Gossip Girl - Liebt er mich? Liebt er dich? - Cecily Ziegesar - E-Book

Gossip Girl - Liebt er mich? Liebt er dich? E-Book

Cecily Ziegesar

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Beschreibung

Du weißt genau, dass du es liebst!

Verliebt wie nie kommt Blair von ihrem romantischen Bootstrip mit Nate zurück und weiß genau: Nate gehört jetzt endgültig ihr! Überglücklich träumt sie von ihrer gemeinsamen Zukunft in Yale. Doch Nate, der bei einer heißen Nacht mit Serena nicht nur in Erinnerungen schwelgt, zweifelt plötzlich daran, wer seine wirkliche Traumfrau ist. Was will er in Yale, wo er noch nicht einmal die Zulassung zur Uni hat? Serena dagegen schmiedet ihre eigenen Zukunftspläne: Starregisseur Ken Mogul will sie zur populärsten Schauspielerin seit Audrey Hepburn machen. Warum also nicht in New York bleiben, mit Nate – und ohne Blair???

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Seitenzahl: 378

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Inhaltsverzeichnis
 
gossipgirl.net
im paradies braut sich ein gewitter zusammen
an der heimatfront ist auch nicht alles rosig
eure mails
gesichtet
 
zurück in der einzig wahren heimat
 
der teufel trägt seven
 
dan ist schwul und das ist auch gut so... oder?
 
s nimmt b allen wind aus den segeln
 
spezialauftrag für s und n
 
verliebt, verlobt, ver…
 
überlebt n diesen sturm?
 
gossipgirl.net
meine vorschläge für ein orientierungswochenende, bei dem man sich wirklich ...
eure mails
gesichtet
 
ehrlichkeit ist eine völlig überschätzte tugend
 
freu dich! es kann nur schlimmer werden
 
dinge, die es wert sind, besessen zu werden, sind es wert, gestohlen zu werden
 
freundinnen oder feindinnen?
 
alles, was n jetzt noch fehlt, ist ein holzbein
 
tea for two
 
oops. es ist nicht das, wonach es aussieht...
 
gossipgirl.net
hollywood ruft
gesichtet
 
hasst sie nicht, bloß weil sie perfekt ist
 
irren ist menschlich, aber verzeihen widerspricht bs prinzipien
 
es wächst zusammen, was zusammengehört
 
schluss machen ist gar nicht so schwer
 
vielleicht können menschen sich doch ändern
 
je mehr sich verändert, desto gleicher bleibt alles
 
v entdeckt ihre sexy seite
 
en famille
 
gossipgirl.net
eure mails
gesichtet
prä-partyplanung
 
bei barneys platzt die bombe
 
nicht weinen. daddy ist doch auch noch da
 
summertime, and the living’s easy …
 
b ist ganz in ihrem element
 
mach aus deinem herzen keine mördergrube …
 
chips ahoi!
 
gossipgirl.net
gesichtet
 
immer wieder schön
 
das blatt wendet sich …
 
v erweist sich als femme fatale
 
hände weg von meinem mädchen, rastafari
 
es gibt doch nichts schöneres als eine funktionierende vater-sohn-beziehung
 
stationen eines lebens
 
gossipgirl.net
gesichtet
 
vorsicht bei der abfahrt …
 
hallo und tschüss
 
n schafft es in letzter Sekunde
 
der lange abschied
 
gossipgirl.net
gesichtet
 
LESEPROBE
GossiP Girl
Copyright
Es gibt nur eine Sache, die peinlicher ist, als in aller Munde zu sein – nicht in aller Munde zu sein.
OSCAR WILDE
gossipgirl.net
themen ◀ zurück weiter ▶ eure fragen antworten
erklärung: sämtliche namen und bezeichnungen von personen, orten und veranstaltungen wurden geändert bzw. abgekürzt, um unschuldige zu schützen. mit anderen worten: mich.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
ihr lieben!
 
 
 
hurra, hurra, der august ist da! ihr wisst, was das bedeutet: new york ist heiß, heißer, am heißesten. nicht dass ich aus persönlicher erfahrung spräche – unsereins tut sich den dampfenden asphaltdschungel um diese jahreszeit nicht an. wir haben den gesamten letzten monat in kühlen strandbungalows in den dünen von montauk und kleinen landhäusern auf der gin lane in southampton verbracht (klein heißt in diesem fall acht schlafzimmer und fünf bäder) oder uns am strand geaalt und unsere bain-de-soleil-bräune perfektioniert.
 
wer wir sind? wer so dumm fragt, muss sich zurückfragen lassen: wer seid ihr, dass ihr das nicht wisst? wir sind die aparten schönheiten in den batik-sommerkleidern von marni, die beim hampton-classic-springturnier auf der vip-tribüne sitzen und unter breitkrempigen strohhüten von philip treacy unseren kater vom vorabend in veuve-clicquot-mimosas ertränken. wir sind die johlende horde, die sich im morgengrauen am main beach splitternackt in die brandung stürzt. wir sind die unermüdliche feiercrew, die um zwei uhr nachmittags aus den federn kriecht und erst im morgengrauen zu bett geht. wozu die nacht zum schlafen vergeuden, wenn eine poolparty nach der anderen lockt? wir sind die reichen und schönen, die ihr so gern anschaut – und über die ihr euch noch lieber das maul zerreißt. und lasst euch eines gesagt sein: wir sind in hochsommerlicher bestform.
 
aber dieser herrliche sommer nähert sich unerbittlich seinem ende und ein zarter hauch von veränderung liegt in der luft. die hamptons leeren sich allmählich, der jetset jettet aus allen teilen der welt wieder richtung heimat (im privatjet, versteht sich) und die innenausstatter unserer eltern sind bereits emsig in den nobelsten einrichtungsläden manhattans unterwegs, um nach den erlesenen stücken zu suchen, die bald unsere zimmer im studentenheim schmücken werden. oh ja, der countdown läuft: in nur zehn tagen werden die diesjährigen absolventen der exklusivsten privatschulen manhattans frischgebackene studenten sein. in kürze werden wir auf dem campus einer der eliteuniversitäten neuenglands das erste herbstlaub unter unseren neuen kamelbraunen reitstiefeln von coach zermalmen und vorlesungen wie »entdeckungsreise ins zeitalter der romantik« oder »einführung in die chaostheorie« hören. dann ist es endgültig vorbei mit den morgendlichen latte macchiatos auf den stufen des mets, den heimlichen kippenpausen während des französischunterrichts und der kratzigen kunstfaser unserer schuluniformen... es sei denn, wir verkleiden uns an halloween noch mal als bezopfte schulmädchen, um unsere kommilitonen in sexuelle raserei zu treiben.
 
 
auf die uni zu gehen heißt für viele von euch, dass ihr die chance bekommt, euch selbst neu zu erfinden (sprich: so zu tun, als wärt ihr auf der highschool nicht die hoffnungslosen loser gewesen, die ihr wart). jetzt bleibt euch nur noch etwas über eine woche bis zu eurem einzug in die geheiligten hallen der höheren akademischen weihen – höchste zeit also, euch zu überlegen, wer ihr als nächstes sein wollt. na, von welcher karriere träumt ihr? die auswahl ist gigantisch, aber ich helfe euch gern dabei, sie ein wenig einzugrenzen: der job als fabulös trendiges, dauerbloggendes gossip girl ist definitiv schon vergeben.
 
während ihr fleißig damit beschäftigt sein werdet, euch ein neues ich zuzulegen, steht bereits ein trupp bezaubernder mädchen in schuluniform und kaschmirjäckchen von tse in den startlöchern, die nach der schule bei barneys überdimensionierte schildpattsonnenbrillen anprobieren. hart, aber wahr. bald werden wir – seufz – von den mädels und jungs ersetzt werden, die uns jahrelang aus der ferne bewundert und analysiert haben. betrachten wir die kommende woche also als unser endgültiges abschiedskonzert. jetzt gilt es, den silbernen range rover, der uns zum schulabschluss geschenkt wurde, bei sonnenaufgang zu einem letzten ausritt durch die stillen straßen manhattans aus der garage zu holen, den börsenmakler aus der wohnung nebenan mit rauschenden partys auf der dachterrasse unserer fifthavenue-stadtvilla aus dem schlaf zu schrecken und bei bergdorf ein kleines (oder größeres) vermögen für taschen von chloé und kleider von marchesa auszugeben – natürlich alles auf daddys schwarze amex-karte -, kurzum: das paradies auf erden zu erleben. und da wir gerade beim thema sind …

im paradies braut sich ein gewitter zusammen

jeder, der einigermaßen auf dem laufenden ist, hat miterlebt (oder zumindest mitgekriegt), welche filmreife romantikszene sich letzten monat auf S’ geburtstagsfeier im elterlichen landhaus in ridgefield, connecticut zwischen B und N abgespielt hat. war ich die einzige, die gesehen hat, wie S nachts mutterseelenallein am pool stand, ihre zuckersüßen zehen ins wasser tunkte und sich mit dem handrücken über die augen wischte, nachdem die beiden nach oben verschwunden waren? waren das echte tränen? wenn ihr mich fragt, roch die szene jedenfalls verdächtig nach dem werbespot für ein bestimmtes parfüm... und wie hat sie Bs und Ns plötzliches verschwinden am geburtstagsmorgen verkraftet, als die beiden im wahrsten sinn des wortes dem sonnenaufgang entgegensegelten? ihre jacht wurde zuletzt zwar südlich von hyannis gesichtet, aber irgendwann müssen sie ja auch wieder zurückkommen, oder? ich habe jedenfalls das starke gefühl, dass am jetzt noch sonnigen horizont ein heftiger sturm aufzieht …

an der heimatfront ist auch nicht alles rosig

dass D eine schwester hat, dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben, jetzt hat sich allerdings herausgestellt, dass er nicht nur ein warmherziger, sondern insgesamt ein ziemlich... warmer bruder ist. und zwar nicht einer der metrosexuellen au-ja-lasst-uns-zu-thomas-pink-shoppen-gehen-sorte (wobei das seiner garderobe definitiv nicht schaden würde), sondern einer aus dem lager derjenigen, die tatsächlich mal ganz gern ein stoppelkinn küssen. bereitet er jetzt sein ultimatives coming-out vor? oder verfällt er doch wieder Vs stacheligem charme und entscheidet sich fürs hetendasein? falls nicht, kann ich ihm immer noch einen job als dekorateur für mein schlafzimmer anbieten... obwohl, wenn ich es mir recht überlege – lieber doch nicht.

eure mails

F: hey, gossipgirl, ich war letzten monat auf S’ legendärer prä-geburtstagsparty in ridgefield und könnte schwören, dass sie sich um sechs uhr morgens zu Ns aston martin rausgeschlichen und etwas im handschuhfach deponiert hat. okay, ich hatte eindeutig eine überdosis tanqueray-gimlets intus, aber sie hielt etwas in der hand, das verdächtig nach einem umschlag aussah – nur, was war drin? ich bin mir ziemlich sicher, dass es sich um irgendwelche bewusstseinsverändernden substanzen – im klartext: drogen – gehandelt hat, bin aber leider ins koma gefallen, bevor ich näheres herausfinden konnte. h. olmes
 
 
A: verehrter h. olmes, unsere süße S war zwar mal mit einem rockstar verbandelt und steht definitiv auf sex und rock’n’ roll, aber in puncto drugs hält sie sich eher zurück – jedenfalls in letzter zeit. was sie da in der hand hielt, war wahrscheinlich ein stinknormaler brief. die frage lautet also eher: was stand drin? ich bin von natur aus ein neugieriges kleines kätzchen, und glaubt mir eins: sobald ich es weiß, werden wir alle vor zufriedenheit schnurren. miau! gg
 
 
F: hola, gg, mein daddy ist filmproduzent in hollywood und hat gestern abend in unserem privatkino eine rohfassung von »frühstück bei fred« gezeigt. ich kann nur sagen... respect! ich hab immer geglaubt, S wär bloß eines dieser genetisch gesegneten, aber ansonsten strohdummen reichen töchterchen, aber das mädel hat echt was drauf! beverly h. ill
 
 
A: liebe beverly, gähn. hast du auch irgendwas neues beizutragen? die gerüchte über »frühstück bei fred« haben längst die ostküste erreicht – ich habe zwei studiobosse auf einer cocktailparty in amagansett belauscht, die darüber redeten (nein, ich sage nicht, wo), und stimme dir zu: fbf wird der hit der herbstsaison. bin gespannt, wann S uns vom cover der vanity fair anlächelt. hyyyyyyyype... gg

gesichtet

S, die mit einer riesigen schwarzen chanel-sonnenbrille im gesicht durch new york wandelte, die enten im central park fütterte, sich im angelika film center 60erjahre-filme ansah und ziemlich einsam wirkte. dabei bin ich mir sicher, dass es mehr als nur einen kerl da draußen gibt, der alles dafür geben würde, ihr gesellschaft leisten zu dürfen. des weiteren eine jacht, die der charlotte verdächtig ähnlich sah und den hafen von battery park ansteuerte. an bord: ein brünettes mädchen und ein schönling mit goldbraun gewelltem haar. vielleicht ist S’ einsamkeit früher beendet, als sie glaubt. V, die bei barnes & noble auf der ecke 83. straße/broadway nervös in der kassenschlange stand und ein buch mit dem titel »nimm mich, wie ich bin – ich bin schwul« an die brust drückte. leichte sommerlektüre? die kleine J am prager flughafen, wo sie einer exzentrisch zerzausten frau in türkisblauem kaftan zum abschied winkte, die ein flugzeug nach new york bestieg. hallo, was wird das denn? müsste nicht sie nach new york fliegen? hm, vielleicht ist das eine art austauschprogramm. K und I im conran shop auf der 60. straße, wo sie möbel aussuchten, die nächste woche ins rollins college geschickt werden sollen. ähem... mädels? könnte es sein, dass ihr in eurem 6-m2-zimmer keinen platz für das kirschrote eames-sofa habt? es sei denn, ihr benutzt es als doppelbett... na ja, bei den beiden ist alles drin.
so, genug geplaudert, meine süßen! ich muss mir jetzt schleunigst meine lieblingsklatschgazetten unter den arm klemmen und zum soho house eilen, um dort am pool auf der dachterrasse die letzten tage dieses feuchtschwülen sommers zu genießen. wieso kommt ihr nicht einfach mit? (oops, ich vergaß: eintritt nur für mitglieder. vielleicht könnt ihr euch über die feuertreppe einschleichen...) schließlich ist es bald zeit für die shoppingtour bei barneys, um die letzten notwendigkeiten für die uni zu besorgen, und ich will so sonnengebräunt und sommergesprosst wie möglich aussehen, wenn ich mein debüt in der umkleidekabine gebe. ich habe schon seit monaten ein auge auf einen supersüßen wollweißen pulli von stella mccartney geworfen, was aber nicht heißt, dass ich euch nicht weiter im anderen auge behalten werde!
 
 
ihr wisst genau, dass ihr mich liebt
 
 
gossip girl
zurück in der einzig wahren heimat
»Hallo, Manhattan!«, begrüßte Blair Waldorf jubelnd ihre Heimatstadt, als sie im Hafen von Battery Park von Bord der Charlotte sprang. Ein paar unnatürlich gebräunte Bikinimädchen, die vor einer Privatjacht namens Miami Mama gelangweilt darauf warteten, dass die extrem gut gebauten Jungs ihrer Crew ihre prall gefüllten Reisetaschen von Coach an Land schleppten, musterten Blair kritisch.
In der Ferne ragten die Hochhaustürme von Battery Park City in den Himmel und das Licht der strahlenden Augustsonne brach sich funkelnd in Tausenden von Fenstern. Ströme von Touristen in geschmacklosen quer gestreiften Poloshirts mit unförmigen neonfarbenen Bauchtaschen drängten sich auf der South Street Promenade, während Inlineskater sich geschickt zwischen ihnen hindurchfädelten.
Blair leckte sich über die roten, ungeschminkten Lippen – merke: intensive Küsse ersetzen jeden Lippenstift – und warf einen letzten Abschiedsblick auf die Charlotte, an deren Deck in diesem Moment Nate Archibald erschien. Sein schlanker, hochgewachsener Körper war braun gebrannt, die nackte Brust muskulös, in seinen sanft gewellten honigbraunen Haaren leuchteten goldene Sonnensträhnchen, und seine Augen strahlten so smaragdgrün wie die Surfershorts von Billabong, die ihm tief auf der Hüfte hingen. Er lächelte.
Hach!
Blair widerstand dem Drang, sofort wieder an Bord zu rennen und ihn in das Dunkel der kleinen Kajüte zu zerren. Obwohl sie die letzten vier Wochen ununterbrochen zusammen gewesen waren, am Tag eisgekühlte Mango-Margaritas geschlürft und sich nachts heißen Liebesspielen hingegeben hatten, war ihre Lust auf ihn ungebrochen.
Die beiden hatten auf ihrer kleinen Kreuzfahrt allerdings nicht nur die traute Zweisamkeit genossen, sondern auch immer wieder charmante Küstenstädtchen wie Rockport und Camden angesteuert, um Muschelcremesuppe zu essen. Blair hatte im Laufe der Zeit sogar Geschmack daran gefunden, obwohl es im Grunde bloß heiße salzige Sahnebrühe mit gummiartigen Fleischfetzen darin war. Außerdem waren sie abenteuerlustig in diverse Flussmündungen gesegelt, damit Nate sich wie der Seemann fühlen konnte, der er im tiefsten Inneren seines Herzens war.
Blair schloss die Augen und atmete den Duft der Sonnenmilch von Guerlain ein, die ihre Haut überzog. Zwischen ihren Zehen spürte sie die feinen Sandkörnchen und eine kühle Meeresbrise strich ihr über die Wangen. Bei der Erinnerung daran, wie sie gestern Abend auf dem winzigen Bett neben Nate, der nur eine hellblaue Pyjamahose angehabt hatte, mit dem Klang seines Herzschlags in den Ohren eingeschlummert war, seufzte sie. Sie fuhr sich durch die meersalzverklebten Haare und sah zu, wie Nate fachmännisch einen letzten Knoten ins Tau knüpfte, sich ihre apfelgrüne Reisetasche von Hervé Chapelier über die Schulter warf, nach seiner eigenen schmuddeligen Leinentasche von L.L. Bean griff und von Bord sprang.
»Wow! Da sieht aber jemand zufrieden aus!« Er schlang einen Arm um Blairs schmale Taille und begrub sein Gesicht in ihren dunklen, vom Wind zerzausten Haaren. »Du riechst ausnahmsweise sogar richtig gut.«
Blair quietschte, als er sie kitzelte, und riss sich los. »Danke, du Charmebolzen!«
Nate grinste bloß und schlüpfte in seine ausgelatschten schwarzen Flipflops von Teva, die er auf See jeden Tag getragen hatte.
»Leider kann ich das Kompliment nicht zurückgeben!« Sie knuffte ihn liebevoll in die Seite und dachte sehnsüchtig an die Honig-Mandel-Waschlotion von L’Occitane und das Frédéric-Fekkai-Shampoo, das sie zu Hause erwartete. Die Duschkabine der Charlotte war so eng gewesen, dass sie sich permanent an der Glastür gestoßen hatte. Wobei natürlich immer genug Platz für Nate gewesen war, wenn er mitduschen wollte.
Trotz der Erinnerung an das winzig kleine Badezimmer spürte Blair einen Stich, als sie daran dachte, dass die Zeit auf der Charlotte jetzt endgültig vorbei sein würde. Sie hatte den schönsten Monat ihres Lebens auf der Jacht verbracht und nach ein paar Tagen auf See beinahe vergessen, wieso sie es ursprünglich so eilig gehabt hatte, an Bord zu kommen und dort zu bleiben. Vor ihrer Abfahrt in Ridgefield hatte ihre sogenannte beste Freundin Serena nämlich einen Liebesbrief an Nate im Handschuhfach des Aston Martins seines Vaters deponiert. Blair hatte ihn zufälligerweise gefunden, während Nate auf einem Rastplatz einem dringenden Bedürfnis nachgekommen war, hatte ihn gelesen, umgehend in tausend Fetzen zerrissen und entsorgt. Nicht dass sie jetzt noch einen Groll gegen Serena hegte. Sie besaß ein großes Herz und war bereit, ihrer armen, einsamen Freundin zu verzeihen. Wem konnte man es schon verübeln, sich in Nate zu verlieben? Außerdem – und das war noch entscheidender – hatte Serena jetzt sowieso keine Chance mehr, sich jemals wieder zwischen sie zu drängen.
Sie und Nate liebten sich inniger denn je, und in zehn Tagen würden sie gemeinsam nach Yale fahren, um dort ihr Studium zu beginnen. Okay, Serena würde zwar auch dort studieren, aber sie würden sich kaum mehr über den Weg laufen, wenn sie und Nate erst aus ihren für eine märchenhafte Barbie-und-Ken-Existenz völlig ungeeigneten Zimmern im Studentenheim ausgezogen und stattdessen eine süße Stadtvilla im Kolonialstil in New Haven bezogen hatten. Sobald sie sich dort häuslich eingerichtet hätten, würden sie das gemütliche Leben wieder aufnehmen, das sie auf der Charlotte geführt hatten. Sie würde liebevoll über Nates nicht vorhandene Kochkünste lächeln – nicht dass sie selbst kulinarisch mehr draufgehabt hätte, als Kaviar auf Toast anzurichten -, und er würde sie mit fertig gemixten Gimlets erwarten, wenn sie erschöpft von ihrem Juraseminar zurückkam.
Ihr Leben würde endlich genau so sein, wie sie es sich in ihrem romantischen Kopfkino immer erträumt hatte.
»Zu dir oder zu mir?«, fragte sie mit kokettem Lächeln. Seine smaragdgrünen Augen glitzerten in der Sonne, und Blair zog einen kleinen Schmollmund, von dem sie wusste, dass er ihm nicht widerstehen konnte. Sie wandte sich zum Wasser und schloss die Augen, wärmte sich im Sonnenlicht wie eine zufriedene Katze.
Nate ließ die Taschen fallen und legte beide Hände auf Blairs glatte Schultern. Sie lehnte sich leicht gegen ihn und er küsste sie auf den Nacken und blickte auf das blau schimmernde Meer hinaus. Er dachte an die letzten Wochen. Gott, er war so glücklich gewesen da draußen, mit nichts um sich herum als dem wolkenlosen blauen Himmel und dem unendlichen Ozean.
Ein Vibrieren in seiner Hosentasche riss ihn unsanft aus seinen Träumen. Scheiße. Sein Handy. Auf See hatte er kein Netz gehabt und das verdammte Teil beinahe vergessen. Er zog das Motorola Pebl aus seiner zerknitterten Shorts und warf einen Blick aufs Display. »Dad«. Doppelscheiße. Hastig drückte er den Anruf weg und steckte das Handy wieder ein, obwohl er es viel lieber ins Wasser geworfen hätte. Dann umfasste er wieder Blairs weiche Schultern – fester diesmal – und dachte besorgt an die unvermeidliche Begegnung mit seinem Vater. Der würde ihn unmissverständlich damit konfrontieren, dass seine Zukunft aufgrund einiger Pannen und Missgeschicke extrem unrosig aussah.
Die Nachricht, die Coach Michaels ihm kurz vor ihrer Abreise auf der Mailbox seines Handys hinterlassen hatte, drehte sich als unheilvolle Dauerschleife in seinem Kopf.
Er würde kein Abschlusszeugnis von der St.-Jude-Schule bekommen, und das hieß, dass er das Studium in Yale vergessen konnte. Mit Sicherheit hatte der Coach seinen Vater, einen gestrengen ehemaligen Marine-Admiral, längst informiert, was bedeutete, dass er über ihn herfallen würde, sobald er den Fuß über die heimische Türschwelle gesetzt hatte. So wie er seinen Vater kannte, hatte er im vergangenen Monat täglich bei ihm angerufen und war eben zum ersten Mal durchgekommen. Natürlich hätte er sich schon vor Wochen mit der Situation auseinandersetzen müssen, aber wer konnte schon klar denken, wenn er nichts als das Blau des Meers und Blairs Traumkörper vor Augen hatte?
Nate schob seine Sorgen beiseite und konzentrierte sich wieder ganz auf Blair. Er hatte ihr nichts von dem Zeugnis – oder besser gesagt, dem nicht ausgehändigten Zeugnis – erzählt und verspürte auch kein sonderlich großes Bedürfnis danach. Vielleicht sollte er einfach trotzdem mit ihr und Serena nach Yale gehen und dort ein Seminar über die Bedeutung des Westerns für das amerikanische Kino belegen oder einen Aktzeichenkurs, bei dem es niemanden interessierte, ob er ordnungsgemäß eingeschrieben war? Er könnte den beiden erzählen, dass er das erste Semester erst mal locker angehen wolle.
Hmhm, Spitzenidee.
Nate seufzte. Er hatte die Wahrheit jetzt schon so lange vor Blair verheimlicht, was machte ein Tag da noch für einen Unterschied? Er biss sich auf die leicht aufgesprungene Unterlippe und versuchte sich darauf zu konzentrieren, wie weich und glatt sich Blairs Schultern unter seinen Fingern anfühlten. Eigentlich hatte er nur einen Wunsch: mit ihr in der winzigen Kajüte der Charlotte wieder unter die Laken zu kriechen und niemals wieder hervorzukommen... außer vielleicht, um sich dann und wann eine kleine Tüte zu genehmigen.
Ein Mann mit Prioritäten.
»Ich bin dafür, dass wir zu dir fahren«, sagte er und ließ sie los. »Myrtle macht die geilsten Quesadillas und ich bin halb verhungert.«
Blair drehte sich lächelnd zu ihm um. »Okay, dann lass uns abhauen, Seemann!«
Nate lief zur Jacht zurück, um ihr restliches Gepäck zu holen. Er pfiff erleichtert vor sich hin, als er an Bord sprang.
Puh, Aufschub!
Blair setzte ihre Pilotenbrille von Prada auf und schlenderte über den verwitterten grauen Holzsteg auf das Hafengebäude zu. In nur zehn Tagen würden sie und Nate – das Paar, das immer schon dafür bestimmt gewesen war, für alle Zeiten zusammenzubleiben – gemeinsam nach Yale fahren. Es war fast zu schön, um wahr zu sein.
Gut erkannt.
der teufel trägt seven
Serena van der Woodsen saß im Wohnzimmer der Waldorf-Roses zwischen Eleanor Waldorf-Rose und Davita Fjorde, einer der gefragtesten Partyplanerinnen der oberen Zehntausend auf Manhattans Goldener Meile. Obwohl Serena keine Vorstellung hatte, was Blairs Mutter von ihr wollen könnte, hatte sie selbstverständlich sofort zugesagt, als Eleanor, bei deren Hochzeit vor knapp einem Jahr sie Brautjungfer gewesen war, sie telefonisch herbestellt hatte.
»Es soll natürlich ein absolutes Topevent werden, stilvoll, exklusiv, atemberaubend – aber nichts Übertriebenes, verstehen Sie, Davita? Nichts auch nur annähernd Vulgäres.« Eleanor rümpfte ihre kleine Nase und strich ihren hautengen bronzefarbenen Seidenrock von Valentino glatt. Seit sie im Frühjahr die kleine Yale zur Welt gebracht hatte, machte sie Pilates und nahm keinerlei Kohlenhydrate mehr zu sich – beide Maßnahmen taten sichtlich ihre Wirkung. »Obwohl ich zugeben muss, dass Cyrus von den Bauchtänzerinnen auf Korfu sehr angetan war.«
»Meine liebe Eleanor! Machen Sie sich bitte gar keine Sorgen. Das wird die Party des Jahres!« Davita zückte ihren goldenen Montblanc-Füller. Als sie sich über ihr in magentafarbenes Leder gebundenes Notizbuch beugte, fiel ihr die weißblonde, ultrageglättete hüftlange Mähne, die ihr Markenzeichen war, auf die netzbestrumpften Knub belknie, und der schwere Füller rutschte ihr aus den Fingern. Davita machte sich nicht die Mühe, sich danach zu bücken, sondern zog ungerührt einen identischen Ersatzfüller aus ihrer geräumigen fleischfarbenen Handtasche von Marc Jacobs.
Serena zupfte am Saum ihres Minirocks, den sie sich aus einer alten abgeschnittenen Jeans von Seven genäht hatte, und hörte nur mit halbem Ohr zu. Seit ihre sogenannte beste Freundin Blair zusammen mit Nate an ihrem Geburtstag im Morgengrauen davongefahren war, war sie ungewöhnlich schwermütig und nachdenklich. Dass sie jetzt in Blairs Wohnzimmer saß, machte es nicht besser. Sie ließ den Blick über das polierte Eichenparkett, die schweren tizianroten Seidenvorhänge und das mit karamellfarbenem Seidenjacquard bezogene Sofa wandern und dachte daran, dass sie einen großen Teil ihrer Kindheit in diesem Apartment verlebt hatte. Sie und Blair hatten die dick gepolsterten Kissen vom Sofa gewuchtet, in die Mitte des Raums geschleppt und daraus Burgen gebaut. Sie hatten sich vorgestellt, der Teppich um sie herum wäre der weite Ozean und sie wären auf einer einsamen Insel gestrandet. Stundenlang hatten sie sich hinter den weichen, schweren Polstern versteckt, sich Geheimnisse zugeflüstert und hysterisch kichernd am Boden gekugelt. Damals war alles noch so einfach gewesen – bevor Nate zwischen sie getreten war. Nicht dass ihn irgendeine Schuld treffen würde.
Wieso sind die Männer eigentlich nie schuld?
Sie seufzte und versuchte, sich auf Eleanor zu konzentrieren, die nervös plapperte und dabei so wild gestikulierte, dass die Eiswürfel in ihrer Bloody Mary gegen das Glas klirrten.
»Ich erinnere mich noch mit Grau-en an die letzte Party der Reynolds. Alles war in einem wirklich widerwärtigen Beigeton dekoriert, in dem Mitzis Teint entsetzlich aussah!«, erzählte Eleanor. Sie runzelte besorgt die Stirn. »Ich dachte ja für unsere Party eigentlich an eine Dekoration in Perlmuttrosa oder Elfenbeinweiß, weil das Blairs Lieblingsfarben sind, aber ich muss die ganze Zeit daran denken, wie schau-der-haft ungesund Mitzi inmitten dieser Orgie in Beige aussah. Man hatte richtiggehend Angst, sie würde sich gleich übergeben – auf ihrer eigenen Party!«
»Zufälligerweise weiß ich«, raunte Davita ihr verschwörerisch zu, »dass die Party der Reynolds von Samantha Powers und ihrer unfähigen Truppe organisiert wurde. Das sind Amateure! Entspannen Sie sich, Eleanor. Sie können sich voll und ganz auf mich verlassen. Ich bin Profi!« Sie schleuderte ihre gebleichte Mähne über eine Schulter und wandte sich an Serena. Die Haut ihres gebräunten Gesichts erinnerte an das auf alt getrimmte Leder ihrer Tasche, die neben ihr auf dem Sofa lag. »Eleanor hat mir erzählt, Sie seien Blairs beste Freundin?«, erkundigte sie sich mit routiniertem Lächeln.
Oder ihre schlimmste Feindin?
Serena nickte. »Wir sind lange Zeit die besten Freundinnen gewesen...«
»Und werdet es für alle Zeiten bleiben!«, vervollständigte Eleanor den Satz strahlend.
»Mhm-mhm. Aha.« Davita nahm sich ein hauchdün nes Gurkensandwich – selbstverständlich mit abgeschnittener Kruste – von einem punzierten Silbertablett auf dem Couchtisch, schnupperte argwöhnisch daran und legte es dann wieder zurück.
»Serena! Liebes!« Eleanor strich sich durch ihren glatten, blond gefärbten Bob. »Ich hoffe, ich halte dich nicht von wichtigen Erledigungen ab. Aber Blair ist partout nicht zu erreichen, deshalb wollte ich dich als ihre älteste Freundin bitten, mir bei der Planung für die Party zu helfen, die ich im Met für sie geben möchte. Wir haben nämlich einiges zu feiern, musst du wissen. Hauptsächlich natürlich, dass Blair an die Uni geht, aber auch...«
In diesem Moment meldete sich Davitas goldenes Motorola Slvr mit einem schrillen – und extrem enervierenden – Piepsen und Knattern. »Momentchen!« Davita hielt ihren knochigen, manikürten Zeigefinger in die Höhe, sprang auf und ging mit eiligen Schritten aus dem Zimmer. Ihre silbernen Riemchensandaletten von Jimmy Choo funkelten im Sonnenlicht, das durch die breiten Südfenster hereinströmte. Serena blickte wieder auf ihren Jeansrock und zupfte an den heraushängenden Fäden. Es fiel ihr wahnsinnig schwer, sich zu konzentrieren. Sie hatte die Tage gezählt. Heute waren Blair und Nate exakt vier Wochen auf der Charlotte – nur sie beide, niemand sonst. Wahrscheinlich aßen sie jetzt, in diesem Moment, gedämpften Hummer mit geschmolzener Butter und sahen sich verträumt in die Augen. Sie musste blinzeln, weil ihr bei dieser Vorstellung die Tränen kamen.
»Aber jetzt erzähl du doch mal!« Eleanor rückte näher an Serena heran und legte ihr eine sonnengegerbte, altersfleckige Hand auf den Arm. »Hattest du einen schönen Sommer? Weil Blair weg war, habe ich dich kaum zu Gesicht bekommen, und in ein paar Tagen fahrt ihr ja schon alle nach New Haven!«
»Er war ganz okay, danke.« Serena rang sich ein Lächeln ab und ruckelte unbehaglich auf der Couch herum. Sie hatte die letzten vier Wochen damit verbracht, allein durch die Stadt zu streifen und sich einzureden, New York noch einmal in vollen Zügen zu genießen, bevor sie nach Yale ging. In Wirklichkeit hatte sie nur versucht, sich abzulenken. Aber ganz egal, wohin sie gegangen war – ob sie am Teich im Central Park die Enten fütterte, in den kleinen Boutiquen auf der 12. Straße in Little West stöberte, auf den Stufen des Mets Kaffee trank oder nach Brooklyn fuhr, um sich in einer leer stehenden Fabrik eine Ausstellung anzusehen -, alles hatte sie nur an ihre Freunde erinnert. Sie waren miteinander aufgewachsen und hatten die Stadt gemeinsam erobert, jetzt würden sie gemeinsam wegziehen und New York hinter sich lassen. Und trotzdem saß sie jetzt hier und fühlte sich völlig allein. »Ich hab nichts Besonderes gemacht«, murmelte sie und bemerkte, wie schlank und straff Eleanors Beine waren. Hm, vielleicht sollte sie es auch mal mit Pilates versuchen.
Um Freundinnen zu finden?
»Nichts Besonderes!«, rief Eleanor mit gespielter Empörung. »Darf ich dich daran erinnern, dass du in einem Film mitgespielt hast, der bald in die Kinos kommt, und dass du in eineinhalb Wochen dein Studium in Yale aufnimmst! Ach, Kindchen!« Sie drückte Serenas Knie so fest, dass es wehtat.
Obwohl Serena wusste, dass es vieles gab, worauf sie sich freuen konnte, war sie unfähig, Eleanors Begeisterung zu teilen. Der Gedanke, dass sie in zehn Tagen mit Nate und Blair nach Yale fahren würde, um dann die kommenden vier quälenden Jahre mit ansehen zu müssen, wie verliebt sie waren, überschattete alles. »Hat Blair eigentlich... etwas über mich gesagt, als du das letzte Mal mit ihr gesprochen hast?«
Eleanor griff nach einem weißen Seidentaschentuch, das auf dem antiken chinesischen Couchtisch lag, und tupfte sich hektisch die Stirn ab, um sich anschließend mit Evian-Sprühnebel aus der Spraydose abzukühlen und erneut die Stirn abzutupfen. »Ist es hier nicht furchtbar heiß? Ich sage dir, werde bloß nie siebenundvierzig! Diese Hitzewallungen sind unerträglich!« Sie seufzte theatralisch und warf das nunmehr feuchte Tuch achtlos hinter sich. »Entschuldige, Liebes. Was hattest du mich eben gefragt?«
Serena zuckte mit den Schultern. »Nicht so wichtig.« Eleanors exaltiertes Verhalten irritierte sie kein bisschen. Wenigstens etwas, das sich nie ändern würde.
Davita kam wieder ins Zimmer gestöckelt und klappte ihr Handy zu. »So, meine Damen.« Sie öffnete den Mund zu einem breiten Lächeln, das ihre künstlich verschalten Zähne enthüllte, die so groß wie Scrabble-Spielsteine waren. »Wo waren wir stehen geblieben?«
»Nun, ich…«, Eleanor zeigte auf Serena, und ihre goldenen Love-Armreifen von Cartier klirrten, »ich hatte Serena gerade erzählt, dass wir viel zu feiern haben. Abgesehen davon, dass unsere beiden Großen jetzt an die Uni gehen, haben wir...«
»Wir sind wieder da-haaaaa!!!«, ertönte in diesem Moment eine Mädchenstimme in der Eingangshalle – eine Stimme, die Serena jederzeit und überall sofort erkannt hätte. Ihr Herz verkrampfte sich. Sie hörte, wie Taschen auf dem marmornen Fußboden abgestellt wurden und wie kurz darauf unverkennbar Blairs Schritte durch den Flur hallten. Serena schluckte trocken, als Nate und Blair Hand in Hand in der Tür des riesigen, mit edlen Antiquitäten ausgestatteten Wohnzimmers der Waldorf-Roses erschienen. Ihre Gesichter strahlten sonnengolden und sie waren schöner denn je.
Als wäre das überhaupt möglich.
Nates Augen leuchteten auf, als er Serena auf der Couch sitzen sah. Sie lächelte schwach. Als sie ihn in seinen zerknitterten Shorts und dem verwaschenen grauen T-Shirt sah, wurde ihr ganz schwindelig. Das letzte Mal hatten sie sich im Landhaus ihrer Eltern in Ridgefield gesehen. Er hatte mit Blair oben auf der Treppe gestanden, während sie unten auf der Stufe gesessen war. Die Welt um sie herum war verstummt, als sie mit anhören musste, wie er Blair sagte, dass er sie liebte. Er liebte sie. Sie hörte das Echo seiner Worte immer noch im Ohr. Benommen hatte sie zugesehen, wie er Blair nach oben ins Schlafzimmer ihrer Eltern führte, und in diesem Moment war ihr etwas klar geworden, das sie sich in dieser Deutlichkeit nie eingestanden hatte. Sie liebte Nate. Und als er jetzt mit ihrer Manchmal-besten-Freundin vor ihr stand, spürte sie, dass es wirklich so war. Sie liebte ihn – und zwar mehr, als sie jemals irgendjemanden zuvor geliebt hatte. Tief in ihrem Inneren hatte sie es immer gewusst. Verdammt, wieso hatte sie es sich nicht klargemacht, bevor es zu spät gewesen war?
Serena schüttelte unwillig ihre blonden Haare, als könnte sie den Gedanken so aus ihrem Kopf vertreiben, und bemühte sich, wie eine normale gute, alte Freundin zu wirken statt wie eine liebeskranke Wahnsinnige. Sie sprang vom Sofa auf, lief auf Blair zu und drückte sie an sich. Der vertraute Duft von Nates Deo stieg ihr in die Nase und ihr stockte fast der Atem. Blairs sonnenwarmer Körper blieb starr, sie hielt immer noch Nates Hand.
Serena ließ die Arme fallen und trat einen Schritt zurück. »Hey!« Sie lächelte unsicher. »Ich hab euch vermisst.«
Blair erwiderte ihr Lächeln nicht. Sie sah nicht so aus, als würde sie sich freuen, Serena zu sehen – ganz im Gegenteil. Serena knabberte nervös an ihrem mit Supernova-Nagellack von Sephora lackierten Daumennagel. Manchmal machte Blair ihr wirklich Angst. Plötzlich durchzuckte sie ein Gedanke. Hatte sie etwa den für Nate bestimmten Brief gefunden? Oh Gott! Wieso hatte sie daran nicht schon früher gedacht?
Sie warf Nate einen forschenden Blick zu. Seine braunen Haare waren durch Sonne und Salzwasser noch gewellter als sonst und eine störrische Locke fiel ihm in die gebräunte Stirn. Er strich sie weg und lächelte, als ihre Blicke sich trafen. Seine Lippen sahen geschwollen und leicht entzündet aus, als hätte er die ganze Nacht nichts anderes getan, als Blair zu küssen – was wahrscheinlich genau das war, was er getan hatte. Der Gedanke schnürte ihr die Luft ab.
»Gott, siehst du gut aus, Natie«, entfuhr es ihr, und sie biss sich auf die Zunge. Nate ließ Blairs Hand fallen und nahm Serena in die Arme. Sie umschlang seinen muskulösen Körper, und Nate drückte sie mit all der Intensität an sich, die Blairs Umarmung hatte vermissen lassen. Hatte er ihren Brief gefunden?
»Was macht ihr denn hier?«, fragte Serena atemlos, das Gesicht an Nates warme Schulter geschmiegt.
Blair betrachtete die beiden mit zusammengekniffenen Augen.
Hätten sie diese Frage nicht vielmehr Serena stellen müssen?
dan ist schwul und das ist auch gut so... oder?
Vanessa Abrams kam, einen schweren Stapel vergilbter, kaffeefleckiger Zeitungen in den blassen Armen, ins Wohnzimmer der Humphreys geschwankt. Sie hatte sich ihre armygrüne Cargohose von Triple 5 Soul bis zu den Knien hochgekrempelt, ihr eng geschnittenes schwarzes Trägershirt von Old Navy war schweißgetränkt. »Gott!«, stöhnte sie, als sie die jahrzehntealten New Yorker, die turm hoch im Flur aufgeschichtet gewesen waren, in eine große blaue Papiermülltonne fallen ließ. Wo sie gelegen hatten, zeichneten sich auf dem schmuddeligen Holzboden helle Rechtecke ab. »Eigentlich ist es ein Wunder, dass die nicht irgendwann umgekippt sind und uns erschlagen haben! Wir könnten alle tot sein!«
Dan Humphrey, der gerade in die Küche ging, um sich in seinem verdreckten Plastikbecher mit dem Wappen des Evergreen-College den dritten Kaffee des Tages zu machen, brummte zustimmend. Er hätte nichts dagegen gehabt, tot zu sein. Sie waren jetzt gerade mal seit zwei Stunden damit beschäftigt, das schäbige, verdreckte Apartment der Humphreys auf der Upper West Side zu putzen, aber seinem Gefühl nach hätten es auch zwei Tage sein können. Er war einfach nicht für harte körperliche Arbeit geschaffen und fühlte sich einem Herzinfarkt nahe. Aber wenn er jetzt starb, starb er wenigstens so jung wie sein Idol, der Dichter John Keats, was er immer ziemlich romantisch gefunden hatte.
Sie konnten ihn dann neben der Buchhandlung The Strand begraben, eine Ausgabe von Baudelaires »Blumen des Bösen« aufgeklappt über seinem aschfahlen toten Gesicht. Vielleicht würde Vanessa laut schluchzen, wenn sie am Grab Abschied von ihm nahm. Nein, stopp, nicht Vanessa... Greg würde schluchzen. Verdammt, war das alles kompliziert. Seit er vor einiger Zeit herausgefunden hatte, dass er möglicherweise schwul war, musste er sich ständig mit solchen Fragen herumschlagen wie der, ob er im Fall seines Todes eine trauernde Witwe (seine Langzeit-Exfreundin) oder einen Witwer (seinen neuen Möglicherweise-Geliebten) zurücklassen würde.
Nachdem er mit Greg vor ein paar Wochen auf dem ersten Treffen ihres neu gegründeten literarischen Salons einen semi-bewusstlosen Kuss ausgetauscht hatte, schienen für Greg zwei Dinge beschlossene Sache zu sein. Erstens: dass Dan schwul war, und zweitens: dass sie ab jetzt ein Paar waren. Dan wusste nicht so recht, was er von diesen beiden Beschlüssen halten sollte, hatte bisher aber kaum Zeit gehabt, darüber nachzudenken. Ein paar Tage nach dem Kuss war Gregs Großmutter gestorben und er war zu ihrer Beerdigung nach Phoenix, Arizona gefahren. Er war jetzt schon seit fast vier Wochen weg und hatte Dan während dieser Zeit Dutzende stilistisch geschliffener Mails geschickt, die alle dasselbe Grundthema hatten: Die Liebe wächst mit der Entfernung. Dan war sich allerdings nicht so sicher, ob seine Liebe zu Greg wuchs … oder seine Verwirrung.
Er versuchte, seine Zweifel abzuschütteln. »Ich räum hier jetzt mal richtig auf«, verkündete er in einem plötzlichen Anflug von Entschlossenheit und marschierte mit dem Stechschritt eines Generals ins Wohnzimmer.
Dan in der Armee? Na ja, die Auswahl an Männern ist dort jedenfalls riesengroß.
»Bitte sehr, gerne.« Vanessa warf einen weiteren Stapel alter Zeitungen in die Tonne. »Aber ich fürchte, es ist hoffnungslos.«
Anfang des Sommers war Vanessas ältere Schwester Ruby mit ihrem neuen tschechischen Freund Piotr von der Europatour ihrer Band Sugardaddy zurückgekehrt und hatte sie aus der gemütlichen Zweizimmerwohnung in Williamsburg geschmissen, in der sie drei Jahre lang zusammengewohnt hatten. Danke, Schwester! Seitdem bewohnte Vanessa das Zimmer von Dans jüngerer Schwester Jenny, die während der Sommerferien eine Kunstschule in Prag besuchte. Weil Dan in knapp zwei Wochen am Evergreen College an der Westküste studieren und Jenny aufs Internat gehen würde, hatte Dans Vater Vanessa, die bald ihr Filmstudium an der NYU beginnen würde, angeboten, in dem Zimmer wohnen zu bleiben. Schließlich musste irgendjemand Mr Humphrey – einem Verleger eher unbekannterer Beat-Poeten – ja Gesellschaft leisten, wenn seine beiden Kinder nicht mehr da waren. Vanessa hatte beschlossen, das Wochenende dazu zu nutzen, das völlig heruntergekommene Apartment etwas zu renovieren. Außerdem war das für Dan die perfekte Gelegenheit, seinen neu entdeckten schwulen Sinn für Ästhetik endlich ungehemmt auszuleben. Falls er einen hatte. Es war erst so kurz her, dass er sich zu seiner Homosexualität bekannt hatte, dass sie noch immer daran zweifelte, ob es wirklich wahr war. Aber vielleicht lag das auch daran, dass sie gar nicht wollte, dass es wahr war …
Ach was?
Dan schloss die Augen und erinnerte sich an das Gefühl von Gregs Lippen auf seinen, an das Kitzeln der blonden Bartstoppeln an seinem Kinn. Je länger er darüber nachdachte, desto weniger wusste er, wie er den Kuss überhaupt empfunden hatte – oder was er Greg gegenüber empfand. Er wusste nur, dass er eigentlich kein großes Bedürfnis verspürte, die Erfahrung in nächster Zukunft zu wiederholen. Allerdings hatte er sich fest vorgenommen, die Angelegenheit für sich zu klären, bevor er in den Buick Skylark Baujahr 1977 stieg, den sein Vater ihm zum Schulabschluss geschenkt hatte, und zum Evergreen College fuhr. Um sich an der Uni eine neue Identität zuzulegen – was im Grunde der einzige Sinn eines Studiums war -, musste er sich zuallererst über seine sexuelle Ausrichtung klar werden. Zu diesem Zweck hatte er sich aus der Buchhandlung The Strand, wo er den Sommer über arbeitete, einen Ratgeber mit dem Titel »Schwul und cool: So optimierst du dein Leben« mitgenommen. Darin stand, dass das Gefühlschaos, das er momentan empfand, völlig normal war, wenn man vom einen Ufer zum anderen wechselte, und dass man bereit sein müsse, sich den wirklich »harten« Fragen zu stellen. Was er auch ehrlich versuchte. Wenn er nicht schwul war, wieso hatte er Greg dann geküsst? Andererseits: Wieso fand er Vanessa mit der Druckerschwärze auf den blassen Wangen plötzlich so sexy?
Tja, gute Frage.
Er ging auf die schlaff vor den bodentiefen Wohnzimmerfenstern hängenden nikotinfleckigen Vorhänge zu und machte einen halbherzigen Versuch, einen davon mit einem Plastikclip, den er bei den Müllsäcken unter der Spüle gefunden hatte, zur Seite zu binden. Der gelbe Clip fiel zu Boden, und er beugte sich ungeschickt runter, um ihn aufzuheben.
Vanessa beobachtete ihn seufzend. Wenn er als schwuler New Yorker ernst genommen werden wollte, musste er dringend einen Draht zu seiner inneren Diva finden.
»Und? Was sagst du?« Dan hatte den Clip erfolgreich befestigt und trat einen Schritt zurück, um sein Werk zu begutachten. Er stemmte beide Hände in die Hüfte und sah zum ersten Mal an diesem Tag zufrieden aus. »Viel besser, oder?«
Der zurückgebundene Vorhang enthüllte eine mit fettigen Fingerabdrücken übersäte Fensterscheibe.
Vanessa warf einen zweifelnden Blick auf das Fenster und dann zu ihrem Exfreund. »Ähem... ja«, sagte sie und klopfte ein Sofakissen aus braunem Leder auf, das einer verschrumpelten Kartoffel ähnelte. »Ganz toll. Ich gehe schwer davon aus, dass wir damit in die nächste Ausgabe der Elle Decoration kommen.«
Irgendwie vermisste sie den alten Dan. Seit sie von einem grauenhaften Kurzaufenthalt in den Hamptons zurückgekehrt war, wo sie erst Kindermädchen und dann Quasi-Muse eines durchgeknallten Modedesigners gewesen war, hatten sie und Dan viel Zeit miteinander verbracht. Aber es war... anders gewesen. Sie pflegten einen freundlich-zivilisierten Umgangston, in dem nichts von der sexuellen Spannung oder der unterschwelligen Aggression zu spüren war, die man bei einem Expärchen erwarten würde, das so eng zusammenlebte.
In ein paar Tagen würde er abreisen. Vanessa konnte kaum glauben, dass sie sich wirklich so trennen würden. Ohne einen letzten leidenschaftlichen Kuss, der auf ihren Lippen brannte, ohne ein letztes Herumwälzen in verschwitzten Laken. Jedes Mal wenn Dan sich an ihr vorbeischob, um auf die Toilette zu gehen oder sich seinen x-ten Folgers’ Instantkaffee zu mischen, und sie den Duft von kaltem Zigarettenrauch und Kaffeepulver an ihm roch, musste sie sich schwer zusammenreißen, um ihn nicht auf den völlig verstaubten Boden zu werfen und ihm die ausgefranste, Zillionen Jahre alte braune Kordhosen vom Leib zu reißen. Seit Dan schwul war – und damit unerreichbar -, war der Gedanke verführerischer denn je.
Ein Schlüssel drehte sich im Schloss, die Wohnungstür schwang auf und Rufus Humphreys schwere Schritte erklangen im Flur. Er trug eine farbverkleckste Jeans-Latzhose, ein ausgewaschenes T-Shirt mit dem Aufdruck »Auch Ameisenbären haben Gefühle« und rote, abgeschabte Bowling-Schuhe. Auf seinen wirren schulterlangen Haaren saß keck ein weißer Panamahut; den buschigen salz-und-pfeffer-farbenen Bart hatte er sich zu einem dünnen Zopf geflochten und mit einem knallrosa Gummiband zugebunden.
»Hey, Dad!« Dan riss sich von seiner Fensterdeko los. »Schau mal, was...«
»Augen zu, Dan!«, befahl Rufus, als er ins Zimmer trat. Er hielt eine Hand in die Höhe wie ein Verkehrspolizist und verharrte in der Pose, als wolle er für eine Coverversion des Supreme-Klassikers »Stop – in the Name of Love« vorsingen.
Dan war zu überrascht, um sich dem Befehl zu widersetzen. Als er gehorsam die Augen schloss, schossen ihm Tausende von Gedanken durch den Kopf. Hatte sein Vater vielleicht beim Chinesen etwas zum Mittagessen geholt? Er war halb verhungert. Ein iPod als Abschiedsgeschenk für die Uni? Eine Erstausgabe seines absoluten Lieblingsromans »Die Leiden des jungen Werthers«?
»Danny! Liiiiiiiebling!«, ertönte eine schrille Sopranstimme hinter Rufus. Dans Lider klappten auf. Was auch immer er erwartet hatte – das nicht.
»Mom?!«
Jeanette Humphrey warf ihre langen mausbraunen Haare zurück, stieß Rufus mit dem Ellbogen energisch zur Seite und flatterte ins Zimmer wie ein exotischer Vogel, der gerade der Gefangenschaft entkommen war. Sie trug einen bodenlangen türkisen Kaftan und hielt zwei große braune Einkaufstüten in den Händen. Sie stürzte auf Dan zu, stellte die Tüten ab, riss ihn in ihre knochigen Arme und hüllte ihn in eine betäubend blumige Parfümwolke ein. Dan stand wie von einer Art Schockstarre erfasst da, ließ die Arme hängen und versuchte zu entscheiden, ob das, was gerade passierte, Wirklichkeit war. War das wirklich seine Mutter, die nach... keine Ahnung wie vielen Jahren nach Hause zurückgekehrt war? Oder war es ein LSD-Flashback, eine Art real gewordenes Drogengedicht von Allen Ginsberg? Moment mal, er hatte noch nie in seinem Leben LSD genommen. Was machte sie hier?
Vanessa beobachtete mit an Entsetzen grenzender Faszination, wie die bisher nur als Mythos existierende Mrs Humphrey Dan mit Küssen bedeckte und grellrosa Lippenstiftabdrücke auf seinen eingefallenen Wangen hinterließ.
»Mein kleiner Liebling! Wie geht es dir?« Jeanette presste ihren Sohn so fest an sich, dass Vanessa befürchtete, sie könne dabei seine inneren Organe verletzen. »Es ist Lichtjahre her!« Sie drückte ihrem Sohn, der gequält und tödlich verlegen aussah, beide Hände an die Wangen und führte ihn im Schraubstockgriff zum Sofa. Vanessa hatte Dan noch nie so willenlos erlebt. Rufus zwinkerte ihr unter seinem weißen Strohhut fröhlich zu und schlenderte in die Küche. Vanessa blieb erst unschlüssig stehen und folgte ihm dann. Rufus zog eine durchsichtige Frischhaltedose, die mit merkwürdigem braunem Schleim gefüllt war, aus der Tiefe des Kühlschranks, nahm den Deckel ab und schnupperte zufrieden daran.
»Möbelt ihr die alte Hütte ein bisschen auf?«, erkundigte er sich mit tiefer Bassstimme, während er eine Schublade öffnete und darin herumkramte. »Der Vorhang sieht spitzenmäßig aus! Hast du deinen Sinn für Innenarchitektur entdeckt, Dan?«, brüllte er ins Wohnzimmer. »Der Bude kann es nur guttun, so viel ist sicher.« Er zog einen limettengrünen Teigschaber aus der Schublade und benutzte ihn als Löffel.
»Eine Abrissbirne wäre noch effektiver!«, rief Jeanette aus dem Wohnzimmer. »Oder ein Kanister Benzin und ein brennendes Streichholz!« Sie kam mit großen Schritten und wehendem Gewand in die Küche. Dan folgte ihr, in jeder Hand eine der Tüten. Mit breitem Lächeln näherte Jeanette sich Vanessa und wedelte mit einer mit Türkisringen übersäten Hand vor ihrem Gesicht herum. Sollte sie die Hand schütteln... oder küssen... oder abklatschen? Nach kurzem Zögern entschied Vanessa sich schließlich dafür, mit der Faust leicht dagegenzuschlagen, als wären sie alte Homies.
Was geht, Alte?
Es war merkwürdig, plötzlich Dans legendärer Mutter leibhaftig gegenüberzustehen – als würde man eine etwas femininere Version von Dan ansehen, mit langen braunen Haaren und tonnenweise klirrendem Hippieschmuck.
»Du bist bestimmt Vanessa«, rief Jeanette, deren wässrig blaue Augen manisch funkelten. »Ich habe so viel von dir gehört.«
»Ich auch von Ihnen«, log Vanessa, obwohl sie nicht viel mehr über Dans Mutter wusste, als dass sie irgendwann vor vielen Jahren mit einem Graf Dracula oder Schokola abgehauen und seitdem mehr oder weniger verschollen gewesen war.