Clemens Wilmenrod - Roland W. Schulze - E-Book

Clemens Wilmenrod E-Book

Roland W. Schulze

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Beschreibung

Bereits am 20. Februar 1953, nur zwei Monate nach dem offiziellen Start eines regelmäßigen Programms im Deutschen Fernsehen, flimmerte die erste deutsche Koch-Show über den Bildschirm. Es war die fünfzehnminütige Sendung "Clemens Wilmenrod bittet zu Tisch", in der Fernsehkoch Wilmenrod (1906-1967) sich und seine Rezepte präsentierte. Er gilt als Erfinder des "Toast Hawaii", der "gefüllten Erdbeere" und des "Arabischen Reiterfleisches", schrieb 5 Kochbücher und zeigte in 11 Jahren und 185 Koch-Shows hunderte von Gerichten im Fernsehen. Ganze Generationen von Fernsehköchen hat er maßgeblich beeinflusst, bis zum heutigen Tag! Wer war Clemens Wilmenrod und was war das Spezielle an ihm, dass sich seine Spuren noch 60 Jahre später in der Fernseh-Unterhaltung finden lassen? Seine Biografie, Fakten und Geschichten aus vielen Presseartikeln und Berichte von Zeitzeugen werden hier ergänzt um 15 Original Wilmenrod-Rezepte. Viel Spaß und guten Appetit! Nach einer umfassenden Überarbeitung bringe ich jetzt (2003) die 2. Auflage meines Buches heraus.

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Inhalt

Vorwort

Wie alles anfing …

2.1. Kochsendungen im Radio

2.2. Kochsendungen im Fernsehen

2.3 Entwicklung des Fernsehens in Deutschland

2.4. TV-Kochsendungen in Deutschland - Wie alles begann

Clemens Wilmenrod – eine Teil-Biografie

3.1. Wilmenrod geht zum Fernsehen

3.2. Wilmenrods Kochsendungen

Vom Nachkrieg zum „Wirtschaftswunder“

Wilmenrods Persönlichkeit und Wirkung

Seine Rezept-Namen

Fünfzehn seiner Rezepte

Alle Wilmenrod Kochbücher

Wilmenrod – und seine Lehrmeister/Innen

Wilmenrod und seine Werbeaktionen

Kritik an Wilmenrod

Kuriose „Spitznamen“ für Wilmenrod in der Presse

Das Ende seiner Koch-Shows 1964

Es gibt auch keinen Toast auf Hawaii!

Wilmenrod - Der Fernseh-Film (2009)

Kochshows nach Wilmenrod

16.1. Warum sind Kochshows so beliebt?

16.2. Auf den Punkt gebracht

16.3. Wie ging es weiter nach Wilmenrod?

Die bekanntesten deutschen Köche (A-Z)

ANHANG

Radio-Feature des Kultursoziologen Lutz Neitzert

Spuren bis heute – Wilmenrods Vermächtnis

Das Kochen und das Essen, kultur-soziologisch

Die NESTLÈ Studie „So is(s)t Deutschland 2019“

Essen und gemeinschaftliche Picknick-Veranstaltung

Alphabetisches Glossar

Quellenverzeichnis

Fotoverzeichnis

Etwas Werbung in eigner Sache

Vor-Vorwort zur 2. Auflage

Als Autor wurde ich oft gefragt, welche Beweggründe mich dazu gebracht haben, dieses Buch über den ersten deutschen Fernsehkoch zu schreiben.

Die Antwort ist sehr einfach: es gab bisher noch kein Buch über diese skurrile Person, die maßgeblich die deutsche Fernsehgeschichte mitgestaltet hat. In hunderten von Presseartikeln, Fernsehbeiträgen. in Zeitungs- und Magazin-Artikeln (von 1953 bis heute) wurde er hochgelobt, aber auch stark kritisiert, wie etwa: „Was will der denn, der ist doch Schauspieler und kein Koch!

2008 wurde sogar ein 90-minütiger Fernsehfilm über Clemens Wilmenrod produziert, mit dem Titel „Es liegt mir auf der Zunge!“, der im November 2009 über die ARD-Bildschirme flimmerte. Hauptdarsteller war Jan Josef Liefers und Anna Loos, Liefers Ehefrau, die im Film auch Wilmenrods Frau Erika spielte.

Durch diesen Film erinnerte ich mich an meine Kindheit, denn meine Mutter nahm mich in den späten 50ziger Jahren oft zu Nachbarn mit, die damals schon ein SW-Fernsehgerät besaßen und sich dort die Hausfrauen der gesamten Straße regelmäßig trafen, um Wilmenrods Sendung gemeinsam anzuschauen.

Ich fand das damals auch sehr spannend und möchte die interessanten Geschichten, die Wilmenrod während der Kochsendung, fast theatralisch mit seinen Kochaktionen verknüpfte. Er erzähle von seinen Reisen in die große weite Welt, von Österreich, Italien, Frankreich und sogar von Nordafrika, wo ihm ein Scheich im Beduinen-Zelt das spezielles Kochrezept zu „arabischem Reiterfleisch“ zeigte und übergab.

1953-1964 liefen Wilmenrods 185 Kochsendungen im Fernsehen und das war in der Zeit des stetigen Wachsens des Wirtschaftswunders. Die wenigsten Bundesbürger konnten sich damals schon Auslandsreisen leisten und so genossen wir seine Geschichten und seine kuriosen Speisen, die er kochte.

Er behauptete, der Erfinder des Toast Hawaii zu sein und das war nun wirklich höchst exotisch in unserer Vorstellungswelt. Denn Ananas, Hawaii, Südsee und meterhohe Palmen an verträumten Stränden, davon konnte man, zumindest gedanklich und ansatzweise träumen, wenn man seine Rezepte nachkochte und mit diesen gedanklichen Adhäsionen genoss.

Seit dieser Zeit schaue ich selbst natürlich Kochsendungen in Fernsehen und inzwischen bin ich selber begeisterter Hobbykoch geworden.

Als ich dann irgendwann, im Internet zu Wilmenrod nach weiteren Fakten und Rezepten suchte, stieß ich auf eine ca. 1-stündige Radiosendung im SWR2, Titel: „Clemens Wilmenrod -Der Schürzenjäger und das päpstliche Huhn“ (aus 2009). In diesem Feature hat sich der Kultursoziologe und Publizist Dr. Lutz Neitzert (Uni Tübingen) mit Wilmenrods Geschichte beschäftige und sowohl ihn selbst ausführlich dargestellt und auch selbst sprechen und erzählen ließ. Wilmenrods Bekannte, Verwandte und auch Fernsehleute ergänzten Neitzerts umfassende Ausführungen.

Da gab es völlig neue Fragmente aus dem Leben des Fernsehkochs zu hören, die Geschichten in den vielen Presse-Veröffentlichungen wurden teils widerlegt und teils bestätigt und ergänzt.

Jetzt wollte ich es wissen und in diesem Fundus der vielen Quellen recherchieren. Die Ergebnisse in meiner Recherchen habe ich in diesem Buch zusammengefasst., der nachweisbaren Lebensgeschichte von Carl Clemens Hahn, aka „Clemens Wilmenrod“ . Ich wollte diese Person beschreiben und begreifen. Und natürlich wollte ich ergründen, wieso Kochgeschichten und Kochsendungen seit den Kindertagen des Rundfunks und Fernsehens, bis zu heutigen Tag so beliebt sind!

Dabei hat mir Dr. Lutz Neitzert freundlicherweise das SWR2-Rundfunkfeature/Hörspiel über Wilmenrod zur Verfügung gestellt und mir sogar eine MP3-Sounddatei (konvertiert aus dem alten Tonbandmaterial) zu Verfügung gestellt. Nochmals herzlichen Dank an den Berufskollegen und Kultursoziologen Dr. Neitzert.

Mein Buch ist also eine Zusammenstellung und Zusammenfassung aus sehr vielen anderen Quellen und Berichten, wie auch aus persönlichen Erlebnissen aus meiner Kindheit. Als Autor war mir natürlich bewusst, dass mein ausführliches Buch über den ersten deutschen Fernsehkoch ein breites Publikum ansprechen könnte; übrigens junge, wie auch ältere Leser, die diese skurrile Person noch in Fernsehen kennenlernen konnten.

Natürlich liegt die Interessantheit inzwischen immer noch beim Toast Hawaii, der sich großer Beliebtheit gerade bei Kindern erfreut und uns Ältere sehr an die Wirtschaftswunderzeit erinnert. Ob Clemens Wilmenrod wirklich der Erfinder des Toast Hawaii ist, werde ich natürlich hier ergründen, wie auch einige interessante „Umfeld-Geschichten“ zu dieser Speise beschreiben.

gez. Roland W. Schulze im Mai 2023

1. Vorwort

Nach den schrecklichen Kriegsjahren kehrte in den 50ziger Jahren des letzten Jahrhunderts langsam wieder das „normale Leben“ in Deutschland zurück. Die Währungsreform brachte „neues Geld“, der Wiederaufbau begann, die junge Bundesrepublik wählte mit Konrad Adenauer ihren ersten Kanzler, die Wirtschaft nahm langsam wieder Fahrt auf und speziell aus den USA kamen Boogie-Woogie, Jazz und Rock ’n’ Roll und die junge die Mode setzte auf heitere Farben. Das sogenannte „Wirtschaftswunder“ erwachte – es ging endlich wieder aufwärts!

Die Medienlandschaft wuchs auch mit. Neben den Tageszeitungen entstanden jetzt farbige Magazine, Frauen-, Auto-, Jugend- und Hobbyzeitschriften mit Farbbildern und Geschichten aus der großen weiten Welt. Fernweh und Neugier auf alles Neue entstand und wurde gefördert!

1953 ging der NWDR (der Nordwestdeutsche Rundfunk) mit seinen Fernseh-Testsendungen in den offiziellen Regel-Programmbetrieb über, mit Natur-Dokumentationen und den ersten Familienserien, für zumindest einigen Stunden am Tag.

Bereits am 20. Februar 1953, nur zwei Monate nach dem offiziellen Start eines regelmäßigen Fernsehprogramms, flimmerte die erste deutsche Kochsendung über den Bildschirm: die fünfzehnminütige Sendung „Clemens Wilmenrod bittet zu Tisch“, in der Fernsehkoch Wilmenrod (1906-1967) seine Rezepte präsentierte. Seine Devise war „Was ich kochen kann, das können Sie zuhause auch!“

Dabei gab es Kochsendungen schon vor dem Krieg im Radio. Aber Kochsendungen im neuen Fernsehen sind demnach so alt, wie das Fernsehen selbst.

Clemens Wilmenrod war somit der erste Fernsehkoch, mit sehr großer Bekanntheit und Zuschauer-Resonanz. Nach dem Hunger der Nachkriegsjahre, nach Brennnesselsuppe, Rübeneintopf und Lebensmittel-Zuteilungen über Lebensmittelmarken, servierte Wilmenrod in seinen TV-Kochsendungen leckere Gerichte über den Bildschirm, mit wohlklingenden Namen und garniert mit interessanten Geschichten.

In den Jahren von 1953 bis 1964 hat er in 185 Sendungen nicht nur viele Rezepte und Kochbücher hinterlassen, sondern er hat alle Fernsehköche, bis zum heutigen Tag, mit seiner Art, Kochsendungen zu präsentieren, beeinflusst und ist somit auch der „Erfinder der Koch-Show“ und Spezialist für „kulinarische Gratwanderungen“!

Er wird auch bis heute als der „Erfinder des Toast Hawaii“, der „gefüllten Erdbeere“ und des „Arabischen Reiterfleisches“ genannt!

Der „SPIEGEL“ widmete ihm eine 11-seitige Titelgeschichte und die „FAZ“ bejubelte ihn als „Höhepunkt des deutschen Fernsehens“!

Er zeigte auch auf anderen Gebieten Pioniergeist: Wilmenrod wurde zum ersten Sündenfall für „Product-Placement“ und „Schleichwerbung“ ** im Fernsehen. Ungeniert machte er in seiner Sendung Reklame für Kühlschränke und Küchengeräte – er tischte auf und sahnte selbst kräftig ab.

Auch heute häufen sich im deutschen Fernsehen Koch- und Rezept-Sendungen und Koch-Wettbewerbe.

Selbst der aktuelle Buchmarkt ist überschwemmt mit bunten, meist großformatigen Kochbüchern bekannter, aktueller TV-Showköche. Selbst kochen, genießen und gesund Leben, ist allseits beliebt.

Wer war Clemens Wilmenrod und wie hat er das Fernseh-Format „Kochsendungen“ so nachhaltig bis heute beeinflusst, dass ihn eigentlich alle aktuellen Fernsehköche versuchen zu „kopieren“, bzw. seine Art der Präsentation übernehmen?

Ein seltenes und spätes Autogramm

Warum sind Kochsendungen allgemein, ob im Radio, oder auch im Fernsehen, weltweit so beliebt, bis heute?

Es gibt heute noch in Presse-Archiven und im Internet hunderte von Zeitungs- und Zeitschriften-Artikeln über ihn.

Selbst einige der bekannten deutschen Kultursoziologen und Publizistik-Wissenschaftler haben sich mit der Figur dieses „Kultkochs“ beschäftig. aber es gabt bisher noch kein umfassendes Buch über ihn! Diese Lücke möchte ich füllen und viele verstreute Informationen über diese Person zusammenführen, so dass ein umfassendes und runden Bild entsteht

Einige interessante und lustige Geschichten um den „ersten Showkoch“ werde ich hier mit 15 originalen Wilmenrod-Rezepten „würzen“ und ergänzen.

Viel Spaß und recht guten Appetit

Ihr

P.S.: Namen oder Begriffen, die mit ** markiert sind, habe ich in einem Glossar an Ende des Buches erklärt und beschrieben.

Clemens Wilmenrod in seinem ersten TV-Koch-Studio 1953

2. Wie alles anfing …

Fast so alt, wie das Kochen selbst, ist es, Kochrezepte zu sammeln und weiterzugeben. In fast jeder Küche kann man liebevoll handgeschriebene Kladden finden, in der schon die Mutter, die Großmutter oder sogar manchmal die Urgroßmutter die Lieblingsrezepte ihrer Familie heruntergeschrieben und konserviert hat.

Kochtagebuch von Lili Ramharter, Amstetten 1916 sogar mit Alphabet-Register

Aber auch neue Rezepte, überwiegend aus Zeitschriften und anderen Druckwerken, sowie Zubereitungstipps von Nachbarn und Bekannten wurden und werden gesammelt und oft an die nachfolgenden Generationen weitergegeben.

Weil nun auch jedes Land und jede Region ihre eigenen Variationen von Gerichten pflegt, sind diese privaten „Kochbuch-Kladden“ auch oft voller regional geprägter und mit völlig individuelle Ergänzungen versehene Rezept-Sammlungen.

Wo liegt eigentlich die Basis und der Ursprung der Kochsendungen in Radio und Fernsehen und was war und ist das Erfolgsrezept diese Medien-Genres?

2.1. Kochsendungen im Radio

Großer Radioapparat ca. 1924 genannt „Die Kathedrale“, im Besitz des Autors

In den USA ist die Geschichte von Radiosendungen über Kochen eng mit Werbung für bestimmte Produkte verbunden. Eine der ersten über das Radio übertragenen Kochsendungen, die sich gleichzeitig zu einer der bekanntesten US-amerikanischen Radiosendungen entwickelte, zählte die mit der fiktiven Figur Betty Crocker **.

Der Lebensmittel-Konzern „Washburn-Crosby-Company**“ und Vorläufer von „General-Mills“, entschied sich bereits im Herbst 1924 dafür, eine Radio-Kochsendung mit dieser fiktiven Figur zu etablieren und erwarb dafür einen Radiosender, der in einer Region von Kalifornien über Illinois bis nach Tennessee empfangen werden konnte.

Am 2. Oktober 1924 wurde die erste Radio-Kochsendung unter dem Titel Good Food ausgestrahlt. Knapp 1 Jahr später, am 21. September1925, begann die Ausstrahlung von Kochsendungen, die im ganzen Gebiet der USA zu empfangen waren.

Die Anzahl der Radiobesitzer in den USA war zwar von 5.000 im Jahre 1920 auf 2,5 Millionen im Jahr 1924 angestiegen: Aber weder gehörte das Radio zur Standardausstattung eines Haushaltes, noch war der geschäftliche Nutzen von Radio-Werbung belegt.

Es zeigte sich jedoch schnell, dass über Radiosendungen weitaus mehr potenzielle Kunden, als über die selbst umsatzstärksten Zeitungen, erreicht werden konnten.

Aus der ursprünglichen Radio-Sendung entwickelte sich u. a. The Betty Crocker Cooking School of the Air, eine über das Radio übertragene Kochschule. Viele Zuhörer partizipierten aktiv an dieser Kochsendung, deren Beginn in den gesamten USA Aufmerksamkeit erregte.

Verantwortlich für die Sendungen war seit 1927 Marjorie Husted**, die nicht nur die Programme schrieb, sondern gelegentlich diese auch im Rundfunk moderierte.

Am 5. Oktober 1927, in einer der ersten Sendungen, für die sie verantwortlich war, wandte sie sich mit folgenden Worten an ihre Zuhörer:

Marjorie Husted 1927

„Ich stelle Sie mir gerne vor, wenn ich hier rede. Ich kann die erfahrene Hausfrau sehen, die gerade Kartoffeln schält oder andere Arbeiten verrichtet, während sie zuhört, um ein paar kleine Ratschläge zu bekommen, die die Monotonie der alten Routine durchbrechen.

Ich sehe stark eingebundene Mütter kleiner Kinder, Großmütter, Bräute und junge Hausfrauen und die, die nicht mehr rauskommen, die ans Bett gefesselt sind oder auf Hilfe angewiesen und die mir immer wieder erzählen, wie sehr sie auf unsere Sendung warten ... ist es nicht wunderbar, dass egal wo sie sind, dass wir so zusammentreffen können, um die Dinge zu diskutieren, die uns alle interessieren.

Ein Radio duldet keine Zeit- oder Entfernungsbeschränkungen. Es ist noch nicht so viele Jahre her, als wir Nachbarn treffen mussten, vielleicht beim Schwatz überm Zaun, oder als wir auf ein Vereinstreffen oder einen Nähkreis warten mussten, um Rezepte auszutauschen. Heute aber, obwohl ich Meilen weg bin, kann ich mit ihnen reden und Radiohörer in Massachusetts können Ideen mit Radiozuhörern in Kalifornien austauschen.“

Diese sehr persönliche Ansprache einer Radio-Moderatorin war neu im Medium „Radio“ und schaffte es, nicht nur scheinbar größere Nähe zwischen Moderatorin und Zuhörerinnen herzustellen, sondern baute auch Vertrauen auf und eine immer größer wachssende Fan-Gemeinde an Hörerinnen und Hörern.

Zu Beginn dieser Radio-Sendungen waren nur Frauen als Moderatoren zu hören, ausnahmslos Frauen, auch keine professionellen Köchinnen und meist sogar Schauspielerinnen.

Das entsprach in den 1920er Jahren dem vorherrschenden Frauenbild. Für Männer war es nicht üblich zu kochen, obwohl auch Singlemänner oder Witwer Hörerbriefe an Betty Crocker schrieben, die stolz darauf waren, sehr wohl kochen zu können.

Männer waren damals eher die professionellen Köche, die in Restaurants ihre Kochkunst entfalten durften.

Erst in den 30ziger Jahren tauchte der erste männliche Moderator einer Radio-Kochsendungen auf. Der professionelle New Yorker Koch, George Rector**, führte durch seine beliebte Sendung „Our Daily Food Recipes“. Das war dann auch die Geburtssendung unserer heute bekannten Kochshows, gestaltet von praxiserfahrenen Spitzenköchen.

Auch in Österreich und Deutschland verbreitete sich dieses Kochsende-Format im Radio mit großem Erfolg, natürlich mit landeseigenen Moderatoren! Auch hier waren überwiegend Männer in der Rolle des Radio-Kochs.

Beispiele für Radioköche sind u.a. Marco Krainer**, der in Österreich bekannt ist, speziell durch die Radiosendung „Kochen im Radio“ beim österreichischen Regionalsender „Radio Kärnten“ (ORF) und auch im BRD-Radio in diversen Kochsendungen. Sehr bekannt wurde auch der Radio-Hobbykoch Helmut Gote**, der als freiberuflicher Mitarbeiter für den (N)WDR-Hörfunk mit den regelmäßigen Koch-Beiträgen „Einfach Gote!“ auf WDR2 auftrat.

2.2. Kochsendungen im Fernsehen

Die erste Fernsehsendung, bei der es hauptsächlich ums Kochen ging, flimmerte bereits 1945 in den USA über den Bildschirm.

Die Sendung hatte den Titel „The Queen Was In The Kitchen“. Die Sendung wurde von einem Hersteller von Küchenprodukten gesponsert und handelte hauptsächlich davon, wie Küchen in Zukunft ausgestattet sein sollten. Mittlerweile boten Koch- und Küchensendungen auch vielfältige Tipps für Architekten, Floristen, und Industrie-Designer in Sachen Kücheneinrichtung und Küchenausstattung.

Die ab 1963 in den USA ausgestrahlte Kochsendung „The French Chef“, erreichte ein amerikanisches Millionenpublikum wahrscheinlich gerade deshalb, weil sie mit der französischen Küche und deren Kochtechniken vertraut machte.

Xavier Marcel Boulestin im (frühen) TV-Koch-Studio

Das englische Fernsehen war der Vorreiter aller TV-Kochsendungen in Europa. Der eigentliche Pionier war der Franzose Xavier Marcel Boulestin**, der in London nicht nur ein Restaurant besaß, sondern 1937 in der BBC-Produktion Cook’s Night Out auch als erster Fernsehkoch auftrat. Er zeigte schon im britischen Vorkriegsfernsehen sein Können als Spitzenkoch.

Ab 1946 gab Philip Harben** im britischen Fernsehen wertvolle Tipps, wie man trotz kriegsbedingter Mangelwirtschaft, ein schmackhaftes Essen auf den Tisch bringen konnte.

Auf den ersten Blick gehörten solche Kochsendungen zu den TV-Ratgebern und damit in den „Informationsbereich“ im weitesten Sinne.

Doch Kochen im Fernsehen diente auch der Unterhaltung. Die Zuschauer wollten sehen, dass Kochen offenbar leicht ist ("das kann ich auch!"), wollten die Atmosphäre der Geselligkeit genießen, hatten Freude an den vorgestellten Zutaten und sahen zu, wie sie sich in ebenso schöne Speisen verwandelten. Gleichzeitig wurde beim Kochen viel geredet, es wurden verschiedene Lebensweisen vermittelt, Tipps und Anekdoten erzählt.

Dass weder die speziellen Kochgerüche, geschweige denn der Geschmack der Zutaten und der Gerichte, nicht über den S/W-Fernseher vermittelt werden konnten und auch heute noch nicht können, scheint den Unterhaltungs- und Informationswert von Kochsendungen im Fernsehen nicht zu schmälern.

2.3 Entwicklung des Fernsehens in Deutschland

In Deutschland wurde der Fernseh-Apparat erfunden und bereits 1931 auf der Funkausstellung in Berlin vorgestellt. Die ersten Fernsehsendungen gingen zur Olympiade 1936 in Berlin über den Äther.

So gab es in Berlin nur insgesamt 250 Fernseh-Apparate. Zuerst wurden auch dort sogenannte Fernsehstuben eingerichtet, wo jeweils ca. 30 Personen den „ersten regelmäßigen Fernsehprogrammdienst der Welt“ anschauen konnten.

Kombinierter Fernseh- und Rundfunkempfänger der Firma Telefunken von 1933

Gruppenfernsehen in den Fernseh-Stuben

Auf den unausgereiften Geräten gab es ein „flackerndes Fernsehbild“ von 18cm×22cm Größe und mit wenig Kontrast. Der Eintritt in diese Fernsehstuben war kostenlos.

Die Publikumsreaktionen auf das Fernsehen waren recht verhalten, was, angesichts der im Vergleich zur Kinoleinwand bescheidenen Präsentationsfläche, verständlich ist.

Dann stoppte der 2. Weltkrieg erst einmal abrupt jegliche Weiterentwicklung des Mediums Fernsehen in Deutschland.

Ab 12. Juli 1950 startete dann wieder der erste Fernseh-Testbetrieb in der jungen Bundesrepublik. Ein durchgehendes Fernsehprogramm gab es damals noch nicht.

Frühes Fernseh-Einschalt-Bild des DDR- Fernsehens

Selbst in der damaligen DDR entwickelte sich das Fernsehen mit dem erwachenden DFF (Deutschen Fernseh-Funk).

Am 11. Juni 1950 erfolgte der erste Spatenstich für das Fernsehzentrum Berlin (FZ) in Berlin-Adlershof.

Am 20. Dezember 1951 begannen dort die ersten Sende- und Empfangsversuche – jedoch nur für Techniker und Fachleute, weil die ersten öffentlichen Fernsehgeräte erst ab dem 29. Juli 1952 aufgestellt werden sollten.

Die erste Fernsehsendung der DDR wurde am 21. Dezember 1952 ausgestrahlt. Erst fünf Wochen zuvor waren die ersten Fernsehgeräte verkauft worden. Etwa 60 Fernseher in Berlin empfingen das Programm, das als Versuchsfernsehen von nun an täglich ab 20 Uhr für zwei Stunden auf Sendung ging.

2.4. TV-Kochsendungen in Deutschland - Wie alles begann

Nur 8 Wochen nach dem offiziellen Sendestart des öffentlichen Fernsehens in West-Deutschland, ließen die Verantwortlichen des Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR und Vorläufer des NDR) einen Fernsehkoch den Kochlöffel schwingen. So als ob sie ahnten, dass das Brutzeln, Schnibbeln oder Rühren vor der Kamera im nächsten Jahrtausend der absolute Renner sein würde.

Erstes TV-Studio-Heiligengeistfeld- im Hoch-Bunker in Hamburg

Am Freitag, den 20 Februar 1953, um 20:30 Uhr startete die erste deutsche Kochsendung als Live-Show mit dem Titel:

„Clemens Wilmenrod bittet zu Tisch.“

Die Sendung kam aus einem eilig eingerichteten „Küchenstudio“ im Hochbunker auf dem Heiligengeistfeld in Hamburg, den der NWDR damals als Fernsehstudio nutzte.

Die Zuschauer-Reaktionen auf das erste „Kochen im Fernsehen“ waren für die Fernsehverantwortlichen damals unerwartet groß und so wuchs diese Sendung zu einer wöchentlichen, später monatlich wiederkehrenden Serie von 185 Sendungen in 11 Jahren.

NWDR-Verwaltungsgebäude an der Hamburger Rothenbaum-Chaussee

Wer war nun dieser Fernsehkoch „Clemens Wilmenrod“, mit seinem französischen Menjou-Schnauzbärtchen**, mit seinem filouhaften Charme, der seine Gerichte mit hochtrabenden Namen, herrlichen „Münchhausiaden“ und seiner teilweise „gestelzten Sprache“ würzte?

3. Clemens Wilmenrod – eine Teil-Biografie

„Clemens Wilmenrod“ war sein späterer Künstlername, aber eigentlich hieß er Carl Clemens Hahn.

Er wurde 24. Juli 1906 als Sohn eines Müllers in dem kleinen 1.000 Seelen-Örtchen Oberzeuzheim in der Nähe vom Ort Willmenrod im Westerwald, im Nordosten von Rheinland-Pfalz geboren.

Er erzählte selbst über seine frühe Jugend: „…ich war dafür berühmt, dass ich die Flaschenmilch schon dann zurückwies, wenn sie - für keine noch so feine Zunge seiner Umgebung erkennbar - ganz leicht zu säuern begann. Dieser Knabe war ich! Ein Feinschmecker von Geburt aus!"

„… ich wurde römisch-katholisch getauft und das führte in einer erzprotestantischen Gemeinde zu gewissen zwischenmenschlichen Problemen …“

Der Willmenroder Karl-Heinz Schmidt** jedenfalls erinnert sich: "... also dass der Clemens nicht so oft hier im Dorf mit den Evangelischen spielen sollte - und so. Die Mutter war streng katholisch.“

Zum harten Kern der Willmenroder Dorfjugend hatte der kleine Hahn sicher nicht gehört, aber vielleicht kam er ja gerade wegen dieser konfessionellen Kalamitäten und seiner Außenseiterrolle auf seinen so außergewöhnlichen Lebensweg?!

Zumal ihm, als extrovertiertem und talentiertem Spross einer recht wohlhabenden und auch intellektuell ambitionierten Müller-Familie, einige Möglichkeiten offenstanden.

Seine Nichte Ilse Schloos** erinnert sich in einem späteren Interview: „Clemens war von Kindesbeinen an ein „richtiger Entertainer“ und hat die ganze Familie unterhalten.“

Zur Schule ging er bis zu seinem 14. Lebensjahr. „Dann hat er eine Müllerlehre in der Mühle angefangen.“ wie sich sein Bekannter Karl-Heinz Schmidt erinnert.

Mehr ist von seiner frühen Jugend nicht bekannt.

Seine Familie zog später direkt in den nahen Ort Willmenrod und diesen Ortsnamen (ohne das doppel-L) übernahm er später als Künstlername (aus Carl Clemens Hahn wurde später Clemens Wilmenrod).

Nach der abgerochenen Müllerlehre, besuchte zunächst ein Musik-Konservatorium in Limburg an der Lahn, erhielt Klavierunterricht und hielt sich damals selbst für sehr begabt, beendete aber nach kurzer Zeit seine musischen Träume.

"Ich war eine pianistische Hoffnung, es war aber nur eine Pubertätsbegabung!" erzählt Wilmenrod.

In den 1930er Jahren nahm er Schauspielunterricht und ging bei der Düsseldorfer Veteranin der Schauspielkunst, Louise Dumont** in die Lehre. Er debütierte auch in ihrem Privat-Theater, dem Dumont´schen-Schauspielhaus in Düsseldorf.

Louise Dumont

Als Schauspieler hatte er zunächst wenig Erfolg. Darauf folgten Hunger- und Wanderjahre und es begann erst einmal eine elende Tingelei durch die Niederungen dieses Gewerbes.

Auch bei „Bunten Nachmittagen“ war er oft die „verbindende Nummer“, musste sich aber oft mit kärglichen Gagen abfinden.

Nach ersten Engagements in Stendal erhielt er 1935 am Residenztheater Wiesbaden eine feste Anstellung.

Ab 1939 bekam er auch kleinere Rollen am Komödienhaus in Dresden.

Trotz seiner westerwäldischen Herkunft, sprach er übrigens als Schauspieler völlig dialektfrei. Es sei denn, er unterhielt sich mit seinen „Wällern“ (den Westerwäldnern