Handbuch Basisarbeit - Caroline Raimondi - E-Book

Handbuch Basisarbeit E-Book

Caroline Raimondi

4,8

Beschreibung

Jedes Pferd braucht eine solide Grundausbildung, damit es seine Aufgabe als Reitpferd lange und zuverlässig erfüllen kann. Die Gesundheit des Pferdes steht im Vordergrund. Es benötigt ein Ausbildungskonzept, welches das Tier in seinem Tun bestärkt und dem Pferd wie auch dem Reiter Spaß macht. Ein Weg ohne jegliche Art von Zwang und Druck. Caroline Raimondi hat ihr Wissen und ihre Erfahrungen in diesem Buch zusammengetragen. Die Biomechanik und ihre Zusammenhänge werden im vorderen Teil des Buches einfach erklärt. Im Anschluss wird Schritt für Schritt beschrieben, wie Sie Ihr Pferd vom Boden aus und anschließend unter dem Sattel an seine Aufgabe als Reitpferd heranführen können. Es werden Themen wie «die natürliche Schiefe» und «die Vorderhandlastigkeit» erläutert und in den Ausbildungsweg einbezogen. Mit Hilfe der Ausbildungsskala wird aufgezeigt, was ein sinnvoller Trainingsablauf bewirken kann. Jeder einzelne Punkt der Ausbildungsskala wird genau erklärt. Dank der Handskizzen von der Autorin und den dazugehörigen Legenden, bekommen Sie zusätzlich eine optische Idee. Durch das praktische Format kann das Buch überallhin mitgenommen werden. Vorlinierte Seiten ermöglichen Ihnen, Ihre eigenen Ideen und Gedanken dazu zu schreiben. So wird dieses kleine Buch zum ganz persönlichen Ausbildungshandbuch.

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Seitenzahl: 150

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«Selbständiges Denken, Fühlen,

Geduld, Erfahrung und Sanftmut.»

Antoine de Pluvinel (1552 – 1620)

Autorin

Caroline Raimondi

[email protected]

www.dressageria.ch

Gestaltung und Illustrationen

Caroline Raimondi

Fotos

Archiv Caroline Raimondi

Korrektorat

Corinna Rindlisbacher

www.ebokks.de

Inhalt

Vorwort

Was Sie als Reiter wissen sollten

Die Biomechanik

Die natürliche Schiefe und die Vorderhandlastigkeit

Die Grundlagen der Basisarbeit

Die Ausbildungsskala

Losgelassenheit

Händigkeit erkennen

Takt

Anlehnung

Schwung

Geraderichten

Versammlung

Der Ausbildungsweg beginnt am Boden

Händigkeit erkennen

Grundgehorsam am Kappzaum

Als Handpferd und Spazierpferd die Welt erkunden

Grundausbildung unter dem Sattel

Gewöhnen an den Sattel und das Gebiss

Gewöhnen an den Reiter

Die Reiterhilfen im Überblick

Gedanken als Hilfen

Die Gewichtshilfen

Die Schenkelhilfen

Die Zügelhilfen

Abkauübungen zur Gewöhnung an das Gebiss

Der ausbalancierte Reitersitz

Die Losgelassenheit –

Über die innerlichen zur äußerlichen Losgelassenheit

Händigkeit erkennen –

Das Wiederfinden der Balance unter dem Reiter

Der Schritt in der Gewöhnungsphase

Der Trab in der Gewöhnungsphase

Der Galopp in der Gewöhnungsphase

Der Takt –

Das richtige Tempo finden, um das Metronom einzustellen

Die Anlehnung –

Ohne sie wird sich der Bogen niemals spannen

Der Schwung –

Verleiht Ausstrahlung und Eleganz

Geraderichten –

Die Stärkung aller vier hinteren Beine

Die Seitengänge

Die Versammlung –

Das Reiten wird «leicht»

Fluch und Segen zugleich

Dank Hochsensibilität zur Losgelassenheit

Vorwort

Der Inhalt dieses Buches basiert auf Erfahrungen, die ich mit meinen Pferden und den Pferden meiner Kunden machen durfte. Ich habe mir über die Jahre ein Konzept zusammengestellt, welches für mich passt. Ich fühle mich wohl mit dem, was ich tue. Es gibt viele verschiedene Wege ein Pferd auszubilden. Gehen Sie Ihren Weg, versuchen Sie sich ernsthaft auf das Lebewesen Pferd einzulassen. Nur dann finden Sie den Ihrigen. Es gibt viele tolle Pferdefachpersonen, jede Person mit einem persönlichen Weg. Jeder Mensch steht an einem anderen Punkt seines Lebens. Ich habe sehr viele Pferdefachbücher gelesen, dachte, ich hätte Sie verstanden. Lese ich die selben Bücher heute noch einmal, merke ich, dass ich damals zwar wusste, wovon der Autor da erzählte, aber verstanden hatte ich es damals nicht annähernd. Und ich bin davon überzeugt, wenn ich in zehn Jahren diese Bücher wieder in die Hand nehme, dass ich noch einmal merken werde, dass ich auch heute einiges nicht erfasst habe.

Sicherlich wird es Leser geben, denen einzelne Punkte meines Buches nicht zusagen oder finden, ich hätte da noch ein paar Dinge mehr schreiben sollen. Für diese Personen habe ich die Notizseiten eingebaut. Picken Sie sich Elemente heraus, mischen Sie diese mit den Elementen aus anderen Büchern, die Ihnen zusagen und die sich für Sie richtig anfühlen. Stellen Sie sich Ihr eigenes Konzept zusammen. Seien Sie offen für Neues. Und denken Sie daran, mein Weg ist nicht zwingend Ihr Weg.

Wichtig:

Seien Sie immer fair zu Ihrem Pferd und stellen Sie die Zwangslosigkeit über alles. Nicht das Pferd will etwas von Ihnen, sondern Sie etwas von ihm.

Was Sie als Reiter wissen sollten.

Die Biomechanik

Die natürliche Schiefe und die Vorderhandlastigkeit

Pferde sind Steppentiere. Ihre Sinne sind darauf ausgelegt, im Herdenverband zu leben und frühzeitig die Flucht zu ergreifen, sobald ein Feind auftaucht. Weil Pferde Fluchttiere sind, verfügen sie auch über entsprechend ausgebildete Sinne. Sie riechen so ausgeprägt wie Hunde und hören viel besser als Menschen. Dabei beschränkt sich der Hörsinn beim Pferd nicht allein auf die Ohren, sondern findet mit dem ganzen Körper statt. Kleinste Erschütterungen oder Schwingungen des Erdbodens können sie mit ihren Hufen erfühlen. Es gibt immer einen Grund, warum Ihr Pferd plötzlich den Kopf anhebt oder einen Satz zur Seite macht, auch wenn Sie diesen nicht erkennen können. Es macht solche Dinge nicht, um Sie zu ärgern, sondern um zu überleben. Aussagen wie: «Der veräppelt dich doch nur …» oder «Der macht das nur, weil er nicht arbeiten will …», sind menschliche Annahmen und dürfen nicht in das Verhalten des Pferdes hineininterpretiert werden. Sollte sich ein Pferd einmal unkorrekt verhalten, ist dies meist das Ergebnis von falscher Behandlung. Gerade weil Pferde so extrem feinfühlig und empfindsam sind, sollten Sie stets einen ruhigen Umgang mit ihnen pflegen. Gehen Sie nie hektisch und emotional mit einem Pferd um, mit solchen Gefühlen kann das Tier schlecht umgehen. Probieren Sie immer ruhig, bedacht und konsequent zu sein und übernehmen Sie so die Funktion des Leittieres. Seien Sie niemals grob und unfair, aber setzen Sie sich durch. Ich sage zu meinen Schülern immer: «Liebevolle Konsequenz ist der Schlüssel zu einer guten Beziehung mit Ihrem Pferd.»

Die Biomechanik

Pferde sind nicht dazu geschaffen Last zu tragen. Sie sind Lauf- und Fluchttiere, keine Lasttiere. Unsere Aufgabe besteht darin, ein Pferd so zu trainieren, dass es die richtigen Muskeln aufbaut, um einen Reiter mühe- und vor allem schadlos tragen zu können. Die Wirbelsäule eines Pferdes entspricht dem Prinzip einer Hängebrücke. Einen großen Teil der Last macht der Bauchraum aus, dieser hängt frei zwischen den vier Stützpfeilern (Beine). Die Brustwirbelsäule besteht aus 18 Brustwirbeln mit seitlicher Verbindung zu den 18 Rippen. Nach oben tragen alle Brust- und Lendenwirbel Dornfortsätze, die vor allem vom zweiten bis zum zehnten sehr lang sind und dadurch die Höhe des Widerristes bestimmen. Alle Wirbel des Rückens haben aufsteigende Dornfortsätze in unterschiedlicher Länge. Die Dornfortsätze der vorderen Wirbel neigen sich in Richtung Schweif, die der hinteren Wirbel in Richtung Kopf. Der Schädel ist im Genick mit der Halswirbelsäule verbunden.

Die Halswirbelsäule ist S-förmig und besteht aus sieben großen, beweglichen Wirbelkörpern. Vom Schädel aus verläuft ein langes, starkes Nacken-Rücken-Band die obere Halslinie entlang und von dort weiter über die Dornfortsätze des Widerrists (Nackenstrang). Vom Widerrist aus gehen fächerförmig Teile des Bandes zur Halswirbelsäule, wo sie am 2.–7. Halswirbel befestigt sind (Nackenplatte). Das Rückenband verläuft weiter Richtung Schweif über die Brustwirbelsäule, die Lendenwirbelsäule und endet im Bereich des Kreuzbeins (Dornfortsatzband und Zwischendornsatzband).

Lässt ein Pferd den Kopf fallen, wie zum Beispiel beim Grasen auf der Wiese, spannt sich das lange Nacken-Rücken-Band.

Durch den Zug kommt der Rücken nach oben.

Durch die Spannung im Bereich des Widerrists, richten sich die langen Dornfortsätze von hinten nach oben auf und heben dadurch den Brustkorb an. Der schwere Bauchraum kann so ohne großen Kraftaufwand getragen werden.

Doch wie sieht es aus, wenn wir uns auf den Pferderücken setzen? Zunächst fällt die Wirbelsäule nach unten und das Pferd nimmt den Kopf nach oben, wodurch die Brücke durchhängt. Wie Sie sich denken können, wäre dies langfristig sehr schädlich für unsere Vierbeiner. Durch das nach unten Fallen der Wirbelsäule nähern sich die Dornfortsätze und reiben aneinander. Auf die Dauer entstehen schmerzliche Entzündungen, bei denen man von «Kissing Spine» spricht.

Unser Ziel ist, das Pferd dazu zu bewegen, dass es seinen Hals fallen lässt und seinen Rücken aufwölbt. So bekommen die einzelnen Dornfortsätze genügend Platz, um ein nach oben Schwingen der Wirbelsäule zu ermöglichen. Durch das Fallenlassen (Hals) und Aufwölben (Rücken) kommen wir an die richtigen und wichtigen Muskeln, die wir zwingend brauchen, um unser Pferd als Reitpferd gesund zu halten.

Einer der stärksten Bewegungsmuskeln ist der lange Rückenmuskel. Wie die Bezeichnung schon sagt, dient dieser Muskel der Fortbewegung und nicht dem Tragen eines Reiters. Dieser Muskel liegt beidseitig entlang der Wirbelsäule, er verbindet den Lendenwirbelbereich mit der Halswirbelsäule. Setzen wir uns aufs Pferd, wirken wir mit unserem Gewicht auf diesen Muskel, dieser zieht sich zusammen und verspannt sich nach kurzer Zeit. Bringen wir aber unser Pferd dazu, sich im Hals fallen zulassen und sich in die Länge zu dehnen, kommt das lange Nacken-Rückenband zum Einsatz. Der Brustkorb hebt sich an und der lange Rückenmuskel kann sich ebenfalls in die Länge dehnen, wodurch er sich wieder entspannt. Dieser Muskel dient als Rumpfheber und soll locker schwingen, damit er den Schub der Hinterhand nach vorne übertragen kann. Selbst kleinste Verspannungen bewirken, dass die Bewegungen nicht mehr durch das Pferd fließen können. Durch das korrekte «an die Hand dehnen lassen», im Zusammenspiel mit einer engagierten und aktiv untertretenden Hinterhand, wird die ganze Ober- und Unterlinie bearbeitet. Die Muskelkette der Oberlinie kommt vor allem bei Vorwärtsbewegungen zum Einsatz, wohingegen die Muskelkette der Unterlinie eine Beugung der Wirbelsäule und Hüfte erzeugt. Darum ist die untere Muskelkette wichtig für die Versammlung.

Jedoch am allerwichtigsten ist die Tiefenmuskulatur, sie sorgt für Haltung und Stabilität. Sind diese eher kleinen und tiefer liegenden Muskeln gut trainiert und ausgebildet, stabilisieren sie die Wirbelsäule, die Hüften und das Becken. Man könnte auch sagen: Pilates fürs Pferd. Dehnt sich das Pferd an die Hand, hebt sich der Brustkorb an, wodurch sich der Widerrist öffnet und der Rücken nach oben schwingt. Die Tiefenmuskulatur wird somit zur Mitarbeit aufgefordert und damit ist der wichtigste Grundstein gelegt.

Wenn da nur nicht das mit der natürlichen Schiefe und der Vorderhandlastigkeit wäre. Darum kommen wir nun zum nächsten wichtigen Thema.

Die natürliche Schiefe und die Vorderhandlastigkeit

Wenn wir ein Pferd anschauen, wird schnell klar, wo der Schwerpunkt liegt. Durch das Gewicht von Kopf, Hals, Schulter und Brustkorb ist es nachvollziehbar, dass die Vorderbeine einen großen Teil der Last übernehmen müssen. Ohne zusätzliches Gewicht, durch einen Reiter, spielt das keine große Rolle. Doch kommt unser Gewicht noch dazu, wird die Belastung der Vorhand sehr groß. Auf Dauer würden Gelenke, Sehnen und Bänder in diesem Bereich zu stark beansprucht werden. Vergleicht man die vorderen Gliedmaßen mit den hinteren, erkennt man, dass die Hinterhand sehr viel stärker ist als die Vorhand. Was für uns heißt, wir müssen versuchen, so viel Gewicht wie möglich von vorne nach hinten zu bekommen.

Das Pferd ist von Natur aus schief, man nennt dies die natürliche Schiefe. Es wird zwischen einer hohlen und einer händigen Seite unterschieden. Soll heißen, wenn man das Pferd von oben betrachtet, geht eine Krümmung durch das ganze Pferd. Es ist gebogen wie eine Banane. Durch diese seitliche Biegung, zum Beispiel nach links, und durch die zusätzliche Vorderhandlastigkeit verschiebt sich der Schwerpunkt nach vorne rechts und das Pferd stützt sich auf die rechte Schulter. In dem Fall würde man von einem Rechtshänder sprechen. Ist das Pferd nach rechts gebogen, verschiebt sich der Schwerpunkt nach vorne links, dann haben wir es mit einem Linkshänder zu tun. Wieso die Pferde hohl sind, weiß man nicht genau; man geht davon aus, dass es damit im Zusammenhang steht, wie das Pferd als Fohlen im Bauch der Mutter gelegen hat.

Die Stärke der Schiefe ist aber unterschiedlich und nicht bei jedem Pferd gleich ausgeprägt. Die Händigkeit eines Pferdes erkennt man an verschiedenen Merkmalen. Ich werde später im Abschnitt «Händigkeit erkennen» noch genau darauf eingehen. Jetzt möchte ich zunächst erklären, was es mit der natürlichen Schiefe und der Vorderhandlastigkeit überhaupt auf sich hat und wie die Schiefe das Pferd in seiner Bewegung beeinflusst.

Gehen wir einmal von einem rechtshändigen Tier aus. Stützt sich dieses Pferd stark auf die rechte Schulter, werden automatisch die Schritte des rechten Vorderbeins verkürzt. Die Schulter ist also zu «schwer», um nach vorne zu greifen. Dadurch verkürzen sich auch die Schritte des rechten Hinterbeines, denn diese werden ebenfalls von der Schulter ausgebremst. Herr und Frau Schöneich vergleichen das in ihrem Buch (Die Schiefen-Therapie, Müller Rüschlikon Verlag) mit «wie an einem Stock gehen». Ich finde diesen Vergleich sehr hilfreich. Stützen Sie sich einmal mit dem rechten Arm auf einen Stock. Sie werden feststellen, dass die Schritte Ihres rechten Beines kürzer werden. Gerade weil sich das Pferd auf der rechten Schulter abstützt, wird diese stark belastet. Das Pferd drängelt nach rechts, das rechte Hinterbein wird zum Tragen gezwungen, es muss die Bewegungen auffangen. Das linke Hinterbein tritt am Schwerpunkt vorbei, es schiebt mehr, als dass es trägt. Darum können wir so zwischen einem schiebenden und einem tragenden Hinterbein unterscheiden. In unserem Fall ist das rechte Hinterbein das tragende, weil es andauernd mehr Last auffangen muss.

Wie schon erwähnt, ist ein rechtshändiges Pferd links hohl. Die Muskulatur auf der hohlen, linken Seite ist verkürzt, die Muskulatur auf der rechten Seite ist gedehnt. Um diese Schiefe nun zu ändern, müssen wir unser Pferd dazu bewegen, sein Gewicht von der rechten Schulter zu nehmen. Seine überlastete Schulter wird dadurch leichter und sein rechtes Vorder- wie auch Hinterbein kann wieder nach vorne greifen. So ändert sich auch die Stellung des Pferde-Beckens, der Schwerpunkt verschiebt sich. Die Muskulatur auf der hohlen Seite muss sich dehnen und das schiebende Hinterbein wird zum Tragen aufgefordert. Tragen und schieben beide Hinterbeine gleichermaßen, sind die Schultern frei, dadurch ist der Widerrist offen und der Brustkorb wird angehoben. Zieht mein Pferd an die Hand und schwingt der Rücken nach oben, kann ich die Hinterhand auffordern, mehr Last aufzunehmen. Soll heißen, ich fordere mein Pferd auf, weiter unter den Bauch zu treten, dadurch senkt sich die Kruppe (Becken) ab. Nun bekommen wir mehr Gewicht auf die Hinterhand, der Rücken wölbt sich auf und die Vorhand wird noch freier. Vergleichbar ist dieser Bewegungsablauf mit einem Uhrwerk. Die Zahnräder müssen sich alle drehen, damit die Uhr läuft. Dreht eines der Räder zu langsam, zu schnell oder gar in die falsche Richtung, dann schleifen sie aneinander, nutzen sich ab oder bremsen sich gegenseitig aus. Das Ergebnis wäre fatal, die Uhr ginge kaputt.

Die Grundlagen der Basisarbeit.

Die Ausbildungsskala

Der Ausbildungsweg beginnt am Boden

Grundausbildung unter dem Sattel

Die Ausbildungsskala

Als erstes müssen wir uns Gedanken zum Aufbau unseres Trainings machen. Wir brauchen ein Konzept. Ich beobachte öfters Reiter, die planlos über den Reitplatz kurven, und die Pferde verspannter vom Sand gehen, als sie gekommen sind. Ich glaube, viele Reiter haben Ziele, Vorstellungen und Träume, was ihr Pferd alles lernen und können sollte. Das finde ich wundervoll, aber wie sie diese Ziele erreichen können, wissen sie oftmals nicht. Es wird experimentiert und wild darauflos geritten, anstatt kurz inne zu halten und zu überlegen, was es alles an vorbereitender Arbeit braucht, damit das Pferd diese Ziele auch erreichen kann. Eine solide Basis muss sein. Alle sprechen davon, aber nur wenige haben das Durchhaltevermögen und den Biss, ihr Pferd reell und im Sinne der klassischen Dressur auszubilden. Ich halte mich darum gerne an die Ausbildungsskala oder «Skala der Ausbildung». Dies ist eine Übersicht wichtiger Punkte, die bei der Ausbildung des Pferdes beachtet werden müssen. Festgelegt wird die Ausbildungsskala durch die FN in den «Richtlinien für Reiten und Fahren». Ihren Ursprung hat die Skala jedoch in der H.Dv.12, die deutsche Heeresdienstverordnung (HDV) 1912, damals nannte man sie: Ziele und Grundsätze der Dressur.

Folgende sechs Begriffe werden in dieser Skala in eine Reihenfolge gesetzt:

Takt

Losgelassenheit

Anlehnung

Schwung

Geraderichten

Versammlung

Das Ziel der Ausbildungsskala, oder besser gesagt das Ziel der Ausbildung, ist ein durchlässiges Pferd. Die Skala der Ausbildung soll aber in meinen Augen keine Liste sein, die man Schritt für Schritt abarbeitet. Durchlässigkeit ist nur erreichbar, wenn man mit einem Pferd individuell arbeitet. Nach Schema reiten, funktioniert nicht. Dank der Ausbildungsskala hat man aber, trotz allem, sechs Orientierungspunkte und ist dank dieser nicht ganz so planlos unterwegs. Man hat sechs Etappen, die man erreichen sollte. Ob Dressur-, Spring-, Distanz- , Western- oder Gang-Pferde, diese Ausbildungsskala sollte jedes Pferd durchlaufen, egal was das spätere Ziel ist.

Was zwingend über die gesamte Skala gestellt werden muss, ist die Zwangslosigkeit, diese muss vom Anfang bis zum Schluss erhalten bleiben.

Wichtig:

Ein Pferd, das unter Zwang arbeitet, kann unmöglich durchlässig sein.

Durch die Erfahrungen, die ich in den letzten Jahren gesammelt habe, ist meine eigene, leicht abgeänderte Ausbildungsskala entstanden. Meine Skala hat einen Punkt mehr und zwar «Händigkeit erkennen». Dieser Punkt soll jedoch nicht den 6. Punkt «Geraderichten» ersetzen. Zusätzlich tausche ich die Punkte «Takt» und «Losgelassenheit».

Also sieht meine Ausbildungsskala folgendermaßen aus:

Zuerst möchte ich auf alle sieben Punkte der Ausbildungsskala im theoretischen Sinne eingehen, später komme ich dann in der Praxis nochmals genau darauf zu sprechen, wie man sich jeden einzelnen Punkt erarbeiten oder wie man eventuelle Probleme lösen oder vermeiden kann.

Losgelassenheit

Die Losgelassenheit ist meines Erachtens der wichtigste Punkt der Ausbildungsskala. Denn hat man keine Losgelassenheit, wird die Reiterei zum Glücksspiel. Es ist dann Glückssache, ob mein Pferd im richtigen Moment auf meinen Schenkel hört oder ob die halben Paraden bei meinem Pferd durchgehen und ankommen.

Zuerst müssen wir über die innere Losgelassenheit sprechen, denn diese ist von Nöten, damit man eine äußerliche Losgelassenheit erreichen kann. Ein Pferd, das innerlich nicht loslässt, ist kein entspanntes Pferd. Und ein Pferd, das nicht entspannt ist, wird ein Pferd in Alarmbereitschaft sein. Was bei einem Fluchttier wiederum bedeutet, dass auch nur das kleinste Geräusch oder der noch so unscheinbare Grund das Pferd in die Flucht schlägt. Ich glaube viele Schwierigkeiten, die Besitzer mit ihren Pferden haben, sind durch mangelnde innerliche Losgelassenheit entstanden. Darum setze ich diesen Punkt an die erste Stelle. In jedem Moment, in dem wir mit unserem Pferd arbeiten, sollten wir beachten, dass innere Losgelassenheit vorhanden ist. Je mehr Beachtung wir diesem Punkt schenken, umso mehr werden wir merken, wie schnell dieser auch wieder verloren geht. Sei das durch äußerliche Einflüsse oder durch unüberlegtes Handeln des Reiters. Zu hektische Bewegungen, zu wenig Feingefühl oder falsche Impulse am Zügel lassen die innere Losgelassenheit schnell schwinden. Erreicht man eine innere Losgelassenheit, kommt man der äußeren Losgelassenheit schon näher.

Äußerliche Losgelassenheit ist für mich, wenn ein Pferd locker, gerade, aufmerksam und zufrieden vorwärts geht, wenn es seinen Takt findet und immer mal wieder die Anlehnung an das Gebiss sucht. Hier stellen wir nun das erste Mal fest, dass einzelne Punkte der Ausbildungsskala nicht ohne die anderen funkti