Handbuch Gesprächsführung in der Kita - Dörte Weltzien - E-Book

Handbuch Gesprächsführung in der Kita E-Book

Dörte Weltzien

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Beschreibung

Gespräche gehören in Kitas zu den wichtigsten Handlungsfeldern. Die Autorinnen vermitteln dazu die notwendigen Grundlagen und stellen beste Fachpraxis in der Gesprächsführung mit Erwachsenen und Kindern vor. Mit Hilfe konkreter Fallbeispiele werden Methoden fundiert und anwendungsorientiert vermittelt und Möglichkeiten zur Reflexion und Weiterentwicklung der eigenen Gesprächsführung aufgezeigt.

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Dörte Weltzien • Anne Kebbe

Handbuch Gesprächsführung in der Kita

Impressum

Titel der Originalausgabe: Handbuch Gesprächsführung in der Kita

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2011

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2014

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: R.M.E Roland Eschlbeck/​Rosemarie Kreuzer

Umschlagabbildung: © Barbara Mößner

Fotos: Hartmut W. Schmidt, Freiburg

E-Book-Konvertierung: epublius GmbH, Berlin

ISBN (E-Book): 978-3-451-80490-8

ISBN (Buch): 978-3-451-32287-7

Inhalt

Vorwort

1. Grundlagen der Gesprächsführung

1.1 Was ist Kommunikation?

1.2 Kommunikation als Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster

1.3 Meistens funktioniert die Kommunikation, aber … Zur Störanfälligkeit der Kommunikation

1.4 Kommunikative Kompetenz: Gespräche gestalten

2. Methoden der Gesprächsführung

2.1 Wozu braucht man Gesprächsmethoden?

2.2 Methoden der Gesprächsführung in der Kita

2.3 Erfolgreiche Methoden brauchen eine dialogische Grundhaltung

3. Gespräche im Team

3.1 Analysieren: Welcher Dynamik folgen Teamgespräche?

3.2 Verstehen: Gesprächssituationen im Team erkunden und bewerten

3.3 Verändern: Gespräche als Teil der Teamkultur wahrnehmen

3.4 Meilensteine auf dem Weg zur Gesprächskultur im Team

4. Gespräche mit Kindern

4.1 Grundlagen: Gespräche mit Kindern entwickeln

4.2 Gespräche im Alltag

4.3 Leitfadeninterviews

4.4 Gespräche ohne Worte

5. Gespräche in Leitungsfunktionen

5.1 Welchen Einfluss haben Leitungspersönlichkeiten und Leitungsprofile auf Gespräche?

5.2 Gespräche in Leitungsfunktionen gestalten

5.3 Schlüsselsituation: Personalauswahl und Einarbeitung

5.4 Professionalisierung des Teams: Gespräche zur Personal- und Teamentwicklung

5.5 Auf Messers Schneide: Konfliktsituationen meistern

5.6 Vertrauensspielräume schaffen: Gespräche mit dem Träger

5.7 Leitungssache: Netzwerke aufbauen und befördern

6. Gespräche mit Eltern

6.1 Familienorientierung: Zum Wohl des Kindes

6.2 Einfühlende Gesprächskompetenzen erwerben

6.3 Gemeinsam vom stärkenorientierten Blick profitieren

Literatur

Gestaltungselemente

Fragen zur Selbstreflexion

Diese Fragen dienen der Selbstreflexion. Sie können den Austausch unter den Kolleginnen und Kollegen des Teams befördern oder eine Grundlage für ein Supervisionsgespräch sein.

Anregungen für die Praxis

Hier werden Vorschläge und Ideen angeführt, die als Anregung verstanden werden, die Inhalte des Kapitels in die eigene Praxis zu übertragen.

Praxisbeispiele

Diese sollen dabei helfen, die Bedeutung der theoretischen Zusammenhänge in der Praxis nachvollziehen zu können.

Vorwort

Der pädagogische Alltag ist voller Gespräche. Wie diese Unterhaltungen verlaufen und ob sie aus Sicht der Beteiligten zu „guten“ Gespräche werden, hängt von vielen Faktoren ab: Der Anlass spielt eine Rolle, genau wie die konkrete Situation, in der die Gespräche ablaufen. Auch das Gespräch selbst entwickelt oft eine Eigendynamik, die es zu einer unerwartet ernsten, humorvollen, tiefen oder auch eher belanglosen Sache machen kann. Vieles in Gesprächen ist kaum vorherzusagen. Anders als eine Geschichte in einem Buch oder eine Karte, die man immer wieder lesen und anschauen kann, hat jedes Gespräch etwas Einmaliges. Das macht seine Besonderheit, seine Faszination aus.

Gespräche lassen sich nicht kopieren. Jedes neue Gespräch – selbst zu dem gleichen Thema, selbst mit denselben Personen – gestaltet sich anders. Denn die Erfahrungen, die wir (und die anderen) in einem Gespräch machen, nehmen Einfluss auf die weitere Kommunikation. So entwickeln wir bereits sehr früh Muster in unserem Gesprächsverhalten. Wir setzen Strategien, die sich als erfolgreich erwiesen haben, immer wieder ein und vermeiden Gespräche oder Themen, die wir als unangenehm erlebt haben. Und unsere jeweiligen Gesprächspartner tun dies auch.

In pädagogischen Handlungsfeldern gehört eine gute Gesprächsführung zu den Kernkompetenzen der professionellen Akteure. Vergleichende Untersuchungen zeigen, dass „allein“ mit guter Kommunikation hohe pädagogische Qualität erreicht werden kann. Allerdings entwickelt sich nicht automatisch eine gute Dialogkultur in Teams, selbst bei vergleichsweise günstigen personellen, räumlichen oder zeitlichen Bedingungen. Nur ein bewusster Umgang mit Gesprächen ermöglicht gemeinsame und individuelle Lernprozesse, die zu einer Erweiterung und Vertiefung der Kompetenzen führen.

Eine dialogische Haltung wird in allen Bereichen der pädagogischen Arbeit benötigt. Sie ist die Basis für Aufmerksamkeit und Zuwendung in den Beziehungen zu den Kindern. Diese Haltung eröffnet Chancen einer tragfähigen Zusammenarbeit mit Eltern. Und sie schafft Potenziale, um Netzwerke im Sozialraum zum Wohle der Kinder und ihrer Familien auszubauen. All diese Bereiche – so unterschiedlich sie in ihrer inhaltlichen Ausrichtung sind – werden verbunden über Gespräche. Kinder spüren, wie mit ihnen und ihren Eltern geredet wird. Eltern, Vertreter anderer Kindertageseinrichtungen, von Schulen, der Kommune oder Kirchengemeinde nehmen bei ihren Kontakten zuallererst das Gesprächsklima in der Einrichtung wahr. Träger, Leitung und Team haben in ihren unterschiedlichen Rollen und Funktionen die Verantwortung, professionelle Beziehungen aufzubauen – über Gespräche. Und sie haben dabei viele Freiheiten und Möglichkeiten, wie sie diese Kommunikation gestalten.

Das Handbuch soll Unterstützung bieten, die Gesprächsführungskompetenzen in pädagogischen Handlungsfeldern weiterzuentwickeln. In Kapitel 1 geht es zunächst um die grundlegenden Fragen der Kommunikation: Woraus besteht Kommunikation überhaupt? Welche Bedeutung hat sie für unser Leben und Zusammenleben? Wie funktioniert Kommunikation oder auch nicht? Und was bedeutet in dem Zusammenhang der so oft verwendete Begriff der „kommunikativen Kompetenz“? In Kapitel 2 werden Methoden der Gesprächsführung vorgestellt, die sich in der langjährigen Fortbildungspraxis besonders bewährt haben. Ihr Erfolg liegt darin, dass sie einen strukturellen Rahmen der Kommunikation schaffen, auf den sich die Beteiligten verständigen, und zugleich die notwendigen Freiräume zur Teamentwicklung bieten. Damit werden sie den unterschiedlichen Anforderungen, Strukturen und Ausgangsvoraussetzungen in Teams auf dem Weg zu einer Dialogkultur eher gerecht als rezepthafte Ratgeber. Kapitel 3 beschäftigt sich mit Gesprächen im Team. Anhand konkreter Beispiele aus der Praxis werden Stärken und Schwächen solcher Gespräche analysiert und Veränderungsmöglichkeiten aufgezeigt. Daraus abgeleitet werden Meilensteine formuliert, die sich Teams auf ihrem Weg setzen und immer wieder überprüfen können. In Kapitel 4 geht es um Gespräche mit Kindern im pädagogischen Alltag. Es werden Methoden und Praxiserfahrungen vorgestellt, wie die Gelegenheiten, mit Kindern ins Gespräch zu kommen, entdeckt und genutzt werden können. Kitas, die diesen Weg gegangen sind, berichten von wertvollen Erfahrungen, die sie in ihrer pädagogischen Qualitätsentwicklung vorangebracht haben. In Kapitel 5 werden Gespräche in Leitungsfunktionen behandelt und deren Bedeutung für die Professionalisierung des Teams beschrieben. Es werden Wege aufgezeigt, den komplexen Anforderungen gerecht zu werden, die sich aus der Sandwichposition der Leitung zwischen Team und Träger ergeben, und Methoden vorgestellt, um auch schwierige Gespräche zu meisten. Kapitel 6 beschäftigt sich mit Elterngesprächen und zeigt Perspektiven auf, wie über die Gestaltung von Gesprächen tragfähige Beziehungen zu Familien aufgebaut werden können, die durch Vertrauen und gegenseitige Achtung geprägt sind.

Das Handbuch richtet sich an alle, die sich für die professionelle Arbeit in pädagogischen Handlungsfeldern interessieren und in der Gestaltung von Gesprächen eine Kernaufgabe für Pädagoginnen und Pädagogen sehen. Die Kapitel sind so geschrieben, dass sie unabhängig voneinander gelesen werden können. Etwas über Gespräche zu lernen bedeutet auch, etwas über sich selbst zu lernen. Diese Erfahrung haben wir als Autorinnen ebenso wie unsere zahlreichen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner, die uns als Patinnen und Paten bei dem Buch zur Seite gestanden haben, gemacht. Bei ihnen möchten wir uns herzlich bedanken.

Dörte Weltzien

Anne Kebbe

1. Grundlagen der Gesprächsführung

1.1 Was ist Kommunikation?

Kommunikation als bedeutendes Element des menschlichen Zusammenlebens

Kommunikation gehört von Beginn an zu unserem Leben. Bereits Säuglinge kommunizieren, indem sie aktiv Blickkontakt zu ihren Bezugspersonen suchen und Laute von sich geben. Später lächeln die Kinder ihre Bezugspersonen bewusst an, ahmen deren Laute und Mimik nach und versuchen, deren Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und mit ihnen in ein frühes Guck-Guck-Spiel zu kommen. Säuglingsstudien konnten belegen, wie vielfältig und zielgerichtet die Formen der frühen Kommunikation sind. Mit zunehmender Entwicklung vervielfältigen sich die Möglichkeiten der Kommunikation, und mit den ersten Worten erobern Kinder im Austausch mit anderen die Welt der Sprache. Die Möglichkeiten, sich mit anderen mithilfe von Worten auszutauschen, nehmen im Alter von etwa 18 Monaten im Zuge der sogenannten Wortschatzexplosion sprunghaft zu.

Mit dem Austausch von Gedanken, Gefühlen, Ideen und Meinungen erobern Kinder Schritt für Schritt ihre Lebenswelt. Der Schweizer Entwicklungspsychologe Jean Piaget zeigte in seinen langjährigen Studien eine direkte Verbindung zwischen der Entwicklung der Sprache und des logischen Denkens auf (vgl. Piaget 1972, S.18). Indem Begriffe für etwas gefunden werden, begreifen wir die Welt. Vorstellungen und Ideen von der Welt versuchen wir in Worte zu fassen. Das Eintauchen in die gedankliche Welt, die in direkter Verbindung zur Entwicklung der Sprache steht, ist die Eigenschaft, die uns Menschen grundlegend von anderen Lebewesen unterscheidet.

Jede Form von Austausch ist Interaktion

Paul Watzlawick, einer der bekanntesten Kommunikationsforscher, hat folgende Abgrenzungen vorgenommen (vgl. Watzlawick et al. 2007, S.49ff.):

Eine einzelne Kommunikation heißt Mitteilung oder Botschaft.

Ein Ablauf von Mitteilungen, also das Senden und Empfangen von Botschaften, heißt Interaktion.

„Man kann nicht nicht kommunizieren“ (Watzlawick)

Immer, wenn es sich um einen Austausch von Botschaften – gleich welcher Art – handelt, sprechen wir von Interaktion. Diese Botschaften können kurz oder lang, verbal oder nonverbal, positiv oder negativ, eher sachlich oder emotional sein.

Jede Form von Austausch ist also Interaktion. Und wenn kein Austausch stattfindet? Wenn man eine Frage stellt und keine Antwort erhält? Wenn man eine Botschaft senden wollte, aber das Signal nicht ankommt – oder keine Botschaft zurückkommt? Nach Watzlawick ist auch das Interaktion. Denn keine Antwort ist auch eine Antwort, weil wir ein bestimmtes Gefühl damit verbinden, keine Antwort erhalten zu haben. Weil wir uns darüber Gedanken machen, warum jemand unsere Signale nicht erwidert. Und weil unser Verhalten sich entsprechend der Reaktionen anpasst. Watzlawick hat aus diesen Überlegungen heraus den prägnanten Satz formuliert: „Man kann nicht nicht kommunizieren“ (2007, S.53).

Fragen zur Selbstreflexion

Haben Sie schon einmal erlebt, dass eine Person in Ihrem beruflichen oder privaten Umfeld nicht mit Ihnen gesprochen hat? Haben Sie sich Gedanken darüber gemacht, ob es dieser Person vielleicht nicht gut geht, ob sie Sorgen hat? Oder hatten Sie eher das Gefühl, dass Sie aus Arroganz ignoriert werden, und haben nach einigen vergeblichen Anläufen, mit der Person ins Gespräch zu kommen, aufgegeben? Vielleicht haben Sie sich auch über das ungehobelte Verhalten geärgert und die Person einfach links liegen lassen.

Diese Fragen zeigen, dass es nicht möglich ist, nicht zu kommunizieren. Wir kommunizieren immer, weil Kommunikation eine Form von Verhalten ist, und wir verhalten uns immer: zugewandt, ablehnend, interessiert oder ignorierend.

Interaktion als sozialer Lernprozess

Die Sozialpsychologie beschäftigt sich intensiv mit der zwischenmenschlichen Interaktion und ihren Besonderheiten. Für die Sozialisation, also das aktive Hineinwachsen in die Gesellschaft, ist die Interaktion mit anderen Menschen eine notwendige Voraussetzung. Ohne Interaktion wäre ein Zusammenleben nicht möglich, weil über sie das Aushandeln von Regeln, Rollen, Werten und Normen erfolgt.

Praxisbeispiel

Max und Lena, beide drei Jahre alt, spielen auf einem Treppenpodest mit Spielzeugautos. Lena steht mit ihrem Auto in der Hand unten am Podest, Max hockt oben auf der dritten Stufe und lässt sein Auto rollen. Das Auto fällt vom Podest herunter. Lena, die in der Nähe steht, geht zu dem Auto, hebt es auf und reicht es Max, der schnell heruntergekommen ist. Was macht Max? Er äußert Unmut über ihre Hilfe, schubst sie ein bisschen und nimmt ihr das Auto aus der Hand. Lena schaut im ersten Moment irritiert, lächelt Max dann an und geht zur Seite. Max klettert wieder auf das Podest, lässt sein Auto rollen, das – genau wie beim ersten Mal – vom Podest auf den Boden fällt. Lena dreht sich um, schaut kurz dem heruntergefallenen Auto nach, zögert, dreht sich dann wieder um und spielt weiter. Max klettert herunter und hebt sein Auto auf. Später stimmen dann beide ein gemeinsames Singspiel an.

Was ist in diesem Beispiel zu sehen? Zwei Kinder befinden sich in einem Prozess des gegenseitigen Verstehens, mit dem sie sehr kompetent umgehen. Lena hebt das Auto auf, weil sie davon ausgeht, dass Max es verloren hat und gerne wiederhaben möchte. Max aber möchte das Auto selbst aufheben oder jedenfalls nicht aus der Hand geben, denn er ist der Besitzer des Autos. Vielleicht ist das Von-der-Stufe-rollen-lassen auch Teil seines gegenwärtigen Spielinteresses, seines Experiments. Jedenfalls ist er mit dem Handeln Lenas nicht einverstanden und zeigt dies auch. Durch seine eindeutige Botschaft „Das ist meins, das will nur ich aufheben“ (unterstützt mit einem kleinen Schubs) lernt Lena, dass ihr in anderen Situationen durchaus erwünschtes, vielleicht sogar mit einer dankbaren Geste belohntes Verhalten diesmal nicht angemessen ist. Dass es manchmal wohl besser ist, sich herauszuhalten. Die zweite Wiederholung des „abstürzenden Autos“ verläuft deshalb ohne Zwischenfälle, weil das Missverständnis geklärt wurde. Max bleibt Herr seines Autos (möglicherweise sollte nur dies durch die Wiederholung bestätigt werden), Lena versteht die Botschaft und reagiert entsprechend zurückhaltend. Das Missverständnis ist behoben.

Diese wohl sehr alltägliche Szene innerhalb kindlicher Spielaktivitäten lässt sich auf das soziale Lernen im Erwachsenenalter übertragen. Wir gehen zum Beispiel ziemlich selbstverständlich davon aus, dass das Aufheben einer – sagen wir – Geldbörse eines Kunden in der Schlange vor der Kasse (also etwas ähnlich Wertvolles wie das Auto für den Jungen) sozial erwünscht ist und auf Dankbarkeit stößt. Entsprechend irritiert wären wir, wenn uns der Kunde die Geldbörse aus der Hand reißen und uns dabei auch noch strafend ansehen würde. In anderen Situationen ist der Fall nicht ganz so einfach. Denn es gibt durchaus Situationen, in denen wir keine Hilfe wollen, sondern eine Handlung oder eine Idee zu Ende führen möchten, ohne dass uns jemand dazwischenfunkt. Es gibt Situationen, in denen wir uns durch zu schnelles Eingreifen bevormundet fühlen, weil wir selbstbestimmt unser Ziel verfolgen wollen. Oder trauen uns die anderen etwa nichts zu und mischen sich deshalb gleich ein?

Das kindliche Spiel hat überragende Bedeutung für das soziale Lernen

Missverständnisse, wie das der beiden Kinder Lena und Max, begleiten also durchaus auch Erwachsene durch ihren Alltag. Die beiden Kinder zeigen kompetentes Verhalten, indem Max deutlich sein Bedürfnis in dieser Situation zeigt („Ich möchte das alleine machen“) und Lena eine entsprechende Theorie darüber entwickelt, was in einer vergleichbaren Situation angemessenes Verhalten wäre („Max möchte nicht, dass ich das Auto aufhebe“). Diese Fähigkeit, eine Theorie darüber zu entwickeln, was andere Menschen denken, fühlen oder wünschen (Theorie of Mind) kann sich nur im sozialen Austausch mit anderen Menschen entwickeln. Das kindliche Spiel ist daher für das soziale Lernen von überragender Bedeutung. Kinder inszenieren und lösen Konflikte, während sie spielen, und lernen dabei, wie Interaktion funktioniert.

Soziales Lernen hört nie auf

Einige Entwicklungsaufgaben, wie zum Beispiel das Laufen lernen, sind mit einem gewissen Alter abgeschlossen. Andere Fertigkeiten, wie das Sprechen, können lebenslang weiterentwickelt werden, indem die rhetorischen Fähigkeiten perfektioniert oder neue Sprachen dazugelernt werden. Wie verhält es sich mit der Interaktion als Bestandteil des sozialen Lernprozesses?

Interaktion als Bestandteil des sozialen Lernprozesses

Sozialisation kann definiert werden als das Hineinwachsen in die Gesellschaft. Dieses Hineinwachsen stellt einen aktiven Prozess dar und geschieht in der Auseinandersetzung mit anderen Menschen, in der gegenseitigen Interaktion (vgl. Stroebe et al. 1996). Während man bei Kindern und Jugendlichen selbstverständlich davon ausgeht, dass soziales Lernen ein wesentlicher Bestandteil ihrer Entwicklung ist und dazu führt, dass sie selbstbewusste und verantwortungsvolle Mitglieder der Gesellschaft werden, ist es bei Erwachsenen weniger üblich, von einem sozialen Lernprozess zu sprechen. Irgendwie sollten die sozialen Kompetenzen doch mit einem gewissen Alter so entwickelt sein, dass man weiß, wie man sich in einer bestimmten Situation zu verhalten hat. Und in dieser Logik setzt man auch ein bestimmtes soziales Verhalten bei den anderen Menschen voraus, das eindeutig zu verstehen ist. Ab einer gewissen Lebenserfahrung geht man davon aus, das Gegenüber einschätzen zu können und ist entsprechend schlecht auf die Überraschungen vorbereitet, die der Gesprächsverlauf mit sich bringt. Die tagtäglichen Missverständnisse und Irritationen zwischen den Menschen zeigen, dass das soziale Lernen nie aufhört. Dass es immer wieder zu Situationen kommt, die uns überraschen, verunsichern oder verärgern, weil wir mit einem vollkommen anderen Verhalten gerechnet haben.

Umgekehrt gilt dies übrigens auch: Mit zunehmendem Alter und den erworbenen Kompetenzen im zwischenmenschlichen Handeln gehen wir davon aus, dass wir uns unmissverständlich äußern. Dass wir wissen, wie wir uns zu verhalten haben, um richtig verstanden zu werden. Diese Einschätzung trifft wohl für den Großteil unserer Interaktionen auch tatsächlich zu. Das ist kein Zufall, schließlich haben wir seit frühester Kindheit gelernt, Signale möglichst eindeutig zu geben, damit sie verstanden werden. In dem Beispiel von Max und Lena hat der Junge gelernt, dass sein Wunsch, in dem Moment alleiniger Besitzer des Autos zu sein, deutlich genug war, sodass er nächstes Mal möglicherweise entspannter ist und sein Anliegen gar nicht mehr mit einem Schubs unterstreichen muss. Es kommt aber immer wieder zu Situationen, die kommunikative Fallen in sich bergen. Gerade in diesen Situationen ist es wichtig, eine analytische Sensibilität zu bewahren, die von der Grundüberzeugung geleitet wird, dass das soziale Lernen niemals aufhört.

Soziales Lernen als Identitätsbildung

Bislang haben wir Interaktion unter dem Gesichtspunkt der Sozialisation – also aus einer soziologischen Perspektive – behandelt. Sozialisation ist notwendig für das Funktionieren von Gesellschaften, weil darüber ein Wissen über die gesellschaftlichen Strukturen, Normen, Werte, Denkmuster und Einstellungen von Menschen erworben wird, das es möglich macht, in dieser Gesellschaft zu leben und ein Teil dieser Gesellschaft zu werden.

Das soziale Lernen hat aber noch eine weitere, ebenso wichtige Komponente: Über das soziale Lernen entwickeln wir ein Bild von der Welt, von anderen Menschen und von uns selbst. Dieser Bildungsprozess funktioniert von Geburt an (vgl. Schäfer 2005) und führt dazu, dass wir zunehmend unser Selbstbild, unsere Identität entdecken und entwickeln. Dies kann sich nur im Austausch mit anderen Menschen vollziehen, weil ohne Reaktionen anderer auf das, was wir tun und sagen, wie wir uns verhalten, kein Gefühl dafür entstehen kann, wie wir sind. James Youniss (1980) verweist in diesem Zusammenhang auf die große Bedeutung freundschaftlicher Beziehungen, in denen solche Konstruktionsleistungen besonders intensiv sind.

Dimensionen der sozialen Interaktion

Aus entwicklungspsychologischer Sicht hat die soziale Interaktion mehrere Dimensionen: Über die Beobachtung anderer Menschen lernen Kinder, deren Verhalten einzuschätzen und zu antizipieren (d.h. abzuschätzen, was sie als nächstes tun werden). Sie können ihr eigenes Verhalten erproben und sich selbst damit in verschiedenen Situationen kennenlernen (z.B. bestimmte Rollen einzunehmen, Ideen zu entwickeln und umzusetzen). Und schließlich lernen sie etwas über die Reaktionen anderer auf das eigene Verhalten. In dem Beispiel von Max und Lena sind diese Dimensionen bei beiden Kindern gut zu erkennen: Max beobachtet Lena beim Aufheben des Autos, reagiert deutlich (ablehnend) und erprobt, ob Lena ihn verstanden hat. Lena beobachtet Max, vermutet, dass sie ihm helfen soll, erfährt, dass es wohl nicht angebracht war und verhält sich entsprechend. Beide Kinder haben also etwas Wichtiges über sich und andere gelernt.

1.2 Kommunikation als Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster

Jeder Mensch hat eine eigene Kommunikationsbiografie

Jeder Mensch macht im Laufe seines Lebens individuelle Lernerfahrungen in der Kommunikation mit anderen Menschen, die prägend wirken. Ebenso wie das Bestreben, die Welt zu verstehen, die sozial-kognitive Entwicklung prägt und Kategorien über Dinge und Menschen gebildet und immer weiter ausdifferenziert werden, wird auch ein Bild über typische Kommunikations- und Verhaltensmuster entwickelt. In der Kommunikationsforschung wird in diesem Zusammenhang von einer individuellen Kommunikationsbiografie gesprochen. Diese Kommunikationsbiografie wird zum Beispiel daran deutlich, wie Gefühle ausgedrückt werden, wie über Sexualität, Trauer und Tod gesprochen wird, wie interkulturelle Themen, Gleichberechtigung, religiöse oder ethische Fragen diskutiert werden.

Wie entstehen typische Kommunikationsmuster?

Wie kommt es zu typischen Kommunikations- und Verhaltensmustern? Von Beginn an entwickeln wir Kategorien über das Verhalten anderer und verknüpfen sie mit anderen Kategorien (z.B. äußeren Merkmalen). Mithilfe neuer Erfahrungen werden diese Kategorien ständig überprüft und verfeinert. Damit gewinnen wir die Erkenntnis, dass sich Menschen sehr unterschiedlich verhalten können, obwohl sie einem Geschlecht, einer Nationalität oder einer Generation angehören. Wir erfahren auch, dass sich unsere Erwartungen (oder Vorurteile) oft nicht bestätigen und eröffnen uns damit Möglichkeiten, in Gesprächssituationen angemessen und kompetent zu handeln.

Diese Überlegungen gelten auch umgekehrt: Auch wir sind für unsere Gesprächspartner möglicherweise eine Überraschung, wenn sie aufgrund ihrer individuellen Erfahrungen – ihrer Kommunikationsbiografie – davon ausgehen, dass wir uns anders verhalten müssten als wir es gerade tun. Vielleicht sind wir selbstbewusster, mutiger, entschlossener, zögerlicher oder ängstlicher als andere Menschen in vergleichbaren Situationen. Aufgrund ihrer Kommunikationsbiografie gehen unsere Gesprächspartner zunächst davon aus, dass wir uns nicht grundlegend verschieden von anderen Menschen in dieser Situation verhalten. In ihrem Interaktionsmodell dürfte es daher gar keinen Grund für ein Missverständnis geben, und sie werden ihr Verhalten nicht anpassen. Je nachdem wie sensibel und empathisch sie sind, werden sie aber merken, dass sie mit ihrem Ton und ihrem Verhalten „falsch liegen“ und sich möglicherweise korrigieren.

Kommunikation als Senden und Empfangen von Botschaften

Kommunikation ist im Prinzip einfach: Es werden Botschaften versandt, und diese Botschaften werden von anderen empfangen. Die Schwierigkeit liegt aber darin, dass Botschaften vom Sender in Worte gefasst, also verschlüsselt bzw. kodiert werden müssen. Und diese verschlüsselten Botschaften müssen dann vom Empfänger entschlüsselt bzw. dekodiert werden, um verstanden zu werden.

Praxisbeispiel

Sie hatten gestern ein schönes Abendessen und fühlen sich rundum wohl. Diese Botschaft möchten Sie anderen vermitteln. Egal, wie begabt Sie darin sind, Ihr Befinden zu beschreiben: Sie werden es nie schaffen, Ihr wirkliches Gefühl in Worte zu fassen, sondern allenfalls eine starke Annäherung an Ihr subjektives Empfinden vermitteln können, sodass sich die Zuhörer ein Bild davon machen. Die Empfänger Ihrer Botschaften werden es – so sehr sie sich auch bemühen mögen – nicht schaffen, genau das zu empfinden, was Sie empfinden, wenn Sie an den gelungenen Abend denken. Sie werden allenfalls eine lebendige Vorstellung davon entwickeln können.

Worte – nur eine Konstruktion dessen, was wir erleben und fühlen

Ähnlich wie Fotografien nicht die Wirklichkeit, sondern nur ein Bild davon darstellen, sind Worte eine Konstruktion dessen, was wir erleben und fühlen. Das gelingt je nach Situation mehr oder weniger gut. Botschaften müssen verschlüsselt werden, um anschließend wieder entschlüsselt zu werden. Ohne eine solche Konstruktionsleistung kann keine Kommunikation entstehen. Dies macht Kommunikation einerseits störanfällig, andererseits ist dies aber auch das Besondere, Geheimnisvolle des menschlichen Daseins (vgl. Watzlawick et al. 2007).

Ebenen der Kommunikation

In jedem Gespräch findet sich eine Fülle unterschiedlicher Ebenen und Aspekte. Neben der offensichtlichen Information liefert jede Mitteilung auch mehr oder weniger versteckte Botschaften. Die Mitteilung „Es tut mir furchtbar leid, aber ich kann heute nicht zur Arbeit kommen, ich bin krank“ enthält neben der Information, nicht arbeiten zu können und den Grund dafür, auch die Botschaft, dass man das Fehlen bedauert. Diese Botschaft ist wichtig, weil sie zeigt, dass man eigentlich gerne gekommen wäre. Mit den Worten „tut mir furchtbar leid“ unterstreicht man, dass das „nicht kommen können“ keine Ausrede ist, sondern einen triftigen Grund hat. Vielleicht tut es einem auch leid, dass die Kolleginnen und Kollegen das Fehlen kompensieren müssen und dadurch eine Mehrbelastung haben. Mit diesem Beispiel wird deutlich, dass die Einleitung einer Entschuldigung des Fehlens mit „Es tut mir furchtbar leid“ eine ganz andere Wirkung entfaltet als eine bloße Information wie „Ich bin krank und komme heute nicht zur Arbeit“.

Die Frage nach der Interpretation der Botschaft

Aber woher weiß man, dass man bei der Interpretation der Botschaft immer richtig liegt? Sofern man davon ausgehen kann, dass die Aussage „tut mir furchtbar leid“ ernst gemeint und nicht floskelhaft dahergesagt oder gar gelogen ist, ist die Interpretation des Gesagten einfach. Bei Witzen oder offensichtlicher Ironie kommen die Anleitungen zum Verstehen meistens an, spätestens wenn durch ein Augenzwinkern oder Schmunzeln der lustige Charakter des Gesagten unterstrichen wird. Das klappt aber auch nicht immer. Hier gibt es ebenfalls viele Möglichkeiten für Missverständnisse oder einfach unterschiedliche Formen von Humor. Witze mit schwarzem Humor sind für die einen besonders komisch, für andere einfach geschmacklos. Dies klärt sich aber meistens recht schnell. In anderen Fällen ist ein Missverstehen subtiler und unter Umständen auch verhängnisvoller:

„Die Regale sind staubig.“ Über diese objektive Tatsache lässt sich ja meistens kaum streiten. Viel bedeutender als die Information ist aber, wer das zu wem in welcher Situation sagt. Und was will jemand damit sagen? Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob es jemand mit einem Staubtuch in der Hand sagt, um sein gleich beginnendes Staubwischen zu erklären, oder ob er es mit einem vorwurfsvollen Blick („Sieht das denn niemand außer mir?“) ausspricht. Oder ob jemand die staubigen Regale vielleicht mit beidem – dem Staubwedel in der Hand und dem vorwurfsvollen Blick – thematisiert. Eine solche Interaktion lässt sich auf vielfältige Art und Weise deuten. Meist sind für eine einigermaßen plausible Deutung viele zusätzliche Informationen notwendig. Wenn es klare Aufgabenteilungen und Verantwortungsbereiche gibt, ist das ein Hinweis dafür, dass jemand seine eigenen Aufgaben ausführt oder jemand anderem deutlich machen möchte, dass dies eigentlich sein Job wäre. Wenn ein hierarchisches Gefälle zwischen den beiden Interaktionspartnern besteht, muss das Gesagte auch in diesem Kontext interpretiert werden.

Die Aussage „Die Regale sind staubig“ steht aber auch im Zusammenhang mit dem Gesprächsklima, das diese Beziehung bestimmt. Stimmt die Atmosphäre nicht an diesem Tag, kann die bloße Feststellung staubiger Regale zur Explosion führen. An anderen Tagen würde man vielleicht mit einem gemeinsamen Stöhnen über den vielen Staub oder ein Lachen über die Spuren im Staub einen klimatischen Konsens erzielen und entspannt über die Arbeitsteilung „Wer macht was?“ sprechen können.

Beziehungsbotschaften bestimmen die Botschaften des Inhalts

An solchen alltäglichen Beispielen wird deutlich, wie leicht man aneinander vorbeireden kann. Botschaften, die mit widersprüchlichen Signalen vermischt werden, müssen zu Missverständnissen führen, weil neben den Inhaltsaspekten in jedem Gespräch auch Beziehungsaspekte enthalten sind. Zwischen beiden Aspekten, den inhaltlichen und den Beziehungsaspekten, besteht ein hierarchisches Gefälle: Die Beziehungsbotschaften bestimmen in der Regel die Botschaften des Inhalts. Es ist weniger wichtig, was gesagt wird, sondern wie es gesagt wird. Dies ist der Grund dafür, warum wir viele unserer Aussagen mit Gesten und Mimik unterstreichen. Wir suchen nach Symbolen, um den Empfängern unserer Botschaften Interpretationshilfen zu geben. Eine Geste, ein Hochziehen der Augenbrauen, ein Absenken der Mundwinkel können andererseits aber auch noch so wohlfeile Worte als unglaubwürdig entlarven. Tatsächlich ist es sogar sehr schwer, etwas Unaufrichtiges glaubhaft zu vermitteln. Möchte man eine Botschaft überzeugend vermitteln, sollte man die Fallen widersprüchlicher Signale an sich gut kennen.

Das Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun

Der Kommunikationsforscher Friedemann Schultz von Thun hat ein Modell entwickelt, in dem die verschiedenen Ebenen der Kommunikation in ihren Ausprägungen und Funktionen deutlich werden. Er unterscheidet vier Aspekte einer Nachricht (2003a, S.26ff.):

Sachinhalt (oder: Worüber ich informiere)

Selbstkundgabe (oder: Was ich von mir selbst kundgebe)

Beziehung (oder: Was ich von dir halte und wie wir zueinander stehen)

Appell (oder: Wozu ich dich veranlassen möchte)

Die individuelle Kommunikationsbiografie prägt auch die Ebenen der Kommunikation

Gespräche bestehen nach Schulz von Thun immer aus diesen vier Ebenen. Je nach Gesprächszusammenhang treten bestimmte Ebenen besonders hervor und andere in den Hintergrund. Das Modell, das sich auf Grundlagen der Kommunikationsforschung von Bühler (1934) und Watzlawick et al. (1969/​2007) bezieht, soll helfen, die Vielfalt möglicher Kommunikationsstörungen und -probleme besser einordnen zu können und den Blick für eine Verbesserung der kommunikativen Kompetenzen zu öffnen.

Die Ebenen der Kommunikation werden auch durch die individuelle Kommunikationsbiografie geprägt. Manchen Menschen fällt es leichter, Sachthemen anzusprechen, und sie vermeiden gerne persönliche Bemerkungen. Andere kommen in Gesprächen schneller auf die Beziehungsebene, auch wenn das Gespräch eigentlich eher einen Sachbezug hat. Diese Variationen in Gesprächen gehören bis zu einem gewissen Grad zu der Persönlichkeit der Gesprächspartner und werden entsprechend akzeptiert. Schwierigkeiten treten dann auf, wenn ein Gesprächspartner eine Ebene komplett ausblendet (z.B. nicht bereit oder in der Lage ist, Beziehungsaspekte anzusprechen) oder sich nicht dem Kontext angemessen verhält (z.B. in einer sachlichen Diskussion nicht sachlich bleibt).

Kommunikationsstile als persönliche Verhaltensmuster

Die Kommunikationsforschung unterscheidet verschiedene Kommunikations- und Interaktionsstile – je nachdem, wie Menschen ihre Beziehungen typischerweise gestalten. Mit dem persönlichen Stil verbinden sich vielfältige Gefühle, Absichten und Bedürfnisse, die mehr oder weniger bewusst den Gesprächspartnern vermittelt werden und den Gesprächsverlauf beeinflussen. Diese Kommunikationsstile sind biografisch geprägt und damit auch ein Ergebnis sozialer Lernprozesse, zum Beispiel mithilfe eines bestimmten Auftretens bestimmte Ziele erreichen zu können.

Acht verschiedene Kommunikationsstile

Friedemann Schulz von Thun (2003b) unterscheidet auf der Grundlage kommunikationspsychologischer Studien acht Kommunikationsstile:

Der bedürftig-abhängige Stil

Der helfende Stil

Der selbst-lose Stil

Der aggressiv-entwertende Stil

Der sich beweisende Stil

Der bestimmend-kontrollierende Stil

Der sich distanzierende Stil

Der mitteilungsfreudig-dramatisierende Stil.

Praxisbeispiele

„Ich habe keine Ahnung, wie ich das alles alleine schaffen soll. Was soll ich bloß tun?“ (Bedürftig-abhängiger Stil) „Schaffst du das überhaupt alles alleine? Ich kann dir gerne helfen.“ (Helfender Stil)

„Lass mich das doch machen. Überhaupt kein Problem für mich.“ (Selbst-loser Stil)

„Jetzt mach das mal allein. Das musst du aber jetzt schaffen.“ (Aggressiv-entwertender Stil)

„Ich schaffe das schon alleine. Wäre doch gelacht.“ (Sich beweisender Stil)

„Ich mach das jetzt. Du hast ja bestimmt noch andere Sachen zu tun.“ (Bestimmend-kontrollierender Stil)

„Du brauchst mir nicht zu helfen. Ich werde schon alleine damit fertig.“ (Sich distanzierender Stil)

„Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viel Arbeit ich heute noch vor mir habe. Unglaublich.“ (Mitteilungsfreudig-dramatisierender Stil)

Kommunikationsstile können mehr oder weniger bewusst eingesetzt werden, um bestimmte Absichten zu verfolgen (z.B. Unterstützung zu bekommen), oder um Kontrolle über die Kommunikationspartner zu erlangen. Das äußert sich in der Wortwahl, in der Sprachgeschwindigkeit oder in der Aussprache. So kann autoritäres Verhalten unmittelbar an der Formulierung (Befehlsform) „abgelesen“ werden. Eine „Baby-“ oder „Patientensprache“ ist dagegen durch besonders einfache Formulierungen und einen vermeintlich fürsorglichen Tonfall kennzeichnet, der zugleich jedoch Ausdruck mangelnder Wertschätzung ist (vgl. Stroebe 1996).

Kommunikationsstile als Grundlage für die Analyse von Gesprächsverläufen

Schulz von Thun (2003b) verwendet Kommunikationsstile als Grundlage für die Analyse von Gesprächsverläufen und sieht darin Möglichkeiten zur Persönlichkeitsentwicklung. Dabei betont er, dass die Stile sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern – im Gegenteil – jeder Stil etwas von allen Stilen beinhaltet, nur in einer anderen Ausprägung. Häufig findet sich in jedem Gespräch ein „charakteristisches Gemisch“ aus zwei oder mehr Stilen. Die daraus resultierenden Ambivalenzen sind eher die Regel als die Ausnahme. So ist es durchaus möglich, dass sich ein selbstlos formuliertes Angebot mit einem bestimmend-kontrolliertem Unterton („Das schaffst du ja sonst nicht“) mischt. Ebenso kann sich ein bedürftig-abhängiger Stil mit einem aggressiv-entwertenden Beigeschmack („Immer musst du mich bevormunden“) mischen.

Der Vorteil in der Auseinandersetzung mit typischen Kommunikationsstilen liegt zum einen darin, die mit ihnen verbundenen versteckten Botschaften zu identifizieren und damit Störungen in Gesprächsverläufen aufzudecken. Zum anderen ist ein bewusster Umgang mit Kommunikationsstilen eine Möglichkeit, die eigene Persönlichkeit im Rahmen der Beziehungs- und Interaktionsgestaltung weiterzuentwickeln und situationsangemessen zu handeln. Beispielsweise können Menschen mit einem mitteilungsfreudig-dramatisierenden Stil lernen, in bestimmten Situationen zunächst innezuhalten, sich zu sammeln und „das Tempo aus dem Spiel zu nehmen“ (Schulz von Thun 2003b, S.232).

Kommunikationsstile können sich je nach konkreter Gesprächssituation unterscheiden

Kommunikationsstile werden zwar von den individuellen Temperamenten, Einstellungen und Erfahrungen geprägt, können sich aber durchaus je nach konkreter Gesprächssituation unterscheiden. Schlägt zum Beispiel der Gesprächspartner einen aggressiven oder kontrollierenden Ton an und muss sich im Gespräch zeigen, wer mehr zu sagen hat, kann es zu einer Machtprobe kommen, bei der sich beide Gesprächspartner gegenseitig aufschaukeln. Ist ein Gesprächspartner dagegen eher zurückhaltend und wertschätzend in seinen Formulierungen, wird das Gespräch einen ganz anderen Verlauf nehmen – auch wenn es um dieselbe Sache, etwa die Klärung von Rollen, geht. Jedoch ist die Analyse von Gesprächsverläufen auf der Basis der beobachteten Kommunikationsstile auch im Hinblick auf die erzielten Ergebnisse zu betrachten. So kann es durchaus sein, dass ein Gespräch auf den ersten Blick von dem Gehabe eines Gesprächspartners dominiert wird, eigentlich aber die leisen Stimmen den Ton angeben und damit die heimlichen Gesprächsführer sind. Diplomatisches Geschick zeichnet sich ja genau dadurch aus, dass schwierige Situationen „gerettet“ und Kompromisse zwischen verhärteten Fronten gefunden werden, die für alle Beteiligten akzeptabel sind. In gut funktionierenden Beziehungen können die Kommunikationsstile jeweils auf die Stimmung des Partners abgestimmt werden. So gehen Kommunikationsforscher davon aus, dass ein wichtiges Merkmal glücklicher Paare aus der Fähigkeit eines Partners besteht, die vom anderen zum Ausdruck gebrachten negativen Gefühle zu entschärfen (vgl. Gottman 2002).

Der Einfluss von Gruppendynamiken

Sehr viel hängt von den Erwartungen der anderen ab. In einem kuriosen Experiment konnte Robert Rosenthal an der Harvard-Universität im Jahr 1966 zeigen, wie stark das Verhalten des einzelnen von seinen Erwartungen beeinflusst wird. Er stellte Versuchsleiter ein, um Laborratten bestimmte Kunststücke beizubringen. Einigen Mitarbeitern sagte er, dass sich die Ratten in vorhergehenden Versuchen bereits als sehr intelligent erwiesen hätten, den anderen erklärte er, dass es sich um eher „dumme“ Tiere handele. Das Erstaunliche war nun, dass die Ratten, die von ihren Trainern als besonders begabt gehalten wurden, tatsächlich deutlich bessere Lernleistungen vollbrachten als die Tiere, von denen keine besonderen Leistungen erwartet wurden (Rosenthal 1966, zit. nach Watzlawick et al. 2007).

Diese Ergebnisse lassen sich auf viele Situationen menschlichen Verhaltens übertragen und bieten Stoff zum Nachdenken. Im Kontext von Gesprächsführungen zeigen sie Folgendes: Wenn man von der Integrität und dem Wohlwollen des Gesprächspartners überzeugt ist, wird man jeden Satz als integer und wohlwollend interpretieren. Die gleichen Sätze wird man anders verstehen, wenn die Beziehung durch Misstrauen oder Störungen geprägt ist.

Die Kommunikationsforschung zeigt auf, dass sich in sozialen Gruppen bestimmte Ebenen verstärken bzw. in den Hintergrund treten können und sich dadurch besondere, typische Kommunikationsverläufe ergeben. So gibt es zum Beispiel familientypische Kommunikationsstrukturen, die keine Auseinandersetzung über Sachthemen ermöglichen, weil die Beziehungsebene permanent infrage gestellt wird. Damit wird jedes Gespräch über alltägliche Aufgaben und Pflichten zu einer Frage des Liebens und Geliebtwerdens (vgl. Watzlawick et al. 2007).

Personales und gruppenbezogenes Kommunikationsverhalten

In der Sozialpsychologie wird zwischen personalem Kommunikationsverhalten und gruppenbezogenem Kommunikationsverhalten unterschieden (vgl. Stroebe 1996, S.355f.). Wir kommunizieren mit anderen nicht nur als Individuen mit eigenem Stil und Temperament, sondern auch als Repräsentanten unterschiedlicher sozialer Gruppen. Die allgemeine Tendenz, eine möglichst große Gruppenzugehörigkeit zu erzielen und sich gleichzeitig von anderen Gruppen abzugrenzen, macht sich auch im Verhalten gegenüber Nicht-Gruppenmitgliedern bemerkbar. Besonders deutlich wird das bei Jugendlichen, die sich mit ihrer Sprache und ihrem Auftreten von den Erwachsenen abgrenzen wollen. Auch Jugendcliquen untereinander grenzen sich ab, indem sie verschiedene „soziale Codes“ entwickeln, die von Nicht-Mitgliedern nicht entschlüsselt werden sollen. Hinzu kommt, dass die Interaktionsmuster der Gruppenmitglieder nach außen von dem Gruppendruck mitgeprägt werden und womöglich abwertender, kontrollierender oder aggressiver sind als der persönliche Stil eines jeden Einzelnen.

Die gruppenbezogene Interaktion und das sich davon unterscheidende Verhalten anderen Gruppen gegenüber ist nicht nur bei Jugendlichen üblich, auch wenn es bei ihnen möglicherweise besonders deutlich zum Ausdruck gebracht wird. Wir alle kennen abwertende Bemerkungen und Witze über Gruppen, denen wir selbst nicht angehören. Welche Kollegen lästern nicht einmal über die anderen Abteilungen, Einrichtungen oder Berufsgruppen, mit denen sie zu tun haben? Ist dies mit deutlich negativen Bildern, Klischees oder Stigmatisierungen verbunden, werden Gespräche mit Angehörigen dieser Gruppen entsprechend stereotyp eingefärbt („typisch … “). Aus der Gruppenforschung ist bekannt, dass solche Stereotype, die die jeweilige Fremdgruppe abwerten, dazu dienen, die eigene Gruppe in ein besseres Licht zu rücken und damit eine möglichst große Gruppenzusammengehörigkeit (Kohärenz) herzustellen. Treffen nun Mitglieder der verschiedenen Gruppen aufeinander, ist es schwierig, ganz von den Gesprächsgewohnheiten abzuweichen, die man sich in den Unterhaltungen übereinander jeweils angeeignet hat. Dafür wäre eine bewusste Abgrenzung von der eigenen Gruppe und auch eine innere Distanzierung gegenüber dem eigenen Kommunikationsstil notwendig. Der Einfluss der Gruppe macht es damit schwerer, zu einem kooperativen Kommunikationsstil im Umgang mit anderen Gruppen zu gelangen – auch dann, wenn gar keine anderen Mitglieder der eigenen Gruppe anwesend sind. Die soziale Kontrolle wirkt in diesem Falle weiter.

Umgekehrt können gruppendynamische Prozesse auch einen positiven Einfluss auf die Interaktion zwischen Gruppen haben. Bestehen positive Stereotype (Stereotype deshalb, weil man die einzelnen Gruppenmitglieder persönlich noch gar nicht kennt, also nur ein bestimmtes Bild von ihnen hat) über die jeweils andere Gruppe – zum Beispiel die Vorstellung, es mit kompetenten und engagierten Gesprächspartnern zu tun zu haben – und gibt es diese Stereotype auf beiden Seiten, sind die Voraussetzungen für eine gelingende Zusammenarbeit bestens.

Das Erkennen eigener Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster: Das „Innere Team“

Fragen zur Selbstreflexion

Stellen Sie sich vor, Sie sind aufgefordert, eine Innovation in Ihrer Einrichtung einzuführen. Nehmen wir an, es geht darum, die Altersmischung zu erweitern und nach den Sommerferien auch unter Dreijährige aufzunehmen. Dafür muss ein pädagogisches Konzept zur Eingewöhnung, Gruppenbildung, Raum- und Materialgestaltung usw. entwickelt werden. Wie ist Ihre erste Reaktion auf diesen Arbeitsauftrag und wie gehen Sie an die Sache heran?

Schulz von Thun (2008) hat die – ganz natürliche – „innere Zerrissenheit“, die gemischten Gefühle oder Ambivalenzen, mit der wir in eine neue Aufgabe hineingehen, in ein Modell geformt, das er als das „Innere Team“ bezeichnet. Mit diesem Modell wird es leichter, die inneren Prozesse zu verstehen, die ablaufen, wenn es um neue Herausforderungen geht. Das „innere Team“ kann man sich als eine Arbeitsgruppe vorstellen. Dort sitzen zusammen:

Die Tatkräftige

Die Zögerliche

Die Widerstrebende

Die Auflehnende

Die Überzeugte

Die Abwehrende

Die Gehorsame.

Innere Stimmen kommen zu Wort

Bleiben wir bei dem oben beschriebenen Beispiel. Es geht um die Neuaufnahme von unter Dreijährigen in der Einrichtung. Welche inneren Stimmen melden sich wohl als erstes zu Wort?

Praxisbeispiel

Die Tatkräftige: „Viele Kitas um uns herum haben bereits unter Dreijährige aufgenommen. Wir sind ohnehin in einer pädagogischen Neuausrichtung. Da macht es Sinn, sich an den neuen Anforderungen auszurichten und die pädagogische Konzeption auf unter Dreijährige zu erweitern.“

Die Zögerliche: „Wir sind gerade in einer pädagogischen Neuausrichtung und das bündelt alle Kräfte. Eine weitere Neuerung würde uns überfordern. Wir müssen erst einmal zusehen, dass wir unsere derzeitige Konzeption zeitgemäß überarbeiten.“

Die Widerstrebende: „Ich bin mir gar nicht sicher, ob wir die pädagogische Arbeit mit unter Dreijährigen angemessen leisten können. Ich habe das Gefühl, dass die Kinder noch viel zu jung sind für Gruppensituationen. Die Bedürfnisse nach Bindung und Zuwendung können wir unter den gegebenen Bedingungen kaum erfüllen.“

Die Auflehnende: „Ständig werden wir vor neue Tatsachen gestellt. Entscheidungen, die irgendwo getroffen werden und die wir ausbaden müssen. Wir sind mit den derzeitigen Aufgaben schon total ausgelastet und unsere Ressourcen sind viel zu knapp bemessen. Was sollen wir denn noch alles leisten?“

Die Überzeugte: „Das war dringend überfällig. Wir haben einen riesigen Bedarf an Betreuung für den U3-Bereich, da müssen wir rein. Ich sehe dies auch als Gelegenheit an, frühe Bildung von Anfang an zu unterstützen und allen Kindern eine Chance auf Bildungsbeteiligung zu geben.“

Die Abwehrende: „Wir werden uns dem Auftrag nicht verschließen können, aber ich halte die Entscheidung für falsch. Es kommt zu früh und in einer Phase, in der wir mit anderem beschäftigt sind. Das muss längerfristig geplant werden, alles andere ist nicht ausgereift und schwer umzusetzen.“

Die Gehorsame: „Wir müssen uns der Entscheidung beugen. Daher bleibt uns nichts anderes übrig, als die Konzeption auf unter Dreijährige zu erweitern und zum nächsten Zeitpunkt die Altersmischung zu vergrößern.“

Viele dieser Argumente werden uns allen bekannt vorkommen – mehr noch, sie stecken in uns drin. Denn bei jeder neuen Entscheidung gibt es Argumente für und wider, und sie alle sind aus unterschiedlichen Motiven heraus entstanden oder werden von unterschiedlichen Orientierungen und Grundhaltungen aus gesteuert. Einige der „Figuren“, wie sie vorher skizziert wurden, sind uns vielleicht aber auch weniger bekannt. Zumindest würden wir uns nicht als zögerlich oder auflehnend bezeichnen, wenn es um die Aufnahme unter Dreijähriger geht. Das mag wohl sein. Es kann sich aber auch folgendes Phänomen dahinter verbergen: Argumente, die aus weniger populären Einstellungen resultieren, „verstecken“ sich gewissermaßen hinter anderen Argumenten und treten daher nicht offen hervor. Möglicherweise sind es aber gerade diese Argumente, die das Unbehagen, das man spürt, erzeugen, ohne dass man sie genau fassen könnte. Genau hier setzt das Modell des „Inneren Teams“ von Schulz von Thun an.

Zur Bedeutung des kongruenten Handelns

Praxisbeispiel

Die Pädagogin einer Kindertageseinrichtung beobachtet Kinder im Außenbereich. Im Rahmen ihrer Beobachtungen entdeckt sie, dass zwei Kinder an der Schaukel herumturnen. Sie schaukeln nicht im Sitzen, wie es eigentlich die Regel in der Einrichtung ist, sondern erproben sich in allen möglichen akrobatischen Übungen. Sie schaukeln auf dem Bauch, im Stehen, Kopf über. Die pädagogische Fachkraft ist hin und her gerissen. Einerseits ist sie interessiert an der Vielfalt, mit der die Kinder ihre motorischen Fähigkeiten ausprobieren und fasziniert von ihrem Geschick und ihrer Körperbeherrschung. Andererseits ist sie voller Ängste, dass etwas passieren könnte. Sie ist drauf und dran, einzuschreiten und die Kinder an die geltende Regel (Schaukeln nur im Sitzen) zu erinnern. Zunächst hält sie die Situation aus – ihr inneres Team wird angeführt von der „Mutigen“ und „Interessierten“. Die „Ängstliche“ wird unterdrückt. Dann aber kommt eine Kollegin dazu. Bevor diese etwas tun oder sagen kann, ermahnt die beobachtende Fachkraft die Kinder, nur im Sitzen zu schaukeln.

Was ist im „Inneren Team“ der Pädagogin passiert?

Was war im „Inneren Team“ geschehen? In einer anschließenden Analyse stellte sich heraus, dass ein verstecktes Teammitglied mit dem Erscheinen der Kollegin auftrat: die „Regeltreue“. Diese tauchte so unvermittelt auf, dass die Reaktion der Fachkraft unmittelbar auf dem Fuß folgte. Die „Regeltreue“ war auch durch Ängste geleitet – allerdings nicht durch die Angst, dass etwas passieren könnte, sondern durch die Befürchtung, von der Kollegin als unaufmerksam oder sorglos angesehen zu werden. Aus dieser Angst heraus, die sich später als unbegründet herausstellte, weil die Kollegin die Situation aus der Ferne ebenso interessiert wie aufmerksam beobachtete und gar nicht den Vorsatz hatte, das Schaukelexperiment der Kinder zu unterbinden, beendete die Fachkraft die Situation. Offensichtlich konnte die Pädagogin die Schaukelexperimente und die Sorge, dass eventuell doch etwas passieren könnte, aushalten. Die mögliche Kritik einer Kollegin, fahrlässig zu sein, konnte sie dagegen nicht ertragen. Dies führte zum Beenden der Situation – ein Verhalten, das eigentlich nicht ihrer wertschätzenden, interessierten Haltung den Kindern gegenüber entsprach.

Das Verhalten der Pädagogin, das sie selbst überrascht und unzufrieden gemacht hatte, war nicht durch Kongruenz geprägt. Sowohl die schaukelnden Kinder als auch ihre Kollegin konnten