Glaube und Naturwissenschaft: Widerspruch oder Ergänzung? - Paul Kalbhen - E-Book

Glaube und Naturwissenschaft: Widerspruch oder Ergänzung? E-Book

Paul Kalbhen

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Beschreibung

Der Autor will mit seinem Buch die Grenzziehung zwischen Glaube und Naturwissenschaft durchbrechen und überraschende Parallelen zwischen ihnen aufzeigen - wenn auch beide Seiten dabei "Federn lassen müssen". Die Grundlage seiner Überlegungen sind einerseits die Offenbarungsaussagen über den christlichen Dreieinigen Gott und andererseits empirische Aussagen der modernen Naturwissenschaft aus den Bereichen Relativitäts-, Quanten-, Astro- und Biophysik. Die fundamentale Aussage der christlichen Offenbarung, dass Gott in absoluter - "zeitloser"- Entscheidung dem Menschen grundsätzlich Freiheit zugesteht, wird nach Meinung des Autors durch die moderne Naturwissenschaft bestätigt. Voraussetzung dafür ist, dass man den Zufall als ein wesentliches Element in Gottes Schöpfungskonzept anerkennt, der aus der statistischen, wahrscheinlichkeitsbedingten Naturgesetzlichkeit der Quantenphysik zu folgern ist. Diese Deutung begründet auch angesichts des Leides in der Welt die Vorstellung eines absolut liebenden Gottes: Denn Gott will das Leid nicht, sondern lässt es wegen der Freiheit seiner Schöpfung zu.

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Seitenzahl: 166

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Inhaltsverzeichnis

Prolog

Einführung

Relativitätsphysik

Relativität der Zeit – Ewigkeit Gottes

Relativität der Masse – Menschwerdung Gottes

Quantenphysik

Statistische Naturgesetzlichkeit – Akausalität, Willensfreiheit

Komplementarität der Natur – Menschliche Erkenntnisgrenzen

Astrophysik

Urknalltheorie des Kosmos – Schöpfung durch Gott

Endlichkeit des Kosmos – Unendlichkeit Gottes

Biophysik

Evolutionstheorie des Lebens – Planung durch Gott

Künstliches Leben – Wahrscheinlichkeit und Allmacht

Schlussbetrachtung

Epilog

Literaturverzeichnis

Formelanhang

Autorenbiographie

Prolog

»Überlegte ich die Sache recht, wurde es mir immer unbegreiflicher, dass gerade ich zum Probierstein für die Laune der Gnade Gottes auserkoren sein sollte.«

Der norwegische Schriftsteller Knut Hamsun in seinem Roman ›Hunger‹, 1890

1. Einführung

Gott will in seinem Wesen erkannt werden, sonst hätte er sich nicht offenbart: in seinem Sohn, in seinen Propheten, in der Natur – und auch in der Wissenschaft von der Natur.

Wenn Gott Schöpfer der Welt ist, dann muss er sich auch in seiner Schöpfung manifestieren und offenbaren – und auch in den Wissenschaften, zumal in der Wissenschaft von der Natur. Die Erkenntnisse der Naturwissenschaft über die Schöpfung bringen meines Erachtens Offenbarungen über Gott, die sich mit Aussagen der Bibel ergänzen, und schaffen die Möglichkeit, Gott tiefer zu erkennen. Der »unwahrscheinlich« komplexe und vernetzte Aufbau des Menschen und des Kosmos, der in »geistvoller« Weise statistischen – wahrscheinlichkeitsbedingten – Gesetzen der Mathematik gehorcht, müsste Anlass zum Staunen und zur Ehrfurcht vor Gott sein. Die Erkenntnisse der Relativitätstheorie Einsteins lassen die Ewigkeit Gottes als Zeitlosigkeit begreifbar erscheinen, woraus sich folgern lässt, dass Gott unveränderlich und allwissend ist; die Unbestimmtheiten und Unschärfen des mikrophysikalischen Geschehens in Atomen und Molekülen bis hin zu biologischen »Quantensprüngen« der Mutationen lassen die Freiheitsgrade für Mensch und Natur deutlich werden; die Entstehung des Weltalls mit dem Zeitbeginn des so genannten Urknalls lässt die Astrophysik Parallelen zum Schöpfungsakt der Bibel finden. Die fundamentale Aussage der christlichen Offenbarung, dass Gott in absoluter – »allmächtiger« – Entscheidung dem Menschen grundsätzlich Freiheit zugesteht, wird meiner Meinung nach durch die moderne Naturwissenschaft bestätigt.

Will man eine erkenntnistheoretische, metaphysische Deutung aus der Quanten- bzw. Chaostheorie der modernen Physik des 20. Jahrhunderts ziehen, so kann man »guten Willens« folgern, dass Gott den Zufall im Weltgeschehen nicht nur zugelassen, sondern auch gewollt hat, um dort Freiheitsgrade zu ermöglichen. Insofern ist für mich die reine Gnadenlehre (»sola gratia«, d.h. allein die Gnade Gottes, nicht auch das Tun des Menschen, ist entscheidend für das menschliche Heil) eines Augustinus und Luthers, welche die katholische und protestantische Kirche des Westens inzwischen gemeinsam anerkennen, die orthodoxe Kirche des Ostens dagegen nie übernommen hat, vor den metaphysischen Erkenntnissen der modernen Physik nicht mehr vertretbar – und auch nicht durch die Worte Jesu Christi zu begründen. Führt diese so genannte Rechtfertigungslehre doch in letzter Konsequenz zur Vorherbestimmung (Prädestination, Determinierung) alles Seienden durch Gott und zur Verneinung der menschlichen Willens- und Handlungsfreiheit, welche letztere andererseits die christliche Religion immer entschieden bejaht hat – entgegen dem Fatalismus anderer Religionen.

Eine völlig andere Deutung determinierten Seins zeichnete sich in der so genannten klassischen Physik (bis Ende des 19. Jahrhunderts) ab, die letztendlich zur Leugnung Gottes führte. Aus der Sicht eines rein mechanistisch ablaufenden Naturgeschehens entwickelte sich eine Weltanschauung, die nicht nur auf die tote Natur, sondern auch auf den organischen Bereich bis hin zu seelischen und gesellschaftlichen Vorgängen angewandt wurde. Es kristallisierte sich der Begriff der Determinierung in der Bedeutung heraus, dass alles Geschehen in der Welt bereits festgelegt ist und auch eine berechenbare Vorausbestimmung künftiger Ereignisse prinzipiell möglich ist. Der französische Mathematiker Laplace fixierte das deterministische Denken in einem fiktiven Dämon, dem er die grundsätzliche Fähigkeit – bei Kenntnis aller Anfangsbedingungen der Gegenwart – zubilligte, die gesamte Zukunft im mikro- wie makrophysikalischen Raum vorauszuberechnen. Aus dieser Sicht wurde Gott nicht nur »arbeitslos«, sondern seine Existenz auch »sinnlos«.

Diese deterministische Haltung, die auch bei einigen heutigen Neurowissenschaftlern wieder auftaucht, wenn es um die Frage der menschlichen Willensfreiheit geht, ist durch die Aussagen der modernen Physik des 20. Jahrhunderts aufs schwerste erschüttert worden, wie später beim Begriff der Akausalität bzw. der Unschärferelation zu sehen ist.

Die klassische Physik hat keine gültigen Beweise zur Widerlegung der Existenz Gottes erbracht, wenngleich aus der Sicht eines mechanistisch ablaufenden, determinierten Naturgeschehens zahlreiche Versuche dazu unternommen wurden und im dialektischen Materialismus (Diamat) nach Marx, Engels, Lenin noch immer vertreten werden. Freilich findet sich eine moderne Variante der Aussage des Diamat: »Die Materie ist ewig« bei führenden Vertretern der heutigen Naturwissenschaft (wie Richard Dawkins, Stephen Hawking, Alan Guth) in der Spekulation wieder: »Das Universum ist ewig«, die fast den Status einer Ersatzreligion einnimmt.

Ebenso wenig jedoch kann die moderne Naturwissenschaft, die im Bereich des Mikro- und Makrokosmos neue Gesetzmäßigkeiten und Erkenntnisse gezeitigt hat, einen Gottesbeweis antreten – aber sie lässt die Existenz Gottes wieder »möglich« erscheinen, sie ist in ihren metaphysischen Folgerungen offen geworden gegenüber den Aussagen der Religion. Der Quantenphysiker Pascual Jordan schreibt: »Die neue Physik hat gegenüber dem religiösen Glauben eine doppelte Verneinung ausgesprochen: Sie hat jene Vorstellungen älterer Naturwissenschaft als irrig erwiesen, welche früher als Beweis gegen Gott angeführt wurden.« (Literaturstelle [9])

Ich hatte die Gelegenheit und das Glück, die Thematik »Glaube und Naturwissenschaft«, die mich schon seit Ende meiner Schulzeit interessiert hat, über Jahre als Hochschullehrer der Elektrotechnik an der Fachhochschulabteilung Gummersbach im Wahlfachbereich und innerhalb der katholischen und evangelischen Studentengemeinde vertreten und vertiefen zu können – momentan fasse ich als Pensionär meine Überlegungen dazu in diesem Buch zusammen. Mein Anliegen ist, die »Grenzziehung« zwischen Glaube und Naturwissenschaft zu durchbrechen und Berührungspunkte zwischen beiden zu gewinnen; statt Widersprüchen und Gegensätzlichkeiten vielmehr Brückenschläge und Ergänzungen zu vermitteln.

Will man diese Haltung in der Öffentlichkeit vertreten, so trifft man auf eine dreifache Barriere:

Auf die Distanzierung und das Unverständnis vieler Theologen und der Kirchen gegenüber naturwissenschaftlichen Erkenntnissen, zumal auf den »Minderwertigkeitskomplex« der katholischen Kirche, der seit dem »Fall Galilei« unausrottbar zu sein scheint, und auf fundamentalistischkreationistische Strömungen innerhalb der protestantischen Kirche, welche die kosmologische und biologische Evolutionstheorie ignorieren bzw. torpedieren; auf die Einseitigkeit und die Überheblichkeit vieler Naturwissenschaftler, die mit der Entdeckung und Aufschlüsselung der statistischen Naturgesetzlichkeit meinen, die »Möglichkeit« eines göttlichen Schöpfers ausschließen zu müssen1 – nur weil man einmal wieder ein winziges Mosaiksteinchen im gewaltigen Strukturplan unserer Welt gefunden hat, ohne zu fragen, woher es stammt und ob es möglicherweise einen geistigen Hintergrund dafür gibt; auf das Desinteresse und die Gleichgültigkeit der Geisteswissenschaft.

Im Folgenden sollen erkenntnistheoretische Deutungen zur christlichen Gottesvorstellung aus dem Blickwinkel der Einstein’schen Relativitätstheorie, der Planck’schen Quantentheorie, der modernen Astro- und Biophysik aufgezeigt werden, die christliche Offenbarungswahrheiten unterstützen. Dabei sollen die Gesetzmäßigkeiten der modernen Physik beschrieben und umschrieben werden, bei Interesse des Lesers können die entsprechenden mathematischen Formeln im Anhang nachverfolgt werden. Die erkenntnistheoretischen Deutungen zu christlichen Glaubensaussagen aus der Sicht der modernen Physik sollen bewusst in Form einer »metaphysischen Spekulation« vorgenommen werden, um gesicherte Resultate der Physik von gewagten Mutmaßungen des Glaubens unterscheiden zu können. Für mich ergeben sich verblüffende und faszinierende Parallelen zwischen Aussagen der modernen Naturwissenschaft und der christlichen Religion.

Man sollte sich freilich auch bei den Gesetzmäßigkeiten der Physik klarmachen, dass sie auf abstrakten Modellvorstellungen und mathematischen Abbildern der physikalischen Wirklichkeit beruhen, welche die Realität des Seins nur umschreiben. Dazu zwei beispielhafte Äußerungen: Der theoretische Physiker Tony Rothmann von der Princeton University/USA sieht in der Physik vorerst eine Sammlung theoretischer Modelle, die nicht den Anspruch erheben kann, die »Wahrheit« gefunden zu haben, (Spektrum der Wissenschaft – SdW – Heft 2/12, »Die Physik – ein baufälliger Turm von Babel«) und der Quantenphysiker Leonard Susskind von der Stanford University/USA meint im Interview, dass die scheinbare Realität der Physik nur durch Experimente »reproduzierbar« sei (SdW Heft 3/12, »Antirealistischer Querdenker«). In [79] schreibt der Physiker und Philosoph Norman Sieroka: »Mit Blick auf das gegenwärtige Theoriegebäude ergibt sich die Einheitlichkeit der Physik also eher auf einer methodischen als auf einer inhaltlichen Ebene.«

Ich persönlich finde in diesem Zusammenhang bemerkenswert, dass auch Jesus Christus viele Offenbarungsaussagen nur in veranschaulichenden Bildern und zeitgemäßen Gleichnissen gemacht hat. So könnte man im übertragenen Sinne durchaus vom »Denkmodell« des Dreieinigen (Dreifaltigen) Gottes – ein Gott in drei Personen (Trinität) – sprechen, dessen Wesenheit für den Menschen nur in Wortbildern, Metaphern zu verstehen ist: »Gott-Vater«, »Gott-Sohn«, »Gott-Heiliger Geist". Im Letzten freilich kann der Glaube an den Dreieinigen Gott nicht vernunftmäßig begründet werden, sondern ist – auch angesichts des Leides in der Welt – ein persönlicher Akt des Vertrauens in einen allgütigen und liebenden Gott, der Vernunft und Wissen übersteigt.

1 z.B. Wolfgang Wickler : ›Den Schöpfer radikal ausgebootet‹, Bild der Wissenschaft Heft 10, 1987 – Rezension des Buches ›Der blinde Uhrmacher‹ von Richard Dawkins

2. Relativitätsphysik

Die Ewigkeit Gottes ist im Sinne der Einstein’schen Relativitätstheorie als Zeitlosigkeit denkbar. Nach Aussage der christlichen Dreifaltigkeitslehre ist »Gott-Vater« allwissend – man könnte folgern, weil er als Schöpfer der Welt außerhalb unseres Raum-Zeit-Kontinuums existiert.

Parallel zu den Forschungen um die Atomstruktur von Bohr, Planck und anderen Physikern hat Albert Einstein zu Beginn des 20. Jahrhunderts seine Relativitätstheorie entwickelt, die auf die Gesetzmäßigkeiten des Makrokosmos, im Besonderen die des Universums, zielte. Einstein erschütterte zugleich die menschliche Vorstellung, dass Raum und Zeit voneinander unabhängig seien, durch das Gesetz von der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit und stellte auch die Annahme der Gleichzeitigkeit von Ereignissen in Frage. Die Abhängigkeit des kosmischen Raumes von der Zeit erfasst man durch den Begriff des »Raum-Zeit-Kontinuums«. Die Einstein’sche Relativitätstheorie postuliert für unseren Weltraum (außerhalb der Informationsübertragung der Quantenphysik im Bereich des Mikrokosmos) als höchste Grenzgeschwindigkeit die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum (annähernd in Luft), die auch nicht durch beliebig lange und beliebig hohe Beschleunigungen überschritten werden kann. Dies gilt sowohl für die Bewegungen materieller Körper als auch für die Geschwindigkeit »immaterieller Strahlungen« (d.h. elektromagnetischer Wellen), die sowohl für ruhende als auch für bewegte Bezugssysteme nach allen Richtungen hin gleich ist, nämlich gleich der Lichtgeschwindigkeit.

Die Aussagen der Relativitätsphysik widersprechen zunächst der menschlichen Alltagserfahrung und der gewohnten Anschauung, man kann durchaus zugeben: dem »gesunden Menschenverstand«, sie sind im Letzten nur als mathematische Abstraktion, als Modellvorstellung der Physik zu verstehen, sind aber durch zahlreiche messtechnische Experimente bestätigt worden. Im Folgenden sollen hier einige Gesetze der Speziellen Relativitätstheorie wiedergegeben werden, die sich auf gleichförmig bewegte Vorgänge bezieht, deren Geschwindigkeit nach Betrag und Richtung gleich (konstant) bleibt; das Bezugssystem, in dem das Geschehen stattfindet, wird dann als »Inertialsystem« (nicht beschleunigtes Trägheitssystem) bezeichnet. Die Allgemeine Relativitätstheorie bedeutet eine Erweiterung auf beschleunigte Vorgänge, die also Kräften unterliegen, und stellt eine relativistische Theorie der Gravitation dar, ist also streng genommen auch bei Einfluss der Erdanziehung zu berücksichtigen.

Relativität der Zeit – Ewigkeit Gottes

Die »Konstanz der Lichtgeschwindigkeit« im Sinne einer höchsten Grenzgeschwindigkeit fordert einige verblüffende Folgerungen über die Addition von Geschwindigkeiten (Additionstheorem) bzw. über die so genannte Zeitdehnung (Zeitdilatation) gleichförmig bewegter Objekte.

Exakt betrachtet addieren sich die Geschwindigkeiten zweier Ereignisse nicht absolut zur resultierenden Geschwindigkeit bzw. subtrahieren sich, wie in der Vorstellung der klassischen Physik, sondern nur bedingt – »relativ« – mit der »Auflage«, dass die Lichtgeschwindigkeit nicht überschritten werden kann. Wird beispielsweise von einem Raumschiff ein Lichtstrahl ausgesandt, so erreicht er sowohl innerhalb des Flugkörpers als auch außerhalb – für einen ruhenden Beobachter – eine Grenzgeschwindigkeit von 300 000 Kilometer pro Sekunde (km/s), und zwar nach allen Seiten! Selbst wenn das Raumschiff auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden könnte, so wäre die Geschwindigkeit des Lichtstrahls sowohl in Flugrichtung als auch gegen die Flugrichtung gleich groß für den äußeren Beobachter, während die klassische Physik die beinahe doppelte Lichtgeschwindigkeit bzw. ein fast stillstehendes Lichtteilchen (Lichtquant) erwarten würde.

Den experimentellen Beweis des Additionstheorems hat zumal die Astrophysik durch die Rot- bzw. Violettverschiebung von Farbspektren des Lichtes umeinander kreisender Doppelsterne erbracht, da infolge des Dopplereffektes der »fliehende« Stern eine Frequenzerniedrigung seiner Lichtfarben und damit eine Verschiebung der Spektralanalyse zur Rotfärbung hin erfährt, der sich »nähernde« Stern eine Frequenzerhöhung seiner Lichtfarben und damit eine Verschiebung der Spektralanalyse zur Violettfärbung hin.

Das Einstein‘sche Theorem wirkt sich in der Praxis nur bei sehr hohen Geschwindigkeiten aus, bei kleinen Geschwindigkeiten weit unterhalb der Lichtgeschwindigkeit ergibt sich rechnerisch kaum eine Abweichung zur absoluten Addition der klassischen Physik, was der Grund dafür ist, dass früher keine Messfehler außerhalb ihrer Toleranzgrenzen auftraten.

Das Additionsgesetz gilt auch bezüglich der Relativgeschwindigkeit sich nähernder bzw. sich voneinander entfernender Objekte, die resultierende Geschwindigkeit kann die Lichtgeschwindigkeit nicht überschreiten. Dieses jeder Anschauung widersprechende Phänomen wird von den Physikern so gedeutet, dass der Raum durch die Bewegung des Objektes kontrahiert wird, also »schrumpft«, und zwar um so stärker, je höher die Geschwindigkeit des Körpers ist – man spricht dann von der so genannten Lorentz-Kontraktion von Längen, Strecken, Entfernungen. In Analogie zur Raumkontraktion würde man bei der nachfolgend besprochenen Einstein’schen »Zeitdilatation« auch besser von einer »Zeitkontraktion«, nämlich Zeitverkürzung, sprechen: Die Zeit »schrumpft« für schnell bewegte Objekte, sie vergeht langsamer, so dass der bewegte Körper weniger stark altert als der unbewegte (er bleibt »jünger«) – und zwar um so drastischer, je höher seine Geschwindigkeit ist.

Da die Signalübertragung von räumlich getrennten Vorgängen mit begrenzter Geschwindigkeit erfolgt, ist für einen Beobachter auch die Gleichzeitigkeit von Ereignissen in Frage gestellt, die er je nach Entfernung von den Ereignisorten – und eigener Geschwindigkeit – früher oder später wahrnehmen kann. »In solchen Fällen können Ereignisse der Zukunft vor Ereignissen der Vergangenheit ablaufen« [17], für den Beobachter kann das absolut spätere Geschehen vor dem absolut früheren stattfinden! Wegen der hohen (Licht-) Geschwindigkeit der Signalübertragung wirkt sich dieses Phänomen freilich nur im extraterrestrischen Raum bei großen kosmischen Entfernungen aus, im terrestrischen Bereich, also auf der Erde, hat es keine Bedeutung.

Einstein hat die Relativierung von Zeitvorgängen durch sein Gesetz von der Zeitdilatation (Zeitdehnung) mathematisch fixiert. Danach vergeht die Zeit für einen bewegten Gegenstand gegenüber einem im Bezugssystem (Inertialsystem) ruhenden Objekt um so langsamer, je schneller er sich bewegt, er »altert« weniger stark; im Grenzfall der Lichtgeschwindigkeit gäbe es kein Altern mehr, die Zeit bliebe »stehen«! Wichtig ist dabei, zu beachten, dass der Zeitvergleich in der mathematischen Formel immer zwischen der Zeitspanne, d.h. dem Alter, des bewegten Körpers und der Zeitspanne, d.h. dem Alter, eines ruhenden Vergleichsobjektes erfolgt. Die Relativierung der Zeit ist also nur für den mit einer Geschwindigkeit v bewegten Körper gültig! Soll die Zeitdifferenz (t1 – t2), die sich zwischen den Zeitspannen t1 und t2 zweier mit verschiedenen Geschwindigkeiten v1 und v2 fliegenden Objekten einstellt, berechnet werden, so müssen die beiden Zeitspannen zunächst jeweils einzeln über die Formel mit dem Alter des ruhenden Vergleichsobjektes ermittelt und dann subtrahiert werden – man vergleiche dazu das später angeführte »Uhrenparadoxon«.

Max Born – Nobelpreisträger wie auch Einstein, Planck, Heisenberg – und andere Physiker2 vertreten die Ansicht, dass es sich bei der Längen- und Zeitkontraktion nicht nur um relativistische Effekte handelt, sondern um immanente »Materialefekte«, die durch die Eigengeschwindigkeit des im Raum des Bezugssystems bewegten Körpers »eingeprägt« werden, und zwar auch für organische Vorgänge. Die Materieschrumpfung bzw. die Ablaufverzögerung sind durch die naturgesetzliche Wirkung der Materie und ihres Gravitationsfeldes in Abhängigkeit von ihrer Bewegung bedingt, sie sind existenzielle Geschehnisse. Eine absolute »Zeituhr« gäbe es damit nicht.

Die Zeitablaufverzögerung wirkt sich freilich nur bei sehr hohen Geschwindigkeiten in der Größenordnung der Lichtgeschwindigkeit stark aus. In [1] wird Pascual Jordan zitiert, der das Einstein‘sche Zeitgesetz auch auf den lebenden Organismus überträgt und ein eindrucksvolles hypothetisches Beispiel wählt (nach der Formel der speziellen Relativitätstheorie mit der im Inertialsystem unserer Galaxie »Milchstraße« ruhenden Erde): »Man denke sich, dass ein Raumschiff von der Erde aus in den Weltraum hinein fährt mit einer ungeheuren Geschwindigkeit, fast gleich derjenigen des Lichtes. Dann kann es – die Fahrgeschwindigkeit muss nur groß genug sein (nämlich 0,05 %o weniger als die Lichtgeschwindigkeit) – passieren, dass die Besatzung nach einjähriger Fahrt zur Erde zurückkehrt: Ihre im Raumschiff mitgenommenen Uhren haben gerade die Zeit von einem Jahr abgemessen, ihre für ein Jahr mitgenommenen Lebensmittel sind gerade verbraucht, und ihre Haare sind gerade soviel grauer geworden, wie man das nach den Strapazen einer einjährigen Weltraumreise erwarten muss. Aber auf der Erde angekommen, findet die Besatzung, dass dort inzwischen die Menschheit um 100 Jahre älter geworden ist.«

Metaphysische Spekulation

Die Relativierung der Zeit durch die moderne Physik macht manche Erscheinungen der Parapsychologie wie Wahrsagen, Hellsehen, Prophetie, die früher grundsätzlich als reine Scharlatanerie abgetan wurden, begreifbar. Im theologischen Bereich ist die »Ewigkeit Gottes« im Sinne der Relativitätsphysik als Zeitlosigkeit, als Unabhängigkeit von Raum und Zeit zu interpretieren – nicht dagegen als »unendlich lange Zeit«. Diese Vorstellung deckt sich mit dem christliche Begriff der Ewigkeit, der voraussetzt, dass Gott über der Zeit steht, zeitlos ist – und sich selbst nicht ändert, besteht für ihn der Offenbarung nach kein Unterschied zwischen Vergangenheit , Gegenwart und Zukunft. Die christliche Theologie setzt den Begriff der Ewigkeit also nicht mit zeitlicher Unendlichkeit gleich, wie es etwa für die Materie im dialektischen Materialismus geschieht. Vergleicht man spekulativ die Aussage des Einstein’schen Zeitgesetzes, dass ein mit Lichtgeschwindigkeit bewegtes (masseloses) Objekt nicht altert, so kann man folgern, dass Ewigkeit als Eigenschaft der Zeitlosigkeit »möglich« ist.

Die Ewigkeit Gottes ist also als Zeitlosigkeit zu denken, die nicht unseren Zeitabläufen unterworfen ist, Gott besitzt sein ganzes Wissen »auf einmal«, als absolute Vorhersicht allen Geschehens. Damit ist auch die Allwissenheit Gottes im Sinne der »Vorhersehung« als Vorauswissen alles Seienden zu begründen, das aber keine Vorherbestimmung (Prädestination) einschließt, sondern menschliche Freiheit zulässt, weil Gott nicht unserem seriellen Zeitgeschehen unterworfen ist. Damit entfällt der oftmals gefolgerte theologische »Zwang«, Vorhersehung Gottes und Vorherbestimmung gleichzusetzen, Vorherwissen Gottes und menschliche Freiheit sind unter diesem Aspekt kein Widerspruch mehr!

Bernhard Philbert, Kernphysiker und katholischer Priester, schreibt in [42] zur scheinbaren Zwangsläufigkeit zwischen Allwissenheit Gottes und Prädestination des Menschen: »Über Augustinus, ähnlich über Mohammed oder über Calvin, hat dieser historisierende theologische Aspekt die Geistesstruktur der westlichen und nahöstlichen Welt in nicht übersehbar weitreichender Weise beeinflusst; die Geschichte gestaltend. Aber gerade an Hand der relativistischen Physik wird die Verengung dieses historisch so speziell und präzis anwendbaren Zeitaspektes offenkundig; eine Verengung, die eine derartige Anwendung auf theologischem und philosophischem Gebiet einfach nicht mehr zulässt und derartige Argumentationen zu reinen Scheinproblemen entarten lässt.«

Nach den Aussagen der christlichen Dreifaltigkeitslehre ist »Gott-Vater« allwissend, man könnte folgern, weil er als Schöpfer der Welt außerhalb unseres Raum-Zeit-Kontinuums existiert. Jesus Christus sagt dazu nach den Schriften der Evangelisten Markus 13,31-32 bzw. Matthäus 24,35-36 (d.h. Evangelium nach Markus, Kapitel 13, Verse 31 und 32 bzw. Evangelium nach Matthäus, Kapitel 24, Verse 35 und 36): »Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen. Doch jenen Tag und jene Stunde kennt niemand, auch nicht die Engel im Himmel, nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater.« [28] Man könnte folgern, dass selbst Jesus als »Gott-Sohn« der räumlichen Begrenztheit unseres irdischen Wissens unterlag – trotz seines Anspruches nach Johannes 8,58 »Noch ehe Abraham wurde, bin ich.« [28] Der theoretische Physiker Paul Davies teilt in [37