Guns and Devils 10-12 - Natasha Doyle - E-Book

Guns and Devils 10-12 E-Book

Natasha Doyle

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Beschreibung

SUNSHINEGIRL Schluss mit Georgetown, her mit Cedar City. Ich will unabhängig sein, mehr nicht, aber auch nicht weniger. Meine Entscheidung war spontan – zu spontan. Die Leute hier sind anders. Die Regeln sind anders. Alles ist anders als das, was ich kenne. Ich gehöre hier nicht her. Wie oft habe ich genau diesen Gedanken einer der Neuen ausgeredet? Wird schon, du passt dich an, habe ich gesagt. Wie arrogant und wie naiv. Dann habe ich mich… verliebt. Eine komplizierte Beziehung ohne Zukunft. Wird schon, Biker sind hart und das gilt auch für deren Töchter, richtig? CHAOSGIRL Mein Leben war gut. Ich meine richtig gut. Immer unterwegs, gefragte Fachkraft, hochbezahlt. Das kann einem schon zu Kopf steigen. Ich hielt mich für unbesiegbar, besser noch, für unsichtbar. Wie gesagt mein Leben war gut. War! Das ist der Unterschied. Es begann mit winzigen Veränderungen, die ich nicht einmal richtig wahrgenommen habe. Wenn du bei einer Sprengung nur einen kleinen Fehler machst, gibt es einen Riss, wo keiner sein soll. Er breitet sich aus. Vielleicht fällt nur eine zusätzliche Wand um, was dich nicht stört, weil du weit genug weg bist. Vielleicht stürzt aber auch das gesamte Haus ein und du bist diejenige, die genau in der Mitte steht und unter vier Etagen und einem Dach begraben wird. So ist das, wenn man unachtsam und zu sorglos ist. Mein Leben ist ein Haus und aus einem minimalen Haarriss wird eine nicht aufzuhaltende Katastrophe. Jetzt kennen sie meinen Namen, die Biker und die Kartelle. Und allen voran ein Mann - Nicolas Santos. LIBERTYGIRL Ich bin Policeofficer. Was an sich nichts Besonderes ist. Aber ich bin weiblich und schwarz. Das macht es sehr viel komplizierter. Dazu kommt, dass fast jeder in meiner Familie in einer Gang ist. Ein Widerspruch? Nicht für mich. Meine Brüder sehen das etwas anders. Auch ein paar meiner Kollegen wären sehr viel glücklicher, wenn ich nicht da wäre, wo ich bin. Deshalb habe ich diesen Undercover-Einsatz übernommen. Beweise ich, dass ich ein paar Biker aus dem Rennen kicken kann, winkt eventuell eine Beförderung. Wer kann denn ahnen, dass ich mich ausgerechnet in einen von denen verliebe? Jetzt habe ich ein Problem. Von wegen eins – unzählige. Karriere oder Liebe? Das ist hier die Frage. Oder sollte ich lieber sagen, dunkle Seite oder helle? Egal, beantworten kann ich weder die eine Frage noch die andere. Oliver Hagen ist ein „Black Devil“. Ich könnte dafür sorgen, dass er im Gefängnis landet. Aber will ich das auch?

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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SUNSHINEGIRL
KAPITEL 1
KAPITEL 2
KAPITEL 3
KAPITEL 4
KAPITEL 5
KAPITEL 6
KAPITEL 7
KAPITEL 8
KAPITEL 9
KAPITEL 10
KAPITEL 11
KAPITEL 12
KAPITEL 13
KAPITEL 14
KAPITEL 15
KAPITEL 16
KAPITEL 17
KAPITEL 18
KAPITEL 19
KAPITEL 20
KAPITEL 21
KAPITEL 22
KAPITEL 23
KAPITEL 24
KAPITEL 25
KAPITEL 26
EPILOG
CHAOSGIRL
PROLOG
KAPITEL 1
KAPITEL 2
KAPITEL 3
KAPITEL 4
KAPITEL 5
KAPITEL 6
KAPITEL 7
KAPITEL 8
KAPITEL 9
KAPITEL 10
KAPITEL 11
KAPITEL 12
KAPITEL 13
KAPITEL 14
KAPITEL 15
KAPITEL 16
KAPITEL 17
KAPITEL 18
KAPITEL 19
KAPITEL 20
KAPITEL 21
KAPITEL 22
KAPITEL 23
KAPITEL 24
KAPITEL 25
KAPITEL 26
KAPITEL 27
KAPITEL 28
KAPITEL 29
KAPITEL 30
EPILOG
LIBERTYGIRL
KAPITEL 1
KAPITEL 2
KAPITEL 3
KAPITEL 4
KAPITEL 5
KAPITEL 6
KAPITEL 7
KAPITEL 8
KAPITEL 9
KAPITEL 10
KAPITEL 11
KAPITEL 12
KAPITEL 13
KAPITEL 14
KAPITEL 15
KAPITEL 16
KAPITEL 17
KAPITEL 18
KAPITEL 19
KAPITEL 20
KAPITEL 21
KAPITEL 22
KAPITEL 23
KAPITEL 24
KAPITEL 25
KAPITEL 26
KAPITEL 27
KAPITEL 28
KAPITEL 29
KAPITEL 30
EPILOG
Impressum

Alle in diesem Roman vorkommenden Personen, geschilderten Schauplätze, Ereignisse und Handlungen sind frei erfunden.

Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen oder Ereignissen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Sunshinegirl

von

Natasha Doyle

SUNSHINEGIRL

KAPITEL 1

Das Leben jedes Einzelnen folgt bestimmten Bahnen und Regeln. Diese werden durch deine Eltern und dein Umfeld bestimmt. Du denkst, das ist DAS Leben. Dann erkennst du, dass es nicht DAS Leben ist, sondern lediglich deins. Das kann ziemlich ernüchternd sein. Spätestens dann, wenn du merkst, dass du keine Ahnung hast, wie man sich „normal“ benimmt.

Gerade zweifle ich an meiner Entscheidung, Georgetown und die Devils hinter mir gelassen zu haben, um etwas Neues auszuprobieren. Ich gebe zu, dass ich das überhaupt will, liegt zum Teil an Cashs permanenter Bevormundung und Bewachung. Mein lebender Keuschheitsgürtel. Noch zutreffender wäre vermutlich 'Sexverhinderer'. Mehr wollte ich manchmal gar nicht, nur die raue, primitive Vereinigung zweier Körper in Lust - triebhaft und ohne jede Verpflichtung.

Mal ein aktuelles Beispiel, um zu erklären, was ich meine. Ich saß im Romanow, eigentlich „Romanows little daughter“, einer Bar, in die mich Olivia irgendwann verschleppt hat. An sich nicht so mein Stil, aber sie sagte, da kommt kein Biker vorbei und wenn es dir um einen Mann für ein paar Stunden geht, bist du hier genau richtig. Besonders das Letzte hat mich überzeugt.

Zwei Mal hat es auch super funktioniert. Niemand kannte mich, ich habe getrunken, getanzt, viel gelacht und wirklich guten Sex mit Männern gehabt, die nicht mal meinen Namen wissen wollten. Perfekt.

‚Aller guten Dinge sind drei ist‘ eine unzutreffende Redewendung. Bei meinem dritten Besuch setzte sich ein außerordentlich attraktiver Mann an meinen Tisch, der die Aufmerksamkeit sämtlicher Frauen sofort auf sich zog und meine Wut. Wenn du dir einen One-Night-Stand besorgen willst, ist dein Bruder der Letzte, den du sehen möchtest.

Um mich zu überwachen, hatte er sich sogar richtig Mühe mit seinem Outfit gegeben. Cash im Anzug ist beeindruckend. Was er weiß. Ist nicht so, dass er ein Problem mit seinem Selbstwertgefühl hätte. Mein Bruder ist zwar nicht direkt eitel, legt aber viel Wert auf sein Äußeres. Normalerweise trägt er Jeans, Boots und darüber Hemden. T-Shirts sind für ihn Arbeitskleidung, also zieht er sie nur an, wenn er muss.

Um die Geschichte mal abzukürzen: Wir haben uns gestritten und sind aus der Bar geflogen. Sein selbstzufriedenes Grinsen hat dazu geführt, dass wir uns auf dem Parkplatz vor der Bar sogar geprügelt haben. Ich bin die Tochter eines Bikers und mit Bikern aufgewachsen, da gibt es keine Rücksicht darauf, dass du ein Mädchen bist. Nicht bei sowas. Hat uns letztendlich lebenslanges Hausverbot im Romanow eingebracht. Was soll's. Cashs blutende Nase war es auf jeden Fall wert.

Auf der anderen Seite wirst du eben drachenmäßig bewacht, als wärst du eine dämliche Jungfrau und man müsse deine Unschuld bewahren. Wenn ich mit sechsundzwanzig noch Jungfrau wäre, hätte ich eine Menge falsch gemacht.

Jedenfalls habe ich in der Nacht beschlossen, dass das so nicht weitergeht. Nur weil Cash mich als seine Lebensaufgabe betrachtet, muss ich das ja nicht sein. Dürfte ihm auch guttun. Dann muss er sich nämlich etwas anderes suchen.

Dad zu überzeugen, war nicht so schwer, wie ich gedacht habe. Okay, ich habe auch zuerst mit Jillian geredet und die hat Vorarbeit geleistet. Ohne sie wäre es wahrscheinlich schwieriger gewesen. Und ohne Bella und Paddy. Dad hat ja nun neue „Objekte“, um die er sich Sorgen machen kann.

Auch wenn er immer so cool tut, im Grunde seines Herzens ist er ein Weichkeks. Jedenfalls, wenn es um seine Familie geht. Er ist der beste Dad der Welt. Der President dagegen ist eine ganz andere Nummer. Ich möchte nicht in der Haut seiner Feinde stecken. Dazu musste ich nicht einmal einige seiner Widersacher sehen, nachdem sie mit ihm ihre Standpunkte „diskutiert“ hatten, das hätte ich auch so gewusst. Nur so viel: Dads rechter Haken hat schon einige Kiefer zerschmettert.

Viele haben ihm Grausamkeit vorgeworfen und tun das noch. Ich sehe das anders. Er ist nie ungerecht. Und manchmal muss man eben mit Gewalt vorgehen. Dafür gibt es ja die Regeln. Wenn man sich daran hält, geht auch nichts schief.

Mir ist klar, dass die Gesetze des Clubs nicht immer dem entsprechen, was allgemein als Gesetz gilt. Aber ich kenne es nur so und für mich hat es immer funktioniert. Ich bin damit aufgewachsen, dass man es mit der Wahrheit am weitesten bringt. Lügen kommen sowieso irgendwann raus und die Konsequenzen können echt ekelhaft sein.

Normalerweise sage ich also immer, was ich denke. Jillian meint, dass ich manchmal taktlos wäre und nicht jeder daran gewöhnt sei, soviel Ehrlichkeit zu verkraften. Ist nicht meine Schuld.

Dafür kann ich ziemlich gut mit Kritik umgehen. Muss ich auch, denn meine „Taktlosigkeit“ ruft manchmal heftige Reaktionen hervor. Ich denke dann darüber nach und wenn der andere recht hat, entschuldige ich mich auch.

Es gab Zeiten, da musste ich mich regelmäßig entschuldigen. In der Pubertät denkt man, man ist klüger als die anderen und hätte Wahrheiten erkannt, die sie bisher nur noch nicht gesehen haben. Um den armen Unwissenden zu helfen, sagt man ihnen natürlich, wie es zu laufen hat und… trifft selten bis nie auf Dankbarkeit. Verdient, wie ich mit dem Abstand von einigen Jahren zugeben kann und muss.

Ich bin verwöhnt und geliebt worden und konnte in den Augen meiner Familie nicht wirklich etwas falsch machen. Das hat aus mir einen sehr glücklichen, aber überbehüteten Menschen gemacht. Weshalb ich ein bisschen nervös war, als ich beschlossen habe, meinen Kokon zu verlassen.

Nun bin ich also in Cedar City, kaum mehr als zwei Stunden von Georgetown entfernt. Um ehrlich zu sein, war ich zu feige, um weiter weg zu gehen. Offiziell habe ich behauptet, dass ich hier sofort einen Job gefunden habe und das der Grund ist. War gelogen.

Hey, ich bin Friseurin und, ohne Übertreibung, eine wirklich gute. Da kriegst du überall Arbeit. Gut, dass sich noch nie einer der Jungs für meinen Job interessiert hat, außer sie brauchten einen Haarschnitt.

Cedar hat doppelt so viele Einwohner wie Georgetown. Das war ein weiterer Grund. Groß genug, um interessant zu sein, aber nicht so riesig wie Salt Lake City. Über einen anderen Staat habe ich überhaupt nicht nachgedacht. Wäre viel zu weit weg von zuhause.

Ich habe sogar ein möbliertes Mini-Appartement gefunden, das ich mir ohne Probleme leisten kann. Das Beste daran? Hier wohne nur ich. Alleine. Kein Cash. Wahnsinn.

Der „Umzug“ hat also nur einen halben Tag gedauert. Ich musste ja auch nichts mitnehmen außer was zum Anziehen, Geschirr und ein paar persönliche Sachen wie Fotos und meinen Teddy. Er ist so alt wie ich und liegt immer in meinem Bett. Nicht mal Cash hat sich darüber lustig gemacht.

Wäre ihm auch nicht gut bekommen. Ich bin manchmal etwas impulsiv und neige dann eben zu Handgreiflichkeiten. Nicht im normalen Leben und nur, wenn man mich ausreichend provoziert.

Was mich zurück zu meinem Problem bringt. In Georgetown kannte mich so gut wie jeder. Bringt es so mit sich, wenn man Lords einzige Tochter ist. Bella wird sich noch umgucken, aber ich denke, dass ich ihr da bestimmt helfen kann. Immerhin habe ich das alles schon durch und weiß, wie man Dad und die anderen zu nehmen hat, um wenigstens ein bisschen Privatleben oder überhaupt Leben zu haben.

Dadurch, dass also jeder weiß, wer ich bin, war es nicht schwer sich zu bewerben und eine Ausbildung zu kriegen. Ich bin einfach in das Studio meiner Wahl reingeschlendert, habe meinen Namen gesagt und was ich will und die Antwort lautete: Kannst Montag anfangen.

Meine Chefin hat mir erst sehr viel später gebeichtet, wie viel Schiss sie hatte und wie glücklich sie darüber ist, dass ich tatsächlich was draufhabe. Sie hätte nicht gewusst, wie sie das Dad klarmachen soll, wenn es anders gewesen wäre. Glück gehabt, würde ich sagen – wir beide.

Um mal zu meinen derzeitigen Schwierigkeiten zurückzukommen. Ich muss mich morgen nochmal persönlich bei dem Salon vorstellen, bevor sie mich tatsächlich einstellen. Ja, war auch gelogen. Ich habe den Job noch gar nicht. Aber so richtig beunruhigt bin ich eigentlich nicht. Ich habe durchgezählt, es gibt hier zwölf Salons insgesamt. Einer wird mich schon wollen.

Auch wenn ich mir den Laden schon im Internet angeguckt habe, ist das was anderes als die Realität. Ich beschließe also, ihn mir mal unauffällig von außen anzusehen. Um ein Gefühl dafür zu kriegen, wie ich mich anziehen soll zum Gespräch und vielleicht auch ein bisschen dafür, was die für Kundschaft haben.

Die Fotos auf ihrer Seite haben nämlich lediglich das Schild über dem Eingang gezeigt und ein paar Innenaufnahmen von Waschbecken und Stühlen. Die sehen in so ziemlich jedem Salon gleich aus und haben mich nicht wirklich weitergebracht.

Der Name ist nicht ausgefallen, was gut ist. Was ich da nicht schon alles gesehen und gelesen habe. Gescheiterte Versuche nicht vorhandener Kreativität. Meine Wahl ist deshalb auf 'Salon Hollister' gefallen. So heißt nämlich der Inhaber.

Dass es das Geschäft schon seit fast fünfzig Jahren gibt, spricht auch dafür. Schön beständig. Aber vielleicht eher ältere Kundschaft. Das wäre nun wieder nicht so das, was ich mir vorstelle. Genau das will ich ja herausfinden.

Meine Wohnung ist nicht weit von meinem, hoffentlich zukünftigen, Arbeitsplatz entfernt. Deshalb kann ich auch zu Fuß gehen. Die Umgebung ist schon mal sehr nett.

Eine gut belebte Einkaufsstraße, in der ich auf Anhieb zwei Cafés und drei Restaurants entdecke, chinesisch, indisch, italienisch. Gute Auswahl. Dann sind da noch ein Country Inn und eine Tankstelle. Etwas weiter eine Apotheke und eine kleine Galerie. Dazwischen alle möglichen Läden mit Lebensmitteln, Spielsachen, Kleidung. Was braucht man mehr?

Ich erkenne das Schild schon von Weitem und wechsle vorsichtshalber die Straßenseite, um mich langsam anzuschleichen. Je näher ich komme, desto langsamer werden meine Schritte.

Die Schaufenster glitzern. Nein, nicht in der Sonne, sondern weil irgendjemand sie mit Glitzerfarbe angemalt hat, in Gold. Keine voreiligen Schlüsse, das sagt ja noch nichts über das Innenleben aus.

Nein, das allein nicht, aber die aus der Tür tretenden Frauen in hässlichen lila Kitteln möglicherweise.

Etwas besorgt ziehe ich mich in den Schatten des nächsten Hauseingangs zurück und beobachte von dort aus, was die Frauen so treiben. Simpel. Sie rauchen, unterhalten sich und lachen. Ungefähr drei Minuten lang. Dann kommt eine weitere Frau aus dem Laden.

Sie ist eine grellgeschminkte Enddreißigerin mit gebleichten Locken, die sie mit funkelnden Spangen aus dem Gesicht hält und die auf ihrem Rücken herumwabern. An ihren Ohren baumeln große Ringe. Im Gegensatz zu den Mädchen trägt sie keinen Kittel, sondern ein knallenges giftig grünes Kleid.

Für ihr Alter hat sie eine ganz ansehnliche Figur. Bei den Möpsen würde ich allerdings auf einen Chirurgen tippen. Die sind viel zu prall und fest. Ich kann nicht mal behaupten, dass die Frau nicht irgendwie gut aussehen würde. Definitiv der Typ, auf den viele Männer anspringen. Soweit ich sehen kann, ist auch ihr Hintern ganz passabel.

Mit bösen und sehr lauten Worten scheucht sie die Mädchen nach drinnen. Die machen hektisch die Zigaretten aus und stürzen zurück in den Salon. Das zufriedene Grinsen auf dem Gesicht der Frau, die ich für die Chefin halte, oh man, kann nur ich sehen. Es hat definitiv was Gemeines an sich.

Gut zu wissen, beschließe ich, und außerdem, dass ich nur wegen dieser Ziege mein Gespräch nicht ausfallen lassen werde. Sie muss nicht die Chefin sein.

Plötzlich fällt mir mit großer Erleichterung wieder ein, dass der Inhaber männlich ist und Anton Hollister heißt.

Na siehst du? Die ganze Aufregung völlig umsonst.

Ich hole mir noch schnell was beim Chinesen und mache mich dann auf den Heimweg. Um die Stadt und ihre Angebote kann ich mich kümmern, sobald ich weiß, wovon ich leben werde und wie gut.

KAPITEL 2

Ich sitze in einem kleinen Büro, hinten im Salon. So langsam bedauere ich, dass ich weder Piercings noch Tattoos besitze. Es wäre eine gute Möglichkeit gewesen der dämlichen, überheblichen Kuh vor mir ein bisschen die Arroganz auszutreiben. Selbst wenn es mir lediglich gelingen würde, sie durch unangemessenes Aussehen aus der Fassung zu bringen.

'Unangemessen' scheint nämlich eines ihrer Lieblingswörter zu sein. Ich höre mir seit zwanzig Minuten einen nervigen Monolog an, der von einer genauso nervigen Stimme begleitet wird – sie quietscht.

Für die Mitteilung, wie großartig der Laden ist, hat sie zwei Minuten aufgewendet. Der Rest ging dafür drauf, wie toll sie ist. So als Frau an sich. Das wäre nicht mal interessant, wenn ich total besoffen wäre. Leider bin ich absolut nüchtern.

Das hält mich wenigstens davon ab ständig die Augen zu verdrehen. Dafür, dass das Gespräch bisher nichts bringt, als die Selbstbeweihräucherung einer verblühten Ex-Schönheitskönigin von weiß der Geier was für einer beschissenen Miss-Wahl, bin ich noch beeindruckend ausgeglichen.

Ich habe also all ihren Scheiß erfahren und nichts über den Job. Ihr Mann, Anton, scheint ein totaler Loser zu sein. Jedenfalls in ihren Augen. Er würdigt sie nicht genug und benimmt sich ihr gegenüber 'unangemessen'. Was wohl bedeutet, dass er sie nicht ausreichend verhätschelt. Es ging da um irgendein verkacktes Armband, dass er ihr nicht kaufen wollte, obwohl sie sich in der ersten Sekunde in das Mistding verliebt hat.

Anton ist zu weich, zu ruhig, zu wenig Mann und was einem da noch so alles an Abwertung einfallen kann. Verbitterte Frau. Sowas kommt vor. Da ich aber nicht ihre Therapeutin bin und auch nicht ihre Freundin – falls sie sowas überhaupt hat -, ist mir das scheißegal. Was ich ihr leider nicht sagen kann, obwohl ich das wirklich, wirklich gerne tun möchte.

Dann kommt sie zur nächsten Gruppe der Leute mit vollkommen 'unangemessenem' Verhalten, den Mitarbeiterinnen. Sie, Vonda, arbeitet so verflucht hart und keiner weiß das zu würdigen. Immerhin ist sie drei Tage in der Woche hier und kümmert sich um einfach alles.

Wie bitte? Drei Tage und dafür so ein Theater?

Es kommt noch besser. An den drei Tagen ist sie auch nur jeweils vier Stunden anwesend. Dann arbeitet sie sich aber die Seele aus dem Leib. Behauptet sie zumindest. Langsam bezweifle ich das. Und nicht nur das, sondern eigentlich alles, was sie da von sich gibt. Ich denke nicht, dass ich hier arbeiten will. Die Alte wird mich schon am ersten Tag in den Wahnsinn treiben und das braucht keiner von uns.

„Sagen Sie, Vonda“, unterbreche ich sie nach nun mittlerweile fünfundvierzig Minuten, „ich habe im Internet gelesen, dass Ihr Mann den Salon leitet. Vielleicht sollte ich auch noch mal mit ihm sprechen.“

Sie wirft mir einen misstrauischen Blick zu. „Haben Sie ihn schon getroffen?“

Ich verneine, ausgesucht höflich, und warte auf ihre Antwort. Nur weil ich sie nicht leiden kann, heißt das ja nicht, dass man gleich beim ersten Treffen beleidigend werden muss. Ich wiederhole mich, aber ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Auch wenn ich das wirklich gerne möchte.

„Nun, es stimmt. Er ist für das Tagesgeschäft zuständig. Aber ich bin viel hier und außerdem gehört mir die Hälfte des Salons.“ Langsam bekommen wir Licht ins Dunkel. „Haben Sie das geschnitten?“, fragt sie und zeigt auf meine Kurzhaarfrisur.

Ich mag meine Haare, aber sie stören mich, wenn sie mir den Rücken herunterhängen. Deshalb sind sie vorn kinnlang und werden nach hinten kürzer – asymmetrisch. Das kann sich kein Mensch selber schneiden, ohne ein totales Chaos anzurichten. Allein das verrät eine Menge über ihre Fähigkeiten, oder besser über deren Fehlen.

„Sind Sie ausgebildete Friseurin?“, erkundige ich mich anstelle einer Antwort neugierig, aber nun erst recht interessiert.

Sie räuspert sich und auf ihrem Hals bilden sich hektische rote Flecken.

„Äh, also eigentlich… Ich bin schon seit Jahren an dem Geschäft beteiligt. Also weiß ich genau, wie es geht.“

Dachte ich es mir doch. Die Frau hat keine Ahnung, nur eine große Klappe.

„Was genau ist Ihre Aufgabe hier?“, hake ich diesmal etwas vorsichtiger und weniger forsch nach. Falls ich den Job doch will – und das ist ein extrem großes Falls -, dann muss ich wissen, worauf ich mich einlasse.

„Ich bin Nageldesignerin“, sagt sie mit so einer unpassenden Arroganz, dass ich mir ein Lachen verkneifen muss. 'Total Unangemessen' kommt mir in den Sinn und nun ist es noch schwieriger nicht zu lachen.

„Hören Sie“, sage ich, so ernst wie möglich. „Ich bin Hairstylistin und eine richtig gute. Ich habe mir den Salon ausgesucht, weil die Bewertungen im Netz sehr positiv waren. Seien Sie nicht sauer, aber ich würde gern mit Ihrem Mann reden.“ Dann kommt mir noch ein erschreckender Gedanke und ich schiebe hinterher: „Ist er Friseur?“

Das 'wenigstens' kann ich gerade noch in letzter Sekunde runterschlucken.

„Ja, ist er“, sagt Vonda, sichtlich unzufrieden, dass es nicht mehr um sie geht.

„Gut, wann kann ich ihn treffen?“ Und warum habe ich ihn nicht anstelle von dir getroffen?

Jetzt habe ich ihr die Laune verdorben. Ihr Mund ist verkniffen und das macht sie hässlich.

„Ich…“ Die folgende Aussage scheint sie echte Überwindung zu kosten. „Gut, ich rufe ihn an. Am besten wird sein, Sie kommen in einer Stunde nochmal wieder oder besser zwei.“

Sicher nicht. Dann verpasse ich ihn noch oder sie redet ihm irgendwelchen Scheiß über mich ein.

Ich schenke ihr mein strahlendstes Lächeln und sage bestimmt: „Kein Problem. Ich warte einfach im Laden. Dann kann ich mir schon mal ansehen, wie es bei Ihnen so läuft.“

Ihr fällt nichts ein, was sie dagegen haben könnte, und ich sehe ihr an, dass sie wirklich angestrengt nach einem Argument sucht. Bevor sich doch noch ein Einfall zu ihr verirrt, stehe ich auf, schnappe meinen Rucksack und gehe nach vorn.

Innen passt der Laden zum Außenanstrich. Glitzern wo man hinsieht. Allerdings muss ich zugeben, dass ich es zwar kitschig finde, es aber nicht so geschmacklos ist, wie es klingt.

Die Wände sind in einem Blaugrün gestrichen. Petrol nennt man das, glaube ich. Je nachdem wie das Licht darauf fällt, leuchten kleine goldene Punkte auf.

Es gibt mehr Spiegel als Stühle, also mehr als notwendig. Sie sind mit dicken Bronzerahmen eingefasst. Sieht aus, als wären sie aus einem Schloss. Sie hängen an beiden Seiten und ziehen sich jeweils über die ganze Fläche.

In einer Ecke stehen drei Becken zum Haarewaschen. Alle Armaturen sind kupferfarben, genau wie alle Lampenschirme, egal ob Decken- oder Stehlampe. Ein stilistischer Widerspruch zu den Spiegeln, der erstaunlich gut aussieht. Die Farbe der Stühle ähnelt der der Wände und das Metallgestänge sieht auch wie Kupfer aus. Irgendwie edel.

Was allerdings überhaupt nicht passt, sind diese grauenhaften Kittel. Die beiden Trägerinnen der Scheußlichkeiten sehen mich neugierig an. Im Moment ist kein Kunde da, wir haben also Zeit uns miteinander bekannt zu machen.

„Bist du die Neue?“, fragt die Größere der beiden neugierig.

„Ist noch nicht raus. Die Lady scheint da nicht der richtige Ansprechpartner zu sein“, antworte ich zurückhaltend. Zu sagen, dass Vonda zu dumm ist, um das zu beurteilen, ist vielleicht nicht der beste Einstieg.

Die Frauen sehen sich an und kichern unterdrückt. Sie sind ungefähr im gleichen Alter. Ich schätze so zwei- oder dreiundzwanzig. Vom Typ her sind sie allerdings total gegensätzlich.

Die Eine ist so groß wie ich, also um die 1,67, hat braune Haare mit blonden Strähnchen, die sich in künstlichen Locken auf ihrem Kopf türmen. Steht ihr, auch wenn ich das ein bisschen zu mächtig finde. Das Braun ist vermutlich die natürliche Haarfarbe, denn ihre Augen sind dunkelbraun.

Sie hat leicht getönte Haut – eindeutig Solarium -, aber nicht übertrieben. Besonders auffällig sind die Nägel. Wie sie mit den langen Dingern jemandem den Kopf waschen kann, ist mir ein Rätsel.

„Ich schneide nur“, erklärt sie mir. Ich war wohl nicht besonders subtil.

„Stell ich mir schwierig vor“, spreche ich meinen Gedanken aus. „Ich bin übrigens Sunny.“

„Trish“, stellt sich die Krallenbewehrte vor. „Und das ist Melly.“

Das andere Mädchen macht einen anmutigen Knicks und kichert wieder. Sie ist einen ganzen Kopf kleiner als ich, hat lange, blonde Haare und himmelblaue Augen. Die Lippen sind knallrot bemalt und die Augen stärker geschminkt, als ihr guttut. Sie hat ein hübsches Gesicht, sie braucht keine Schminke. Mit schräggelegtem Kopf mustert sie mich. Da gibt es nicht viel zu sehen.

Ich habe einen Mittelweg gewählt und eine einfache schwarze Jeans, ein rotes T-Shirt und eine schwarze Jeansweste angezogen. Die Weste ist so ähnlich wie die Clubwesten geschnitten. Ich brauchte ein bisschen Heimatgefühl. Da ich Timmi, meinen Teddy, nicht hierher mitnehmen konnte, war das eine ganz brauchbare Alternative.

Melly ist immer noch damit beschäftigt jedes Detail von mir einzusaugen. Bisschen seltsam das Mädchen.

„Kannst du sprechen?“, erkundige ich mich nur halb im Scherz.

„Klar, aber wozu?“, sagt sie achselzuckend. Darauf fällt mir auf Anhieb nichts ein.

„Was macht sie?“ Trish schwenkt den Kopf in Richtung der hinteren Räume, wo Vonda hoffentlich gerade telefoniert.

„Sie hat gesagt, dass sie ihren Mann anruft, damit ich mit ihm reden kann.“

In beiden Augenpaaren leuchtet es kurz auf. Ob das eine positive Reaktion ist oder eine negative ist nicht zu erkennen. Am liebsten würde ich fragen, was sie über ihren Chef denken, aber ich will nicht zu neugierig erscheinen. Ich werde es ja herausfinden. Gott, wenn der Typ auch nur ansatzweise seiner Frau ähnelt, will ich hier sicher nicht anfangen.

„Erzählt mal, wie ist es hier zu arbeiten?“

„Gut“, sagen beide gleichzeitig. Ein bisschen mehr hatte ich schon erwartet.

Das Telefon klingelt. Die beiden wechseln einen Blick und Melly trabt davon.

Trish sieht ihr kurz nach und kümmert sich dann um mich.

„Ich führe dich mal rum, okay?“ Ich nicke und laufe ihr nach. Im Hintergrund höre ich Melly sagen: „Ne, ist noch da. Ich hab doch gesagt, dass ich anrufe, sobald die Hütte sauber ist… Was?… Kakerlakenfrei, genau.“ Sie kichert wieder, scheint sie häufig zu machen.

Trish räuspert sich. „Ist nicht so, wie es klingt“, setzt sie zu einer Erklärung an.

Ich winke ab. „Keine Sorge, ich arbeite noch nicht hier.“

Sie atmet hörbar auf und dann geht es los mit der Ortsbesichtigung.

„Das Wichtigste steht hier.“ Trish legt die Hand auf eine Kaffeemaschine und streichelt sie liebevoll. Es ist so ein Ding, das Kaffee in siebzig Ausführungen macht, dazu auch noch Milchschaum und vermutlich bäckt es sogar Kekse. Ich trinke keinen Kaffee, von mir aus hätte es auch eine Nummer kleiner sein können.

„Das Schätzchen hat Mister Hollister angeschafft. Der Mann trinkt unglaublich viel von dem Zeug. Was praktisch ist, weil man so rausfindet, in welcher Stimmung er ist.“ Sie grinst mich an und erklärt dann auch gleich, was sie meint. „Normalerweise nimmt er einen doppelten Espresso.“ Sie zeigt mir eine kleine Tasse. Okay, ich sollte mir wohl gleich merken, was wofür ist.

„Wenn er genervt ist, was du ihm nicht ansiehst …“ Wovon genervt? „… sucht er sich die größte Tasse, die da ist und füllt sie bis zum Rand mit dem einfachen Zeug.“

Skeptisch betrachte ich den kleinen Eimer, den sie hochhält. „Wie oft muss man da draufdrücken?“

„Drei bis vier Mal. Kommt drauf an, wie ungeduldig er ist.“ Aha. „Wenn er einen guten Tag hat, dann macht er Schaum drauf und wenn es ein richtig guter Tag ist, dann gibt es halb und halb.“ Ich sehe sie fragend an. „Größte Tasse, Hälfte Kaffee, Hälfte Milch und Schaum drauf.“

Vielleicht sollte ich mitschreiben. „Woran merkt man, was für ein Tag ist?“

Sie grinst wieder. „Das merkt man, glaub mir.“

Danach führt sie mich durch den Salon. Links vom Eingang ist ein abgetrennter Wartebereich mit weich aussehenden Sofas, kleinen Tischen und Sesseln. Daneben eine halbhohe Trennwand, hinter der sich die Waschbecken befinden. Drehung nach rechts, eine echte Wand. Genau genommen ist es ein kleiner Raum, in dem ein Tisch mit zwei Stühlen steht. Anhand der Gerätschaften und Dinge im Regal stelle ich schnell fest, dass es ein Nagelstudio ist.

„Für Vonda“, erklärt Trish augenrollend, bevor ich fragen kann. „Nicht, dass sie es oft benutzen würde.“ Mehr sagt sie dazu nicht. Klingt so, als wäre sie auch kein großer Vonda-Fan.

Der Rest ist schnell angeguckt. Eine Anmeldung inklusive Kasse, an der Melly immer noch telefoniert oder schon wieder, die acht Frisierstühle vor den Spiegelwänden und an der hinteren Wand Regale und Schränke, in denen vermutlich Handtücher, Shampoos, Färbemittel und was man alles so braucht, lagern.

Das Timing ist hervorragend. Sobald wir fertig sind, kommt Kundschaft. Trish sagt, dass ich mich einfach beschäftigen soll, bis der Chef kommt und kümmert sich dann um ihre Kundin.

Ich lasse mich auf eins der Sofas fallen – sehr gemütlich -, und gucke mir einfach an, was sich vor mir abspielt. Alles so, wie ich es kenne. Die vertrauten Gespräche, Handbewegungen und Gerüche lullen mich ein und ich entspanne mich.

Ein paar Minuten später rauscht Vonda durch den Laden. Ich hatte sie total vergessen. Sie baut sich kurz vor mir auf und sieht überheblich auf mich herunter. Macht sie mir jetzt nicht gerade sympathischer.

„Er kommt“, sagt sie kurz angebunden und schreit dann, ohne wen Bestimmtes zu meinen: „Bin für heute weg.“

Trish und Melly wechseln einen erleichterten Blick. Trish wendet sich wieder ihrer Kundin zu und Melly geht zum Telefon, wählt und sagt dann mit strahlendem Lächeln: „Kannst kommen, wir sind ungezieferfrei.“

***

Zwei Stunden später hat sich der Chef immer noch nicht blicken lassen. Dafür hat sich im Laden einiges getan. Der Kundenstrom reißt nicht mehr ab und um mich herum sind Sofas und Sessel bevölkert. Kundschaft jeden Alters und auch jeden Geschlechts. Ich hatte nicht darüber nachgedacht, aber angenommen, dass es ein reiner Frauensalon ist.

Offensichtlich nicht, denn neben mir sitzt ein Typ, der aussieht wie ein Bauarbeiter und daneben ein aufgeregter Kerl, der nicht älter als vierzehn sein kann. Er ist siebzehn, wie sich herausstellt, und hat ein Date. Deshalb will er so gut wie möglich aussehen. Ich fürchte, in seinem Fall reicht da ein Haarschnitt nicht aus. Er hat wirklich viele Pickel. Ich gehe mal davon aus, dass sein Date auf andere Qualitäten Wert legt.

Automatisch sehe ich in seinen Schritt. Der Junge bemerkt es und wird rot. Ich grinse ihn an und zucke entschuldigend mit den Schultern. Von den anderen Kunden hat keiner was bemerkt. Um genau zu sein, sind nur drei von den zehn Leuten hier Kunden. Der Rest sitzt nur hier, um Neuigkeiten auszutauschen. Der Salon ist anscheinend die Klatschzentrale der Gegend.

Auch wenn ich keinen von den Typen kenne, über die gelästert wird, ist es zumindest ein Mittel gegen Langeweile. Ich gebe mir noch eine halbe Stunde, dann muss ich mir ernsthaft überlegen, was ich mache.

Entweder Vonda hat ihren Mann doch nicht angerufen oder er hat einfach kein Interesse daran, mich zu treffen. Langsam werde ich müde. Ich lege den Kopf auf die Sofalehne und schließe die Augen. Das Gemurmel um mich herum ist angenehm und einschläfernd.

Trish und Melly sind nicht mehr alleine. Zwei weitere Kolleginnen, namens Noreen und Lorna, verstärken das Team. Ich bin mittlerweile bei meiner dritten Cola. Ein Bier wäre mir lieber.

Kunden gehen, neue kommen. Mit geschlossenen Augen versuche ich mir anhand der Stimme vorzustellen, wie deren Besitzer aussieht.

Hohe Töne, die mein Trommelfell zum Klingeln bringen. Blond, Dauerwelle, über vierzig, dürr tippe ich und öffne die Augen zu schmalen Schlitzen, um meine Theorie zu überprüfen. Ins Schwarze stelle ich befriedigt fest.

Mit dem Spiel bringe ich weitere Minuten herum und nähere mich langsam meiner selbst vorgegebenen halben Stunde.

Ein tiefer männlicher Bass erinnert mich an Dad. Deshalb erwarte ich einen Biker. Oder zumindest einen großen, muskulösen Kerl. Unbedingt gut aussehend bei der schönen Stimme.

Ich liege total daneben. Der Stimmbesitzer ist klein, dick, hat nur noch einen Haarkranz, trägt eine dickrandige Brille und erinnert an einen Buchhalter. Einen in einem schlecht sitzenden Anzug. Was für ihn spricht, sind sein dröhnendes Lachen und seine gute Laune. Binnen Sekunden ertönt im Salon Gelächter. Er ist tatsächlich witzig.

Ich sehe dem Treiben belustigt zu und denke, dass inzwischen eigentlich nur noch Vonda ein Argument ist, nicht hier zu arbeiten.

Ein weiterer Anzugträger kommt herein. Auch er trägt eine Brille, aber… wow. Der Kerl ist genau meine Kragenweite. Interessiert und neugierig richte ich mich auf. Er bleibt einen Moment im Eingang stehen und sieht sich stirnrunzelnd um.

Danke, kann ich dich ein bisschen genauer angucken.

Ich schätze, er ist so eins achtzig oder ein, zwei Zentimeter mehr. Er ist schlank, wirkt aber sportlich. Keine Ahnung, woran ich das festmache. Der hellgraue Anzug sitzt wie maßgeschneidert. Ich bin ziemlich sicher, dass er das nicht ist. Der Träger hat nur die passenden Maße, um das Ding aufzuwerten. Einfache dunkelgraue Schnürschuhe - habe ich ewig an keinem Mann mehr gesehen.

Die Frisur ist perfekt geschnitten, klassischer Herrenschnitt, ohne langweilig zu sein. Liegt vielleicht auch daran, dass sich seine blonden Haare leicht wellen. Bei aller Ordnung schafft es eine Locke immer wieder, ihm in die Stirn zu fallen. Der Mann wischt sie mit einer ärgerlichen Handbewegung nach hinten, was der Haarsträhne ziemlich egal ist.

Kommen wir zum Gesicht.

Das Auffälligste sind die hellblauen Augen, die von hellen Wimpern umkränzt werden. Aufmerksam huschen sie durch den Raum. Wer ist der Mann? Wirkt nicht wie ein Kunde. Eher wie… Hm. Mir fällt kein passender Vergleich ein. Auf jeden Fall ist er das absolute Gegenteil eines Devils. Was ihn noch interessanter macht. Wenn jetzt auch noch die Stimme passt, schnapp ich mir den Mann und schleife ihn in mein Bett.

Wieder huscht mein Blick automatisch einem Kerl in den Schritt. Auch dieser Kerl merkt es und sieht mich mit unmerklich hochgezogener Augenbraue an, den Mund zu einem leicht spöttischen Lächeln verzogen.

Krieg dich ein, so hässlich bin ich nicht.

Eigentlich bin ich sogar ziemlich hübsch. Sagt nicht nur mein Spiegel oder meine Familie. Nein, selbst unser Neuzugang Emily sieht das so. Also muss es stimmen. Die Frau war Model, die kann das beurteilen.

Der Mann und ich haben uns ununterbrochen in die Augen gesehen, keiner will der sein, der zuerst wegguckt. Wer blinzelt, hat verloren. Wir machen das so lange, bis es anfängt aufzufallen. Die Gespräche verstummen. In die Stille hinein räuspert sich jemand. Mein Kopf dreht sich automatisch in die Richtung, Ende vom Wettkampf.

„Das ist die neue Mitarbeiterin, Mister Hollister“, sagt Trish und wird ein bisschen rot, während ihr Körper sich unbewusst in Pose schmeißt – sie streckt die Brust raus und fährt sich mit den Händen über die Hüfte.

Er ist der Chef? Dann wird das mit meinem Bett wohl nichts.

„Sie hat die ganze Zeit hier gesessen.“ Sie sieht ihn erwartungsvoll an. Will sie einen Keks für die Auskunft?

„Danke, Trish. Ich bin ja jetzt da.“

Man ist der herablassend, aber die Stimme ist wundervoll. Klar, etwas unterkühlt, aber trotzdem angenehm. Sofort brütet mein Gehirn ein Szenario aus, in dem diese Stimme mir lauter dreckige Sachen ins Ohr flüstert, während der Besitzer mich von hinten…

„Mein Name ist Anton Hollister.“ Okay, die dreckigen Fantasien dann später.

Ich stehe auf, ergreife seine ausgestreckte Hand – trocken, kühl, fester Griff – und stelle mich mit freundlichem Lächeln vor – ohne rot zu werden.

„Sunny Hagen.“

„Folgen Sie mir bitte.“ Wir gehen wieder nach hinten in das Büro.

Ich höre ein leises Seufzen und drehe mich nach dem Geräusch um. Wirklich alle Frauen sehen ihm mit verträumtem Blick hinterher. Ich bin anscheinend nicht die Einzige mit dreckigen Fantasien.

Er setzt sich und schlägt die Beine übereinander. Ich nehme den Stuhl gegenüber. Hollister verschränkt die Hände in seinem Schoß und sieht mich einen Moment ausdruckslos an.

„Meine Frau ist der Meinung, dass ich Sie nicht einstellen soll.“

Dem Tonfall nach zu urteilen, hat er sich noch keine Meinung gebildet oder es ist ihm völlig egal.

Nachdem, was Vonda über ihren Mann gesagt hat, habe ich ein unscheinbares Männchen erwartet, das Ja und Amen sagt und das sie pausenlos herumkommandiert. Der Typ vor mir könnte auch eine Großbank leiten und herumkommandieren lässt der sich bestimmt nicht.

„Hat sie gesagt, warum nicht?“ Wenn du nicht weißt, was du sagen sollst, stell erst einmal eine Gegenfrage.

„Was denken Sie?“

Okay, die Methode ist ihm auch bekannt.

Ich will 'keine Ahnung' sagen, aber das regt mich bei anderen immer wahnsinnig auf, also sollte ich es lassen und mir was überlegen. Versuchen wir es mal mit den Tatsachen.

„Hören Sie, Mister Hollister. Ihre Frau mag mich nicht, weil ich ihr ein bisschen auf die Füße getreten bin. Sowas kommt vor, aber ich habe mich für eine Stelle als Hairstylistin beworben und es ist nicht besonders sinnvoll, mit einer Nageldesignerin darüber zu reden.“

„Aha, das ist also der Grund, warum ich extra herkommen musste.“ Was ihn offensichtlich ankotzt. Wer weiß, wovon sie ihn weggeholt hat – vor ZWEI Stunden.

Kumpel, es ist dein Laden, solltest du da nicht ein bisschen mehr Interesse daran haben, wer eingestellt wird?

Du musst hier nicht arbeiten.

Das macht es augenblicklich besser.

„Brauchen Sie überhaupt eine neue Mitarbeiterin?“, frage ich misstrauisch.

Er nickt knapp. „Eine der Frauen hatte gestern ihren letzten Tag. Die anderen können das mit übernehmen, aber ich könnte eine Aushilfe gebrauchen.“

Großartig. Grandios. Ich darf ein blöder Springer sein, ohne feste Arbeitszeiten und ohne planbares Einkommen. Vielleicht sollte ich mich gleich nach was anderem umsehen.

Ich habe zwar nicht gerade ein gläsernes Gesicht, aber wenn ich voll in meinen Emotionen schwimme, achte ich nicht sehr darauf, ob man mir ansieht, was ich denke.

„Ich will ehrlich zu Ihnen sein. Der Laden hat meinem Vater gehört und ich habe ihn mehr aus Sentimentalität behalten.“

„Ich dachte, Sie wären Friseur?“

„Bin ich, arbeite aber seit Jahren nicht mehr in dem Beruf.“ Und was macht er dann mit seiner vielen Zeit?

Er mustert mich nachdenklich. „Würden Sie sagen, Sie sind vertrauenswürdig, Miss Hagen?“

Ich kann ihm nicht ganz folgen.

„Wenn ich Ja sage, entspricht das zwar der Wahrheit, aber das wissen Sie ja nicht. Sie kennen mich erst seit knapp dreißig Minuten.“

Um seine Lippen spielt ein Lächeln. „Allein diese Aussage spricht für Sie. Sagen Sie immer, was Sie denken?“

„Normalerweise ja. Erspart einem einen Haufen Missverständnisse.“ Er nickt zustimmend.

„Erzählen Sie etwas von sich. Sagen Sie mir, wer Sie sind, Miss Hagen.“ Hollister setzt sich bequemer hin und scheint sich auf längeres Zuhören einzurichten.

Ich zögere einen Moment, dann zucke ich mental mit den Schultern. Was habe ich zu verlieren?

„Was wissen Sie über Georgetown, Mister Hollister?“

„Nicht besonders viel. Nur das, was ab und zu in der Zeitung steht.“

Ereignisse, die es über die Stadtgrenze hinaus schaffen, wie zum Beispiel ein korrupter Polizeiapparat oder eine Auseinandersetzung zwischen Bikern und Dealern.

„Und was wissen Sie über Motorradclubs?“

„Ich habe keine Ahnung, worauf Sie hinauswollen, aber ich beantworte auch diese Frage. Nichts. Falls Sie übrigens irgendwann über sich sprechen wollen, lassen Sie sich nicht aufhalten.“

„Das gehört zusammen. Sie werden es gleich verstehen, versprochen.“ Ich sortiere kurz meine Gedanken und fange dann einfach mit dem an, was mir zuerst einfällt.

„Motorradclubs sind besser als ihr Ruf. Ein paar davon jedenfalls. Ich bin bei den Black Devils aufgewachsen.“ Eins seiner Augenlider zuckt. „Okay, von denen haben Sie also schon mal gehört. Und Ihrer Miene nach zu urteilen nichts Gutes.“

Er bedeutet mir mit einer Handbewegung weiterzureden.

„Die Black Devils sind eine große Gemeinschaft. Ehre bedeutet ihnen viel. Sie sind Brüder, die füreinander einstehen. Ich habe sie immer als eine einzige, riesige Familie gesehen.“

Er sieht skeptisch aus.

„Ich hatte eine wirklich schöne Kindheit.“

„Wieso sind Sie gegangen?“ Subtext: Wenn alles so großartig war.

„Biker haben einen sehr großen Beschützerinstinkt. Als Frau unterliegt man also gewissen Einschränkungen.“

„Das heißt?“

Und wie bitte, soll ich das erklären, ohne dass wir hier noch Stunden sitzen?

„Sie passen auf dich auf, sorgen dafür, dass dir nichts passiert, und gucken sich die Männer, mit denen du ausgehst, ziemlich genau an.“

„Klingt nach Käfig.“ Fühlte sich auch ein bisschen so an.

Ich zucke nur mit den Schultern. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen. Er wartet einen Moment. Da nichts weiter von mir kommt, spricht er weiter.

„Wie gesagt, ich kenne nur das, was in der Zeitung stand. Demnach verdient der Club sein Geld nicht ausschließlich mit legalen Geschäften.“

Hübsch ausgedrückt. Ich sage nichts und sehe ihn nur abwartend an.

Der Ansatz eines Lächelns wird sichtbar, verschwindet aber sofort wieder. Er nimmt seine Brille ab und jetzt habe ich uneingeschränkten Blick auf seine wirklich schönen, blauen Augen.

„Die brauche ich eigentlich nicht. Sie gehört nur zu diesem Teil meines Lebens“, sagt er und legt sie auf den Tisch. Guck an, es gibt verschiedene Teile? „Ich würde Ihnen gerne einen Handel vorschlagen, Miss Hagen.“

Ich senke bestätigend den Kopf, sage aber nichts.

„Ich vermute, Sie wissen, wie man Geheimnisse bewahrt.“ Obwohl es keine Frage ist, nicke ich. „Was ich Ihnen jetzt sage, muss unter uns bleiben.“

„Sicher.“ Er mustert mich noch einmal prüfend und gibt sich einen Ruck.

„Wie gesagt, das Friseurgeschäft ist nicht meine erste Wahl, aber es passt zu einem Leben in Cedar. Die Leute haben bestimmte Erwartungen an mich und ich habe nicht vor sie zu enttäuschen. Ich führe seit einem Jahr eine Bar. Etwas, das weder zu meinem Image noch zu den Vorstellungen meiner Mitmenschen passt. Aber, es ist das, was ich machen will. Wenn es heimlich geschieht, dann ist es immer noch besser, als ganz darauf verzichten zu müssen.“

Was ist an einer Bar so schrecklich, dass man es nicht erzählen kann?

„Die Menschen in Cedar sind sehr religiös. Meine Eltern haben mich da etwas offener erzogen, aber immer darauf bestanden, dass wir am Leben der Gemeinde teilnehmen. So hat man es mir beigebracht und so werde ich es weiter halten. Es ist ein Balanceakt, der nur funktioniert, wenn sich beide Leben so gut wie nicht berühren. Verstehen Sie?“

„Ich denke schon.“ Klingt nach vielen Lügen und ziemlich anstrengend. Aber, wenn er das so möchte, bitte schön.

„Kommen wir zum Handel. Ich habe das Gefühl, dass in meiner Bar irgendetwas nicht stimmt. Ich brauche jemanden, dem ich vertrauen kann und der sich unauffällig unter den Mitarbeitern bewegt.“

„Wir wissen zwar inzwischen etwas mehr voneinander, Mister Hollister, aber ist das tatsächlich genug, um mir zu vertrauen? Was ist das überhaupt für ein Job, den ich da machen würde?“

Er lehnt sich nach vorn, legt die Hände zusammen und sieht so ernst aus, dass ich ihm automatisch ein Stück entgegenkomme, um ja nichts zu verpassen.

„Zu dem Job kommen wir gleich, erst einmal meine Gründe, Sie ins Vertrauen zu ziehen. Erstens, Sie sind nicht von hier und haben damit keine familiären Bindungen oder andere Verpflichtungen, die Ihnen im Weg stehen. Richtig?“

„Richtig.“

„Zweitens: Sie können den Mund halten.“

Darauf will er gar keine Antwort. Er setzt es voraus, bei meiner Vorgeschichte. Womit er recht hat. Wenn ich ihm mein Wort gebe, ist das bindend. Dafür muss ich kein männliches Mitglied der Devils sein, das liegt mir im Blut.

„Und drittens, und das soll keine Beleidigung sein, erkennen Sie jemanden mit kriminellen Absichten vermutlich eher als ich.“

Für eine Nicht-Beleidigung ist das ganz schön grenzwertig. Aber ich weiß, was er meint.

„Sie wollen mich also als Spitzel einstellen“, sage ich und kann meine Abneigung nicht ganz verbergen.

„Nein. Ich will Sie als Kellnerin einstellen, falls Sie nicht zufällig Tresenerfahrung mitbringen, die Sie für eine Cocktailbar qualifiziert. Das andere wäre eine Nebenbeschäftigung.“

COCKTAILS! Ohne nachzudenken, platzt es aus mir heraus: „Ich bin genau die Frau, die Sie suchen.“

Das bezieht sich zwar auf die Cocktails, aber was soll's. Ein bisschen die Augen aufhalten, bekomme ich hin. Er nickt zufrieden, stützt dann die Ellenbogen auf den Tisch und das Kinn in die Hände.

„Hätten Sie ein Problem damit, sich etwas freizügiger anzuziehen?“

„Solange ich nicht nackt bin, nein.“

„Was können Sie?“

Da ich mich auf absolut sicherem Terrain befinde, grinse ich ihn selbstsicher an.

„Ich mixe Ihnen jeden verdammten Cocktail, den es auf der Welt gibt und noch ein paar, die ganz allein auf meinem Mist gewachsen sind, Sir.“

„Große Worte, Miss Hagen.“

„Ich kann das gerne beweisen.“

„Das werden Sie auch müssen, um nicht aufzufallen. Kommen Sie morgen, zehn Uhr, zu dieser Adresse.“ Er zieht eine Visitenkarte aus der Hemdtasche und reicht sie mir. Sie ist warm und fühlt sich dadurch an, als wäre sie lebendig.

Armory steht darauf und eine Straße. Kenne ich nicht. Aber ich kenne hier so gut wie überhaupt nichts, also ist das nicht überraschend.

„Murray wird es schon finden“, murmele ich.

„Das ist kein Gruppentermin, Miss Hagen“, höre ich eine strenge Stimme, die gar nicht mehr nach dem netten Mann von eben klingt, sondern einen stark an die Army erinnert.

„Was? Nein, nein. Keine Angst, ich komme alleine.“

„Und wer ist Murray?“

Ich lächle entschuldigend. „Mein Wagen.“ Klein und praktisch und ein Ziel ständiger Witze. Besonders die Farbe. Sie nennt sich Sorbet. Cash nennt ihn das „rollende Erdbeereis“. „Meine Schwägerin hat ihm den Namen gegeben. Sie würden ihr auch nicht widersprechen, glauben Sie mir.“

Blues Frog hat sie vermutlich inspiriert. Amys Gedankengänge sind nicht immer offensichtlich und normalerweise erklärt sie sie dir auch nicht. In dem Fall hat sie es getan. Murray ist das rote Monster aus der Sesamstraße. Nun ist Sorbet nicht unbedingt ein Rotton, aber das war Amy egal.

Ich stecke die Karte ein und stehe auf. „Wie sehen uns also morgen früh.“

„Habe ich gesagt, dass wir fertig sind?“, erkundigt er sich und klingt immer noch nach Drill-Sergeant.

„Nein, Sir. Wie konnte ich das nur glauben“, reagiere ich auf seinen Tonfall und lasse mich wieder fallen.

„Drei Tage zur Probe. Danach entscheide ich, ob Sie eingestellt sind. Sie können heute Nachmittag anfangen.“

Was? Ich denke… „Haben Sie nicht gesagt, wir treffen uns morgen früh?“

„Sie haben sich doch um eine Anstellung im Salon beworben, oder habe ich das missverstanden? Deswegen bin ich schließlich extra hergekommen.“

„Oh“, mache ich.

Entschuldige, dass ich deinen Gedankensprüngen nicht folgen kann. Ich war noch bei meinem Undercover-Einsatz.

Ich reiße mich zusammen, lächle ihn so strahlend an, dass es nur eine Verarschung sein kann, und sage: „Aber selbstverständlich, Sir. Bei wem soll ich mich melden?“

Dass ich das 'Sir' nicht ernst meine, sollte ihm mittlerweile aufgefallen sein. Allerdings tut er so, als wäre das völlig normal und er erwarte gar keine andere Ansprache.

„Lorna wird wissen, was zu tun ist. Danke, Miss Hagen.“

Der Herr ist fertig mit der Magd und sie darf gehen. Fast hätte ich noch einen übertriebenen Knicks gemacht, aber wahrscheinlich wäre auch das in seinen Augen normal.

„Ach, Miss Hagen?“ Ich drehe mich noch einmal zu ihm um. „Der Besitzer vom Armory ist nicht halb so nett wie der vom Salon Hollister. Spielen Sie einfach mit.“

Ich bin verwirrt und sehe zu, dass ich hier wegkomme. Erst mal auf den Friseurjob konzentrieren. Das mit der Bar werde ich morgen herausfinden. Wenn mir alles nicht gefällt, muss ich mich nicht darauf einlassen. Nicht auf den Salon und erst recht nicht auf die Sache mit dem Spionieren.

Sehr viel beruhigter mache ich mich auf die Suche nach Lorna.

KAPITEL 3

Ich hatte gestern einen guten Einstieg im Salon. Es lief alles reibungslos und die Kunden waren zufrieden. Lorna hat mich sogar gelobt und gemeint, dass sie sich sehr freuen würde, wenn ich bleibe, ich wäre ein Gewinn für den Laden. Sehe ich genauso.

Ich habe versucht, mehr über Hollister herauszufinden, aber außer viel Seufzerei und verträumten Blicken, habe ich nichts erreicht und ich wollte nicht zu neugierig erscheinen.

Melly sagte, ich hätte ihn in einem selten coolen Outfit gesehen und da könnte ich mich glücklich schätzen. Normalerweise trägt er Anzüge nur bei besonderen Anlässen. Außerdem seien mir alle Frauen dafür dankbar. Noch mehr, was zu meiner Verwirrung beiträgt. Was hat er denn sonst so an?

Sie haben mir auch ein paar Fragen gestellt, wo ich herkomme und zu meiner Familie, aber ich habe das meiste davon abgebogen. Meine Familie ist nicht wirklich das perfekte Thema für einen guten ersten Eindruck. Es genügt auch, wenn der Chef Bescheid weiß.

Ich liebe meine Familie und auch fast jeden der Devils. Aber wenn ich nach dem gehe, was ich bisher über Cedar weiß, sind sie hier ziemlich konservativ. Da muss man nicht als Erstes über einen Bikerclub reden, vielleicht nicht mal als Drittes oder Viertes. Möglicherweise auch nie. Wir werden sehen, wie es sich entwickelt.

So begeistert wie sie von Mr. Hollister schwärmen, so unbegeistert sind sie, wenn es um Mrs. Hollister geht. Ich bin nicht die Einzige, die nichts von der Frau hält. Sie ist hundertprozentig unbeliebt. Das muss man auch erstmal schaffen. Sie ist die Chefin, dem Namen nach, und er derjenige, der die wichtigen Entscheidungen trifft, aber so gut wie nie hier ist. In Wirklichkeit schmeißt Lorna den Laden.

Ist vielleicht weniger seltsam, als ich denke. Meine Chefin in Georgetown war Inhaberin, ständig vor Ort und absolut vernarrt in ihren Salon. Kann auch sein, dass ihr Benehmen eine Ausnahme ist. Falls ich den Barjob bekomme, wäre es aber ganz gut, hier zu arbeiten. Dann kommt es zu keinen Reibereien wegen sich überschneidender Arbeitszeiten und ich muss niemanden groß was erklären.

Erstmal muss ich den Job kriegen. Aber da mache ich mir keine großen Sorgen. Cocktails sind mein Leben und ich habe eine Menge Erfahrung am Tresen. Wenn du mit betrunkenen Bikern klarkommst, hast du den Härtetest bestanden und es gibt nicht mehr viel, was dich aus der Fassung bringt. Ich habe ein paar Mal im „snob appeal“ ausgeholfen, das war dagegen ein Kinderspiel.

Während Murray die Straße lang tuckert, erstelle ich eine Liste, welche Cocktails ich machen werde, um den Chef so richtig zu beeindrucken. Obwohl das vielleicht gar nicht nötig ist, immerhin braucht er mich und ich darf nur nicht völlig versagen. Von überragenden Leistungen war nicht die Rede. Dem steht allerdings mein Ehrgeiz im Weg. Ich will nicht nur gut sein, ich will ihn umhauen.

Nach einer halben Stunde bin ich endlich da. Das „Armory“ liegt am Stadtrand, beinahe außerhalb, am Ende einer Ansammlung von Hallen und ein paar Werkstätten. Ich wüsste gerne, welchen Grund das hat. Zu laut? Preiswertere Miete? Oder, ist es tatsächlich nur der Versuch, unerkannt zu bleiben. Wer sagt mir, dass er nicht selbst in finstere Machenschaften verwickelt ist?

Und wieso braucht er dann eine Spionin?

Viele Fragen und niemand da, der sie mir beantwortet.

Dad hat mich wirklich gut erzogen, aber ich habe auch gelernt, dass man zuallererst davon ausgehen muss, dass alle Menschen lügen und die meisten was zu verbergen haben. Er nennt das eine 'gesunde Portion Misstrauen'. Jillian behauptet, an Misstrauen wäre nie etwas gesund, aber um an meiner Einstellung noch etwas zu ändern, tauchte sie leider zu spät bei uns auf.

Ich stelle mein Auto in der Nähe des Eingangs ab und steige aus. Auf den ersten Blick nichts Besonderes, sogar eher unauffällig. Genauso schmucklos wie die Hallen drumherum.

Ich steige drei Stufen hoch, öffne die schwere Tür und trete ein.

Der Raum ist groß, die Hälfte davon wird durch einen kreisrunden Tresen dominiert, der sich genau im Zentrum befindet. Dunkles Holz, Messing und viel Glas. In der Mitte ist eine viereckige Säule voller Regale. Getränke, Endlosreihen mit Gläsern und Flaschen ziehen sich rundherum. Dazwischen Fernseher.

Ich zähle insgesamt vier große Bildschirme. Ist das eine von diesen Sport-Bars? Wäre nicht so mein Geschmack. Ich habe keine Ahnung von Sport und die Baseballleidenschaft der meisten, kann ich erst recht nicht teilen – zu wenig Action.

Die restliche Einrichtung gefällt mir, gemütliche Sitzgruppen mit rotem Samtbezug. Platz für sehr viele Gäste. Wenn das voll wird, hat man gut zu tun.

Eine zuschlagende Tür reißt mich aus meinen Betrachtungen. Ein gut aussehender Typ, Ende zwanzig, dunkelhaarig und dunkeläugig, mit einem Bartschatten, der ihm was attraktiv Gefährliches verleiht, kommt direkt auf mich zu.

„Ich bin Rob und du bist vermutlich Sunny. Der Boss hat gesagt, dass du heute kommst. Hab den anderen schon Bescheid gesagt. Wir sind sehr gespannt.“

Den anderen? Verdammt, ich hatte mit Hollister gerechnet, nicht mit irgendwelchen anderen.

„Wie viel Publikum kriege ich denn?“

Er grinst. Macht ihn noch attraktiver. Was er weiß.

„Den Boss, mich, ein paar von den Kellnern und natürlich die Mädchen“, sagt er zwinkernd. Welche Mädchen? Man sieht mir meine Unwissenheit an, denn Rob beginnt zu lachen. „Der Arsch hat dir nichts gesagt, oder?“

Falls er Hollister meint, dann Nein. Er scheint ja sehr vertraut mit dem Boss zu sein. Ich sollte aufpassen, was ich sage. Hinter einer netten Fassade kann sich Erschreckendes verbergen. Man denke nur an Mateo. Der war ein wirklich schöner Mann und abgrundtief böse. Schönheit liegt bei denen in der Familie. Ich habe die Eltern nie gesehen, aber die Brüder sind absolut atemberaubend. Das kann man ruhig wörtlich nehmen. Als ich das erste Mal einem von ihnen begegnet bin, habe ich kein Wort rausgekriegt, was bei mir was heißen will.

Ich kenne keinen von ihnen wirklich. Mit Sebastian habe ich ein paar Worte gewechselt. Mit Nicolas ein paar mehr. Aber nichts, was man als echte Unterhaltung bezeichnen kann. Die Jungs fallen unter Clubbusiness und damit in Dads Zuständigkeit. Ich bin die, die das Bier bringt. Gebracht hat. Jetzt bin ich ja meine eigene Herrin. Also, ich arbeite daran, es zu werden.

„Was hätte er mir denn sagen sollen?“, gehe ich endlich auf Robs Frage ein.

„Die Bar ist nicht das, womit wir das meiste Geld verdienen. Der Club bringt die Kohle.“ Er zeigt auf eine Tür am Ende, die mir gar nicht aufgefallen ist. „Da geht es weiter. Nur für Mitglieder.“

Das ganze Ding ist sowieso ein 'privater Club', was anderes erlauben die Alkoholgesetze in Utah gar nicht. Als Trinkwilliger kaufst du dir eine Mitgliedschaft für den Zeitraum, der dir gefällt und schon ist das kein Problem mehr.

Die meisten Leute in Utah trinken Bier, so eine Bar wie das „Armory“ ist also ganz schön mutig, besonders, wenn man bedenkt, dass man nur von 10 bis 1 Uhr Alkohol verkaufen darf. Das ist das Problem, wenn du in einem Staat wohnst, der von Mormonen „beherrscht“ wird. Wäre mal interessant zu erfahren, wie er das hinbekommen hat. Soweit ich weiß, hat die Bar nämlich bis drei auf.

„Gallagher, wer hat dir erlaubt, Familiengeheimnisse auszuplaudern?“ Der Boss ist da. Er klingt nicht wirklich sauer, aber auch nicht gerade glücklich. „Falls Miss Hagen ein Teil des Teams wird, werde ich ihr rechtzeitig alles erklären.“ Die Betonung liegt auf 'falls' und 'rechtzeitig'. „Zeig ihr, wo alles liegt. Sie haben zehn Minuten, um sich vorzubereiten, Miss Hagen.“

Keine Begrüßung und wieder ein Befehl. Das ist es also, was er mit 'Der Besitzer vom „Armory“ ist nicht halb so nett wie der vom Salon Hollister' meinte.

„Mach dir nichts draus, so ist er eben“, flüstert mir Rob auf dem Weg zum Tresen zu. „Die Mädchen behandelt er besser, aber die sind ja auch die, die den Umsatz bringen.“

Die Mädchen also. Und für was hält er mich?

„Du bist dann die einzige Frau an der Bar. Wir arbeiten umschichtig in Zweierteams. Darüber reden wir, wenn du eingestellt bist. Mit dem Club wirst du vermutlich nichts zu tun haben. Da gibt es eine feste Besetzung, außer es wird mal jemand krank oder so.“

Junge, du redest ganz schön viel und trotzdem sind es zu wenige Informationen.

„Welche Zutaten brauchst du?“, besinnt er sich plötzlich wieder auf den Zweck meiner Anwesenheit. Ich drücke ihm meine Zutatenliste in die Hand - ich bin vorbereitet, jawohl -, und suche mir die passenden Gläser zusammen.

Zuerst ein Standardgetränk – Whiskey Sour. Dafür braucht man fünf Minuten und es ist absolut einfach. Jetzt, da ich weiß, dass ich auch Eindruck auf Frauen machen muss, beschließe ich, was Buntes zu servieren und dann noch was, worauf Männer stehen – White Russian. Drei sollten reichen, um nachzuweisen, dass ich was kann. Hochkonzentriert staple ich alles auf ein Tablett.

Den Geräuschen in meinem Rücken nach zu urteilen, finden sich gerade alle Zuschauer ein. Also drehe ich mich um und sehe nach, wer das so ist.

Oh, wow, zehn Leute, davon nur drei Frauen, in meinem Alter oder jünger. Der Laden öffnet in einer Stunde, deshalb sind vermutlich alle da, die heute arbeiten müssen.

Wir sparen uns die Vorstellerei. Hollister sieht ungeduldig aus, was sein „Fangen Sie endlich an“ noch unterstreicht. Kann der nicht ein bisschen höflicher sein? Ich stelle mein Tablett genau vor ihm ab und reihe schnell die Gläser auf.

Rob bleibt neben mir stehen und beobachtet genau, was ich tue. Ich blende ihn so gut wie möglich aus und lege los. Da ich was gegen die raschelnde Stille habe, fange ich einfach an zu reden.

„Ein Cocktail ist nicht irgendwas, mit dem man sich besäuft. Er muss zur Stimmung des Gastes passen. Was aus einem Barmann oder einer Barfrau automatisch sowas wie einen Therapeuten macht. Mal ganz abgesehen davon, dass sich unsereiner einen ganzen Haufen Zeug anhören muss und ab und zu auch mal um einen Ratschlag gebeten wird.“

Aus den Augenwinkeln sehe ich Rob nicken. Auf Hollisters Stirn bildet sich eine Falte. Ich habe ihn überrascht. Ich grinse breit in die Runde und suche nach einem Verbündeten. Da, eines der Mädchen sieht neugierig aus und lächelt.

„Ehrlich“, spreche ich sie direkt an. „Ich habe Dinge gehört, die hätte derjenige in nüchternem Zustand garantiert nicht gesagt. Wer will schon erfahren, dass die dreihundert Pfund schwere Gattin des nicht weniger schweren Gastes wie ein Hund jault, wenn sie kommt?“

Damit habe ich sie. Die Männer, außer Hollister natürlich, lachen und die Frauen kreischen begeistert.

Der erste Drink ist fertig. Ich stelle ihn vor dem Boss ab. Der schiebt ihn seinen Nebenmann zu. Das beleidigt mich ein bisschen, aber ich tue so, als wäre es unwichtig und mache weiter. Was mit Sahne in Pink für die Damen. Rob reicht mir hilfreich ein Schirmchen und ein Stück Ananas. Aus uns könnte ein gutes Team werden. Weiter im Text.

„Ich habe mal was kreiert, das ich Todesmischung genannt habe. Es ist schwarz und haut dich um. Nichts für Alkoholneulinge. Wenn du ein Glas davon intus hast, bist du gut drauf. Nach einem zweiten ist dein Abend wahrscheinlich vorbei.“

So mache ich weiter, reden, mixen, lächeln. Währenddessen versuche ich auch noch, mir eine Meinung von meinen „Gästen“ zu bilden. Richtergremium würde es wohl besser treffen. Von rechts nach links haben wir da das Mädchen, das mich angelächelt hat - eine zierliche Blondine mit beeindruckendem Vorbau -, danach eine Rothaarige, gefärbt vermutlich und eine rassige Dunkelhaarige. Nette Farbauswahl. Alle drei sehen verdammt gut aus, sind aber auf den ersten Blick total unterschiedlich. Nicht nur, was die Haarfarbe betrifft.

Ziehe ich Hollister ab, bleiben noch sechs weitere Männer. Gutes Aussehen scheint Voraussetzung zu sein, um hier zu arbeiten. Mein erster Eindruck kategorisiert sie der Reihe nach als 'den Inder', den 'Italiener', den 'Nordmann', den 'Surferboy', den Typen, der einem mit seinen Grübchen alles verkaufen kann, und Mr. Big and Beautiful – scheint groß zu sein, hat zumindest echt breite Schultern.

Hollister hebt sich von ihnen durch sein Auftreten genauso ab wie durch sein 'Banker, oberes Management' Aussehen. Ich kann mir einen kurzen bewundernden Blick nicht verkneifen.

Bart scheint verpönt zu sein, genauso wie lange Haare. Zumindest sind die Exemplare hier gut rasiert und frisch gekämmt. Da sie alle das Gleiche anhaben, gehe ich davon aus, dass es sich um vorgegebene Arbeitskleidung handelt – weißes Jackett, schwarzes Hemd, die oberen zwei Knöpfe offen. Da das bei allen identisch ist, halte ich auch das für eine Arbeitsanweisung.

Die Mädchen sind dagegen unterschiedlich gekleidet. Einzig verbindendes Element – verdammt sexy.

Ich stelle den fertigen Cocktail vor der Dunkelhaarigen ab. Sie hat so eine 'Ich bin die, nach der sich alle richten' Ausstrahlung. Mein Gefühl irrt sich selten.

„Keine Todesmischung, eine erweiterte Piña colada“, erkläre ich ihr. Die ist normalerweise nicht pink, aber dann hat sie eine ungefähre Vorstellung von dem, was sie erwartet.

Sie nickt knapp, womit sie Hollister Konkurrenz machen könnte, und betrachtet das Glas so vorsichtig, als hätte ich ihr Gift angeboten.

Trink es oder lass es, Lady. Nächstes Getränk.

Der White Russian. Den hatte ich sowieso geplant, also hat Rob dafür gesorgt, dass alle Zutaten da sind. Er hat sogar schon die Sahne vorbereitet, ein echt guter Teamplayer. Er könnte mich ja auch auflaufen lassen. Obwohl, warum sollte er?

Wodka, Kaffeelikör und Eiswürfel ins Glas, dann lasse ich die noch flüssige Sahne über den Rücken des Barlöffels laufen. Die Schichten dürfen sich nicht vermischen, sonst war alles umsonst. Es schmeckt dann natürlich noch, sieht aber nicht so gut aus.

Nebenbei erzähle ich, dass es das Lieblingsgetränk vom Dude ist und nun entspinnt sich eine Diskussion zum Thema Film, beginnend natürlich mit „The big Lebowski“. Sein White-Russian-Rezept ist zwar ein wenig anders, aber ich denke nicht, dass das jemandem am Tresen auffällt.

Diesmal stelle ich das Glas mit Nachdruck vor Hollister ab und sehe ihm herausfordernd in die Augen.

Wage es ja nicht, auch den Drink zu verschenken.

Er wagt es und das sogar mit einem Grinsen. Der Mann ist ein Arschloch, das ändert sich auch nicht mehr. Im Salon fand ich ihn eigentlich ganz sympathisch. Wie er selbst sagte, das darf ich hier nicht erwarten. Seltsames Benehmen.

„Bisher ganz nett“, sagt er. „Erhöhen wir mal den Schwierigkeitsgrad. Jeder, der noch kein Getränk hat, sucht sich eins aus und Sie werden es so schnell wie möglich zubereiten.“

Auch wenn ich es nicht gern zugebe, es ist die beste und sinnvollste Methode, um zu sehen, wie und ob ich mit Stress klarkomme und ob die drei Rezepte die einzigen sind, die ich beherrsche.

Na dann mal los.

„Meine Herrschaften, Ihre Wünsche bitte.“

Schon prasselt es von allen Seiten auf mich ein. Bloody Mary für Rob – ich wusste nicht, dass der mitspielen darf -, komplizierter als man glaubt. Cuba Libre, eher simpel. Mojito, Sazerac – kommt da jemand aus New Orleans? -, Jack and Coke, Gin Tonic, Manhattan und … Martini für Hollister. War ja klar, er hält sich für James Bond.

Damit beginne ich natürlich. Ich frage nicht nach, er bekommt ihn „geschüttelt, nicht gerührt“, was ihm tatsächlich den Ansatz eines anerkennenden Lächelns entlockt.

Nach einer knappen halben Stunde sind alle versorgt. Jetzt warte ich auf das Urteil. Rob legt mir beruhigend die Hand auf den Arm. Ich lasse ertappt den Eiswürfel fallen, mit dem ich gespielt habe, und sehe ihn an.

'Also ich bin begeistert', sagt er tonlos und grinst.

„Eure Meinung?“, fragt Hollister halblaut.

Big and Beautiful fängt an. „Sehr gut, Sir.“

Wie ich es mir dachte, es ist normal ihn mit 'Sir' anzusprechen. Ohne Absicht etwas richtig gemacht. Passiert mir auch nicht oft.

Jeder gibt seine Wertung ab, die in maximal zwei Wörtern besteht, aber übereinstimmend positiv ausfällt. Als alle erwartungsvoll Hollister ansehen, weiß ich, dass allein sein Urteil eine Rolle spielt, egal was der Rest sagt. Wieso fragt er sie dann überhaupt?

Er leert sein Glas und ich sehe ihm gebannt zu – genau wie alle anderen. Er sollte in die Politik gehen oder ins Showbusiness. Ohne etwas zu tun, ist er der Mittelpunkt, und das liegt nicht daran, dass er der Chef ist. Der Mann hat Charisma und davon verflucht viel. Das fällt hier viel mehr auf als bei unserem anderen Gespräch.

Hollister stellt sein Glas ab, macht eine Kunstpause, sieht mich nachdenklich an und sagt dann: „Sie arbeiten vorerst mit Rob, ein Abend zur Probe, dann sehen wir weiter. Alicia?“