Glücksgeschichten - Romane und Erzählungen großer Autoren - Alfred Bekker - kostenlos E-Book

Glücksgeschichten - Romane und Erzählungen großer Autoren E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Diese Ausgabe enthält folgende Geschichten: Sandy Palmer: Eine italienische Romanze Alfred Bekker: Das unheimliche Schloss Anna Martach: Hilfe, unsere Eltern heiraten Alfred Bekker: Die Fütterung der Kuscheltiere Ellen und Hans-Jürgen – das ist Harmonie pur, das ist Liebe und Vertrauen, Partnerschaft und dauerhaftes Glück. So jedenfalls sieht die junge Grafikerin Ellen Mangold ihre Beziehung – bis ihr jäh die Augen darüber geöffnet werden, dass ihr Freund sie hemmungslos betrügt. Deprimiert, verzweifelt und weinend flüchtet sie aus seinem Haus – und verursacht einen Unfall. Ihr Kontrahent ist Fabian Kettwig, ein Mann, der sich spontan in die unglückliche Blondine verliebt, den jedoch ein großes Geheimnis umgibt...

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Alfred Bekker, Sandy Palmer, Anna Martach

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Inhaltsverzeichnis

Glücksgeschichten - Romane und Erzählungen großer Autoren

Copyright

Eine italienische Romanze

Das unheimliche Schloss

Hilfe, unsere Eltern heiraten

Die Fütterung der Kuscheltiere

Glücksgeschichten - Romane und Erzählungen großer Autoren

Alfred Bekker, Sandy Palmer, Anna Martach

Diese Ausgabe enthält folgende Geschichten:

Sandy Palmer: Eine italienische Romanze

Alfred Bekker: Das unheimliche Schloss

Anna Martach: Hilfe, unsere Eltern heiraten

Alfred Bekker: Die Fütterung der Kuscheltiere

Ellen und Hans-Jürgen – das ist Harmonie pur, das ist Liebe und Vertrauen, Partnerschaft und dauerhaftes Glück. So jedenfalls sieht die junge Grafikerin Ellen Mangold ihre Beziehung – bis ihr jäh die Augen darüber geöffnet werden, dass ihr Freund sie hemmungslos betrügt. Deprimiert, verzweifelt und weinend flüchtet sie aus seinem Haus – und verursacht einen Unfall. Ihr Kontrahent ist Fabian Kettwig, ein Mann, der sich spontan in die unglückliche Blondine verliebt, den jedoch ein großes Geheimnis umgibt...

Copyright

Eine Cassiopeiapress Romanzeitschrift: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER MARA LAUE

© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

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Eine italienische Romanze

von Sandy Palmer

Ein CassiopeiaPress E-Book

© by Author

© der Digitalausgabe 2013 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

[email protected]

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Ellen und Hans-Jürgen – das ist Harmonie pur, das ist Liebe und Vertrauen, Partnerschaft und dauerhaftes Glück. So jedenfalls sieht die junge Grafikerin Ellen Mangold ihre Beziehung – bis ihr jäh die Augen darüber geöffnet werden, dass ihr Freund sie hemmungslos betrügt. Deprimiert, verzweifelt und weinend flüchtet sie aus seinem Haus – und verursacht einen Unfall. Ihr Kontrahent ist Fabian Kettwig, ein Mann, der sich spontan in die unglückliche Blondine verliebt, den jedoch ein großes Geheimnis umgibt...

*

„Sie versprechen, die Illustrationen bis zur übernächsten Woche fertig zu haben, ja?“ Ottmar Wallersberg, Verlagsleiter und Cheflektor in einem, sah Ellen Mangold bittend an. „Wenn der Termin platzt, sind wir aufgeschmissen.“

„Aber Ottmar! Sie haben sich doch noch immer auf mich verlassen können.“ Ellen lächelte bemüht freundlich. So reibungslos die Zusammenarbeit mit dem Chef des Kinderbuchverlags auch klappte – Ottmars Pessimismus war anstrengend. Dabei war die Idee für die neue Reiterhof-Serie ausgezeichnet, die ersten drei Coverversionen abgesegnet. Da sollte es kein Problem sein, auch den Innenteil zu illustrieren.

Ellen Mangold war seit fünf Jahren gut im Geschäft. Sie hatte nicht nur eine perfekte Technik gelernt, sie war auch sehr kreativ und besaß die Fähigkeiten, den Figuren, die sie entwarf, Leben einzuhauchen.

Zudem war sie bildhübsch, die blonde Vierundzwanzigjährige. Ottmar hatte allerdings seine Flirtversuche aufgegeben, nachdem er Ellen mehrmals in der Stadt in Begleitung angetroffen hatte.

Hans-Jürgen Schneider war Architekt, sah gut aus und besaß einen umwerfenden Charme. Zudem hatte er das Aussehen eines Latin-Lovers, und da konnte der rundliche Ottmar nun gar nicht mithalten.

„Einen schönen Abend“, wünschte er jetzt. „Oder... kann ich Sie noch auf einen Drink einladen?“

„Ein andermal gern, jetzt möchte ich rasch heim. Mein Freund wird sich freuen, wenn ich früher als erwartet heimkomme.“

„Haben Sie einen Schirm? Draußen zieht ein Gewitter auf.“

„Ach was, ich bin doch nicht aus Zucker!“ Ellen lachte. Sie war glücklich über den neuen dicken Auftrag, sie freute sich auf Hans-Jürgen, den sie fast zehn Tage nicht gesehen hatte, da er geschäftlich auf Sylt gewesen war.

Auf dem Heimweg kaufte sie eine Flasche Sekt, dazu ein paar Delikatessen, von denen sie wusste, dass Hans-Jürgen sie besonders gern mochte.

Ein glückliches Leuchten lag auf ihrem Gesicht, das von der Sommersonne zart gebräunt war, als sie den Schlüssel in die Haustür der alten Backsteinvilla steckte. Das Haus wirkte immer ein wenig düster, es passte weder zu Hans-Jürgen noch zu Ellen, die den italienischen Baustil liebte – so, wie sie überhaupt alles mochte, was leicht und heiter war. Jürgen jedoch hatte das Haus von seinen Eltern geerbt, er hing an dem alten Kasten. Seine einzige Konzession an die Moderne waren eine moderne Glaskuppel über dem Terrassenbereich und zwei extravagant eingerichtete Bäder. Er liebte lange Badeorgien, und auch Ellen fand es wunderschön, wenn sie gemeinsam im duftenden Schaum liegen – und sich hinterher mit Zärtlichkeiten verwöhnen konnten.

Als sie jetzt das Haus betrat, drang ihr sofort der Duft des teuren Badesalzes in die Nase, das Hans-Jürgen bevorzugte.

„Hallo, Liebling! Klasse, dass du schon zurück bist! Ich hatte dich erst gegen Abend erwar...“ Sie hielt mitten im Wort inne, denn in der großen runden Wanne lag nicht nur Hans-Jürgen, sondern auch eine attraktive Rothaarige, die jetzt versuchte im duftenden Schaum unterzutauchen.

„Nein!“ Sie meinte zu schreien, doch es kam nur ein Krächzen über ihre Lippen.

„Ellen! Verdammt!“ Mit einem Satz war der Mann aus der Wanne. Und noch während er zu einem Handtuch griff, rief er: „Es ist nicht so, wie du denkst. Lass dir erklären, warum ich...“

„Sei still!“ An der Haustür drehte sich Ellen noch einmal um. Tränen verschleierten ihren Blick. „Sei um Himmels willen still, du machst doch alles noch viel schlimmer!“

Dann rannte sie hinaus, hetzte durch den Vorgarten – und lief blindlings weiter. Sie sah den Range Rover nicht, der gerade um die Straßenecke bog, sie lief tränenblind über die Straße.

Fabian Kettwig stieß einen unterdrückten Fluch aus, trat heftig auf die Bremse – und brachte den schweren Wagen endlich zum Stehen. Aber er hatte die blonde Frau gestreift, die urplötzlich und ohne ersichtlichen Grund quer über die Fahrbahn gelaufen war.

Sein Herz klopfte aufgeregt, als er sich über sie beugte. Das lange blonde Haar lag wie ein Schleier halb über ihrem Gesicht, aber der Mann erkannte, dass sie die Augen geschlossen hielt. Aber auch, dass sie atmete. Der Puls ging regelmäßig, so weit er das beurteilen konnte. Und als er sie jetzt vorsichtig auf die Wange schlug, als er sie ansprach, schlug sie auch die Augen auf.

„Scheiße!“ Das kam undamenhaft, aber höchst energisch über ihre Lippen. Sie richtete sich auf und wollte aufstehen, aber Fabian drückte sie rasch zurück.

„Um Himmels willen, bleiben Sie liegen! Ich werde sofort den Notarzt verständigen. Und bis dahin...“

„... ist auf der Straße das Chaos ausgebrochen. Helfen Sie mir hoch, es geht schon.“

Sie streckte die Hand aus und ließ sich auf helfen. Ganz dicht waren ihre Gesichter voreinander. Ellen sah einen gut geschwungenen Mund, ein graues Augenpaar, das sie besorgt anschaute. Fabian hingegen sah nur ihre Augen, die die Farbe eines herrlichen Sommerhimmels hatten... und in denen Tränen schwammen.

„Lassen Sie mich ruhig los, mir fehlt nichts.“

„Sie weinen! Sie haben Schmerzen!“ Er nahm wieder ihren Arm. „Kommen Sie, ich bringe Sie wenigstens kurz in eine Klinik.“

„Unsinn.“ Sie wehrte ab, doch im nächsten Moment wurde ihr schwindelig, und sie war froh, sich an den Fremden lehnen zu können. Wenig später saß sie neben ihm, doch als er die Richtung zur Stadtklinik einbog, wehrte Ellen nochmals ab und erklärte, eine Untersuchung sei wirklich völlig unnötig.

„Dann kommen Sie wenigstens kurz mit zu mir. Ich koche Ihnen einen Tee...“

„Ein Glas Wein wäre mir lieber“, gab sie trocken zurück. „Es gibt da so einiges, das ich runterspülen muss.“

Und so saßen sie eine Viertelstunde später in Fabians Garten. Er grenzte an einen kleinen Bachlauf, war romantisch verwildert und genau so, wie Ellen sich den eigenen Garten angelegt hätte. Hans-Jürgen hingegen hatte den Park von einem Landschaftsgärtner pflegen lassen. Außer drei Blumenrabatten gab es nur grünen englischen Rasen und alten Baumbestand.

Hier hingegen blühten Phlox, Sonnenblumen und späte Rosen um die Wette mit Dahlien und Gladiolen. Die Terrasse hatte kein Glasdach, sondern wurde von wildem Wein überwuchert, der Schatten spendete.

„Fühlen Sie sich besser?", erkundigte sich Fabian.

„Danke. Sie hätten sich aber wirklich nicht so viel Mühe mit mir machen müssen. Schließlich bin ich mein Elend selber schuld. Wenn ich nicht so kopflos aus dem Haus gelaufen wäre...“ Wieder traten Tränen in ihre Augen, die sie sich energisch fortwischte.

„Weinen Sie nur“, sagte Fabian leise. „Das reinigt die Seele, hat meine Großmutter immer gesagt.“ Er reichte Ellen das Glas. „Und sollte es wegen eines Mannes sein – es renkt sich bestimmt alles wieder ein.“

„Mit Sicherheit nicht!“ Jetzt klang ihre Stimme schon wieder sehr entschlossen. „Ich lasse mich nicht betrügen! Nicht ein einziges Mal! Das hat der Typ nicht umsonst gemacht – jetzt ist Schluss!“

Am liebsten hätte Fabian laut „Bravo“ gerufen, denn ein Mann, der so ein bezauberndes Wesen betrog, musste wahnsinnig sein – und bestraft werden.

„Sie sind bezaubernd, wenn Sie wütend sind“, meinte er. „Sagen Sie mir Ihren Namen?“

„Entschuldigung! Ich bin so was von unhöflich! Da lasse ich mich von Ihnen verarzten und verwöhnen... ich heiße Ellen Mangold.“

„Dass ich Fabian Kettwig bin, haben Sie sicher schon am Türschild gelesen. Aber ich kann’s noch komplettieren: Ich bin 31 Jahre alt, von Beruf Journalist, unbescholten und unbeweibt.“

Ellen lächelte, und mit einem Mal war Hans-Jürgens Betrug in weite Ferne gerückt. Sie fühlte sich wohl in Fabians Gesellschaft. Sie genoss es, auf einer Liege inmitten einer bunten Blumenpracht zu liegen, kühlen Grauburgunder zu trinken und... jetzt auch noch eine Katze auf dem Schoß zu spüren.

„Das ist der Streuner.“ Fabian wollte das Tier verscheuchen, doch Ellen legte rasch die Hand auf das weiche grau-getigerte Fell.

„Gehört er Ihnen?“

„Nein, ich vermute, dass er gar kein richtiges Zuhause hat. Darum hab ich ihn Streuner genannt. Er kommt in unregelmäßigen Abständen, lässt sich ein bisschen verwöhnen und geht dann wieder.“

„Streuner...“ Ellen kraulte die Katze hinter den Ohren, was sie mit wohligem Schnurren quittierte. „Haben Sie einen Block?“, fragte sie dann.

„Natürlich!“ Fabian ging ins Haus und kam gleich darauf mit einem DIN A 4-Block zurück. „Reicht der?“

„Aber ja.“ Ellen nahm den Stift – und in kurzer Zeit hatte sie Streuner gezeichnet. „Hier, als kleines Dankeschön für Ihre Fürsorge.“

„Das ist ja wundervoll! Sie sind eine Künstlerin!“

„Nein.“ Ellen wehrte lächelnd ab. „Nur eine Grafikerin mit Zeichentalent. Ich illustriere gerade ein Kinderbuch. Und wenn ich es recht bedenke, könnte Streuner zum Vorbild für eines der darin vorkommenden Tiere sein.“

„Da fühlen wir uns beide geehrt, was, Streuner?“

Der Kater reagierte nur mit einem kurzen Heben des Kopfes, dann versuchte er auf Ellens Schoß weiterzuschlafen, was aber nicht gelang, denn wenig später erhob sich die junge Frau. „Fabian, ich danke Ihnen ganz herzlich für Ihre Hilfe, aber jetzt muss ich gehen.“

Er zögerte. „Wohin?“, fragte er dann.

Ellen biss sich auf die Lippen. „Ich nehme mir fürs Erste ein Hotelzimmer. Dann sehen wir weiter.“

„Ich... ich würde gern... Also, wenn Sie mögen, können Sie mein Gästezimmer haben.“

Aus unergründlich tiefblauen Augen sah sie ihn an. „Aber wir kennen uns doch gar nicht!“

„Ist das ein Hindernis, Ihnen zu helfen?“ Fabian machte eine weit ausholende Geste. „Hier kommen Ihnen sicher noch einige gute Ideen. Und ich würde Sie nicht stören. Ich bin tagsüber meist unterwegs.“

„Stimmt – ich hab Sie noch gar nicht gefragt, was Sie beruflich tun.“

Der Mann zögerte, dann antwortete er: „Ich bin freiberuflicher Journalist, zurzeit aber mit einem festen Auftrag fürs Tagesjournal. Eine Recherche, die zeitaufwendig ist und mich deshalb oft durch die Gegend treibt. Sie wären hier also ziemlich unbehelligt.“

Ellen zögerte. Der Gedanke war verlockend. Und im Gegensatz zu einem tristen, unpersönlichen Hotelzimmer war das alte, liebevoll restaurierte Fachwerkhaus mit dem hellen Anbau und dem großen Garten das reinste Paradies.

Dennoch lehnte sie ab, Fabian durfte sie allerdings noch zurück zur Villa von Hans-Jürgen fahren, wo sie nur rasch eine Reisetasche mit dem Nötigsten packen wollte.

„Ich warte hier auf Sie", versprach Fabian. „Und wenn Sie Hilfe brauchen... ein Wort genügt.“

„Danke.“ Ihr Lächeln ging ihm unter die Haut, und er gestand sich ein, dass er auf dem besten Weg war, sich in die junge blonde Ellen zu verlieben. Sie schutzbedürftig, das war genau der Frauentyp, zu dem sich Fabian hingezogen fühlte. Und dennoch war deutlich zu spüren, dass sie Temperament und Durchsetzungsvermögen besaß.

Allerdings war davon nicht viel zu merken, als sie das Haus betrat, in dem sie seit einem halben Jahr wohnte. Hans-Jürgen kam ihr schon in der weitläufigen Halle entgegen.

„Da bist du ja endlich wieder!“ Er versuchte sie in die Arme zu ziehen. „Schön, dass du zur Vernunft gekommen bist. Das mit Joana... das hat gar nichts zu bedeuten. Sie ist Praktikantin bei einem Kollegen auf Sylt und wollte sich mal hier am Niederrhein umsehen.“

„Das hat sie ja auch ausführlich getan“, spottete Ellen. „War sie zufrieden?“

„Komm, Schatz, sei nicht spießig! Die kleine Affäre ist doch schon wieder vergessen. Es hat mir gar nichts bedeutet. Schau, ich hab dir was mitgebracht.“ Damit wollte er sie in den Wohnraum ziehen. Doch Ellen entwandt sich ihm rasch.

„Kein Interesse. Ich bin nur hier, um ein paar Sachen zu holen.“

„Sei doch nicht so stur!“

„Stur? Ich bin weder stur noch spießig! Nur konsequent und auch ein bisschen altmodisch. Zumindest bin ich sicher, dass du es so nennen würdest, wenn ich darauf bestehe, dass der Mann, der mich angeblich liebt, mir auch treu sein soll.“

„Es... es wird nicht wieder vorkommen. Und jetzt sieh dir an, was ich dir mitgebracht...“

Ganz dicht trat Ellen vor ihn hin. „Sag mal, bist du taub? Oder begriffsstutzig? Es ist aus! Aus und vorbei! Ich teile nun mal nicht. Nichts und niemanden!“ Als er sie ungläubig anschaute, fügte sie hinzu: „Als ich hier einzog, hatten wir eine klare Abmachung: Keine Affären mehr, keine Flirts so nebenbei. Du hast mir versichert, dass du dich ausgetobt hast, dass du nur mich liebst und mir treu sein wirst...“

„Das tue ich doch auch – dich lieben!“

„Aber du hast eine sehr merkwürdige Art, mir das zu beweisen.“ Ellen ging auf die geschwungene Treppe zu. „Ich packe jetzt – und ich rate dir gut, mich nicht daran zu hindern.“

Der Architekt unterdrückte einen Fluch. So ein Mist aber auch, dass Ellen viel zu früh heimgekommen war. Und dass Joana, dieses süße Biest, ihm so voll und ganz den Kopf verdreht hatte, dass er alles andere vergessen hatte...

„Ich bin sicher, dass sich alles wieder einrenkt. Also, sei nicht so kleinlich. Wo wirst du überhaupt hingehen?“

„Das soll nicht deine Sorge sein.“ Ellen hatte sich eine große Reisetasche über die Schulter geworfen und öffnete die Haustür. „Alles andere hole ich später.“

„Ja aber...“ Hilflos sah der Architekt zu, wie sie über den Plattenweg auf einen schwarzen Range Rover ging, an dem ein gut aussehender Mann lehnte. Das dunkle Haar war kurz geschnitten, das Gesicht leicht gebräunt. Zu einer hellen Lederjacke trug er schwarze Jeans. Alles wirkte lässig, zeugte jedoch von Geschmack.

Hans-Jürgen wusste, dass dieser Fremde genau Ellens Typ war – und heiße Eifersucht kochte in ihm hoch. „So ist das also!“, rief er ihr nach. „Du hattest schon einen Ersatz für mich in petto! Und da wagst du es, mir was von Betrug zu erzählen? Heuchlerin!“

Fabian machte ein paar Schritte auf Ellen und den zornigen Hans-Jürgen zu, aber die junge Frau hielt ihn zurück. „Lassen Sie ihn“, bat sie leise. „Er ist es einfach nicht wert. Bringen Sie mich nur rasch weg von hier.“

„Gern.“ Fabian legte fürsorglich den Arm um ihre zarte Gestalt, und Ellen schmiegte sich kurz an ihn. Teils tat sie es aus Berechnung, weil sie Hans-Jürgen eins auswischen wollte, doch es war auch ein höchst angenehmes Gefühl, so nah bei Fabian zu sein.

Sie widersprach nicht mehr, als er sie zurück zu seinem Haus fuhr und ihr das Gästezimmer zeigte. Jetzt war sie müde und erschöpft – und als sie in dem schmalen Bett hoch unterm Dach lag, weinte sie sich in den Schlaf.

Der nächste Tag jedoch zog so strahlend schön herauf, dass Ellen einfach nicht lange traurig sein konnte. Nach dem Frühstück rief sie im Verlag an und erklärte, wo sie in der nächsten Zeit zu erreichen sei. Dann versuchte sie sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren, denn Fabian war zu seinen Recherchen aufgebrochen.

„Worüber schreiben Sie denn zurzeit?", hatte sie gefragt.

„Über ein paar Politiker und ihre Skandälchen", hatte er nur gelacht. „Nichts Wichtiges.“

Doch dass das nicht stimmte, wurde ihr in den nächsten Tagen immer deutlicher. Da gab es Notizen, die Fabian rasch wegräumte, wenn sie in sein Büro kam, da kamen Anrufe, die höchst rätselhaft klangen, und sie fand sogar einen Drohbrief im Papierkorb...

Ellen fröstelte es, als sie die Zeilen las, mit denen man den Adressaten des Briefes einzuschüchtern versuchte. Angst um Fabian erfasste sie – und sie gestand sich ein, dass er ihr bereits sehr viel bedeutete. Viel zu viel, um ihren Seelenfrieden zu stabilisieren. Und viel zu viel, um über diesen Drohbrief hinwegzusehen.

Als Fabian abends heimkam, lag das Schreiben, mühsam geglättet, auf dem Tisch und Ellen fragte:

„Wer will dich töten, Fabian? Was hast du getan, dass dir jemand nach dem Leben trachtet?

*

„Ich kann so nicht weitermachen“, erklärte Ellen, und aus traurigen Augen sah sie Fabian Kettwig an. „Du verheimlichst mir etwas sehr Gravierendes, und das kann ich nicht ertragen. Nicht nach allem, was ich mit Hans-Jürgen erlebt habe!“

„Aber das kannst du doch nicht vergleichen! Ellen, ich bitte dich... es hat wirklich nichts mit dir... mit uns zu tun.“ Beschwörend sah der junge Journalist seine Mitbewohnerin an. Seit Ellen bei ihm war, fühlte er sich wie ins Paradies versetzt. Sie war seine Traumfrau, das hatte er schon gespürt, als er sie nach dem Unfall versorgt und mit zu sich genommen hatte. Aber noch war es zu früh, um ihr das zu gestehen. Sie hatte den Verrat ihres Freundes, des Architekten Hans-Jürgen Schneider, noch nicht verwunden.

Das merkte er daran, wie verstört sie immer war, wenn der gut aussehende Mann wieder einmal versucht hatte, sich mit ihr zu versöhnen. Mit schöner Regelmäßigkeit schickte er Rosen, lauerte Ellen auf, schrieb lange Briefe. Doch sie lehnte es ab, auch nur darüber nachzudenken, ihm zu verzeihen.

„Ich gehe“, stieß sie jetzt hervor. „Ich will einfach weg von hier.“

„Aber ich...“

„Es hat gar nichts mit dir zu tun“, fiel sie Fabian erregt ins Wort. „Nein, doch... es hat wohl was mit dir zu tun. Du bist auch nicht besser als Hans-Jürgen. Dabei hab ich mir eingebildet, wir wären Freunde, zumindest kam es mir so vor. Wir haben uns doch so gut verstanden...“ Sie biss sich auf die Lippen. „Schade. Wieder mal geirrt. Und deshalb gehe ich.“

„Und – wohin willst du?“

„Nach Ischia. Dort lebt meine beste Freundin.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Mach dir keine Sorgen, es wird mir da gut gehen, du brauchst nicht schon wieder den Beschützer rauszukehren. Und zeichnen kann ich zum Glück überall. Mein Laptop ist ebenfalls auch dort einzusetzen.“ Und schon drehte sie sich um und stürmte aus dem Zimmer.

Fabian blieb sekundenlang wie erstarrt stehen. Sein Blick ging zu seinem Computer, auf dem der Bildschirmschoner blinkte, dann hinüber zu dem Stapel Manuskriptpapier, den er seit Tagen vor Ellen versteckte. „Blödmann!“, stieß er dann selbstkritisch hervor, griff nach dem Blatt mit dem verhängnisvollen Drohbrief und hastete Ellen nach.

Sie stand im Wintergarten, starrte hinaus in den blühenden Garten, und am Zucken ihrer Schultern sah er, dass sie weinte.

„Ellen bitte... es ist doch alles ganz anders.“ Er trat dicht hinter sie, sanft umfasste er ihre Schultern und gestand leise: „Dieser Brief... der ist Teil eines Manuskriptes. Ich hab ihn ausgedruckt, weil ich ihn mir in Ruhe anschauen wollte, wenn er wie auf Büttenpapier geschrieben aussah. Dabei ist er nur ein Teil meines neuen Kriminalromans!“ Als Ellen nicht reagierte, fuhr er zärtlich fort: „Glaub mir bitte. Es ist die Wahrheit. So, wie es wahr ist, dass ich mich leidenschaftlich in dich verliebt habe!“

Jetzt drehte sie sich langsam um. Ihre Augen waren groß und ungläubig auf ihn gerichtet. „Stimmt das?“, flüsterte sie.

Er lächelte. „Was meinst du – das mit dem Krimi oder...“

„Dummkopf!“ Fest legte sie ihm die Arme um den Nacken. „Das letztere ist doch viel wichtiger!“

„Ganz meine Meinung“, sagte er noch schnell, dann sprachen sie eine ganze Weile gar nicht.

Erst hinterher, als sie dicht aneinander geschmiegt auf der schmiedeeisernen Gartenbank saßen und den Goldfischen zuschauten, die aufgeregt nach Mückenlarven schnappten, erfuhr Ellen das Geheimnis von Fabian Kettwig...

„Seit fünf Jahren schreibe ich neben meinem Job bei der Zeitung noch Kriminalromane. Kennst du Dorian Wikett?“

„Wer kennt den nicht? Ich hab all seine Romane verschlungen!“ Kaum hatte sie es ausgesprochen, zuckte Ellen zusammen. „Sag jetzt nicht, dass du...“

„Doch. Statt Fabian Dorian, und Kettwig klingt doch umgedreht wie Wikett, oder?“ Er grinste jungenhaft. „Die Spielerei konnte ich mir einfach nicht verkneifen. Aber es hat niemand gemerkt. Und mein Verleger findet es inzwischen ganz spannend, dass ich so ein Geheimnis um meine Herkunft und meine Person mache.“

„Er kennt dich auch nicht?“

„Doch, aber nur er und der zuständige Lektor. Und die beiden sind vertraglich zum Schweigen verpflichtet.“

„Aber warum diese Heimlichtuerei?“, wollte Ellen wissen.

„Das hat zwei Gründe. Erstens hasse ich Presserummel, schließlich weiß ich besser als jeder andere, wie penetrant Reporter fragen können. Und zweitens... dieses Rätselhafte um meine Person war ein guter Werbegag.“ Er zog Ellen fester an sich. „Aber jetzt kein Wort mehr über Dorian. Hier ist Fabian, und er liebt dich über alle Maßen.“

Sie kamen nicht mehr zum Reden an diesem Tag, und es ging schon auf Mitternacht, als Ellen gestand: „Ich möchte trotzdem nach Ischia fliegen. Abstand tut mir bestimmt gut. Wenn ich nur daran denke, dass mir Hans-Jürgen morgen wieder auflauern könnte...“

„Ich werd ihn zur Rede stellen“, versprach Fabian, aber Ellen winkte ab.

„Das bringt nichts. Komm doch lieber mit.“ Sie streichelte zärtlich über seine Schulter, ließ die Finger spielerisch tiefer gleiten. „Es wäre doch herrlich, so ein Liebesurlaub am Meer...“

„Hm...“ Fabian streckte sich lang auf dem Bett aus. „Wenn ich Urlaub einreiche und auch meinen Computer mitnehme, um am Roman weiterzuarbeiten... Aber das müsste ich wirklich tun, ich bin in Termindruck.“

„Na, ich doch auch!“ Ellen richtete sich kurz auf. „Morgens wird konzentriert gearbeitet, nachmittags haben wir frei. Wir erobern die Insel, besichtigen das Castello Aragonese und die Poseidongärten. Dann machen wir Bootsausflüge hinüber nach Capri, schauen uns die blaue Grotte an, schwimmen im Meer, sehen dem berühmten Sonnenuntergang zu...“

„Meine kleine Romantikerin.“ Fabian küsste sie. „Aber der Gedanke ist viel zu verlockend, um ihn nicht in die Tat umzusetzen...“ Er zögerte und fügte dann ehrlich hinzu: „Ich muss aber allein wohnen. Sonst kann ich nicht schreiben.“

„Was?“ Kopfschüttelnd sah Ellen ihn an. „Das ist nicht dein Ernst! Ich hab mir gedacht, wir genießen unser Zusammensein und…“

„Das können wir doch auch“, warf Fabian rasch ein. „Nur zum Arbeiten muss ich allein sein.“

Aber auch das kleine Problem ließ sich rasch klären, nachdem Ellen mit ihrer Freundin telefoniert hatte, und so konnten sich die Frischverliebten unbeschwert auf die Reise freuen.

Die Vorbereitungen waren rasch getroffen, und gerade als Ellen von einem Einkaufsbummel zurückkam, bei dem sie sich drei wunderschöne Sommerkleider und zwei raffinierte Bikinis gekauft hatte, stand plötzlich Hans-Jürgen vor ihr.

„Hier bist du also untergekrochen“, stieß er böse hervor. „Na, da hast du ja keine Zeit verstreichen lassen, dich ins nächste gemachte Nest zu setzen!“

Ellen schob ihn zur Seite. „Lass mich einfach in Ruhe, Hans-Jürgen“, sagte sie. „Wir haben nichts mehr miteinander zu tun. Und deshalb hat es dich auch nicht zu interessieren, wo und mit wem ich lebe.“

„Und ob mich das interessiert!“ Mit drei langen Schritten war er bei ihr und zog sie in die Arme. „Ich liebe dich nämlich! Nur dich allein! Wir gehören zusammen, und deshalb kommst du jetzt wieder mit nach Hause!“

Ellen versuchte sich aus seiner Umklammerung zu befreien. „Du tust mir weh“, zischte sie.

Zögernd nur ließ er sie los. „Komm zurück“, bat er. „Ich tu alles, was du willst. Ich heirate dich auch. Stell dir nur vor… ein weißes Brautkleid, Rosen im Arm… Von mir aus kannst du auch die Villa umbauen. Das dunkle Wohnzimmer kann ich ganz neu gestalten und…“

„Zu spät“, sagte Ellen leise, und eine vage Traurigkeit erfasste sie. „Es ist einfach zu spät, Hans-Jürgen. Ich kann dir zwar verzeihen, dass du mich betrogen hast, doch vergessen kann ich es nie. Und das ist keine Basis. Außerdem hab ich mich in Fabian verliebt. Er ist ein wundervoller Partner.“

Kaum hatte sie es ausgesprochen, zuckte sie zusammen, denn dieses Geständnis überraschte sie selbst. So offen hatte sie sich nicht mal in ihren geheimsten Gedanken mit ihren Gefühlen befasst. Aber jetzt war es gesagt, und ein ungeahntes Glücksgefühl breitete sich in Ellen aus.

„Ich hasse dich!“, zischte Hans-Jürgen und drehte sich um. „Du bist für mich gestorben!“

Ellen zuckte mit den Schultern. Wenn es ihm half, die Trennung besser zu verarbeiten, wenn er zornig auf sie war – damit konnte sie leben!

Schon drei Tage später flogen sie nach Neapel, von wo sie mit der Fähre nach Ischia übersetzten.

Die Insel im Golf von Neapel empfing die Reisenden mit strahlend schönem Wetter. Begeistert sah Fabian sich um. „Dieses Fleckchen Erde ist wirklich das Meisterwerk Gottes, wie es ein Literatur-Nobelpreisträger mal genannt hat“, meinte er.

Ellen lachte. „Das sehen die Einheimischen wahrscheinlich nicht so. Sie haben ganz schön zu kämpfen, denn vom Glanz und Ruhm dieses Ferienparadieses ist nicht mehr allzu viel vorhanden. Vor zwanzig, dreißig Jahren verkehrte hier die High Society, jetzt kommen Pauschaltouristen und kuren hier in den heilenden Thermen.“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und winkte einer schlanken jungen Frau in einem maisgelben Leinenkleid zu, die soeben mit ihrem Wagen direkt an die Hafenmole fuhr. „Da ist Miriam! Hallo, Miriam! Hier sind wir!“

Das Stimmengewirr ringsum war ohrenbetäubend, und doch schien die Freundin Ellens Rufen gehört zu haben, denn sie hob winkend die Hand.

Eine knappe halbe Stunde später betraten Ellen und Fabian die Villa Miriam, einen ganz mit wildem Wein bewachsenen Bungalow in der Bucht von St. Angelo.

„Fühlt euch ganz wie zu Hause“, sagte Miriam. „Ich bin so froh, dass ich mal ein bisschen Abwechslung habe!“

Ellen lachte. „Sind dir die Touristen nicht genug, mit denen du tagtäglich zu tun hast?“ Miriam war Direktionsassistentin in einem der ersten Hotels des Ortes, sie arbeitete hart, doch stets mit Freude.

„Du weißt doch, ich liebe meinen positiven Stress“, sagte sie denn auch prompt. „Aber es ist bestimmt herrlich, heimzukommen und von euch empfangen zu werden.“

„Ich bedanke mich ganz besonders für die Einladung“, sagte Fabian. „Sie sind sehr großzügig, dass Sie mir erlauben, tagsüber hier zu sein.“

„Und gleich böse, wenn du mich weiterhin siezt.“ Ellen wies auf die Terrasse, von der aus man einen herrlichen Blick aufs Meer hinaus hatte. „Gleich kommt der Begrüßungs-Champagner.“

Sie tranken sich zu, und Miriam fuhr fort: „Es tut mir Leid, Fabian, dass hier so wenig Platz ist und du deshalb im Hotel wohnen willst.“

„Will ich ja gar nicht“, lachte er. „Ich hab mir das Zimmer in dem kleinen Hotel am Hafen nur gemietet, damit ich ein paar Stunden ungestört arbeiten kann. Dazu brauche ich nämlich totale Ruhe – und Ellen würde mich nur ablenken.“

„Lügner!“ Ellen schüttelte amüsiert den Kopf. „Ich bin konzentriertes Arbeiten gewöhnt und störe dich bestimmt nicht.“

Doch Fabian blieb bei seiner Entscheidung, dass er zwar gern in der Villa Miriam wohnte, doch zum Arbeiten ins Hotel ging. „Ich bin da ein bisschen eigen“, sagte er entschuldigend. „Aber es ist wirklich so – wenn jemand mit im Raum ist, kann ich keine Zeile zu Papier bringen.“

„Ich kann mit dem Arrangement gut leben“, versicherte Ellen, und dann erzählten sie und Miriam sich erst mal eingehend von dem letzten Jahr, in dem sie sich nicht gesehen und auch nur selten telefoniert hatten.

Fabian ließ die Freundinnen allein, er schlenderte ein wenig durch den Ort, der als einer der schönsten der Insel galt und machte im Geist schon eine Skizze für einen neuen Roman, der genau hier spielen sollte. War nicht drüben in Neapel die Hochburg der Mafia? Hatten die Paten nicht auf Ischia ihre schönsten Ferienvillen?

Es mochten Gerüchte oder gar Falschinformationen sein – auf jeden Fall war die Idee gut, die er hatte, und er beschloss sie sogleich zu notieren.

Also ließ er sich auf einer Bank im Schatten hoher Bougainvilleahecken nieder und notierte sich die wichtigsten Dinge. Er wurde erst abgelenkt, als sich eine attraktive junge Frau neben ihn setzte.

„Wie kann man in dieser herrlichen Gegend nur so konzentriert arbeiten!“, lachte sie. „Typisch für uns Deutsche!“

Fabian hob den Kopf. „Stimmt. Aber es ist keine Arbeit, sondern Hobby. Und ich höre auch schon auf.“ Er steckte den Notizblock ein und lächelte höflich. „Sie machen hier Urlaub?“

„Ein bisschen. Vier Tage Ferien, dann beginnt für mich die Arbeit.“ Die junge Frau lehnte den Kopf zurück und schloss die Augen, die von einem fast unnatürlichen Grün waren. „Herrlich, mal ganz ungestört zu sein.“

„Ich bin schon weg“, lachte Fabian.

Sie hielt ihn spontan am Arm fest. „So war das wirklich nicht gemeint. Bitte entschuldigen Sie. Schließlich waren Sie zuerst hier.“

„Kein Problem. Ich muss jetzt wirklich los, ich werde erwartet.“ Er nickte der attraktiven jungen Frau, die ihm irgendwie bekannt vorkam, höflich zu. „Noch eine schöne Zeit.“

„Danke, Ihnen auch.“

Fabian schlenderte zurück zur Villa Miriam. Die junge Deutsche mit den grünen Katzenaugen hatte er schon wieder vergessen...

Unterdessen hatten sich die beiden Freundinnen das Wesentlichste aus den vergangenen Monaten erzählt. Miriam war bis vor einem Jahr mit einem italienischen Modeschöpfer liiert gewesen, seinetwegen hatte sie die Heimat verlassen und war nach Ischia gezogen. Er aber hatte erst nach einem Jahr gestanden, dass in Rom seine Frau und seine zwei Kinder lebten.

„Es war ein Schock, aber es ist schon vergessen. Ich hab erst mal von Männern und der Liebe die Nase voll. Arbeit ist das Schlagwort. Ich bin wild entschlossen, in spätestens zwei Jahren die Leitung unseres Hotels zu übernehmen. Mein Chef ist fast sechzig, herzkrank und liebäugelt mit dem Ruhestand. Was Besseres kann mir nicht passieren.“ Sie goss noch einmal die Gläser voll und meinte dann zu Ellen: „Gut, dass du diesen arroganten Architekten in den Wind geschossen hast. Was bildet der Kerl sich eigentlich ein? Betrügt dich, kaum dass du mal aus dem Haus bist.“

„Es war sein Haus“, wandte Ellen leise ein.

„Na und? Aber er hat mit dir dort gewohnt, er hat behauptet dich zu lieben...“

„Das hat er wohl auch wirklich getan. Aber mit Einer allein kam er eben nicht aus. Hans-Jürgen braucht seine Selbstbestätigung. Er ist nur glücklich, wenn er Mittelpunkt allen Interesses ist. Und wenn er sich als Frauenheld beweisen kann.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Schnee von gestern. Ich hab ihn wirklich schon fast vergessen. Fabian ist so ganz anders... lieb und zärtlich, romantisch und sensibel. Ich bin sicher, dass ich mit ihm für lange, lange Zeit glücklich werden kann.“

Miriam umarmte die Freundin. „Ich wünsch dir alles Glück der Welt. Und jetzt komm, ich hab drei frische Doraden mitgebracht. Du kannst mir beim Kochen helfen.“

Während sie aßen und dazu einen trockenen Weißwein tranken, versank die Vergangenheit. Deutschland war weit – und alle Probleme.

Vier Tage waren sie schon auf Ischia, als Fabian am Hafen erneut der schönen Deutschen mit den Katzenaugen begegnete. Sie war von einem ganzen Kamerateam umgeben, erhielt soeben vom Regisseur Anweisungen und schien ihn gar nicht wahrzunehmen.

Spontan blieb Fabian stehen und reihte sich in die Schar der Touristen ein, die dem Geschehen am Hafen fasziniert zuschauten.

„Das ist doch Janine Johnsen, der Star von „Verratene Herzen“, sagte eine Frau begeistert. „Dass ich die hier treffen würde… super ist das!“

Fabian überlegte. Den Namen hatte er schon gelesen, wenn er auch die Daily Soap, in der die grünäugige Janine mitspielte, noch nie gesehen hatte.

In diesem Moment entdeckte ihn die schöne Schauspielerin und winkte ihm zu. Fabians Herzschlag beschleunigte sich…

*

Fabian Kettwig trat einen Schritt zurück, sekundenlang hatte er das Bedürfnis, einfach davonzulaufen. Im Unterbewusstsein ahnte er wohl schon, dass mit Janine Unruhe in sein Leben treten würde.

„Hallo!“ Jetzt sagte die schöne Schauspielerin etwas zum Regisseur, der daraufhin die Szene abbrach und eine kurze Pause ausrief.

Janine bahnte sich einen Weg zu Fabian. „Schön, dass wir uns wiedersehen“, sagte sie und lächelte ihn an. „Interessieren Sie sich für meine Arbeit? Wenn Sie wollen, kann ich Sie mit ein paar anderen Schauspielern bekannt machen.“

Fabian schüttelte lächelnd den Kopf. „Danke, das ist wirklich nicht nötig. Ich kam nur zufällig vorbei und hab eine Weile zugeschaut.“

„Sehen Sie meine Serie regelmäßig?“, erkundigte sich Janine kokett.

Kurz zögerte Fabian, dann entschloss er sich, der Wahrheit den Vorzug vor einer höflichen Lüge zu geben. „Nein, ehrlich gesagt kenne ich sie gar nicht. Ich... ich hab nicht viel Zeit zum Fernsehen schauen.“

„Schade.“ Janine zog einen Schmollmund, doch gleich hatte sie sich wieder in der Gewalt. „Dann könnten wir uns doch mal treffen und ich erzähle Ihnen ein bisschen vom Dreh. Haben Sie Lust?“ Sie streichelte wie selbstvergessen seinen Arm, und Fabian spürte kleine Schauer der Erregung durch seine Adern fließen. Diese Frau war ein Vamp, eigentlich gar nicht sein Typ, und doch...

„Es ist ziemlich langweilig hier für mich“, fuhr Ellen fort. „Die Leute vom Team kenne ich schon ewig, die reden nur über den Job, keine interessiert sich für die Insel, für die Landschaft... und dafür, wie es mir geht.“ Sie biss sich auf die Lippen. „Dabei bin ich ziemlich einsam, und das tut mir gar nicht gut.“

Fabian lachte. „Es finden sich bestimmt jede Menge Männer, die Ihnen nur zu gern die Zeit vertreiben.“ Er zögerte, dann fuhr er fort: „Ich bin mit meiner Freundin hier, wir wollen beide für eine Weile kreativ hier arbeiten.“

So, das genügte wohl, um der offenbar recht unternehmungslustigen Schauspielerin die Lust an einem Flirt mit ihm zu nehmen!

Janine jedoch war von dem spröden, gut aussehenden Mann begeistert. Ihn, und nur ihn wollte sie haben! Und sie hatte noch jeden bekommen, den sie wollte! Fabian Kettwig würde da keine Ausnahme bilden!

Doch zunächst zog sie sich zurück. „Dann wünsche ich viel Erfolg. Ich muss jetzt auch wieder los. Bis bald – vielleicht.“ Ehe Fabian sich versah, spürte er ihre Lippen auf den seinen, dann war Janine auch schon wieder zum Drehort zurückgelaufen.

Ein wenig verwirrt griff sich der junge Mann an den Mund, schüttelte lächelnd den Kopf und verließ den Hafen, um zur Villa Miriam zurückzukehren. Ein bisschen überdreht war diese Janine, das musste man einfach nicht so eng sehen...

In der Villa traf er nur Ellen an, die gerade drei große Illustrationen auf der Erde ausgebreitet hatte und kritisch begutachtete. Dann trat sie an ihren Arbeitstisch, verglich die drei Zeichnungen mit einer vierten, an der sie gerade arbeitete, brachte noch ein paar kleine Korrekturen an und war dann endlich zufrieden.

„Wunderschön sind die“, kommentierte Fabian, umarmte Ellen und küsste die zarte Haut ihres Nackens. „Du bist eine Künstlerin.“

„Ach was, eine bessere Gebrauchsgrafikerin, das ist alles.“ Sie schmiegte sich kurz an ihn. „Aber ich bin ganz zufrieden mit dem heutigen Pensum. Was ist mit dir? Bist du weitergekommen?“

„Ja, das schwierigste Kapitel meines Romans ist fertig.“ Fabian lachte. „Jetzt muss der Mord an einem Kaufhauskönig nur noch aufgeklärt werden – aber damit fange ich morgen an. Heute wird gefaulenzt. Was hältst du von einem Ausflug?“

„Wohin?“, wollte Ellen wissen, die sich eingestand, dass ihr eine Pause ganz gut tun würde.

„Lass dich überraschen. Ich hab da eine Idee...“

Eng umschlungen schlenderten sie wenig später durch die Gassen des Ortes, doch ganz bewusst wählte Fabian nicht den direkten Weg zum Hafen, sondern machte einen kleinen Umweg, bis sie eine südlich gelegene Bucht erreichten. Hier hatten ein paar Fischer ihre Boote liegen, und eines von ihnen wartete auf sie!

„Meine Überraschung!“ Fabian half Ellen in das blau und rot lackierte Boot, wechselte ein paar italienische Brocken mit dem alten Fischer, dann tuckerte der Kahn auch schon los.

„Willkommen auf meiner Yacht“, lachte Fabian. „Ich habe sie für den Rest des Nachmittags gemietet – wir machen eine private Inselumrundung.“

Der Fischer, dessen Gesicht von unzähligen Falten durchzogen war, hatte ihnen zwei Matten zurechtgelegt, auf denen sie sich sonnen konnten. Und so umfuhren sie die Insel, sahen sich vom Meer her die bekanntesten Orte an und genossen den Blick auf den Epomeo, den höchsten Berg der Insel.

„Da müssen wir unbedingt mal hochsteigen“, meinte Ellen.

„Ja, und dann anschließend in die Poseidongärten gehen. Sie sind einmalig schön.“ Fabian beugte sich vor und küsste verliebt Ellens Schulter. „Wir haben bisher einfach zu viel gearbeitet. Es wird Zeit, dass wir uns intensiver dem Vergnügen widmen.“

„Ach nein!“ Sie lachte auf. „Wer stöhnt denn immer, dass er mit dem Roman nicht fertig wird und von seinem Verleger gedrängt wird? Ich bin in der Zeit mit meinen Illustrationen!“

Fabian seufzte komisch verzweifelt auf. „Du hast einfach kein Herz! Ich bin verliebt! Rasend verliebt! Da kann ich mich einfach nicht auf Mord und Totschlag konzentrieren!“

Ellen strich ihm zärtlich übers zerzauste Haar. „Dann denk nicht so oft an mich.“

„Wie könnte ich das!“ Fabian zog sie inniger an sich, und der alte Fischer drehte sich diskret zur Seite. Er hatte das Paar aus Deutschland gerade auf einen Felsen aufmerksam machen wollen, den die Einheimischen „den Adler“ nannten, doch die beiden hatten wohl jetzt wenig Sinn für bizarre Felsformationen...