Goldgier - Dagmar Isabell Schmidbauer - E-Book

Goldgier E-Book

Dagmar Isabell Schmidbauer

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Beschreibung

Die Passauer Mordkommission steht vor einem Rätsel. Wer schlägt einen harmlosen Totengräber nieder, während der seiner Arbeit auf dem Innstadtfriedhof nachgeht? Warum murmelt der etwas von Gold, als er wieder zu sich kommt? Wo ist die Verbindung zu einem 20 Jahre zurückliegenden Verbrechen in München? Die Dinge wollen nicht zueinander passen, oder sind die Ermittler zu sehr von ihrem Kollegen abgelenkt, der nur auf die Geburt seines ersten Kindes wartet? Und auf einmal rückt der romantische Passauer Weihnachtsmarkt auf dem Domplatz in den Mittelpunkt des Kriminalfalles. Der fünfte Fall für die Mordkommission Passau um die Kommissare Steinbacher und Hollermann beginnt mit einem verletzten Totengräber, der aus einem Grab geborgen wird. Doch im Laufe der Ermittlungen stoßen die Beamten auf Verbindungen zu einem Jahrzehnte zurückliegenden und noch immer ungeklärten Doppelmord. Besonders knifflig wird der Fall für die Ermittler auch deshalb, weil nicht alle Beteiligten bereit sind, am selben Strang zu ziehen – Dagmar Isabell Schmidbauer schafft es auch im neuesten Band der Passau – Krimi – Reihe wieder, viel Lokalkolorit in eine spannende Handlung zu integrieren!

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Seitenzahl: 546

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Von Dagmar Isabell Schmidbauer

Goldgier

Kriminalroman

Imprint

Goldgier Dagmar Isabell Schmidbauer

published by: epubli GmbH, Berlinwww.epubli.de

Copyright: © 2018 Dagmar Isabell Schmidbauer Konvertierung: Sabine Abels | www.e-book-erstellung.de

Prolog

Nur mit einem dünnen Nachthemd bekleidet, kniete die Frau auf dem harten Holzboden ihres Schlafzimmers. Den Kopf gesenkt, die Augen weit aufgerissen und zitternd vor Kälte, ging ihr Atem inzwischen nur noch stoßweise. Todesangst schnürte ihr die Kehle zu und ließ sie trotz heftiger Schmerzen in dieser misslichen Lage ausharren. Sie solle sich nicht rühren, hatte einer der Männer gesagt und mit der Waffe auf ihren Kopf gezeigt, woraufhin sie aufgeschrien hatte. Ihr Mann, der gleich neben ihr kniete, hatte nur genickt und ihr mit seinem zuversichtlichen Blick signalisiert, dass sie ruhig bleiben solle. Ruhig in Anbetracht dieser tödlichen Bedrohung.

Tatsächlich hatten sein Blick und die Geräusche, die die nächtlichen Besucher in ihrem Haus verursachten, ihr zunächst Hoffnung gegeben. Sie waren auf der Suche. Sie würden fündig werden. Ihr Mann hatte sich kooperativ gezeigt, ihnen Zugang zu allem gegeben, das sich im Haus befand.

Doch das musste Stunden her sein, seitdem hoffte sie auf ein Ende der Tortur.

Die Schmerzen in ihren Beinen waren schier unerträglich, doch sie traute sich nicht, sich zu bewegen oder gar eine andere Haltung einzunehmen, denn der Mann mit der Waffe stand hinter ihr, und sie spürte seine Bereitschaft zum Töten.

Der einzige Trost war das Lächeln ihres Sohnes Moritz, zu dessen Foto ihr Blick immer wieder unbemerkt wandern konnte. Was für ein Glück, dass zumindest er nicht im Haus war. Sie seufzte kaum hörbar. Ach, wenn sie doch nur die Hand ihres Mannes halten könnte. Nur kurz seine Wärme und seine Zuversicht spüren dürfte, dann würde sie auch weiter durchhalten und ertragen, was kaum mehr zu ertragen war. Vorsichtig bewegte sie ihre Hand in Richtung ihres Mannes. Streckte einen Finger nach ihm aus, glaubte ihn gleich erreicht zu haben, als sie einen Schlag auf den Kopf spürte und zusammenbrach.

„Hast es wohl eilig mit dem Sterben?“, spottete der Mann und riss an ihr, bis sie sich wieder aufrichtete. „Hinknien!“, befahl er, und sie wusste, er würde seine Macht auskosten.

„Aber wir haben Ihnen doch alles gegeben“, jammerte sie, „was wollen Sie denn noch von uns?“

„Sssch!“, machte ihr Ehemann, und als sie trotz der Warnung kurz zu ihm hinübersah, erkannte sie, dass auch er Angst hatte. Der Blick ihres Mannes bewies ihr, wie schlimm es wirklich war. Wenn er ihr seine Angst so deutlich zeigte, dann gab es keine Hoffnung mehr.

Als Kind war sie leicht zu erschrecken gewesen und hatte sich daher am liebsten im Haus bei der Mutter aufgehalten. Erst die Stärke ihres Mannes hatte auch sie stärker gemacht. An ihn und seine Möglichkeiten, alles zum Guten oder noch Besseren zu wenden, hatte sie geglaubt. Stets hatte er für sie gesorgt, und mit den Jahren hatte sie sich so sehr an das sichere Leben an seiner Seite gewöhnt, dass sie ein anderes gar nicht mehr in Betracht gezogen hatte. Sie schloss die Augen, dachte ganz fest an ihre Mutter, ihre Wärme und Liebe und die Gebete, die sie gemeinsam gesprochen hatten, um Angst und Leid zu vertreiben.

Selbst als sie weitere Stimmen hörte und Schritte, die laut stampfend näher kamen, schaute sie nicht auf. „Heilige Mutter Gottes“, flehte sie stumm in die jetzt unheilvolle Stille hinein. Wieder und immer wieder, bis die Kugel ihren Kopf durchschlug und sie von ihrer Angst, ihren Schmerzen und ihrem Flehen erlöste.

20 Jahre später …

November. Feucht und kalt waberten die Nebelschwaden, die vom Inn heraufzogen, zwischen den Grabsteinen des Passauer Innstadtfriedhofs und legten sich wie Schleierfetzen auf die Gräber. Die höher gelegene zweistöckige Gruft und die Kuppel der Gedächtniskapelle sowie die Bäume und Sträucher, unter denen Engelchen gebettet waren, die nur für wenige Stunden oder Tage unter den Lebenden geweilt hatten, waren in der anbrechenden Dunkelheit kaum noch zu erahnen. In Nächten wie diesen gehörte der Friedhof allein den Toten und den wenigen, die sich trotz der unwirtlichen Kulisse nicht von einem Besuch abhalten ließen.

Aus dem Geräteschuppen, der an der Mauer zwischen den prachtvoll mit Stuck und Gemälden geschmückten Arkadengräbern und dem hinteren Eingang lag, trat ein Mann. Er hieß Arnold Schwarzenflecker, war Mitte vierzig, groß, und sein schlanker, an harte Arbeit gewöhnter Körper steckte in einer wattierten Jacke, Arbeitshosen und Stiefeln. Er bugsierte eine Schubkarre vor sich her, die mit Spitzhacke und Schaufel bestückt war. Mit forschem Schritt lief er die gekiesten Wege den Berg hinauf zu den weiter oben gelegenen Grabreihen. Sein Ziel war die Grabstelle von Theo Koller, dessen sterbliche Überreste er ausgraben sollte, damit er genau wie seine Witwe Rosemarie nach Berlin übersiedeln konnte.

Als Arnie vor vielen Jahren diesen für die meisten Menschen nicht infrage kommenden Job übernommen hatte, wusste er noch nicht wirklich, was ihn erwarten würde. Schon in der zweiten Woche traf er bei seiner ersten Umbettung auf eine sogenannte Wachsleiche, bei der selbst die Gesichtszüge noch erkennbar waren. Solche Überraschungen waren auch der Grund dafür, warum Umbettungen immer spätabends durchgeführt wurden. Zum einen sollten die Friedhofsbesucher nicht unfreiwillig Zeuge werden, andererseits konnte so verhindert werden, dass jemand fotografierte und die Bilder anschließend als Gruselfotos ins Netz stellte.

Die meisten Leichen blieben lange genug in ihrem Grab unter der Erde, um vollständig zu verwesen, sodass bei der Auflassung ihrer Gräber, wenn überhaupt, nur noch Knochen und der kahle Schädel übrig waren.

Trotz mancher nicht immer schöner, aber ausgesprochen menschlicher Fundstücke liebte Arnie seine stille Arbeit, bei der ihn niemand störte und er eins werden konnte mit seinen Werkzeugen, die er mit Kraft und Ausdauer in die lehmige Erde trieb. Diese schweißtreibende Tätigkeit erinnerte ihn an die Arbeit im Wald seines Vaters, bevor der Sturm Kyrill wie aus dem Nichts aufgetaucht war und kleine, abgegrenzte Gebiete überfallen hatte – ein Vorbote der Klimaänderung. Scharf war der Sturm in jener Nacht durch das Waldstück gefegt und hatte genau die Bäume, die seinem Vater gehörten, herausgeschnitten. Das Grundstück des Nachbarn war praktisch verschont geblieben. Gemeinsam hatten sie noch aufgeräumt, das Holz zu einem Spottpreis verkauft und neue Schösslinge gepflanzt. Danach hatte er sich etwas Neues suchen müssen und wurde so Angestellter der Stadt Passau, die seinen Lohn immer pünktlich bezahlte.

Inzwischen war Arnie am Grab angekommen und stellte die Schubkarre neben die Einfassungssteine, die er bereits am Vormittag entfernt hatte.

Er musste sich beeilen. Er war in Sorge.

Noch nie zuvor hatte Arnie während der Arbeit an eine Frau gedacht.

Sein Leben war stets fest getaktet gewesen: Er ging zur Arbeit, kam nach Hause, duschte, machte sich sein Abendbrot und schaute fern. Alles war eine gut abgestimmte Routine, bis eines Abends – seine Aufmerksamkeit galt gerade einem dieser Vorabendkrimis – an seiner Wohnungstür geklingelt wurde. Verwundert erhob er sich. Für gewöhnlich gab es niemanden, der ihn in seinem Feierabend störte. Als er die Tür öffnete, stand die Frau aus dem Erdgeschoss vor ihm. Vor ein paar Wochen erst war sie in die lange Zeit leerstehende Wohnung unter ihm eingezogen. Er hatte sie im Vorbeigehen schon ein paar Mal angesehen und ihr Lächeln erwidert. Auch jetzt lächelte sie und hielt ihm einen Teller mit belegten Sandwiches und eine Flasche Wein entgegen. „Ich dachte, ich schau mal auf einen Antrittsbesuch vorbei“, erklärte sie ihm und schielte an ihm vorbei in seine Wohnung. „Oder komme ich ungelegen?“ Arnie hatten die Worte gefehlt, weshalb er nur stumm den Kopf geschüttelt und sie hereingelassen hatte.

„Oh, Sie schauen fern. Ich liebe diese Krimis am Vorabend“, plapperte sie weiter und drängelte sich in ihrem Rock, der auf Sliphöhe endete, an ihm vorbei. Sprachlos schloss er die Tür und folgte ihr ins Wohnzimmer. „Die Wohnung hat den gleichen Schnitt wie meine“, erklärte sie und wandte sich dann zu ihm um. „Ich heiße Daniela, wollen wir uns nicht duzen?“

Weil der Film bereits lief, hatte Arnie aus der Küche Gläser und Teller geholt und Taschentücher bereitgelegt, so etwas wie Servietten gab es in seinem Ein-Mann-Haushalt nicht. Eigentlich hatte er zuvor schon gegessen, aber Danielas Sandwich war natürlich viel besser. Schinken und Käse waren mit Mayonnaise und Salat verfeinert, und ihr fröhliches Gequassel, das ihn die wichtigsten Stellen glatt verpassen ließ, störte ihn auch nicht im Mindesten.

Nachdem sie gegessen hatten, räumte Daniela die Teller zusammen, schenkte Wein nach und fragte, ob es ihn störe, wenn sie ihre Füße auf den Tisch legen würde, das wäre einfach bequemer nach dem langen Tag in der Tankstelle. Arnie hatte natürlich nichts dagegen, schon weil sie sich dazu ein wenig an ihn lehnte und er sie so besser riechen konnte. Daniela duftete sehr weiblich, und er fand auch das einfach schön. Irgendwann stand Daniela auf, ging zur Toilette, und als sie zurückkam, schaffte sie es, seinen Arm um ihre Schultern zu legen und sich noch ein bisschen mehr an ihn zu kuscheln.

Von diesem Tag an kam Daniela jeden Abend zu ihm herauf, und Arnie durfte sich an ihren Zärtlichkeiten und Liebkosungen sattfühlen.

Bald schon spürte er unter der Dusche nach der Arbeit schmerzhaft das Verlangen nach ihr. Eine Sehnsucht, die nur gestillt werden konnte, wenn er neben ihr lag und ihren nackten Körper an seinem spürte.

Natürlich hatte Arnie schon die eine oder andere Frau gehabt, doch diese Beziehungen waren über kurz oder lang schwierig geworden, weil jede ihn auf die eine oder andere Art umerziehen wollte. Als ob er ein Hündchen wäre, hatte er einmal sogar gedacht. Irgendwann hatte er es dann aufgegeben, nach der Richtigen zu suchen. Bei Daniela war alles anders.

Wenn er bei ihr seine von der harten Arbeit schwieligen Hände auf Entdeckungsreise schickte und dabei immer unersättlicher wurde, schmolz sie einfach nur dahin, was seine Begierde und Fantasie befeuerte.

An einem Abend kam sie im roten Negligé und am nächsten in schwarzen Netzstrümpfen und Strapsen. Ihr Vorrat schien so unerschöpflich wie Arnies Verlangen nach ihren Brüsten, die er streicheln und drücken und an denen er saugen durfte. Nie wies sie ihn zurück, immer wollte sie es genau so sehr wie er. Bis es vor ein paar Tagen zu diesem mehr als störenden Zwischenfall kam.

Längst trafen sie sich nicht nur in seiner, sondern auch in ihrer Wohnung. An jenem Abend hatte Daniela im Bett nackt vor ihm auf allen Vieren gekniet – eine Position, die Arnie besonders liebte. Sanft waren seine Hände über ihren Rücken gefahren, damit sie ihn noch mehr durchdrückte, und an den Seiten vorbei. Sie hatte laut aufgestöhnt, als er ihre Brüste umfasste, die Knospen sanft streichelte und vorsichtig knetete, bis die Geliebte sich seinen Händen immer mehr entgegendrängte. Er genoss dieses Stöhnen und Sich-Hingeben und hatte gerade ganz langsam in sie eindringen wollen, als es laut an der Tür geklingelt hatte und gleich darauf gegen das Türblatt gehämmert worden war.

Erschrocken waren sie auseinandergefahren. Noch einmal hatte es ungestüm an der Tür geklopft.

„Wer ist das denn?“, hatte Arnie geschimpft. Er war aus dem Bett gesprungen und hatte seine Hose gesucht. Inzwischen wurde laut nach Daniela gerufen. „Lass mal, ich muss selbst gehen“, hatte Daniela ihm energisch erklärt und sich ihren Bademantel geschnappt.

„Hast du Bohnen in den Ohren?“, war das Erste, was Arnie, der im Schlafzimmer auf dem Bett sitzend zurückgeblieben war, von dem späten Besucher zu hören bekam.

„Psst, nicht so laut!“, zischte Daniela zurück. Arnie hatte sich vom Bett erhoben und den Kopf an die Tür gedrückt, um lauschen zu können. Ihre Stimme hatte auf einmal so fremd geklungen, und auch der Inhalt ihres Gesprächs hatte ihn alarmiert.

Natürlich wusste Arnie längst nicht alles von Daniela, und letztlich war praktisch ihr ganzes vorheriges Leben ein einziges Geheimnis für ihn. Nach wie vor. Arnie hatte erkannt, dass ihn das sogar ein wenig erregte. Aber der Typ, der sich in diesem Moment mit ihr im Wohnzimmer befand, machte einfach keinen guten Eindruck auf ihn.

„Du schuldest mir etwas.“ Die Stimme war fordernd, und gleich darauf hatte Arnie ein Geräusch vernommen, das er nur als Ohrfeige deuten konnte. Vorsichtig hatte er die Tür geöffnet, ein zweiter Schlag und ein unterdrückter Aufschrei, gefolgt von einem Fluch, waren zu hören. „Ich hab dein Scheißgeld nicht!“ Im Wohnzimmer entstand ein Tumult, und Arnie war nicht mehr zu halten gewesen.

Er war ins Wohnzimmer gesprungen, hatte den Eindringling von hinten gepackt und überwältigt. Der Unbekannte hatte sich losmachen wollen, aber Arnie hatte ihn fest im Griff gehabt und zur Tür geschoben.

„Und jetzt raus mit dir, Bürschchen, sonst vergesse ich mich!“, hatte Arnie mit drohender Stimme geknurrt. Der Fremde schien verstanden zu haben. Er hatte etwas gemurmelt, was sich wie ein „Okay, okay, ich hab’s kapiert, du hast jetzt einen Aufpasser!“ angehört hatte. Ohne weitere Gegenwehr ließ sich der Eindringling zur Tür bugsieren und mit einem kräftigen Stoß hinausbefördern. Dort hatte er seine Lederjacke gerichtet und war sich durchs gegelte Haar gefahren. Dann hatte er an Arnie vorbei gerufen: „Das wirst du mir büßen. Du wirst schon sehen, was du davon hast, wenn du versuchst, dich hinter deinem Bodyguard zu verstecken!“

„Wer war das denn, und woher kennst du solche Typen?“, hatte Arnie gefragt, nachdem er die Tür mit Nachdruck geschlossen hatte.

Seine immer noch leicht bekleidete Freundin hatte den Kopf geschüttelt, sich an ihn geschmiegt und ein „Ist nicht so wichtig“ genuschelt. Doch mit dieser Antwort hatte er sich nicht zufriedengeben wollen. Energisch schob er sie ein wenig von sich, damit er ihr Gesicht sehen konnte.

„Jetzt sag schon! Hattest du was mit ihm?“

„Ich hab mal für ihn gearbeitet. Und jetzt behauptet er, ich hätte ihm Geld gestohlen, aber das stimmt nicht“, hatte sie mit Tränen in den Augen gebeichtet.

„Sollten wir nicht zur Polizei gehen?“, hatte Arnie vorgeschlagen, von ihren Tränen überwältigt, doch Daniela hatte ihn zurück ins Schlafzimmer gezogen, ihren Bademantel geöffnet und langsam über ihre Schultern zu Boden gleiten lassen. „Nein. Der kommt nicht wieder. Ich glaube, er hat es begriffen.“

Aber Arnie hatte der Vorfall trotzdem keine Ruhe gelassen. Vielleicht hatte Daniela gedacht, er würde nicht bemerken, wie sehr sie sich verstellte, um ihre Angst nicht zu zeigen. Arnie wusste inzwischen, dass Daniela kein Geld hatte. Wie viel sie benötigte, um ihren Schuldner zufriedenzustellen, wusste er nicht. Trotzdem hatte er beschlossen, ihr zu helfen. Denn eines wusste er sicher: Er wollte nicht, dass seine Liebste von Typen wie ihm belästigt wurde …

Inzwischen war Arnie in seinen kleinen Bagger geklettert. Er wollte gerade starten, als er ein Geräusch vernahm, das ihn innehalten ließ. Mit Hilfe seiner Stirnlampe blickte er sich zwischen den Grabreihen um. Er war nicht ängstlich, und auch vor den Toten fürchtete er sich nicht. Ihm ging es nur um die Menschen, die vielleicht zufällig Zeuge dessen werden könnten, was er in den nächsten Stunden freilegen würde. Doch um ihn herum war alles still. Er musste sich getäuscht haben, dachte er und ließ den Motor an.

Mit dicken Socken und einer an vielen Stellen geflickten Männerstrickjacke über dem knappen Trägerhemdchen saß Daniela am Küchentisch ihrer kleinen Parterrewohnung und blätterte in der Heimatzeitung, die sie beim Nachhause Kommen aus dem Papiercontainer gefischt hatte. Sie wollte sich ablenken, um nicht ständig an ihre Sorgen denken zu müssen.

Ihr Vormieter war im Alter von 88 Jahren in seinem Fernsehsessel eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht. Erst viele Tage später hatte ihn der Hausbesitzer gefunden. Die Bestürzung in der Straße war so groß gewesen, dass bald die ganze Innstadt davon wusste. Und trotz des Passauer Wohnungsmangels hatte niemand sich für eine Nachmietung beworben – niemand außer Daniela, die es sich nicht leisten konnte, wählerisch zu sein.

Für sie war die Wohnung, direkt am Inn gelegen, ein Geschenk des Himmels. Wobei natürlich auch sie sich anfangs vor dem Gestank geekelt hatte. Aber nach einer gründlichen Reinigung mit allem, was gut und wohlriechend war, konnte sie sich einreden, dass die Ausdünstungen des alten Mannes verschwunden waren. Zumindest solange die Luft mild war und sie die Fenster auf Durchzug lassen konnte. Mit Einsetzen des feuchtkalten Nebelwetters kam jedoch auch der leichte Verwesungsgeruch zurück, und so folgte Daniela dem Tipp eines Zeitungsartikels über das Ausräuchern. Sie kaufte eine Duftlampe, legte Rosmarinzweige und Wacholderbeeren auf das Drahtsieb und vertrieb damit den unangenehmen Geruch aus der Wohnung.

Der einzige Sohn des alten Mannes hatte sich, wie Daniela nur zu gut verstehen konnte, geweigert, die Wohnung nach dem Tod des Vaters noch einmal zu betreten, und daher den Vermieter gebeten, alles, was sein Vater besessen hatte, zu verschenken oder zu entsorgen. Dieser Wunsch war für Daniela ein Segen, denn außer dem sehr speziellen Duft war die Wohnung ein wahres Schatzkämmerchen, wie Daniela sehr schnell feststellte. Täglich fand sie nützliche Dinge.

Im vollgestopften Kleiderschrank hatte sie nicht nur einen kleinen Vorrat an Sekt, sondern auch mehrere Bündel Geldscheine entdeckt. Der Sekt war schnell verbraucht, doch das Geld legte sie vorsichtshalber zurück unter die langen Männerunterhosen.

Weil es draußen bereits dunkel war, hatte sie die Vorhänge zugezogen und wie jeden Abend eine Duftkerze entzündet. Vor ihr stand eine Tasse mit dampfendem Tee, daneben lag eine angebrochene Tafel Schokolade. Die Schokolade schmeckte so billig, wie sie gewesen war, aber Daniela brauchte Nervennahrung. Die Sache mit Kanopka, dem unerwünschten Besucher vom Vortag, machte sie unruhig. Reine Auslegungssache, ob er ihr Geld schuldete oder sie ihm. Fest stand nur, dass er sich am längeren Hebel befand und sie ihm wenig entgegenzusetzen hatte. Arnie hatte sich zwar als Held erwiesen, aber sie kannte Kanopka und wusste, dass er das nur einmal mit sich machen ließ.

Daniela erhob sich schwerfällig und humpelte ins Schlafzimmer, das auf der hinteren Seite des Hauses lag, mit Blick direkt auf den Innstadtbahnhofsweg und den Inn, der sich nur ein Stück weiter östlich mit Donau und Ilz vermählte und der Stadt Passau ihren Beinamen gab: Dreiflüssestadt. Lange bevor sie eingezogen war, waren auf dem Weg unterhalb ihres Hauses Züge gefahren. Die Gleise lagen noch, doch unterwegs waren jetzt Radfahrer und Fußgänger, oft mit ihren vierbeinigen Freunden. Neuerdings wurde an dem Gleisbett wieder gebaut, weil ein rühriger Verein die alte Bahnlinie reaktivieren will.

Wenn sie unter Stress stand, machte sich der nie richtig ausgeheilte Schienbeinbruch, den sie sich vor Jahren bei einem Unfall zugezogen hatte, mit einem stechenden Pochen bemerkbar. Und allein bei dem Gedanken an Kanopka und seine Kaltblütigkeit schmerzte sie ihr rechtes Bein so sehr, dass sie kaum auftreten konnte. Sie holte das Geld des Vormieters aus dem Versteck, es wog schwer in ihrer Hand. Das könnte sie Kanopka geben, dann wäre sie ihre Schulden los, aber eben nur die, noch lange aber nicht Kanopka selbst. Das Geld, das sie sich für ihren Umzug nach Passau „stibitzt“ hatte, war längst verbraucht und sicher nicht der Grund für sein Auftauchen. Kanopka führte etwas im Schilde, und wenn er zu ihr kam, dann wollte er etwas von ihr. Was das sein könnte, davon hatte Daniela keine Ahnung, aber sie wusste, dass sie nicht mitmachen würde. Und sie wusste auch, dass sie ihm das Geld nicht geben würde, denn mittlerweile betrachtete sie das Geld als eine Art Alterssicherung.

Sorgfältig schob Daniela die Geldbündel zurück an ihren Platz und schloss gewissenhaft die Schranktür. Danach warf sie einen Blick auf den altmodischen Wecker, aber Arnie musste heute länger arbeiten. Sie beschloss, zurück in die Küche zu gehen, ihren Tee zu trinken und weiter auf ihn zu warten. Da klopfte es auf einmal laut und fest an ihr Fenster.

Daniela schrak zusammen und verhielt sich automatisch ganz still. Wieder klopfte es, heftiger noch als zuvor. Daniela schielte zur Küchenuhr. Konnte es sein, dass Arnie doch schon fertig war?

Mit der Zeitung in der rechten Hand ging sie zum Küchenfenster, aus dem sie in Richtung Kapuzinerstraße blicken konnte. Mit der linken Hand zog sie die beiden Teile des Vorhangs auseinander. Kanopka. Er bedeutete ihr mit einer unwirschen Handbewegung, das Fenster zu öffnen. Daniela schüttelte den Kopf. Glaubte der allen Ernstes, dass sie so dumm sein würde, ihn hereinzulassen?

Doch gleich darauf verpuffte ihr Löwenmut zu Mäusedreck. Plötzlich hielt Kanopka eine Spraydose in der Hand und schrie so laut, dass im Haus gegenüber die Lichter angingen: „Wenn du nicht aufmachst, erfährt jeder in dieser Straße, wer du wirklich bist!“ Er zog die Kappe von der Farbdose und sprayte das erste Wort auf die Scheibe: „Hier …“

„Lass mich in Ruhe, ich hab dein Geld nicht mehr“, schrie sie durch das geschlossene Fenster zurück, aber da entstanden schon die nächsten Worte „wohnt eine verf…“. Voller Wut riss Daniela das Fenster auf. Hastig wischte sie mit der Zeitung über die Schmierereien. Die Buchstaben verloren ihren Sinn. Zu spät begriff sie, dass Kanopka sie nur abgelenkt hatte. Rasch zog er sich am Fensterbrett hoch und stemmte sich auf die Brüstung. Endlich erkannte Daniela, was er vorhatte, und attackierte ihn mit ihren Fäusten. Kanopka schubste sie von sich und sprang in ihre Küche. Als Daniela sich nach ihm umwandte, traf sie seine Faust völlig unvermittelt ins Gesicht. In Sekunden schwoll ihr linkes Auge bis auf einen kleinen Schlitz zu, während aus der Nase das Blut schoss und der Schmerz in ihrem Gesicht hämmerte. Es war nicht das erste Mal, dass Daniela von ihm verprügelt wurde, sie wusste, was nun kommen würde, und versuchte, sich hastig in Sicherheit zu bringen. Dabei stolperte sie über ihre am Boden herumliegenden Schuhe, und als sie sich an irgendetwas festhalten wollte, traf sie der nächste Schlag brutal in die Magengrube. Würgend ging sie endgültig zu Boden, wo sie sich zusammenrollte und die Hände schützend um ihren Kopf legte, um zumindest ihn vor weiteren Schlägen zu schützen.

„Hast du genug, oder soll ich weitermachen?“, fragte Kanopka überheblich, musterte Daniela eingehend und stellte sich schließlich breitbeinig über ihren Körper, um ihr die Hand zum Aufstehen zu reichen. „Na los, ich will dir ein Geschäft anbieten.“

Doch Daniela war viel zu verängstigt, um etwas zu sagen, und schüttelte nur schwach den Kopf, denn sie dachte überhaupt nicht daran, mit Kanopka Geschäfte zu machen. Sie wusste schließlich, wohin sie das führen könnte. „Wenn Arnie dich erwischt, dann bist du dran.“

Kanopka schnaubte verächtlich, zog seine Hand zurück und machte zwei Schritte von Daniela weg, dann drehte er sich um, holte aus und verpasste ihr einen Tritt in die Flanke.

Während sie vor Schmerz aufschrie, ging Kanopka neben ihr in die Hocke und zischte ihr zu: „Du glaubst doch nicht allen Ernstes, dass dich dieser Weichling tatsächlich beschützen kann? Wo ist er denn, dein neuer Beschützer? Vielleicht beim Leicheneinbuddeln?“

Daniela schwieg.

„Brauchst nichts sagen, ich habe ihn weggehen sehen. Und weißt du, was ich jetzt mache? Ich geh zum Friedhof, und dann nehme ich mir dein Freundchen vor, und wenn ich mit ihm fertig bin und du ihn nicht mehr wiedererkennst, dann wirst du angewinselt kommen und betteln, dass ich dir einen Job gebe. Und vielleicht, wenn ich ganz gut gestimmt bin, werde ich dir tatsächlich noch einmal die Hand reichen. Aber da musst du schon richtig vor mir kriechen, das kann ich dir versprechen.“

Kanopka stand wieder auf und ging in Richtung Flur, um die Wohnung zu verlassen, drehte sich dann aber noch einmal um und erklärte lautstark: „Du gehörst mir, und du machst, was ich dir sage, hast du das kapiert?“

Arnie liebte seinen Spezialbagger, einen Bobcat. Schallisoliert, hydraulisch und leichtgängig, machte der ihm richtig Spaß. Beim Ausheben alter Gräber musste er natürlich vorsichtig sein, aber seine Erfahrung sagte ihm, wann es genug war. Als der Erdaushub neben der Grabstätte kniehoch lag, schaltete er den Bobcat aus, legte Hacke und Schippe an den Rand des Lochs und kletterte über die Leiter hinunter.

Sofort spürte und hörte er morsches Holz unter seinen Stiefeln brechen. Kalte, modrige Luft stieg ihm in die Nase. Das war der Moment, in dem ihn jedes Mal fröstelte, auch wenn ihn die Beschaffenheit des Sarges nicht interessierte. Oder die des Leichnams. Vor einem Toten musste man sich nicht fürchten, egal in welchem Stadium der Verwesung er sich gerade befand. Arnie ging es nur darum, möglichst schnell mit dem Graben fertig zu werden, denn er hoffte, dass auch die Berliner Bestatter dann ihren Teil zügig erledigen würden, damit er das Grab wieder verfüllen und endlich zu Daniela nach Hause fahren konnte. In einer Nacht wie dieser hatte niemand Lust auf einen gepflegten Plausch am offenen Grab.

Daniela. Natürlich dachte er die ganze Zeit über nur an sie, auch wenn er sich konzentrieren musste, weil er jetzt jeden Moment damit rechnete, auf Holz zu treffen, was bedeuten würde, dass seine Arbeit vorerst abgeschlossen war. Tatsächlich erreichte er, als er die Schaufel das nächste Mal in die Erde führte, den eingebrochenen Sargdeckel. Rasch legte er den gesamten Sarg frei, und als er die Schaufel beiseite stellte und ein Stück des verwitterten Deckels anhob, fiel sein Blick auf die Röhrenknochen der Beine und einen Teil des Beckens. Zwischen den Knochen zu seinen Füßen, noch halb von Erde bedeckt, glänzte etwas in der Dunkelheit. Ein künstliches Hüftgelenk, dachte Arnie. Um genauer zu sehen, schaltete er seine Taschenlampe an, die er immer mit sich trug. Zwei Dinge wurden ihm sofort klar.

Erstens: Das, was glänzte, war zwar Metall, vielleicht sogar Edelstahl, aber es war ganz sicher kein Hüftgelenk. Zweitens: Dieses Ding aus Edelstahl konnte nicht zum eigentlichen Sarg und seinem Bewohner gehören. Seltsam.

Mit den behandschuhten Händen grub Arnie neben seinem Fund weiter und befreite gleich darauf eine komplette Urne, die auf einer Seite mit der Blüte einer Calla verziert war.

Er hob das metallene Fundstück mit beiden Händen an. Als er es zur Seite stellen wollte, damit er den Leichnam weiter bergen konnte, wurde ihm bewusst, dass das Gewicht dieses Behältnisses einfach nicht zu seinem vorgesehenen Inhalt passte. Arnie hielt inne – er musste nachdenken. Irgendetwas ging hier nicht mit rechten Dingen zu. Er selbst war an der Grablegung von Theo Koller vor sechs Jahren beteiligt gewesen, und er wusste, dass das Grab seither nicht mehr für eine Urnenbeisetzung geöffnet worden war. Auch der Grabstein selbst schwieg sich aus: Kein zweiter Mensch lag hier neben Theo Koller bestattet. Wie also war die Urne dann ins Grab oder ja eigentlich in den Sarg gekommen?

Vielleicht würde die Inschrift weiterhelfen. Er wischte über den Verschluss der Urne. Sie könnte ihm zumindest zeigen, wessen Asche sich im Inneren befand. Doch der Behälter war nicht nur viel zu schwer für eine mit Asche gefüllte Urne, er besaß auch keinerlei Inschrift.

Seltsam, dachte Arnie erneut, und wenn er nicht gewusst hätte, dass er die Grube zu keiner Zeit aus den Augen gelassen hatte, dann hätte er spätestens jetzt an einen üblen Scherz im Sinne von ‚Verstehen Sie Spaß‘ geglaubt.

So aber kletterte er mit dem Gefäß unter dem Arm umständlich die Leiter hinauf und schaute zum hinteren Friedhofstor, das er an diesem Abend extra unverschlossen gelassen hatte. Er wollte nachsehen, ob die Berliner schon im Anmarsch waren. Wenn ja, musste er seine Arbeit schnellstens beenden. Wenn nein, konnte er einen ungestörten Blick in die Urne riskieren. Arnie stellte sie auf seine wattierte Arbeitsjacke, die er während des Schaufelns ausgezogen hatte.

Um ihn herum war alles still. Hin und wieder fuhr ein Auto jenseits der Friedhofsmauer vorbei. Vereinzelt hörte er von Alkohol aufgekratzte Stimmen, die vom Fünferlsteg herüberkamen, Studenten vermutlich, die bald darauf oben im Wohnheim verschwinden würden. Arnie überlegte, ob er nicht doch lieber schnell seine Arbeit beenden und sich erst, wenn die Berliner Schädel, Knochen und die sie umgebenden breiigen Reste des Verstorbenen verstaut hatten, um den mysteriösen Inhalt der Urne kümmern sollte.

Doch er konnte seinen Blick nicht von dem Behälter lösen. Er kniete sich auf seine Jacke und wog ihn noch einmal in seinen Händen. Er faszinierte ihn. Ratlos senkte ihn Arnie zu Boden. Kein Laut wies auf die Ankunft der Bestatter hin. Er war ganz allein, er und die Toten in ihren Gräbern.

Hin- und hergerissen zwischen Neugierde und Pflichtbewusstsein, umfasste Arnie mit einer Hand den Deckel des Metallgefäßes. Mit etwas Kraftanstrengung konnte er ihn lösen und drehen. Das Gewinde quietschte. In der Stille des Friedhofs war es das einzige Geräusch, überlaut, erschreckend. Arnie fühlte sich ertappt und schaute sich um. Niemand da, er war noch immer allein. Versunken in sein Tun, dachte Arnie inzwischen weder an die Berliner noch an den zersetzten Leichnam am Boden der Grube. Ihn interessierte ausschließlich, was sich derart Schweres im Inneren des Behälters befand.

Als er den Deckel endlich freibekommen hatte, sah er ein fest zusammengeknülltes Stück Zeitung. Er zog es heraus, musterte es kurz, dann schob er es in die Tasche seiner Jacke. Mit beiden Händen hob er die Urne auf und drehte sie im Lichtkegel seiner Stirnlampe. Im nächsten Moment starrte Arnie fassungslos auf den Inhalt und ihm wurde heiß. „Das, das, das gibt’s doch nicht!“, stotterte er schließlich und wischte sich mit dem Ärmel seines Hemdes über die Augen, bevor er noch einmal hineinblickte.

Doch das Gefäß blieb gefüllt mit kleinen eingeschweißten Goldbarren, die selbst durch die Folie hindurch im Licht seiner Lampe um die Wette strahlten. Träumte er? Lag er vielleicht zu Hause in seinem warmen Bett und fantasierte nur, auf dem nebelkalten Friedhof zu stehen und eine Urne mit Goldbarren in der Hand zu halten? Die Luft war so klamm, das musste real sein. Aber wer, um Gottes Willen, packte eine Urne voller Gold in einen Sarg? Und wem konnte das Gold jetzt gehören? Er hatte es gefunden, aber er wusste auch, dass Münzfunde dem Staat gehörten. Doch das hier waren ja Goldbarren, die noch dazu in Folie eingeschweißt waren. Also sicher nichts Altes. Trotzdem wusste er nicht, wie er den Besitz des Goldes erklären sollte. Arnie wurde ganz schwindelig. Wieder blickte er sich um. Noch immer war er allein. Sollte er einfach alles stehen und liegen lassen und mit dem Gold verschwinden? Wer wusste schon, wie lange die Berliner wirklich auf sich warten ließen? Was, wenn sie genau in dem Moment, in dem er mit dem Behälter unter dem Arm den Friedhof verlassen wollte, angefahren kamen? Dann wäre er ertappt. Arnie wurde heiß. Er musste das Gold an einer anderen Stelle in Sicherheit bringen. Bis auf Kleinigkeiten hatte Arnie noch nie etwas Unrechtes getan, aber das hier war etwas anderes. Denn während er verzweifelt nach einer Lösung suchte, wurde ihm klar, dass er das alles nur für Daniela tat. Er hatte keine Ahnung, warum und wie viel Geld der Typ von neulich von ihr wollte, doch es wäre sicher von Vorteil, über einen Goldschatz zu verfügen, wenn es darum ging, diesen Burschen ruhig zu stellen.

Und dann hatte Arnie eine Idee. Nach einem prüfenden Blick auf sein Handy, das ihm aber keinen entgangenen Anruf anzeigte, schraubte er die Urne rasch wieder zu, wickelte sie in seine Jacke und erhob sich, um sie in den Geräteschuppen zu bringen. Zwei Schritte weit kam er, dann traf ihn ein heftiger Schlag auf den Kopf, und in ihm wurde es so dunkel wie um ihn herum.

Kriminaloberkommissarin Franziska Steinbacher machte sich auf den Heimweg. Obwohl in ihrem Kommissariat momentan kein besonderer Fall zu bearbeiten war, war sie völlig erledigt. Seit Wochen ging dieser üble Magen-Darm-Virus um, der auch sie für ein paar Tage niedergestreckt hatte und von dem sie sich erst noch erholen musste. Hinzu kam, dass ihr die familiäre Situation des Kollegen Hannes Hollermann mächtig auf die Nerven ging. Seit er, besser gesagt, sein ‘Schätzchen‘ Sabrina schwanger war, drehte sich in ihren Gesprächen praktisch alles nur noch um den passenden Kindsnamen, um dicke Beine und Kurzatmigkeit, um Schwangerschaftsgymnastik und in letzter Zeit vor allem um einen möglichen vorzeitigen Blasensprung sowie die daraufhin einsetzenden Wehen und das rechtzeitige Eintreffen des Notarztwagens. Trotz aller Beruhigungsversuche, dass es doch auch ganz normale und völlig unkomplizierte Schwangerschaften gab, ließ sich Hannes nicht von diesem Schreckensszenario abbringen. Ein bisschen verstand Franziska ihn ja, denn noch immer fühlte sich Hannes schuldig am Tod seiner früheren Freundin Mira, weswegen er nun übervorsichtig geworden war. Hannes fuhr seit dem tödlichen Unfall nur noch in absoluten Ausnahmesituationen Auto, was Franziska nicht immer gelassen hinnehmen konnte.

Franziska mochte ihren jüngeren und schlaksigen Kollegen, Hannes war für sie so etwas wie ein kleiner Bruder. Ein kleiner Bruder, der ihr schon mehrmals in wirklich allerletzter Sekunde zu Hilfe gekommen war. Während Franziska über die Schanzlbrücke fuhr, musste sie auf einmal laut loslachen. An diesem Abend sollte Hannes in einem Kurs für werdende Eltern das richtige Atmen lernen und, wie er Sabrina bei der Entbindung unterstützen konnte. Franziska stellte sich gerade vor, wie Hannes hechelte und Sabrina den Rhythmus vorgab, sie mochte nicht glauben, dass junge Eltern danach wieder ungestümen Sex miteinander haben konnten, ohne an das Gehechel während der Entbindung zu denken.

Sie bog in die Stephanstraße und fuhr langsam den Berg hinauf. Obwohl sie älter als Hannes war, hatte sie das Thema Kinderkriegen bisher resolut vor sich hergeschoben, auch wenn sie sehr wohl wusste, dass die biologische Uhr laut und heftig tickte. Franziska liebte ihre Freiheit, und in einer Partnerschaft ging es für sie um mehr als nur ums Kinderkriegen. Sie liebte vor allem diese aufregenden und wunderbar erotischen Augenblicke, in denen sie alles vergessen konnte. In ihrem Beruf war sie, soweit es ihr möglich war, eine entschlossene Frau, die sich nicht so leicht unterkriegen oder gar herumkommandieren ließ. Beim Sex mit ihrem Freund Walter dagegen gab sie zu gern die Kontrolle ab und überließ ihm die Führung. Walter war Bühnenbildner am Fürstbischöflichen Opernhaus, und entsprechend geschult war sein Sinn für außergewöhnliche und auch erregende Inszenierungen. Nicht nur auf der Theaterbühne. Es war schon vorgekommen, dass er, während sie noch im Büro war, ihr Wohnzimmer umgeräumt und sie beim Nachhause Kommen in einer Kulisse aus künstlichen Felsen, Fellen und sogar Bäumen erwartet hatte, um mit ihr eine Szene aus ‚Tristan und Isolde‘ nachzuspielen. Franziska musste lächeln. Er hatte ihr die Augen verbunden und ihre Hände gefesselt, um sie König Marke zu übergeben, dem sie versprochen war, und sie hatte damals wirklich geglaubt, er würde sie einem anderen Mann überlassen. Franziska liebte nichts so sehr, wie wenn Walter ihr die Augen verband. Diese bei ihm sehr zärtliche Handlung fachte ihre Lust an, und wenn er ihr dann auch noch die Hände fesselte und sie anschließend an einen Ort brachte, ohne dass sie wusste, wo sie war und was er mit ihr vorhatte, vergaß sie alles um sich herum. Sie lauschte dann auf jedes Geräusch, jede Bewegung und jede Andeutung, die er machte. Bei nichts konnte sie sich so fallen lassen wie bei diesem Spiel aus Macht und Unterwerfung.

Kürzlich erst hatte Walter sie gefragt, ob sie Lust hätte, etwas Neues auszuprobieren, und sofort hatte ein heftiges Prickeln Franziskas Nervenbahnen in Aufruhr versetzt. Allein diese Ankündigung machte ihren Körper weich und willig. Daraufhin hatten sie sich mit dem Laptop ins Bett gelegt und im Internet nach Anregungen gesucht. Auf der Seite einer Frauenzeitschrift waren sie schließlich auf Abbildungen verschiedener Fesselungen gestoßen. Vor allem das japanische Shibari hatte es ihr angetan, weil es dabei nicht um profanes Verschnüren ging, sondern bestimmte Teile des weiblichen Körpers kunstvoll mit geölten Hanfseilen eingerahmt und hervorgehoben wurden. Walter hatte sie fragend angesehen und Franziska hatte lustvoll geseufzt, woraufhin Walter ein leises: „Schauen wir mal“, gemurmelt hatte. Für Franziska wie ein Versprechen.

Sie hatte ihr Mietshaus erreicht und lief, beflügelt von Gedanken an ‚Shibari‘, die Treppe hinauf. Als sie die Wohnungstür öffnete, waren Müdigkeit und Schwäche schon beinahe verschwunden. Walter hatte gekocht. Italienisch.

Ihr Geliebter bewohnte ein Appartement über der Theaterwerkstatt in Maierhof, aber seit er von seinem Auslandsaufenthalt in Palermo zurück war, blieb er immer häufiger auch über Nacht bei ihr. Damit hatte sich eine Routine eingestellt, die sich irgendwie gut anfühlte: Etwa wenn sie, wie kürzlich, krank war und er ihr Tee kochte und sie ins Bad führte, weil ihre Beine zu schwach waren. Andererseits drohte die Gewohnheit aber auch den Reiz der Ungewissheit zu nehmen, weil Franziska jetzt immer damit rechnete, dass er auf sie wartete.

Sie seufzte leise auf. Ihr Walter war ein ganz besonderer Mann – und einer, der es ihr nicht leicht machte. Das Theaterleben und der Umgang untereinander waren für sie noch immer eine fremde Welt. Ein Anflug von Eifersucht war immer präsent, wenn sie sich der Vorstellung hingab, wie die Darstellerinnen halbnackt durch die Gänge liefen, vollgepumpt mit Adrenalin, und Walter mittendrin, der ihnen nur zu gern behilflich war, um mit einer schnellen Nummer, zwischen Requisiten und Stellwänden, herunterzukommen. Sex war eine wunderbare Möglichkeit, zu entspannen. Bei Walter war Franziska immer wieder unsicher, ob er nur sie liebte oder auch all jene Frauen, die er neben seinem Job für ein Aktbild porträtierte. Angeblich hatte er mit allen Frauen geschlafen, bevor er sie malte, weil sie dann besonders schön waren. Ein Gerücht, das Franziska am Anfang ihrer Beziehung häufiger zu Ohren gekommen war, zu dem Walter aber konsequent jeden Kommentar verweigerte.

Franziska war gerade im Begriff, ihre Jacke aufzuhängen, als neben ihr die Küchentür aufging.

„Hände hoch!“ Walter, mit nichts als einer Küchenschürze bekleidet, zielte mit dem Kochlöffel auf sie. Franziska versuchte sich ein Lachen zu verkneifen. Sie ließ ihre Jacke fallen und hob brav die Hände. Walter, noch immer den Kochlöffel auf sie gerichtet, schlich auf sie zu.

„Das Lachen wird dir schon noch vergehen!“, erklärte er mit grimmiger Stimme. „Dies ist ein Überfall und wenn du nicht tust, was ich von dir fordere, dann wirst du das bitter bereuen.“

Alles war wie weggeblasen, Eifersucht, Sorge, Müdigkeit. Franziska kicherte und antwortete mit gespieltem Ernst: „Ich will alles tun, was du von mir verlangst.“ Und fügte hinzu: „Du böser Räuber!“

Walter, der inzwischen vor ihr stand, zog die Luft pfeifend durch die Zähne und schaute sie lüstern an. „So ist es brav.“ Langsam schob er den Stiel des Kochlöffels durch die Knopfleiste ihrer Bluse. „Ausziehen!“, und Franziska beeilte sich, die Knöpfe zu öffnen, bevor Walter sie ihr abriss.

„Sehr schön“, kommentierte Walter die Spitzenunterwäsche und zeigte mit dem Kochlöffelstiel, dass sie die Arme wieder nach oben nehmen sollte. Nachdem Franziska gehorcht hatte, bemerkte Walter: „Du scheinst ja ganz wild darauf zu sein, dass es dir mal jemand so richtig besorgt!“ Franziska nickte schüchtern und ließ ihren Blick dabei über seine wohldefinierten Schultern und Oberarme wandern.

„Darf ich die Arme jetzt wieder herunternehmen?“, fragte Franziska vorsichtig.

„Warum? Du hast doch gesagt, dass du alles tun willst, was ich verlange!“ Walter lächelte verschmitzt.

„Und du hast gesagt, dass du es mir richtig besorgen willst“, konterte Franziska forsch.

„Oh, oh, oh. Nur nicht frech werden. Ich habe nicht gesagt, dass ich es dir besorgen will.“

Franziska zog eine Schnute. „Wer dann?“ Walter zuckte mit den Schultern.

„Hast du Hunger?“, fragte er statt einer Antwort.

Franziska horchte in sich hinein. Wenn Walter sich eine prickelnde Inszenierung ausgedacht hatte, wollte sie jetzt besser nichts essen. Energisch schüttelte sie den Kopf, bis ihr bewusst wurde, dass Walter ja nicht ohne Grund eine Schürze trug. Und zwar nur eine Schürze. „Wir könnten ja später essen.“

„Auch gut!“, bemerkte Walter und deutete mit seinem Kochlöffelstiel an, dass sie sich umdrehen sollte. Franziska gehorchte. „Halt!“, rief Walter und Franziska hielt lauernd in ihrer Bewegung inne. Ein wunderbares Kribbeln erwärmte ihren Leib. Was hatte er sich ausgedacht und was würde als Nächstes kommen, fragte sie sich und fühlte Walters warmen Atem in ihrem Nacken und seine Hände, die ihre Taille umfingen, ihre Brüste streiften und schließlich ihre Arme ergriffen und auf ihren Rücken führten. Franziska dachte an ‚Shibari‘ und ein heißer Schauer ließ sie zusammenzucken. Walter küsste ihren Nacken, streifte die Bluse herunter, öffnete den Verschluss ihres Büstenhalters, ließ auch ihn zu Boden gleiten und widmete sich mit seinen Lippen ihren Schultern und ihrem Rücken. Ein herrliches Beben überlief ihren Körper, während Walter sie langsam in Richtung Schlafzimmer schob, wo er sie auf den Arm nahm, um sie sachte auf das Bett gleiten zu lassen.

„Aber aufpassen, du weißt ja, auf meine Pille können wir uns diesen Monat nicht verlassen.“ Aufreizend aalte sich Franziska und schloss die Augen.

„Na klar, auf mich kannst du dich verlassen.“ Walter zog ihr Hose und Slip herunter. Sie lächelte versonnen, als Walter sich über sie beugte und sie zärtlich auf den Mund küsste, bevor er ihre Arme nahm und sie über ihrem Kopf zusammenführte. „Und genauso bleibst du jetzt liegen!“, befahl er. Es gehörte zu den Spielregeln, Befehlen wie diesem zu gehorchen. Ihre Zungen berührten sich, umkreisten sich, und als Walter mit der Hand ihre Brüste streichelte und dabei immer wieder sanft die Knospen berührte, stöhnte Franziska laut, riss die Augen auf und blickte in Walters zufriedenes Gesicht. Seine Zunge leckte über ihre Lippen, das Kinn und die Nasenspitze, bevor er sie erneut in ihren Mund schob. Seine Hand streichelte ihren Bauch, ihre Hüften, die Oberschenkel. Erst außen, dann die Innenseiten. Er drückte ihre Beine auseinander. Ihren Venushügel berührte er nur ganz vorsichtig. Pause. Wieder eine zärtliche Berührung, während seine Zunge die ihre umkreiste und er sie zärtlich biss. Franziska hob ihr Becken an, versuchte sich zu Walter hinüberzudrehen, doch der erinnerte sie mit festem Griff an seine Anweisung, und nachdem sie gehorcht hatte, fuhr er fort mit seinen quälend zarten Berührungen und den fast nicht zu ertragenden Pausen. Franziskas Körper bebte und ihr Stöhnen wurde zum Keuchen. Sie hielt es nicht mehr aus. Aber immer wenn sie dachte, jetzt, jetzt ist es gleich so weit, hörte Walter wieder auf und ließ sie sich beruhigen, bevor er sie erneut anfachte.

„Ich könnte dich jetzt ein Weilchen so liegen lassen und in der Zwischenzeit die Seile holen“, überlegte er und spielte weiter mit ihrer Vulva. „Und dann setzt du dich auf und ich mache aus deinem Körper ein wunderbares Kunstwerk.“

„Oh bitte, ich halte es nicht mehr aus“, bettelte Franziska auf diese Ankündigung hin.

Walter nahm seine Hände von ihr. „Hast du schon genug?“, fragte er lüstern.

„Nein, nein, bitte nicht aufhören, nicht aufhören. Alles, nur nicht aufhören“, flehte Franziska und wand sich in ihrer Haltung, die sie nicht verlassen durfte.

„Gut, dann könnte ich deine Hände über den Kopf nach hinten führen, dann kannst du dich überhaupt nicht mehr bewegen und ich könnte deine Brüste streicheln oder mit hübschen Schmuckstücken behängen und dich vielleicht sogar malen …“

Walters Berührungen wurden intensiver und in Franziskas Becken pochte die Lust so heftig, dass sie nur noch stoßweise atmen konnte. Sie schloss die Augen, spürte, wie er das Gewicht verlagerte und sich zwischen ihre Beine kniete. Sie hob den Kopf und sah, wie er sich zu ihr herunterbeugte und abwechselnd ihre Oberschenkel küsste, bis er ihren nassen Schoß erreichte. Seine Zunge drang in sie ein, leckte sie mit Hingabe und ließ sie erneut betteln. „Oh, bitte, bitte“, flüsterte Franziska. Ihr Körper zitterte und bebte heftig. Mit ihren Händen wollte sie seinen Kopf umfassen, um ihn festzuhalten, doch sie musste sie ja über ihrem Kopf behalten. Ihre Atmung nahm eine gefährliche Frequenz an. Sie war kurz vorm Hyperventilieren, und um sich ein wenig zu beruhigen, atmete sie tief ein und aus. Walter schien verstanden zu haben und küsste und leckte sich langsam ihren Bauch hinauf, umkreiste die Knospen ihrer Brüste, was Franziska erneut in heftigen Aufruhr versetzte.

„Ganz ruhig“, flüsterte Walter in ihr Ohr und knabberte und saugte daran, was sie noch mehr aus der Fassung brachte.

„Ich kann nicht mehr!“, jammerte Franziska, und endlich hatte Walter ein Einsehen. Als er langsam in sie drang, begann sie zu winseln. „Oh Gott, ist das schön“, hauchte sie und gab sich, begleitet von erlösendem Stöhnen, einem wunderbaren Höhepunkt hin, dem sich Walter nur wenige Stöße später anschloss.

Erst als sich ihre Atmung und ihr Puls langsam wieder beruhigt hatten, drehte sich Franziska zu dem ebenfalls erschöpften Walter um und kuschelte sich glücklich an seine Brust. „Wie bist du nur auf die Sache mit dem Kochlöffel gekommen?“, wollte sie wissen und streichelte ihn sanft.

„Mir ist nichts Besseres eingefallen, und ich dachte mir, wenn ich nicht so tue, als hätte ich mir etwas Verrücktes überlegt, dann kriege ich dich heute nicht ins Bett.“

Franziska richtete sich auf. „Wieso ausgerechnet heute?“, wollte sie wissen.

„Weil meine App sagt, dass du heute deinen Eisprung haben solltest, und das ist nun mal der richtige Zeitpunkt, um schwanger zu werden.“ Walter schien zufrieden und versuchte Franziska eine Hand auf den schlanken Bauch zu legen. „Bald schon wächst hier …“, weiter kam er nicht.

Franziska war aufgesprungen. „Bist du verrückt? Hast du etwa nicht verhütet? Wie konntest du nur? Wer hat dir gesagt …“ Diesmal war es an Franziska, die ihre Fragen nicht zu Ende stellen konnte, denn Walter war ebenfalls aus dem Bett geklettert. Fest zog er sie in eine Umarmung und legte ihr dabei die Hand auf den Mund.

„Ganz ruhig, Tiger, ganz ruhig. Ich nehme jetzt meine Hand weg und du versprichst mir, dass du mir zuhörst.“ Franziska riss sich los, nickte aber zum Zeichen, dass sie reden konnten.

„Natürlich habe ich dich nicht hintergangen, und ich habe auch keine Ahnung, ob du deinen Eisprung hast. Ich wollte einfach mal sehen, wie du reagierst.“ Franziska schwieg. „Das weiß ich ja jetzt!“ Walter machte ein enttäuschtes Gesicht und sah Franziska traurig an.

„Aber du wusstest doch, dass ich noch nicht bereit bin für die Mutterrolle. Ich liebe meinen Beruf. Da passt ein Kind nicht rein. Ich sehe doch bei Hannes, wie schwierig das ist“, rechtfertigte sich Franziska.

„Ja klar. Das habe ich auch verstanden. Nur werden wir beide auch nicht jünger und … ach, vergiss es.“ Walter ließ sie stehen und verschwand im Bad. Franziska, noch immer völlig geplättet von seinem Experiment, kroch zurück ins Bett, zog die Decke hoch und versuchte ihre Gedanken zu sortieren, als sie hörte, wie die Wohnungstür ins Schloss fiel.

„Verdammt!“, rief sie hinter Walter her und sprang aus dem Bett. Auf dem Weg zur Tür musste sie an der Küche vorbeilaufen. Ihr Blick fiel auf den gedeckten Tisch, auf die Kerzen und die Rosen in der Vase. Mit angehaltenem Atem betrat sie den Raum. Auf dem Herd standen Töpfe mit Ravioli und Tomatensoße, selbstgemacht natürlich, genau wie sie es liebte, auf dem Tisch entdeckte sie eine Karte. „Alles Liebe zum 5-Jährigen. Du bist die Frau meines Lebens, und ich weiß nicht, wie ich ohne dich leben soll“, stand dort in Walters schönster Schrift. Und darunter, fast unleserlich, wie eiligst hingekritzelt: „Aber ich werde es lernen.“

Resigniert ließ sich Franziska auf einen der Küchenstühle fallen, zog die Rotweinflasche heran und schenkte sich ein. Hatte sie falsch reagiert? Hatte sie etwa kein Recht auf eine Mitentscheidung? Wer wäre denn schwanger – sie oder Walter? Wer würde denn auf den Beruf verzichten – sie oder Walter? Und dann diese große Angst: Wer würde denn wieder mit dem Aktmalen beginnen, wenn sie, zu Tode erschöpft von der Hausarbeit, abends kein Interesse mehr aufbringen könnte für die ‚Inszenierungen eines Künstlers‘?

In Franziskas Bauch grummelte es. Sie hatte Hunger. Seufzend blickte sie sich um, fand, dass es sinnlos wäre, wenn sie hungrig bliebe, und belud sich einen Teller mit Ravioli. Sie zündete eine Kerze an, murmelte: „Du Blödmann!“ Ohne genau zu wissen, wen sie damit meinte: sich selbst oder Walter, setzte sich an den Tisch und spießte eine Ravioli auf. Das Essen war kalt, aber es schmeckte wunderbar. Wie immer eben, wenn Walter für sie gekocht hatte. Sie aß ein paar Bissen und überlegte, ob sie den Teller in die Mikrowelle schieben sollte, ließ es aber bleiben. Ihr fehlte die Kraft. Ihr fehlte Walter. Traurig hob sie das Glas und wollte es gerade ansetzen, als ihr Smartphone klingelte. Sie stellte das Glas zurück und lief in den Flur. Vielleicht will er sich entschuldigen, dachte sie mit Herzklopfen. Sie blickte aufs Display. Es war die Nummer ihres Kollegen Obermüller, des treuesten Ermittlers, den sie sich vorstellen konnte.

Als es endlich wieder heller um ihn wurde, befand sich Arnie am Grunde des von ihm zuvor ausgeschaufelten Grabs, direkt über den sterblichen Überresten von Theo Koller, was ihn aber nicht störte. Überhaupt schien ihm, hier unten am Grunde der Grube, alles völlig gleichgültig zu sein. Nichts war wichtig oder gar von Bedeutung. Inzwischen war alles einfach wurscht.

Er konnte seinen Körper nicht mehr spüren – wurscht.

Er lag völlig verdreht im Matsch – wurscht.

Sein Gesicht berührte die sauber abgestochene Erde – wurscht.

Er lag so dicht an der Erdkrume, dass er praktisch keine Luft bekam – wurscht.

Moment mal! Wenn er nicht atmen konnte, dann konnte er doch auch nicht denken, und wenn er nichts spürte, dann konnte er …

Arnie überlegte, was wohl passiert war, aber es fiel ihm einfach nichts dazu ein. In seinem Kopf war nichts als Leere und Gleichgültigkeit. Aber wie konnte ihm das alles nur wurscht sein?

Und warum machte ihm das alles so gar, gar nichts aus?

Eine Weile ließ er dieses ‚Mir-doch-wurscht‘ auf sich wirken, dann wurde es ihm langweilig, und er wünschte sich, es wäre ihm zumindest an einem anderen Ort alles wurscht, als ausgerechnet hier unten in dieser dunklen Grube.

Doch noch bevor ihm einfiel, welcher Ort dies sein sollte, erhob er sich auch schon aus dem Grab und schwebte aufwärts. Höher und immer höher, weit über den Grubenrand hinauf. Er ließ die Grabsteine, Sträucher und Bäume unter sich, stieg höher und höher und begann, wie selbstverständlich eine Runde über dem Friedhof zu drehen.

Über ihm schien der Mond. Sein Licht und das Wehen des Windes ließen die Schatten der Bäume zwischen den Grabsteinen herumalbern. Arnie musste lachen, weil es gerade einfach nichts mehr gab, was er nicht lustig fand. Frei und zufrieden, wie er sich inzwischen fühlte.

Ausgelassen wie ein Papierdrachen im Herbstwind, schwebte Arnie über den Friedhof, besuchte erst die prachtvolle Stockbauer-Gruft, anschließend die noch prachtvollere Baratsits-Gedächtniskapelle und stattete anschließend allen Passauer Ehrenbürgern und Bischöfen an ihren Friedhofsadressen einen Besuch ab. Zu schade, fand er, dass keiner zu Hause war. Wäre doch nett gewesen, wenn er mit dem einen oder anderen hätte plaudern können.

In dieser wunderbaren und völlig neuen Situation hörte Arnie plötzlich eine Stimme, die nach ihm rief. Oder eigentlich mehr die Ahnung einer Stimme, ein Gefühl, das ihm immerhin nicht wurscht war. Und obwohl Arnie die Stimme nicht wahrhaftig hören konnte, zog sie ihn magisch zurück zum Grab von Theo Koller, wo er entsetzt feststellte, dass sein Körper noch immer am Fuße der Grube lag.

Wie konnte das denn sein, fragte sich Arnie gerade, schließlich schwebte er doch frei wie ein Vogel über dem Friedhof dahin, als er die Antwort in seinem Inneren hörte. Du bist tot, Arnie, und damit ist deine Seele jetzt frei, darum fühlst du dich so großartig und leicht. Da unten liegt nur deine sterbliche Hülle. Doch Arnie erschrak noch nicht einmal, auch das war ihm wurscht, er war einfach tot. Na und, dachte er, weil tot zu sein doch sehr befreiend war. Keine Sorgen, keine Ängste, keine Schuldgefühle, keine …

Endlich wusste Arnie, warum all die toten Menschen, denen er, aufgebahrt in ihren Särgen, seine Aufwartung gemacht hatte, immer so friedlich dreinschauten. Sie alle wussten längst, was zu entdecken er gerade im Begriff war. Der Tod war die Erlösung. So einfach war das.

Aber nur für dich , hörte er wieder diese Stimme, ganz leise und von ganz weit hinten in seinem Bewusstsein, und gleich darauf sah er ein Bild von Daniela.

Arnie, was scherst du dich noch um andere , lachte die erste Stimme, die Totsein einfach nur großartig fand. Deine Seele ist frei, du solltest das feiern, statt dir Gedanken zu machen.

Arnie nickte. Ganz genau, mir doch wurscht, beteuerte er eifrig. Doch das Stimmchen säte Zweifel in seine neuen Glaubenssätze, und dann spürte er auch schon, wie weitere Stimmen zu ihm sprachen.

Ihm war auf einmal, als würden sie in ihn hineinkriechen, um ihn ganz mit ihrer Mission zu erfüllen. Arnie begann sich unwohl zu fühlen, gerade hatte er seinen neuen Zustand zu schätzen gelernt, da kam dieses seltsame Gefühl, und schon war er wieder über der Grube.

Dort hatten sich inzwischen viele Leute versammelt, und Arnie war sofort klar, dass sie nur seinetwegen hier waren. Gerührt ließ er sich auf einem Grabstein nieder, um sie zu betrachten. So viele Leute und so viele Kerzen und Ansprachen.

Ein letzter Blick hinunter in die Grube, um von seinem verdrehten Leib Abschied zu nehmen, bevor sie die Erde auf ihn werfen würden. Er blickte sich um, vielleicht kam ja noch ein Chor, der das ‚Ave Maria‘ für ihn anstimmen würde. Arnie mochte dieses Lied, es hatte etwas so Feierliches, und er hätte auf jedes Grab zeigen können, an dem es gesungen worden war. Da der Chor auf sich warten ließ, ließ Arnie sich nur stumm auf dem Grabstein nieder und schaute den Menschen zu, die erstaunlich geschäftig herumliefen. Er hatte keine Ahnung, welche Aufgaben sie hatten, aber er wusste, dass das, was sie taten, bei einer Beerdigung nicht üblich war. Denn Arnie lag jetzt auf einer Trage und hatte noch immer seine Latzhose und das dicke Hemd an, das er beim Graben zu tragen pflegte. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, ihn herzurichten und umzuziehen. Noch nicht einmal die Stiefel hatten sie geputzt. Und das alles ihm, dem Totengräber vom Innstadtfriedhof! Tatsächlich aber war es ihm wurscht. Wurscht, bis es ihm nicht mehr wurscht war. Denn die Stimmen, die nach ihm riefen, wurden immer mehr und immer lauter und sie hatten alle nur eines im Sinn: Sie wollten ihn zurückholen. Zurück in diesen geschundenen Leib stecken.

„Geht weg, verschwindet!“, rief er ihnen zu, sprang auf und versuchte sie zu verscheuchen. Allerdings nahm niemand Notiz von ihm.

Arnie war zum Heulen zumute: An seinem Grab gab es keine Musikanten und keinen Sarg, nur ein planloses Durcheinander.

Am liebsten hätte er all diesen Leuten gehörig die Meinung gesagt, aber er konnte ja nicht, und außerdem fiel ihm gerade auf, dass er sie auch nicht kannte. Und weil er eigentlich keine Lust darauf hatte, sich weiterhin diesen ganzen unwürdigen Zirkus anzusehen, beschloss er, sich aufzuschwingen, um mehr von der nächtlichen Stadt zu entdecken, die er ja zum ersten Mal aus der Vogelperspektive betrachten durfte. Da bemerkte er, dass erneut etwas Seltsames in ihm vorging.

Das mit dem Schweben hatte doch gerade so gut funktioniert, warum klappte es jetzt nicht mehr? Er flog ein Stückchen in den Himmel, kam bis zur Kirche Sankt Gertraud und wollte schon den Inn Richtung Dom überqueren, als er mit einem kräftigen Ruck zurück zum Grab von Theo Koller geholt wurde. Ohne sich einen Reim darauf machen zu können, schwang er sich erneut auf, diesmal schwebte er zur Sendeanlage des Bayerischen Rundfunks auf dem Kühberg, weil man von hier oben einen tollen Blick auf die Stadt hatte. Kaum hatte er die Sendemasten erreicht, tat es einen erneuten Ruck, und Arnie befand sich schon wieder über dem Grab von Theo Koller. Verdammt, dachte Arnie ärgerlich und startete zu einem weiteren Versuch, diesmal ins Lindental hinauf bis ins österreichische Schardenberg und über Freinberg zurück über die grüne Grenze bei der Tankstelle in Achleiten. Herrlich war das, so frei durch die Lüfte zu schweben. Niemand konnte ihn sehen, niemand konnte ihn aufhalten. Arnie plante, über die Donau und dann über Grubweg und Hals hinauf zum Oberhaus zu fliegen, doch kurz nach der Tankstelle schien ihm die Puste auszugehen. Er fühlte sich auf einmal so schwer und kaum noch manövrierfähig, und gleich darauf wusste er auch, warum.

Du musst zurück, hörte er die Nörgelstimme, die scheinbar alles tat, um ihm das hier zu vermasseln. Du musst doch Daniela retten! Und wieder schickte sie ihm ein Bild seiner Liebsten, die so verzweifelt durch die Wohnung lief, die er so gut kannte und in der er so viel Schönes erfahren hatte. Er sah sie weinen und weinen, etwas, was er an Daniela noch nie erlebt hatte, und dann dachte er an das Gold in der Urne.

Das Gold, natürlich! Arnie hatte ganz vergessen, dass ihm solche irdischen Dinge inzwischen doch wurscht waren, weil sie ihm gerade eben nicht mehr ganz wurscht waren, sondern auf seltsame Weise wieder existenziell wurden – warum auch immer. Tatsächlich lag er selbst im nächsten Moment auf der Trage und etwas blendete ihn so sehr, dass er die Augen ganz fest zusammenkneifen musste. Das kann nur mein Gold sein, dachte er und hätte sich am liebsten auch die Ohren zugehalten, weil all die Stimmen wild durcheinander redeten. Fremd und laut und wild. Doch Arnie konnte nicht einfach weghören; instinktiv wusste er, dass es für dieses ganze Durcheinander nur einen Grund geben konnte: Sie alle waren auf sein Gold aus.

Als Arnie bewusst war, was das ganze Geschrei zu bedeuten hatte, versuchte er von der Trage herunterzuspringen. Schließlich musste er sie abhalten, musste sein Gold retten, um Daniela damit für immer in Sicherheit zu bringen.

Du musst es zurückholen, du musst es dir zurückholen , riet ihm die geheimnisvolle Präsenz ganz tief in seinem Inneren.

„Hallo, können Sie mich jetzt verstehen?“, fragte ihn ein tiefer, männlicher Bass, der von weit her zu ihm zu sprechen schien.

„Wo ist mein Gold?“, versuchte Arnie zu fragen, denn die menschlichen Laute hörten sich kompetent an, vielleicht wussten sie ja etwas. Das Sprechen fiel ihm schwer, und wegen des grellen Lichtes ließ er die Augen lieber geschlossen. Als er keine Antwort erhielt, öffnete er sie doch ein wenig, was aber keine gute Idee war. Ein heller Scheinwerfer zeigte direkt auf ihn, und als er versuchte, einen Arm zu heben, um mit der Hand das grelle Licht abzuwehren, fuhr ein heftiger Schmerz in Arm und Oberkörper. Kraftlos ließ er den Arm zurück auf die Unterlage sinken und hoffte, dieses ‚Mir-doch-wurscht-Gefühl‘ würde ihn augenblicklich wieder erlösen.

Stattdessen begann eine Hand vorsichtig sein Gesicht zu tätscheln. „Hallo, hierbleiben!“

„Er kommt wieder zu sich!“, freute sich die erste Stimme, und weil sie sich so sehr um ihn bemühte, gab Arnie schließlich nach, kehrte in seinen geschundenen Körper zurück – und wurde augenblicklich von einem pochenden Schmerz erfasst, der ihn vom Kopf bis in die Fußspitzen ausfüllte. Wie heiße Lava. Mit flachen Atemzügen versuchte er still zu liegen. Inzwischen war er sich nicht mehr sicher, ob er wirklich die richtige Entscheidung getroffen hatte.

Was ist nur mit mir passiert , fragte sein vernebeltes Gehirn, das sich kaum noch an die Zeit des schwerelosen Schwebens erinnern mochte. Oder fragte das etwa diese Person, die während seines Fliegens nach ihm gerufen hatte?

War er vielleicht schon im Himmel gewesen? Nein, im Himmel wäre doch nicht alles voller Nebel gewesen, dachte er, im Himmel musste doch die Sonne scheinen, oder?

Arnie hatte keine Ahnung. Wo war er gewesen und warum hatte man ihn wieder zurückgeschickt, zurück in diesen schmerzenden Körper, der zu nichts zu gebrauchen war?

Es konnte nur mit dem Gold zu tun haben, mit dem vielen, schweren Gold, das bestimmt nicht ihm gehörte und das er sich trotzdem hatte nehmen wollen. Nur woher wussten all diese Leute von seinem Fund, er war doch ganz allein gewesen? Und warum hatten sie ihm so wehgetan?

„Können Sie mir ein paar Fragen beantworten?“, fragte eine der Stimmen erneut, und Arnie dachte, es müsste eine Frau sein. Er deutete ein Kopfschütteln an, weil sein Kopf so leer war und er gar nichts mehr wusste; aber um den Kopf richtig schütteln zu können, tat ihm alles viel zu sehr weh. Um ihr zu zeigen, dass er sie dennoch hörte, und damit sie ihr Rufen einstellte, das so stark in seinem Kopf dröhnte, öffnete er einen Spaltbreit die Augen und erkannte, es war wirklich eine Frau.

Sie trug, genau wie der Mann neben ihr, einen dicken Anorak. Unter ihrer Strickmütze schauten die langen dunkelblonden Haare heraus. Sie sah sehr freundlich aus. Er hätte sie gerne noch ein wenig betrachtet, weil er so vielleicht herausfinden konnte, ob er sie schon einmal irgendwo gesehen hatte. Doch dann beugte sich die Frau ganz nah zu ihm herunter, woraufhin Arnie angstvoll das Gesicht verzog, weil er fürchtete, sie könne ihm erneut wehtun, sollte sie ihn berühren.

„Mein Name ist Franziska Steinbacher. Ich bin von der Passauer Mordkommission. Meine Kollegen haben Sie aus diesem Grab gezogen. Sie sind verletzt, aber machen Sie sich bitte keine Gedanken: Wir helfen Ihnen.“ So dicht an seinem Ohr tönte ihre Stimme viel zu laut, weshalb Arnie dann doch den Kopf schüttelte, was wiederum den Vulkan in seinem Kopf zum Kochen brachte.

„Wo bin ich?“, fragte Arnie, und diesmal gelang es ihm, so klar zu sprechen, dass die Frau ihn verstehen konnte und mit ruhiger Stimme ihre Fragen wiederholte: „Sie sind auf dem Innstadtfriedhof, wir haben Sie aus einem Grab gezogen. Sie waren ohnmächtig. Wissen Sie noch, wie Sie da hineingekommen sind? Können Sie sich an etwas erinnern?“

Arnie wusste es nicht und fragte stattdessen: „Wo ist mein Gold?“

„Ihr Gold?“, die Frau schien in seinem Gesicht zu forschen. „Von welchem Gold sprechen Sie?“