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Goldbroiler und Soljanka Meine Erlebnisse zur Wendezeit im Herbst 1990 Startete die Geschichte der Wiedervereinigung wirklich erst mit der neuen Reisereglung für DDR-Bürger, im November 1989? Inzwischen sprechen viele Politiker und auch die neuen Geschichtsbücher von "der friedlichen Revolution", ausgelöst von den Demonstrationen in den Straßen von Leipzig. Was verbirgt sich wirklich hinter der Wiedervereinigung? Genau 14 Tage nach dem ratifizierten Einigungsvertrag DDR/BRD, wurde ich für ein Bremer Weiterbildungsinstitut als Dozent nach Neuzelle, südlich von Frankfurt/Oder, geschickt. Meine Aufgabe sollte es sein, 50 Personen, die als Fach- und Führungskräften im EKO-Stahl-Kombinat in Eisenhüttenstadt beschäftig waren, die Grundzüge der westlichen Volks- und Betriebswirtschaftslehre und einen Einstieg in die aktuelle Informationstechnologie zu vermitteln. Was ich dann persönlich vor 30 Jahren dort erlebt habe, war manchmal skurril, oft spaßig und manchmal auch richtig erschreckend! Es war dort zu dieser Zeit rundum alles anders und fremd für mich! Im Osten geboren und als Baby "geflüchtet worden", lernte ich außerdem, nach 40 Jahren Kontaktsperre, auch meine Heimat, meinen Geburtsort und meine gesamte Verwandtschaft persönlich kennen!
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Seitenzahl: 153
Veröffentlichungsjahr: 2020
Vorwort
Wie alles begann
Der Auftrag
Ostwärts - ins unbekannte Land
Der erste Schulungstag
Ein weiterer Gast …
Eine Invasion aus Rostock
Zwei Herren bringen Sicherheit
Urschrei-Therapie und Disco
Polen, Radeberger-Bier und das Poesie-Album
Christoph aus Bremen zu Besuch
Der 2. Ausflug nach Polen
Wie ich Mäuschen spielte
Das kopiere ich mir doch mal
Fremdländische DDR-Speisen
Neuzelle, Eisenhüttenstadt - ade
Meine Tour durch die EX-DDR
Weißenfels - meine Geburtsstadt
Der Ausflug zu meinen „Wurzeln“
Die Rückfahrt nach Bremen
Report bei Dr. Hornberg
Der 2. Besuch in Neuzelle 1991
Rückkehr im Schulungszentrum Neuzelle
Dr. Walters „brennende“ Frage
Willis Besuch in Neuzelle
Informationen zu einigen alten Teilnehmern
Informationen zu Klenkes Unternehmen
Ein weiterer Besuch in Weißenfels
Informationen zum Kloster in Neuzelle
Informationen zur Kloster-Brauerei
Informationen zur Kloster-Klause
Informationen zur STASI-Schulungsstätte
Informationen zu Leuna
Informationen zu Weißenfels
Naturpark Schlaubethal
Mein Fazit
Karte meiner Besuche 1990 und 1991
Informations- und Bild-Quellen
Kommentierte Fotos auf dem hinteren Buchcover
Geboren bin ich in der DDR, oder in der SBZ (Sowjetisch besetzte Zone), wie das in den 50ziger Jahren des letzten Jahrhunderts noch hieß.
Mein Geburtsort ist die Kleinstadt Weißenfels an der Saale, die 14km entfernt von Leipzig liegt. Meine Eltern flüchteten 1952 in den Westen und ich wuchs bei meiner Großmutter mütterlicherseits in Weißenfels auf. 1954 wurde ich von ihr in den Westen zu meinen Eltern gebracht und erlebte meine frühste Jugend in Pirmasens, in Rheinland-Pfalz. Das war auch eine Schuh-Fabrikstadt, wie Weißenfels und mein Vater war dort Hilfsarbeiter in einer Schuhfabrik. Daher war Pirmasens sein geplantes Ziel im Westen Deutschlands. Seine Flucht war wohl sehr aufregend und gefährlich. Aber er hat sehr selten und ungern darüber gesprochen.
Eigentlich konnte man in den 50ziger Jahren noch über den Übergang in der Friedrichstrasse in Berlin (heimlich und inoffiziell) aus der DDR flüchten. Wer aber damals vom STASI (der Geheimpolizei des Ministeriums für Staatssicherheit MfS) gesucht wurde, und das war bei meinem Vater der Fall, der musste den Grenz-Übergang in der Friedrichstrasse meiden. Das war zu gefährlich. Stattdessen musste er sich einen Fluchthelfer suchen, der für viel Geld seine Ortskenntnis im Grenzgebiet zur Verfügung stellte und die Republikflucht persönlich plante und auch durchführte.
Damals wurden, zur Winterzeit im Zonenrandgebiet im Ost-Harz, Ostblock-Skimeisterschaften veranstaltet und so konnte mein Vater in die absolute Grenznähe zur BRD kommen, ohne streng kontrolliert zu werden. Außerhalb solcher Veranstaltungen durften sich nur die unmittelbaren Bewohner der Orte in Grenznähe, in diesen Regionen aufhalten.
4 Monate später, nach der Flucht meines Vaters, wagte dann meine Mutter die Ausreise in den Westen. Das war nicht ganz so spektakulär, wie das anscheinend bei meinem Vater gewesen sein muss. Aber beide hatten ihr gesamtes Hab und Gut (und mich) in der „Zone“ zurückgelassen und versuchten einen absoluten Neuanfang im Westen.
Leicht war es nicht, eine Arbeit in Pirmasens zu finden, weil beide keinen herkömmlichen Beruf erlernt hatten. Meine Mutter hatte in der DDR im großväterlichen Baubetrieb als Bürohilfe mitgearbeitet und mein Vater war, wie gesagt, Hilfsarbeiter in einer der Schuhfabriken. Obwohl die Nachkriegswirtschaft langsam wuchs, hatte man Angst, dass die Flüchtlinge aus dem Osten, die noch raren Arbeitsplätze wegnehmen könnten. Die vielen Flüchtlinge aus dem Osten, samt der Spätaussiedler und den zurückkehrenden deutschen Kriegsgefangenen, waren also damals nicht sehr beliebt.
Mit einem Großteil meiner gesamten Verwandtschaft im Osten hatten meine Eltern kaum Beziehungen und Kontakte weiter gepflegt. Entweder wollten die nicht mehr, oder meine Eltern wollten keinen Kontakt. Und wenn Briefe aus dem Osten kamen, dann waren es ausnahmslos Bettelbriefe, nach speziellen West-Waren, wie z.B. Bohnen-Kaffee, Rasierklingen, Zigaretten, Damen-Nylonstümpfe, etc. Dementsprechend war der Kontakt von meinen Eltern zu meinen Verwandten im Osten sehr reduziert. Meine Eltern selbst konnten sich damals selbst keinen Bohnenkaffee leisten, schicken aber dennoch immer wieder Kaffee-Pakete zu den Verwandten in der DDR.
Meine Mutter arbeitete als Hilfskellnerin in diversen Restaurants in Pirmasens und mein Vater als Hilfsarbeiter in den Schuhfabriken und war immer mal wieder zwischendrin arbeitslos. Aufgrund des Druckes meiner Mutter, hat mein Vater dann doch noch einen richtigen Beruf erlernt. Aus der Pfalz sind wir 1960 nach Bremen gezogen, weil mein Vater hier im Norden im Alter von 40 Jahren einen Handwerksberuf erlernten konnte. Aus seinem Hobby „Radiobasteln“ wurde er dann in 3 Jahren Lehrzeit in der „Landesversehrtenschule in Bookholzberg“ zum Radio- und Fernsehtechniker ausgebildet und damit konnte er anschließend auch in Bremen, beim großen Unterhaltungselektronik-Unternehmen „Nordmende“, einen qualifizierten Arbeitsplatz finden.
So kam ich nach Norddeutschland, verbrachte meine Schulzeit bis zum Abitur in Bremen, studierte in Göttingen und habe dann als junger Journalist in Bremen gearbeitet.
Mit den Verwandten und der DDR hatte auch ich damals kaum etwas zu tun. Aber in meiner Schulzeit in Bremen wurde „Ostpakete“ gepackt und verschickt und in der Oberstufe gab es für jede Klasse ein vom Bremer-Senat subventionierte, 14 tägige Klassenfahrt nach Berlin. Später bin ich regelmäßig einmal jeden Monat für 3-4 Tage nach Berlin gefahren, um für meinen guten Studienfreund Christoph, ein großes Wohn- und Geschäftshaus am Savigny-Platz, mitten in der Berliner-City, zu verwalten.
Haus am Savigny-Platz in Berlin
Grenz-Kontrolle in Marienborn, ca. 1972
Ich kannte also die mit der Mauer geteilte Stadt ganz gut, die eine „westliche Insel“ in der DDR darstellte.
Oft gab es komische Schikanen der DDR-Soldaten bei Kontrollen an der Grenze. In die DDR hinein bei Helmstedt-Marienborn oder bei der Abfahrt von der Interzonenautobahn in Dreilinden nach West-Berlin, ließen einem die DDR-Kontrolleure schon merken, dass sie am längeren Hebel saßen und man ihnen irgendwie ausgeliefert war.
Als ich z.B. einmal zusammen mit Christoph nach Berlin gefahren bin, fragten uns die DDR-Kontrolleure in Marienborn bei Grenzübertritt in die DDR: „Haben Sie etwas anzumelden – haben Sie Waffen, Funksprechgeräte oder Kinder im Auto?“ Frech antwortete Christoph auf die Frage: „Waffen? Ja braucht man denn diese bei Ihnen? “ Noch bevor der Satz zu Ende reden konnte, mussten wir mit dem Auto die Warteschlage verlassen und nach rechts zu einer der Grenz-Baracken fahren und dort warten.
Eine Weiterfahrt war nicht möglich, weil wir unsere Pässe abgeben mussten. Nach 4 Stunden Wartezeit durften wir dann endlich und ohne irgendwelche weiteren negativen Folgen, die Fahrt nach Berlin fortsetzen.
In Zukunft haben wir uns beide mit solchen Antworten zurückgehalten, es war einfach „ratsamer“!
Als ich am späten Abend des 9. November 1989 von Berlin wieder einmal zurück nach Bremen fuhr, überschlugen sich förmlich die Nachrichten im Autoradio. Das DDR-Politbüro-Mitglied Günter Schabowski gab auf einer Pressekonferenz bekannt, dass alle DDR-Grenzstellen zur Bundesrepublik und nach West-Berlin „sofort“ geöffnet werden würden. Selbst darüber verwirrt, hatte er ein Interview gegeben und damit „die neue Reisefreiheit für DDR-Bürger“ verkündet.
In allen Rundfunk- und Fernsehanstalten weltweit berichteten jetzt die Nachrichten darüber. Noch in derselben Nacht strömten viele Tausende von DDR-Bürgern bei Visapflicht, aber nachlässigen Kontrollen, nach West-Berlin und in grenznahe Orte an der gesamten innerdeutschen Grenze.
„Gebrodelt“ hatte es 1889 schon wochenlang vorher. Jeden Montag gab es große Demonstrationen gegen den DDR-Staat in den Straßen von Leipzig, mit teilweise bis zu 70.000 Personen. Erich Honecker, der 1. Staatsmann und Führungspersönlichkeit der DDR, wurde nach schwerer Krankheit entmachtet und ersetzt durch den jüngere Politiker Egon Krenz. Er kreierte übrigens damals den Begriff „Wende“!
Die demonstrierenden Volksmassen wurden immer größer, wie auch der Widerstand gegen die DDR-Politik und Rufe nach einer Wiedervereinigung wurden laut und lauter.
Es hat im Anschluss an diese Situation 1989 keine 14 Tage gedauert, bis sich ein Teil meiner Verwandtschaft aus dem Osten bei meiner Familie in Bremen mit einem persönlichen Besuch gemeldet hatte. Persönlich kannte ich bis dato keinen einzigen Verwandten. Aber jetzt konnte und musste ich eine große und für mich neue Familie kennenlernen und akzeptieren. Mehr noch, ich hatte jetzt plötzlich eine greifbare und reale Heimat und eine Geburts- und Heimatstadt. In der darauffolgenden Zeit habe ich oft überlegt, wie ich mich entwickelt hätte, wären meine Eltern und ich in der damaligen DDR geblieben und wären nicht geflüchtet.
OK, jetzt war klar: ich war ein WOSSI, d.h. im Osten geboren und im Westen aufgewachsen und mein erstes Interesse an der Geschichte der DDR wuchs stetig!
Umso mehr war ich gespannt, die Reste der Ex-DDR und des Lebens dort kennen zu lernen, denn die Grenze war jetzt von beiden Seiten aus durchlässig. Ob ich wollte oder nicht, wurden alle neuen Eindrücke bei mir dich die unsichtbare WOSSI-Brille gefiltert und bewertet.
Was ich dann im Herbst 1990, bei meinem ersten 8-wöchigen Arbeitsbesuch in der Ex-DDR erlebte, ist annähern filmreif gewesen und wird mir immer in Erinnerung bleiben!
Von diesen damaligen ganz frischen Erlebnissen will ich hier berichten. Die Geschichten sind also echt, authentisch und nachprüfbar.
Manche Episoden sind kurios, andere makaber und ungewohnt – aber insgesamt waren diese Erfahrung äußerst interessant und richtig „hautnah“!
Am 3. Oktober 1990, nach vollzogener Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion und dem 2+4-Vertrag, kam es zur vollzogenen Wiedervereinigung von DDR und BRD! Zum 30-jährigen Jahrestag dieser Ereignisse aus 1990 wird dieses Taschenbuch/eBook im Herbst 2020 erscheinen.
Genau 14 Tage später, nach diesem „vollzogenen Wiedervereinigungstermin“ fand mein erster Besuch in der Ex-DDR statt.
Im Sommer 1991 war wurde ich dann zum 2. Mal in die damals neuen Bundesländer gerufen und konnte die vollzogenen Änderungen, die in einem Jahr stattgefunden haben, beobachten.
Aus Gründen des Datenschutzes habe ich natürlich die Namen aller hier beschriebenen Personen bewusst verändert.
Dennoch bleiben die folgenden Geschichten wahr, authentisch, sicherlich auch subjektiv von mir erlebt.
gez. Roland W. Schulze
im Frühjahr 2020
Ich denke, es war im September 1990, als das Büro-Telefon klingelte und mich mit aller Brutalität aus meiner eigenen „Programmierer-Welt“ wieder zurück in die Realität holte.
Ich saß am Schreibtisch und hatte den Kopf voller Programmier-Algorithmen und Befehlsketten für die Programmierung eines neuen Computerspiels. Ich hatte in Bremen mit einigen Kollegen einen kleinen Software-Programmierbetrieb gegründet und auch als Dozent im Erwachsenen-Bildungsbereich für Unternehmen und Ausbildungsinstitute gearbeitet.
Noch gedanklich abwesend griff ich zum Telefonhörer. Es war Dr. Achim Hornberg vom BWBW, einem Bremer-WeiterbildungInstitut.
Vom BWBW hatte ich die letzten Jahre immer interessante Dozenturen im Fort- und Weiterbildungsbereich für digitale Themen und IT-Berufsbilder bekommen und Schulungen im Erwachsenen-Bildungsbereich machten mir großen Spaß.
Inzwischen war ich aber auf dieses Weiterbildungsinstitut nicht mehr gut zu sprechen. Mit einem Mitarbeiter dort, genannt „der Friseur“, hatte ich unschöne fachliche Auseinandersetzungen. Daher wollte ich mich eigentlich von diesem Ausbildungsinstitut als freier Dozent trennen.
„Moin Roland, Achim hier! Sag mal, lass uns doch wieder vertragen und komm doch mal bei mir in der Zentrale in der Goethestraße vorbei. Ich habe einen schönen Auftrag für dich, der dich sicherlich interessieren wird!“ säuselt Dr. Hornberg ins Telefon.
Es wusste genau, wie er mich neugierig machen konnte und eigentlich hatte ich ja mit Dr. Hornberg keine Probleme.
Komisch war nur sein Mitarbeiter, der „von keiner Sachkenntnis“ getrübt war und sich als Ex-Friseur zutraute, fachlich versierte Weiterbildungskonzepte und Schulungsmaßnahmen für Erwachsen zu entwickeln.
Seine unprofessionellen Konzepte hatte er dem Landesarbeitsamt in Bremen angeboten und die hatten sogar einige seine Kurse genehmigt und finanziert.
„OK, Achim …“ antwortet ich. Unter uns hatten wir das „Du“ ausgemacht!
„Ich komme, aber nur, wenn du einen frischen Kaffee und diese leckeren Schokoladenkekse für mich bereithältst. Genau diese Kekse, die du bei letzten Gespräch auch auf dem Schreibtisch stehen hattest!“
Ich bin natürlich neugierig auf sein Angebot eingegangen, denn er ist ein sehr guter Pädagoge und Lehrer.
Sein Top-Examen und eine Promotion-Summa-cum-laude hatten ihn nicht vor der Arbeitslosigkeit als Gymnasiallehrer bewahrt. Er war leider zur Zeit des „Pillenknicks“ mit seinem Studium fertig. Zu wenig Schüler und kein weiterer Bedarf an jungen Lehrern erwarteten den damaligen Berufsneuling.
Nach kürzerer Arbeitslosigkeit nahm er eine befristete ABM-Tätigkeit beim BWBW in Bremen an und überhaupt war Erwachsenenbildung genau sein Ding.
Das BWBW, als Weiterbildungsinstitut, hatte bis zum Eintritt von Dr. Hornberg lediglich Sprach- und Schreibmaschinenkurse auf rein mechanischen Maschinen im Angebot – also alles rundum sehr hausbacken und alles andere, als ein innovatives Institut.
Hornberg hat nach kurzer Zeit neuen Wind in das Institut gebracht. Raus mit den alten und mechanischen „Gabrielle-3000-Schreibmaschinen“ und ran an IT-gestützte Schreibkurse.
So hat er Computer-Labore angeschafft und eingerichtet und IT-Kurse von der MS-WORD-Einführung bis zur Ausbildung in den aktuellen Programmiersprachen als Bildungsmaßnahme dem Bremer-Landesarbeitsamt erfolgreich angeboten.
Solch ein aktiver Kollege war nicht nur dem Ex-Friseur unheimlich, sondern auch dem Institut-Chef, Dr. Maier.
Der war eigentlich „oft aushäusig unterwegs“ und damit kaum ansprechbar, weil er seinen Geschäftsführerposten eher als Sprungbrett begriff. Er wollte eigentlich in die Bremer-Lokalpolitik gehen, was er einige Jahre später auch schaffte!
Das BWBW war bis dato eigentlich nur ein sogenannter „Durchlauf-Erhitzer für CDU-nahe Hochakademiker“, in Wartestellung auf lukrative Posten in Politik und Wirtschaftsunternehmen.
Der Friseur allerdings war älter und stammte noch aus dem Personalfundus längst vergangener Institutszeiten.
In diesem Institut war Dr. Achim Hornberg ein „unberechenbarer Aktivist“! Alle alten Mitarbeiter des BWBW hatten Angst vor den Schöpfungen seiner innovativen, neuen Berufsbilder und den Ausbau- und Erweiterungsideen für das Institut.
Aber er wurde zähneknirschend und weitestgehend ungebremst geduldet.
Der Grund: er hat mit seinen Ideen und modernen Maßnahmen, stattliche neue Umsätze über neue Bildungsmaßnahmen generiert, die durch die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg finanziert wurden und neuen Reichtum in das Institut schleusten. In kurzer Zeit mit Dr. Hornbergs Aktivitäten das BWBW zu doppelter Größe angewachsen und zwar personell, wie auch räumlich.
Niemand im Institut wusste oder ahnte, dass Dr. Achim Hornberg während seines Studiums aktiv in marxistisch leninistische, studentischen K-Gruppen mitgearbeitet hatte und damals starke „Revoluzzer-Ambitionen“, zumindest geistig, auslebte.
Jetzt konnte er beruflich etwas bewirken und verändern und er agierte jetzt, wie ein „unerkannter Wolf in der Schafsherde“.
Oft brache er den konservativen und trägen Haufen von Alt-Mitarbeitern des Instituts, an die Grenze zur Überforderung.
Mir war diese aktive und professionelle Art sehr sympathisch und über einige private Treffen und einen regen fachlichen Austausch, pflegten wir eine freundschaftliche Bekanntschaft.
Die Goethestraße war nicht weit von meinem Büro entfernt und so machte ich mich auf den Weg zum BWBW.
Achim hatte ausnahmsweise selbst und höchst persönlich Kaffee gekocht und von seiner Sekretärin Schokoladenkekse im kleinen Imbiss nebenan besorgen lassen.
„Moin Roland, schön, dass du so schnell gekommen bist und wie du siehst, habe ich alles für unser Gespräch besorgt.“ Die Neugier, der heiße Kaffee und die vorzüglichen Kekse stimmen mich in jeder Hinsicht wohlwollend und gespannt auf das, was da kommen würde.
„Ich weiß ja,“ fährt Achim fort „dass du auch Rechner und große Netzwerke zusammenbaust, neben deiner Arbeit als Software-Produzent und Dozent. Wie würdest du denn ein modernes und leistungsfähiges IT-Labor für den Schulungsbereich und für grafische Arbeiten konzipieren?“
Ach, das lag ihm also auf dem Herzen?
„Achim, deine IT-Schulungsräume sind doch gut ausgestattet, oder willst du da etwas umbauen? Natürlich habe ich Ideen für ein Hochleistungsnetzwerk, aber für so ein Konzept, ein Beschaffungs- und Installationsplan zu erarbeiten, ist richtig zeitaufwendig. Das kann ich nicht mal so nebenbei machen?“
Ich hatte mir schon vor einiger Zeit vorgenommen, diese immer wiederkehrenden sogenannten „kostenneutralen Nebenleistungen“ abzulehnen. Das kann sehr viel Zeit rauben und der Umsatz ist gleich Null!
Ich hatte mir fest vorgenommen gleich am Anfang von Job-Verhandlungen meinen Stadtpunkt zu klären; nämlich nichts mehr umsonst zu machen, was anderen Personen richtig Geld in die Kasse spült! Das war meine neue Devise!
„Also, ich kann ein Konzept ausarbeiten und Preise und Beschaffungsquellen recherchieren und rechne mal insgesamt mit 4 Tagen Aufwand. Du kennst ja meinen Honorar-Tagessatz – bist du einverstanden?“
„OK,“ kontert Achim pfeilschnell: „Du sollst es ja nicht umsonst machen – also dann ist das ein Deal – du hast einen Auftrag!
Ich brauche ein Labor mit 50 Arbeitsplätzen, Desktopmaschinen der neusten Bauart, 20“ Monitore, 4 einzelne Trommel-Scanner, Novell-Netzwerk mit 2 leistungsstarken Servern, 2 Streamer zu Datensicherung, 2 DIN-A3 Farblaserdrucker, Software-Lizenzen, usw., usw. - ach, du weißt schon, was gut ist und was man braucht“!
Ich war zufrieden, denn das war ein schöner Auftrag und gut honoriert. Ich verabschiede mich von Achim, nicht ohne die restlichen Schokoladenkekse einzupacken und machte mich auf den Weg in mein Büro.
In der Vergangenheit war das BWBW immer sehr sparsam und knauserig, was die Ausstattung und Unterrichtsmaterialien anging. Auch die Honorierung der Fach-Dozenten von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen war auch dürftig, gegenüber anderen Instituten in Bremen.
Ich wollte natürlich ein qualitativ hochwertiges und zukunftssicheres IT-Labor, für mindesten 3 Jahre Nutzungszeit anbieten.
Auf der anderen Seite schien ja Geld für die Gesamt-Investition keine Rolle zu spielen, sonst hätte Dr. Hornberg sicherlich ein oberes Limit an Gesamtkosten angegeben. Und, zugegeben, ich wollte dem Instituts-Geschäftsführer, Dr. Maier, mit einer stattlich hohen Gesamt-Investitionssumme, den Schweiß auf die Stirn treiben.
Also recherchierte und kalkulierte ich und mein Konzept wurde immer runder, und auch teuer von der Investitionssumme, versteht sich!
Das Konzeptpapier, die Expertise und die Kalkulation, mit einem Umfang von 25 Seiten, habe ich nach 4 Tagen Arbeit eingetütet und an den Geschäftsführer des BWBW geschickt und damit war der Auftrag erledigt.
Das ausgemachte Honorar für meine Leistungen wurde auch zeitnah auf mein Bankkonto überwiesen.
Es vergingen 3 Wochen, als sich Dr. Achim Hornberg bei mir telefonisch meldete.
„Ich danke dir erst mal für das Konzept und die Kalkulation für ein ultimatives IT-Labor und stell dir vor, Roland, der Chef Dr. Maier hat zwar geschluckt, wegen der hohen Investitionssumme, aber er hat alles abgesegnet!
Wir haben alles umgesetzt und das IT-Labor bauen lassen, zu 100% genau nach deinen Vorgaben, was sagst du jetzt?“ sagte Achim und ich hatte ihn bisher selten so beschwingt und locker erlebt wie bei diesem Telefonat!
„Frischer Kaffee steht bereit, die Schüssel ist wieder mit den beliebten Schokoladenkeksen aufgefüllt, komm´ sofort!“ rüber, ich warte auf dich und will dir etwas zu der ganzen Angelegenheit erzählen.“ Achim schoss jetzt wirklich aus allen Rohren und er wusste mich wirklich zu locken.
Weil sowieso bald Feierabend war, bin ich also gleich zum BWBW gelaufen.
Die beiden Doktores des BWBW, Dr. Hornbusch und sogar Dr. Maier erwarteten mich schon.
Hatte ich so viel bewegt, dass sogar der Geschäftsführer präsent war, oder was war der Grund?
Bevor ich nachfragen konnte, ergriff Achim das Wort und beglückwünschte mich zu meinem Konzept.
„Also Roland, ich hatte es vorhin am Telefon schon gesagt, aber ich wiederhole es gerne nochmal: wir haben das IT-Labor nach deinen Plänen gebaut und wir möchten, dass du es dir im fertigen Zustand anschaust und auf Funktion prüfst.
Dr. Maier hat auch genehmigt, dass du dort die erste Schulungsveranstaltung als Dozent durchführst.