gegenüber dem Byzantinischen Reich, die andere bestand in der Kaiserkrönung in Rom im Jahr 800; damit war der Alleinanspruch von Byzanz auf das römische Kaisererbe in Frage gestellt. Die Lösung des Konfliktes fand sich im Frieden von Aachen 812. Die byzantinischen Gesandten billigten Karl den Kaisertitel zu; dafür verzichtete dieser auf Dalmatien und Venedig, das er 809 unterworfen hatte.

Istrien blieb in fränkischem Besitz und wurde auf diese Weise später Teil des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation; die Landesherrschaft lag wechselnd bei den Markgrafen von Istrien, den Grafen von Görz, den Grafen von Duino und beim Patriarchen von Aquileia. Die Städte an der Westküste erkannten sukzessive seit dem Ende des 13. bis zum Anfang des 15. Jhs. die venezianische Herrschaft an. Die zentralen und östlichen Gebiete hingegen blieben durchgängig Reichsgebiet; ab 1374 gehörten sie den Habsburgern. Politisches Zentrum des Territoriums war die Burg von Pazin (ital. Pisino, dt. Mitterburg). Ebenso wie die dalmatinische Küste war Istrien in Fortsetzung der antiken Tradition kirchlich in eine Vielzahl kleiner Diözesen gegliedert.

Im Binnenland zwischen Save und Drau erfolgte nach dem Zusammenbruch der awarischen Macht im Rahmen der von Karl dem Großen errichteten Pannonischen Marken eine slawische Herrschaftsbildung, deren eines Zentrum das aus der Antike bekannte Siscia war. Nachrichten über diese Herrschaft erhalten wir im Zusammenhang mit dem erfolglosen Aufstand des Fürsten Ljudevit von der Save gegen die fränkische Herrschaft in den Jahren 819–22. Der an der Küste herrschende Fürst Borna hielt den Franken hingegen die Treue. Am Ende des 9. Jhs. erscheint Fürst Braslav als fränkischer Vasall im Binnenland; 896 erhielt er nördlich der Drau das Gebiet um den Plattensee als ostfränkisches Lehen. Doch seine Versuche, die Landnahme der Ungarn in der pannonischen Ebene aufzuhalten, blieben vergeblich.

Insgesamt war das heutige Binnenkroatien bis ans Ende des 11. Jhs. politisch offensichtlich schwach strukturiert. Weder treffen wir auf die Präsenz des Namens „kroatisch“, noch können wir eine politische Zusammengehörigkeit mit dem Küstenraum nachweisen, auf den Kroatien damals beschränkt war.

Herrschaftsbildung und Christianisierung

Die fränkische Vorherrschaft über Kroatien dauerte bis Mitte des 9. Jhs. Die Verselbständigung ist mit dem Namen des Fürsten Trpimir (um 845–vor 864) verbunden; er war zugleich der Begründer der narodna dinastija, der „nationalen Dynastie“ der Trpimirovići, die mit kleinen Unterbrechungen bis 1089 in Kroatien herrschte. Der wegen seiner Prädestinationslehre kirchlich verfolgte Benediktinermönch Gottschalk von Orbais weilte, wie er in seinen Schriften selbst erzählt, um 850 am Hof von Trpimir.

Wie sich anhand der Quellen gut veranschaulichen lässt, hielt sich Trpimir schon an den Wertekatalog eines christlichen Herrschers. Er trat als Stifter auf; in teils verfälschter Überlieferung aus dem 16. Jh. ist eine lateinisch geschriebene Stiftungsurkunde Trpimirs aus dem Jahr 854 (oder vielleicht schon 840) zugunsten der Kirche von Split erhalten; es ist die älteste Urkunde eines kroatischen Herrschers. In der Stiftung verband sich das religiöse Anliegen der Sicherung des Seelenheiles mit dem Streben nach Prestige: In der Bereitschaft zum Schenken drückte sich die Herrschaftsfähigkeit aus. – Der Name von Petrus filius domno Tripemero, „Peter, Sohn des Herrn Trpimir“, ist im Evangeliar von Cividale eingetragen; er steht in einer langen Reihe von Namen, die dort aufgrund von Stiftungen liturgisches Gedenken erhielten. Aus etwas späterer Zeit stammt der Eintrag für den kroatischen Fürsten Branimir. – Schließlich wurde zur Zeit von Trpimir in Nin (lat., ital. Nona) nordwestlich des byzantinisch beherrschten Zadar das erste Bistum auf kroatischem Territorium begründet. In diesem politischen und religiösen Zentrum Kroatiens lebte der Name der antiken Siedlung Aenona fort, ohne dass hier eine den dalmatinischen Städten vergleichbare Kontinuität urbanen Lebens gegeben war.

Nin bei Zadar/Dalmatien. Die vorromanische Kirche Sv. Križ, „Heilig Kreuz“

Die Christianisierung Kroatiens hatte schon früher – um 800, ungefähr gleichzeitig mit der des Großmährischen Reiches – begonnen und gehört damit zur frühesten Schicht der Christianisierung im östlichen Europa. Sie erfolgte aus zwei Richtungen: Zum einen war Kroatien entsprechend den politischen Bindungen zum Frankenreich Missionsgebiet des Patriarchates von Aquileia; zum anderen gelangte das Christentum über die in Ritus und Liturgiesprache ebenso westkirchlich ausgerichteten dalmatinischen Städte ins Land. Das Patronat der Kathedrale von Nin, St. Anselm, verweist auf die Bindungen nach Aquileia, ebenso Inschriften mit der Erwähnung eines Abtes Theudebert in Nin und eines Priesters Gumpert in Bijaći auf kroatischem Territorium bei Trogir.

Stichwort: Taufbecken des Višeslav

Frühes Zeugnis der Christianisierung

Als Gedächtnisort der frühmittelalterlichen Geschichte Kroatiens gilt ein Erwachsenentaufbecken, das seiner Inschrift zufolge von einem Priester Johannes „zur Zeit des Fürsten Višeslav“ gestiftet wurde. Das Taufbecken wurde 1853 in einem Kloster in Venedig gefunden. Aber allgemein wird davon ausgegangen, es habe sich bis zum Abbruch des Baptisteriums der Kathedrale in Nin 1746 dort befunden. Višeslav war demnach ein ansonsten unbekannter kroatischer Fürst aus der Zeit um 800. Das Becken wurde 1942 von Italien an den Unabhängigen Staat Kroatien gegeben und im Akademie-Gebäude in Zagreb ausgestellt. Seit 1956 befindet es sich im Museum kroatischer archäologischer Denkmäler in Split. Neuerdings hat der in Zadar tätige Kunsthistoriker Nikola Jakšić die Herkunft des Denkmals aus Nin angezweifelt, es sei wahrscheinlich in Venedig entstanden. Den Priester Johannes identifiziert er mit dem päpstlichen Legaten, der um 875 und 879 bei den kroatischen Fürsten Domagoj und Branimir war. Der Name Višeslav beziehe sich dann eher auf einen slawischen Fürsten in der südlichen Nachbarschaft Kroatiens. Auch bei dieser Neuzuschreibung behält das Taufbecken seinen Wert als frühes Zeugnis der Christianisierung an der Adriaostküste.

Die Errichtung des Bistums Nin unter Trpimir bedeutete nicht nur eine Verfestigung der kirchlichen Organisation; sie war zugleich ein Akt politischer Emanzipation. Kroatien gewann in geistlichen Angelegenheiten eine gewisse Selbständigkeit. Da es für die Priesterweihe nicht auf Hierarchen von außen angewiesen war, verminderten sich die Einflussmöglichkeiten anderer Mächte.

Nachdem der kroatische Fürst Zdeslav (878–79) eine probyzantinische Politik verfolgt hatte, lobte Papst Johannes VIII. dessen Nachfolger Fürst Branimir (ca. 879–92) in einem Brief vom 7. Juni 879 dafür, dass er der römischen Kirche treu sein wolle. Am Himmelfahrtstag, also am 21. Mai, habe er Branimir, dessen ganzem Volk und dessen ganzem Land den Segen zugesprochen. Im Geschichtsbewusstsein vieler Kroaten ist dieser Brief als der früheste Beleg für die Anerkennung kroatischer Staatlichkeit durch den Papst fest verankert.

Die Schwachstelle des Bistums Nin war seine „Zweitklassigkeit“ gegenüber den alten dalmatinischen Bistümern; deshalb ließ sich der seit 879 amtierende Niner Bischof Theodosius um 886 vom Patriarchen von Aquileia zugleich zum Erzbischof von Split weihen.

Eine dauerhafte Regelung der kirchlichen Verhältnisse erfolgte erst durch die Synoden in Split 925 und 928. Auf der ersten Synode, an der auch zwei Legaten von Papst Johannes X., der kroatische König Tomislav und Fürst Michael von Zahumlje teilnahmen, wurde die Bildung einer Rom unterstellten Kirchenprovinz beschlossen. Unabhängig von der weltlichen Zuordnung unter die byzantinische Herrschaft hatte es im Übrigen zur Zeit des auf Byzanz orientierten Fürst Zdeslav vielleicht kurzfristige Versuche gegeben, die Bistümer Dalmatiens der Jurisdiktion von Konstantinopel unterzuordnen.

Spuren der Christianisierung. Das Višeslav-Taufbecken

Bei der Frage des Metropolitansitzes für die Provinz setzte sich Bischof Gregor von Nin für seinen eigenen Sitz ein, deckte sich doch die Diözese Nin mit dem Territorium der politisch bedeutendsten Macht der Region. Dagegen sprach die fehlende Tradition des Bistums; stattdessen wurde Split nach dem Prinzip der Anciennität Metropole der Provinz und damit zugleich Erzbistum. Die dortige Kirche konnte sich sogar auf apostolische Sukzession berufen, denn der Legende nach gelangte schon ein Schüler des hl. Petrus nach Salona. Die Proteste Gregors gegen die Entscheidung der Synode waren vergeblich; stattdessen wurde er 928 sogar aufgefordert, sein Bistum Nin zu verlassen. Es blieb vakant und wurde erst Ende des 11. Jhs. erneuert.

König Tomislav

Die Herrschaftszeit von Tomislav (ca. 910–28) bedeutete einen ersten Höhepunkt kroatischer Macht. Tomislav schlug ein von Norden vorrückendes ungarisches Heer zurück und fügte den nach Kroatien eingedrungenen Truppen des bulgarischen Zaren Simeon (913–27) 926 eine schwere Niederlage zu. Der Papst bezeichnete Tomislav als rex, „König“; Konstantin Porphyrogennetos hebt die Flotten- und Heeresstärke Kroatiens in jener Zeit hervor.

Nach in Kroatien populärer Vorstellung wurde Tomislav 925 auf der Ebene von Duvno im Rahmen einer feierlichen Versammlung zum König gekrönt. Die von kroatischen Historikern des späten 19. und des 20. Jhs. zum Beleg dieses Ereignisses herangezogene Chronik des Priesters von Dioclea, der Ende des 12. Jhs. oder erst Mitte des 13. Jhs. in Bar (im heutigen Montenegro) wirkte, berichtet über die Krönung eines Königs Svetopelek auf der planities Dalmae; dieser wird nun mit Tomislav gleichgesetzt, der Ort als Duvno identifiziert. Viel eher handelt es sich bei der Chronik-Erzählung jedoch um weitestgehend freie literarische Gestaltung, in der historische Ereignisse des 9. und des späten 11. Jhs. künstlich verknüpft sind. Die Chronik erzählt außerdem, Svetopelek habe zugleich über Weißkroatien und Rotkroatien geherrscht. Ersteres Gebiet umfasste der Chronik zufolge ungefähr das historische mittelalterliche Kroatien und Zahumlje; Rotkroatien erstreckte sich über die anschließenden Küstengebiete bis nach Vlora im heutigen Albanien. Die an sich fiktive Angabe lässt in Verbindung mit anderen Quellenhinweisen darauf schließen, dass auch in diesem Raum eventuell Ansätze einer nicht weiter entfalteten kroatischen Ethnogenese zu suchen sind.

Zur Erinnerung an die Krönung Tomislavs 925 wurden in Kroatien 1925 an vielen Orten Gedenktafeln angebracht, so z. B. am Stadttor von Korčula unter dem venezianischen Löwen. König Aleksandar billigte in dem Jahr die Umbenennung von Duvno in Tomislavgrad. Nach Rückkehr zum Namen Duvno 1945 heißt die Stadt seit 1990, nach den ersten freien Wahlen, wieder Tomislavgrad.

Das bereits in der Zwischenkriegszeit geplante und angefertigte Reiterdenkmal für den König wurde 1947 auf dem nach ihm benannten Platz vor dem Zagreber Hauptbahnhof aufgestellt. Anknüpfend an die Nachricht in der schon erwähnten byzantinischen Quelle De administrando imperio, Tomislav habe dem serbischen Fürsten Zaharije vor den Bulgaren Schutz gewährt, war an der Stirnseite des Sockels eine Inschrift angebracht, der König habe die staatliche Einheit der jugoslawischen Völker vorausgeahnt. An die Stelle dieser Inschrift ist nun ein Relief des kroatischen Schachbrettwappens getreten.

Innerer Aufbau Kroatiens

Der Zentralraum des frühmittelalterlichen Kroatien lag im Dreieck Nin – Knin – Solin, zwischen der Küste und den beiden in der Nähe von Knin entspringenden Flüssen Zrmanja und Cetina. Das Herrschaftsgebiet setzte sich aus županije, Gauen, zusammen, deren Namen sich als Landschaftsbezeichnung meistenteils bis heute erhalten haben. Elf županije unterstanden direkt dem Herrscher, die drei županije nordwestlich des Flusses Zrmanja waren dem ban, dem Vertreter der königlichen Gewalt in diesem Gebiet, unterstellt. Sowohl župan als auch ban sind Bezeichnungen, die auf die Zeit der Awarenherrschaft zurückgehen. Die dauerhafte Bindung der župan