Gutenachtgeschichten für alle, die sich vor Populisten gruseln - Stuart Heritage - E-Book

Gutenachtgeschichten für alle, die sich vor Populisten gruseln E-Book

Stuart Heritage

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Beschreibung

Hier, liebe Leserinnen und Leser, ist die Welt noch in Ordnung. Hier tut euch nichts weh, und ihr könnt beruhigt einschlafen. Manchmal hat man das Gefühl, die Fieslinge haben gewonnen: Trump, Putin, Johnson und die deutsche Autoindustrie. Doch in diesem Buch ist alles gut: Die Guten werden belohnt und die Schlechten bestraft, ein Wolkenkuckucksheim für alle Linksliberalen, die nachts nicht schlafen können. Ach, würden diese Geschichten doch einfach alle wahr werden: Alle Menschen wählen das Richtige, der Facefänger von Hameln befreit das Netz von Rassisten und Lügnern, Trump wird ein Gutmensch, der Plastikmüll im Meer verschwindet, Hänsel und Gretel sehen ein, dass sie bei der Hexe einem antiquierten Frauenbild auf den Leim gegangen sind, Johnson wird von Bären gefressen und Putin kommt mit seinen Wahlmanipulationen nicht weiter, weil sich kompetente Menschen einfach nicht von ihm verführen lassen. Nach der Lektüre kann man die Augen schließen und beruhigt einschlafen. Bevor Sie jetzt den Verlag mit Shitstorms überziehen: ACHTUNG, Satire!

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Seitenzahl: 133

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Stuart Heritage

Gutenachtgeschichten für alle, die sich vor Populisten gruseln

Aus dem Englischen von Eva Regul

Kurzübersicht

Buch lesen

Titelseite

Über Stuart Heritage

Über dieses Buch

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Hinweise zur Darstellung dieses E-Books

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Über Stuart Heritage

Stuart Heritage ist Kolumnist und schreibt u.a. für den Guardian, die Times und Esquire. Er gilt als einer der 50 einflussreichsten Medienmenschen in Großbritannien. Leider konnte er sich bisher noch nichts dafür kaufen.

 

Die Übersetzerin

Eva Regul, geboren in Kiel, studierte Germanistik und Nordamerikastudien in Berlin und lebte anschließend ein Jahr in London. Sie arbeitet als Untertitlerin und übersetzt Literatur aus dem britischen und amerikanischen Englisch.

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Über dieses Buch

Ach, würden diese Geschichten doch einfach alle wahr werden: Alle Menschen wählen das Richtige, der Facefänger von Hameln befreit das Netz von Rassisten und Lügnern, Trump wird ein Gutmensch, der Plastikmüll im Meer verschwindet, Hänsel und Gretel sehen ein, dass sie bei der Hexe einem antiquierten Frauenbild auf den Leim gegangen sind, Johnson wird von Bären gefressen und Putin kommt mit seinen Wahlmanipulationen nicht weiter, weil sich kompetente Menschen einfach nicht von ihm verführen lassen.

In diesem Buch ist alles gut, die Guten werden belohnt und die Schlechten bestraft, ein Wolkenkuckucksheim für alle Linksliberalen, die nachts nicht schlafen können.

Inhaltsverzeichnis

Widmung

Prolog

Camerella

Der Facefänger von Hameln

Bojolöckchen und die drei Bären

Der Wind und die Sonne

Was machen die Leute in deiner Blase den ganzen Tag?

Die Schneeflocke

Planet Kondo

Gullivers Reise nach Margate

Das tapfere Tweetlein

Der moderate Dad im Wunderland

Wo sollen wir jetzt wohnen?

Kanako, der Instagram-Igel, vs. die Vereinten Nationen

Lieblingswiegenlied deiner Eltern

Die drei linken Schweinchen

Der Hase und die Schildkröte und die Russen

Jack und die nachhaltig produzierte Fleischersatzranke

Der Mann, der niemanden mehr umarmen konnte

Der große pazifische Müllstrudel

Hänsel und Gretel, die beiden Arschlöcher

Trumpelstilzchen

My Fair Sex-Doll-Lady

Die Nacht vor dem Brexfest

Der Pferdeskandal

Für Dad

Prolog

Hallo. Ich heiße Stuart, und ich erzähle euch jetzt ein paar Gutenachtgeschichten.

Bestimmt habt ihr auch einen langen und anstrengenden Tag hinter euch. Das Leben besteht irgendwie nur noch aus Angst und Wut und Aggressionen, die auf euch niederprasseln wie Kanonenkugeln. Unsere Welt ist ins Wanken geraten und steht am Rande der politischen, ökologischen und nuklearen Zerstörung, und jeden Tag scheint es ein bisschen schlimmer zu werden. Manchmal hat man das Gefühl, die Fieslinge haben gewonnen.

Aber mit diesem Buch könnt ihr euch entspannt zurücklehnen. In dieser Sammlung tröstlicher Geschichten zeigen unsere irregeleiteten Gegner endlich Einsicht in ihre Verfehlungen: Politiker leisten Abbitte, Demagogen empfinden Reue und Boris Johnson wird von Bären zerfleischt. Das ganze Buch vermittelt eine einfache Botschaft: Alles wird gut.

Kuschelt euch unter die Decke und macht die Augen zu. Morgen kommt ein neuer schwerer Tag, aber heute Abend tut nichts mehr weh. Dieses Buch ist euer Wolkenkuckucksheim, und hier, liebe Leserinnen und Leser, ist die Welt noch in Ordnung.

Camerella

Es war einmal ein Königreich, in dem verbreitete sich eine unfassbar große Neuigkeit. Der König lud zu einem Ball ein, und es sollte der größte Ball im Lande werden, voller Tanz und Lustbarkeiten. Er wurde Wilderness-Festival genannt, und Groove Armada war der Headliner. Alle waren eingeladen.

Nun ja, alle außer David Cameron. Er wäre zu gern zum Ball gegangen, aber seine böse Stiefmutter erlaubte es ihm nicht und sagte, er könne nirgendwo hingehen, bevor er nicht das Chaos beseitigt hätte. So verbrachte er also seine Tage damit, verdrießlich aus dem Fenster seiner völlig überteuerten Schäferhütte zu starren und seinen unerfüllten Träumen nachzuhängen. Oh, was würde er alles tun, wenn er doch nur zum Wilderness-Festival dürfte! Er würde Bier trinken. Er würde Zigaretten rauchen. Er würde sich mit einem hübschen Anorak herausputzen und einfach ein bisschen rumlaufen und Mitleid erregen.

Aber stattdessen musste er in seiner Hütte bleiben. Als der Tag des Balls gekommen war, sah David Cameron zu, wie seine böse Stiefmutter, seine bösen Stiefschwestern und seine Frau Samantha ihre allerschönsten Kleider schnürten, ihre Barbourjacken anzogen und in einem Fuhrpark von goldenen Kutschen zum Festival aufbrachen.

»Auf Wiedersehen!«, rief er ihnen nach. »Amüsiert euch gut!« Aber niemand antwortete ihm, nur seine Stiefmutter brüllte: »Beseitige das Chaos!«

David Cameron ließ sich in seinen Sessel plumpsen, umgeben von Post-it-Zetteln mit abgelehnten Titelvorschlägen für seine Memoiren wie »Es war nicht meine Schuld« oder »Ich will einfach mal wieder raus«, und er seufzte. »Ich wünschte, ich könnte auch zum Wilderness-Festival.«

Und da – plopp – erschien in einer kleinen Rauchwolke eine gute Fee.

»Du hast mich gerufen?«, fragte die gute Fee.

»Wohl kaum«, erwiderte David Cameron. »Wer bist du?«

»Na, deine gute Fee natürlich«, antwortete die gute Fee. »Ich bin hier, um dir einen Herzenswunsch zu erfüllen! Hey, ’nen schicken Schuppen hast du hier.«

»Es ist genau genommen eine Schäferhütte«, erwiderte David Cameron. »Aber trotzdem danke. Es ist nur irgendwie blöd, dass sie so ein treffendes Bild für die goldene Isolation ist, die ich mir eingebrockt habe, als ich vor all den Jahren das Referendum ausrief, aber irgendeine Kröte muss man wohl immer schlucken, ha, ha.«

Die gute Fee hatte all ihr Lebtag nicht ein solches Lachen gehört. Es klang unglaublich traurig, wie ein eingestürztes Zirkuszelt. Sie war so verstört, dass sie sich sofort bemühte, das Thema zu wechseln.

»Was ist das eigentlich für eine Farbe?«, fragte sie und deutete vage auf die Wände.

»Clunch«, erwiderte David Cameron. »Das ist ein Farbton von Farrow & Ball. Kann man sich im Internet ansehen.«

»Wie bitte?«, fragte die gute Fee.

»Clunch«, wiederholte David Cameron. »Ein Farbton von Farrow & Ball.«

»Seltsam«, sagte die gute Fee. »Aber nun musst du mir sagen, welchen Wunsch ich dir erfüllen soll.«

David Cameron schluckte. Das war der entscheidende Moment. Jetzt würde er endlich alles bekommen, was er sich je gewünscht hatte.

»Ich möchte gern zum Wilderness-Festival«, sagte er lächelnd.

Die gute Fee sah verwirrt aus. »Äh, wie bitte?«, stammelte sie.

»Das Wilderness-Festival«, erwiderte er. »Ich wünsche mir eine Karte für das Wilderness-Festival, bitte.«

»Das ist dein Wunsch?«

»Ja, das ist mein Wunsch.«

»Du willst nicht die Zeit zurückdrehen und deine Entscheidung für das Referendum rückgängig machen?«

David Cameron erstarrte. Daran hatte er gar nicht gedacht. Vielleicht hatte sie nicht ganz unrecht. Wenn er sich wünschte, die Zeit zurückzudrehen, könnte er eine härtere Linie gegen den euroskeptischen Flügel der Konservativen vertreten und damit nicht nur das Referendum verhindern, sondern auch das Brexit-Chaos und Großbritanniens langsames, aber unumkehrbares Abrutschen in die internationale Bedeutungslosigkeit.

»Nö«, sagte er nach einer kurzen Pause. »Eine Karte für das Festival, bitte.«

Die gute Fee schäumte vor Wut. Schließlich war sie nur deswegen zu David Cameron gekommen, um ihm eine letzte Chance zu geben, seinen ruinierten Ruf wiederherzustellen. Aber nein, er versaubeutelte alles, nur um dabei zu sein, wenn Tom Odell vor einem Haufen desinteressierter Snobs auftrat. Sie konnte nicht zulassen, dass er seine große Chance vergab. Sie musste sich etwas ausdenken, um diese chaotische Situation zu retten.

»Stimmen wir ab«, sagte sie.

»Was?«, flüsterte David Cameron entsetzt.

»Eine Abstimmung!«, sagte die gute Fee. »Das ist eine geniale Idee!«

Und so lud die gute Fee hundert Feenfreundinnen in die Hütte ein, die sich ihre und Camerons Argumente anhören sollten – für einen Verbleib in der Hütte oder für den Austritt zum Festival –, um dann über die Sache zu entscheiden.

Eine nach der anderen ploppte herbei, und David Cameron begann mit seiner Rede. Er erklärte, dass er beim Festival in der Wildnis all seinen Lieblingshobbys frönen könnte: Zigaretten rauchen, Bier trinken und mit leicht betretener Miene ironische Selfies mit Leuten aufnehmen, die aus ihrer Abneigung gegen ihn keinen Hehl machen. Er druckte Bierdeckel, auf denen die Vorteile des Wilderness-Festivals angepriesen wurden. Er dachte sich wilde Versprechungen aus und malte sie auf die Seite eines Busses. Als er fertig war, entstand ein unbehagliches Schweigen.

Dann war die gute Fee an der Reihe. Sie gab sich viel weniger Mühe mit ihrer Argumentation, denn sie sprach ja zu ihresgleichen, und garantiert wäre keine der guten Feen so blöd, Cameron den ganzen Quatsch abzukaufen.

Schließlich wurde abgestimmt. Die Feen steckten ein paar Minuten die Köpfe zusammen, dann trat die Vorsitzende nach vorn.

»Die guten Feen haben eine Entscheidung getroffen«, erklärte sie. »Das Abstimmungsergebnis lautet achtundvierzig für die Zeitreise und zweiundfünfzig für die Wildnis.«

»Gewonnen!«, rief David Cameron und machte eine Siegerfaust wie ein Börsenmakler auf dem Tennisplatz.

»Moment, Moment«, stammelte die gute Fee. »Ist euch wirklich allen klar, welche Konsequenzen diese Abstimmung hat?«

»Ja, natürlich ist ihnen das klar«, frohlockte David Cameron. »Und jetzt her mit meinem Festivalticket.«

Die gute Fee überlegte eine Weile und kam dann zu dem Schluss, dass es für sie nur eine einzige logische Entscheidung gab.

»Ich trete zurück«, sagte sie.

David Cameron war entsetzt. »Du kannst nicht zurücktreten! Nicht, ohne mir mein Ticket zu geben! Diese ganze Abstimmung war doch deine Idee! Nur weil du die Wählerschaft in deinem Wahlkampf nicht ernst genommen hast, kannst du noch lange nicht ungeschoren davonkommen und alle anderen in deinem Chaos zurück … Ach so, okay, jetzt verstehe ich, was los ist. Na gut, dann geht das in Ordnung.«

Und mir nichts, dir nichts – plopp – verschwand die gute Fee wieder in einer kleinen Rauchwolke.

David Cameron sah die zweiundfünfzig guten Feen an, die in seinem Sinne gestimmt hatten. Ein Hoffnungsschimmer blitzte in seinen Augen auf. »Wer von euch löst euer Versprechen ein und schickt mich in die Wildnis?«, fragte er.

Zwei gute Feen drängelten sich von hinten durch die Gruppe nach vorne. Es waren Theresa May und David Davis.

»Das übernehmen wir!«, riefen sie.

»Ach du Scheiße«, murmelte David Cameron.

Der Facefänger von Hameln

Es war einmal ein Städtchen namens Hameln, das litt unter einer schrecklichen Plage. Es lebten nämlich unter den Bewohnern der Stadt Rassisten, Heuchler und Lügner sonder Zahl, doch wusste niemand, wer sie waren. Die Bürger der Stadt waren außer sich vor Sorge, ein jeder fürchtete, sein Nachbar könne insgeheim ein Faschist sein, und der Bürgermeister wusste auch nicht mehr weiter.

»Wenn man diese unliebsamen Elemente doch nur irgendwie ausrotten könnte«, rief er. Aber das war nicht möglich.

Der Bürgermeister hatte wahrlich alles versucht. Er hatte die Stadtbewohner rundheraus gefragt, wer von ihnen ein Rassist sei, aber das hatte nur die brave Mehrheit erzürnt. Er hatte es mit einem privaten Schulungszentrum versucht, damit die heimlichen Heuchler von ihren Vorurteilen abließen, aber auch das hatte keinen Erfolg gehabt.

Drohungen hatten nicht funktioniert. Bestechung hatte nicht funktioniert. Der Bürgermeister wusste sich keinen Rat mehr.

Da trug es sich zu, dass mit großem Lärm und Getöse ein wunderlicher Mann in die Stadt kam. »Hat hier jemand was von heimlichen Rassisten gesagt?«, fragte er.

Der Bürgermeister betrachtete den drolligen Burschen. Er hatte einen viel zu großen Kopf und trug ein unglaublich langweiliges graues T-Shirt. Obendrein sah er aus, als sei er noch nie einem echten Menschen begegnet. Der Bürgermeister wurde neugierig. »Was geht Euch das an, Fremder?«, fragte er den Mann. »Wer seid Ihr?«

»Ich heiße Mark Zuckerberg«, sprach der Mann, »und ich habe etwas erfunden, das all Eure Probleme lösen wird.«

Er zog den Reißverschluss seiner Reisetasche auf und nahm eine lange Metallpfeife heraus. »Seht nur!«, rief er. »Das ist die Faceflöte! Sobald ich auf diesem wundersamen Instrument spiele, sind die bösen Menschen in Eurer Stadt machtlos gegen meine Melodei. Sie erliegen dem Zauber meiner fabelhaften Faceflöte und zeigen sogleich ihr wahres Gesicht.«

Der Bürgermeister war noch argwöhnisch und sprach: »Fremder, diese Faceflöte scheint fürwahr fantastisch zu sein. Aber unsere Stadt ist arm, wir haben kein Geld, Euch zu entlohnen.«

»Ich bringe Euch eine freudige Botschaft!«, sprach der Fremde. »Meine Faceflöte ist kostenlos! Für meine Dienste verlange ich lediglich, dass jeder Bürger Eurer Stadt mir seinen Namen, sein Geschlecht, sein Geburtsdatum, seine E-Mail-Adresse und sechs bis zehn seiner Hauptinteressen mitteilt.«

Abermals zögerte der Bürgermeister. »Guter Mann«, rief er aus, »wir legen hier großen Wert auf Datenschutz, und es behagt uns nicht, solche Informationen einem Fremden preiszugeben.«

»Jetzt stellt Euch nicht so an«, sagte der Fremde. »Sehe ich etwa aus, als könnte man mir nicht trauen?«

»Nein«, sagte der Bürgermeister und behielt lieber für sich, dass er aussah wie ein vom Blitz getroffener Androide mit Betriebsstörung.

»Prima«, sagte der Fremde. »Dann fang ich mal an.«

Und so wandelte er durch die Gassen und spielte auf seiner Flöte eine gespenstische Melodie. Und wie er so an den Fenstern vorbeizog, konnte nicht einer der bigotten Heuchler in der Stadt ihrer Macht widerstehen. Sobald sie die Zauberklänge hörten, stürzten sie aus ihren Häusern und platzten mit all dem unerträglichen Mist heraus, den sie eigentlich partout verschweigen wollten.

»Das Boot ist voll!«, schrie ein Mann, der dem Fremden hinterherjagte.

»Ich habe ja nichts gegen Muslime, aber warum steht hier eine Moschee?«, brüllte ein anderer.

Der Fremde wanderte kreuz und quer durch alle Straßen und Gassen der Stadt.

»IHR HABT VERLOREN, HÖRT ENDLICH AUF ZU HEULEN!«, kreischte eine Frau und reihte sich in den Pulk ein.

»ICH HABE MICH ALS KLEINES MÄDCHEN NOCH ALS NEGERIN VERKLEIDET, ABER HEUTE GEHT DAS JA NICHT MEHR, KEIN WUNDER, DASS UNSER LAND DEN BACH RUNTERGEHT!«, schrie eine andere.

»MAKE AMERICA GREAT AGAIN«, brüllte eine dritte.

Bald schon hatte die Faceflöte alle garstigen Bürger der Stadt dazu gebracht, ihre geschmacklosen Gedanken laut herauszuposaunen. Sie rotteten sich zu einer riesigen, wütenden Menschenmenge zusammen und murmelten vor sich hin, dass Enoch Powell eben doch recht gehabt hatte.

Der Fremde führte die Menge zu einer Höhle, und während er weiter auf seiner Flöte spielte, spazierten die bigotten Heuchler einer nach dem anderen aus freien Stücken hinein. Als der Letzte in der Höhle verschwunden war, hörte der Fremde auf zu spielen und rollte einen großen Felsbrocken vor den Eingang. Endlich war die Stadt ihre Plage los.

Der Bürgermeister war außer sich vor Freude. »Ich danke Euch, ich danke Euch!«, rief er dem Fremden zu. »Eure Faceflöte ist wahrlich ein Wunderding. Endlich können wir wieder stolz auf unsere Stadt sein.«

»Wenn’s weiter nichts ist«, sagte der Fremde. »Doch nun verlange ich meinen vereinbarten Lohn. Gebt mir die Daten, die Ihr mir versprochen habt.«

»Äh, na ja, das ist so«, stammelte der Bürgermeister. »Wir haben da noch mal ein bisschen drüber nachgedacht, und eigentlich finden wir das nicht so richtig gut, diese ganzen persönlichen Daten einfach rauszugeben.«

Der Fremde wurde wütend. »Dann hat sich der Preis soeben erhöht«, knurrte er. »Jetzt verlange ich von euch allen Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, E-Mail-Adresse, Interessen und dazu noch eine ständig aktualisierte Liste aller Dinge, die ihr jemals begehrt habt.«

»Das ist ja Wahnsinn!«, protestierte der Bürgermeister. »Kein vernünftiger Mensch würde jemals zustimmen …«

»Alle anderen haben schon zugestimmt!«, rief der Fremde. »Und weil Ihr mir meinen Lohn nicht zugestehen wollt, werdet Ihr einen hohen Preis zahlen! Wahrlich, einen SEHR hohen Preis!«

Abermals nahm der Fremde die Faceflöte und begann zu spielen. Doch dieses Mal klang seine Weise düster und schleppend.

»Was soll das denn jetzt?«, sagte der Bürgermeister. »Ihr habt uns von den Rassisten befreit, was wollt Ihr denn …«

Da zerstörte die Faceflöte mir nichts, dir nichts die Zeitungsindustrie der Stadt.

»Stopp! Aufhören!«, rief der Bürgermeister.

Aber der Fremde dachte gar nicht daran aufzuhören. Er spielte so lange weiter, bis auch die Anzeigenblätter und die Grußkartenindustrie eingegangen waren.

»Bitte! Genug! Habt Erbarmen!«, schrie der Bürgermeister.

Aber der Fremde hörte nicht auf ihn. Er spielte weiter, bis alle Bürger der Stadt eine generalisierte Angststörung bekamen, weil ihre Freunde und Verwandten ein glücklicheres und aufregenderes Leben zu führen schienen als sie selbst.

»Wir dachten, Eure Flöte sei zu Gutem geschaffen worden!«, schluchzte der Bürgermeister. »Aber jetzt erkennen wir, dass sie ein Instrument des Bösen ist.«

Der Fremde indessen spielte weiter. Er spielte so eindringlich, dass seine Melodie für jeden einzelnen Bürger einen hyperpersonalisierten