Gut genug! - Kate Bowler - E-Book

Gut genug! E-Book

Kate Bowler

0,0

Beschreibung

Du wolltest eigentlich so viel mehr vom Leben, wolltest glücklicher, gesünder, reicher sein - bist es aber nicht. Und dieses Gefühl wird noch verstärkt durch das, was die sozialen Medien, deine Gemeinde oder auch deine Familie und Freunde zu dir sagen: "Streng dich doch mehr an." "Mach es besser." "Holst du wirklich alles, was möglich ist, aus deinem Leben und deinem Glauben raus?" Wir leben unter der Bürde, es vermeintlich immer noch besser machen zu müssen. Dieses Buch hilft dir mit seinen 40 Andachten dabei, inmitten der Herausforderungen des Alltags nach Schönheit, Sinn und Wahrheit Ausschau zu halten. Denn: Wir können lernen zu glauben, dass wir gesegnet und beschenkt sind. Wir können anfangen, uns weniger allein, weniger beurteilt und dafür geliebter zu fühlen. Nämlich dann, wenn gut ... gut genug ist.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 247

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über die Autorinnen

Kate Bowler ist gebürtige Kanadierin und lebt mittlerweile mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn in North Carolina in den USA, wo sie Dozentin an der Duke Divinity School ist. Außerdem betreibt sie mit ihrer Co-Autorin Jessica Richie den erfolgreichen Podcast „Everything Happens“, der nach ihrem New York Times-Besteller „Everything Happens For A Reason“ benannt ist.

Jessica Richie ist Produzentin und Autorin. Sie arbeitet eng mit Kate Bowler in deren „Everything Happens“-Organisation zusammen und ist in diesem Rahmen auch Gastgeberin des gleichnamigen Podcasts. Sie hat einen Master in Theologie und lebt mit ihren beiden Hunden in North Carolina.

Für diejenigen, die mich zurück ins Leben

geliebt haben,

als ich kein Licht mehr sehen konnte.

Kein Dank an euch ist groß genug.

Jess

Für Jessica, die jeden verrückten Traum

wahr werden lässt. Lass uns einen Zoo eröffnen.

Kate

Inhalt

Vorwort

1Regula

2Absurde Erlebnisse halten uns über Wasser

3Trauern um das, was hätte sein können

4Funkelnde Dinge

5Einen guten Tag gestalten

6Kleine Taten, große Liebe

7Schlafen während der Arbeit

8Wenn Gutes zur Last wird

9Das Fundament

10Wenn du erschöpft bist

11Glücklich genug

12Direkt, nachdem es vorbei ist

13Regeln helfen

14Für diejenigen, die nicht dazugehören

15Tragödien-Olympiade

16Das Schlimme

17Raus aus der Tretmühle

18Hallo und auf Wiedersehen

19Ohne jeden Grund

20Echt werden

21#Blessed

22Lieben, was ist

23In Bezug auf Enttäuschung ehrlich sein

24Bumerang der Freundlichkeit

25Gib es auf

26Sag: „Kartoffel!“

27An meinen Körper

28Mittelmäßigkeit ist super

29Die Bürde der Liebe

30Zuflucht

31Magische Augenblicke konservieren

32Seilbahngebete

33Der Preis des Kümmerns

34Das Realityshow-Evangelium

35Wenn einem die Worte fehlen

36Nachts um zwei – mittags um zwei

37Das Dazwischen

38Zu wenige Spatzen

39Strahlende Hoffnung

40Der gute Gärtner

Um die … 40

Vorwort

Wenn man durch seine sozialen Medien durchscrollt, wird einem eines gleich ganz deutlich – ein perfektes Leben ist möglich. Da gibt es keine Diskussion. Denn es ist dort doch offensichtlich, dass andere Leute ein wunderschönes, glückliches und völlig müheloses Leben führen. Ja, es ist sogar peinlich, selbst nicht zu diesen Menschen zu gehören.

Benutze diese Feuchtigkeitscreme. Nimm noch ein paar Kilo mehr ab. Lächele die Kassiererin im Supermarkt an. Hast du dieses Jahr auch wirklich zehn Prozent deines Einkommens für gute Zwecke gespendet? Deine Oma müsste dringend mal wieder eine Karte bekommen. Hast du deinem Vater wirklich vergeben? Dein Postfach quillt über. Was? Du hast dein Studium gar nicht abgeschlossen? Die Wahrscheinlichkeit, dass du die Fotos deiner Kinder noch nicht zu einem Fotobuch zusammengestellt oder wenigstens Abzüge in ein Album eingeklebt hast, beträgt 99 Prozent. Und was ist eigentlich mit deinem Dispo? Dein Partner findet dich egoistisch. Holst du wirklich alles, was möglich ist, aus deinem Leben raus?

Und damit sind die richtig heftigen Sachen noch gar nicht zur Sprache gekommen. Du hast ihn betrogen. Oder er dich. Oder du findest einfach nicht den Menschen, mit dem du dein Leben teilen möchtest – und kannst auch selbst nicht dieser Mensch für jemand anderen sein. Du trinkst wieder und es fällt langsam auf. Die Ausbildung oder der Job, in dem du gerade steckst, erweist sich zunehmend als Sackgasse. Die Sucht deines Teenagers frisst dich bei lebendigem Leib auf. Deine Mutter wird dement, und es ist einfach mühselig und macht traurig, sich um sie zu kümmern. Du wolltest eigentlich so viel mehr vom Leben, wolltest glücklicher, gesünder, reicher, bodenständiger sein – bist es aber nicht.

Wir leben unter der Bürde des Perfektionierungs-Paradigmas. Streng dich noch mehr an. Mach es besser. Andere Leute sind schon auf der Ziellinie.

Einer der größten Widersprüche des Christentums ist die Betonung der Aussage, dass zwar Verbesserungen zu erreichen sind, aber keine Vollkommenheit. Nur Jesus allein ist vollkommen. Trotzdem werden wir aufgefordert – immer und immer und immer wieder – zu versuchen, so vollkommen zu werden wie Jesus. Im stetigen Takt des Trommelschlags der Perfektionierung sollen wir uns immer weiter Gott annähern.

Es gibt Glaubenstraditionen, Denominationen und Institutionen, die in der Diskussion darüber, wie vollkommen wir Menschen überhaupt werden können, zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Manche Denominationen wie beispielsweise die Lutheraner und Südlichen Baptisten in den USA beharren auf der Rechtfertigungslehre, die besagt, dass Jesu Tod und Auferstehung uns rettet. Und ich meine wirklich, uns rettet. Wir waren nichts. Haben es zu nichts gebracht. Und dann: zack! Sobald wir glauben, rettet Gott uns von unserer angeborenen Zerbrochenheit. So wie es der nordafrikanische Bischof Augustinus ausdrückt: „Non posse non peccare. Durch den Glauben, und nur durch den Glauben, sind wir erlöst von dem Unvermögen, nicht zu sündigen.“

Andere Denominationen wie beispielsweise die der Katholiken, Methodisten und Pfingstler sagen: „Das stimmt zwar, aber das ist nur der Anfang.“ Von Gott errettet worden zu sein, ist erst der Beginn eines Weges der Heiligung – des Weges, auf dem Gott uns verändert – und vielleicht kann man auf diesem Weg sogar nahezu vollkommen werden. Das wird geschickterweise als „christliche Vollkommenheit“ bezeichnet, und dabei werden Fortschritte nicht nur einfach erwartet, sondern manchmal sogar garantiert.

Und dann gibt es all diejenigen, die in tiefen Zügen aus der Quelle der modernen Selbsthilfekultur trinken. Sie nehmen eine kostbare Tatsache über den Glauben – dass wir Gott näherkommen und immer mehr Mensch werden können – und wandeln sie in eine kapitalistische Aufforderung um. ALLES ist möglich, wenn du an diesem Seminar teilnimmst! Oder dieses Serum kaufst! Oder dir jene Angewohnheiten aneignest! Diese Art des Perfektionismus folgt der Argumentation, dass wir zu einem entsprechenden emotionalen, mentalen und körperlichen Preis alle unsere Ziele erreichen können, und wenn das nicht der Fall ist, dies ausschließlich an unserem „geringen Selbstwertgefühl“ liegt. Uns geht es gut! Nein, besser noch: Wir sind perfekt, so wie wir sind. Schau in dich hinein. Du musst gar nicht gerettet werden. Alles, was du brauchst, hast du bereits in dir.

Aber was von alldem stimmt denn nun? Sind wir schrecklich? Sind wir perfektionierbar? Oder sind wir schon perfekt?

Als Autorinnen dieses Buches bilden wir uns nicht ein, jahrhundertelange Debatten von Christen über die Frage, wie gut wir sind, beenden zu können, es sei denn, wir sind davon überzeugt, dass die Wahrheit irgendwo zwischen den beiden Polen – alles und nichts – liegt. Vollkommenheit ist nicht möglich, Veränderung aber schon. Wir können uns ein bisschen verändern, wenn wir es wirklich wollen.

Und das ist die Wahl, die wir jeden Tag aufs Neue haben, und zwar von dem Augenblick an, in dem wir morgens aufwachen. Dabei reicht gerade ausreichend viel Antriebskraft, um uns nach einem Glauben auszustrecken, der nie perfekt ist, aber immer gut genug.

(Und, liebe Leserin und lieber Leser, bitte denkt daran, dass wir Humor haben. Wir müssen jedes Mal lachen, wenn wir gut genug beschreiben als etwas, das auch ein ganz zartes Nimm’s-nicht-allzu-wichtig beinhaltet. Wir lieben Gott – wirklich –, aber uns ist auch klar, dass wir in nächster Zeit nicht in ein Kloster eintreten werden und uns, in Anbetracht des Umstandes, wie viel Netflix wir gucken, einen vernünftigen geistlichen Plan überlegen müssen).

Welche Art von Glauben ist gut genug?

Ein Glaube, der gut genug ist, sorgt für eine bestimmte Art von Lebensrhythmus, um ihn lebendig zu erhalten. Dabei geht es nicht darum, Heiligung in 7 Schritten zu garantieren. Er soll uns vielmehr daran erinnern, dass Nähe zu Gott nicht nur eine Frage des Glaubens ist, sondern dass diese Nähe auch in kleinen Taten und Verhaltensweisen zum Ausdruck kommt, die wir in unserem Alltag praktizieren können.Ein Glaube, der gut genug ist, versucht nicht, das Unmögliche zu schaffen. Wir können nicht jedem alles sein. Oft genügen wir ja nicht einmal uns selbst. Wir sind eben Menschen.Ein Glaube, der gut genug ist, hält Ausschau nach Schönheit und Wahrheit in dem, was möglich ist. Und nein, nicht alles ist möglich, aber wir suchen danach an den Stellen, wo wir die Chance sehen, ein wenig mehr davon zu finden.

Wenn du dich jetzt auf diesen Weg begibst, dann merkst du vielleicht, dass du dem Perfektionierungs-Paradigma doch stärker folgst als du gedacht hast.

Anzeichen dafür, dass du dem Perfektionierungs-Paradigma folgst

Du vergleichst dich mit anderen und malst dir aus, dass dein zukünftiges Selbst auch so fantastisch sein wird in (hier eine besonders großartige Sache einfügen, die an dir bewundert werden soll).Du bist von dir selbst total gefrustet, wenn du nicht in der Lage bist, eine bestimmte Sache durchzuhalten.Du hältst dich zu lange in der Ratgeberabteilung der Buchhandlung auf und fragst dich, ob es nicht doch einen Geheimtipp gibt, wie man sich verbessern kann.Du bist verwirrt, weil du nicht so genau weißt, ob Glaube nicht eigentlich etwas sehr Privates ist, das man nur mit sich allein ausmacht. Nein, ist er nicht. Du bist ein Gemeinschaftsprojekt.

Wahrheiten, die dazu anregen könnten, noch mehr zu lieben

Wir sind für wechselseitige Beziehungen geschaffen.Wir sind zerbrechlich … und alle anderen auch. Wir können aber lernen, ganz wunderbar in unserem eingeschränkten Körper zu leben.Ja, unser törichtes, unvollkommenes, ganz normales Leben kann heilig sein.Das Leben wird dir auf jeden Fall das Herz brechen, und es ist nicht so, dass etwas mit dir nicht stimmt, wenn dir das klar ist.Manchmal sind Freude und Lachen und Absurdität genau die Medizin, die wir brauchen; aber wir brauchen auch richtige Medizin. Richtige Medizin ist unerlässlich.

Wenn unser Leben aus der Bahn geworfen wird, glauben wir oft, dass wir selbst das Problem sind. Doch in Wirklichkeit liegt so vieles völlig außerhalb unserer Kontrolle. Wir werden krank. Eine Freundin stirbt. Das Herz des Babys hört auf zu schlagen. Der finanzielle Druck ist unerträglich. Wir müssen lernen, auch mit einem Leben zurechtzukommen, das womöglich nicht perfektionierbar ist.

Auf die eine oder andere Weise können wir uns das Leben, das wir führen, vielleicht nicht leisten – emotional, geistlich, finanziell oder alles drei. Und vielleicht ist ein anderes, ideales, erfolgreiches – ein besseres Leben – nun mal gerade nicht in Sicht.

Und was dann?

Wir hoffen, dass wir in diesem Buch den Raum zwischen Verzweiflung und Hoffnung, zwischen dem Glauben, dass alles möglich ist, und dem, dass nichts mehr geht, herausarbeiten und gestalten können.

Wir halten Ausschau nach Schönheit, Sinn und Wahrheit mitten in einem Leben, das sich vielleicht nicht so entwickelt, wie wir es uns vorgestellt hatten. Wir können ein Leben haben, in das Gott hereinbricht und uns überrascht. Wir können lernen zu glauben, dass wir gesegnet und beschenkt sind, und zwar egal, wie unser Leben in den sozialen Medien oder beim Klassentreffen rüberkommt.

Wir können anfangen, uns weniger allein, weniger beurteilt und dafür geliebter zu fühlen, wenn gut … gut genug ist.

So kannst du dieses Buch nutzen

Es folgen jetzt um die vierzig kurze Texte, die dazu gedacht sind, sie morgens bei deinem ersten Kaffee zu lesen oder wenn du im Auto auf Kinder wartest, die abgeholt werden müssen, oder während du vor dem Einschlafen versuchst, deinen Partner zu ignorieren. Du kannst die Texte der Reihe nach lesen oder auch durcheinander. Du kannst aber auch in den vierzig Tagen der Passionszeit jeweils ein Kapitel pro Tag lesen. Zu jedem Text gehört ein Gebet oder Segen, weil wir daran glauben, dass man Menschen aus dem Mist, mit dem sie sich grade rumschlagen, hinaussegnen kann, und weil es ganz so aussieht, als könntest du das brauchen. Außerdem gibt es zu jedem unserer Texte noch eine Art Praxis-Impuls – einen Schritt zum Gut-Genug, der dich dazu anstupsen soll, aktiv zu werden und tatsächlich etwas zu tun. Nein, nicht alles lässt sich ändern. Aber ja, es gibt ein paar Dinge, die man tun kann, um sich ganz langsam in Richtung eines tieferen, intensiveren und vor allen Dingen authentischeren Glaubens zu bewegen.

Also, lass uns anfangen. Aber bevor es losgeht, hier noch ein Segen für dich, meine Liebe, bevor du jetzt diesen erfreulichen Weg zum Mittelmaß – und ja, zur Unvollkommenheit – beginnst.

Ein Segen für einen mittelmäßigen Weg

Glücklich bist du, der klar wird, dass einfach nicht genug Zeit, Geld, Ressourcen vorhanden sind.

Glücklich bist du, die du es leid bist, so zu tun, als ob pure Anstrengung der geheime Weg zur Perfektion wäre. Das ist sie nämlich nicht. Und das weißt du mittlerweile.

Glücklich bist du, die eine sanfte Erinnerung daran braucht, dass heute, in diesem Moment, Gott da ist und dass das irgendwie gut genug ist.

1

Regula

Es gibt dieses bestimmte, ganz besondere Gefühl, wenn wir mit etwas Neuem beginnen möchten. Da war ein Funke, der eine winzige Flamme entfacht hat. Es entsteht eine Art Sehnsucht oder Erkenntnis. Wir hoffen auf mehr, wissen aber nicht immer, wo wir anfangen sollen.

Und wenn wir aufmerksam sind, merken wir, dass dieses Gefühl geistliche Hoffnungen weckt. In einem stillen Moment. In einem Augenblick ehrfürchtigen Staunens. Manchmal auch in einer Zeit schmerzlicher Leere. Wir merken, dass wir mehr wollen.

Geistlicher Hunger ist, genau wie andere Arten von Sehnsucht, eher flüchtig. Hallo! Und auf Wiedersehen! Schon ist er wieder weg. Wenn wir aber möchten, dass unser geistlicher Hunger bleibt, dann erfordert das ein wenig Aufmerksamkeit. Unser geistliches Ich braucht Ermutigung. Wir brauchen Gemeinschaft. Wir brauchen ein Minütchen für uns allein, und wir brauchen eine Regula.

Regula bedeutet übersetzt Lebensregel, ist aber einfach nur eine regelmäßige Abfolge von Aktivitäten, die im Laufe der Zeit immer nützlicher werden, weil Struktur Raum für Gutes schafft.

Das gängige Verständnis des Begriffs Regula weckt Vorstellungen von einem streng geregelten Klosterleben, in dem die Nonnen oder Mönche sich an einen strikt getakteten Tagesplan, bestehend aus Routinearbeiten und inbrünstigem Gebet, halten müssen. Ihr Tag ist unterteilt in genau festgelegte Zeiten gemeinsamer Anbetung, persönlichen Gebets, geistlicher Lektüre, Arbeit und Schlaf. Nicht jedem gefällt die Strenge eines so strikt geregelten Lebens. Jessica Richie zum Beispiel, die Co-Autorin dieses bereits lieb gewonnenen Buches, lehnt es ja schon ab, sich jeden Tag zur selben Zeit die Zähne zu putzen. Sie muss sich die Zähne zu absolut unterschiedlichen Zeiten putzen, sonst stirbt sie als Typ 7 des Enneagramms ganz sicher an Berechenbarkeit.

Manchmal lechzen wir geradezu nach strengen Regeln, verlieren dann aber plötzlich den Elan oder gelangen zu dem Schluss, dass sie uns doch zu viel abverlangen. Wer schon mal Diäten gemacht oder Sport wie CrossFit oder Peloton in einer Gruppe getrieben hat, weiß, wie sich dieser Augenblick anfühlt. Der Erfolg ist berauschend, bis man nicht mehr mithalten kann und die anfängliche Begeisterung in ein Gefühl der Niederlage umschlägt, weil man glaubt, versagt zu haben.

Vielleicht geht es dir ja so wie mir und du hältst dich spätestens Mitte Januar nicht mehr an deine Neujahrsvorsätze. Wenn dem so ist, möchte ich dich ermutigen, dich von den Berichten über Auflehnungen gegen Regeln in der frühen Christenheit trösten zu lassen. Im sechsten Jahrhundert hatte der heilige Benedikt große Hoffnung in die von ihm gegründete geistliche Gemeinschaft gesetzt, bis seine Anhänger seine Regeln für so unnötig streng hielten, dass sie versuchten, ihn zu vergiften.

Keine Sorge, er überlebte den Anschlag und ließ es dann ein wenig lockerer angehen. Benedikts wichtigste Errungenschaft bestand schließlich darin, eine Reihe von Regeln zu erarbeiten, die einen Geist der Mäßigung und Ausgewogenheit verankerten. Es heißt dort:

Wir hoffen, nichts zu Strenges und Belastendes festzuschreiben … Denn wenn wir diesen Lebensweg im Glauben weitergehen, werden wir auf dem Pfad der Gebote Gottes nicht gehen, sondern rennen, und unser Herz wird überfließen vor der unaussprechlichen Wonne der Liebe.

Um wirksam zu sein, braucht eine Regula nicht hart und streng zu sein. Mach dir also keine allzu großen Sorgen, ob du Gott überhaupt lieben möchtest oder ob du all die geistlichen Gefühlsregungen hast, von denen du glaubst, dass ein besserer Mensch sie eigentlich haben müsste. Es reicht schon, es einfach zu versuchen.

Ein Segen für den Start einer neuen geistlichen Übung

Glücklich sind wir, die wir etwas Neues ausprobieren, auch wenn wir es noch nicht vollständig erkennen und erfassen können. Das ist das Schöne an einem Leben im Glauben. Wir fangen mittendrin an, im Herzenszentrum eines unausgesprochenen Wunsches, und leben dann von den kleinen Einblicken aus, die wir schon auf dich, Gott, und deine Güte erhascht haben.

Glücklich sind wir, die wir dich bitten, uns zu leiten, wenn wir jetzt anfangen, eine stärkere und doch flexiblere Lebensregel zu gestalten und dabei darauf zu vertrauen, dass du das Leben in uns fördern möchtest.

Glücklich sind wir, die wir nicht vergessen, dass wir die Erwartungen nie ganz erfüllen. Wir werden auf jeden Fall versagen. Aber das heißt ja nicht, dass wir am Ende sind. Wir rappeln uns einfach wieder auf und fangen von vorn an.

Glücklich sind wir, die wir bereit sind, noch einmal Anfänger zu sein.

Ein Schritt zum Gut-Genug

Regulas sollen eigentlich nicht hart oder schwer sein. Man hat uns vielleicht erzählt, wie ein Leben im Glauben aussehen sollte, und wir kennen bestimmt alle jemanden, der oder die scheinbar mühelos spirituell leben kann, oder? Ich (Kate) hatte einmal eine Freundin, deren Morgenroutine, bestehend aus einer halben Stunde intensiven Bibellesens und Gebets, so vollkommen normal schien, dass ich mir im Vergleich immer völlig unmotiviert und geistlich klein und mickrig vorkam. Ich fragte mich: Ist Gott mir nicht wichtig? Oder ist Gott mir nur morgens nicht wichtig? Ich war so festgelegt auf die Vorstellung, dass diese Art einer stillen Zeit die einzig richtige Form war, ein spiritueller Mensch zu sein, dass ich eine von Grund auf andere Variante brauchte.

Gibt es etwas, das du bis jetzt immer für absolut unverzichtbar für ein geistliches Leben gehalten hast, das du aber lieber sein lassen solltest? Etwas, das dir immer wieder das Gefühl gibt, dass du nicht fähig bist, ein Leben im Glauben zu führen, dass du es einfach nicht packst? Schreibe das, was dir zu dieser Frage einfällt, auf einen Zettel und wirf ihn anschließend weg. Übe es richtig, diese feste Vorstellung und die damit verbundene Erwartung an dich selbst loszulassen, damit du stattdessen mit etwas Behutsamerem, Nachsichtigerem beginnen kannst, mit etwas, das dir selbst gegenüber freundlicher ist.

Wir haben gedacht, es wäre ganz nett, dich daran zu erinnern, dass man nicht alle Gewohnheiten durchhalten kann. Hier ein paar der Beispiele dafür, was wir versucht haben, womit wir aber gescheitert sind. Was könntest du der Liste noch hinzufügen?

Wir haben versucht, aber auf Dauer nicht geschafft,

nicht Fingernägel zu kauen.nicht den Wecker durch die Gegend zu pfeffern (oder siebenmal auf die Schlummerstaste zu drücken), wenn er klingelt.abzunehmen.nicht mehr übers Abnehmen zu reden (denn, mal im Ernst, wir können lernen, uns selbst zu lieben).Zahnseide zu benutzen (Entschuldigung an alle unsere Freunde, die Zahnärzte und Zahnärztinnen sind).unüberlegt und zu schnell Einladungen anzunehmen.genug Wasser zu trinken.Abos zu kündigen (weil du ganz ernsthaft dieses Online-Magazin, das du vor drei Jahren abonniert hast, nicht liest).einfach nur aus Spaß zu lesen.ausgewählter fernzusehen (Reality TV ist einfach zu unterhaltsam).Dankeschönkarten zu schreiben.deine Mutter anzurufen, Jessica.

2

Absurde Erlebnisse halten uns über Wasser

Meine Großmutter war sterbenskrank. Es war ein langer Weg gewesen seit ihrer Erstdiagnose und den darauf folgenden brutalen Behandlungen, und wir hatten jetzt mit der Last einer weiteren schmerzlichen Tatsache zu kämpfen: Es würde nicht wieder besser werden, aber sie würde sich dem nicht stellen. Sie würde ganz bestimmt keine späten Erkenntnisse angesichts ihres eigenen Sterbens haben, und es würde schwer werden bis zum Ende.

Meine Mutter war ständig irgendwo in ihrer Nähe und wartete darauf, was als Nächstes zu tun war. Das ging so Tag um Tag.

An einem dieser Krankenhaustage setzte sich meine Mutter irgendwann einfach in eine Ecke, um ihr Essen zu verzehren, das sie sich eingepackt hatte und ein bisschen von der Wache am Krankenbett ihrer Mutter zu verschnaufen. Doch als sie die Plastikdose mit Fleischbällchen öffnete, auf die sie sich schon sehr gefreut hatte, waren diese noch steinhart gefroren. Traurig pickte sie mit einer Plastikgabel daran herum und nagte ein wenig an der leicht angetauten äußeren Schicht. Steine – köstliche gefrorene Steine waren das. Und plötzlich erscholl in den Krankenhausgängen das leicht hysterische Kichern meiner Mutter.

Genau in diesem Augenblick kam eine Freundin meiner Großmutter vorbei und schaute nach, woher wohl das Lachen kam. Missbilligend verzog sie das Gesicht, als sie die Quelle gefunden hatte und fragte kurz angebunden: „Ist jemand bei deiner Mutter?“, so als hätte meine Mutter unerlaubt ihren Posten verlassen oder einen heiligen Ort entweiht. Schließlich wurde ganz in der Nähe gestorben. Wie konnte es da jemand wagen, über Fleischbällchen zu lachen?

Eine solche Einstellung ist ziemlich verbreitet. Ich habe eine Freundin, die in einer Gegend mit vielen sozial schwachen Nachbarn lebt. Aus diesem Grund veranstaltet sie für ihre Kinder keine Geburtstagspartys. Wie sollten wir feiern, wenn andere es so schwer haben? Eine andere Freundin, die während der Zeit der Apartheid in Südafrika lebte, schämte sich damals dafür, ihre Hochzeit zu planen, während gleichzeitig ein so schmerzlicher Kampf um Gleichheit stattfand.

Ist es in Ordnung zu lachen, wenn überall um uns her Traurigkeit herrscht?

Auch wenn die Menschen in den beschriebenen Beispielen sicher in bester Absicht handelten, haben sie dabei etwas Wesentliches übersehen: Freude, Kummer und Traurigkeit können gleichzeitig und nebeneinander existieren.

Trotz all des Elends unter der römischen Besatzung in Palästina im ersten Jahrhundert nach Christus nahm Jesus die Einladung zu einer Hochzeit an. Und er nahm nicht nur daran teil, sondern er tat ausgerechnet bei dieser Veranstaltung auch noch sein erstes Wunder.

Das Fest war eigentlich gut gelaufen, bis dem frischgebackenen Ehepaar der gesellschaftliche Fauxpas unterlief, nicht für genügend Wein gesorgt zu haben. Jesus hätte jetzt einfach eine mitreißende Predigt halten können, hätte sagen können: „Genug gefeiert und getrunken! Seid doch dankbar! Genuss ist der Feind!“ Doch stattdessen nahm er große Krüge voller Wasser und verwandelte das Wasser darin sogar in noch besseren Wein als den, der ausgegangen war. Statt des billigen Hausweins gab es jetzt den edelsten Tropfen. Selbst mit einem Brummschädel schmeckte man den Unterschied.

Ein anderes Mal war Jesus von Tausenden knurrender Mägen umgeben und versorgte daraufhin nicht nur jeden mit einer kleinen Portion, sondern so üppig, dass am Ende körbeweise Reste übrig blieben. Später, als Jesus seinen Jüngern nach seiner Auferstehung im oberen Raum erschien, fragte er sie als Erstes, ob sie etwas zu essen hätten. Er war einer, dem Essen wichtig war und der es zu genießen wusste.

Unter der Last unserer Trauer, unserer Scham oder unseres Schmerzes oder der Trauer, der Scham und des Schmerzes der Welt, machen wir uns manchmal selbst weis, dass Freude unser Feind ist. Dass Freude und Glück den Schmerz irgendwie abwerten oder gar verhöhnen. Doch in der Regel ist genau das Gegenteil der Fall. Freude ist der Sauerstoff, den man braucht, um schwere Dinge zu tun, wie Gary Haugen es ausdrückt. Haugen ist der Begründer der Organisation International Justice Mission (IJM), die weltweit Menschen aus Sklaverei befreit. All die Ungerechtigkeit, die er persönlich miterlebt oder von der er erfährt, könnte selbst das sonnigste Gemüt in Verzweiflung treiben, aber bei Gary geschieht das Gegenteil. Seine Unbeschwertheit ist ansteckend – und sie ist genau das, was ihn aufrechterhält, damit er treu und beharrlich diese langwierige Arbeit für Gerechtigkeit tun kann.

Wenn du unter der Last von Trauer zusammenbrichst oder Opfer von Ängsten wirst, die dein Denken heimsuchen, dann versuch es zur Abwechselung mal mit Freude. Mach dir Musik an und tanze in der Küche. Plane einfach nur so eine Fahrt zur größten Discokugel der Welt. (Ja, ich habe sie gesehen und noch ein paar komische Dinge mehr.) Backe einen Kuchen und veranstalte eine Party zur Feier der Tatsache, dass heute Dienstag ist. Stecke einer Freundin eine Karte mit ein paar lieben Worten in den Briefkasten oder stelle ihr eine nette Kleinigkeit vor die Tür. Versuche im Garten ein Rad zu schlagen. Schau dir was Lustiges im Fernsehen an. Bitte eine Freundin, dir witzige Memes zu schicken. Spiele den Menschen, mit denen du zusammenwohnst, einen harmlosen Streich, der sie zum Lachen bringt. (Jessica hat mal die Handbrause an der Spüle so präpariert, dass die Brause volle Pulle losging, als ihre Mutter sich die Hände waschen wollte und deshalb klatschnass wurde. Sie musste lachen – allerdings nur beim ersten Mal. Beim zweiten und dritten Mal nicht mehr.)

Manche Leute wollen einem weismachen, dass man sich für Freude einfach entscheiden kann, so als würde etwas weniger wehtun, wenn man die Perspektive wechselt. Ich wünschte, ich könnte dir sagen, dass Freude eine Zauberformel ist. Aber so froh oder fröhlich du dich auch verhältst, Freude löscht den Schmerz nicht aus. Manche Dinge lassen sich einfach nicht ausblenden oder gar löschen. Aber wir Menschen haben die Fähigkeit, eine ganze Bandbreite von Gefühlen gleichzeitig zu haben: Freude und Kummer. Trauer und Begeisterung. Lachen und Verzweiflung. Und manchmal sind es absurde Erlebnisse, die uns über Wasser halten.

Ein Gebet um Freude im Kummer

Gott, ich kann nicht leugnen, dass mich der Kummer immer wieder einholt und mich zwingt, ihn zu beachten. Es gibt so viel zu betrauern, so vieles zu beklagen in dieser Welt, in meinem Leben und im Leben von Menschen, die ich liebe. Du zeigst mir immer wieder, dass ich dem Leid ins Auge sehen, es bei der Hand nehmen und alles mit ihm besprechen kann, weil mir dadurch gezeigt wird, was mir etwas bedeutet – was ich liebe. Es zeigt mir das, was ich nicht verlieren will.

Gott, ich finde es so schön, dass du mich in diesen sensiblen Bereich führst, wo ich die Traurigkeit als das sehen kann, was sie ist, und wo ich auch sehe, was in mir den Wunsch weckt, für das zu kämpfen, was ich liebe. Wir müssen das gemeinsam durchstehen, also tanze du mich doch bitte durch das hier hindurch. Lass uns an diesem Tag irgendwo etwas Licht finden. Führe mich dorthin, wo ich mich dir in meiner Trauer näher fühle, und erinnere mich daran, dass ich nie allein unterwegs bin. Wecke mich auf für den nächsten Schritt zur Freude, damit das, was eine bewusste Entscheidung ist, zu einer Boje wird, die mich einen Fluss der Freude entlangträgt.

Tanze mit mir, Gott. Zeige mir die Freuden in der alltäglichen Schönheit der Welt, die du geschaffen hast. Zeige, welche Freuden ich mit anderen teilen und welche Traurigkeiten ich lindern kann. Bitte erfülle mein Herz doch wieder mit Liebe zum Leben und zu anderen Menschen. Dort fängt es an, genau da, wo Freude und Kummer aufeinandertreffen. Amen.

Ein Schritt zum Gut-Genug

Wir sind zur Freude, uns zu vergnügen und für gute Laune geschaffen, aber die gerade beschriebene Art der Freude stellt dabei eine ganz spezielle Disziplin dar. Besonders wenn uns grade nicht sehr fröhlich zumute ist. Von Kate wissen wir, dass sie in solchen Situationen in einen Trödelladen geht, sich ein altes Gemälde aussucht, es mit nach Hause nimmt und ein Monster in den Hintergrund malt. Oder, wenn sie ganz krass drauf ist, einen Dinosaurier. Jessica hat in so einer Situation mal eine Taylor Swift-Party veranstaltet, bei der sich die Gäste passend zu ihrer Taylor Swift-Lieblingsphase verkleiden (da gibt es jede Menge Auswahl) und den entsprechenden Lieblingssong in Playback singen mussten. Auch wenn du dich heute nicht besonders fröhlich fühlst, überlege dir irgendwas Absurdes und tu es einfach. Wie fühlst du dich dabei?

3

Trauern um das, was hätte sein können

Ach, liebe Freundin, wenn du bei dieser Überschrift das Gefühl hast, dass du den Text unbedingt lesen musst, dann bist du vielleicht gerade an einem Punkt, an dem es für dich am meisten Sinn ergibt, einfach zu trauern. Weil es etwas gibt, das endgültig vorbei ist und nie mehr sein wird. Du hast dir etwas für deine Zukunft vorgestellt, etwas Schönes, das dir viel bedeutet hat, das dir am Herzen lag, und es hat sich vor deinen Augen in Luft aufgelöst.

Was betrauerst du?

Vielleicht hat deine Trauer einen Namen. Er kommt nie wieder zurück. Die Trauerfeier und die Bestattung sind vorbei, aber der Schmerz bleibt. Vielleicht trauerst du auch über ein Ereignis: Über einen Unfall, eine Krankheit, eine unschöne Scheidung. Oder es ist eine Beziehung, die beendet wurde, ohne eine Chance auf Vergebung oder Aussöhnung. Vielleicht ist es auch eine Ehe oder eine Beziehung, die du dir immer noch erhoffst und an der du arbeitest, die dich aber immer wieder in Konflikte stürzt.

Oder trauerst du um eine Person, die dir nahesteht? Vielleicht trauerst du um den Verwandten oder die Verwandte mit einer psychischen Erkrankung oder um ein Kind, das es schwer hat. Womöglich ist da ein geliebter Mensch, der wegen einer Behinderung nie Auto fahren, arbeiten oder Beziehungen haben wird, die ihm das Gefühl eines erfüllten Lebens geben würden. Vielleicht hast du eine Chance vertan, das Richtige zu tun oder zu sagen oder, noch viel schlimmer, keine Gelegenheit mehr, Abschied zu nehmen.

Ich kenne diesen Schmerz. Es ist eine tiefe Traurigkeit, die bis ins Mark geht. Wir trauern nicht allgemein, sondern sehr konkret. Schließlich liegt die Liebe im Detail. Es ist, wie Don Rosenstein sagt: „Der Verlust einer Zukunft, die man sich vorgestellt hat.“ Rosenstein ist klinischer Psychologe und arbeitet in einem Krebszentrum.

Bei ihm stellte sich eine Form der Trauer ein, mit der er nicht gerechnet hatte, als bei seinem Sohn eine Form des Autismus diagnostiziert wurde. Er musste den Verlust der Vorstellung betrauern, die er von einem Sohn gehabt hatte. Dazu gehörte zum Beispiel der Traum, mit ihm eines Tages auf dem Tennisplatz Matches auszutragen. Natürlich ist sein Sohn liebenswert und geliebt, aber Don musste seine Erwartungen aufgeben und nach einer neuen Vorstellung stöbern, von dem, was es bedeutet, der Vater dieses Sohnes an seiner Seite zu sein, und nicht Vater des Sohnes, den er sich immer vorgestellt hatte.