Glücksrad - Lilac Mills - E-Book

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Lilac Mills

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Beschreibung

Bonjour Amour.

Physiotherapeutin Molly Matthews steht vor einer wichtigen Entscheidung: Soll sie den angeblichen Traumjob annehmen und ein Profiradteam zur Tour de France begleiten? Nur zögernd willigt sie ein und die Realität erweist sich dann wirklich ganz anders als erwartet: Statt idyllischer Abende in französischen Restaurants und entspannter Freizeit am Hotelpool, ist Molly gezwungen, drei Wochen lang aus dem Koffer zu leben und ist als Physiotherapeutin im Dauereinsatz. Als ob das nicht schon genug wäre, lässt Radprofi Alexander Duvall ihre Gedanken einfach nicht mehr los ...

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Liebe Leserin, lieber Leser,

Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.

Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

Bonjour Amour.

Physiotherapeutin Molly Matthews steht vor einer wichtigen Entscheidung: Soll sie den angeblichen Traumjob annehmen und ein Profiradteam zur Tour de France begleiten? Nur zögernd willigt sie ein und die Realität erweist sich dann wirklich ganz anders als erwartet: Statt idyllischer Abende in französischen Restaurants und entspannter Freizeit am Hotelpool, ist Molly gezwungen, drei Wochen lang aus dem Koffer zu leben und ist als Physiotherapeutin im Dauereinsatz. Als ob das nicht schon genug wäre, lässt Radprofi Alexander Duvall ihre Gedanken einfach nicht mehr los ...

Über Lilac Mills

Lilac Mills lebt mit ihrem sehr geduldigen Ehemann und ihrem unglaublich süßen Hund auf einem walisischen Berg, wo sie Gemüse anbaut (wenn die Schnecken sie nicht erwischen), backt (schlecht) und es liebt, Dinge aus Glitzer und Kleber zu basteln (meistens eine Sauerei). Sie ist eine begeisterte Leserin, seit sie mit fünf Jahren ein Exemplar von Noddy Goes to Toytown in die Hände bekam, und sie hat einmal versucht, alles in ihrer örtlichen Bibliothek zu lesen, angefangen bei A und sich durch das Alphabet gearbeitet. Sie liebt lange, heiße Sommer- und kalte Wintertage, an denen sie sich vor den Kamin kuschelt. Aber egal wie das Wetter ist, schreibt sie oder denkt über das Schreiben nach, wobei sie immer an herzerwärmende Romantik und Happy Ends denkt.

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Lilac Mills

Glücksrad

Aus dem Amerikanischen von Dorothea Kallfass

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Grußwort

Informationen zum Buch

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Widmung

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Nachwort

Impressum

Lust auf more?

Für Catherine Mills, weil du es mit mir aushältst.

Danke für deinen unschätzbaren Rat. Und das von jemandem, der sich kein bisschen für Rennradsport interessiert!

XXX

1

Molly wusch sich sorgfältig die Hände, ehe sie den nächsten Patienten aufrief. Während sie sich die Hände mit einem Papiertuch abtrocknete, scannte sie rasch mit einem Blick den Behandlungsraum. Alles war sauber und ordentlich. Danach überprüfte sie ihre Arbeitskleidung. Auch tadellos. Ein professionelles Auftreten war ihr wichtig; sie konnte keine Flecken auf ihrer weißen Tunika gebrauchen.

Sie überflog die Patientendaten, die ihre Sprechstundenhilfe Sue bereits aufgenommen hatte – Unterarmbruch, sowohl Elle als auch Speiche –, dann war sie so weit.

»Herr Duvall?«, rief Molly und streckte den Kopf ins Wartezimmer.

Ein großer, schlanker Mann Ende zwanzig stand auf und lächelte sie unsicher an. »Das bin ich.«

Molly streckte die Hand nach dem Formular aus, das jeder neue Patient ausfüllen musste, nahm es an sich und stellte sich vor: »Hallo, ich bin Molly Matthews und heute ihre behandelnde Physiotherapeutin. Hier entlang.« Während sie ihn durchließ, las sie mit geübtem Blick das Formular. »Wie ich sehe, haben Sie sich das Handgelenk gebrochen. Wie ist das passiert?«, fragte sie, als sie ihn in den Behandlungsraum führte. Die Umstände waren nicht behandlungsrelevant, doch ihr war es wichtig, gut mit ihren Patienten auszukommen, und da wirkte ein wenig Smalltalk oft Wunder.

»Bin gestürzt«, antwortete er kurz angebunden.

»Vom Motorrad?«

»Vom Fahrrad.«

»Ist noch mehr passiert?«, fragte sie und bedeutete ihm, sich zu setzen.

»Das Rad ist komplett hinüber«, presste er hervor. »Dieser dämliche Kerl ist voll drübergefahren.«

Molly sah ihn scharf an. »Ich meinte damit, ob Sie weitere Verletzungen erlitten haben. Und, Herr Duvall, besser das Rad ist hinüber als Sie.«

»Nennen Sie mich Alex. Und das mit dem Rad regt mich furchtbar auf.«

»Bei Halfords gibt es gerade welche im Angebot«, sagte sie. »Vielleicht könnten Sie dort günstig –«

Sie unterbrach sich, weil er verächtlich schnaubte und sie ungläubig anstarrte.

Leicht verunsichert entschied sie, sich besser nur auf die Verletzung zu konzentrieren. »Na schön.« Sie atmete einmal tief durch und nahm das Formular zur Hand. Keine Allergien, keine gesundheitlichen Probleme, er nahm keine Medikamente, hatte sich in der Vergangenheit jedoch bereits Schlüsselbein und Becken gebrochen sowie die Schulter ausgerenkt. Molly hätte gerne gefragt, wie es zu so vielen Verletzungen gekommen war, doch das ging sie nichts an, schließlich war er nicht deswegen hier. Er brauchte Physiotherapie wegen seiner Handgelenksfraktur.

Also überprüfte sie die nächsten Minuten den Bewegungsradius vom Gelenk sowie Finger- und Armstärke.

»Wann wurde der Gips entfernt?«

»Gestern«, antwortete er.

Wow, da hatte er mit der Nachbehandlung nicht lange gefackelt, dachte Molly.

»Sie werden wahrscheinlich den leichten Muskelschwund im Bereich des Oberarms bemerkt haben, das wird ein paar Wochen dauern. Eventuell ist auch die Schultermuskulatur beeinträchtigt«, sagte sie. »Wenn Sie bitte den Oberkörper freimachen würden.«

Alex knöpfte sich das Hemd auf und streifte es sich über den Kopf.

Molly hielt kurz inne. Der Mann hatte nicht ein Gramm Fett am Körper. Er bestand nur aus definierten Muskeln. Die Bauchmuskulatur zeichnete sich deutlich ab, auch die Rippenbögen waren klar erkennbar, die Brust glatt rasiert. Doch was ihren Blick fesselte, waren die drei leichten Erhebungen am Schlüsselbein. Drei separate Brüche.

Molly trat hinter ihn und bemerkte einen etwas dunkleren Hautfleck an der Schulter. Eine weitere verheilte Wunde. Ihr Interesse war geweckt. Wie hatte er sich bloß so viele Verletzungen zugezogen?

»Tut mir leid, falls meine Hände etwas kalt sind«, sagte sie, legte beide Hände auf seine Haut und ignorierte, dass er dabei leicht zusammenzuckte. Sie betastete den Trapezmuskel und den Deltoideus. Beide waren steinhart. Hart und voller Blockaden. »Bevor wir mit den Übungen beginnen, würde ich gerne versuchen, die Schultermuskulatur ein wenig zu lockern. Ist das für Sie in Ordnung?«

Er nickte, schlüpfte aus den Turnschuhen und ging zur Behandlungsliege, auf die er sich ohne weitere Anweisungen von ihr mit dem Gesicht nach unten hinlegte. Er machte das offensichtlich nicht zum ersten Mal.

Molly legte ihm ein Handtuch über die Hüfte, um die Jeans zu schützen, verrieb ein wenig Massageöl zwischen den Händen und machte sich an die Arbeit. Obwohl sie mit ihren knapp einssechzig Metern recht klein und zierlich war, besaß sie viel Kraft in den Händen. Als sie die Finger in den Muskeln vergrub, stöhnte Alex vor Schmerz auf. Sie nahm sich zuerst den Bereich rund ums Schulterblatt vor, ertastete die vielen Knoten und bearbeitete sie beharrlich. Alex zuckte bei jedem Knacken zusammen, doch darauf konnte sie keine Rücksicht nehmen. Ehe sie sich dem Handgelenk widmete, musste sie hier so viel muskuläre Verspannung wie möglich lösen. Und nach den teilweise ebenfalls ziemlich schmerzhaften Handgelenksübungen würde sie die Schulter erneut massieren.

Manche Physiotherapeutinnen und -therapeuten behandelten nur die direkt betroffene Stelle und vernachlässigten die der Verletzung anhängende Muskulatur. Aber Molly hatte wieder und wieder die positiven Auswirkungen gesehen, die ihr Vorgehen hatte. Das war auch einer der Gründe dafür, dass sie stets ausgebucht war. Und dass sich Finley, der Besitzer der Praxisräume, ständig beschwerte, sie würde die Behandlungszeit überziehen.

Finley war weder ein schlechter Physiotherapeut noch ein schlechter Chef, aber ihm war wichtig, dass sie profitabel arbeiteten. Was Molly natürlich nachvollziehen konnte. Gleichzeitig wollte sie jedoch auch ihren Patientinnen und Patienten die bestmögliche Behandlung bieten, und manchmal dauerte das eben zwanzig Minuten länger.

Die Massage war vorerst beendet. Sie tupfte das überschüssige Öl vom Rücken und bat ihren Patienten, sich aufzusetzen.

Er rollte die Schultern und dehnte den Nacken. »Sehr gut«, murmelte er. »Viel besser.« Er sah lächelnd zu ihr auf: »Kann ich Sie mit nach Hause nehmen?«

Molly schenkte ihm ein professionelles Lächeln. Wenn er wüsste, wie oft sie exakt den Satz zu hören bekam …

Die restliche Behandlungszeit widmete sie sich Handgelenk und Fingern, was sehr schmerzhaft sein musste. Alex ließ allerdings nicht einmal ein leises Seufzen hören, erduldete nur stoisch, wie sie Arm, Finger und Handgelenk hin und her bog und drehte. Dann ließ sie ihn allein ein paar Übungen ausführen. Nachdem sie die abschließende Massage beendet hatte, spulte sie die altbewährte Ansprache darüber ab, dass Physiotherapie nur dann effektiv war, wenn der Patient zu Hause mitarbeitete, weil sie hier begrenzt Zeit zur Verfügung hatten. »Ich möchte, dass Sie diese Übungen täglich dreimal wiederholen«, fügte sie hinzu. »Nicht mehr als fünf Wiederholungen in den ersten drei Tagen, dann können Sie langsam steigern bis hin zu maximal zehn Wiederholungen.«

Er legte die Stirn in Falten.

»Keine Sorge, ich werde alles für Sie ausdrucken, Sie müssen sich das nicht alles merken.«

Er sah sie weiterhin grimmig an.

»Stimmt etwas nicht?«, fragte sie.

»Wann kann ich wieder Rennen fahren?«

»Rennen?«

»Wann kann ich wieder antreten?«

»Es tut mir leid, bei was genau antreten?«

»Bei einem Radrennen.« Er sagte das so, als sei Molly leicht begriffsstutzig.

»Ah ja, verstehe. Nun, es könnte mehrere Wochen dauern, bis Sie wieder auf dem Rad sitzen …«, fing sie an.

»Ich sitze wieder auf dem Rad«, unterbrach Alex sie. »Na ja, mehr oder weniger. Es ist nicht mein eigenes und ich trainiere auch nur auf dem Turbo«, fügte er hinzu.

»Auf dem Turbo?« Molly hatte keine Ahnung, wovon er redete. Und was meinte er damit, er säße wieder auf dem Rad? Mit einem kaum ausgeheilten Handgelenk konnte er unmöglich den Lenker halten.

»Der Turbo ist ein Trainingsgerät«, erklärte er. »Damit kann man drinnen Radfahren. Er wird hinten am Fahrrad befestigt und klemmt den Rahmen ein. Ich schaue mir dabei Echtzeitaufnahmen der Tour in meinem Wohnzimmer an. Es ist das Einzige, was mich nicht durchdrehen lässt. Dieser verdammte Autofahrer.«

»Oh.« Molly verstand immer noch nur Bahnhof.

Er sah ihr wohl an, wie verwirrt sie war, denn nachdem er sich sein Hemd von der Stuhllehne gegriffen hatte, sagte er: »Ich bin Profirennsportler. Eine Trainingspause kann ich mir nicht leisten, also war ich, sobald ich den Gips hatte, auf dem Turbo, um wieder fit zu werden. Das entspricht natürlich nicht annähernd dem echten Training draußen, es ist mehr eine Notlösung. Aber jetzt, wo der Gips ab ist, kann ich ja endlich wieder aufs Rad.«

Molly beäugte ihn misstrauisch. »Sie meinen jetzt dieses Turbo-Ding, richtig? Darauf wollen Sie weiter trainieren?«

Alex schüttelte den Kopf. Er knöpfte den letzten Hemdknopf zu und schlüpfte in die Turnschuhe. »Nein. Draußen, auf der Straße.«

»Aber Sie können den Lenker gar nicht richtig halten«, wandte sie ein.

»Ich werde es langsam angehen lassen, versprochen. Am schlimmsten wird es sein, von einem Gang in den anderen zu schalten.«

»Aber … aber … so kann das Handgelenk weiteren Schaden nehmen, außerdem ist es extrem schmerzhaft und –« Sie wollte gefährlich hinzufügen, aber da unterbrach Alex sie erneut.

»Dafür gibt es schließlich Schmerzmittel«, sagte er. »Also, wann kann ich wieder Rennen fahren?«

»Äh …« Molly fehlten die Worte. Sie hatte natürlich schon Sportler behandelt, aber dieser Alexander Duvall war offenbar ein Fall für sich. »Sagen Sie es mir«, erwiderte sie scharf. »Sie werden meiner Empfehlung ohnehin nicht nachkommen.«

»Ich muss in drei Wochen unbedingt renntauglich sein«, sagte er.

»Warum gerade in drei Wochen?«

»Wegen der Tour.«

Er hatte eben schon irgendeine Tour erwähnt, aber sie wusste nicht, was er damit meinte.

»Was für eine Tour?«, fragte sie also.

»Le Tour de France – die größte, wichtigste und prestigeträchtigste Tour im Radsport.« Er hielt kurz inne, dann hellten sich seine Gesichtszüge auf und er sah sie mit breitem Lächeln an. »Und ich bin dabei! Ich! Der seltsame Junge aus Spetchley, der sich die Beine rasiert und jede freie Sekunde auf dem Rad hängt. Wer hätte das gedacht?«

Molly betrachtete ihn verblüfft. Das Lächeln hatte ihn von einem sehr ernsthaften, eher strengen in einen ziemlich gut aussehenden Mann verwandelt, leidenschaftlich und voller Begeisterung.

Doch der begeisterte Gesichtsausdruck verflog ebenso schnell, wie er gekommen war, und Alex sah sie düster an. »Aber nur, wenn ich fit bin«, fügte er hinzu. »Greg nimmt mich nur ins Team, wenn ich hundertprozentig wieder auf dem Damm bin. Es ist erst meine dritte große Tour, ich bin der zweite Mann für Tim Anderson. Das darf ich einfach nicht verpassen.«

Molly wusste nicht, was zweiter Mann bedeutete, aber offensichtlich war es ihrem Patienten sehr wichtig.

»Meinen Sie das ernst?«, fragte sie.

Er schaute sie ungläubig an.

»Schon gut, ich sehe, das tun Sie«, fügte sie rasch hinzu, »aber wenn Sie in so kurzer Zeit wieder renntauglich sein wollen, wird es mehr als die paar Übungen brauchen.«

»Die Beine sind fit«, sagte er, »jedenfalls so gut wie, aber ich muss mehr Zeit auf der Straße verbringen. Und in gut zwei Wochen muss ich drüben sein.«

»Mit drüben meinen Sie Frankreich, nehme ich an?«

Er nickte.

»Also habe ich etwa vierzehn Tage?«

Wieder ein Nicken.

Sie nagte nachdenklich an der Unterlippe und wägte alle Möglichkeiten ab. Ach, zum Teufel, warum nicht? Sie hatte ihre Entscheidung getroffen. »Ich will Sie hier morgen früh um Punkt sieben Uhr wiedersehen. Schaffen Sie das?«

Er starrte sie mit großen Augen an. Ein hübsches helles Braun, lange Wimpern. Sehr schöne Augen. Die ihr gerade nicht verrieten, was dem Besitzer durch den Kopf ging.

Als er nicht antwortete, traf sie eine folgenschwere Entscheidung, die sie den Job kosten könnte, sollte Finley davon erfahren.

»Sie müssen nichts bezahlen«, sagte sie, weil sie davon ausging, dass er wegen der höheren Behandlungskosten zögerte. Private Physiotherapiestunden waren nicht gerade billig.

Er sagte immer noch nichts. Wahrscheinlich, weil er so geschockt war, mutmaßte Molly, da er die Augen noch ein Stückchen weiter aufriss.

»Außerdem möchte ich Sie zusätzlich jeden Abend um halb sieben sehen«, sagte sie. Ihr letzter Behandlungstermin war um fünf. Wenn sie etwas länger dablieb und Papierkram erledigte, dann … Das könnte gehen. Außer Finley arbeiteten noch zwei weitere Kollegen in der Praxis, ein Chiropraktiker und ein Sporttherapeut, aber die verabschiedeten sich immer pünktlich in den Feierabend, genau wie Sue, die Sprechstundenhilfe. Morgen und übermorgen hatte Finley frei, also musste sie sich um ihn vorerst keine Gedanken machen.

»Sind Sie sicher?«, fragte Alex nach einer mittlerweile recht unangenehm langen Gesprächspause.

»Ja. Es bedeutet Ihnen offensichtlich sehr viel.«

»Sie werden keine Schwierigkeiten bekommen, weil Sie mich umsonst behandeln?«

»Nicht, solange ich mich nicht erwischen lasse.« Sie lächelte ihn an.

»Vielen Dank.« Er schien tief bewegt. »Das ist das Netteste, das je jemand für mich getan hat.«

»Ach …« Molly wurde rot.

»Dann sehe ich Sie morgen früh. Punkt sieben.«

»Kommen Sie nicht zu spät«, warnte sie.

»Das werde ich nicht. Und danke noch mal.«

Ohne Vorwarnung beugte er sich vor, packte sie an den Oberarmen und küsste sie auf beide Wangen.

Molly erstarrte.

»Herrje, tut mir leid«, sagte er, doch es klang nicht wirklich überzeugend. »Das kommt davon, wenn man zu viel Zeit mit Italienern verbringt.«

Und mit diesem kryptischen Kommentar war Alexander Duvall auch schon aus der Tür.

Molly legte unwillkürlich den Finger an ihre Wange und sah ihm mit einem verträumten Lächeln hinterher.

2

Für gewöhnlich saß Molly um sieben Uhr morgens an ihrem Küchentisch, hörte Nachrichten und starrte in eine Tasse Kaffee, während sie versuchte, sich zu einer Dusche aufzuraffen.

Doch an diesem Morgen schloss sie die Tür der Praxis auf und huschte mit ihrem Milchkaffee und einer Tüte Croissants hinein. Seltsamerweise freute sie sich auf ihren ersten Termin, obwohl sie nichts daran verdiente und es sehr, sehr früh war.

Nur wenige Augenblicke, nachdem sie den Mantel ausgezogen und den Kaffee zur Hälfte hinuntergestürzt hatte, hörte sie die Tür erneut ins Schloss fallen. Schnell warf sie einen Blick zur Tür und stellte erleichtert fest, dass es nur Alex in voller Radlermontur war. Gerade manövrierte er ein grellbuntes Rennrad durch den Empfangsbereich. Sie konnte nur heilfroh sein, dass keiner ihrer Kollegen heute zufällig früher zur Arbeit gekommen war.

»Ist es hier sicher oder soll ich es mit reinnehmen?« Alex deutete auf den Behandlungsraum mit Mollys Namen an der Tür. »Ich will nicht, dass es geklaut wird. Ich habe es gerade erst bekommen.«

»Guten Morgen«, sagte Molly trocken. »Schickes Fahrrad. Ich werde die Tür abschließen, ja? Dann sollte es im Wartezimmer sicher sein.«

»Das wäre großartig«, sagte er und hielt inne. »Und, genau, guten Morgen. Ja, BeSpoke, also mein Team, hat mir ein neues Rad gestellt. Mussten sie ja, wenn ich am Rennen teilnehmen soll. Das andere werden sie für Ersatzteile ausschlachten. Bin gleich wieder da.«

Sie sah verdutzt zu, wie Alex mit vorsichtigen Schritten über den gefliesten Boden klackerte. Es klang wie die Krallen eines riesigen Hundes. Sie starrte ihm auf die Füße, während er sich hinsetzte und die Schuhe abnahm. »Cleats«, erklärte er. Er hielt eines der seltsamen, turnschuhartigen Dinger hoch und zeigte ihr die Sohle, an der ein kleines Metallrechteck befestigt war. »Die rasten in die Pedale ein.«

»Ach ja?«

»Effizientere Kraftübertragung, wissen Sie. Wenn Sie keine Klickpedale verwenden, gibt nur die halbe Drehbewegung wirklich Schwung. Mit den Klickies wird auch die Aufwärtsbewegung genutzt. Verstanden?«

Sie nickte. »Schön, aber wie schaffen Sie es, nicht umzukippen, wenn Sie an einer Ampel stehenbleiben oder ganz langsam fahren müssen?«

Mit einem Schuh am Fuß ging Alex zu seinem Rad zurück und stieg in den Sattel. Er hakte den Fuß mit einer kaum wahrnehmbaren kurzen Drehbewegung ein. Ein weiterer Dreh aus dem Fußgelenk nach außen und der Schuh war wieder frei. »Da hat man sich schnell dran gewöhnt. So wie man beim Autofahren auch nicht mehr darüber nachdenkt, den Gang einzulegen. Man tut es einfach.«

Wieder etwas gelernt, dachte Molly. Sie sah auf die Uhr. Es blieb nicht mehr viel Zeit, bevor ihre Kollegen kommen würden. »Sollen wir anfangen?«, schlug sie vor und führte Alex in den Behandlungsraum.

Eine Dreiviertelstunde später war ihr Patient nicht mehr annähernd so fröhlich wie bei seinem Eintreffen. Tatsächlich war er ein bisschen blass um die Nase. Wahrscheinlich hatte er ziemliche Schmerzen. Obwohl sie ihn ziemlich malträtiert hatte, hatte er sich nichts anmerken lassen, nur manchmal etwas schwer geatmet.

Nach der abschließenden Massage zog sich Alex sein Sportoberteil an. Molly fiel auf, dass er mit dem rechten Arm dabei eine Schonhaltung einnahm. »Ich nehme an, Sie wollen jetzt noch auf dem Rad trainieren?«, fragte sie. Vielleicht hatte er das Rad ja heute nur mitgenommen, weil es sein einziges Transportmittel war.

Pustekuchen. »Selbstverständlich«, sagte er leichthin, als sei es völlig normal, mit einem eben erst vom Gips befreiten Arm und starken Schmerzen aufs Rad zu steigen. Was stimmte bloß mit diesem Kerl nicht?

»Ich muss heute noch hundert Kilometer schaffen«, sagte er.

Molly verlor die Fassung. »Das sind über sechzig Meilen!«, rief sie.

»Jawoll.«

»Mit einem gebrochenen Handgelenk?«

»Es ist ja nicht mehr gebrochen.«

»Wird es aber bald wieder sein, wenn sie eine derartig absurd dämliche Distanz zurücklegen, bevor Muskeln und Bänder dafür bereit sind. Und der Knochen hat sich auch gerade erst wieder zusammengefügt, das Gelenk ist noch sehr schwach.«

Alex zuckte die Schultern. »Wird schon gut gehen.« Er klang kein bisschen besorgt und fügte sogar hinzu: »Ich kann es ehrlich gesagt kaum erwarten, wieder da rauszukommen.«

»Sie sind ja wahnsinnig.«

»Nein, nur professioneller Rennradfahrer. Wir sind alle so.«

»Dann müssen Sie alle eine ziemlich hohe Schmerztoleranz haben«, stellte Molly fest, während sie sich die Hände wusch. Dabei fiel ihr Blick auf die Tüte mit den Croissants, die sie vorhin auf ihrem Tisch abgestellt hatte. Sie konnte es kaum erwarten, eines davon zu essen und einen Kaffee dazu zu trinken. Der frühe Start in den Tag hatte sie hungrig gemacht.

Alex lachte. »Was das angeht, bin ich mir nicht so sicher. Es ist eher ein hohes Maß an Entschlossenheit und Wahnsinn. Ich kenne einen Kerl, der hat eine Tour mit gebrochenem Becken zurückgelegt.«

Molly verzog das Gesicht.

»Dürfte ich ein Glas Wasser bekommen?«, fragte Alex. »Ich habe zwar zwei Wasserflaschen dabei, die würde ich aber gerne für später aufheben, und bevor ich loslege, muss ich gut hydriert sein.«

»Selbstverständlich.« Molly hielt ein Glas unter den Wasserhahn. »Ich hätte auch Kaffee da, falls Sie möchten.«

»Frisch aufgebrüht oder Instant?«

»Natürlich frisch.«

Er zögerte. »Das würde ich gerne, aber ich nehme gerade kein Koffein zu mir.«

»Ich könnte Ihnen einen entkoffeinierten machen.«

Alex schüttelte den Kopf. »Danke, nein. Ich nehme das Wasser.« Er hockte sich auf den Patientenstuhl, und Molly sah noch, wie er ein paar Tabletten einwarf, ehe sie sich ihren Kaffee holte. Sollte er ruhig auf Koffein verzichten, sie würde das ganz sicher nicht tun. Die Schmerzmittel, die er gerade genommen hatte, würden nicht lange wirken. Resigniert schüttelte sie den Kopf. Es war nun mal sein Körper und er wusste offensichtlich, was er da tat. Sie würde ihn nicht weiter behandeln, wenn er sich absichtlich ernsthaften körperlichen Schaden zufügte oder weitere Verletzungen in Kauf nahm.

Vielleicht sollte sie ihm ein Croissant anbieten. Er sah aus, als könnte er ein paar Kalorien gebrauchen. Zu dünn war er nicht, aber doch sehr schlank und dabei extrem muskulös und durchtrainiert.

»Nein danke«, lehnte er ab und beäugte das Croissant wie eine Maus die Schlange. »Ich muss auf mein Gewicht achten.«

»Ach, kommen Sie«, spöttelte Molly. »Schauen Sie sich an. Da kann eins hiervon wirklich nicht schaden.«

»Kann es doch«, beteuerte er. »Denn ich kann vielleicht nach einem nicht aufhören, und ich habe mein morgendliches Kalorienlimit bereits erreicht.«

Molly senkte die Hand, die gerade noch das Gebäck an die Lippen führen wollte, und legte das Croissant zurück in die Tüte. Auch wenn sie hungrig war, auf keinen Fall würde sie vor ihm etwas essen!

»Nur zu«, forderte er sie auf. »Das macht mir nichts aus.«

Aber sie hatte genau gesehen, wie er das Croissant argwöhnisch beäugt hatte, also verschloss sie die Papiertüte und verstaute sie in ihrer Schreibtischschublade. Mochte sie erbarmungslos sein, wenn es um seine Handgelenksübungen ging – sadistisch genug, um ihn auch noch Tantalusqualen wegen eines Croissants leiden zu lassen, war sie nicht.

Er trank das Wasser aus und griff hinter sich. Dann hielt er ihr eine Kreditkarte hin. »Ich kann gerne bezahlen.«

Molly schüttelte den Kopf. »Ich habe Ihnen doch gesagt, ich behandele Sie kostenfrei.«

»Nein, wirklich, ich kann das übernehmen. Oder vielmehr, BeSpoke übernimmt es. Das hier ist die Firmenkreditkarte. Allerdings wäre es denen lieber, wenn Sie das nächste Mal eine Rechnung stellen könnten«, sagte er verlegen.

»Eine Rechnung stellen?«, wiederholte Molly. »Oh, na schön. Einverstanden. Mache ich. Wobei … würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn wir an unserer ursprünglichen Abmachung festhalten? Denn ich möchte Sie wirklich gerne zweimal täglich behandeln, bis sie nach Frankreich reisen, und ich möchte nicht, dass Sie oder Ihr Sponsor denken, das tue ich nur, um mehr Geld an Ihnen zu verdienen.«

Alex hielt ihr weiterhin die Karte hin. »Das denkt bestimmt niemand, ich schon gar nicht, also bestehe ich darauf zu bezahlen. Sie können nicht umsonst arbeiten. Aber vielen Dank trotzdem. Ihre Großzügigkeit …« Er sprach nicht weiter, sah ihr aber tief in die Augen, und sein Blick verriet, wie dankbar er ihr war. Ihr Angebot hatte ihm offensichtlich viel bedeutet.

»Ein Abendessen«, sagte er dann unvermittelt. »Ich würde Sie gerne zum Abendessen einladen.«

Molly war sprachlos. Das kam völlig unerwartet. Und auch wenn sie die Einladung gerne angenommen hätte, würde sie ganz sicher nicht mit einem Patienten ausgehen. Das wäre nicht nur unprofessionell, sondern auch unmoralisch.

Alex deutete ihren Gesichtsausdruck jedoch ganz anders. »Oh, äh, vergessen Sie es«, stotterte er. »Sie haben bestimmt einen Ehemann oder einen Freund, und ich möchte nicht, dass Sie denken, ich würde Sie anmachen oder etwas in der Art.« Er schob ihr die Kreditkarte hin. »Bitte, nehmen Sie die hier.«

Molly zögerte, dann nahm sie die Karte. So gab es wenigstens keine Heimlichtuerei mehr, und Finley war bestimmt hellauf begeistert (oder verwundert?) über ihren Arbeitseifer.

»Fahren Sie vorsichtig«, sagte sie, als Alex sein Fahrrad zur Tür schob.

»Mache ich«, gab er über die Schulter zurück, während er sich den Helm aufsetzte.

»Oh, und es gibt übrigens weder Ehemann noch Freund«, platzte Molly heraus. Sie hatte keine Ahnung, wieso sie das unbedingt klarstellen wollte. Doch, das weißt du ganz genau, flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf.

Als sie das Lächeln sah, dass sich auf dem Gesicht von Alex ausbreitete, war sie dennoch froh, es gesagt zu haben. Er hatte wirklich ein schönes Lächeln. Ihre Knie wurden für einen Moment weich …

Dann riss sie sich zusammen.

Trotzdem sah sie ihm durchs Fenster nach, wie er die Hauptstraße entlangradelte – und das nicht aus rein therapeutischem Interesse.

3

Nur noch drei Behandlungstage, dann war ihre Zeit als behandelnde Physiotherapeutin von Alexander Duvall vorbei. Molly war beeindruckt, welch große Fortschritte er in der kurzen Zeit gemacht hatte, und das Meiste davon war allein seiner Entschlossenheit und Ausdauer zu verdanken.

Sie war nicht restlos überzeugt, dass sein Handgelenk wieder voll belastbar war. Aber er hatte ja noch eine Woche, bis die Tour de France losging, jedenfalls hatte er das gesagt. Er reiste nur schon früh für das gemeinsame Tapering mit den anderen Fahrern an und um sich zu akklimatisieren.

Molly hatte vor, das Radsportevent aufzunehmen. Bisher hatte sie sich nicht einmal ansatzweise für diesen Sport interessiert, aber jetzt hatte sie ein persönliches Interesse entwickelt. Sie wollte unbedingt, dass Alex gewann, und das sagte sie ihm auch, als er zu seiner abendlichen Behandlung erschien.

Er machte den Oberkörper frei und richtete sich auf der Behandlungsliege ein. »Dazu wird es nicht kommen«, sagte er mit gedämpfter Stimme.

»Ich wüsste nicht, was dagegen spricht!« Molly war entrüstet. »Es gibt keinen Grund, Ihre Leistung herunterzuspielen. Wenn Sie zum Rennen zugelassen wurden, sind Sie auch gut genug, um es gewinnen zu können.«

»So funktioniert das nicht. Es ist eine Teamleistung.« Er gab ein leises Ächzen von sich, als sie mit der Massage begann.

Molly bearbeitete die Muskulatur und glitt mit den Händen über seine weiche, glatte Haut. Er trug heute ein anderes Aftershave, dessen verführerischer Duft ihr immer wieder in die Nase stieg. Sie widerstand dem Drang, das Gesicht an seinem Hals zu vergraben, um den Geruch noch tiefer einzuatmen, und sagte: »Aber das bedeutet nicht, dass Sie nicht gewinnen können, oder?«

»Doch, das tut es.«

»Wieso?«

»Weil der Sportdirektor des jeweiligen Teams immer einen Fahrer bestimmt, dem er die besten Siegeschancen ausrechnet. Die restlichen Fahrer, Domestiken so wie ich, werden dafür bezahlt, ihm zum Sieg zu verhelfen.«

Molly ließ diese seltsame Erklärung einen Moment lang sacken. »Dann hat der Teamchef sich also nicht für Sie entschieden«, sagte sie schließlich.

»Nein. Ich bin allerdings der zweite Mann des Kapitäns. Das ist Tim Anderson, er hat die besten Chancen auf einen Sieg, danach komme ich. Es ist meine Aufgabe, ihm zu helfen, so gut ich kann – das kann so aussehen, dass ich ihm mein Rad abtrete, wenn seins beschädigt ist, oder dass ich ihn den Berg hochziehe.«

»Hochziehen? Wie meinen Sie das, wortwörtlich hochziehen?« Molly tippte Alex auf die Schulter, um ihm anzuzeigen, dass der erste Abschnitt der Behandlung vorüber war und er sich aufsetzen konnte.

Alex lachte. »Nein, nicht wortwörtlich. Es hat mit dem Windschatten zu tun, und damit, jemanden vor sich zu haben, an den man sich halten kann.«

»Ich bin raus.«

»Das Hochziehen ist reine Physik. Sagen wir mal, vor Ihnen fährt ein Wagen mit knapp fünfzig Stundenkilometern. Dann müssten sie in dem Wagen dahinter mit weniger Luftwiderstand rechnen, also auf lange Sicht weniger Benzin verbrauchen. Können Sie mir folgen?«

Molly nickte.

»Genauso verhält es sich beim Rennradfahren. Der Fahrer an der Spitze ist quasi der Windbrecher, der Fahrer hinter ihm spart Energie. Diejenigen, die vorn im Peloton mitfahren, haben also einen härteren Job und werden schneller müde als die Fahrer direkt hinter ihnen.«

»Moment mal, was ist ein Peloton?«

»So wird das Hauptfeld genannt, in dem sich die meisten Fahrer befinden.«

Molly ließ ihn ein paar Übungen ausführen, wobei sie ihn immer wieder unterbrach, um etwas zu korrigieren oder die Dehnung zu verstärken.

»Rennradfahren ist viel komplexer, als ich dachte«, gab sie zu. »Sie sagten, Sie fahren als Domes–?« Sie sprach das Wort nur zögerlich aus.

»Domestik. Meine Aufgabe ist es, den GC-Fahrer des Teams zu unterstützen.«

»GC?«

»Das steht für General Classification. Hören Sie, warum gehen Sie nicht mal mit mir essen? Ich beiße auch nicht, versprochen, und dann kann ich Ihnen alles in Ruhe erklären. Außerdem gibt es da etwas, das ich Sie gerne fragen würde.«

»Ach? Können Sie mich nicht einfach jetzt fragen?«

»Ich hatte gehofft, Sie erst mit etwas Wein gütlich zu stimmen.«

»Oh nein, das werden Sie nicht. Fragen Sie mich jetzt in nüchternem Zustand.«

Alex zögerte.

»So schlimm?«, fragte sie und überlegte, um was es sich da wohl handeln mochte, wenn er einen derartig ernsthaften Gesichtsausdruck aufsetzte.

Er holte tief Luft. »Erinnern Sie sich noch an meine erste Behandlung und wie ich gesagt habe, dass ich Sie am liebsten mit nach Hause nehmen würde?«

Sie nickte.

»Das möchte ich immer noch«, sagte er.

»Ist das alles?«, lachte sie. »Das höre ich öfter.«

»Ich meine es aber ernst.«

»Wie bitte?«

»Ich möchte, dass Sie mitkommen.«

»Wohin?«

»Nach Frankreich.«

Sie öffnete den Mund und schloss ihn wieder, wie ein Fisch am Haken.

»Ich kenne Sie kaum und Sie fragen mich, ob ich mit Ihnen Urlaub machen möchte?«

»Nein, tut mir leid, natürlich nicht, um dort Urlaub zu machen. Ich meine, für die Tour.« Alex fühlte sich sichtlich unwohl – ganz zu Recht, fand Molly. Sie hatten sich gerade erst kennengelernt, und er bat sie, mit ihm zu verreisen. Himmel, sie hatten ja nicht einmal ein erstes Date gehabt!

Moment mal, hatte er gerade »für die Tour« gesagt? Wenn sie sich ein paar Tage freinehmen würde, dann bestimmt nicht, um sich eine Horde verschwitzter Rennradfahrer anzusehen, die in Frankreich die Berge hinauf und wieder hinunter rasten. Außerdem war das ganz schön kurzfristig, und sie war nicht sicher, ob sie überhaupt Urlaub bekommen würde. Nicht, dass sie überhaupt vorhatte mitzufahren …

»Äh, nein danke, mir sind … Strandurlaube lieber«, sagte sie.

Dieser Tag, der so normal begonnen hatte, fing an, ins Surreale abzugleiten. Es war ja durchaus nett, dass er ihr das anbot, aber auf gar keinen Fall würde sie alles stehen und liegen lassen, um mit einem Kerl, den sie vor gerade einmal zwei Wochen kennengelernt hatte, eine Spritztour nach Frankreich zu unternehmen. Sie wusste nicht einmal, wo er wohnte – doch, wusste sie. Vom Patientenformular. Nein, sie hatte nicht extra in den Unterlagen nachgeschaut. Es war ihr einfach ins Auge gestochen, als sie das Formular zum Empfang zurückgebracht hatte.

Spetchley. Foxglove Road. Nummer sechs.

Sie war erstaunt, dass sie sich so genau erinnerte.

Alex war das alles offensichtlich hochpeinlich. »Ich spreche nicht von einem Urlaub«, murmelte er. »Es ist ein Jobangebot.«

»Ein was?«

»Ein Jobangebot.«

»Das habe ich gehört. Aber was für ein Job? In Frankreich?«

»Frankreich, Spanien, Belgien. Wo auch immer wir Rennen fahren.«

»In Ordnung, jetzt mal ganz langsam, das müssen Sie mir genauer erklären.«

»Dass Sie mitreisen sollen, war ernst gemeint.«

Er hob die Hand, als Molly erneut den Mund öffnete. Sie schloss ihn wieder. Sie konnte ihn ja zumindest ausreden lassen, ehe sie ablehnte.

»Unser Physiotherapeut hat vor einem Monat seine Kündigung eingereicht. Er wird jetzt für Control Data arbeiten. Das ist ein Konkurrenzteam«, fügte Alex hinzu, als er Mollys Gesichtsausdruck sah. »Wir haben noch keinen Ersatz für ihn, obwohl die Tour in zehn Tagen startet. Wir sind also ziemlich verzweifelt.«

»Na, vielen Dank auch.« Ihre Stimme triefte vor Sarkasmus.

Alex seufzte. »So habe ich das nicht gemeint«, erklärte er sich. »Was ich meinte, war –« Er glitt von der Liege und fasste sie an den Oberarm. »Hören Sie, Sie sind gut. Mehr als gut – Sie sind richtig toll. Und mit dem Herzen dabei. Was wahrscheinlich genauso wichtig ist. Sie hätten mir nicht all diese Extrastunden einräumen müssen, und dass Sie das alles auch noch umsonst tun wollten, einfach aus Gutherzigkeit, bedeutet mir wirklich viel. Uns allen.«

Molly starrte ihn unverwandt an. »Nun, Sie haben ja bezahlt – und wer sind bitte ›wir alle‹?«

»Das gesamte BeSpoke-Team. Die anderen Fahrer und ich. Chuck.«

»Chuck?«

»Unser Sportdirektor. Wir wären alle überglücklich, wenn Sie zu uns ins Team kämen, ganz besonders die Swannies.«

»Oh.« Das war alles ein bisschen zu viel. Sie wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Eben hatte sie noch Handgelenksübungen mit ihrem Patienten durchgeführt, und in der nächsten Sekunde wurde ihr ein leicht bizarres Jobangebot gemacht, bei dem sie mit Menschen zusammenarbeiten sollte, die die merkwürdigsten Berufsbezeichnungen hatte. Sie hatte keinen blassen Schimmer, was ein Swannie sein sollte, und war auch nicht sicher, ob sie es überhaupt wissen wollte.

»Brauchen Sie ein wenig Bedenkzeit?«, fragte Alex und ließ sie los. Er sah sie besorgt an.

»Ja, bitte.« Vielleicht einen Monat, oder zwei.

»Ich werde es heute Abend erklären, ja?«

»Ja … äh … vielmehr, nein.«

»Ich dachte wir gehen zusammen essen?«

»Ich habe nie zugestimmt.«

»Oh.«

Alex wirkte am Boden zerstört, und Molly bekam sofort ein schlechtes Gewissen. »Es ist nicht üblich, mit Patienten auszugehen«, fügte sie hinzu, um die Abfuhr abzumildern.

»Dann ist es doch in Ordnung, denn es handelt sich ja nicht um ein Date«, verkündete er fröhlich.

Molly wurde feuerrot. Großartig. Jetzt hatte sie sich zur Idiotin gemacht, indem sie falsche Schlüsse gezogen hatte. »Ich halte das trotzdem für keine gute Idee.«

»Die Bezahlung ist gut, und Sie würden eine Menge toller Orte zu sehen bekommen. Würden Sie wenigstens darüber nachdenken? Beim Abendessen?« Er war wieder in sein Hemd geschlüpft und angelte jetzt nach seinem Autoschlüssel. Sie wusste inzwischen, dass er meistens morgens mit dem Rad kam, abends aber lieber das Auto nahm, um zur Praxis zu kommen.

»Aber was ist mit meinem Job hier?«, fragte sie.

»Das können wir doch beim Essen besprechen.« Er lächelte hoffnungsvoll und sah sie mit leicht schräg gelegtem Kopf an, während er auf ihre Antwort wartete.

Molly überlegte. Ach, warum nicht. Er war eh in ein paar Tagen weg, und es war unwahrscheinlich, dass sie ihn je wiedersehen würde. Außerdem waren sie beide erwachsen und würden beim Abendessen das Jobangebot besprechen. Also hatte Alex recht, es war nicht wirklich ein Date.

»Na schön«, willigte sie ein, ging zu ihrem Schreibtisch, schrieb Adresse und Telefonnummer auf und reichte ihm den Zettel. »Holen Sie mich um acht ab. Und ich erwarte ein gutes Restaurant.«

»Geht klar«, versprach er und schoss aus der Tür.

Molly sah ihm amüsiert nach. Er war wirklich niedlich. Und auch wenn sie davon ausging, dass sie sich nach Behandlungsende nicht wiedersehen würden, freute sie sich doch weit mehr auf den Abend, als sie es sich eingestehen wollte.

4

Molly hatte schon von Brown’s Brasserie gehört, aber noch nie selbst dort gegessen. Das Restaurant befand sich in einem kleinen Dorf am Ufer des Severn, mit einem hübschen Garten, der fast bis ans Wasser reichte. Die Tische auf der Terrasse waren mit weißen Tischtüchern und blitzendem Besteck eingedeckt, die Gläser schimmerten im schwindenden Licht des Tages. Die Sonne war noch nicht ganz untergegangen, und die um die Pergola gewickelten Lichterketten verliehen der Location etwas Magisches.

Alex hatte ihre Bemerkung wörtlich genommen: Es war wirklich ein wunderschönes Restaurant, und Molly hatte von Freunden von dem hervorragenden Essen gehört. Sie freute sich drauf, denn sie war halb verhungert.

Nachdem sie Platz genommen hatten und die Karten in den Händen hielten, kam Molly gleich zur Sache. Sie hatte nicht nur auf dem Heimweg, sondern auch, während sie geduscht und sich fertig gemacht hatte, an nichts anderes als Alex und sein Jobangebot denken können. Eigentlich nur an Alex, wenn sie ehrlich war, obwohl sie sein Angebot verlockend fand. Außerdem konnte es ja nicht schaden, ein wenig mehr über ihn zu erfahren. Mehr über den Job zu erfahren, hatte sie sich selbst rasch verbessert, während sie sich die Haare abgetrocknet hatte.

»Erzählen Sie mir mehr über dieses Jobangebot«, forderte sie ihn auf, während ihr hungriger Blick über die Liste der Vorspeisen glitt. Sie alle klangen köstlich. Wie sollte sie sich da bloß entscheiden?

»Sie würden mitreisen und ins BeSpoke-Team kommen«, sagte Alex leichthin, als sei es völlig normal, ihr Zuhause und ihren bisherigen Job zurückzulassen, um für eine Firma zu arbeiten, von der sie noch nie gehört hatte. »Haben Sie gewählt?«

»Ich denke schon. Nehmen wir eine Vorspeise?«

Alex runzelte leicht die Stirn. »Nicht für mich, tut mir leid. Ich muss auf mein Gewicht achten.«

Molly zog die Augenbrauen hoch. Dennoch verkniff sie sich einen Kommentar und entschied sich, dann eben statt einer Vorspeise eine extra Beilage zu bestellen. Er konnte ja gerne auf sein Gewicht achten – sie hatte da keinerlei Bedenken. »Also, ich hätte gerne das Steak vom australischen Weiderind mit Pommes und Salat, und dazu eine Portion Zwiebelringe im Bierteig, bitte«, bestellte sie bei der Kellnerin, die an ihren Tisch getreten war. »Oh, und könnte ich ein kleines Glas von dem roten Hauswein bekommen?«

»Selbstverständlich. Und für Sie?«, wandte sich die Bedienung an Alex.

»Ich hätte gerne den Schwertfisch und einen grünen Salat. Ohne Dressing. Den Fisch ohne Soße. Und ein Mineralwasser, bitte.«

»Na los, erzählen Sie mir alles«, sagte Molly erneut, als die Kellnerin den Tisch verlassen hatte, und versuchte, nicht darüber nachzudenken, wie sein bestimmt mickriger Salat sich neben ihrem Riesenberg Zwiebelringe und Pommes machen würde.

»Wie ich schon sagte, hat unser Physiotherapeut gekündigt. Deshalb bin ich zu Ihnen in die Praxis gekommen. Normalerweise wäre ich jetzt schon im Trainingscamp bei meinen Teamkollegen, aber da wir keinen Physiotherapeuten hatten, habe ich mich entschieden, nach Hause zu fahren, um mich behandeln zu lassen.«

»Nach Hause bedeutet nach Spetchley?«

»Das haben Sie sich gemerkt!« Er strahlte übers ganze Gesicht.

»Es steht in Ihrer Patientenakte.«

»Oh.« Er wirkte geknickt, fing sich jedoch gleich wieder und schenkte ihr ein Lächeln. »Sie haben also nachgeschaut?«

Molly verdrehte die Augen. »Das Jobangebot?«, wechselte sie das Thema.

»Wissen Sie, ich verstehe ja, dass Sie skeptisch sind. Ich wäre das auch an Ihrer Stelle. Aber wie ich schon sagte, es ist wirklich gut bezahlt und Sie könnten gleichzeitig etwas von der Welt sehen.«

»Frankreich«, erwiderte Molly ausdruckslos. Das war wohl kaum die große, weite Welt.

Er grinste. »Da wäre auch noch die Flandern- sowie die Spanienrundfahrt, der Giro d’Italia, die Tour Down Under in Australien, die Kalifornienrundfahrt, eine Tour in den Alpen, eine in Saudi-Arabien, dann noch in der Türkei und in Südafrika. Ich könnte ewig weiter aufzählen, und falls Sie zwischendrin Heimweh bekommen – es gibt auch die Tour of Yorkshire oder die Tour of Britain.« Er sah sie hoffnungsvoll an.

»Sie haben gewonnen, das sind wirklich beeindruckend viele Orte.« Molly dachte kurz nach. »Würde das bedeuten, dass ich die meiste Zeit des Jahres unterwegs wäre?«

»Ja, aber –«

»Ich bin mir nicht sicher, ob ich das möchte.«

Die Bedienung brachte ihre Getränke, und Molly nahm dankbar einen Schluck Wein, da sie plötzlich eine ganz trockene Kehle hatte. Alex leerte sein Wasser in einem Zug und bestellte direkt nach, noch ehe die Kellnerin sich wieder abgewandt hatte.

»Was denn?«, fragte er Molly, die ihn aus weit aufgerissenen Augen anstarrte. »Ich trinke eben sehr viel Wasser.«

»Trinken Sie auch noch etwas anderes?«

Er zuckte mit den Achseln. »Energiedrinks, Fruchtsäfte, und wenn ich mich nicht gerade auf ein Rennen vorbereite auch Kaffee, außerhalb der Saison Wodka.«

Molly wurde hellhörig. »Es gibt eine Zeit ohne Rennen? Dann sind Sie also nicht das ganze Jahr über unterwegs?«

»Im Oktober ist rennfreie Zeit.«

»Das ist alles? Nur ein freier Monat?«

»Mehr oder weniger.«

»Hm.« Molly war hin- und hergerissen. Was Alex ihr da anbot, war eine einmalige Gelegenheit. Die meisten Physiotherapeutinnen und -therapeuten würden den rechten Arm hergeben, um an einen Job zu kommen, bei dem sie dafür bezahlt wurden, um die Welt zu reisen. Dennoch war Molly nicht sicher, ob sie dafür gemacht war. Sie genoss die Vertrautheit ihres Zuhauses. Es war klein, aber fein, und es gehörte ihr ganz allein. Sie fragte sich, wie schnell der Reiz des Neuen wohl verflog, wenn sie sich alle paar Wochen an einem anderen Ort wiederfinden würde. Außerdem wusste sie überhaupt nichts über den Radrennsport und wusste auch nicht, ob sie das überhaupt ändern wollte.

Das alles erklärte sie nun Alex.