Grusel-Thriller 16: Des Schreibers Katze - Daniel Weber - E-Book

Grusel-Thriller 16: Des Schreibers Katze E-Book

Daniel Weber

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Beschreibung

Der Phantasmagoria Park bedroht ihre Freunde und Familien, also machen sich Raphael Kurzhaus und Caroline Kühl auf die Suche nach ihm. In dem farblosen Irrgarten aus schiefen Buden werden die beiden vor ihre größten Ängste gestellt. Der Park und seine Kreaturen wollen sie vernichten und bald liegt Caro im Brunnen und Raphael ist gefangen in seinen schlimmsten Erinnerungen. Phillipsdorf – Bezirk des Wahnsinns Raphael Kurzhaus Band II

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Seitenzahl: 196

Veröffentlichungsjahr: 2025

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In dieser Reihe bisher erschienen

3401  Jörg Kleudgen & Michael Knoke Batcave

3402  Ina Elbracht Der Todesengel

3403  Jörg Kleudgen & E. L. Brecht Der Fluch des blinden Königs

3404  Thomas Tippner Heimkehr

3405  Melanie Vogltanz Die letzte Erscheinung

3406  Jan Gardemann Die Seltsamen

3407  Jörg Kleudgen & E. L. Brecht Höllische Klassenfahrt

3408  Daniel Weber Phantasmagoria Park

3409  Jan Gardemann Die Rache der Seltsamen

3410  Daniel Weber Die zweifelhafte Erbschaft

3411  Daniel Weber Die unerwartete Zeugin

3412  Daniel Weber Das zerfallende Genie

3413  Daniel Weber Die andere Welt

3414  Daniel Weber Der ewig junge Herr

3415 Daniel Weber Geschwister des Abgrunds

3416 Daniel Weber Des Schreibers Katze

Des Schreibers Katze

Phillipsdorf - Bezirk des Wahnsinns - Raphael Kurzhaus - Band 2

Grusel-Thriller

Buch 16

Daniel Weber

Dieses Buch gehört zu unseren exklusiven Sammler-Editionen

und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.

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Copyright © 2025 Blitz Verlag, eine Marke der Silberscore Beteiligungs GmbH, Andreas-Hofer-Straße 44 • 6020 Innsbruck - Österreich

Redaktion: Danny Winter

Titelbild: Mario Heyer

Umschlaggestaltung: Mario Heyer u.V. der KI Software Midjourney

Vignette: iStock.com/Hein Nouwens

Satz: Gero Reimer

Gedruckt in der EU

Alle Rechte vorbehalten

www.blitz-verlag.de

3416 vom 04.10.2025

ISBN: 978-3-68984-500-1

Inhalt

Prolog – Hilferuf durch den Äther

Phantasmagoria Park

Ein alter Freund

Der Ruf des Parks

Ankunft

Eine Hülle und eine Katze

Das Manuskript neben der Schreibmaschine

Der Weg zum Glück

Angriff des Parks

Ein Verbündeter

Das Pantheon der Schriftsteller

Im Brunnenschacht

Die Hand im Dunkeln

Die Entführung des Schreibers

Das Haus der Puppen

Puppenspiel – Eine Erinnerung

Die Metallaugen brechen

Der Leichentunnel

Der Direktor

Heimkehr

Epilog: Der Park stirbt nie

Nachwort

Danke!

Über den Autor

Sein Name ist Raphael Kurzhaus.

Er ist nicht verrückt.

Prolog – Hilferuf durch den Äther

Wir fuhren aus dem Bett, aufgeschreckt durch die Punk-Rock-Töne, die Caro als Klingelton eingestellt hatte. Wir sahen einander an, hellwach, und beide dachten wir Ähnliches: Jeder von uns hatte das eigene Smartphone grundsätzlich auf lautlos gestellt. Wenn nicht, dann gaben wir Bescheid und erklärten die Gründe dafür.

Schnell hüpfte meine Frau aus dem Bett und eilte zu dem kleinen Schrank, auf dem unsere Mobiltelefone lagen. Ich schaute auf den Wecker, es war kurz vor drei Uhr morgens. Hoffentlich würden die Kinder von dem Lärm nicht geweckt.

Endlich hob Caro ab. „Hallo?“ Ihre gedehnte rauchige Sprechweise war so verschlafen, dass man sie am anderen Ende der Leitung womöglich sogar für einen Mann hätte halten können. „Hallo?“, sagte sie noch einmal.

Sie runzelte die Stirn und sah mich an. „Steffl. Ich hab ein ungutes Gefühl.“

Ich stieg aus dem Bett. „Was ist?“

Sie senkte das Smartphone und tippte darauf, um den Lautsprecher zu aktivieren. Aus dem Gerät kam ein dumpfes Rauschen. Dann ... Musik? Blechern, verzerrt durch die schlechte Verbindung. Aber hie und da glaubte ich, Melodien zu erkennen, die man vielleicht auf einem Jahrmarkt vermuten würde – so diese Melodien von alten, halb kaputten und verstimmten Instrumenten gespielt würden.

Die Musik kam mir bekannt vor. „Ich glaube, ich habe so etwas schon mal gehört.“

„Ich auch.“ Caros Gesichtsausdruck wollte mir gar nicht gefallen. Seit ihrer Mutterschaft waren ihre Augen wacher geworden, strahlender, aber jetzt senkten sich die Lider wieder ab. Falten durchzogen ihr Gesicht, die mich Düsteres ahnen ließen.

Endlich kam eine Stimme aus dem Lautsprecher: „Ca... ...ro. Caro ...rst du mi...?“

„Nur sehr schlecht. Wer ist da?“ Sie flüsterte und stellte gleichzeitig das Smartphone leiser, um die Kinder nicht zu wecken.

Ein Knacken in der Leitung, ein Teil Jahrmarktmusik, dann: „Ich ... Marl...“

„Marlene?“ Erkenntnis lag in Caros Stimme.

„Ja.“

„Wo bist du? Warum rufst du an? Ist was passiert?“

„Bitte ... Hilf ... Ich brauche ...“ Schluchzte die Frau am anderen Ende der Leitung? Irgendwo im Hintergrund glaubte ich, ein Brüllen zu hören. Doch dieser Eindruck mochte der schlechten Verbindung geschuldet sein.

„Was ist los?“ Caros Stimme wurde drängend. „Ich hör dich kaum. Wo bist du? Ich ...“

„Phantasma... Park ... ...goria ...rk.“

Die Verbindung wurde unterbrochen.

Caro und ich starrten noch ein paar Sekunden lang auf das schwarz gewordene Display. Sie hob den Kopf. „Ruf Raphi an. Sofort.“

Phantasmagoria Park

„Der Phantasmagoria Park“, wiederholte ich, als wir zu dritt auf der Couch saßen. (Helena hatte ich gebeten, mit den Kindern spazieren zu gehen, damit wir uns in Ruhe über das Vorgefallene unterhalten konnten.) Durch die Fenster kam die Vormittagssonne, es ging gegen neun Uhr Früh. Der Schrecken der Nacht schien weit entfernt. „Ein Freizeitpark, der überall und nirgends ist und den nur ausgewählte Menschen finden können, um entweder nie wieder oder vollkommen irre zurückzukehren.“ Ich nippte am Kaffee. „Ich glaube, dass ich schon mal von diesem Park gehört habe.“

Caro und Raphael wechselten einen vielsagenden Blick. Flott lag zusammengerollt auf der Couch neben seinem Herrchen und hielt die Augen geschlossen.

„Was?“ Ich schaute beide abwechselnd an. „Ihr verheimlicht wieder irgendwas!“

Caro presste die Lippen zusammen. Es war Raphael, der antwortete: „Wir wissen davon, weil jeder Jäger davon weiß. Fast jeder von uns hat schon einmal eine Anfrage bekommen, einen Vermissten zu suchen, der von diesem Park gesprochen hat. Ich habe auch versucht, ihn zu finden, aber er öffnet sich nur für jene, die er einlassen möchte. Es ist nutzlos, danach zu suchen, wenn er dich nicht ruft. Da du davon weißt, muss er eine Verbindung zu dir suchen. Das ist beunruhigend.“

„Wieso?“

„Weil er dich vielleicht als Opfer auserwählt hat.“

„Warum immer ich?“, murmelte ich in meinen endlich sprießenden Bart. Ich musste dreiunddreißig werden, um einen halbwegs anständigen Oberlippen- und Kinnbart kultivieren zu können – und das Ergebnis sah im Vergleich zu Raphaels Drei-Tage-Bart dürftig aus.

Caro sprach wieder: „Ich vermute im Park etwas Ähnliches wie eine Zwischenstation. Irgendetwas Halb-Irdisches und also Halb-Kosmisches. Nach dem, was wir wissen, werden nur Menschen von dem Park angezogen, die entweder an psychischen Störungen leiden oder sehr schlimme Schicksalsschläge in ihrem Leben erdulden mussten.“ Sie machte eine Pause. „Das trifft doch beides auf dich zu.“

Ich breitete die Arme aus. „Das trifft auf uns alle drei zu. Und auf Helena. Auf Georg. Wahrscheinlich auf Tobias. Karl und Emily.“

„Genau das macht mir Sorgen.“ Raphael stand auf und ging in die Küche. Seine weißen Stellen im kurz geschorenen Haar blitzten im einfallenden Sonnenlicht. (Ich war von weißem Haar glücklicherweise noch verschont.) Er kam mit Bierdosen wieder und reichte sie herum.

„Um neun Uhr vormittags?“, sagte Caro gedehnt.

„Das hat euch früher nicht gestört.“ Raphael öffnete seine Dose.

Ich lachte. „Da waren wir auch noch keine spießigen Eltern.“ Ich tat es ihm aber gleich und prostete ihm zu. „Also. Zum Thema zurück.“ Ich griff zu der Packung Zigarillos am Couchtisch.

„Wer ist diese Marlene? Woher kennst du sie?“, fragte Raphael. „Du hast nie von ihr erzählt.“

Caro zuckte die Achseln. „Sie war eine Schulkollegin von mir. Wir beide waren beste Freundinnen damals. Zwei Außenseiter. Ich war das verrückte Geistermädchen, sie einfach nur ... sehr, sehr arm dran. Ein zu alter Vater, der sich nicht um sie gekümmert hat, die junge Mutter ein Workaholic, die für die ganze Familie aufkommen musste. Sie entwickelte Depressionen, Selbstmordgefahr und was weiß ich alles. Nach der Matura haben wir Kontakt gehalten, aber nach ihrem zweiten oder dritten Selbstmordversuch hat sie sich nicht mehr gemeldet. Wahrscheinlich war es ihr peinlich vor mir. Ich vermute, sie hat zu der Zeit Drogen genommen. Ein schlimmes Schicksal jedenfalls.“

„Also genau das, was dieser Park sucht, oder?“ Ich sog an dem Zigarillo.

Sie nickte. „Ja. Woher sie meine Nummer hat, weiß ich nicht. Ich habe seit damals die Nummer gewechselt.“

„Die üblichen Kanäle?“, schlug Raphael vor – die Kontaktdaten von Jägern und Medien wurden per Mundpropaganda und in einschlägigen Foren im Internet verbreitet. „Oder der Park.“

Sie wiegte den Kopf und sah dabei aus wie früher, als ich sie kennen gelernt hatte. „Schwierige Frage ... Aber was es auch sein mag, Marlene ist dort gefangen. Sie braucht Hilfe.“ Sie blickte zu Raphael. „Raphi? Hilfst du mir, sie zu suchen?“

„Moment!“ Ich stellte meine Dose auf den Tisch. „Du gehst da bestimmt nicht hin. Ein kosmischer Freizeitpark, der seine Opfer nach den Kriterien von psychischen Störungen und schlimmen Schicksalen auswählt? Bist du wahnsinnig? Unsere Kinder brauchen dich. Ich gehe. Wir wissen nicht einmal, ob diese Marlene wirklich dort ist oder ob das nur ein schlechter Trick war.“

„Ob sie dort ist, werden wir vorher versuchen, herauszufinden. Raphael hat schließlich Kontakte, mit denen wir vielleicht weiterkommen.“

Mein Freund nickte zustimmend.

„Aber Steffl.“ Caro sah mich an. Forschend. Bittend. „Ich kann nicht zulassen, dass du da hinfährst. Raphael und ich machen das. Für dich ist das zu gefährlich.“

„Zu gefährlich?“ Ich wurde lauter. „Hast du vergessen, was wir zusammen erlebt haben?“ Ich griff mir an den Kopf. „Ich war im verdammten Kosmos und habe was weiß ich für einem Ding gegenüber gestanden, das mein Hirn kurzzeitig geröstet hat!“

„Und genau deswegen bleibst du hier.“ Raphael erhob sich. „Wenn unsere Informationen über den Park stimmen, bist du ein zu leichtes Opfer für ihn. Jemand, der schon einmal einer kosmischen Entität gegenüber gestanden hat und wahnsinnig geworden ist ... und überlebt hat ... Wer weiß, was das mit dir dort machen würde. Caroline hat recht. Wir beide sind die, die gehen sollten.“

Ich klappte den Mund auf und zu. Ich dachte an das, was wir uns vor rund sechs Jahren versprochen hatten: Kein Kosmos mehr. Ich spürte das Brandmal auf meiner Brust jucken. Das Ältere Zeichen.

Auch Caro stand auf und trat zu mir. Sie fasste mich an den Schultern, sehr sanft. „Bitte, Steffl. Lass mich das machen. Ich werde vorsichtig sein, versprochen. Aber du ... Das ist zu gefährlich für dich mit deiner Vergangenheit. Vertrau mir bitte. Unsere Kinder brauchen dich genauso. Wer sollte ihnen denn weiter Geschichten erzählen, wenn du nicht da bist, hm?“ (Ich schreibe unseren Kindern phantastische Märchen, die ich ihnen auch vorlese, beziehungsweise vorspiele, ganz nach dem Vorbild von Tolkien.) „Ich verspreche, ich komme zurück.“

Ich knirschte mit den Zähnen – ich glaube, ich zitterte sogar. „Na gut.“ Dann blickte ich zu Raphael. „Bring sie mir wohlbehalten zurück, verstanden?“

Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Caro die Augenbrauen zusammenzog. Wahrscheinlich weil sie Anstoß daran nahm, dass ich Raphael zu ihrem Beschützer machen wollte. Sie sagte nichts und er nickte ernst. Das musste mir genügen.

* * *

Raphael verbrachte eine Stunde mit Telefonaten. Kontaktpersonen in Ministerien und bei der Polizei. Er bekam so die Nummer von Marlenes Familie und die Infos, dass deren Tochter seit ein paar Tagen als vermisst gemeldet war. Im Telefongespräch mit der Mutter, das Caro als alte Schulfreundin der Tochter führte, wurde alles bestätigt. Die Mutter erzählte, Marlene habe einen Ausflug zu einem Freizeitpark geplant, sich aber dann nicht mehr bei ihr gemeldet. Das sei deswegen auffällig gewesen, weil Mutter und Tochter täglich, auch in Urlauben, miteinander mindestens eine Stunde telefonierten. Die Sorge war offensichtlich groß.

„Marlene dürfte sich in den letzten Jahren psychisch stabilisiert haben. Anhaltende Therapie und Medikation“, erzählte uns Caro danach. „Rückfälle hat es kaum gegeben. Sie war relativ selbstständig und ist sogar einer regelmäßigen Arbeit nachgegangen. Dann hat sie irgendwann angefangen, von einem seltsamen Freizeitpark zu reden, den sie sich gerne anschauen würde. Vor einer Woche ist sie aufgebrochen. Seither Funkstille. Niemand weiß, wo sie ist.“

„Wie wollen wir ... Wie wollt ihr den Park finden?“, korrigierte ich mich.

Raphael wiegte den Kopf. „Ich denke, wenn du nicht mitkommst, wird er sich von uns nicht finden lassen. Deswegen möchte ich Josef fragen. Wenn der Park mit dem Kosmos in Verbindung steht, weiß er vielleicht eine Möglichkeit, wie wir dorthin kommen können.“

„Gute Idee.“ Caro ging zur Kellertür. „Ich packe ein, was ich brauche. Wir brechen sofort auf.“

„So schnell?“ Ich lief ihr zum Türstock nach. „Willst du dich gar nicht von den Kindern verabschieden?“

Sie hielt inne, dann gab sie mir einen Kuss auf die Wange. „Mach du das für mich. Mama ist bald wieder da.“ Damit ließ sie mich stehen und eilte in ihren Medium-Raum, den ich bei mir Hexenhöhle nenne.

Raphael trat an meine Seite. „Ihr passiert nichts, versprochen. Wir sind Profis.“ Er legte mir eine Hand auf die Schulter. „Sie hat recht. Du darfst nicht mitkommen. Wenn dich der Park bereits ruft, ist das keine gute Idee. Du wärst ... Entschuldige den Ausdruck, aber du wärst mehr Hindernis als Hilfe in diesem Fall.“

Ich presste die Lippen zusammen. „Der Park hat Caro angerufen, nicht mich.“

Raphael schüttelte den Kopf. „Marlene hat Caro angerufen. Und das ist ein gutes Zeichen für uns. Denn das heißt, seine Macht hat Grenzen. Aber Stefan. Du musst mir etwas versprechen.“ Sein Blick wurde durchdringend.

Ich schluckte.

„Egal, was passiert, egal, was du hören, fühlen oder sonst wie glauben solltest, wahrzunehmen, versuche auf keinen Fall, uns zu folgen. Das wäre sehr, sehr gefährlich. Für uns alle. Verstanden?“

„Seit wann bist du wieder der Anführer?“, versuchte ich einen schwachen Scherz.

Raphael lächelte und drückte mir die Schulter. „Bist du immer noch nachtragend wegen damals? Stefan.“ Er zögerte. „Lass es mich so sagen. Manchmal gibt es Dinge, die auch ein Anführer aussitzen muss. Lass uns die Arbeit machen. Und dann schreib ein Buch darüber. Wir erzählen dir alles.“

„Ohne dass ich es dir aus der Nase ziehen muss?“

„Versprochen. Ist das ein Deal?“ Er streckte mir die Hand entgegen.

„Deal.“

Ein alter Freund

Das Geistergassenviertel begrüßte uns gewohnt düster und abweisend. Die baufälligen Häuser neigten sich gegeneinander, die blinden Fenster beobachteten uns, Nebel waberte über dem Boden – Sie kennen das alles.

Wir hatten Josef länger nicht besucht, es wurde ohnehin wieder Zeit. Wir traten über die Schwelle und wurden von der Zwischenstation auf die Ströbl-Straße gebracht, unweit des morbiden Spielplatzes, der gar nicht mehr so morbide war. (Natürlich krochen überall Nebeltentakel aus dem Boden, der Geruch erinnerte an Friedhof und seltsame Geräusche lauerten an jeder Ecke.) Uns den Rücken gekehrt stand Josef, breitschultrig in einem halblangen grauen Mantel, das weiße Haar ordentlich gekämmt, und blickte auf die gar nicht so kränklich aussehende Wiese des Platzes.

„Stefan. Caroline. Raphael. Und Flotti“, sagte er, ohne sich umzuwenden. „Kommt her und schaut euch an, wie mein Blumengarten hier Fortschritte macht.“

Wir tauschten Blicke untereinander und folgten der Einladung. Bei ihm angekommen, schauten wir seiner weisenden Hand über den Spielplatz nach, dessen Spielgeräte nun keine Todesfallen mehr darstellten, sondern nur noch heruntergekommen aussahen. Dazwischen, im Gelb des Grases, ragten kümmerliche Blümchen hervor, die diese Bezeichnung fast nicht verdienten. Ihre Farben waren blass, sie wirkten größtenteils vertrocknet. Nun, es war immerhin besser als nichts.

Flott indes legte die Ohren zurück und knurrte ganz leise vor sich hin, sich immer wieder umdrehend. Der Hund würde nie mit diesem Ort warm werden (was ich verstehen konnte), deswegen nahmen wir ihn auch nie mit, wenn wir nur auf Besuch kamen.

Ich räusperte mich verlegen. „Die Wiese sieht ... wundervoll aus, Josef.“ An meiner Seite bemerkte ich, wie Raphael mir die Augenbraue gab.

Josef schnaubte durch seine knollige Nase. „Du hast schon mal besser gelogen, Bub. Mir will es einfach nicht gelingen ... Aber immerhin ... Ein paar von ihnen wachsen. Es wird Jahre dauern, wenn nicht Jahrzehnte, diesen Ort hier halbwegs heimelig zu gestalten.“ Er wandte sich von der Wiese ab und schaute uns nacheinander in die Augen. „Aber darum seid ihr nicht hier, oder?“

Raphael zog eine Flasche Blue Label aus seinem Rucksack und hielt sie dem alten Mann unter die Nase.

Josef nahm sie nicht sofort. „Ich weiß, was ihr wollt ... Der Phantasmagoria Park. Ich rate euch dringend ab, dorthin zu gehen.“

„Du kennst ihn also wirklich?“, hakte ich nach.

Er nickte langsam. „Ein grotesker, grauenvoller Ort. Ihr habt recht. Er ist dieser Welt hier ähnlich, aber er hat nichts mit einer Zwischenstation gemein außer seiner Verbindung zum Kosmos. Und diese Verbindung ist ebenfalls anders geartet, weil er kein Ort in dem Sinne ist. Er ist eine Entität, die nicht an das menschliche Verständnis von Raum und Zeit gebunden ist. Der Park ernährt sich von den negativen Energien seiner Opfer, deswegen sucht er sich nur solche aus, die ihm einen großen Schatz davon versprechen. Psychisch Gestörte oder Menschen, die einen unsagbaren Schicksalsschlag erlebt haben.“ Er machte eine Pause. „Ich glaube, der Park ist eine der wenigen kosmischen Entitäten, von denen man mit Recht behaupten könnte, dass sie böse seien. Auch ich verstehe sie nicht gänzlich ...“

Raphael streckte den Blue Label weiter vor. „Wir müssen dorthin.“

„Obwohl du ein Festmahl für den Park sein könntest, Raphael, würdest du ihn auf eigene Faust nicht finden. Jäger sind dort nicht willkommen.“ Josef nahm die Flasche nach einem letzten Zögern entgegen. „Aber der Park hat sein Auge auf Stefan geworfen, nachdem er vom Kosmos gezeichnet worden ist. Er wird dich rufen, Stefan. Er ruft dich bereits jetzt, deswegen glaubst du, schon von ihm gehört zu haben. Und ich vermute, dass er auch Caro haben will.“

Ich schüttelte den Kopf. „Sie ist eine Jägerin.“

„Mehr Medium als Jäger. Und mit einer ebenso reichen dunklen Vergangenheit.“

„Dann sollte Caro nicht mitgehen, wenn der Park sie will“, sagte ich.

Meine Frau runzelte die Stirn. „Ich muss. Marlene ist dort. Ich kann sie nicht allein lassen.“

„Wir wissen nur, dass sie vermisst wird, nachdem sie sich auf die Suche nach dem Park gemacht hat. Mehr nicht. Es könnte nach wie vor ein Trick sein.“

„Das ist es leider nicht.“ Josef senkte den Kopf. „Deine Schulfreundin ist dort, Caroline. Sie ist ein Werkzeug geworden, um dich und Stefan anzulocken. Wenn Raphael geht, darf er nicht alleine gehen. Also bleibst nur du übrig, um ihn zu begleiten. Er allein würde den Weg zurück nicht finden. Und ihr habt recht, dass Stefan dem Park verfallen würde.“

Ich wollte erneut aufbegehren, aber Josef hob die Hand. „Du bist stark, Stefan, doch seitdem dein Geist einmal der totalen Auslöschung nur knapp entkommen ist und du einem Wesen aus dem Kosmos Auge in Auge gegenübergestanden hast, würde er eine solche Konfrontation nicht überstehen. Du darfst dem Park unter gar keinen Umständen zu nahe kommen. Deswegen rate ich dir, dass du heimgehst und dein Haus nicht verlässt, bis Caro und Raphael wieder zurück sind.“ Er entfernte das Siegel vom Verschluss der Flasche, entkorkte sie und schenkte in vier Gläser einen Finger breit ein, die, ohne dass ich es bemerkt hatte, neben ihm mitsamt einem kleinen Tischchen erschienen waren. „Für uns alle. Zur Beruhigung der Nerven.“

Ich kramte meine Zigarillos aus der Sakkotasche und reichte auch Josef einen. Raphael blieb bei seinen Zigaretten. Wir prosteten uns zu, tranken, und mich fröstelte ein wenig, obwohl es nicht kalt war.

„Also zeigst du uns den Weg?“, fragte Caro gedehnt.

Josef schwenkte den Whisky. „Ihr könnt direkt von hier in den Park kommen. Ich öffne euch ein Tor. Fahrt einfach geradeaus auf der Ströbl-Straße in Richtung August-Platz. Nach der Kreuzung zur Meyrinkgasse werdet ihr das Tor passieren und auf dem Parkplatz des Parks ankommen.“

Raphael stürzte den letzten Schluck seines Glases hinunter. „Dann hol ich mal das Auto.“

„Ist längst hier.“ Josef deutete mit dem Daumen auf die andere Straßenseite, wo Raphaels Ford Ka geparkt stand. Vom Fenster der Rückbank blickte Raphaels Geisterfreundin und winkte. Raphael nickte ihr zu.

„Ihr seid vorbereitet.“ Josef schloss kurz die Augen. „Proteinriegel und Wasserflaschen. Das ist gut. Der Park wird gegen euch arbeiten. Ihr müsst schnell und effizient euer Ziel verfolgen. Er wird euch Fallen stellen, euch Dinge zeigen und vorgaukeln. Er wird euch an Ereignisse erinnern, die ihr verdrängt habt und die euch große Schmerzen bereiten. Er wird die Zeit manipulieren. Kämpft dagegen an. Ich kann euch dort nicht helfen.“ Nach einer Pause fügte er hinzu: „Deine Werkzeuge, Caro, werden im Park übrigens nutzlos sein. Du hast dich gut vorbereitet, aber alles, was du gebrauchen kannst und musst, ist dein Geist.“

Ich schaute besorgt zu Caro und Raphael, doch beide zeigten entschlossene Gesichter. Caro wollte ihre Freundin retten. Für Raphael war es wahrscheinlich ein Fall wie jeder andere – na ja, nicht ganz, denn der Park bedrohte uns, seine Freunde, das war also was Persönliches. Da kannte er kein Pardon.

„Kannst du uns sagen, wo sich Marlene aufhält?“, fragte Caro.

„Leider nicht. Meine Macht reicht dafür nicht aus. Aber wenn mich nicht alles täuscht, solltet ihr im Park einen Verbündeten finden, der euch leiten kann. Genießt diese Leitung aber mit Vorsicht. Der Park könnte auch mich verwirren wollen.“

Ich erinnerte mich an den Brief, den mir mein Großonkel vor so vielen Jahren geschrieben hatte. Mit ähnlichen Worten hatte er mich damals vor David Grau gewarnt. Ich solle ihn mit Vorsicht genießen. Ich hatte ein ganz mieses Gefühl bei der Sache.

„Na dann.“ Raphael ging über die Straße zum Auto, gefolgt von Flott. „Worauf warten wir?“

Caro wandte sich nochmal um und küsste mich. „Mir wird nichts passieren.“ Sie drückte liebevoll meine Hand und folgte unserem Freund.

Ich rief: „Passt auf euch auf!“

Bei der offenen Tür verharrte Raphael. „Vergiss nicht, was du mir versprochen hast. Versuche unter keinen Umständen, uns zu folgen. Egal, was passiert.“

„Ein weiser Rat“, bekräftigte Josef.

Ich nickte, widerwillig, und sah zu, wie Raphael den Motor startete und losfuhr.

Der Ruf des Parks

Ich sah dem Auto nach, bis es vom Nebel der Zwischenstation verschluckt worden war. Dann wandte ich mich noch einmal zu Josef, der in der Zwischenzeit wieder zwei Gläser mit Whisky nachgefüllt hatte und mir eines davon reichte. „Vertrau ihnen. Sie können es schaffen.“

„Ja, wahrscheinlich.“ Ich nippte am Whisky. „Was ist das für ein Verbündeter, von dem du gesprochen hast?“

Josef zuckte die Achseln. „An diesem Ort gibt es viele Seelen, die verloren sind. Manche werden nicht sofort verschluckt, sondern erfüllen eine Aufgabe für den Park. Nicht alle diese Spezialgäste dort sind mit ihrer Situation im Reinen, und einzelne haben noch die Kraft, aufzubegehren. Ich glaube, der Park will dich aus einem bestimmten Grund. Ich vermute fast, er will dich als einen solchen Dauergast haben. Aber mit deinem Hintergrund fehlt dir die Kraft, dich ihm zu widersetzen.“

Ich grummelte in mich hinein. „Na gut. Ich wollte eh nie wieder was mit dem Kosmos zu tun haben.“

„Dafür besuchst du deinen alten Großonkel aber recht häufig.“ Er lächelte großväterlich.

„Das ist was anderes.“

Josef legte eine seiner Pranken auf meine Schulter. „Grüß Helena von mir, wenn du wieder nach Hause kommst. Und das hier ist für deine Kinder.“ In der Hand, wo er eben noch das leere Whiskyglas gehalten hatte, war jetzt ein Sackerl, in dem zwei Plüschtiere steckten, ein Hund und eine Katze, die eine augenfällige Ähnlichkeit mit Flott und Maxi aufwiesen.

„Danke.“ Ich nahm es. „Sie werden sich freuen.“ Ich zögerte und deutete auf den Spielplatz. „Das wird schon. Probier’s weiter. Ich bin mir sicher, dass deine Blumenwiese irgendwann gedeihen wird. Vielleicht helfen dir ja auch die Wächter der Stiegen.“ (So nennt man die Wesen, deren Köpfe nur aus Augen bestehen, eigentlich.)

Wir verabschiedeten uns mit Handschlag. Bevor er mich zurück an den Eingang des Geistergassenviertels bugsierte, sagte Josef noch: „Der Bart steht dir übrigens gut, Stefan.“

* * *

Zu Hause angekommen erwarteten mich schon Helena und die Kinder, die natürlich sofort wissen wollten, wo Mama abgeblieben sei. Ich erzählte ihnen, dass sie und Onkel Raphael etwas Dringendes zu erledigen hatten – mit drei und vier Jahren konnte man ihnen noch nicht begreiflich machen, was wirklich Sache war. Penelope, die jüngere, nahm es recht gefasst auf. Sie war ganz die Mutter, was solche Dinge anbelangte. David allerdings kam ein bisschen mehr nach mir und wollte schon zu weinen beginnen.