Hämatologie - Rolf Mahlberg - E-Book

Hämatologie E-Book

Rolf Mahlberg

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Beschreibung

Seit dem Erscheinen der ersten Auflage 1994 ist das Lehrbuch „Hämatologie” nicht mehr aus dem Ausbildungsangebot für Medizinisch-Technische Assistenten wegzudenken. Die dritte Auflage integriert nicht nur den neuesten Stand der MTA-Ausbildung, sondern präsentiert sich mit mehr didaktischen Merkmalen und einem übersichtlicheren Layout. Darüber hinaus wurden die folgenden Themen erweitert bzw. eingeführt:

• Hämatologische Cytogenetik
• Hämatologische Molekulargenetik
• Antikörper-Diff erenzierung
• Nachweis von Kälte-Agglutininen
• Säure-Elution
• Interne und externe Qualitätskontrolle in der Blutgruppenserologie.

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Seitenzahl: 359

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Inhaltsverzeichnis

Geleitwort

Geleitwort

Abkürzungen

I Theoretischer Teil

1 Hämatologie

2 Das Blut als Organ

2.1 Blutmenge

2.2 Blut und Blutzusammensetzung

2.3 Aufgaben der Blutzellen

3 Blutbildung

3.1 Morphologie der Zellen

3.2 Zellteilungen

3.3 Ursprung und Entwicklung der Blutzellen (Ontogenese)

3.4 Blutentwicklung

3.5 Entwicklung der Blutzellen

4 Erythrozytenformen

4.1 Unterschiedliche Gestalt der Erythrozyten

4.2 Unterschiedliche Anfärbbarkeit der Erythrozyten

4.3 Anordnung der Erythrozyten

4.4 Veränderungen im roten Blutbild

5 Anämien

5.1 Definition

5.2 Einteilung der Anämie

5.3 Hämolytische Anämien

5.4 Hämoglobinbildungsstörung

5.5 Anämie durch Einengung des Knochenmarks

5.6 Aplastische Anämie (AA)

6 Polyzythämien

6.1 Polyzythämia vera (PV)

6.2 Polyglobulie

6.3 Veränderung der Thrombozyten

7 Leukozyten

7.1 Leukozytose

7.2 Toxische Veränderungen der neutrophilen Granulozyten

7.3 Leukozytenanomalien

7.4 Leukopenie

7.5 Agranulozytose

8 Lymphatische Reaktionen

8.1 Infektiöse Mononukleose (Pfeiffer’sches Drüsenfieber)

9 Erkrankungen des blutbildenden Systems

9.1 Myeloproliferative Syndrome

9.2 Akute Leukämien

9.3 Myelodysplastisches Syndrom (MDS)

10 Maligne Lymphome

10.1 Morbus Hodgkin (Hodgkin-Lymphom)

10.2 Non-Hodgkin-Lymphome

10.3 T-Zell-Lymphome

10.4 Kryoglobulinämie

II Praktischer Teil

11 Einleitung

12 Blutentnahme aus dem Kapillarnetz

13 Blutentnahme aus der Vene

14 Blutkörperchen-Senkungsgeschwindigkeit

15 Hämatokrit

16 Hämoglobin

17 Bestimmung der „Anzahl der Blutzellen“

17.1 Zählkammer-Methode: Erythrozyten, Leukozyten, Thrombozyten

17.2 Automatisierte Zellzählung

17.3 Automatische Leukozytendifferenzierung

17.4 Pipetten

18 Erythrozytenzählung

19 Leukozytenzählung

20 Thrombozytenzählung

21 Zählungen mit der Fuchs-Rosenthal-Zählkammer

21.1 Prinzip der Eosinophilenzählung

21.2 Prinzip der Liquorzellzählung

22 Erythrozytometrische Werte

23 Differenzialblutbild

23.1 Ausstrichtechnik

23.2 Färbung nach Pappenheim

23.3 Differenzierung der Blutzellen

24 Isolierung der Lymphozyten

24.1 Immunfluoreszenzuntersuchungen

24.2 HLA-Typisierung

25 Mononukleose-Test

25.1 Objektträger-Agglutinationsteste im Serum

25.2 Schnelltest mit Blut zum Nachweis des Pfeiffer’schen Drüsenfiebers

26 Spezialfärbungen

26.1 Retikulozytenzählung

26.2 Färbung der Heinz’schen Innenkörper

26.3 Eisennachweis

26.4 Fetales Hämoglobin

26.5 Haptoglobin-Bestimmung

26.6 Sichelzellen-Nachweis

26.7 Säure-Serum-Test nach HAM

26.8 Kugelzellen-Nachweis

27 Price-Jones-Kurve

28 Osmotische Resistenz der Erythrozyten

29 Zytochemische Färbungen

29.1 Alkalische Leukozytenphosphatase (ALPA)

29.2 Peroxidase-Reaktion (POX)

29.3 Alpha-Naphthylacetat-Esterase-Reaktion (EST)

29.4 Periodic-Acid-Schiff-Reaktion (PAS)

29.5 Saure-Phosphatase-Reaktion (SP)

30 Immunchemische Methoden

30.1 Radiale Immundiffusion

30.2 Immunelektrophorese

30.3 Immunfixationselektrophorese

31 Knochenmarksuntersuchung

31.1 Indikationen für die Durchführung einer Knochenmarksuntersuchung

31.2 Knochenmarkpunktion

31.3 Modifizierte Pappenheim-Färbung des Knochenmarks

31.4 Zytologische Knochenmarksuntersuchung

31.5 Zellverteilung im Knochenmark

31.6 Menge des Knochenmarks

31.7 Zellen des Knochenmarks

31.8 Myelogramm

32 Flow-Zytometrie

32.1 Prinzip

32.2 Fluoreszenzmessungen

32.3 Signalverarbeitung und Messung

32.4 Anwendung in der klinischen Diagnostik

33 Hämatologische Histologie

34 Zytogenetik

34.1 Chromosomenanalyse

34.2 Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH)

35 Molekulargenetik

35.1 Southern Blot

35.2 Polymerasekettenreaktion

36 Referenzwerte in der Hämatologie

37 Blutgruppenserologische Untersuchungen

37.1 Untersuchungsziele und Präanalytik

37.2 Bestimmung der AB0-Merkmale in der Gelzentrifugationstechnik

37.3 Durchführung des Antikörpersuchtestes (AKS) in der Gelzentrifugationstechnik

37.4 Durchführung des direkten Coombs-Testes (DCT)

37.5 Durchführung der Verträglichkeitsprobe (Kreuzprobe) in der Gelzentrifugationstechnik

38 Gerinnungsphysiologische Untersuchungen

38.1 Physiologie der Hämostase

38.2 Die plasmatische Gerinnung des extrinsischen und intrinsischen Systems

38.3 Das Fibrinolysesystem

38.4 Kongentiale und erworbene hämorrhagische Diathesen (Blutungsbereitschaft)

38.5 Methoden der Diagnostik

38.6 Erste Methoden zur Gewinnung des Fibrinfadens: Recalzifizierungszeit

38.7 Spezielle Global- und Suchtests

38.8 Einzelfaktorenbestimmungen mit Mangelplasmen

38.9 Faktor-V-Leiden – Nachweis mit der APC-Resistenz

38.10 Inhibitoren (Hemmstoffe)

38.11 Immunchemische Verfahren

39 Qualitätssicherung am Arbeitsplatz

Anhang A Diagnostik im hämatologischen Routinelabor

A.1 Technologie im Wandel der Zeit

A.2 Zusätzliche Hämatologieparameter

A.3 Anforderungen an ein modernes Hämatologiesystem

A.4 Von der Analytik zur technischen Validation

A.5 Eine Komplettlösung für die Hämatologie

A.6 Digitale Morphologie

A.7 Messtechnologie der Sysmex XN-Serie

Weiterführende Literatur

Glossar

Stichwortverzeichnis

Beachten Sie bitte auch weitere interessante Titel zu diesem Thema

 

McLennan, A., Bates, A., Turner, P., White, M.Molekularbiologiefür Biologen, Biochemiker, Pharmazeuten und Mediziner2013ISBN: 978-3-527-33476-6,auch als eBook erhältlich

 

Fletcher, H., Hickey, I.Genetikfür Biologen, Biochemiker, Pharmazeuten und Mediziner2013ISBN: 978-3-527-33475-9,auch als eBook erhältlich

 

Schmid, R.D.Taschenatlas der Biotechnologie und Gentechnik3. Auflage2014ISBN: 978-3-527-33514-5,auch als eBook erhältlich

 

Thiemann, F., Cullen, P.M., Klein, H. (Hrsg.)Molekulare DiagnostikGrundlagen der Molekularbiologie, Genetik und Analytik, 2. Auflage2014ISBN: 978-3-527-33502-2,auch als eBook erhältlich

 

Guder, W.G., Narayanan, S., Wisser, H., Zawta, B.Diagnostic Samples: From the Patient to the LaboratoryThe Impact of Preanalytical Variables on the Quality of Laboratory Results, 4. Auflage2009ISBN: 978-3-527-32307-4

Autoren

 

Rolf MahlbergMutterhaus der BorromäerinnenInnere Medizin IFeldstraße 1654290 Trier

 

Annette GillesRheinstr. 4a56357 Holzhausen

 

Anita LäschMutterhaus der BorromäerinnenZentrallaborFeldstraße 1654290 Trier

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Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2014 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Boschstr. 12, 69469 Weinheim, Germany

Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren – reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige gesetzlich geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche markiert sind.

Umschlaggestaltung Adam-Design, WeinheimTypesetting le-texpublishing services GmbH, Leipzig

Druck und Bindung Markono Print Media Pte Ltd, Singapore

Print ISBN 978-3-527-33468-1ePDF ISBN 978-3-527-68126-6ePub ISBN 978-3-527-68125-9Mobi ISBN 978-3-527-68124-2

Geleitwort

„Die Hämatologie – Theorie und Praxis für medizinische Assistenzberufe“ erscheint hier in der 3. Auflage. Dies allein zeigt, wie wichtig und wie aktuell das hier vermittelte Wissen ist. Erneut besticht das Buch durch klare konzeptuelle Gliederung in einen theoretischen und einen praktischen Teil. Diese Trennung führt zu einer sehr klaren, praxisrelevanten, tief greifenden und aktuellen Darstellung der Einzelaspekte. Das dabei ausgebreitete Wissen, beginnend bei der Präanalytik bis zu komplexen Labormethoden, deren Durchführungsbestimmungen ebenso wie die umfassende und abgewogene Interpretation der Befunde, besticht in allen Aspekten. Die klinische Einordnung ist vorbildlich, die erhobenen Ergebnisse und pathologischen Konstellationen werden jederzeit in einen patientenrelevanten Zusammenhang gestellt, der die Benutzung dieses Buches weit über den Informationswert hinaus wertvoll macht.

Die Abbildungen sind instruktiv und ergänzen den Textteil hervorragend, die Tabellen lassen eine rasche Übersicht zu und ermöglichen ein schnelles Nachschlagen. Der Text ermöglicht durch seine Klarheit einen raschen Zugriff auf die vielen hier dargebotenen Informationen.

Auch die morphologischen Abbildungen sind von hoher Qualität und illustrieren diese wichtigen Aspekte hilfreich. Besonders hervorzuheben ist, wie das Buch die Balance zwischen der Vielzahl notwendiger Informationen und der Klarheit der Darstellung mit rascher Orientierbarkeit erneut umgesetzt hat. Der aktuellen Auflage kann man nur eine weitreichende Verbreitung wünschen: Wer sich für Hämatologie interessiert oder diese umfassend, didaktisch geschickt und auf aktuellen Niveau nachlesen oder lernen möchte, ist hier bestens beraten.

München, im April 2014

Prof. Dr. med. Dr. phil. Torsten Haferlach

Geleitwort

Die „Theorie und Praxis für medizinische Assistenzberufe“ erscheint nun in der 3. Auflage. Das spricht dafür, dass die Autoren und der Verlag trotz der heutigen Möglichkeiten, sich umfassend durch Internetrecherchen zu informieren, es erneut als sinnvoll erachtet haben, ein deutlich aktualisiertes und konzeptionell überarbeitetes „Printmedium“ heraus zu bringen. Dies ist außerordentlich erfreulich, denn Büchern kommt trotz Internet unverändert eine wichtige Funktion zu, nämlich einen Überblick über ein gesamtes Gebiet – didaktisch gegliedert und aufbereitet – zu geben. Das ist mit der 3. Auflage gelungen. Über 120 selbst aufgenommene mikroskopische Bilder hoher Qualität wurden eingearbeitet und stehen dem Text zugeordnet zur Verfügung, ohne in einen Anhang umblättern zu müssen. WHO- und FAB-Klassifikationen der hämatologischen Neoplasien werden immer differenzierter und wurden ebenso wie zahlreiche Testverfahren aktualisiert, so auch im Bereich der Blutgruppenserologie und Hämostaseologie. Man merkt auch dieser Auflage den Enthusiasmus an, mit dem sich die Autoren – ein begeisterter Hämatologe und eine äußerst erfahrene Hämatologieassistentin – den Themen gewidmet haben. Zusammenfassend liegt mit der 3. Auflage ein breit gefächertes Buch vor, das es einem leicht macht, sich auf aktuellstem Stand im Bereich der klassischen Hämatologie, der hämatologischen Neoplasien sowie der Blutgruppenserologie und Hämostaseologie weiter- und fortzubilden. Die neue Auflage wird nicht nur für Assistenzberufe im Labor interessant sein, sondern auch für die Ärzte, die sich in der Weiterbildung zum Hämatologen oder Laborarzt befinden.

Trier, im April 2014

Prof. Dr. med. Dr. med. habil. Michael Clemens

Abkürzungen

A

bekannt hohe Aktivität

a

niedrige Aktivität

AB0-System

AB0-Blutgruppensystem

ABL

ABL-Gen auf Chromosom 9

AG

Antigen

AHG

Anti-Human-Globulin-Serum

AK

Antikörper

AIHA

autoimmunhämolytische Anämie

AITP

autoimmunthrombozytopenische Purpura

AILD

Angio-Immunoblastische Lymphadenopathie

AKS

Antikörpersuche

ALL

akute lymphatische Leukämie

ALP

alkalische Leukozytenphosphatase

ALPA

alkalische Leukozytenphosphatase-Aktivität

α

alpha

AML

akute myeloische Leukämie → ANLL

ANA

antinukleäre Antikörper

ANLL

akute nicht lymphatische Leukämie → AML

aPTT

aktivierte Partielle Thromboplastinzeit

ATP

Adenotriphosphorsäure, Adenosintriphosphat

AUL

akute undifferenzierte Leukämie

Baso

Basophil

B-Zellen

von Bursa fabricii abgeleitete lymphozytäre Zellen

BB

Blutbild

BCR

BCR-Gen auf Chromosom 22

β

beta

BF

Bodyfluid-Modus der Sysmex XN-Serie

BFU

erythropoetisch: burst forming unit

BSG

Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit

c-

common Ag (flowzytometrischer Lymphozytenmarker)

CB

zentroblastisches Lymphom

CBC

zentroblastisches Lymphom

CC

zentrozytisches Lymphom

CD

[engl.]cluster of differentiation; AK, die ein bestimmtes Differenzierungsantigen erkennen

CEL

chronische Eosinophilen-Leukämie

CFU

erythropoetisch: colony forming unit; koloniebildende Einheit im Kulturmedium

CLL

chronischlymphatische Leukämie

CML

chronisch myeloische Leukämie

CMML

CMMoL; chronisch myelomonozytäre Leukämie

CNL

chronische Neutrophilen-Leukämie

Cu

Kupfer

Cr

Chrom

51

Cr; radioaktives Chrom-Isotop

CSF

colony stimulating factor

CO

2

Kohlendioxid

DCT

direkter Coombs-Test

DD

Differenzialdiagnose

δ

delta

DIC

disseminierte intravasale Koagulopathie/Gerinnung

DIFF

Differenzialblutbild

DNA

Desoxyribonukleinsäure

dl

Deziliter

DPG

Diphosphoglycerat

E

erythrozytär

EBK

Eisenbindungskapazität

EDTA

Ethylene Diamine Tetra-Acetate

EBV

Epstein-Barr-Virus

Eo

eosinophil

epsilon

EP

Erythropoetin

ER

endoplasmatisches Retikulum

Est

Esterase-Reaktion

ET

essenzielle Thrombozythämie

EVB

Erythrozytenverteilungsbreite

FAB

French-American-British group

FACS

Fluorescence Activated Cell Sorter

Fc

kristallisierbares Fragment

Fe

Eisen

FISH

Fluoreszenz-In-Situ-Hybridisierung

FITC

Fluorescein-Isothiocyanat

fl

Femtoliter (10

–15

); (f)

FSC

Vorwärtsstreulicht

γ

gamma

GCS-F

granulo-colony stimulating factor, hämatopoetische Growth Factor

GM

granulozyär, monozytär

GEMM

gemischt determiniert: granulozytär, erythrozytär, monozytär, megakaryozytär

GvL

Graft versus Leukemia

G-6-PDH

Glucose-6-phosphatdehydrogenase

G/E

Verhältnis Granulopoese zu Erythropoese

g

Gramm

H

Wasserstoff

h

Stunde

Hb

Hämoglobin

HbA

adultes Hämoglobin vom Typ A

1

und A

2

HbF

fetales Hämoglobin

HbS

Hämoglobin bei Sichelzellanämie

HCl

Salzsäure

H-Ketten

heavy chain; Schwerketten

H

2

O

Wasser

HAES

Hydroxyethylstärke

HES

hypereosinophiles System

HIV

Human Immunodeficieny Virus: Retroviren vom Typ C

Hk

Hämatokrit

HLA

human leucocyte antigen;menschliches Leukozyten-Antigen-System

HP

Helicobacter pylori

HFR

high-fluorescence reticulocytes

HUS

hämolytisch-urämisches Syndrom

HZL

Haarzell-Leukämie

IB

immunoblastisches Lymphom

IBM

IBM-Verfahren beim Lymphozytotoxizitätstest

IC

immunozytom

ICT

indirekter Coombs-Test

ITP

idiopathische thrombozytopenische Purpura

IgA

Immunglobulin A

IgD

Immunglobulin D

IgE

Immunglobulin E

IgG

Immunglobulin G

IgM

Immunglobulin M

IM

Infektiöse Mononukleose

IPF

immature platelet fraction, Plättchenfraktion

IPI

internationaler prognostischer Index

IPSS

international prognostic scoring system

ISLH

International Society for Laboratory Hematology (externes Regel-werk/Expertenwissen)

J

Jod;

–135

J,

–125

J (radioaktive Jod-Isotope)

K

Kalium

K

Kell-Faktor

k

Cellano-Faktor

κ

kappa

KBR

Komplementbindungsreaktion

kDa

Kilodalton

kg

Kilogramm

KM

Knochenmark

l

Liter

λ

lambda

LDH

Lactatdehydrogenase

LE

Lupus erythrematodes

LGL

large granular lymphozyte

LgrX

Lymphogranulomatosis X (angioimmunoblastische Lymphadenopathie)

L-Ketten

light chain; Leichtketten

LFR

low-fluorescence reticulocytes

MDS

myelodysplastisches Syndrom

meg

megakaryozytär

min

Minute

ml

Milliliter

Met-Hb

Methämoglobin

M.

Morbus

MCH

mittleres korpuskuläres Hämoglobin

MCHC

mittlere korpuskuläre Hämoglobinkonzentration

MCV

mittleres korpuskuläres Volumen

MDS

myelodysplastisches Syndrom

mg

Milligramm

Mg

Magnesium

MFR

medium-fluorescence reticulocytes

MGUS

monoklonale Gammopathie unbestimmter Signifikanz

MHC

Haupthistokompatibilitätskomplex

MMS

Monozyten-Makrophagen System

MN

mononmorphnukleäre Zellen

MPN

myeloproliferative Neoplasien

μ

μg

Mikrogramm (10

–6

g)

μl

Mikroliter (10

–6

l)

μm

Mikrometer (10

–6

m)

Na

Natrium

NaCl

Natriumchlorid; Kochsalz

NHL

Non-Hodgkin-Lymphom

NIH

Lymphozytotoxizitätstest

NK-Zellen

naturliche Killerzelle

NRBC

nucleated red blood cells, Erythroblasten

n. W.

nach Westergren

O

2

Sauerstoff

OMF

Osteomyelofibrose

OMS

Osteomyelosklerose

PAS

Peridic-Acid-Schiff-Reaktion

PBS

Phosphate Buffered Saline

PC5

Phycoerythrin-CY5

PCP

Primär chronische Polyarthritis

PCR

Polymerase-Kettenreaktion

PE

Phycoerythrin

pg

Pikogramm (10

–12

g)

pH

Wasserstoffionenkonzentration

Ph

1

Philadelphia-Chromosom

Ph

(wird auch als Abkürzung für Phasenring verwendet)

PLF-F

Thrombozyten Zusatzparameter Anteil IPF

PLT

Thrombozyten

PLT-O

Optischer Thrombozytenwert

PMF

primäre Myelofibrose

PMN

polymorphnukleäre Zellen

PNH

paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie

POX

Peroxidase-Reaktion

PV

Polyzythämia vera

PZL

Thrombozyten Zusatzparameter

pO

2

Sauerstoff-Partialdruck

pCO

2

Kohlendioxid-Partialdruck

RA

refraktäre Anämie

RAEB

refraktäre Anämie mit Blastenexzess

RARS

refraktäre Anämie mit Ringsideroblasten

RBC

Red blood cells;rote Blutkörperchen

RES

retikuloendotheliales System

RET

Retikulozyten

RET-H

e

Retikulozyten-Hämoglobin-Äquivalent

RFLD

Restriktions-Fragmentlängenpolymorphismen

RNA

Ribonukleinsäure

Rh-Faktor

Rhesusfaktor

Rh-System

Rhesus-System

rpm

rounds per minute

RPI

Retikulozytenproduktionsindex

RT

Raumtemperatur

SFL

Seitwärtsfluoreszenzlicht

SLS

sodium lauryl sulfate

sTfR

löslicher Transferrinrezeptor

SM

systemische Mastozytose

SSC

Seitwärtsstreulicht

TdT

terminale Desoxynukleotidyl-Transferase

Tbc

Tuberkulose

T-Zellen

vom Thymus abgeleitete lymphozytäre Zellen

T4-Zellen

T-Helfer-Zellen

T8-Zellen

T-Suppressor-Zellen, zytotoxische T-Zellen

TEG

Thrombelastogramm

TPO

Thrombopoetin

TPZ

Thromboplastinzeit (Quick-Test)

TTP

thrombotisch-thrombo(zyto)penische Purpura

TZ

Thrombinzeit

V

Gesamtvolumen

v

Testmenge Blut

vWF

Von-Willebrand-Faktor

WBC

white blood cells

WDF

WDF-Kanal differenziert und zählt weiße Blutzellen

WNR

WNR-Kanal unterscheidet NRBC von weißen Blutzellen

X

Geschlechtschromosom für weibliches Geschlecht

Y

Geschlechtschromosom für männliches Geschlecht

ZNS

zentrales Nervensystem

ZPP

Zink-Protoporphyrin

ITheoretischer Teil

1

Hämatologie

Hämatologie befasst sich mit der Lehre des Blutes und seinen Krankheitsbildern. Die Bezeichnung stammt aus dem Griechischen und steht für:

Der Fachbereich Hämatologie ist in einen Theorie- und einen Praxisteil gegliedert und beinhaltet:

morphologische Untersuchungen,

gerinnungsphysiologische Untersuchungen,

blutgruppenserologische Untersuchungen.

Hämostaseologie, auch ein Begriff aus dem Griechischen, bedeutet Blutungsneigung. Hier werden erste gerinnungsphysiologische Abläufe der Blutgerinnung und der Fibrinolyse beschrieben, insbesondere die Fähigkeit des Blutes, bei Verletzungen zu gerinnen bzw. die Möglichkeit, bei Erkrankungen des Gerinnungssystems Patienten mit Medikamenten einzustellen. Es handelt sich um ein ständiges Fließgleichgewicht zwischen Blutungsneigung und Gerinnung.

Im Bereich der Immunhämatologie führen MTA Bestimmungen der Blutgruppen und der Rhesusantikörper und Blutkomponenten für Bluttransfusionen durch. Für Transplantationen von Organen werden Gewebetypisierungen durchgeführt. Diese Untersuchungen ermöglichen es, Patienten das Leben zu retten bzw. dauerhafte Schäden zu vermeiden.

Hämostaseologie und Immunhämatologie sind zwei eigenständige Themen, denen dieses Buch nur einen kleineren Teil der Ausführungen widmet. Umfassendere Informationen finden Sie in der weiterführenden Literatur und im Internet.

2

Das Blut als Organ

Blut ist ein flüssiges Organ, bestehend aus festen und flüssigen Bestandteilen mit verschiedenen Funktionen wie der Transport von Stoffen im gesamten Körperkreislauf.

2.1 Blutmenge

Das Blutvolumen eines erwachsenen Menschen liegt bei vier bis sechs Litern, das entspricht etwa 6–8% seines Körpergewichts. Neugeborene haben ca. 300–350ml Blutvolumen. Die Menge des zirkulierenden Blutvolumen lässt sich mit Farbindikatoren oder exakter mit Radioisotopen bestimmen. Hierzu wird 131J oder 125J radioaktiv markiertes Albumin oder 51Cr markierte Erythrozyten injiziert und mittels der Isotopenverdünnungsmethode mit der Formel:

die Konzentration des zirkulierenden Blutvolumens errechnet.

Das Gesamtvolumen beträgt im Mittel bei Männern 62–68ml/kg, bei Frauen ist es etwas niedriger. Ein Blut-Depot-Organ wie z. B. bei den Hunden die Milz, gibt es im menschlichen Körper nicht. Sauerstoffgesättigtes Blut (Abb. 2.1 Aorta/Arterien rot dargestellt) aus der Lunge wird von der linken Herzkammer unter erhöhtem Druck in den großen Blutkreislauf gepumpt, wo Gewebe und Organe den Sauerstoff verbrauchen. Gleichzeitig pumpt die rechte Herzkammer sauerstoffarmes Blut (Abb. 2.1 Venen blau) von den Geweben der Peripherie in den Lungenkreislauf, wo es erneut zur Sauerstoffaufnahme kommt. Die Durchblutung der einzelnen Organe ist dabei sehr unterschiedlich. Etwa 1/4 des Herzminutenvolumens von ca. 5 l/min durchströmt die Niere und die Leber. Darm, Haut, Gehirn, Muskulatur und andere Körpergewebe haben unter Ruhebedingungen in abnehmender Reihenfolge einen geringeren Bedarf (Abb. 2.1).

Im Blut findet der Gasaustausch von Sauerstoff (O2) und Kohlendioxid (CO2) und der Transport von ionisierenden Salzen, Nährstoffen und weiteren biologischen Substanzen wie Enzymen, Hormonen, Vitaminen und Spurenelementen statt (Tab. 2.1). Gleichzeitig erfolgt der Abtransport von Abbauprodukten/Stoffwechselschlacken zur Leber und Niere. Für den konstanten pH-Wert des Blutes von 7,38 bis 7,44 sorgen Karbonat-, Phosphat- und Eiweiß-Puffersysteme. Die dabei überschüssige Wärme kann zur Peripherie hin abgeleitet werden. Die allgemeine Infektabwehr ist Aufgabe der Blutzellen mittels Enzyme. Bei Verletzungen wirken die Gefäße durch Zusammenziehung, die Blutplättchen durch Aggregation und das plasmatische Gerinnungssystem für die Blutstillung.

Abb. 2.1 Blutkreislaufsystem des Menschen (aus: Tortora, G.J., Derrickson, B.H. (2006): Anatomie und Physiologie, Wiley-VCH).

Tab. 2.1 Unterschiedliche Funktionen des Blutes.

Merke
Eine der wichtigsten Aufgabe des Blutes ist der Transport von Sauerstoff und Kohlendioxid.

2.2 Blut und Blutzusammensetzung

Blut wird in spezielle Röhrchen mit ungerinnbar machenden Zusätzen (Antikoagulantien) entnommen und je nach Anforderung bzw. normal ca. 10 min bei 3000 U/min scharf zentrifugiert. Hierbei setzen sich die festen Bestandteile der roten und weißen Zellreihe am Boden des Röhrchen ab und die überstehende gelbliche Flüssigkeit, das sogenannte Blutplasma, wird abpipettiert.

Im Durchschnitt setzt sich das Blut zu 55 Vol% aus dem flüssigen Blutplasma und etwa zu 45 Vol% aus den zellulären roten Blutkörperchen (Erythrozyten), den weißen Bestandteilen (Leukozyten) und den Blutplättchen (Thrombozyten) zusammen.

Merke
Blut beinhaltet Blutzellen als festen Bestandteil und Plasma als flüssigen Anteil.

2.2.1 Zellen

Die zellulären Bestandteile am gesamten Blutvolumen werden als Hämatokrit (griech.: kritc, Beurteiler) bezeichnet. Als Antikoagulanz wird EDTA verwendet, da dieses nicht das Erythrozytenvolumen verändert. Durch hochtouriges Zentrifugieren setzen sich die Bestandteile mit dem höheren spezifischen Gewicht, die Erythrozyten, am Boden ab und darüber die leichteren Leukozyten und Thrombozyten und als Überstand das Blutplasma.

Röhrcheninhalt:

Blutplasma (Überstand)Leuko- und ThrombozytenErythrozyten (Sediment)

Der Anteil der Erythrozyten am Gesamtblut liegt im Mittel bei 45% (Tab. 2.2), bei Neugeborenen um etwa 10% höher, im Gegensatz dazu im Kleinkindalter um ca. 10% niedrigere Hämatokritwerte.

Der arterielle Hämatokrit ist gering niedriger als der venöse: Durch Flüssigkeitsverlust an das Gewebe bei der Passage des Blutes durch das Kapillarnetz (Tab. 2.3). Der Körperhämatokrit liegt zwischen arteriellem und venösem Hämatokrit und wird durch Multiplizieren mit dem empirisch ermittelten Faktor 0,9 berechnet.

Tab. 2.2 Referenzwerte des Hämatokrits.

 

HK

SI-Einheit

Männer

40–53%

0,40–0,53 l/l

Frauen

36–48%

0,36–0,48 l/l

Tab. 2.3 Hämatokrit Indikationen (lat. indicare: anzeigen).

Hämatokrit erhöht

Hämatokrit erniedrigt

Exsikkose (Austrocknung)

Hyperhydratation (Überwässerung)

Polyzythämia vera

Anämien

sekundäre Polyglobulie

Neugeborenen

Steigt der Hämatokrit sehr stark an, so ist dies eine große Belastung für das menschliche Herz, da die innere Reibung (Viskosität) stark zunimmt.

Im Vergleich:

Wasser hat eine Viskosität 1mittlere Blutviskosität beim Erwachsenen bei 4,5flüssiges Blutplasma bei 2,2.

Die Viskosität steigt bei Anstieg des Hämatokrits überproportional.

2.2.1.1 Blutplasma

Der flüssige Anteil des Blutes besteht zu 90% aus Wasser, darin sind 6–8% kolloid gelöste Proteine (Eiweißkörper: 4–5% Albumine und 2–3% Globuline) und dissoziierte Salze: Natrium (Na+), Kalium (K+), Calcium (Ca+), Chlorid (Cl–)-Ionen. Puffersysteme wie Kohlensäurekarbonatpuffer und Hydrogenphosphatpuffer und Transport spezifischer und unspezifischer Transportproteine gebundener organischer und anorganischer Substanzen sorgen für die konstante Zusammensetzung (Isostruktur) des Blutplasmas (Fließgleichgewicht) (Tab. 2.4).

Tab. 2.4 Inhalte der Isostruktur.

Isionie

konstante Ionenzusammensetzung

Isotonie

konstanter osmotischer Druck

Isohydrie

konstante H

+

-Konzentration

Der menschliche Körper hat drei große Flüssigkeitsräume:

1. Blutgefäßsystem mit Arterien und Venen,
2. interstitieller Raum, der Zwischenzellraum, der die Umwelt für die Masse der Körperzellen bildet und über die Kapillarmembran im Stoffaustausch steht und
3. Intrazellularraum.

Der Mensch verbraucht ca. 3 l Wasser am Tag. 70% der Plasmaflüssigkeit wird innerhalb einer Minute mit dem Interstitium ausgetauscht. Nur für Eiweißkörper (Proteine) und Zellen besteht ein nennenswerter Unterschied zwischen Gefäßsystem und Interstitium. Eiweiß und Zellen können die Kapillarmembran nicht passieren. Die Elektrolyte wandern zwischen Gefäßsystem und Interstitium frei. Zwischen diesen Räumen und dem intrazellulärem Raum bestehen deutliche Konzentrationsunterschiede. Die gelösten Eiweißkörper im Plasma werden aufgrund ihrer unterschiedlichen Eigenschaften in Albumine, α1-, α2-, β- und γ-Globuline sowie Fibrinogen unterteilt. Sie können durch ihre unterschiedliche Wanderungsgeschwindigkeit im elektrischen Feld (Elektrophorese) aufgetrennt werden.

Abb. 2.2 Normale Elektrophorese.

Abb. 2.3 Immunelektrophorese.

Tab. 2.5 Albumine und Globuline.

In der Immunelektrophorese/Immunfixation erfolgt die Aufschlüsselung der Eiweißkörper sowohl aufgrund ihrer elektrischen Ladung als auch entsprechend ihrer spezifischen Antigeneigenschaften. Von Bedeutung ist hier der Einzelnachweis der Immunglobuline IgG, IgA, IgM, IgD, IgE sowie eventuell vorkommender abnormer Proteine (Abb. 2.2 und 2.3, Tab. 2.5).

Immunglobuline werden im Zytoplasma der Lymphozyten und Plasmazellen gebildet. Sie sind y-Globuline mit spezifischen Antikörpereigenschaften gegenüber antigenen Fremdstoffen. Ihre Moleküle setzen sich einheitlich aus vier Polypeptidketten zusammen, von denen jeweils zwei paarweise identisch sind. Entsprechend ihres geringen Molekulargewichtes werden die beiden kürzeren λ- oder κ-Ketten als L (engl.: light, leicht)-Ketten bezeichnet und sind über Disulfidbrücken mit den beiden längeren H (engl.: heavy, schwer)-Ketten verbunden. Die Einteilung der Immunglobuline in fünf Klassen erfolgt über die Schwerketten vom Typ γ, α, μ, δ und (Abb. 2.4).

Abb. 2.4 Das Immunglobulinmonomer. Fab: antikörperbildende Fragmente; Fc: kristallisierbares Fragment Disulfidbrücken, welche die einzelnen Polypeptidketten verbinden (modifiziert nach Hoffbrand und Pettit (1986)).

Merke
Krankhafte Veränderungen in der Serum- und/oder in der Immunelektrophorese und Immunfixation mit erhöhter BSG (Blutsenkungsgeschwindigkeit) deuten auf Dysproteinämien (quantitative Eiweißverschiebungen oder Defektproteinämien, z.B. Analbuminämie oder Agammaglobulinämie) oder monoklonale Gammopathie hin.

2.3 Aufgaben der Blutzellen

Drei Zellklassen werden unterschieden (Tab. 2.6):

1. Erythrozyten (rote Blutkörperchen),
2. Leukozyten (weiße Blutkörperchen),
3. Thrombozyten (Blutplättchen).

Leukozyten sind vollständige Zellen mit Zellkern und Zellleib, Erythrozyten sind beim Menschen kernlos. Thrombozyten bestehen aus Hyalomer und Granulomer – ohne Kernsubstanz – abgeschnürt aus dem Zytoplasma des Megakaryozyten.

Ein normaler Blutausstrich enthält Erythrozyten, Leukozyten und Thrombozyten.

Die Leukozyten werden differenzialdiagnostisch wie folgt unterschieden:

neutrophile Granulozyten (Stab- und Segmentkernige),

eosinophile Granulozyten,

basophile Granulozyten,

Lymphozyten,

Monozyten.

Die Entwicklung der Blutzellen erfolgt im roten Knochenmark. Die Lymphozytenbildung entwickelt sich in der Milz und in den Lymphknoten und vereinzelt in den Lymphfollikeln des Knochenmarks. Die Erythrozyten und Thrombozyten erfüllen ihre Funktion in der Peripherie. Die Zellen werden im retikuloendothelialen System (RES) abgebaut, überwiegend in der Milz, der Leber und dem Knochenmark. Für die Leukozyten ist das Blut nur Transportmittel; ihre spezifische Abwehrfunktion üben sie im Gewebe aus.

Tab. 2.6 Aufgaben der Blutzellen.

Korpuskuläre Bestandteile

Funktion

Erythrozyten

• Transport von O

2

+ CO

2

• Pufferung

Thrombozyten

• Bildung des hämostatischen Pfropfes• Freisetzung von Plättchenfaktor 3• plasmatische Gerinnung

Leukozyten

• Phagozytose (Bakterienabbau)• Migration (Eigenbeweglichkeit oder Wanderung)• Diapedese (Austritt aus der Blutbahn/Gewebe)• Chemotaxis (Ansammlung im Bereich von Entzündungen durch bestimmte freiwerdende Stoffe)

basophile Granulozyten

• Aufnahme und Transport von Histamin und Heparin

Eosinophile

• Phagozytieren AG-AK-Komplexe

Neutrophile

• Mikrophagozytose

Monozyten

• Makrophagozytose

Lymphozyten

• AK-Produktion• Erkennung und Speicherung von antigener Information

Plasmazellen

• humorale Immunabwehr

Merke
Alle korpuskulären Bestandteile erfüllen spezifische Funktionen.

3

Blutbildung

3.1 Morphologie der Zellen

Der Aufbau der Zellen ist elektronenmikroskopisch erforscht (Abb. 3.1). Sie bestehen aus dem Zellleib (Zytoplasma) und dem Zellkern (Nukleus). Die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) und die Blutplättchen (Thrombozyten) sind keine vollständigen Zellen. Ihnen fehlt der Zellkern und auch weitere wichtige Zytoplasmastrukturen.

Die Zellen sind morphologisch und biologisch im Wechsel mit anderen Zellen in der Lage, die verschiedenen Funktionen wie Energieaustausch, Zellteilungen und Reize zu bewältigen. Beispielsweise bedingt das Fehlen des Kerns bei den Erythrozyten den Verlust der Zellteilung.

Abb. 3.1 Zellaufbau (aus Knoche (1980)).

3.1.1 Zellleib (Zytoplasma)

Das Plasmalemm benötigt zur Aufrechterhaltung seines vierschichtigen Zellhäutchens ständige Energiezufuhr. Lichtmikroskopisch erscheint das Zytoplasma homogen und besteht aus einer Matrix (Grundzytoplasma und Hyalomer).

Das Hyalomer beinhaltet Eiweiß, Wasser, Salze und zytoplasmatische Strukturen. Die Zellorganellen setzen sich aus dem endoplasmatischen Retikulum, den Ribosomen, den Zytosomen, den Lysosomen (elektronenmikroskopisch erkennbar) und aus den Mitochondrien, dem Golgi-Apparat und dem Zentrosom (lichtmikroskopisch mit besonderen Färbungen darstellbar) zusammen.

Das endoplasmatische Retikulum (ER) ist ein verzweigtes, dreidimensionales Hohlraumsystem, dessen Membran Fermente (Enzyme) für den Eiweiß- und Kohlenhydratstoffwechsel enthält. Mit Ausnahme der Erythrozyten ist es in allen Zellen zu finden. Man unterscheidet das raue ER von dem glatten ER. Das raue ER entsteht durch die auf der Membran sitzenden Ribosomen. Diese sind der Hauptort der Proteinsynthese. Durch den Gehalt an Ribonukleinsäure (RNA) ist dieses Gebiet sauer und färbt sich mit basischen Farbstoffen basophil (blauliebend) an. Diese blaugefärbte Zone wird auch Ergastoplasma genannt. Das glatte ER hat keine Ribosomen aufsitzen und spielt beim Kohlenhydratstoffwechsel eine bedeutende Rolle.

Die Zytosomen (Microbodies) sind kleine Speicherorganellen mit überwiegend verdauungsfördernden Fermenten, Lipiden, Eisen, Pigmenten und Fremdstoffen.

Lysosomen sind die spezifischen Granula der Granulozyten, die Abbaufermente enthalten und bei Entzündungen aktiviert werden. Sie enthalten Hydrolasen, wie z. B. saure Phophatase.

Zellorganellen wie Mitochondrien, Golgi-Apparat und Zentrosom sind Strukturen mit Aufgaben in den Zellfunktionen.

Mitochondrien besitzen eine Doppelmembran und bilden in ihrer inneren Membran durch Einfaltungen sogenannte Christae (Leisten), in denen intensiver Stoffwechsel stattfindet. Sie weisen einen kleinen Anteil an Desoxyribonukleinsäure (DNA) auf.

Der Golgi-Apparat besteht aus Bläschen mit glatten Doppellamellen und Vakuolen in der Nähe des Zellkerns und spielt eine wichtige Rolle beim Sekretstoffwechsel: Er verpackt Sekrete oder Enzyme zu Lysosomen.

Das Zentrosom (Zytozentrum) besteht aus Zentriol und Zentroplasma. Es bildet bei der Zellteilung die Spindelfasern.

3.1.2 Zellkern (Nukleus)

Der Zellkern ist das wichtigste Steuerungszentrum der Zelle. Er hat eine doppelte Membran mit einem perinukleären Spalt, der über die Poren der Außenmembran mit dem endoplasmatischen Retikulum in Verbindung steht. Der Zellkern besteht aus Chromatin (basophile DNA- und RNA-Grundsubstanz > Chromosomen, die Träger der Erbanlagen).

Die Nukleinsäuren DNA und RNA sind Polynukleotide, deren Grundbausteine die Purin- bzw. Pyrimidinbasen, Monosaccharide und Phosphorsäure sind. DNA enthält D-Desoxyribose und die Basen Adenin, Guanin, Cytosin und Thymin und liegt in den Chromosomen in Form einer superspiralisierten Helix vor. RNA enthält D-Ribose und die Basen Adenin, Guanin, Cytosin und Uracil.

Das Kernchromatin befindet sich in der Karyolymphe (Karyoplasma), einem eiweißhaltigen Kernsaft.

Die Kernkörperchen (Nukleoli) steuern die Proteinsynthese. Diese wird mithilfe der Boten-RNA (messenger-RNA oder m-RNA) in den Ribosomen des Zytoplasmas ausgelöst.

Weitere Informationen unter http://de.wikipedia.org/wiki/chromosom.

Die Kern-Plasma-Relation ist abhängig von Zellalter, Zelltyp und dem Differenzierungsgrad. Neben der normalen einkernigen Zelle können unter physiologischen und pathologischen Bedingungen Doppel- und Mehrkernigkeiten auftreten.

3.2 Zellteilungen

Zellteilungen dienen dem Organismus zum Aufbau, zur Erhaltung und zur Erneuerung (Abb. 3.2). Die Teilungsvorgänge (Zellkinetik) sind abhängig von der Gewebeart.

Es gibt vier Arten der Zellteilung:

Abb. 3.2 Zellteilung.

1. Mitose (indirekte Zellteilung),
2. Meiose (Reife- oder Reduktionsteilung),
3. Amitose (direkte Kernteilung),
4. Endomitose (Chromosomenverdopplung ohne Kernteilung).

Bei der Zellteilung können aus der Mutterzelle unterschiedlich geartete Tochterzellen entstehen:

Homoplastische Teilung: Hier entstehen zwei der Mutterzelle gleichenden Tochterzellen.

Heteroplastische Teilung: Hier entstehen zwei differente Tochterzellen, z. B. bei der Entwicklung der Blutzellen aus den mesenchymalen Stammzellen und späteren weiteren Reifeteilungen.

Hemihomo-hemiheteroplastische Teilung: Hier entstehen eine der Mutterzelle gleichende und eine differente Tochterzelle zur Erhaltung des Zellpotenzials.

Sukzedian-Teilung: Diese Teilung ohne vorherige Chromosomenverdopplung führt zu hypoploiden Zellkernen, z. B. bei der Normoblastenentwicklung.

Die Mitose verläuft in mehreren Phasen (Abb. 3.3). Nach der Verdopplung des paarigen Chromosomensatzes während der DNA-Synthesephase werden die Chromosomen gleichmäßig auf beide Tochterzellen verteilt. Es entstehen zwei erbgleiche Zellen mit gleicher Chromosomenzahl.

Wir unterscheiden bei der Mitose folgende Phasen:

1. Prophase: Das Chromatingerüst ordnet sich zu einem Knäuel (Spirem), aus dem sich langsam die bereits in der DNA-Synthesephase verdoppelten Chromosomen als schleifenförmige Teile darstellen. Der Nukleolus verschwindet, die Kernmembran beginnt sich aufzulösen. Es folgt die Teilung des Zentrosoms (Zentralkörperchen), die beiden Zentriolen wandern auseinander. Zwischen ihnen bilden sich, aus Polypeptidketten bestehend, die Spindelfasern (Polstrahlung).
2. Metaphase: Sie ist definiert durch die Längsspaltung der völlig identisch verdoppelten Chromosomen. Die Spindelfasern setzen an den zwei dicht beieinander liegenden Chromatiden an und beginnen sich in der Äquatorialplatte sichtbar zu den Polen wie ein Stern (Monaster) auseinanderzuziehen.
3. Anaphase: Hier kommt es zur Trennung durch die Wanderung der Chromosomen in entgegengesetzte Richtung zu den Polen. Die Spindelfasern bilden eine Rosette um die Zentriolen als Doppelsternbildung (Diaster).
4. Telophase: Die Chromosomen knäueln sich wieder zu Spiremen zusammen, und um jeden Kern bildet sich eine Membran. Mit der Bildung eines neuen Plasmalemms erfolgt die Durchschnürung des Zellleibes in zwei neue Zellen.
5. Rekonstruktionsphase: Es entsteht wieder ein Interphasekern mit Nukleolen. Die Zelle kann ihre spezifischen Funktionen ausüben.

Abb. 3.3 Mitose: Pro-, Meta-, Ana-, Telo- und Rekonstruktionsphase.

Die Meiose (Reife- oder Reduktionsteilung) findet man bei der Reifeteilung der Geschlechtszellen Spermatozyt und Oozyt. Die Teilung selbst verläuft nach der Art der Mitose, nur ohne vorherige Teilung des Chromosomensatzes (der Mensch hat 23 Chromosomenpaare; das Chromosomenpaar 23 sind die Geschlechtschromosomen: XX für weiblich und XY für männlich). Die Tochterzellen erhalten je eine Hälfte eines Chromosomenpaares und haben damit nur die halbe Chromosomenzahl der Mutterzelle. Sie sind haploid und ungleich im Erbgut, z. B. kommt von dem Chromosomenpaar XY das X in die eine und das Y in die andere Tochterzelle. Geschlechtsbestimmend in den Körperzellen ist die Kombination wie folgt:

XX bedeutet weiblich und

XY bedeutet männlich.

Diese Kombination ist dann in allen Körperzellen zu finden. Bei der Meiose kann auch ein krankes und gesundes Genpaar getrennt werden, sodass das Kind krank oder gesund sein kann.

Bei der Amitose schnürt sich der Kern ohne Sichtbarwerden der Chromosomen durch und meistens erfolgt auch keine Zellteilung, sodass Zellen mit mehreren Kernen, z. B. Riesenzellen wie die Osteoklasten (knochenabbauende Zellen) entstehen. Durch die vergrößerte Kernsubstanz kommt es zu einer größeren funktionellen Leistungsfähigkeit.

Bei der Endomitose oder der inneren indirekten Teilung werden die Chromosomen durch Längsspaltung verdoppelt, wobei die Kernmembran erhalten bleibt. Der entstehende polyploide große Kern kann Kernabschnürungen aufweisen. Ein typisches Bild sind die Megakaryozyten bzw. deren Vorstufen (Blutplättchen bildende Zellen des Knochenmarks). Polyploide Zellkerne kann man fast in allen Geweben und bei bösartigen Geschwülsten finden.

Zelltod: Zellen, die ihre Teilungsfähigkeit verlieren, sterben und führen somit zur Zellnekrose. Erst kommt es zur Kernschrumpfung (Karyopyknose), dann zerreißt der Kern (Karyorrhexis) und zum Schluss löst sich der Kern auf (Karyolyse). Bei einem programmierten Zelltod spricht man auch von der Apoptose oder „Zellselbstmord“.

Das Zytoplasma verliert durch den RNA-Abbau seine Basophilie, und die Auflösung des Zellleibes (die sogenannte Plasmolyse) bedeutet den endgültigen Zelluntergang. Bei der Hämolyse der Erythrozyten kommt es meist ganz plötzlich zur Zelllyse (Zelltod).

3.3 Ursprung und Entwicklung der Blutzellen (Ontogenese)

Die Blutzellen haben ihren Ursprung in der befruchteten omnipotenten Eizelle (Zygote) und entwickeln sich mit fortschreitender Zellteilung über mehrere Zwischenstufen und Differenzierungsschritte zu pluripotenten, myelogenen (Knochenmark bildenden) Stammzellen. Aus diesen Vorläuferzellen – beim Kind in der fetalen Leber und Milz und beim Erwachsenen vorwiegend im Knochenmark – entstehen die Vorläuferzellen für die Hauptzellreihen der medullären Hämatopoese.

Erythrozytopoese

Granulozytopoese

Monozytopoese

Megakaryozytopoese

Lymphozytopoese.

Die pluripotenten Stammzellen sind nur zu ca. 10% im Zellzyklus aktiv und füllen nach Bedarf in den Pool ein (dynamischer Pool). Die Stammzelle hat zwei Eigenschaften:

die Selbsterneuerung

die Ausdifferenzierung.

Die Differenzierungsmöglichkeiten werden schrittweise eingeschränkt und somit entsteht als nächstes die multipotente Progenitorzelle, die durch weitere Zellteilung und Differenzierung weitere reife Vorläuferzellen bildet. Blasten sind die letzten Vorläufer (Progenitorzellen). Sie sind Mutterzellen, die durch weitere Teilung und Differenzierung bis hin zur einzigen Zellreihe, z. B. der erythrozytären oder granulozytären Zellreihe, determinieren.

Sicher nachweisbar sind die Stamm- und Vorläuferzellen durchflusszytometrisch durch die Immunphänotypisierung (Flow-Zytometrie) anhand der Antigene C-Kit oder CD34, welches sie auf ihrer Oberfläche exprimieren. Alle Zellen besitzen Oberflächenantigen (CD-Antigene; cluster of differentiation, CD). In der panoptischen Färbung nach Pappenheim entsprechen Stamm- und Progenitorzellen kleinen rundkernigen Lymphozyten, wobei hier erst die Blasten wie Myeloblast, Proerythroblast etc. eindeutig zugeordnet werden können.

Durch In-vitro-Kulturtechniken können Zytokine (colony stimulating factor, CSF) aus Progenitorzellen Zellkolonien bilden. Die Zytokine werden von Knochenmarkstromazellen, Mono- und Lymphozyten gebildet und sind hormonähnliche Substanzen. Die Ausnahme bildet das Erythropoetin. Es ist der Wachstumsund Differenzierungsfaktor der roten Zellreihe und wird in der Niere produziert. Die verschiedenen Wachstumsfaktoren werden in Mehrreihen-CSF und linienspezifische CSF unterteilt. Die Mehrreihen-CSF regen die pluripotenten und frühen Progenitorzellen oder mehrere Zellreihen an, z. B. Interleukin 3 und GM-CSF. Die linienspezifischen CSF stimulieren die reifen Vorläuferzellen und sind herangereift für eine Zelllinie wirksam, z. B. G-CSF für granulopoetische Kolonien, Erythropoetin für die Erythropoese oder Thrombopoetin für die Megakaryozytopoese. Neben den hämatopoetischen Wachstumsfaktoren gehören auch die Interleukine, Interferone und die Tumor-Nekrose-Faktoren zu den Zytokinen.

Abb. 3.4 Differenzierung und Reifung der Myelopoese (verändert nach Boll und Heller (1991)).

Zytokine reifer Blutzellen hemmen die Produktion der Wachstumsfaktoren.

In Kulturmedien entstehen durch Proliferation und Differenzierung der Vorläuferzellen kleine Zellanhäufungen (Kolonie bildende Einheiten bzw. colony forming units, CFU). Die am frühesten nachweisbare multipotente Vorläuferzelle kann zur Granulo-, Erythro-, Mono- und Megakaryozytopoese differenzieren und wird als CFU-GEMM bezeichnet. Die Progenitorzellen einer Zelllinie können sich nur noch unipotent differenzieren. Entsprechend der Zelllinien bei der Differenzierung kommt es zu folgenden Differenzierungszellreihen (Abb. 3.4):

CFU (colony forming unit bzw. Kolonie bildende Einheit im Kulturmedium),

GEMM (gemischt determiniert; granulozytär, erythrozytär, monozytär und megakaryozytär),

BFU (erythropoetische Progenitorzelle vor erythroid burst forming unit, CFU-E),

CFU-E (erythrozytär),

CFU-Meg (megakaryozytär),

CFU-GM (granulo- und monozytär),

CFU-EO (eosinophil).

3.4 Blutentwicklung

In der Embryonalzeit entstehen aus dem Mesenchym (mittleres Keimblatt) Bindegewebe, Knochen, Muskulatur und weniger differenzierbare lockere Zellen des retikuloendothelialen Systems (RES). Hierzu gehören die hämozytoplastischen Zellen (Blutbildungszellen).

In der embryonalen Blutbildung unterscheidet man (Abb. 3.5):

1. Mesodermale Phase: Die frühembryonale (mesodermale) Blutbildungsphase beginnt etwa in der dritten Woche bis etwa Mitte des dritten Monats. Aus diesen frühen Zeiten bilden sich Blutinseln, deren Randzellen die Endothelien der inneren Gefäße sind. Es entstehen erste primitive, große, kernhaltige Erythroblasten (hämoglobinhaltige Megaloblasten).
2. Hepatolienale Phase: Die hepatische Phase setzt Ende des zweiten Monats mit der Blutbildung in der Leber, später auch in der Milz ein. Die Erythrozytopoese ist normoblastisch. Die ersten weißen Vorstufen treten auf: die eosinophilen Granulozyten vor den neutrophilen und basophilen Granulozyten. Die Lymphozyten werden Ende des zweiten Monats zuerst im Thymus gebildet, später in Milz und Lymphknoten. Ab Ende des fünften Monats sind alle Zellformen vorhanden.
3. Medulläre Phase: Zum Ende des vierten Monats erscheinen die ersten Markräume, im fünften Monat entwickeln sich Knochenmark und Spongiosa. Die Blutbildung geht auf das rote Knochenmark über. Die postnatale Blutbildung bedeutet, dass nach der Geburt keine extramedulläre Blutbildung (Blutbildung außerhalb des Knochenmarks) besteht. Jedoch ist der Organismus in der Lage, unter bestimmten pathologischen Bedingungen wie z. B. der Osteomyelofibrose (OMF), jederzeit erneut in Leber und Milz Blutzellen zu bilden wie in der Embryonalzeit (metaplastische Blutbildung).

Abb. 3.5 Schema der embryonalen Blutbildung nach Rohr: (1) mesodermale Phase; (2) hepatische Phase; (3) lienale Phase; (4) medulläre Phase.

3.4.1 Knochenmark

Alle Knochen enthalten zur Zeit der Geburt rotes, blutbildendes Mark, wovon ein Teil langsam zu gelbem Fettmark umgewandelt wird. Bei Schulkindern ist etwa eine Hälfte rotes, die andere Hälfte gelbes Mark und beim Erwachsenen ist das blutbildende Knochenmark nur noch in den kurzen Plattenknochen (Wirbeln, Schädel, Sternum, Becken und den proximalen Enden des Röhrenknochens) zu finden (Abb. 3.6). Im Krankheitsfall kann innerhalb von 48 Stunden Fettmark wieder in rotes Knochenmark umgewandelt werden. Auch Leber und Milz können ihre fetalen blutbildenden Funktionen wieder aufnehmen (extramedulläre Hämatopoese).

3.5 Entwicklung der Blutzellen

Im Knochenmark entstehen aus einer gemeinsamen hämatopoetischen Stammzelle hauptsächlich die Zellen der Erythro- und Granulozytopoese im Verhältnis 1 : 3. Die Anzahl der Monozyten und Thrombozyten spielt nur eine untergeordnete Rolle. Die Lymphozytopoese entwickelt sich in den Lymphknoten und in der Milz, aber auch in den Lymphfollikeln des Knochenmarks.

Abb. 3.6 Verteilung des hämatopoetischen Knochenmarks (dunkel schraffiert) beim Kind und beim Erwachsenen (Heimpel, Hoelzer und Lohrmann (1988)).

3.5.1 Erythrozytopoese

Die Entwicklung der Erythrozyten findet im roten Knochenmark statt (Abb. 3.7). Alle Zellen der Erythrozytopoese sind kernhaltige Erythroblasten. Sie liegen im Zellhaufen (Erythroblastenklon bzw. Erythron), da sie unbeweglich sind.

Die erste differenzierbare Zelle der Erythrozytopoese ist der basophile Proerythroblast mit den typischen Merkmalen einer unreifen Zelle: großer Kern mit gleichmäßig netziger bzw. körniger Struktur und etwa zwei bis drei Nukleolen, schmaler tiefbasophiler Zytoplasmasaum. Durch homoheteroplastische Teilung (Sukzedianteilung) entstehen aus zwei Zellen, von denen die eine wieder zum Proerythroblasten und die andere sich zum Erythroblasten (Makroblast) differenziert. Morphologisch handelt es sich um eine etwas kleinere Zelle mit dichterem Kernchromatin und meist ohne Nukleolen. Eine Mitosephase dauert etwa ein bis zwei Stunden, eine vollständige Zellteilung etwa 24 Stunden. Vom Proerythroblasten zum Erythrozyten beträgt die Ausreifung etwa fünf Tage. Ab dem basophilen Normoblasten (basophilen Erythroblasten) führt die Hämoglobineinlagerung bis zum reifen Erythrozyten zu oxiphilem Zytoplasma, die Basophilie der RNA-haltigen Ergastoplasmastruktur verliert sich. Die nächsten Reifungsstufen, jeweils durch Mitose-Sukzedianteilung entstanden, sind die Normoblasten (Erythroblasten).

Abb. 3.7 Erythrozyten und ihre Entstehung (verändert aus Soost (1976)).

Basophile Normoblasten (basophile Erythroblasten) mit blauem Zytoplasma,

polychromatische Normoblasten (polychromatische Erythroblasten) mit blaurotem Zytoplasma,

oxiphile Normoblasten (oxiphile Erythroblasten) mit rötlichem Zytoplasma.

Der Zellkern wird in diesen Reifungsstufen zunehmend dichter und kleiner. Schließlich wird noch innerhalb des Knochenmarks der Zellkern aus der Zelle ausgestoßen, wodurch das Retikulozytenstadium erreicht wird. Diese Zellen enthalten noch ribosomale RNA, die als Substantia granulofilamentosa sichtbar ist. Etwa drei Tage noch verbleibt die jugendliche kernlose Zelle (Retikulozyt) im Knochenmark. Durch eigene Beweglichkeit ist der Retikulozyt in der Lage, durch die Spalten der Sinuswände durchzuschlüpfen und kommt dabei in den Blutstrom. Einen weiteren Tag zirkuliert der Retikulozyt im peripheren Blut, bevor er – haupt-sächlich in der Milz – durch den Verlust von RNA zum kernlosen, bikonkaven Erythrozyten heranreift. Die Regenerationsfähigkeit der Erythrozyten kann mit der Retikulozytenzählung erfasst werden. Aus einem Proerythroblasten entstehen normalerweise 16 reife Erythrozyten. Reife Erythrozyten haben eine Lebenserwartung von 100–120 Tagen.

Abb. 3.8 Erythrozyten-Querschnitt.

Bei der extramedullären Erythrozytopoese erscheinen kernhaltige Erythrozytenvorstufen (Erythroblasten) im Blut. Auch bei einigen Knochenmarkserkrankungen tritt dieser Befund auf. Im peripheren Blutausstrich sind normalerweise keine Erythroblasten vorhanden.

Die Produktion der Erythrozytopoese wird durch das Hormon Erythropoetin reguliert. Erythropoetin wird in der Niere gebildet und durch die Sauerstoffsättigung im Nierengewebe reguliert. Es dient als Wachstums- und Differenzierungsfaktor der roten Blutzellreihe. Bei Auftreten einer Anämie steigt die Erythropoetinbildung an und stimuliert die Erythrozytopoese durch:

vermehrte Bildung erythrozytopoetisch determinierter Stammzellen,

erythrozytäre Vorstufen mit erhöhter Hämoglobinsynthese,

erythrozytäre Vorstufen mit verminderter Reifungszeit,

vorzeitige Ausschwemmung medullärer Retikulozyten in das periphere Blut (Retikulozytenschub).

Der Erythrozyt besteht zu 63% aus Wasser, zu 33% aus Blutfarbstoff (Hämoglobin), aus etwa 300 000 Molekülen und 4% Eiweißgerüst (Stroma, Abb. 3.8). Die Erythrozytenmembran benötigt zum Transport von Elektrolyten Energie in Form von Adenosintriphosphat (ATP). Der Sauerstofftransport in Ruhe beträgt 250ml O2 min–1. Die Gesamtzahl der Erythrozyten beim Erwachsenen beträgt etwa 25 · 1012 Zellen. Die Membran der Erythrozyten ist Sitz der Blutgruppenantigene.

3.5.1.1 Der Retikulozytenproduktionsindex (RPI)

Durch die Ermittlung des Retikulozytenproduktionsindex (RPI) ist die Regenerationskapazität der Erythrozyten bewertbar. Der RPI wird gemäß folgender Berechnung ermittelt:

Herkömmlicherweise ist schon die Retikulozytenzahl in Prozent im peripheren Blut eine Kennzahl, um die Neubildung von Erythrozyten im Knochenmark abzuschätzen. Über die Berechnung vom RPI wird die Retikulozytenzahl korrigiert, wodurch die Beurteilung von Anämien deutlich besser gelingt.

Tab. 3.1 Berechnung Retikulozyten-Shift.

Hämatokrit [%]

Retikulozyten-Shift [Tage]

45

1

35

1,5

25

2

15

2,5

Über den Retikulozytenshift wird die Verschiebung des Reifungsortes der Retikulozyten vom Knochenmark in das periphere Blut in Abhängigkeit vom Hämatokrit beschrieben. Bei einem starken Abfall des Hämatokrit kommt es zu einem früheren Übertritt von Retikulozyten aus dem Knochenmark ins periphere Blut und somit durchschnittlich zu einer längeren Verweildauer der Vorstufen der Erythrozyten (Retikulozyten) im peripheren Blut.

Die Verschiebung des Reifungsortes zeigt bei gleicher Produktion an Retikulozyten einen erhöhten Anteil an Retikulozyten. Die Interpretation bzw. die Bewertung der Aktivität der Erythropoese ist hierbei nicht konkret möglich. Deshalb korrigiert der RPI den Anteil der Retikulozyten im Blut um den Retikulozyten-Shift in Tagen, d. h. um die Tage, die ein Retikulozyt im peripheren Blut verbringt (Tab. 3.1).

Gesunde, nicht anämische Personen zeigen einen RPI von 1. Im Falle einer Anämie kann zwischen Blutarmut mit ungestörter Erythropoese (RPI > 3) und anämischen Krankheitsbildern mit eingeschränkter Funktionalität der Erythropoese (RPI < 1) sehr gut unterschieden werden.

3.5.2 Hämoglobinsynthese

Erythrozyten haben in erster Linie die Aufgabe, Sauerstoff ins Gewebe und Kohlendioxid zur Lunge zu transportieren. Für diesen Gasaustausch besitzen die Erythrozyten das Hämoglobin. Die Hämoglobinsynthese vollzieht sich überwiegend in den Mitochondrien der Erythroblasten, den kernhaltigen Vorstufen der roten Zellen im Knochenmark und zu etwa 35% in den Retikulozyten.

Das Hämoglobin ist ein zusammengesetzter Eiweißkörper, ein Chromoproteid, bestehend aus dem Eiweißanteil Globin und der Farbstoffkomponente Häm. Die Ausgangsprodukte des Häm stammen aus dem Zitronensäurezyklus:

Bernsteinsäure COOH-CH

2

-CH

2

-COOH und

Glykokoll (Glycin, auch Aminoessigsäure NH

2

-CH

2

-COOH).

Diese bilden unter Abspaltung von CO2 und H2O die δ-Aminolävulinsäure COOH-CH2-CH2-CO-CH2NH2: Zwei Moleküle δ-Aminolävulinsäure lagern sich so zusammen, dass ein Pyrrolring mit Seitenketten entsteht: das Porphobilinogen (Abb. 3.9).

Abb. 3.9 Porphobilinogen.

Vier Moleküle Porphobilinogen lagern sich zu den verschiedenen Porphyrinen zusammen, die sich jeweils durch die Seitenketten unterscheiden. Die Verbindung wird durch die Methinbrücken (=CH-) hergestellt (Uroporphyrin III).

Durch weiteren Umbau entsteht Koproporphyrin. Die letzte Stufe vor der Einlagerung von Eisen zur Hämbildung ist das Protoporphrin III (Abb. 3.10).

Das Chlorophyll der Pflanzen unterscheidet sich vom Häm durch das Zentralatom (Abb. 3.11). Anstelle von zweiwertigem Eisen ist hier das zweiwertige Magnesium eingelagert.

Zur Synthese wird außer Fermenten auch Kupfer (Cu) in Spuren benötigt. Störungen können in den verschiedenen Entwicklungsstufen auftreten. Von zwei freien Valenzen des Eisens wird eine zur Anlagerung des Sauerstoffs, die andere für das Globin gebraucht. Das Globin wird an den Ribosomen des Zytoplasmas synthetisiert.

Das Hämoglobin besteht aus vier Polypeptidketten, an jeder Kette hängt ein Häm.

Die normal vorkommenden vier Polypeptidketten setzen sich aus 18 verschiedenen Aminosäuren zusammen, darunter die Hexonbase Histidin. Die Aminosäuresequenz der einzelnen Ketten ist wie folgt:

die

α

-Kette enthält 141 Aminosäuren,

die

β

-Kette enthält 146 Aminosäuren,

die

γ

-Kette enthält 146 Aminosäuren,

die

δ

-Kette enthält 146 Aminosäuren.

Abb. 3.10 Protoporphyrin III.

Abb. 3.11 Bestandteile des Hämoglobins.

Eine Änderung in der Folge der Aminosäuresequenz führt zu Hämoglobinopathien wie z. B. HbS (hier befindet sich an sechster Stelle Valin anstatt Glutamin). Die Aminosäuresequenz der Polypeptidketten wurden 1961 entschlüsselt. An die Aminogruppe wird CO2 als Carbaminoverbindung gekoppelt und so zur Lunge zur Abatmung transportiert. Das menschliche Hämoglobin besteht aus vier Polypeptidketten, je zwei davon sind identisch. Je nach Zusammensetzung findet man unterschiedliche Hämoglobintypen (Abb. 3.12).

3.5.3 Hämoglobinzusammensetzung

Bei der Geburt liegen 60–80% als HbF vor, der Rest als HbA1. Nach drei Monaten überwiegt HbA1, HbA2 liegt unter 3%. Nach sechs Monaten liegt der HbF-Anteilnormalerweise unter 20%. Ab dem fünften Lebensjahr setzt sich das Erwachsenenhämoglobin wie folgt zusammen: HbA1 zu 96–98 %, HbA2 unter 3% und das fetale Hämoglobin (HbF) unter 1%.

Abb. 3.12 Hämoglobinarten.

Als Eiweißkörper ist Hämoglobin ein Ampholyt, d. h. eine Substanz, die je nach pH-Wert als Anion oder Kation vorliegt. Hämoglobin dient somit als Puffersubstanz mit Aufrechterhaltung des konstanten pH-Wertes. Während Sauerstoff (O2) an zweiwertiges Eisen ohne Wertigkeitsänderung gebunden wird, koppelt das Kohlendioxid (CO2) an das Globin. 96% des Hämoglobins bestehen aus Protein. Von den 4% Häm sind etwa 3,66% Protoporphyrin, der Rest von 0,34% ist Eisen. 1 g Hämoglobin bindet in vivo, d. h. im Körper, etwa 1,34 ml O2 (Hüfner’sche Zahl).

Im arteriellen Blut transportieren die Erythrozyten O2