Gigantenfalle - Achim Mehnert - E-Book

Gigantenfalle E-Book

Achim Mehnert

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Beschreibung

Ren Dhark folgt der Spur der geheimnisvollen Schranke um Orn. Und während es auf Babylon, der neuen Heimat der Menschheit, zu einem offenen Bürgerkrieg zu kommen droht, stößt die Besatzung der POINT OF auf die Gigantenfalle...

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Ren Dhark

Weg ins Weltall

 

Band 35

Gigantenfalle

 

von

 

Uwe Helmut Grave

(Kapitel 1 bis 5)

 

Jan Gardemann

(Kapitel 6 bis 9)

 

Achim Mehnert

(Kapitel 10 bis 15)

 

und

 

Hajo F. Breuer

(Exposé)

Inhalt

Titelseite

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

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Impressum

Prolog

Ende des Jahres 2065 steht die Menschheit am Scheideweg: Obwohl die Erde wieder auftaut, wurden 36 Milliarden Menschen nach Babylon umgesiedelt und richten sich dort unter der Regierung Henner Trawisheims neu ein. Doch der entwickelt sich in eine Richtung, die gerade den Gutwilligen überhaupt nicht paßt…

Auf der nur noch von ein paar Millionen Menschen bewohnten Erde hat der Wächter Simon drei Personen für das neue Wächterprogramm rekrutiert: Svante Steinsvig, Arlo Guthrie und – Doris Doorn! Die INSTANZ von ARKAN-12 schickt sie nach erfolgter Umwandlung in die Milchstraße. Ihre Aufgabe: Reparatur der defekten Station ERRON-2 und Überwindung der Schranke um Orn, die Heimatgalaxis der Mysterious oder Worgun…

Genau in dieser Sterneninsel machen der ehemalige Rebell Gisol und seine Kampfgefährtin Juanita auf Epoy, dem Ursprungsplaneten der Worgun, eine erschreckende Entdeckung: Eine geheimnisvolle Macht jagt alle Mutanten und versucht, das Volk der Hohen zu einer Gemeinschaft der Dummen hinabzuzüchten. Ihr Bericht bewegt Margun und Sola dazu, einen Notruf abzustrahlen…

Zur gleichen Zeit muß Ren Dhark erkennen, daß sich vieles verändert hat in seiner Heimat: Terence Wallis macht ihm und wenigen Auserwählten das Angebot der relativen Unsterblichkeit! Und auf Babylon hat Henner Trawisheim eine Diktatur errichtet. Er läßt Ren Dhark und seine Getreuen verhaften. Als ihnen die Flucht zurück in die POINT OF gelingt, bleibt auch Dan Riker und seiner gesamten Flotte nur noch die Desertion. Von Trawisheim zu Vogelfreien erklärt, will sich das kleine Rebellenhäufchen auf Echri Ezbals neuer Forschungswelt Wischnu treffen. Doch als er den Notruf von Orn erhält, ist Ren Dhark nicht mehr zu bremsen…

Mit Hilfe des geheimnisvollen goldenen Planeten überwindet er die Schranke um Orn – und erfährt vom vergeblichen Versuch der großen Worgun Margun und Sola, den Frieden in der Galaxis mit Hilfe eines gigantischen Parakraftverstärkers wiederherzustellen. Als man das Gerät ans Laufen bringt, kommt es zu einem unvorhersehbaren Rückkopplungseffekt. Es explodiert – und mit ihm die Gigantstation ARKAN-54.

Ren Dhark findet Beweise dafür, daß die Worgun sämtliche Zyzzkt ausrotten wollen. Um diesen Massenmord zu verhindern, fliegt er Epoy an, den Zentralplaneten der Gestaltwandler. Aber er muß erkennen, daß er die Worgun nur an ihrem Tun hindern kann, wenn er Orn aus der Isolation durch die undurchdringliche Schranke rings um die Galaxis befreit. Er folgt einem vagen Hinweis und erreicht einen eigentlich unmöglichen Planeten im Neutrinojet eines Schwarzen Loches. Und endlich stößt er auf die Quelle der Schranke um Orn…

In der Milchstraße verliert die Regierung von Babylon jedes Maß, als sie den Planeten Mediter mit weit mehr als 100 Millio-nen intelligenten Bewohnern vernichten läßt. Selbst für treue Flottenoffiziere wie Roy Vegas ist das Maß voll. Es kommt zur Gründung einer Koalition derjenigen, die sich nicht länger von Henner Trawisheim herumschubsen lassen wollen…

1.

»Eine der Botschaften, die ich über UKW ausstrahlte, beinhaltete einen Code von Margun und Sola. Nachdem ich ihn ausgesandt hatte, kam die Anfrage, ob tatsächlich Ren Dhark an Bord dieses Schiffes sei – was ich selbstverständlich bestätigt habe.«

»Selbstverständlich?« Ren Dhark, der 38jährige Kommandant der POINT OF, war sichtlich verärgert. »Über derlei Selbstverständlichkeiten reden wir gleich noch, Checkmaster.«

Sein Ringraumer war in einer gewaltig großen unterirdischen Halle gelandet, innerhalb einer mächtigen Worgunstation, gegen die – wie der korpulente Ingenieur Chris Shanton respektlos angemerkt hatte – der Industriedom auf Deluge nur ein Schuppen war. In der leeren Halle stand wie verloren ein vier Meter großer Roboter, der sich über Funk als 1E-2K vorgestellt und »den Befreier von Orn« aufgefordert hatte auszusteigen – allein.

»Schluß mit der Geheimniskrämerei!« machte Dhark sowohl dem Roboter als auch seinem eigenwilligen Bordrechner klar. »Du weißt, wer Margun und Sola sind, 1E-2K, du weißt, wer ich bin, und du kennst die POINT OF. Ich hingegen weiß absolut gar nichts von dir. Komm also gefälligst an Bord, damit wir das ändern können.«

»So nicht!« erwiderte der große Roboter in der Sprache der Worgun. »Wir hatten abgemacht, daß er aussteigt.«

»Aber wenn er doch partout nicht aussteigen will«, fuhr er wie im Selbstgespräch fort. »Was schadet es, an Bord dieses Schiffes zu gehen? Ich habe vollstes Vertrauen…«

1E-2K unterbrach sich und sagte dann: »Verflucht, wir haben wieder einmal vergessen, die Sprachausgabe abzuschalten!«

Von einer Sekunde auf die andere schwieg der Viermetermetallmann. Wie festgewurzelt rührte er sich nicht von der Stelle.

»Was war das denn?« entfuhr es in der Zentrale dem Ersten Offizier Hen Falluta, der ratlos in die Bildkugel schaute.

»Sie beraten sich«, äußerte der Checkmaster eine Vermutung.

»Sie?« wiederholte Ren Dhark perplex. »Heißt das, in der Halle verbergen sich noch weitere Roboter?«

»Das ist völlig unmöglich«, vernahm er die Stimme des Ortungsoffiziers, »die hätte ich längst bemerkt.«

Bevor in der Zentrale der zur Station führende Leitstrahl eingetroffen war, hatte 1E-2K einen Funkspruch ausgesandt, den der Checkmaster abgefangen hatte, um zu prüfen, ob eventuell Geheimnisse seiner Schöpfer berührt würden. In dieser kurzen Zeit hatte er sich mit dem Roboter offenbar noch über dieses und jenes weitere ausgetauscht – Hyperkalkulatoren konnten innerhalb von Sekundenbruchteilen enorme Datenmengen hin und her schicken.

Zweifelsohne war der Checkmaster, der sowohl mit biologischen Komponenten seiner Erbauer Margun und Sola als auch mit Zellstrukturen von Ren Dhark ausgestattet war, kein gewöhnlicher Bordrechner, das war allen im Schiff nur zu gut bewußt. Dennoch war Dhark erbost über das eigenmächtige Verhalten der Maschine, die immerhin seinem Befehl unterstand.

»Ich nehme es nicht länger hin, daß du Geheimnisse vor mir hast«, verdeutlichte der Commander dem Checkmaster nachdrücklich. »Auch ohne direkte Aufforderung bist du verpflichtet, mir wichtige Informationen unverzüglich zukommen zu lassen. Im übrigen empfinde ich es als anmaßend, daß du dem Roboter ohne meine ausdrückliche Erlaubnis Auskunft über meine Anwesenheit gegeben hast. Hast du mich verstanden?«

»Ja, das habe ich«, antwortete der Rechner und fügte hinzu: »Ich bin überaus lernfähig.«

Dhark wurde das Gefühl nicht los, daß der letzte Satz mit leichtem Spott »gewürzt« war. Ebensogut hätte ihm der Checkmaster antworten können: »Die POINT OF bin immer noch ich.«

Draußen setzte sich der Roboter in Bewegung und machte Anstalten, über die ausgefahrene Rampe an Bord zu kommen. Offensichtlich hatten »sie« sich geeinigt, wer auch immer damit gemeint war.

»Na bitte, geht doch«, bemerkte Ren Dhark, der sich nicht gern von Maschinen herumschubsen ließ – und von anderen auch nicht. »Eine kleine, aber feine Delegation dürfte genügen, um unseren Besucher an der Einstiegsschleuse in Empfang zu nehmen.«

*

»Und du hast wirklich ein echtes Bewußtsein, Artus?« erkundigte sich 1E-2K auf dem Weg zur Zentrale bei seinem zweibeinigen Begleiter. »Oder handelt es sich eher um eine künstliche Intelligenz wie bei deinem kleinen Freund hier?«

»Der ›kleine Freund‹ schnappt gleich zu, wenn du weiter so abfällig über ihn redest!« blaffte Jimmy ihn an. »Natürlich verfüge auch ich über ein Bewußtsein. Ich lebe!«

»Diese interessante Behauptung läßt sich sicherlich leicht überprüfen«, meinte 1E-2K. »Ich könnte dich auseinandernehmen und gründlich untersuchen. Das Angebot gilt auch für dich, Artus.«

»Vergiß es!« erschallte es von zwei Seiten her, woraufhin 1E-2K von seiner Idee gleich wieder Abstand nahm.

Es war schon ein beeindruckendes Bild, wie die drei unterschiedlich gefertigten Roboter Seite an Seite durch den hohen Gang marschierten, der zum A-Gravschacht führte. Der Vergleich mit drei Orgelpfeifen lag nahe: groß, mittel, klein.

Ausgangspunkt für den Bau von 1E-2K war ein Standard-Robotermodell der Worgun gewesen, ein Viermeterkoloß von circa 1,2 Tonnen Gewicht, mit schlankem Metallkörper, massigen Armen und Beinen mit jeweils zwei Scharniergelenken sowie schwach humanoiden Zügen, die anstelle der Nase einen dunklen Fleck aufwiesen. Links und rechts steckten kurze Antennen mit Kugelköpfen in den nicht vorhandenen Ohren des Roboters, dessen Kopf wesentlich größer war als der eines Menschen. Anstelle der gewohnten beiden verschiedenfarbigen Augen besaß diese bisher unbekannte Version gleich drei, die alle rosa leuchteten.

Zwischen diversen Anbauten am Torso, unter denen Miniaturgeräte verborgen waren, ragten 15 zusätzliche Greifarme aus dem Metallkörper.

Der stählerne Artus war nur gut menschengroß. Mit seinen im Vergleich zum Torso dünnen röhrenförmigen Armen und Beinen wirkte der 2058 hergestellte Serienroboter mitunter etwas unbeholfen, doch er war wesentlich geschickter als er aussah – und wesentlich klüger, aufgrund der Vernetzung von 24 Cyborg-Programmgehirnen mit der eigenen Suprasensorik. Ein anmeßbarer, aber nicht näher zu analysierender Baufehler im Nanobereich eines der Gehirne hatte einst zu seiner »Erweckung des Lebens« geführt, wie er es selbst nannte. Um sich von anderen Serienmaschinen zu unterscheiden, trug er stets ein grünes Stirnband, bestickt mit dem goldenen Großbuchstaben A.

Nummer drei im Bunde war Jimmy, ein Roboterhund, der einem schwarzfelligen Scotchterrier nachempfunden war. Chris Shanton hatte ihn einst gebaut, als treuen gehorsamen Begleiter – und als Waffe, denn die ausfahrbare Zunge der harmlos wirkenden Maschine war ein getarnter Energiestrahler. Jimmy, der bis zu einem gewissen Grad zur Selbstprogrammierung befähigt war, hielt zu Shantons Leidwesen nicht viel vom Gehorchen – es gefiel ihm viel besser, sein Herrchen zu ärgern. Wirklich lebendig machte ihn diese tierisch-menschliche Verhaltensweise natürlich nicht, dennoch war er fest davon überzeugt zu leben.

Jimmys Maschinenintelligenz war hoch, kam allerdings nicht an die seines Freundes Artus heran. Artus wiederum hätte leistungsmäßig nicht mit 1E-2K mithalten können, der quasi ein lebender Hochleistungsrechner war, von der Rechenkapazität her vergleichbar mit dem Checkmaster.

Unterwegs zum »Allerheiligsten« des Schiffes tauschten sich die drei untereinander aus, teils über die Sprachausgabe, teils per Versendung von Daten per Funk, weil das schneller ging. Noch bevor sie die Zentrale erreicht hatten, kannten Artus und Jimmy die vollständige Entstehungsgeschichte von 1E-2K – die er kurz darauf Ren Dhark und allen anderen Anwesenden noch einmal erzählen mußte. Sein Bericht wurde der Einfachheit halber im ganzen Schiff übertragen.

*

Zwei Pendants kamen Ren Dhark in den Sinn, als er die komplette Lebensgeschichte von 1E-2K kannte: das Nareidum aus Drakhon – also der sogenannte Bund der Weisen Toten – und die Wächter, von denen es zur Zeit nur vier gab, die sich alle an Bord der POINT OF befanden.

Beide Vergleiche hinkten. Im Nareidum geisterten die Bewußtseine von Verstorbenen herum wie in einem unbegrenzten luftleeren Raum, in dem nur Gedanken und Erinnerungen existierten, und manchmal transferierten sie in einen Seelenchip, für dessen Transport sie einen biologischen Träger benötigten.

Das Bewußtsein eines Wächters steckte noch zu seinen Lebzeiten in einem ganz speziellen, äußerst wandelbaren Tofiritkörper. Sein biologischer Körper lagerte derweil in einer Nährflüssigkeit, so daß er ihn nach Ablauf einer knapp hundertjährigen Frist wieder besetzen konnte. Es sei denn, er zog es vor, seinen »Wächtervertrag« zu verlängern.

Hingegen waren die Worgunwissenschaftler Aril, Kolat und Purom zum Zeitpunkt ihres Ablebens mittels spezieller Technik in den Metallkörper von 1E-2K geschlüpft, ohne den sie nun nicht mehr weiterexistieren konnten. Wurde der Viermeterroboter zerstört, starben die drei auf der Stelle – ohne daß sie sich in einen Chip oder Biokörper retten konnten.

»Eure Bewußtseinsinhalte und eure psychologischen Eigenschaften leben demnach in 1E-2K weiter«, faßte Dhark zusammen. »Ihr wohnt sozusagen auf engstem Raum zusammen, und keiner kann etwas vor dem anderen verbergen. Kommt es dabei nicht ständig zu Reibereien?«

»Gelegentlich gibt es harmlose Auseinandersetzungen«, antwortete der Roboter, »aber im großen und ganzen verstehen wir uns bestens, nicht wahr… Purom? Kolat?«

»Wir geben uns Mühe, Aril«, fuhr er nach einer kurzen Sprechpause fort. »Aber mir wäre lieber, du würdest dich nicht ständig als unser Anführer aufspielen.«

»Tu ich doch gar nicht!« ging es sogleich weiter. »Ich lege mein Veto nur ein, wenn wir uns nicht einig sind.«

»Und bringst damit alles zum Stillstand, anstatt das Abstimmungsergebnis zu akzeptieren. Diese Möglichkeit haben Kolat und ich nicht, dafür hast du mit deinem technischen Kniff ja bereits im Vorfeld gesorgt.«

»Glaubt ihr denn, ich bin mit dieser Situation zufrieden? Sobald ihr euch geschlossen gegen mich stellt, kann ich meine eigenen Ideen nicht mehr durchsetzen und muß versuchen, einen von euch beiden auf meine Seite zu ziehen.«

»Danke!« unterbrach Dhark den Disput amüsiert. »Das genügt mir als Antwort.«

»Gegen die drei Streithähne sind wir zwei Hübschen ein Herz und eine Seele, was, mein Dicker?« neckte Jimmy seinen Erbauer, der sich ebenfalls in der Kommandozentrale aufhielt.

Chris Shanton grunzte nur unwirsch.

Derweil schaute sich 1E-2K wißbegierig nach allen Seiten um. Diese Zentrale sah zwar aus wie in den meisten Schiffen, doch irgend etwas schien anders zu sein, ohne daß er zu sagen vermochte, was es war. Schon auf dem Weg hierher hatte er das Gefühl gehabt, sich in keinem normalen Ringraumer zu befinden.

Anscheinend erspürte er »instinktiv« die Besonderheit des allgegenwärtigen Checkmasters, der einzigen Maschine an Bord, die mit seinen intellektuellen Fähigkeiten mithalten konnte.

»Nachdem ich euch nun über alles Auskunft erteilt habe, hätte ich ebenfalls eine Frage«, sagte der große Roboter schließlich.

»Technische Details geben wir nicht preis«, warf Ren Dhark sofort ein.

»Das ist auch nicht nötig«, entgegnete 1E-2K herablassend. »Ich kenne mit Sicherheit jedes Detail dieses Schiffes besser als du, schließlich habe ich bereits Größeres entwickelt.«

Ich kenne… wiederholte Dhark in Gedanken, … habe ich bereits Größeres…

Er mußte unwillkürlich schmunzeln. Immer dann, wenn sich die drei Roboterbewohner einig waren, agierten sie als Einheit – als Ich. Streit kam erst auf, wenn sich jeder als Individuum betrachtete und seine eigenen Ansichten durchsetzen wollte.

Mit Größeres meinte 1E-2K die DANROL, laut seinen Schilderungen der wahrscheinlich umfangreichste Ringraumer des Universums. Gerade einmal 180 Meter durchmaß die POINT OF. Die DANROL war zwanzigmal so groß: 3600 Meter bei einer Ringstärke von 700 Metern. Am Bau jenes Giganten waren 28 nach Hellhole geflüchtete Wissenschaftler beteiligt gewesen.

Damals hatte man vorgehabt, mit dem riesigen Raumfahrzeug möglichst viele Worgun aus der Knechtschaft der Zyzzkt zu retten. Aber noch vor dem ersten Aufbruch ins All, der inzwischen acht Jahre zurücklag, hatte Ren Dhark mit seinem kleineren »Schiffchen« bereits ganz Orn befreit, so daß die mit Waffen vollgestopfte DANROL nach ein paar Tagen wieder nach Hellhole alias Nomerca zurückgekehrt war.

Danach hatte man sie zu einem Forschungsraumer umgebaut, mit vielen Laboren, Werkstätten und Meßeinrichtungen. Das einstige Kampfschiff sollte nur noch friedlichen Zwecken dienen.

Wo befand sich die DANROL jetzt? Diese Frage lag Dhark als nächste auf der Zunge, doch er wollte 1E-2K erst einmal selbst Gelegenheit geben, ihn etwas zu fragen.

»Ich – Aril – erinnere mich noch gut an meine gelehrigen, leider von mir oftmals unverstandenen genialen Studenten Margun und Sola«, sagte der Viermeterroboter. »In jungen Jahren entwickelten sie viel Nützliches für unser Volk. Einige meiner späteren Erfindungen entstanden in Anlagen, die nach ihren Vorgaben gebaut worden waren. Um Zutritt zu allen Laboren und Werkstätten zu erlangen, benötigte man streng gehütete Geheimcodes – und einen dieser Codes habt ihr vorhin von der POINT OF aus an mich gesendet. Demnach besitzt ihr übergeordnete Kompetenzen.

Mittlerweile müßten Margun und Sola längst tot sein, falls sie nicht ebenfalls in einen Maschinenkörper geschlüpft sind. Zuzutrauen wäre es ihnen, ich halte mich nicht als einzigen zu einer solchen Erfindung befähigt. Weißt du, warum sie eines Tages spurlos verschwanden, Dhark? Gerüchten zufolge ließen sie in Nal bei Kriegsausbruch ihre bedeutsamste technische Schöpfung zurück. Verfügst du über nähere Informationen?«

»Heißt das, ihr drei habt noch nie von der legendären MASOL gehört?« erwiderte Ren Dhark erstaunt.

»Von wem denn?« entgegnete 1E-2K. »Schließlich leben wir schon sehr lange auf Nomerca. Weil in dieser gefährlichen Umgebung normalerweise kein Leben existieren kann, landeten hier während unseres Aufenthaltes keine Raumschiffe – mit Ausnahme der bereits erwähnten, von uns vernichteten Zyzzkt-Ringraumer und der Large mit den geflohenen 28 Worgunwissenschaftlern.«

»Man wird von euch auch nicht gerade freundlich empfangen«, bemerkte Dhark, in Anspielung auf den Intervallfeldmanipulator, einer weiteren genialen Erfindung von 1E-2K.

Im strahlungsintensiven Zentrum Orns standen die Sterne jeweils nur ein paar Lichtwochen auseinander. Mittendrin zwang die Schwerkraft eines Kollapsars alles in seine ringförmige Bahn, was sich ihm näherte. Aus der Innenseite des Ringes stürzte die Materie ins Schwarze Loch, und an den beiden Polen wurden lichtjahreweit hochenergetisch strahlende Jets ausgestoßen. Im nördlichen Jet drehte sich gemächlich ein etwa erdgroßer Planet: Nomerca! Ren Dhark hatte ihm den Namen »Hellhole« verpaßt, trotz der paradiesischen, fast unberührten Welt, die er paradoxerweise war.

Am Himmel zeichnete sich ein phantastisches Lichterspiel ab, hervorgerufen durch die energetischen Entladungen des Jets in der Meso- und Stratosphäre. Die unverstrahlte Atmosphärenhülle hatte ursprünglich in fünf Kilometern Höhe geendet. Der Dauerbetrieb der Schranke um Orn, derentwegen Dhark mit der POINT OF in diese Galaxis gekommen war, verbrauchte dermaßen viel Energie, daß jene Grenze seither auf zehn Kilometer angestiegen war.

»Die Wissenschaftler kamen viel später als ihr hierher«, sagte Dhark. »Haben sie die MASOL niemals erwähnt?«

»Ich habe nie mit ihnen über Margun und Sola geredet, dafür gab es keinen Anlaß«, antwortete Aril per 1E-2K. »Nun sag schon: Welche sensationelle Erfindung haben die beiden in Nal hinterlassen? Was verbirgt sich hinter der geheimnisvollen Bezeichnung MASOL? Ich schätze mal, das ist der Name eines Schiffes, oder? Bestimmt ist es sehr viel größer als die POINT OF. Aber kann es auch mit der enormen Größe der DANROL mithalten?«

»Wohl kaum – die POINT OF ist die MASOL.«

Im Inneren des Viermeterroboters herrschte für mehrere Augenblicke Schweigen, so verblüfft waren Aril, Kolat und Purom. Dhark nutzte die Gelegenheit, um sich nach dem Verbleib der DANROL und der 28 Wissenschaftler zu erkundigen.

»Warum sind sie nicht anwesend? Befinden sie sich auf einem Forschungsflug?«

»Ja«, bestätigte 1E-2K. »Es ist inzwischen der zweite, den nur acht Tage dauernden Jungfernflug nicht mitgezählt.«

»Schade, ich hätte sie gern kennengelernt. Viel wichtiger ist allerdings, umgehend die Schranke um Orn zu deaktivieren, damit Raumschiffe ungehindert in diese Galaxis einfliegen und sie jederzeit wieder verlassen können. Du hast die Schranke gebaut, damit sich die Zyzzkt nicht über andere Galaxien ausbreiten können, 1E-2K. Diese Gefahr besteht nun nicht mehr – also schalte das gigantische Hindernis ab. Für immer.«

»Das würde ich auf der Stelle tun – wenn ich es denn könnte. Leider habe ich keine Kontrolle mehr darüber… falls ich sie überhaupt jemals hatte. Die immensen energetischen Kräfte, die ich entfesselte, entzogen sich schon bald meiner Macht.«

In der Zentrale gab es viele enttäuschte Gesichter. Eben noch hatten alle geglaubt, am Ziel ihrer Reise angelangt zu sein. Manch einer hatte sich in Gedanken bereits in der heimatlichen Milchstraße gesehen, die von den Worgun Nal genannt wurde. Und nun sollte die Rückkehr dorthin unmöglich sein, weil der Erbauer der unsichtbaren Schranke nicht in der Lage war, seiner eigenen Erfindung den Energiesaft abzudrehen?

*

Das Körpergewicht eines erwachsenen Zyzzkt lag bei durchschnittlich 50 Kilogramm, bei einer Größe von 1,50 Metern. Geschlechtsunterschiede hatten bei den Insektoiden, die wie aufrechtgehende Bockkäfer daherkamen, keinerlei Auswirkungen auf ihre Mentalität oder Konstitution – nichtsdestotrotz paarten sie sich, und die Weibchen legten mehrere Dutzend Eier pro Jahr.

Das Zyzzktweibchen Xrssk war unter abenteuerlichen Umständen an Bord der POINT OF gekommen und hatte dort 35 kleine »Käfer« zur Welt gebracht. Ihren Erstgeborenen hatte sie auf den Namen Dhrk getauft, zu Ehren ihres Lebensretters Dhark (den Selbstlaut konnte sie nicht aussprechen). Dhrk sah in Dhark wohl eine Art Ersatz des männlichen Elternteils, zumindest nannte er den Commander »Krrkrrk«, was soviel wie »Vater« bedeutete.

Da sich Insekten grundsätzlich schneller entwickelten als die meisten biologischen Lebewesen, waren die Krabbler, die anfangs kaum aus den Augen gucken konnten, innerhalb der vergangenen sechs Monate zu Kindern herangewachsen. Vom Verstand her waren sie vergleichbar mit fünfjährigen Menschen, sie konnten also gehen und sprechen.

Für die anderen an Bord hörten sich die kindlichen Insektengespräche wie mit Knackgeräuschen untermalte Verständigungslaute von Küchenschaben an. Man hörte es schon von weitem klickern, wenn sie miteinander plapperten.

Als zwei menschliche weibliche Besatzungsmitglieder drei Zyzzktkinder dabei beobachteten, wie sie spielend durchs Schiff streiften, bemerkte eine der Frauen schaudernd: »Stell dir mal vor, unser heimisches Ungeziefer wäre so groß – ich würde sofort meinen Heimatplaneten verlassen.«

»Das hast du doch schon«, entgegnete die andere Frau trocken. »Die meiste Zeit über wohnen wir in der POINT OF, abgesehen von ein paar Ausflügen auf fremde Planeten, wo manche Schädlinge noch sehr viel größer sind.«

Schädlinge – für diesen Ausdruck in Bezug auf die in seiner Obhut befindlichen Zyzzkt hätte ihr der Commander den nächsten Landurlaub gestrichen. Doch Ren Dhark war in der Zentrale zu sehr beschäftigt, als daß er sich um jeden vorlauten Angestellten hätte kümmern können.

Außer den Menschen, drei Worgun und den vier Wächtern befanden sich haufenweise Nomaden im Schiff, sowohl männliche als auch weibliche. Deren Rudelführer Pakk Raff hielt sich derzeit ebenfalls in der Zentrale auf, gemeinsam mit seinem unterwürfigen, aber cleveren Berater Priff Dozz. Beide interessierten sich sehr für 1E-2K und alles, was er zu erzählen hatte.

Die durchschnittlich zwei Meter großen Canoiden ähnelten aufrechtgehenden Dobermännern mit schwarzer Haut. Weil bei den Nomaden vier weibliche auf einen männlichen kamen (nicht nur statistisch), lebten sie überwiegend in Vielehen, mit einem Mann als Oberhaupt des Harems.

Bei dem Zyzzktkindertrio, das abenteuerhungrig durch die POINT OF schlich, fiel die Frauenquote deutlich ungünstiger aus: zwei Jungen und ein Mädchen. Ihr Anführer war Dhrk, der älteste aller an Bord Geschlüpften, und ihr selbstgewählter Auftrag war die Überwachung der bösen Schwarzen, die sicherlich nichts Gutes im Sinn hatten.

Leider gab es da ein Problem: Die kleinen Zyzzkt hatten enormen Respekt vor den nahezu übermächtig wirkenden Nomaden.

»Wie können wir sie überwachen, wenn wir ihnen dauernd ausweichen, sobald sie irgendwo auftauchen?« fragte Gnpfz seinen großen Bruder mit leichtem Vorwurf, und seine Schwester Mgrt fügte hinzu: »Wenigstens einen bösen Schwarzen sollten wir verfolgen und genauestens beobachten. Vielleicht können wir auf diese Weise eine Verschwörung aufdecken.«

»Das ist auch mein Plan«, behauptete Dhrk. »Unsere Ausweichmanöver sind lediglich Teil einer ausgeklügelten Strategie. Wir wiegen unsere Gegner in Sicherheit – dann schlagen wir zu.«

Seiner Ausdrucksweise war zu entnehmen, daß er den Nomaden und Menschen an Bord nicht zum erstenmal nachspionierte. Insbesondere die Soldaten hatten es ihm angetan.

»Den nächsten Schwarzen, der dort drüben um die Ecke biegt, verfolgen wir in sicherer Entfernung«, ordnete Dhrk an und deutete mit seiner Greifklaue auf einen abknickenden Durchgangstunnel.

Seine beiden Begleiter, die sich allmählich zu langweilen begannen, waren begeistert. Endlich berücksichtigte der »Bandenboß« ihre Ratschläge, was selten genug vorkam, denn Dhrk wußte immer sehr genau, was er wollte.

Zunächst betrat nur ein Terraner den Gang und ging vorüber, ohne die drei Zyzzktkinder zu beachten. Der war zwar schwarz im Gesicht, aber halt kein böser Schwarzer – daher kam Manu Tschobe ungeschoren davon. Menschen galten in ihrem Spiel als Freunde, vor denen sie nichts zu befürchten hatten. Echt gefährlich waren nur die Karrorr, wie sich die Nomaden selbst nannten.

Nach einer kurzen Wartezeit näherte sich endlich ein Nomade – besser gesagt: eine Nomadin, wie an ihren unverkennbaren weiblichen Rundungen zu ersehen war. Sie hatte ein Schlaginstrument bei sich, was sie noch gefährlicher wirken ließ. Zwar versuchte sie, ihre Waffe zu verbergen, doch den erfahrenen Zyzzktdetektiven entging nichts.

»Hinterher«, flüsterte Dhrk. »Dieses schwarze Ungeheuer plant irgend etwas Übles, das spüre ich.«

Unbemerkt nahmen die Zyzzkt die Verfolgung der Nomadenfrau auf, die sich über Griffleitern auf ein Lagerdeck begab. Allein schon das machte sie nach Dhrks Ansicht äußerst verdächtig. Warum benutzte sie nicht die praktischen Schwebeschächte, wie all die anderen Kletterfaulen? Wollte sie nicht gesehen werden?

Was hatte sie zu verbergen?

Wenig später verschwand die Zielperson in einem Lagerraum, so entlegen, daß er sicherlich kaum benutzt wurde, wie Dhrk mit seinem kindlichen Verstand treffend schlußfolgerte. Er wartete eine Weile, dann folgte die Dreiertruppe der Nomadin leise und unauffällig.

Was die Insektoidenkinder hinter der Tür zu sehen bekamen, erschreckte sie bis unter ihren noch nicht vollständig ausgehärteten, stetig mitwachsenden Chitinpanzer: Die böse Schwarze legte einen Menschen in Ketten, der dort anscheinend gefangengehalten wurde. Dann hob sie ihre Schlagwaffe und prügelte auf ihn ein.

»Wir müssen eingreifen«, zischelte Mgrt, »sonst schlägt sie ihn tot.«

»Ja, stürzen wir uns auf sie!« meinte Gnpfz. »Immerhin sind wir zu dritt.«

Dhrk konnte das Kräfteverhältnis besser einschätzen. »Trotz unserer Überzahl haben wir keine Chance gegen die schwarze Riesin. Wir brauchen Verstärkung. Am besten, wir laufen in die Zentrale und benachrichtigen meinen Krrkrrk. Er muß unbedingt erfahren, daß die Schwarzen planen, das Schiff zu erobern.«

Ohne eine Erwiderung abzuwarten eilte Dhrk hinaus. Mgrt und Gnpfz liefen ihm nach.

Schon auf dem Zugang zur Lagerhalle wurden sie gestoppt. Der größte und stärkste aller bösen Schwarzen versperrte ihnen den Weg, packte sie und hob sie hoch. Obwohl alle drei heftig strampelten und so fest auf ihn einschlugen, wie sie konnten, ließ er sie nicht los.

Das Monstrum zog die Lippen hoch und legte seine scharfen Zähne frei. Wollte es sie fressen?

*

Einige Zeit zuvor

 

Bei ihrer ersten Begegnung in der Galaxis Drakhon waren Menschen und Nomaden Todfeinde gewesen – inzwischen waren sie Verbündete, eigentlich schon Freunde. An Bord der POINT OF befanden sich derzeit 50 männliche Nomaden unterschiedlichen Alters sowie 140 junge Nomadinnen. Letztere sollten von ersteren ausgebildet werden, wobei sich die sabbergeilen Hundskerle natürlich so einiges mehr von ihren Schützlingen erhofften.

Zum Leidwesen der Männer nahmen die meisten Frauen ihre Ausbildung jedoch sehr ernst und ließen sich auf keinerlei Techtelmechtel ein.

Rudelführer Pakk Raff liebte es ganz und gar nicht, wenn ein Plan nicht funktionierte, hatte er es doch auf die schöne Wumm Woll abgesehen. Seiner Meinung nach paßten sie ausgezeichnet zusammen, immerhin war er der ansehnlichste und tapferste aller Nomadenmänner, und sie war eine Schönheit sondergleichen – vielleicht ein bißchen jung für ihn, aber das glich er durch Ansehen, Rang, Kraft und Potenz problemlos aus.

Leider fühlte sich die schöne Wumm unbegreiflicherweise zu einem menschlichen Besatzungsmitglied hingezogen. Der dreiundzwanzigjährige Steve Hawker, ein desertierter Exfähnrich der Terranischen Flotte, hatte es ihr angetan, denn der beinharte Kämpfer verhielt sich ihr gegenüber so unterwürfig wie zu früheren Zeiten eine Nomadin gegenüber ihrem Haremsführer. Dieses umgekehrte Rollenspiel gefiel ihr.

»Herrin« Wumm zeigte ihrem »Sklaven« Steve, wo es langging – ein erotisches Spiel, das beide sehr genossen, obwohl ihnen durchaus bewußt war, daß sie niemals in einer echten, völkerübergreifenden Liebesbeziehung zusammenkommen würden. Sie wollten ihren Spaß, mehr nicht. Etliche Besatzungsmitglieder, Menschen und Nomaden, fanden diese Beziehung überaus befremdlich, sogar pervers.

Nur aus Rücksicht auf die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Völkern verzichtete Pakk Raff darauf, Hawker mit den Zähnen in kleine Stücke zu zerreißen. Schon die pure Vorstellung, wie es Wumm Woll und der Deserteur miteinander trieben, brachte seinen Zorn immer wieder aufs neue zum Lodern.

Die Schilderung von 1E-2K lenkte seine Gedanken in eine andere Richtung.

»Die Schranke von Orn hat sich bestimmt nicht von selbst deinem Zugriff entzogen«, sagte Pakk Raff zu dem großen Roboter. »Jemand anders kontrolliert sie, richtig?«

»Richtig«, bestätigte 1E-2K. »Und um deiner nächsten Frage zuvorzukommen: Nein, ich weiß nicht, wer der Verantwortliche ist. Irgendeine fremde Macht hat die Kontrolle übernommen.«

»Ist euch schon einmal aufgefallen, daß es in unseren Abenteuern entschieden zu viele fremde Mächte gibt?« warf Jimmy ein. »Kaum wurde eine besiegt, erscheint die nächste auf der Bildfläche.«

»Danke für diesen konstruktiven Beitrag«, merkte Shanton sarkastisch an und wandte sich der Viermetermaschine zu. »Ich schlage vor, du erzählst uns, was nach dem Bau der Energieschranke geschehen ist, damit wir das Ganze besser verstehen. Mich persönlich würden vor allem die technischen Details interessieren.«

»Mit den technisch-wissenschaftlichen Aspekten befassen wir uns zu einem späteren Zeitpunkt«, entschied Ren Dhark. »Beschränke dich bitte auf das Wesentliche.«

»Viel Wissenschaftliches gäbe es ohnehin nicht zu berichten«, erwiderte 1E-2K. »Die Schranke ist nichts weiter als ein Impulsfeld, das entlang der Feldlinien des galaktischen Magnetfelds rings um Orn gelegt wurde und mit der Steuerung von Raumschiffsantrieben interagiert, um sie außer Betrieb zu setzen. Die reibungslose Funktion wurde natürlich überprüft. Zu diesem Zweck brach die DANROL zu ihrem ersten Forschungsflug auf.«

Mit diesen Worten begann er seine Erzählung…

*

Nachdenklich verließ Pakk Raff die Zentrale, allein, ohne seinen Berater. Die Schilderung von 1E-2K verhieß nichts Gutes. Offensichtlich bekamen sie es mit einem starken Gegner zu tun.

Ihm kam der Einwurf des vorlauten Roboterhundes in den Sinn. Die häßliche vierbeinige Maschine hatte leider recht: Kaum hatte man den einen Feind besiegt, tauchte auch schon ein neuer am Horizont auf.

Aber handelte es sich wirklich um einen neuen Gegner? Oder waren sie im Begriff, sich mit jemandem anzulegen, der ihnen schon länger wie eine Laus im nicht vorhandenen Pelz saß?

Ein bißchen fühlte sich Pakk Raff als Teammitglied der POINT-OF-Besatzung, kein Wunder, angesichts der Kämpfe, die Menschen und Nomaden inzwischen Seite an Seite ausgefochten hatten. Dabei hatte er ursprünglich vorgehabt, Ren Dhark bei passender Gelegenheit zu beseitigen. Doch lang, lang war’s her…

Der Anblick von Wumm Woll, die in einiger Entfernung in einen Gang einbog, brachte ihn schlagartig in die Gegenwart zurück. Sie hatte dienstfrei und hielt unauffällig eine zusammengefaltete Peitsche in der Pfote. Auch ohne viel Phantasie konnte er sich denken, wohin sie unterwegs war.

»Seltsam, dieser Tunnel führt doch gar nicht zu Hawkers Kabine«, murmelte der Rudelführer und folgte ihr.

Manchmal, wenn Steves Unterkunft nicht frei war – seinem Mitbewohner Charlie Parker stand es gleichermaßen zu, dort Freunde zu empfangen –, traf sich das ungleiche Paar an wechselnden Plätzen, wo sich beide ungestört glaubten. Pakk Raff hatte seiner Untergebenen strikt untersagt, ihrer Neigung außerhalb von Hawkers Kabine nachzugehen, damit man sie nicht zufällig in flagranti ertappte.

»Im Schiff weiß sowieso fast jeder über Steve und mich Bescheid«, hatte sie ihm keck geantwortet. »Ich weiß manchmal nicht, wer geschwätziger ist: die Menschen oder wir Karrorr.«

Dennoch hatte sie ihm fest versprochen, Hawker ausschließlich in dessen Unterkunft zu treffen. Aber wieviel war das Versprechen einer läufigen Hündin wert?

Kaum mehr als das Ehrenwort eines geilen Hundes, wie Pakk Raff nunmehr feststellen mußte. Wumm verschwand in einem Lagerraum – unter den neugierigen Blicken von drei Zyzzktkindern, die ihr seit geraumer Weile nachschlichen und schließlich ebenfalls den Lagerraum betraten.

Geduldig wollte der muskulöse Nomade warten, bis die drei wieder herauskamen. Falls sich hinter dieser schalldichten Stahltür tatsächlich das abspielte, was er vermutete, bekamen die Kleinen gleich den ersten richtigen Schock ihres Lebens.

Pakk Raff behielt recht. Kurz darauf stürmten die drei Abenteuersuchenden nach draußen und liefen ihm direkt in die Arme. Er packte zu und hob sie hoch. Sie klickten und klackten geräuschvoll und zappelten kräftig.

Wie soll ich ihnen das nur erklären? dachte er.

Eine andere Frage erschien ihm noch viel wichtiger: Wie konnte er diesen peinlichen Vorfall vor dem Commander geheimhalten? Er schämte sich vor Ren Dhark für Wolls Perversität. Karrorr taten so etwas nicht. Offensichtlich war Wumm Woll total aus der Art geschlagen.

*

In Pakk Raffs Kabine beruhigten sich die drei Kleinen allmählich wieder. Der Anführer der bösen Schwarzen schien gar nicht so böse zu sein – immerhin reichte er ihnen Honig zum Schleckern, den sie als Insektenabkömmlinge besonders gern hatten.

»Wie schon gesagt: Die beiden haben ein Abenteuerspiel veranstaltet«, erläuterte Raff seinen Besuchern, mit denen er unter sich war. »Der Mann hat sich von der Frau freiwillig in Ketten legen lassen, weil… weil er einen feindlichen Spion spielt, der von einer Verhörspezialistin geschlagen wird. Natürlich hat sie nicht wirklich fest zugehauen.«

»Sah aber wie echt aus«, meinte Mgrt, und Gnpfz sagte: »Man konnte fast Angst bekommen – also die anderen, nicht ich.«

»Das Wort Angst kenne ich nur vom Hörensagen«, stellte Dhrk klar – ein heroisch klingender Satz, den der Nachwuchsbeauftragte Artus in einer seiner spannenden Gute-Nacht-Geschichten verwendet hatte.

Ihre Unterhaltung wurde von einem Translator, der genauestens auf die Knacklaute der Zyzzkt ausgerichtet war, übersetzt. Die kugelförmige, nicht sonderlich große Maschine stand vor den Kindern auf dem Tisch, unmittelbar neben einem großen Honigglas, das Raff aus seinem eigenen Vorrat spendiert hatte, denn auch er, eigentlich ein gestandener Fleischliebhaber, mochte dieses süße, klebrige Zeug aufgrund seiner Naturbelassenheit.

»Wenn das nur ein Spiel war, warum dürfen wir dann unser Erlebnis nicht weitererzählen?« wollte Dhrk wissen.

Unverkennbar war er der Klügste des Trios, wie Pakk Raff anerkennend feststellte.

»Wenn Erwachsene spielen, wirkt das auf andere Erwachsene irgendwie… albern«, suchte er verzweifelt nach einer logischen Begründung. »Die beiden schämen sich, weil ihr sie beim Spielen erwischt habt, versteht ihr? Natürlich versteht ihr das, schließlich seid ihr selbst fast erwachsen.«

Mit diesem Satz erreichte man bei Kindern jedweder Spezies normalerweise alles, was man wollte. Pakk Raff setzte noch eins obendrauf, indem er die drei Naschkäfer im nachfolgenden als »zwei Männer und eine Frau« bezeichnete. Damit schmierte er ihnen zusätzlich Honig ums Maul.

Dhrk durchschaute ihn. Offenbar legte der Schwarzenanführer größten Wert auf die Wahrung des Geheimnisses. Mit kindlicher Raffinesse nutzte Dhrk diesen Umstand aus, indem er ein zusätzliches Glas Honig forderte.

»Für jeden von uns dreien!« betonte er. »Dann halten wir dicht, versprochen.«

Der Nomade grinste breit, was ziemlich furchteinflößend aussah. »Du gefällst mir, mein Junge. Selbstverständlich bekommt ihr den Honig – meine drei letzten Gläser, die nicht gerade wenig gekostet haben.«

Doch sein Versuch, bei den Kindern Mitleid zu erwecken, scheiterte. Dhrk blieb hart. Auch das gefiel dem Rudelführer. Dieser Bursche würde es einmal sehr weit bringen.

Raff beabsichtigte, Ren Dhark nahezulegen, die Zyzzktfrischlinge künftig mehr zu fördern – insbesondere aber diesen einen. Die Kinder waren es wert, sie beschwerten sich ja nicht einmal über die leicht erhöhte Schwerkraft in seiner Kabine, obwohl es ihnen sicherlich komisch vorkam, daß sie hier nicht ganz so flink flitzen konnten wie auf den Gängen.

Nachdem die drei seine Unterkunft mit ihrer Beute verlassen hatten, begab sich Pakk Raff unverzüglich zu dem betreffenden Lagerraum. Dort riß er Wumm Woll und Steve Hawker brutal aus ihrem »Abenteuerspiel« und stauchte sie ordentlich zusammen. Beide schlichen zu ihren Unterkünften wie geprügelte Hunde.

Danach fühlte sich der Rudelführer wohler. In seiner Unterkunft machte er es sich bequem, öffnete ein frisches Glas Honig und ließ die ausführliche Erzählung von 1E-2K in seinen Gedanken noch einmal Revue passieren…

2.

Mit Sublichteffekt, also unterlichtschnell und somit überaus »langsam«, näherte sich die DANROL der von Nomerca aus gesteuerten Energieschranke. Es war der erste Forschungsflug des komplett umgebauten ehemaligen Kampfschiffes, und die Mission diente nur einem einzigen Zweck: zu prüfen, ob es wirklich keine Möglichkeit gab, die unsichtbare Sperre zu überwinden.

»Umschalten auf Überlichtantrieb«, ordnete Subbeck an.

Die Wissenschaftler an Bord der DANROL waren alle Worgun und alle gleichgestellt – sprich: Es gab keinen wirklichen Kommandanten unter ihnen. Weil aber irgendwer das Sagen haben mußte, damit der Auftrag reibungslos durchgeführt werden konnte, hatte man den Physiker Subbeck, den Chemiker Frebus, den Biologen Glenga und den Ingenieur Meska kurzerhand zu Projektleitern ernannt, und die vier wiederum hatten Subbeck zu ihrem Wortführer auserkoren.

Die Wahl des Quartetts war eher willkürlich erfolgt, denn von den 28 hochbegabten Forschern wäre selbstverständlich jeder einzelne befähigt gewesen, die Leitung zu übernehmen. Allerdings hatten die meisten keine Lust dazu, weil sie lieber wichtige Experimente durchführten, statt sich auf lästige Führungsaufgaben zu konzentrieren; sie waren halt nicht dumm.

»Umschalten auf Überlichtantrieb«, befahl Subbeck dem Bordrechner erneut.

Wie schon bei den Tests zuvor weigerte sich die Technik des Riesenringraumers, den Übergang von unter- auf überlichtschnelle Geschwindigkeit auszuführen. Die DANROL schlich regelrecht auf die Schranke zu und würde eine halbe Ewigkeit brauchen, um sie zu erreichen.

»Sollten wir nicht endlich damit aufhören und statt dessen eine Transition einleiten?« fragte Frebus ungeduldig.

Etwa die Hälfte der Wissenschaftler hielt sich in der riesigen Zentrale auf, um die Vorgänge zu beobachten, die andere Hälfte befand sich in den hochmodern ausgerüsteten Labors und Werkstätten, um Erfolge und Mißerfolge von dort aus zu verfolgen oder einfach nur, um Beschäftigungen nachzugehen, die ihrer Meinung nach bedeutsamer waren. In den Köpfen dieser Männer gab es nie wirklich Stillstand, sie waren ständig dabei, irgend etwas auszutüfteln.

Jeder an Bord behielt seine amöbenähnliche Gestalt bei, mit verschiedenen Auswüchsen, je nachdem, womit man sich gerade beschäftigte.

Manch einer benötigte zusätzliche Tentakel, ein anderer noch ein weiteres Auge auf dem Rücken, oder jemand formte Taschen für seine Instrumente und Werkzeuge. Gestalten fremder Völker anzunehmen oder irgendwelche Phantasiefiguren zu erschaffen, empfanden diese 28 Worgun als albernen Firlefanz, der sie nur unnötig von ernsthafter Arbeit abhielt.

Subbeck entsprach Frebus’ Anregung und leitete eine Transition ein, hinaus aus Orn, auf die andere Seite der Schranke…

… was aber nicht funktionierte. Alle notwendigen Geräte wurden blockiert, kaum daß sie aktiviert wurden. Zurück in die Tiefen der Galaxis konnte man jederzeit transitieren, aber man kam nicht weg aus Orn. Aufgrund der kolossalen Schiffsgröße maß man bei jedem vergeblichen Transitionsversuch lediglich einige leichte Erschütterungen an, die abgesehen von den Skalenanzeigen der Meßgeräte nichts weiter bewegten. Die DANROL blieb, wo sie war.

Weitere Versuche mit Kurz- oder Langstreckentransitionen sowie sonstige Flugmanöver, bei denen sich die DANROL als erstaunlich wendig erwies, verliefen ebenfalls erfolglos.

Weniger technisch versierte Leute hätten wohl von einem unheimlichen Phänomen gesprochen. Subbeck, Frebus und die anderen betrachteten das Ganze eher als wissenschaftliche Herausforderung.

»Sonderlich schwierig dürfte es nicht sein, das Rätsel der Schranke zu lösen«, merkte Glenga selbstsicher an. »Wir wissen schließlich, wie sie aufgebaut ist und worauf wir uns konzentrieren müssen.«

»Wäre das nicht eine herrliche Gemeinschaftsaufgabe für uns alle?« überlegte Meska laut. »Jeder sucht für sich nach einer Lösung. Anschließend vergleichen wir unsere Ideen und verwerfen sie entweder gleich wieder oder probieren das eine oder das andere aus. Letztendlich wird es uns allen zusammen gelingen, dieses Hindernis zu überwinden.«

»Ein Versagen schließt du offenbar von vornherein aus«, entgegnete Subbeck amüsiert.

»Diesen Begriff kenne ich gar nicht«, erwiderte Meska. »Wir sind Kapazitäten auf unseren jeweiligen Wissensgebieten. Außerdem steuern wir das außergewöhnlichste Schiff der ganzen Galaxis. Damit müssen wir einfach Erfolg haben, sonst könnten wir den Kahn ja gleich verschrotten – mitsamt der kompletten, unfähigen Besatzung.«

»Damit meinst du hoffentlich nur die vielen Roboter, die das Schiff in Betrieb halten«, sagte Frebus. »Ich halte mich nämlich ganz und gar nicht für unfähig.«

»Dann beweise uns, wie fähig du bist!« stachelte Glenga ihn an. »Bring dich mit Leib und Seele in das Projekt ein.«

Nicht nur in der Zentrale signalisierten alle ihre Zustimmung, auch auf den übrigen Decks zeigte man sich begeistert. Jeder legte seine aktuelle Tätigkeit vorerst auf Eis, um sich der neuen Aufgabe zu widmen, die da lautete:

Ab durch die Schranke!

*

Bereits fünf Tage später konnte die Besatzung der DANROL ein passables Ergebnis vorweisen. Man hatte neue Apparaturen gebaut beziehungsweise durch Roboter bauen lassen, vorhandene Geräte neu justiert und eine spezielle Abschirmung entwickelt, um die Auswirkungen der unsichtbaren Schranke zu neutralisieren.

»Fast alle Simulationstests sind positiv verlaufen«, verkündete Subbeck voller Stolz. »Jetzt muß sich unsere Gemeinschaftsarbeit nur noch in der Praxis bewähren.«

»Das wird sie, davon bin ich fest überzeugt«, sagte Glenga. »Ich kann es kaum erwarten, die Luft auf der anderen Seite der Schranke zu atmen.«

Mit dieser Bemerkung erntete er tatsächlich ein paar Lacher bei seinen ansonsten eher humorlosen Kollegen.

Dann ging es endlich los. Alle 28 Forscher besetzten ihre Positionen. Die Anlage zur Überwindung der Schranke wurde in Betrieb genommen, man führte spezielle Schaltungen durch und überwachte penibel jeden technischen Vorgang.

»Irgend etwas stimmt hier nicht!« schallte plötzlich die Stimme des Ortungs- und Funkspezialisten Joggl durchs Schiff. »Ich bekomme seltsame erratische Meßwerte herein. Die Schranke… kollabiert?«

»Aktion abbrechen!« befahl Subbeck. »Wir wollen das energetische Hindernis bezwingen, es aber nicht zum Zusammenbruch bringen.«

Meska war gegen den Abbruch. »Wir stehen kurz vor dem Erfolg, den dürfen wir nicht durch unbedachte Handlungen gefährden. Bist du dir wirklich sicher, daß die Schranke im Begriff ist zu kollabieren, Joggl?«

»Nein«, antwortete der Gefragte, der hektisch an seinen Instrumenten hantierte. »Mittlerweile scheint das Gegenteil der Fall zu sein: Die Schranke… wie soll ich es nur ausdrücken? Sie festigt sich, sie wird stärker und undurchdringlicher.«

»Ein Grund mehr, jetzt und hier den Durchbruch zu riskieren«, meinte Ingenieur Meska. »Vielleicht ist das unsere letzte Gelegenheit rüberzumachen.«

»Und dann?« erwiderte Subbeck. »Womöglich kommen wir nie mehr nach Orn zurück.«

Joggl teilte diese Sorge. »Von drüben aus könnten wir nicht einmal einen Notruf absetzen, da die Schranke jedweden Funkverkehr blockiert.«

Erneut ordnete Subbeck den Abbruch an, und diesmal widersprach ihm niemand in der Zentrale. Alle erforderlichen Gerätschaften wurden heruntergefahren.

Derweil geriet Joggl immer mehr in Hektik. Er legte die eingehenden, sich fortwährend verändernden Meßwerte auf die Kontrollpulte seiner Kollegen, so daß jeder an Bord mitverfolgen konnte, was sich draußen im Weltall abspielte.

Die Schranke um Orn schien sich in ihrer Struktur selbsttätig umzuformen – es war nichts mehr, wie es gewesen war. Nicht einmal die DANROL wäre jetzt noch in der Lage gewesen, durchzubrechen.

Zudem sandte die Schranke sporadisch Energiewellen aus, die sich von den brillanten Forschern nicht so ohne weiteres analysieren und zuordnen ließen.

»Dranbleiben!« spornte Subbeck die anderen an. »Wir bekommen schon noch heraus, was es damit auf sich hat. Schließlich sind wir Wissenschaftler!«

*

Der Biologe Glenga äußerte nach circa 24 Stunden als erster eine vage Vermutung. »Ich befürchte, die Schranke sendet eine unbekannte Strahlungskomponente aus, die sich ungünstig auf die Gehirnströme biologischer Lebewesen auswirkt.«

Ein paar weitere Wissenschaftler zogen ähnliche Schlüsse, sahen sich aber ebenfalls außerstande, logische Gründe für ihre Mutmaßungen anzuführen. Die schwankenden Meßwerte, die sich nur ganz allmählich zu verfestigen begannen, waren noch viel zu ungenau.

»Spürt einer von euch etwas Ungewöhnliches?« erkundigte sich Subbeck in Bezug auf Glengas These besorgt.

Alle verneinten, jeder fühlte sich geistig so gesund wie vorher. Doch konnte man selbst seinen eigenen Geisteszustand überhaupt objektiv einschätzen?

»Wahrscheinlich schützt uns das Intervallfeld vor der merkwürdigen Strahlung«, schätzte Frebus. »Demnach ist man in Raumschiffen mit eingeschaltetem Schutzschirm relativ sicher. Na ja, ist nur eine Vermutung, die noch zu beweisen wäre.«

»Im Zentrum von Orn mit seinen kolossalen Strahlungswerten müßte man ebenfalls sicher sein«, sagte Joggl. »Im Jet des Schwarzen Lochs ist Nomerca geradezu perfekt geschützt. Leider torpediert die Neutrinostrahlung auch eingehende Funksprüche, sonst könnten wir uns mit 1E-2K beraten.«

»Na, dann beraten wir uns halt untereinander«, schlug einer der Wissenschaftler freimütig vor. »Was haltet ihr davon, wenn wir, sobald unsere hiesigen Untersuchungen abgeschlossen sind, nach Epoy aufbrechen und uns dort unter die Bevölkerung mischen? Vielleicht bekommen wir heraus, welche Auswirkungen die Strahlung auf die Hirne unserer Artgenossen hat.«

Epoy!

Dieses Wort löste bei allen an Bord Emotionen aus, waren sie doch einst von diesem Planeten aus der Knechtschaft der Zyzzkt geflohen.

Inzwischen hatten die Worgun ihre Heimat zurückerobert, den Flüchtlingen drohte also keine Gefahr mehr. Trotzdem sprachen sich ein paar der Forscher gegen die Rückkehr aus.

»Mal angenommen, die Strahlung der Schranke hat Epoy mittlerweile erreicht«, sagte Meska. »Dann wären wir ihr ungeschützt ausgesetzt, sobald wir aussteigen.«

»Von Aussteigen war gar keine Rede«, entgegnete der Wissenschaftler, der den Epoy-Vorschlag zur Diskussion gestellt hatte. »Wir nähern uns dem Planeten unter vollem Tarnschutz, und sobald wir nahe genug heran sind, schwärmen wir mit ein paar kleineren Beibooten aus, die ja ebenfalls von Intervallfeldern umgeben und getarnt sind. Eine Entdeckung wäre somit nahezu ausgeschlossen, doch selbst wenn jemand zufällig ein vorüberfliegendes Boot am Himmel erblickt, wird er dem keine besondere Bedeutung zumessen. Aus dem Schutz des Kela heraus beobachten wir die Leute auf den Straßen und Plätzen und zeichnen alles auf, was uns anomal erscheint.«

»Gute Idee!« fand Glenga. »Auf dem Rückweg ins Zentrum könnten wir den einen oder anderen Umweg in Kauf nehmen, um noch weitere Völker auszuspionieren.«

»Wir sind Beobachter, keine Spione«, stellte Subbeck klar. »Ansonsten bin auch ich dafür, erst dann nach Nomerca zurückzukehren, wenn unsere diesbezüglichen Forschungen komplett abgeschlossen sind.«

*