Grüner Tee - Joseph Sheridan Le Fanu - E-Book

Grüner Tee E-Book

Joseph Sheridan Le Fanu

0,0

Beschreibung

"Geschichten für schlaflose Nächte" bietet Ihnen die schönsten, gruseligsten, unheimlichsten und atemberaubendsten Kurzgeschichten der okkulten und übernatürlichen Belletristik. Klassiker des Horror-, Geister- und Mystery-Genres erwachen hier zu neuem Leben. Band 11: Grüner Tee Der englische Geistliche Jennings gesteht dem okkulten Detektiv und Arzt Martin Hesselius, dass er von einem Dämon in Gestalt eines Affen verfolgt wird, der ständig versucht, in seinen Verstand einzudringen und nur für ihn selbst sichtbar ist. Als sich die Kreatur immer subtilerer psychologischer Methoden bedient, verschlechtert sich der Gesundheitszustand des Pfarrers zusehends. Und bald entdeckt Hesselius, welche Höllenpforte der Genuss von zu viel grünem Tee wirklich aufgestoßen hat ...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 64

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Grüner Tee

Joseph Sheridan Le Fanu

Inhalt:

Grüner Tee

Prolog

I.

II.

III.

IV.

V.

VI.

VII.

VIII.

IX.

X.

Schluss

Grüner Tee, J. S. Le Fanu

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

ISBN: 9783849646004

Übersetzer: Jürgen Beck

www.jazzybee–verlag.de

www.facebook.com/jazzybeeverlag

admin@jazzybee–verlag.de

Cover Design: © Thaut Images – Fotolia.com

Grüner Tee

Prolog

Obwohl ich sorgfältig in Medizin und Chirurgie ausgebildet wurde, habe ich nie praktiziert. Dennoch interessiert mich das Studium beider Richtungen nach wie vor sehr. Aber weder Faulheit noch Müßiggang waren dafür verantwortlich, dass ich mich von dem ehrbaren Beruf, den ich erlernt hatte, absonderte. Der Grund dafür war ein sehr leichtfertiger Schnitt, den mir ein Seziermesser beigebracht hatte. Die Unachtsamkeit kostete mich zwei Finger, die prompt amputiert wurden, und den schmerzlicheren Verlust meiner Gesundheit, denn es ging mir seither nie wieder wirklich gut und ich war selten länger als zwölf Monate an einem Ort.

Während meiner Reisen lernte ich Dr. Martin Hesselius kennen, Arzt und Wanderer wie ich selbst und ebenso Enthusiast in seinem Beruf. Was ihn von mir unterschied? Nun, seine Wanderungen waren freiwilliger Natur und er selbst ein Mann, der – wenn auch nicht in dem Maße vermögend, wie wir dies gemeinhin in England klassifizieren – in "auskömmlichen Verhältnissen" lebte, wie unsere Vorväter das nannten. Er war bereits ein alter Mann, als ich ihn das erste Mal traf, fast fünfunddreißig Jahre älter als ich. In Dr. Martin Hesselius hatte ich meinen Meister gefunden. Sein Wissen war immens und seine Auffassungsgabe in einem Fall basierte auf viel Fingerspitzengefühl. Er war der beste Mann, um einen jungen Enthusiasten wie mich mit Freude und Ehrfurcht zu inspirieren. Meine Bewunderung hatte sich bewährt und die Scheidung durch den Tod überlebt. Ich bin sicher, sie war wohlbegründet. Fast zwanzig Jahre war ich sein Arztsekretär. Er hat seine gigantische Sammlung an Dokumenten mir überlassen, um sie zu ordnen, zu indizieren und zu binden. Wie er an einige Fälle heranging, war kurios.

Er schreibt in zwei verschiedenen Charakteren. Er beschreibt, was er sah und hörte, wie es ein intelligenter Laie tun würde. Wenn er in diesem Stil erzählt, hatte er den Patienten entweder durch seine eigene Haustür bei hellem Tageslicht, oder durch die Pforten der Dunkelheit in den Kavernen der Toten gesehen. Dann wendet er sich wieder dem Bericht zu und widmet sich, mit den Begriffen seiner Kunst und all der Kraft und Originalität eines Genies, der Analyse, Diagnose und Illustration.

Der Erzähler des folgenden Falles ist Dr. Martin Hesselius. Ich fand ihn unter einer Unmenge von Notizen zu Fällen, die er während einer Reise in England vor über 65 Jahren sammelte. In einigen Teilen bezieht sich dieser Fall auf Briefe an seinen Freund Professor Van Loo aus Leiden. Der Professor war kein Arzt, sondern Chemiker, las Bücher über Geschichte und Metaphysik und hatte in jüngeren Jahren ein Bühnenstück geschrieben. Die Erzählung ist daher, wenn auch kaum weniger wert als eine medizinische Aufzeichnung, zwangsläufig in einer Art und Weise verfasst, wie sie auch den nicht fachkundigen Leser begeistern wird. Die Briefe schienen, entsprechend einem angehängten Memorandum, nach dem Tod des Professors 1819 an Dr. Hesselius zurückgegangen zu sein. Einige sind in Englisch, einige in Französisch und die meisten in Deutsch geschrieben. Ich bin ein genauer, sehr gewissenhafter, aber niemals höflicher Übersetzer, und obwohl ich ab und an einige Passagen auslasse oder kürze, sowie Namen verändere, habe ich doch nichts eingefügt.

I.

Reverend Jennings ist groß und schlank. Er ist mittleren Alters und kleidet sich auf eine schicke, altmodische, hochkirchliche und sehr präzise Art. Er ist von Natur aus ein bisschen gesetzt, aber keinesfalls steif. Seine Gesichtszüge sind wohlgeformt, wenn auch nicht hübsch, und sein Ausdruck extrem gütig, aber auch scheu. Ich habe ihn eines Abends bei Lady Mary Haddock kennengelernt. Die Bescheidenheit und Güte in seiner Haltung sind außerordentlich einnehmend. Wir waren nur eine kleine Gruppe und er nahm hinreichend an der Unterhaltung teil. Er scheint sehr viel lieber zuzuhören, als mitzudiskutieren; aber was er sagt, bringt es immer auf den Punkt ist wohl ausgedrückt. Er ist ein großer Liebling Lady Marys, die, so scheint es, ihn bei vielen Dingen um Rat frägt und ihn für den glücklichsten und seligsten Menschen auf Erden hält. Sie hat ja keine Ahnung. Reverend Jennings ist Junggeselle und hat, so behauptet man, 60000 Pfund erspart. Er ist ein wohltätiger Mann. Er ist sehr darauf  bedacht, seinen heiligen Beruf aktiv auszuüben – und obwohl es ihm sonst einigermaßen gut geht, verlässt ihn seine Gesundheit oft und auf seltsame Weise, sobald er sein Pfarrhaus in Warwickshire betritt. So erzählt Lady Mary.

Es gibt keine Zweifel darüber, dass Mister Jennings Gesundheit plötzlich und auf mysteriöse Art und Weise kollabierte, manchmal sogar während er seinem Amt in der alten und schönen Kirche von Kenlis nachging. Vielleicht war es sein Herz, vielleicht sein Gehirn. Es ist drei– oder viermal, vielleicht sogar häufiger, passiert, dass er nach einem bestimmten Ritual im Gottesdienst plötzlich stutzte und innehielt. Nach einer Pause in Stille war er offensichtlich nicht in der Lage weiter zu machen und verfiel in ein unhörbares Gebet, während dem er seine Hände und Augen erhob, um dann, bleich wie der Tod und in der Erregung eines merkwürdigen Gefühls der Schande oder der Angst, zitternd zusammensackte, in die Sakristei eilte und seine Gemeinde ohne Erklärung zurückließ. Dies passierte, als sein Vikar nicht zugegen war. Wenn er fortan nach Kenlis ging, achtete er immer darauf, einen Priester mitzunehmen, der ihm bei der Erfüllung seiner Pflichten half und seinen Platz einnehmen konnte, sollte plötzlich außer Gefecht gesetzt werden.

Nachdem Mister Jennings zusammengebrochen war, verabschiedete er sich eilig aus der Pfarrei und kehrte nach London zurück, wo er in einer dunklen Straße in der Nähe des Piccadilly ein kleines Haus besaß. Lady Mary sagt, dass es ihm dort dann sehr gut ging. Dazu habe ich meine eigene Meinung. Natürlich gibt es Nuancen.

Wir werden sehen.

Mister Jennings ist ein perfekter Gentleman. Dennoch berichten die Leute auch eigenartige Dinge. Manchmal  erweckt er einen zerrissenen Eindruck. Den meisten fällt eine Sache, die dazu beiträgt, oft gar nicht auf; oder sie bemerken sie nur am Rand. Aber mir ist sie sofort aufgefallen. Mister Jennings hat die Angewohnheit, seitwärts den Teppich entlang zu sehen, als ob sich dort etwas bewegte. Das ist natürlich nicht immer so. Nur manchmal kommt es vor. Aber eben oft genug, um seinem Verhalten etwas Merkwürdiges zu verleihen, wie ich ja schon erwähnt hatte. In seinem den Boden entlang wandernden Blick lag sowohl etwas Scheues als auch etwas Ängstliches.

Ein medizinischer Philosoph, als den Sie mich gerne bezeichnen dürfen, konstruiert seine Theorien mit Hilfe von Fällen, die er selbst aussucht, beobachtet und mit mehr zur Verfügung stehender Zeit, und folglich unendlich mehr Genauigkeit, als sie der normale Arzt überhaupt aufbringen kann, untersucht; er verfällt unbewusst der Angewohnheit der Beobachtung, die ihn überall hin begleitet, und die, wie es manche Leute ausdrücken würden, jeder Mensch auf unverschämte Art und Weise zu spüren bekommt.

In dem Gentleman, den ich das erste Mal bei dieser netten, kleinen Abendveranstaltung traf, lag so etwas Vielversprechendes. Natürlich ist mir mehr aufgefallen, als ich hier darlegen kann; alles, was nur rein fachspezifisch ist, reserviere ich für eine rein wissenschaftliche Dokumentation.