Und dann kam das Wasser - Dagmar Isabell Schmidbauer - E-Book

Und dann kam das Wasser E-Book

Dagmar Isabell Schmidbauer

0,0

Beschreibung

Mord-Ermittlungen während der Jahrhundertflut 2013: Passau ist im Ausnahmezustand. Die Dreiflüssestadt wird vom gewaltigsten Hochwasser der letzten 500 Jahre heimgesucht. Kurz bevor Donau und Inn die wie auf einer Insel gelegene Altstadt überfluten, finden Oberkommissarin Franziska Steinbacher und ihr Kollege Hannes Hollermann in einem verlassenen Häuschen an der Ortsspitze einen Toten, der zuvor ordentlich verpackt wurde. Bevor die Kripo diese Leiche bergen kann, kommt das Wasser – viel zu früh und viel zu schnell. Widerstrebend müssen sie den Toten in den Fluten der Flüsse zurücklassen. Während das Wasser weiter steigt und damit alle Beweise vernichtet werden, taucht eine weitere Leiche auf: Eine Frau fällt aus einem Fenster der neuen Mitte, aus Passaus höchstem Gebäude. Oder wurde sie vielleicht gestoßen? Die Ermittlungen führen die Kommissare tief hinein in eine Szene, in der es weder Mitleid noch Ehrgefühl gibt. Sie stolpern über jede Menge Unrat und stoßen in eine Parallelwelt vor, deren grausamer Alltag nicht nur hochbrisant, sondern auch topaktuell ist.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 507

Veröffentlichungsjahr: 2017

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Von Dagmar Isabell Schmidbauer

Und dann kam das Wasser

Kriminalroman

Imprint

Und dann kam das Wasser Dagmar Isabell Schmidbauer

published by: epubli GmbH, Berlinwww.epubli.de

Copyright: © 2013 Dagmar Isabell Schmidbauerwww.der-passau-krimi.de Konvertierung: Sabine Abels | www.e-book-erstellung.de

Prolog

Träge lag ihr Blick auf der Tür, die sich vor einer Ewigkeit hinter ihm geschlossen hatte.

Wie lange mochte es her sein? Stunden? Tage?

Iliana versuchte ihren Kopf zu drehen und sich im Raum umzusehen. Aber ihr Körper reagierte immer weniger auf das, was sie ihm befahl. Die Muskeln der Beine zuckten unkontrolliert, und ihr Herz schlug schnell, als könnte es damit noch irgendetwas erreichen. Als könnte es weglaufen vor dem, was ihm unmittelbar bevorstand.

Zunächst hatte sie gedacht, er würde gleich wiederkommen. Dann hatte sie vermutet, dass ihm etwas dazwischengekommen war.

Müde fiel ihr Kopf wieder auf die Brust zurück. Wie aus weiter Entfernung spürte sie die Wand in ihrem Rücken, ihre Arme waren längst taub.

Kurz stöhnte die Andere neben ihr auf, dann war wieder alles ruhig. Livia hieß sie. Sie kannten sich noch nicht lange, aber das Gesicht war ihr gleich bekannt vorgekommen. Vielleicht hatte sie sie schon einmal irgendwo gesehen. Vorher. Bevor sie sich auf dieses Abenteuer eingelassen hatte.

Jetzt stöhnte auch Iliana. Aber nur leise. Sie hatte nicht mehr genug Kraft, um laut zu klagen oder gar zu schreien. „Hilfe! Hilfe!“, hatten sie am Anfang gerufen. Aber es war umsonst gewesen und hatte nur Kraft gekostet, die ihnen jetzt fehlte. Kraft, die sie in den nächsten Stunden brauchen würden.

Sie saßen auf dem nackten Fußboden. Doch inzwischen spürten sie auch das nicht mehr. Im Raum war es unerträglich heiß. Anfangs hatten sie geschwitzt, bis T-Shirts und Hosen klatschnass waren und unangenehm an ihrem Körper klebten. Der Hunger hatte an ihren Gedärmen gezerrt wie ein kläffender Hund an der Leine, und das Gefühl, pinkeln zu müssen, hatte sie fast umgebracht. Aber der Durst, der sich leise an sie heranschlich, hatte all diese Empfindungen zunichtegemacht. Er war das Schlimmste. Sie hatte förmlich gespürt, wie sie langsam austrocknete. Erst der Mund. Dann der Hals. Schließlich der ganze Körper. Ihr Magen fühlte sich wie ein harter Klumpen an, die Haut am ganzen Körper juckte. Spannte. Trocknete ein und riss auf. Sie gierte nach Wasser. Warum hatte er ihnen kein Wasser da gelassen?

Und warum kam er nicht wieder?

Ein Abenteuer hatte sie sich gewünscht, etwas, was ihr Leben lebenswerter machte. Und Geld. Wer träumte nicht davon, Geld zu haben? Und schöne Kleider. Ja, auch davon hatte sie geträumt.

„Livia. Hörst du mich?“, wollte sie fragen, aber ihr Mund war zu trocken und ihr Körper zu schwach, um klar zu sprechen.

Die Frau in der anderen Ecke stöhnte leise. Kein weiteres Geräusch verriet, dass sie am Leben war. Nur dieses schwache Keuchen.

„Livia! Wir dürfen nicht aufgeben“, formten Ilianas spröde Lippen tonlos.

Und dann hörte sie endlich das leise Klimpern der Handschellen, mit denen sie an den Heizungsrohren festgekettet waren.

„Livia?“

„Mama?“, stöhnte die andere, und im nächsten Moment hörte sie das Würgen und schließlich, wie die Flüssigkeit auf den Boden platschte.

O mein Gott, sie weiß schon gar nicht mehr, wo sie ist.

„Livia, ich bin‘s, Iliana“, versuchte sie richtigzustellen.

Aber die andere schien nicht zu begreifen.

„Mama. Du darfst nicht böse sein … Ich war das nicht“, lallte Livia mit brüchiger Stimme. Wie eine Betrunkene.

Vom Durst betrunken. Welch Ironie.

„Livia?“

Und kurz bevor der Schwindel in ihrem Kopf einsetzte und auch sie selbst nicht mehr wusste, wo sie sich befand und wie sie in diese missliche Lage gekommen war, wurde ihr bewusst, dass sie ja schon lange nicht mehr schwitzte und nicht mehr pinkeln musste, und dass das, was Livia gerade durchmachte, auch ihr bevorstand.

Da begriff sie, dass es bald vorbei war mit ihr. Dass sie kein Abenteuer mehr erleben würde. Dass man sie einfach vergessen hatte.

Wochen später

In der Regel ist der Mensch dankbar, wenn ihm genug Wasser zur Verfügung steht. Er liebt das Duschen am Morgen und das Rauschen eines wilden Bachlaufs in der Natur. Wenn aber der Boden nach tagelangem Starkregen den Segen von oben nicht mehr aufnehmen kann, wenn Bäche und Flüsse zu reißenden Strömen werden und schließlich über die Ufer treten, dann spricht man von sintflutartigen Regenfällen, von Klimawandel und Versäumnissen, und irgendwann sogar von einer Katastrophe. Dabei gehört Hochwasser, so schlimm es sich auswirken mag, zum natürlichen Wasserkreislauf und wird dem Menschen immer wieder die Grenzen seiner Macht aufzeigen.

Auch in Passau bahnte sich Anfang Juni für die Bevölkerung eine Katastrophe an. Zunächst regnete es einfach häufiger und ein bisschen als sonst. Dann, als jeder schon darauf wartete, dass es endlich genug war und der Sommer Einzug halten würde, kam er, der ganz große Regen. Tagelang schüttete es wie aus Kübeln. Die kleinen Zuläufe von Inn und Donau brachten immer mehr Wasser und ließen die großen Flüsse so weit anschwellen, dass sie an ihrem Zusammenfluss, an der Ortsspitze von Passau, einfach nicht mehr genug Platz in ihrem Bett fanden. Innerhalb kürzester Zeit traten sie über die Ufer. Das Wasserwirtschaftsamt hatte längst vor der drohenden Gefahr gewarnt, und die, die in Ufernähe wohnten, hatten sich auf das, was sie hier regelmäßig heimsuchte, gut vorbereitet. Die Keller waren ausgeräumt, die Türen mit Sandsäcken und speziellen Hochwasserschutzabdeckungen gesichert. Ruhig harrten die Anwohner aus und hofften darauf, mit einem blauen Auge davonzukommen. Genau wie die Mitglieder des Passauer Krisenmanagements. Wie immer hatten sie die längst fertigen Pläne aus den Schubladen geholt und sich für das Unvermeidliche gerüstet. Nur um kurz darauf festzustellen, dass man sich auf solch epochale Katastrophen einfach nicht vorbereiten konnte.

Doch zu dieser Zeit ahnte niemand, wie schrecklich die Ereignisse noch werden sollten, die die Stadt innerhalb weniger Tage heimsuchen würden.

Als Franziska Steinbacher, Oberkommissarin bei der Mordkommission in Passau, vor dem Haus, in dem sie lebte, aus dem Auto und direkt in eine tiefe Regenpfütze stieg, schickte sie einen mürrischen Fluch zum Himmel hinauf, bis sie sich selbst in Erinnerung rief, dass ein nasser Turnschuh angesichts dessen, was unten in der Altstadt vor sich ging, nur eine Lappalie war.

Nur wenige Augenblicke später huschte ihr ein Lächeln übers Gesicht, denn oben in der Wohnung wartete ihr Freund, der Bühnenkünstler Walter Froschhammer auf sie. Es war durchaus denkbar, dass er ihr bereits ein heißes Bad eingelassen, etwas Leckeres gekocht und eine gute Flasche Rotwein geöffnet hatte. Beim Gedanken an den gut gebauten Bühnenkünstler schwebte Franziska geradezu die Stufen hinauf, schloss die Wohnungstür auf und rief: „Walter, bist du da?“

Ihr Herz klopfte bis zum Hals, doch außer dem aufgeregten Pochen in ihrem Innenohr vernahm sie nichts.

„Walter?“, versuchte sie es erneut, aber auch dieses Mal bekam sie keine Antwort. Im Bad plätscherte kein Wasser in die Wanne, in der Küche brutzelte keine Köstlichkeit in der Pfanne, und in der ganzen Wohnung war es mucksmäuschenstill.

Enttäuscht zog sie die triefenden Schuhe und Socken und die regenbenetzte Jacke aus, schmiss die Tasche auf den Boden und patschte mit nassen Füßen und hängenden Schultern durch den Flur in Richtung Küche.

Am Nachmittag, als abzusehen gewesen war, dass sie später als verabredet nach Hause fahren musste, hatte sie ihm in aller Eile eine SMS geschrieben und ihn gebeten, in ihrer Wohnung auf sie zu warten. Kannst ja schon mal alles vorbereiten, hatte sie rasch getippt, einen Smiley drangehängt und sich gefreut. Auf ihn und darauf, dass es mit ihm nie langweilig wurde.

Tatsächlich war ihre Beziehung noch immer genauso aufregend wie vor gut einem Jahr, als sie sich kennengelernt hatten. Damals hatte Franziska mit ihrem Kollegen Hannes im Fürstbischöflichen Opernhaus im Fall einer ermordeten Sängerin ermittelt, und Walter hatte zu den Hauptverdächtigen gezählt. Zunächst. Nach und nach hatte sich nämlich herausgestellt, dass Walter die Tote zwar gekannt und wahrscheinlich auch begehrt, aber definitiv nicht erschlagen hatte.

Was dann aber passiert war, klang auch heute noch wie aus einem billigen Groschenroman. Kaum war die Kommissarin den Umgarnungen des Bühnenkünstlers erlegen, wurde er auch schon in einen weiteren Mordfall verwickelt. Diesmal im Fürstenkeller des Oberhauses, wo Walter von der Museumsdirektorin für die Gestaltung einer historischen Wand engagiert worden war. Glücklicherweise hatte er jedoch auch mit diesem Mordfall nichts zu tun, daher stand ihrer Liebe seit der ersten gemeinsamen Nacht in den Kulissen von „Frau Luna“ nichts mehr im Wege. Außer vielleicht, dass Walter als Mann völlig unberechenbar war und als Künstler andauernd nackte Frauen porträtierte, die er durch seine ganz eigene Art zum Leuchten brachte.

Gerade jetzt fand Franziska sein Benehmen allerdings weder reizvoll noch unberechenbar, sondern einfach nur unmöglich. Wie konnte er sie nur versetzen! Wo sie sich doch so auf ihn …

Mitten im Gedanken hielt Franziska inne. Aus dem Augenwinkel hatte sie ein Flackern wahrgenommen, und als sie den Kopf drehte, sah sie durch den Türspalt ein orangefarbenes Licht in den Flur scheinen. Das kam aus dem Wohnzimmer.

Alarmiert schoss sie herum. Hatte der Dauerregen vielleicht einen Kurzschluss ausgelöst und stand, während sie ihr Hirnschmalz an einen eitlen Hallodri verschwendete, vielleicht schon die halbe Wohnung in Flammen? Witternd hob sie die Nase, konnte aber keinen Rauch riechen.

Dann ein Einbrecher, war ihre nächste Vermutung und der Grund, warum sie mit geübtem Griff die Heckler & Koch aus dem Holster zog, die Waffe entsicherte und leise den Flur entlang schlich.

Sie hätte später nicht sagen können, womit sie eigentlich gerechnet hatte, aber es war sicher nicht das, was sich in diesem Moment vor ihren Augen abspielte: Der große Tisch, an dem sie normalerweise aß und arbeitete, war ganz an die Wand gerückt worden. Die beiden Korbstühle standen obendrauf, die anderen waren untergeschoben. Bücherregal und Fernseher wurden von einem großen Paravent verdeckt, den eine aufgemalte Hügellandschaft zierte. Die Vorhänge vor dem Fenster waren zugezogen, das Sofa umgekippt und mit einem grauen Stoff verhängt, sodass es an einen massiven Felsen erinnerte. Mitten im Zimmer stand ein Baum, der mit seinen blattlosen Ästen die Decke zu stützen schien. Auf dem Boden lagen dicke Tierfelle, daneben flackerte in einem Feuerkorb eben jenes künstliche Feuer, dessen Flammen sie schon im Flur wahrgenommen hatte. Mittendrin lag ein großer schöner Mann, splitterfasernackt, bis auf ein grobes Tuch, das er sich um die Mitte geschlungen hatte. Auffordernd hielt er ihr einen schweren, prunkvoll verzierten Kelch entgegen.

„Zur Strafe für dein Zuspätkommen musst du den Sühnetrunk zu dir nehmen“, erklärte er mit strenger Miene.

Ein Schauer lief Franziska den Rücken hinunter. Nicht wegen der Strafe; die hätte sie gern auf sich genommen. Es lag an Walters perfekt definiertem Oberkörper, von dem sie den Blick nicht wenden konnte und der sie sofort schwach werden ließ.

„Was ist das?“

Franziska steckte ihre Pistole wieder ins Holster und kniete sich neben Walter auf eines der Felle. Neugierig schnupperte sie an der Flüssigkeit in dem Kelch, den der Bühnenkünstler ihr in die Hand gedrückt hatte. Sie roch nach Wein und irgendwelchen fremdländischen Gewürzen.

„Trink!“, befahl Walter mit gespieltem Ernst. „Danach wirst du mir hemmungslos verfallen, und nichts wird mehr sein, wie es einmal war.“

Franziska grinste und rückte noch ein bisschen näher. „Sagt wer?“

„Tristan.“

„Isoldes Tristan?“

„Sehr gut.“ Walter sprach immer noch mit dieser gekünstelten tiefen Stimme. „Du kennst dich aus. Dann weißt du sicher auch, dass wir uns beeilen müssen, weil es sonst zu spät für uns ist.“

„Musst du weg?“ Franziska warf einen Blick auf die Uhr. Halb neun schon.

„Jetzt sei doch nicht so unromantisch“, mahnte Walter, mit gewohnter Stimme, und erhob sich, um sich ihr gegenüber zu knien. Dann räusperte er sich und veränderte seine Stimme erneut. „Du bist König Marke von Cornwall versprochen, meinem Onkel“, erklärte er voller Ernst, fasste sie bei den Schultern und schüttelte sie vorsichtig. „Nachdem ich deinen Verlobten im Kampf getötet habe, soll ich dich nun zum König bringen, damit er dich heiraten kann. So lautet die Vereinbarung.“

„Und, äh … will ich das?“ Franziska rutschte auf den Knien süffisant lächelnd auf Walter zu und berührte mit ihrer freien Hand zärtlich seine nackte Brust.

„Nicht mehr, wenn du diesen Trank zu dir genommen hast“, erklärte Walter grimmig und deutete mit dem Kopf auf den Kelch in ihrer anderen Hand. Dann grinste er lüstern und flüsterte: „In der Geschichte war es übrigens umgekehrt. Da sollte Tristan den Sühnetrunk nehmen, aber schließlich bist du ja zu spät gekommen.“

„Und du meinst, wenn ich das trinke, vergesse ich alles um mich herum?“ Franziska führte den Kelch zum Mund, trank aber nicht.

„Ja.“

„Das wäre ja wunderbar. Weißt du, bei uns war heute der Teufel …“

„Den wollen wir noch nicht rufen, der kommt später. Jetzt musst du trinken.“

Franziska nippte an der blutroten Flüssigkeit. „Hmmm! Das schmeckt ja lecker. Was ist da drin?“ „Ein Liebeselixier.“

„Uhh. Igitt.“ Franziska verzog das Gesicht. „Du meinst Schlangen, Nashornhoden und Yak-Penis?“

Walter lachte hell auf. „Warum musst du eigentlich immer alles so genau wissen? Nimm lieber noch einen Schluck.“

Franziska trank, bis ihr etwas einfiel. „Sag mal, hat nicht Isolde mit Tristan gemeinsam getrunken, weil sie mit ihm sterben wollte, und nur weil die Dienerin den Todestrunk gegen einen Liebestrunk ausgetauscht hat, haben sie sich verliebt statt tot umzufallen?“

Walter zuckte mit den Schultern. „Was du alles weißt.“

Franziska reichte ihm den Kelch und stand auf. „Du bist dran. Trink!“, hauchte sie, legte das Holster ab und begann sich schmunzelnd die Bluse aufzuknöpfen.

Aber Walter tat nichts dergleichen. Stattdessen starrte er sie an. „Merkst du denn schon, wie er wirkt?“, fragte er skeptisch.

Franziska schüttelte den Kopf und ließ die Bluse zu Boden gleiten. „Quatsch, so schnell wirkt das doch nicht“, sagte sie, obwohl sie überrascht bemerkte, dass der Trank ihre Stimmung zu heben schien. Sie öffnete ihre Jeans und schob sie sich langsam über die Hüften. „Na los, du musst auch trinken“, forderte sie und lächelte verführerisch.

Aber anscheinend war Walter noch nicht überzeugt. „Wie fühlst du dich?“, fragte er zögernd, als Franziska die Hose von den Beinen streifte und mit einem beherzten Schlenker des Fußes in die Zimmerecke schleuderte.

„Großartig.“ Sie trug nicht mehr als das sündige Set aus schwarzer Spitze, das mehr verriet als verbarg und das ihr Walter anlässlich ihres Halbjährigen geschenkt hatte. Er verschlang sie mit seinen Blicken, als sie sich auf die Knie sinken ließ und geschmeidig wie eine Wildkatze auf ihn zu kroch.

Walter grinste. „Hemmungslos?“

„Ja-haa!“ Franziska setzte sich rittlings auf seinen Schoß, führte ihm den Kelch an die Lippen und hob ihn an, bis er trinken musste. Erst als der Becher fast leer war, ließ sie von ihm ab, trank den Rest und leckte Walter einen Tropfen vom Mundwinkel.

„Was immer das war, es ist sehr gut dazu geeignet, eine müde Kommissarin allen Stress vergessen zu lassen“, schnurrte sie, bevor sie ihn erneut küsste, während sie die rechte Hand an ihren Rücken führte und den Verschluss des Büstenhalters aufschnappen ließ. Der transparente Stoff glitt ihr von den Schultern. Doch bevor sie Walter richtig zum Schwitzen bringen konnte, hob er sie von seinem Schoß, zurrte das Tuch um seine Lenden fester und drückte die Kommissarin auf die Felle nieder.

Lüstern grinsend begann Franziska, sich vor ihm auf dem Boden zu rekeln, und als er sie aufforderte, die Augen zu schließen, tat sie es nur zu gern.

„Kommt jetzt der Teufel?“, wollte sie kichernd wissen, doch Walter wiegelte ab.

„Noch nicht, aber bald“, versprach er großspurig.

„Muss ich mich fürchten?“

„Ein bisschen.“ Walter lachte. „Aber ich werde dir die Augen verbinden, damit du ihn nicht sehen musst.“

Unter dem Sofa zog er einen schwarzen Schal hervor und verband ihr die Augen. Dann küsste er sie zärtlich auf den Mund, schob ihre Arme nach oben und band auch diese an den Handgelenken zusammen.

„Tut mir leid, Süße, aber du bist dem König versprochen, und ich muss dich ihm jetzt ausliefern.“

„Was?“ Franziska versuchte sich aufzurichten, aber ihre Arme waren an irgendetwas festgebunden.

„Sch-sch! Ganz ruhig, der alte Zausel ist zwar ein Lustmolch, aber er wird dir kein Haar krümmen. Es sei denn, er findet mich nackt an deiner Seite …“

Franziska spürte, wie ihr Walter den Slip über das Gesäß zog und dabei die Innenseiten ihrer Oberschenkel berührte. Sie fröstelte. Dann bemerkte sie, dass ein Tuch über ihr ausgebreitet wurde, und begann mit den Füßen zu zappeln. Doch es war hoffnungslos. Sie konnte sich nicht von der Stelle rühren. Zudem war es um sie herum augenblicklich totenstill geworden.

„Walter!“

Kein Laut, keine Antwort.

Sie versuchte es auf die verführerische Tour. „Tristan?“

„Sch-sch!“, machte der nur. „Sei eine brave Isolde, ich muss jetzt gehen.“

Eine Sekunde später fiel die Wohnzimmertür zu, und Franziska lauschte verwirrt in die Stille ihrer Wohnung, die ihr auf einmal so fremd erschien. Sie war früh von zu Hause ausgezogen und hatte seither immer allein gelebt, aber das hier war etwas anderes. Sie war wehrlos, schutzlos, gefesselt. Würde Walter sie wirklich einem anderen Mann ausliefern? Oder war das nur ein Teil seines Spiels, eines Liebesspiels, das ihr ansonsten immer sehr viel Freude bereitete, weil Walter ein sehr kreativer Liebhaber war?

Schon mehrmals hatten sie sich in der Theaterwerkstatt in Maierhof geliebt, und nie hatten sie gewusst, ob nicht jeden Moment die Tür aufgehen und einer der Schauspieler oder Sänger hereinkommen würde, weil ihm etwas für die Proben fehlte. Doch da war Walter immer bei ihr gewesen, und das allein hatte sie mutig werden und ihre Bedenken vergessen lassen.

Aber hier, in ihrer Wohnung, war sie ja noch nicht einmal in der Lage, sich zu befreien, wenn wirklich …

Auf einmal hörte sie Schritte.

Dann ein Keuchen.

„Da bist du ja, mein schönes Kind“, krächzte eine völlig fremde Stimme in unmittelbarer Entfernung.

Franziska zuckte zusammen und spannte instinktiv den Körper an, um sich notfalls von den Fesseln loszureißen. Die Stimme über ihr war tief und … alt!

Kommt jetzt der Teufel?, hatte sie vor wenigen Minuten noch belustigt gefragt, und sie wäre niemals auf die Idee gekommen, dass Walter sie tatsächlich einem anderen Mann überlassen könnte.

Doch bevor sie sich fragen konnte, wer der fleischgewordene Antichrist war, zog dieser langsam das Tuch von ihrem Körper. Sie spürte seinen heißen Atem über ihre Haut wandern und hätte sich zu gern zur Wehr gesetzt. Doch statt wie vorhin wild mit den Beinen zu strampeln, blieb sie stocksteif liegen und atmete flach. Wenn sie doch wenigstens etwas sehen könnte …

„Verschwinde!“, keuchte sie atemlos.

„Du gehörst mir“, donnerte der Mann da in dramatischem Tonfall, und Franziska dachte: Es muss jemand vom Theater sein.

Vielleicht Carlos? Nein, niemals würde der charmante Sänger bei so etwas mitmachen – obwohl die Kommissarin einräumen musste, dass er sie immer schon ein bisschen angebaggert hatte.

Franziska wand sich unter den plötzlich einsetzenden Berührungen des Fremden, doch die Hände, die damit begannen, ihren Körper zu erkunden, drückten sie mit sanfter Gewalt auf die Felle zurück.

In Franziskas Kopf begann sich alles zu drehen. Walters Zärtlichkeit und seine verrückten Geschichten hatten ihr immer gut gefallen. Der Gedanke an Verbotenes erregte sie sehr. Aber zwischen der Vorstellung, es könnte jemand reinplatzen und sie beim Sex erwischen, und der Tatsache, dass jemand Wildfremdes ihren Körper berührte und … was hatte Walter gesagt? Ein Anrecht auf sie hatte?! Nein, das war zu viel. Nicht mit ihr!

Kraftvoll drückten die fremden Hände nun ihre Schenkel auseinander, und Franziska spürte, wie er sein Gewicht verlagerte, immer näher kam. Gleich würde er …

O Gott! Franziska zerrte an den Handfesseln und versuchte, die Knie zusammenzudrücken. Vergeblich. Das Keuchen wurde heftiger.

Endlich löste sich Franziska aus ihrer Schockstarre. „Runter von mir“, erklärte sie, ganz Oberkommissarin, in bestimmtem Ton, doch der Fremde legte ihr als Antwort nur eine Hand auf den Mund, sodass sie noch nicht einmal schreien konnte.

„Spinnst du?“, wollte sie rufen, doch ihre Frage drang nicht an der Handfläche vorbei, die sie völlig aus der Fassung brachte, und als der Unbekannte im gleichen Moment in sie eindrang, nahm ihr das vollends den Atem.

Denn nichts von dem, was er nun tat, passte zu dieser merkwürdigen Stimme und zu dem, was Franziska glauben sollte, dass es so eben mit ihr geschah. Das war Walter, der da gerade in ihr war, kein Fremder. Sie spürte es tief in ihrem Inneren, und mit jedem seiner Stöße wurde sie weicher, hingebungsvoller und entspannter, und endlich ließ sie sich in diese völlig verrückte Situation fallen. Ihre Nase begann ihn zu riechen, ihn, der versucht hatte, sich hinter einem fremden Parfüm zu verbergen. Ihre Haut fühlte seine Haut, die ihr inzwischen so vertraut war. Ein glückseliges Lächeln huschte über ihr Gesicht.

Noch wusste sie nicht, wie er es angestellt hatte, doch das absolut glaubwürdige Keuchen eines alten Mannes war in ein ihr wohlbekanntes Stöhnen übergegangen. Aus Angst war reine Lust und völlige Hingabe geworden. Vorsichtig schob sie die Zunge zwischen den Lippen hindurch und begann, die Hand auf ihrem Mund zu lecken, bis sie weggezogen wurde.

„Na, alter Mann? Wirst du es mir auch richtig besorgen?“, fragte sie leichthin und spornte ihn mit verführerischen Bewegungen ihres Beckens an. Da war sie wieder, die berauschende Leichtigkeit, die sie nach dem Genuss des Liebestranks gespürt hatte, und da sie ihn nicht allein getrunken hatte, wusste sie, dass ihr Geliebter ähnlich empfinden musste. Sie spürte, wie er vor Lust in ihr anschwoll, und musste unwillkürlich schmunzeln. Walter hatte sich wirklich viel Mühe mit seiner Inszenierung gegeben, aber manche Details konnte man einfach nicht verändern, und dieses wohlproportionierte Teilstück von Walter war gerade dabei, sie in den siebten Himmel zu katapultieren. Ob das nun an dem Liebestrank oder seiner ausgefeilten Technik lag, war ihr dabei völlig einerlei.

Die Passauer Altstadt liegt auf einer Landzunge, die nach Osten ragend in die sogenannte Ortsspitze mündet. Dort treffen Donau, Inn und Ilz zusammen. Normalerweise führt ein Weg direkt um diese Ortsspitze herum und lädt Besucher und Bewohner der Stadt zu einem interessanten Spaziergang ein. Für Kinder und Junggebliebene gibt es auf dem dortigen Spielplatz reichlich Gelegenheit zum Toben. Ein herrlicher Ort also, mit einer ganz besonderen Aussicht auf das Flusstal der Donau, die Wallfahrtskirche Maria Hilf und die Veste Oberhaus. Dass noch niemand auf die Idee gekommen war, dort ein Haus hinzubauen, lag wohl unter anderem daran, dass die Ortsspitze auch immer der erste Punkt war, der bei Hochwasser in den Fluten versank. Zumindest sah das in diesem Moment so aus. In Wirklichkeit stieg das Wasser über die gesamte Breite von Inn und Donau an, genauso, wie es in der Legende der biblischen Sintflut geschehen war.

Der Mann, der am Ende der Bräugasse stand und mit aufkeimender Verzweiflung versuchte, seine Zigarette zum Glühen zu bringen, dachte oft an diese und ähnliche Geschichten aus der Heiligen Schrift. Er liebte sie alle, weil sie schon seine Kindheit bevölkert hatten. Nach dem frühen Tod der Mutter konnte er sich mithilfe der christlichen Verse an ihre Stimme erinnern. Seine Mutter vermisste er sehr, auch wenn er wusste, dass sie inzwischen an einem besseren Ort war.

„Aber es gibt doch keinen besseren Ort als diesen“, flüsterte er dem Regen zu und sah sich vorsichtig um. Man durfte ihn weder hören noch sehen, sonst …

Er wusste nicht, was sonst geschehen würde, nur, dass ihn niemand sehen durfte. Seine Mutter hatte das immer gesagt. Und seine Mutter hatte nie gelogen. Basta. Das hatte zumindest immer seine Mutter gesagt, wenn sie keinen Widerspruch duldete.

Als er die Zigarette endlich angezündet hatte, beschattete er die Glut mit seiner freien Hand. Niemand durfte wissen, dass er hier war. Keiner ahnte, was er alles wusste, auch wenn es ihm manchmal herausrutschte. Seine Mutter hatte dann immer gesagt: Sei nicht so vorlaut! Nie hatte sie seinen Geschichten geglaubt. Hör auf mit den Lügen! Basta! Dabei musste man sich die verrücktesten Geschichten doch gar nicht ausdenken, das tat das Leben schon von ganz allein.

Als er sich sicher war, dass niemand ihn beobachtete, schlich er sich über die provisorischen Hochwasserstege, an der Nepomuk-Statue vorbei bis auf die Terrasse des griechischen Lokals und verbarg sich anschließend in dem kleinen höher gelegenen Gang, der hinter der ersten Häuserzeile verborgen lag. Er musste vorsichtig sein, denn seit das Wasser da war, nahmen die Bewohner diesen Weg, wenn sie die Häuser verlassen wollten.

Die Donau stand hier schon mehr als einen Meter hoch zwischen den Häusern und machte das Passieren unmöglich. Keiner wusste, wie lange es dauern würde, bis die Pegel wieder sanken, und jeder hoffte, dass es nicht höher stieg, als die Decken der Keller reichten.

Seit über vierzig Jahren lebte er im „Örtl“, wie die Menschen, die schon immer hier gewohnt hatten, ihre Gemeinde gern nannten. Er war auch einer von den Örtlern und wusste immer, wann das Wasser kam. Er hatte es im Gefühl. Er behielt die Flüsse, wie alles andere auch, im Auge. Angst aber hatte er nicht vor dem Wasser.

Er nahm einen letzten Zug, und weil er schon fast am Filter war, schnippte er die Kippe gleich darauf in den dunklen Gang hinein, wo sie augenblicklich in einer Pfütze verglühte. Dann wandte er die Aufmerksamkeit den beiden Männern zu, die, in wuchtige Stiefeln und dicke Jacken gekleidet, die Fenster und davor angebrachten Abdeckungen kontrollierten. Sie kamen vom Schloss Ort und mussten auf den Stegen direkt an ihm vorbei, sahen ihn aber nicht. Er war wie immer ein unsichtbarer Schatten. Wie das Gewissen vom Örtl.

Schließlich entdeckte einer der beiden Männer das offene Fenster, das zum alten Laden führte. Erst zögerte er noch, doch dann stieg er über den Steg hinein, schaltete seinen Strahler an und wartete, bis sein Kollege ihm gefolgt war.

Endlich, dachte er und lauschte auf ihre Unterhaltung. Er hatte seinen Platz verlassen und kauerte jetzt vor dem Fenster.

Der Laden stand seit einiger Zeit leer. Ein Grund dafür, warum er ihm immer wieder einen Besuch abstattete. Heute jedoch würde er nicht hineingehen, denn er hatte gehört, wie das Glas zu singen begann. Er wusste, was das hieß. Die Leute glaubten, er wäre dumm, aber da täuschten sie sich gewaltig.

Gerade spekulierten die Männer darüber, ob es in diesem Verschlag überhaupt etwas gab, was man retten sollte, und ob nicht einfach jemand vergessen hatte, das Fenster zu schließen. Das Patschen ihrer Schuhe zeigte, dass bereits Grundwasser eingedrungen war. Noch hielt der Sandsackverbau vor der Tür den steigenden Fluten stand, aber wenn der Druck auf die alten Fensterscheiben zu groß wurde, dann konnten sie leicht brechen, und dann …

Die Stimmen entfernten sich, drangen tiefer in das verlassene Haus ein, und er musste sich schon ein bisschen nach vorn beugen, um noch zuhören zu können. Doch auf einmal wusste er, dass sie am Ziel waren. Seine Finger kribbelten. Es war schön, wenn die Leute taten, wofür er sie vorgesehen hatte. Ohne das offene Fenster hätten sie nie nachgesehen, wären sie nie hineingegangen. Und hätten nie …

„O mein Gott!“, drang es urplötzlich aus den Tiefen des Hauses, und dieser Schrei kam dann doch so überraschend, dass er fast vom Steg gefallen wäre.

Unschlüssig stand Franziska im Bikini vor dem Kleiderschrank und fischte Sommerkleidchen, Shorts und Trägertops heraus, die dank des derzeitigen Passauer Schmuddelwetters und Temperaturen, die eher zum Winter passten, noch nicht zum Einsatz gekommen waren. Glücklich drehte sie sich vor dem Spiegel hin und her und sah förmlich, in welchem Ausnahmezustand sich ihr Körper befand, angeheizt von zu vielen Hormonen und der Vorfreude auf den Plan, den sie schon in den nächsten Tagen in die Tat umsetzen würde.

Irgendwann in der vergangenen Nacht, nachdem nicht nur König Marke, sondern auch Tristan und vor allem Isolde alles bekommen hatten, wonach sie verlangten, waren die beiden Laiendarsteller ins Schlafzimmer umgezogen, wo sie am Morgen gemeinsam erwacht waren. Das passierte nicht häufig, denn jeder der beiden hatte seinen Beruf und seine eigene Wohnung, und vor allem Walter liebte diese Freiheit sehr.

Franziska dagegen hatte sich in den vergangenen Monaten oft gewünscht, Walter würde zu ihr ziehen und immer da sein, wenn sie sich nach ihm sehnte. Auch wenn sie wusste, dass so eine Beziehung Walters Sache nicht war. „Liebe braucht Freiheit!“, hatte er behauptet, als sie ihn eines Tages schüchtern in ihre Überlegungen einbezog, und ihr erklärt, dass sie als Paar nur so wachsen und gedeihen und für alle Zeit aufregend füreinander bleiben würden. Und Franziska hatte genickt. Was hätte sie auch darauf antworten sollen.

An diesem Morgen hatte Walter ihr erzählt, dass er vor ein paar Tagen ein kurzfristiges Engagement in Palermo angenommen hatte. Eine tolle Chance für ihn, wie er mit breitem Lächeln zugegeben hatte.

Sie war ein wenig eingeschnappt, weil er ihr nicht früher Bescheid gegeben hatte, hütete sich aber wie immer davor, ihre Besitzansprüche, die sie an ihn stellte, laut auszusprechen. Stattdessen fragte sie: „Wann geht’s denn los?“

„Heute noch“, antwortete Walter, und er klang sehr zufrieden dabei, wie Franziska mit flauem Gefühl im Bauch bemerkte. „Was um alles in der Welt zieht dich nach Sizilien?“, bohrte sie weiter und schmiegte sich an seine Brust, als könnte sie ihn damit umstimmen. Walter lachte, küsste sie auf den Scheitel wie ein kleines Mädchen und fragte sie dann, ob sie bei diesem Wetter nicht auch lieber in der sizilianischen Sonne als im Passauer Dauerregen hocken würde.

„Du meinst, ich soll mitkommen?“

„Warum nicht? Zumindest besuchen könntest du mich.“

Wenn sie ehrlich zu sich war, klang es nicht unbedingt wie eine Einladung, aber Franziska war entschlossen, das zu ignorieren. Sie würde tun, was Walter ihr vorgeschlagen hatte – selbst wenn es nicht unbedingt ernst gemeint war. Urlaub nehmen, Koffer packen und ab nach Sizilien.

Später, als sie noch immer in seinen Armen lag und ihre Finger über seinen Bauch streichelten, flüsterte sie ihm voller Sehnsucht ins Ohr: „Was meinst du? Wollen wir dann die Geschichte von Tristan und Isolde noch ein bisschen vertiefen?“

„Du weißt schon, dass es für die beiden am Ende schlecht ausging?“

„Wir könnten ja die Geschichte umschreiben“, entgegnete sie nachdenklich, aber Walter hatte nur den Kopf geschüttelt.

„Ohne Gefahr wird Liebe schnell langweilig“, hatte er verkündet und sie an sich gezogen, um mit seinen Lippen ihren Mund zu verschließen.

„Komm ein bisschen mit nach Italien“, sang sie nun den alten Schlager und trällerte so falsch, dass sie selbst darüber lachen musste. „Komm ein bisschen mit ans blaue Meer!“

Auf dem Bett wuchsen die Stapel mit den Sommersachen, und sie überlegte, ob sie nicht doch einen größeren Koffer besorgen sollte. Während des Packens hatte sie sich im Internet die Sonneninsel Sizilien und die Temperaturen, die dort gerade herrschten, angesehen, und immer wieder eine SMS an Walter getippt. Er sei gerade angekommen, schrieb er, und es sei wunderschön. Daraufhin hatte sie Flugpreise verglichen und sich gedanklich schon in luftiger Höhe im Anflug auf Palermo befunden.

Ein Problem gab es natürlich noch. Sie musste ihren Chef informieren. Andererseits gab es keinen Fall, sondern nur ein paar alte Akten, die aufgearbeitet werden mussten. Aber er würde sie schon nicht zur Büroarbeit verdonnern. Letztlich hatte er auch gar keinen Grund, sie mit einem Nein abzustrafen, dachte Franziska, als sie wieder im Schlafzimmer stand, und grinste ihr Spiegelbild frech an.

„Soll er doch lieber mal froh sein, dass er eine so gewissenhafte und pflichtbewusste Mitarbeiterin wie mich hat“, erklärte sie sich selbst. „Und wenn diese hervorragende Kraft verliebt ist und endlich auch mal an sich denkt, was sollte der Chef dann dagegen haben?“

Trällernd und tanzend wirbelte sie durch die Wohnung, streckte dem Regen, der unaufhörlich auf die Fliesen des Balkons prasselte, die Zunge raus und legte sich schließlich im Bikini auf das große Fell, das noch immer auf dem Wohnzimmerboden lag. Von dort blickte sie in die blattlosen Zweige des künstlichen Baums, den Walter am Abend zuvor mitten im Raum aufgestellt hatte, rüber zum umgekippten Sofa, und musste lächeln. Walter war ein Hauptgewinn, so einfallsreich, leidenschaftlich und hingebungsvoll wie er war, und einen Mann wie ihn durfte frau auf keinen Fall in die Flucht treiben, da war sie sich sicher. Auch, wenn sie sich manchmal mehr Nähe wünschte. Aber seit wann war sie eigentlich so eine fürchterliche Glucke?

Ihr kam in den Sinn, dass der Liebestrank vielleicht tatsächlich echt gewesen und an ihrem Verhalten schuld war. Bei ihr hatte er allemal gewirkt, denn sie verhielt sich wie ein schwer verliebter Teenager. Und bei ihm offensichtlich auch. Immerhin hatte er sie eingeladen, ihn auf Sizilien zu besuchen. So nahe waren sie sich noch nie gekommen. Bis auf die gelegentlichen Ausflüge ans Theater und einige Besuche im italienischen Lieblingsrestaurant Franziskas um die Ecke unternahmen sie ohnehin recht wenig. Irgendwie hatte immer einer von beiden zu tun. Wenn sie aber doch Zeit füreinander fanden, landeten sie meistens im Bett oder an Orten, die sie für ihre Liebesspiele auswählten.

Und jetzt eine gemeinsame Reise als Krönung ihrer Liebe und endlich ganz viel Zeit füreinander. Klang das nicht wunderbar?

Ob es wohl wirklich an dem Getränk lag? Er hatte ihr nicht verraten, woher es stammte, wer es gemixt hatte und aus welchen Ingredienzien es letztlich bestand. Würde die Wirkung bald nachlassen? Und was würde dann sein?

Unsinn! Franziska schalt sich eine Närrin. Letztlich war es doch egal, woran es lag. Wichtig war nur, dass sie sehr, sehr glücklich war.

„Ich komm ein bisschen mit nach Italien“, trällerte sie wieder schief, als das Telefon klingelte, und sie schon dachte, Walter würde sich endlich mit einem Anruf bei ihr melden.

„Franzi?“

„Ach, Obermüller, du bist‘s!“

Und dann schwieg sie, und während sie in den Hörer lauschte, verging ihr nicht nur das Singen von alten Schlagern. Denn ihre spontane Reise nach Bella Italia fiel gerade sprichwörtlich ins Wasser.

Gerade hatte sich Josef Schneidlinger ein Bier aus dem Kühlschrank geholt und sah jetzt zu, wie der Gerstensaft goldgelb in sein Glas floss und kleine Bläschen aufstiegen, und wie sich, quasi als Gipfel der Verlockung, eine herrliche Schaumblume bildete. Bei diesem Anblick lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Genüsslich nahm er den ersten und gleich darauf den zweiten Schluck, lehnte sich an die Küchentheke, schloss die Augen und seufzte leise. Vor ein paar Minuten hatte ihm Paulina eine SMS geschickt. Sie wollte wissen, ob er heute schon etwas vorhatte, und er hatte geantwortet: Ja … leider!

Und tatsächlich hatte er dieses „leider“ auch so gemeint. An Wochenenden wie diesem spürte er nur zu deutlich, wie schwierig das Familienleben im Hause Schneidlinger inzwischen geworden war.

Seit der Kriminalhauptkommissar von München nach Passau gewechselt und die Karriereleiter eine entscheidende Stufe hinaufgeklettert war, wohnte er wieder zu Hause, auf dem Bauernhof seiner Eltern im Rottal, während seine Gemahlin mit den vier Kindern in München geblieben war. Gabi war eine erfolgreiche Geschäftsfrau, die spielend Beruf und Kindererziehung unter einen Hut brachte und sich niemals von ihren Geschäften getrennt hätte, um als Hausfrau auf einem Bauernhof zu leben − und wenn er noch so herrschaftlich gewesen wäre.

Als sie am Freitag angerufen und ihm gesagt hatte, sie und die Kinder würden in zwei Stunden bei ihm sein, hatte sich Schneidlinger gefreut. Aber anscheinend hatte Gabi die Tristesse, die Land und Haus bei diesem Wetter versprühten, unterschätzt, und nun hing sie seit gestern Vormittag mit schlechter Laune auf dem Hof herum, streitsüchtig und ständig alles infrage stellend. Vermutlich wäre sie schon vor Stunden gefahren, hätte seine Mutter sie nicht alle zum Monopoly überredet. Die Kinder waren begeistert und wollten unbedingt die Runde zu Ende spielen, während die Eltern gute Miene zum nervigen Spiel machen mussten.

Zurück in der Stube versuchte sich Schneidlinger auf seine ihm entgleitenden Gesichtszüge zu konzentrieren, was ihm immer seltener gelang, wenn sich seine Gedanken, wie jetzt, an Paulina aufgehängt hatten. Sie war nicht wie andere Frauen, sie war etwas Besonderes. Je mehr die Anspannung daheim zunahm, desto mehr sehnte er sich nach ihr, auch wenn er sich und ihr das nie eingestanden hätte. Wobei so ein Geständnis ohnehin keinen Platz in ihrer Freundschaft hatte, die hauptsächlich daraus bestand, dass sie sich hin und wieder auf ein Glas Wein trafen und sich gegenseitig ihr Herz ausschütteten.

Schneidlinger war für sie ein Mann, der wusste, was er wollte, und dem sie einiges zu verdanken hatte. Mehr nicht. Paulina dagegen war eine Frau, die verdammt gut aussah und sich niemals so aufführen würde wie Gabi. Zumindest hatte Schneidlinger sie noch nie so erlebt. Aber sie waren ja auch nicht verheiratet.

Während die Würfel über den Tisch rollten, brach sein Sohn Tobias in Jubelgeschrei aus.

„Was ist?“, fragte Schneidlinger in die grinsende Runde, weil anscheinend jeder außer ihm Bescheid wusste.

„Du hast vergessen mich abzukassieren“, erklärte sein Jüngster altklug, doch bevor Schneidlinger richtig Zeit hatte, sich über dieses Versäumnis zu ärgern, klingelte in seiner Tasche das Handy.

In Gedanken ganz bei Paulina, zog er es heraus und ging in den Flur, um in Ruhe sprechen zu können.

„Ja? Ja, Obermüller, ich verstehe.“

Nachdem er aufgelegt hatte, wählte er aus seinem Speicher eine Nummer und lauschte auf das Freizeichen.

„Hollermann, sind Sie das? Tut mir leid, dass ich Sie stören muss, aber wir haben einen sehr eiligen Fall“, erklärte er, ganz Kriminalhauptkommissar, ohne sich lange mit einer Begrüßung aufzuhalten. „Halten Sie sich bitte bereit. Frau Steinbacher wird Sie gleich abholen. Und, ach ja: Ziehen Sie sich Gummistiefel an.“

Nur zwanzig Minuten später stieg Oberkommissarin Franziska Steinbacher an der Bräugasse auf den provisorischen Holzsteg, um zunächst vorsichtig einen Fuß vor den anderen zu setzen, bis sie sich an den ungewohnten Unterbau gewöhnt hatte. Denn da, wo das Kopfsteinpflaster auf dem Platzl den Füßen sonst Halt gab, hatte sich das Wasser von Donau und Inn zu einem einzigen braunen See vereint. Einen Meter hoch stand es zwischen dem Waisenhaus und der Nepomukstatue und ließ das Stadtbild mehr denn je an das im Wasser versinkende Venedig erinnern. Nur diese Stege und der unermüdliche Einsatz der Feuerwehr ermöglichten es den Bewohnern der Ortsspitze, auch in diesem Ausnahmezustand in ihre Häuser zu gelangen und ein halbwegs normales Leben zu führen.

Franziska blickte sich nach ihrem Kollegen Hannes Hollermann um, der direkt hinter ihr lief. „Ich glaube, da vorne ist es“, rief sie und zeigte mit dem ausgestreckten Finger auf ein Haus, das direkt am Donaukai lag.

Der Steg, auf dem sie balancierten, führte bis zu einem höher gelegenen seitlichen Fenster, lag an dieser Stelle aber schon einige Zentimeter unter Wasser, und als sie näher kamen, gaben ihnen die wartenden Feuerwehrmänner ein Zeichen vorsichtig zu sein. Doch das Team der Passauer Mordkommission hatte sich inzwischen an den feuchten Untergrund gewöhnt und schritt zügig voran.

„Franziska Steinbacher“, stellte sich die Kommissarin kurz vor und reichte den beiden Männern nacheinander die Hand. „Wo müssen wir hin?“

Die Feuerwehrmänner waren gut ausgerüstet, trugen wasserfeste Jacken und Hosen, die in schwere Stiefel mündeten, und waren so zumindest teilweise vor der durchdringenden Nässe geschützt. Auf dem Kopf trugen sie Helme mit Stirnlampen, deren Schein Franziska blendete.

„Er liegt im Laden hinter dem Tresen“, erklärte der größere der Wehrmänner, der sich als Thomas Frömml vorgestellt hatte, und sah erst das schmale Fenster und dann die Kommissarin abschätzend an.

„Da drin?“, mischte sich Hannes ein, und als die beiden nickten, warf er seiner Kollegin einen skeptischen Blick zu.

„Gibt es keinen anderen Zugang?“, wollte die wissen, doch die beiden Feuerwehrmänner verneinten mit einem kurzen Kopfschütteln.

„Der eigentliche Eingang liegt vorn zur Donau hin, steht aber völlig unter Wasser“, erklärte der Kleinere, Michael Wieser, geduldig. „Aber wenn Sie lieber nicht … ich meine, das Fenster ist ja wirklich nicht sehr groß.“

„Ach was“, wischte Frömml die Bedenken der Umstehenden beiseite. „Wir haben von innen schon eine Leiter hingestellt, das ist gar kein Problem.“

Die Kommissarin nickte, klaubte ein paar Habseligkeiten aus ihrer Tasche und hängte sie dann an den außen angebrachten Fensterladen. Auf keinen Fall wollte sie hier vor der versammelten Männlichkeit als Angsthase gelten.

„Halt!“ Frömml hielt sie am Ärmel fest. „Ich mach den Anfang, dann können Sie mit Ihrem Kollegen folgen.“

Ohne auf eine Antwort zu warten, schob er Franziska zur Seite und kletterte auf das Fensterbrett. Nachdem er kurz im Inneren des Hauses verschwunden war, erschien er wieder im Fenster und reichte der Kommissarin die Hand. Unwillig griff Franziska zu. Sie war sich sicher, es auch ohne ihn zu schaffen. Genau wie Hannes, der ihr gleichmütig folgte – und ohne, dass ihm jemand eine helfende Hand anbot.

Drinnen herrschte eine diffuse Dunkelheit, und nur die Stirnlampe am Helm des Feuerwehrmannes spendete ein wenig Licht. Als auch sein Kollege durch das Fenster in den Raum gestiegen war, schalteten sie die mitgeführten Strahler an, und Frömml wies die beiden Kommissare darauf hin, auf das eindringende Wasser zu achten.

Franziska blieb stehen, zog eine kleine Taschenlampe aus der Hosentasche und begann, sich in deren Lichtstrahl zu orientieren. Sie waren in einen höher gelegenen Nebenraum eingestiegen, der in früheren Zeiten als Lager gedient haben musste, was sie daraus schloss, dass überall geräumige, teilweise rostige Metallregale herumstanden. Um in den eigentlichen Laden mit dem großen Verkaufstresen und dem breiten Schaufenster zu gelangen, mussten sie ein paar wenige Stufen in den Hauptraum hinuntergehen.

Am Ende der Treppe stand bereits das Wasser. Sie würden sich also beeilen müssen, dachte Franziska und registrierte im Vorbeigehen etliche Reihen mit Sandsäcken, die von außen Schaufenster und Ladentür sicherten. Dann fielen ihr zwei Metallpfeiler auf, die mit einer dicken quer geschobenen Bohle die Decke abstützten.

Kaum war die Kommissarin jedoch bei den Männern hinter dem großen Verkaufstresen angekommen, vergaß sie alles, was sie gerade gesehen hatte. Vor ihr auf dem gefliesten Boden lag ein Mann. Zumindest war aufgrund dessen, was man überhaupt erkennen konnte, davon auszugehen, dass der Tote männlich war. Kopf und Oberkörper steckten in einem blauen Müllsack, der in Hüfthöhe mit Paketklebeband umwickelt war. Beide Hände lagen eng an den Hosenbeinen an. Der leblose Körper war mit Jeans und schwarzen Männerhalbschuhen bekleidet, die Beine an mehreren Stellen mit Paketklebeband umwickelt.

Franziska leuchtete die Gestalt mit ihrer Lampe ab, bis ihr die linke Hand der Leiche ins Auge stach. Daumen und Zeigefinger der kräftigen und mit dunklen Haaren bewachsenen Männerhand wiesen an mehreren Stellen zackige, teils bogenförmige Wunden auf. Interessiert bückte sich die Kommissarin hinunter, musste sich aber bald schon eingestehen, dass sie eine solche Verletzung noch nie gesehen hatte.

„Sieht aus, als ob er gefoltert wurde“, überlegte sie laut und sah Hannes an.

Doch der zuckte nur mit den Schultern, bevor er vorschlug: „Wir sollten die Kriminaltechnik verständigen.“

„Ja“, willigte Franziska ein, doch schon im nächsten Moment drang ein Geräusch an ihr Ohr, dass ihr einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen ließ. Die Glasscheiben von Schaufenster und Ladentür begannen laut zu knirschen, was sich wie ein schauriges Singen anhörte. So als würde jemand mit einem Diamantring wild über eine Glasscheibe ritzen. Nervös wanderte der Blick der Kommissarin von den beiden Feuerwehrmännern zur maroden Ladentür und zum Schaufenster und streifte dabei auch die provisorische Abstützung der Decke, bei deren Anblick ihr noch mulmiger wurde.

„Wie sollten schauen, dass wir schleunigst hier rauskommen“, meinte Frömml nach einem Blick zur Fensterfront, und so, wie er es sagte, klang es kein bisschen wie ein freundlicher Ratschlag. „Das Wasser steigt in einem gewaltigen Tempo.“

Wir zur Bestätigung seiner Aussage knirschten erneut die Scheiben.

„Gut, dann lass uns loslegen“, beschloss Franziska mit fester Stimme, zog die Kamera aus der Jackentasche und fotografierte die verpackte Gestalt und einzelne Ausschnitte in der Detailansicht, vor allem die Spuren an der Hand. Anschließend wandte sie sich an Hannes, der bisher untätig herumgestanden und seiner Kollegin bei der Arbeit zugesehen hatte. „Hast du ein Taschenmesser dabei?“

Hannes zuckte mit den Schultern, kramte aber in seiner Hosentasche und zog schon bald darauf einen länglichen Gegenstand hervor, den er Franziska entgegenhielt.

„Halt mal.“ Sie gab ihm die Taschenlampe, nahm das Messer und wies ihn an: „Leuchte mal hier auf den Kopf!“

Hannes tat, wie ihm geheißen, und gleich darauf hatte Franziska den Müllsack an der Seite aufgeschnitten und das Gesicht des Toten freigelegt. Tatsächlich handelte es sich um einen Mann, Mitte vierzig, gut genährt, ohne sichtbare Gesichtsverletzungen. Seine trüben Augen blickten ins Leere. Wie bei den meisten toten Menschen sagte sein Gesichtsausdruck nichts darüber aus, was er hatte erleiden müssen, bevor ihm ein tiefer Schnitt auf der linken Halsseite zugefügt worden war.

Franziska hob die Kamera, um die Position des Kopfes und des Schnittes festzuhalten, doch noch bevor sie den Auslöser betätigen konnte, vernahm sie erneut das laute Knirschen des Glases. Sorgenvoll blickte die Kommissarin dorthin, wo die Donau vor dem Haus bereits weit oberhalb der Sandsäcke zu sehen war und auf einmal hatte sie das beunruhigende Gefühl, als stünde sie in einem übergroßen leeren Aquarium, dessen Scheiben jederzeit einbrechen konnten, um das Wasser der Donau und alles, was darin schwamm, zu ihr hereinzulassen.

„Wir müssen jetzt wirklich raus“, mahnte der größere Feuerwehrmann und durchbrach die ehrfurchtsvolle Stille im Raum. „Das hier ist alles schon ein bisschen älter, und keiner weiß, wie lange das Glas dem immensen Druck standhalten kann.“

„Gut, dann nehmen wir ihn mit“, entschied Franziska, aber das Glas der Ladentür sang inzwischen so laut, dass es ihre Stimme beinahe übertönte.

„Sie haben Ihre Anweisungen, und ich meine. Bei uns geht der Eigenschutz vor, und weil wir für ihn ohnehin nichts mehr tun können“, er zeigte zu dem Mann, dessen Körper halb im Müllsack steckte, „sage ich: Wir gehen. Jetzt!“

Frömml nickte seinem Kollegen zu, woraufhin beide um den Tresen herum in Richtung Lagerraum und Fensterausstieg stapften. Hannes wandte sich ebenfalls um, nur Franziska blieb zurück und fotografierte fluchend alles, was ihr wichtig schien.

„Wo bleiben Sie denn?“, rief Frömml vom höher gelegenen Nebenraum.

Hannes drehte sich wieder zur Kollegin um. „Komm jetzt!“, rief er und versuchte energisch, nach Franziskas Arm zu greifen. Doch so schnell wollte die nicht aufgeben.

„Lass mich wenigstens noch ein paar Fotos machen.“ Sie entzog sich seiner Hand und knipste, sobald der Blitz wieder bereit war, in den Raum hinein. Immer wieder erhellte das grelle Licht der kleinen Kamera für einen Moment den schaurigen Tatort, bevor er erneut in einer diffusen Dämmerung verschwamm. Akustisch wurde die Szene von dem technischen Sirren der Kamera, wenn sich der Blitz wieder auflud, und dem unheimlichen Knirschen des Glases beherrscht. Unermüdlich wechselte die Kommissarin die Perspektive, um auch alle anderen Teile des Raumes festzuhalten.

Während sie sich Schritt für Schritt voran arbeitete, orientierte sie sich an dem massiven Tresen, als könnte er ihr, wie ein Fels in der Brandung, Halt geben. Ohne auf die warnenden Stimmen der Feuerwehrmänner und die aufgeregten und besorgten Rufe von Hannes zu hören, machte sie weiter, bis es in einem ohrenbetäubenden Knall die Schaufensterscheiben und die Glaseinsätze der Ladentür zerriss.

Braune Wassermassen schossen herein und füllten den Raum in Sekunden aus. Alles, was sich ihnen entgegenstellte, wurde einfach umgeschmissen und dann mitgerissen, bis sich die nächste stabile Wand den Wassermassen entgegenstellte. So erging es auch Franziska. Unfähig, sich nach dem lauten Knall noch in Sicherheit zu bringen, wurde sie vom eiskalten Wasser erfasst, herumgewirbelt und schließlich gegen den Tresen geschleudert, der ihr jedoch keinen Halt bot. Ohne wirkliche Orientierung versuchte sie die Wasseroberfläche zu erreichen, und als es ihr tatsächlich gelang, wurde ihr klar, dass sie sich knapp unterhalb der Decke befand.

Ist das Wasser schon so hoch gestiegen?, dachte sie, und dann schnappte sie hastig nach Luft, denn schon wurde sie erneut hinunter in die kalte braune Donau gezogen. Ihre Kleidung hinderte sie an sinnvollen Schwimmbewegungen, und die Muskeln waren von der Kälte des Wassers innerhalb von Sekunden träge und beinahe nutzlos geworden.

Nachdem die Donau den Raum erst einmal eingenommen hatte, stieg das Wasser zunächst höher und höher, bis es sich dem Niveau draußen vor der Tür angepasst hatte und schließlich zur Ruhe kam. Für Franziska dauerte dieser Vorgang eine Ewigkeit. Bei ihrem zweiten Versuch, Luft zu schnappen, hatte sie einige Schluck Donauwasser erwischt und trieb jetzt würgend und hustend und erneut Wasser schluckend in der Brühe, die sie gefangen hielt, ohne sie wirklich festzuhalten. Immer wieder wurde sie von herumschwimmenden Gegenständen gestreift, und bei ihrem Versuch, sich an irgendetwas zu klammern, daran erinnert, wie glitschig Wasser war.

Längst hatte sie die Orientierung verloren und begann gerade, mit ihrem Leben abzuschließen, als sie in der Ferne ein ganz schwaches Licht ausmachte. Kurz dachte sie an Walter und Hannes und sogar an Obermüller und daran, ob sie sie vermissen würden. Seltsame Bilder kamen in ihr hoch. Sie glaubte sich in einem Tunnel, der sie immer tiefer in sich hinein sog, bis am Ende … War das das Ende? Sah sie gleich ihren Lebensfilm rückwärts ablaufen, und wenn sie wieder Kind war, dann war alles vorbei?

Mit letzter Kraft begann Franziska mit den Armen zu rudern und mit den Beinen wild ins Wasser zu treten, bis sie tatsächlich etwas berührte, von dem sie sich abstoßen konnte. Und dann wurde das Licht heller, und sie hörte eine Stimme, Hannes‘ Stimme, die nach ihr rief: „Franziska!“

Sie spürte eine Hand, die nach ihr griff, sie aber nicht fassen konnte. Mein Gott, Hannes war da, Hannes wollte sie retten. Mit aufgerissenen Augen versuchte sie die Stelle zu erreichen, von der das Licht und weitere Stimmen kamen, und als sie es endlich schaffte, erneut eine Hand spürte, die nach ihr griff und an ihr zog, als sie sich schon gerettet wähnte, bekam sie einen fürchterlichen Schlag auf den Kopf und versank erneut in gnädiger Dunkelheit.

Wie ein geprügelter Hund stand Kriminalhauptkommissar Josef Schneidlinger auf dem Holzsteg unterhalb des Einstiegsfensters und machte sich selbst die schwersten Vorwürfe.

Natürlich war die Kollegin Steinbacher erfahren, und der junge Hollermann war ja auch mit reingegangen, aber wie sich jetzt gezeigt hatte, war die junge Kommissarin vielleicht doch noch nicht so weit – zumindest, wenn es um die Einschätzung des Risikos ging.

Der Hauptkommissar beugte sich über das Fensterbrett und versuchte einen Blick auf das Geschehen im Haus zu werfen. Als er vor wenigen Minuten am Tatort eingetroffen war, hatte man ihn mit der Aussage konfrontiert, dass sie jetzt vermutlich eine zweite Wasserleiche hätten. Nun, das kommt vor, dachte der Hauptkommissar im ersten Moment, schließlich war die Sachlage insgesamt etwas undurchsichtig. Als die Kameraden von der Feuerwehr jedoch hinzufügten, der Kommissarin wäre ja auch nicht zu helfen gewesen, wurde ihm schlagartig flau im Magen. Sie habe die Warnung selbst dann noch ignoriert, als es schon nicht mehr zu überhören war, dass das Glas im nächsten Moment zerreißen würde, berichtete ein Mann, und der Rest, na ja, der sei dann einfach Pech gewesen. Ihr Kollege hätte sie ja schon fast gehabt, als die Stützkonstruktion der Decke umkippte und der Balken der lebensmüden Kommissarin direkt auf den Kopf donnerte.

Nachdem er die Haustür ins Schloss gezogen hatte, war er noch froh darüber gewesen, dass er der aufgeladenen Stimmung, die an diesem Wochenende in seinem Elternhaus herrschte, den Rücken kehren konnte. Ausgestattet mit Gummistiefeln und einer regenfesten Jacke war er in seinen Porsche Boxster gestiegen, in weiser Voraussicht, dass er zwar nicht auf dem Weg zu einer echten Alternative für einen anständigen Sonntagabend war, aber immerhin weg kam. Er hatte die Autobahn genommen, war in Passau-Süd abgefahren, weiter über die B12 und dann runter auf die Regensburger Straße bis zum Schanzl. An der Ludwigstraße war er in die Fußgängerzone eingebogen und folgte ihr, bis er über den Heuwinkel zum Rindermarkt kam. Über die Messergasse und den Steinweg hatte er schließlich den Residenzplatz erreicht, wo man ihn dann nichtmehrweiterfahren ließ. Hier parkten auch der Bus der KTU und der Wagen von Franziska Steinbacher. Die gesamte Fahrt war Schneidlinger endlos und beschwerlich erschienen. Starker Regen prasselte auf das Verdeck seines Wagens, wie ein unermüdliches Stakkato, oder, wie er jetzt wusste, wie der Countdown zu dem Moment, in dem er hier stehen musste, um sich einem wahren Albtraum zu stellen.

Seit einem guten Jahr war er der Leiter der Passauer Mordkommission, und inzwischen kannte er nicht nur alle schönen Winkel dieser Stadt, sondern auch die weniger beschaulichen Ecken. Gleichzeitig waren ihm die neuen Kollegen ans Herz gewachsen, jeder auf seine ganz eigene Art. Vor allem die engagierte Oberkommissarin Steinbacher, die so erfrischend ehrlich, aber, wie er sehr wohl beobachtet hatte, auch verletzlich war, mochte er sehr. Und jetzt? Kurz war Schneidlinger versucht gewesen selbst hineinzusteigen, um bei der Bergung zu helfen. Andererseits waren da drin schon genug Fachleute im Einsatz, und so blieb ihm nur das lange und zermürbende Warten.

Für einen Moment ließ der Hauptkommissar das Fenster außer Acht und sah sich um. Neben ihm auf dem Steg standen die Kollegen von der Kriminaltechnik, die gehofft hatten, den Tatort inspizieren zu können, bevor das Wasser alle Beweise vernichtete. Sie alle blickten bekümmert zu dem kleinen Fenster hin, durch das Franziska mit Hannes und den Männern von der Feuerwehr in das Ladenlokal gestiegen war. Niemand schien Schneidlinger und seine Sorgen zu beachten, bis er spürte, wie sich ihm ein Blick in dem Rücken bohrte. Neugierig wandte er den Kopf und stierte in die Dunkelheit, um den zu finden, der ihn so interessiert musterte, als er erschrocken zusammenfuhr, weil ihm jemand mit lauter Stimme zurief: „Weg da! Wir haben sie!“

Der Hauptkommissar reckte sich, um endlich zu sehen, was mit der Kollegin passiert war, doch statt Franziska erschien ein großer und kräftiger Feuerwehrmann im Fenster und kletterte heraus.

„Ist sie …?“ Schneidlinger traute sich nicht, seinen Satz zu beenden. Mit verzweifelter Miene sah er den Feuerwehrmann an.

„Unkraut vergeht nicht“, versicherte der Mann grob, überließ Schneidlinger die weitere Deutung und stapfte davon.

„Chef?“

Der Hauptkommissar wandte den Kopf, und sofort huschte ein Lächeln über sein Gesicht. „Franziska …äh, Frau Steinbacher! Bin ich froh, Sie zu sehen.“

Schnell sprang er zwei Schritte auf den Fensterausschnitt zu, um ihr beim Heraussteigen behilflich zu sein. Haare und Kleidung klebten an ihrem Körper, und ihr Gesicht sah mitgenommen aus. Trotzdem gelang ihr ein kleines Lächeln, als Schneidlinger sie vorsichtig vom Fensterbrett hob.

„Wir bringen sie zum Krankenwagen“, mischte sich die herbeieilende Mona von der Kriminaltechnik ein, bevor die Stimmung zu rührselig werden konnte. „Sie muss ins Warme, und ihr Kopf muss untersucht werden.“

Schneidlinger nickte. „Ja. Danke. Ich mache mir nur noch ein Bild der Lage und komme dann nach.“

Am Krankenwagen, der vor der Theologischen Hochschule stationiert war, empfing der Notarzt Dr. Franz Buchner den kleinen Trupp. Schnell hatte die Nachricht von Franziskas unfreiwilligem Bad in der Donau und dem anschließenden die Runde gemacht, und alle hatten so besorgt reagiert wie der Hauptkommissar; schließlich kannte man sich von verschiedenen Einsätzen.

„Meiner Meinung nach haben Sie eine Gehirnerschütterung“, erklärte der Notarzt im gleichen Ton, in dem er sonst an einem Tatort über die Todesursache spekulierte, nachdem er Puls und Blutdruck gemessen und Franziskas Schädel auf eine mögliche Verletzung hin abgetastet hatte. „Näheres kann ich erst nach weiteren Untersuchungen im Klinikum sagen. Ich würde Sie gern für ein paar Tage zur Beobachtung aufnehmen“, schlug Dr. Buchner vor.

Doch schon während er diesen Satz vortrug, schüttelte Franziska den schmerzenden Kopf und zog die Decke enger um den zitternden Körper.

„Tatsächlich habe ich nicht erwartet, dass Sie zustimmen“, gab sich der Notarzt sofort geschlagen und lächelte die Kommissarin aufmunternd an. „Aber dann nehmen Sie zu Hause wenigstens ein warmes Bad und legen sich ins Bett. Haben Sie jemand, der sich um Sie kümmert?“

Bevor Franziska darauf antworten konnte, sagte Schneidlinger: „Natürlich, wir werden sie nicht aus den Augen lassen.“ Er schien ernsthaft besorgt.

„Schon okay, Chef. Ich kann auf mich selbst aufpassen. Mir ist nur so schrecklich kalt.“

„Jemand sollte sie heimbringen“, begann Dr. Buchner erneut.

„Gut.“ Schneidlinger warf einen Blick zu Hannes. „Herr Hollermann hat mir bereits von den Verletzungen des Toten berichtet. Frau Steinbacher kann bedenkenlos nach Hause gehen und sich auskurieren.“

Franziska nickte. „Wann werden sie den Toten herausholen können?“, fragte sie.

Schneidlinger zuckte mit den Schultern.

„Ich habe Fotos gemacht. Vielleicht … Ich hoffe, sie sind nicht beschädigt worden, als die Kamera nass geworden ist“, fügte sie hinzu, doch Schneidlinger wiegelte sofort ab.

„Jetzt machen Sie sich darüber mal keine Gedanken. Erholen Sie sich, und den Rest sehen wir dann schon.“

„Aber …“

„Kein Aber. Es war schon unverantwortlich von Ihnen, nicht auf die Mahnung der Rettungskräfte zu hören.“ Der Hauptkommissar atmete tief aus und wechselte einen kurzen Blick mit Hannes bevor, er in versöhnlichem Tonfall weitersprach. „Natürlich kann es sein, dass wir im Laufe der Ermittlungen noch sehr froh über Ihre Unterstützung sein werden. Wo ist denn die Kamera eigentlich?“

Mit einem kleinen Lächeln zeigte Franziska auf die nassen Sachen, die auf einem Haufen neben der Trage lagen, auf der sie saß. Obenauf lag die Kamera.

„Gut, dann gebe ich sie der Kriminaltechnik, damit die sich darum kümmern. Wie haben Sie das eigentlich geschafft, dass sie die Kamera im Wasser nicht verloren haben?“

„Ich weiß auch nicht“, gestand Franziska. „Ich glaube, ich habe mich einfach an ihr festgehalten.“

Längst hatte er den Beobachtungsplatz aufgegeben und ruderte mit seiner Zille, die er am Ende der kleinen Fluchtgasse stationiert hatte, an der Stadtmauer und am Hotel Schloß Ort vorbei. Das Fahren mit der Zille lernten die Kinder im Örtl früh, schließlich nutzte man dieses wendige Boot nicht nur beim jährlichen Hochwasser, sondern auch für kleine Ausflüge auf Inn und Donau. Manche hatten sogar einen Motor und wurden von den Anwohnern wie ein Wassermofa benutzt. Im Hochwassergebiet war es allerdings besser zu rudern, und auf Donau oder Inn würden heute nur Lebensmüde hinausfahren.

Vor dem Hotel machte er eine Pause, um sich eine Zigarette anzuzünden. Es war seine letzte, und er musste zusehen, dass er neue bekam. Hunger hatte er auch. Leider war durch diesen ganzen Trubel sein Zeitplan durcheinandergeraten. Während er rauchte, blickte er zu Fassade des Hotels hinauf, das, wie alle Häuser im Örtl, schon tief im Wasser des Inn stand. Trotzdem strotzte es seit Jahrhunderten allem Unbill, und so ein Hochwasser würde es schon gar nicht umreißen. Um das Jahr 1200 hatte man es schon in einer Urkunde erwähnt, hatte ihm seine Mutter einmal erzählt, weil damals gerade Bischof Berthold von Salzburg kam, um die Stadt von den bayerischen Besatzern zu befreien, die sich genau hier, in der Veste Ort, eingenistet hatten. Damals war das hier die wichtigste Schutzfestung von Passau gewesen. Kann man heute kaum noch glauben, hatte seine Mutter immer gesagt. Fünfzig Jahre später wurde die Veste Ort dann sowieso nicht mehr gebraucht, weil sie jetzt die Veste Niederhaus auf der anderen Seite der Donau hatten. So wurde das Schloss halt zum Gefängnis, und der Bannrichter wohnte auch mal hier.

Er lauschte. Waren das eben Schreie gewesen? Aus dem alten Gemäuer? Vom Wasser herausgespült?

Red nicht so einen Unsinn, würde seine Mutter jetzt sagen. Und jetzt mach, dass du nach Hause kommst, und basta.

Sie hatte recht, denn schließlich gab es Wichtigeres als dieses Haus, das ja erst einmal zu dem hatte werden müssen, was es heute war. 1873 war es zum Hotel umgebaut worden, weil es schön war, wenn man auf der Terrasse saß und auf den Inn blicken konnte. Seine Mutter hatte immer davon geträumt, dort mal zu sitzen. Aber es sollte halt nicht sein, und damit basta.

Inzwischen war er klatschnass und fror fürchterlich. Selten war die Donau im Juni noch so kalt wie in diesem Sommer. Während er weiterruderte, setzte er das Paddel voller Aufmerksamkeit ein, schließlich wusste man nie, was einem unter Wasser so alles begegnete. Einmal war ihm sogar ein Auto entgegengeschwommen, allerdings war das am Rathausplatz gewesen, und damals hatte das Wasser auch viel höher gestanden. Aber wer weiß, noch hatten sie das Schlimmste ja nicht hinter sich.

Als er das Platzl erreichte, warf er einen Blick zum alten Laden. Das Fenster hatten sie zugenagelt, damit niemand mehr auf die Idee kam einzusteigen. Den Toten hatten sie noch immer nicht herausgeholt, das hatte er genau beobachtet, und er hatte gehört, wie sie davon sprachen, dass sie ihn so schnell auch nicht bergen konnten, weil der Stützpfeiler, der die einsturzgefährdete Decke sichern sollte, umgefallen war. Eine Tussi von der Polizei hätte es auch fast erwischt. Wie konnte man auch nur so dumm sein und nicht auf das Glas hören?