Hartkeks & Kaffee - John Davis Billings - E-Book

Hartkeks & Kaffee E-Book

John Davis Billings

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Beschreibung

"Die Männer sangen beinahe feierlich und aus voller Kehle und von den benachbarten Lagerfeuern stimmten andere Soldaten in die Refrains der Lieder ein. Doch irgendwann kam der Zeitpunkt, da die Natur ihr Recht forderte und allmählich zogen die Männer sich in ihre Behausungen zurück, um vor den morgendlichen Anstrengungen zumindest noch zwei oder drei Stunden Schlaf zu erhaschen. Ist es nicht ein Gnadenakt eines gütigen Schicksals, das Buch des Lebens vor uns geschlossen zu halten und uns lediglich Seite für Seite Einblick in unsere Gegenwart zu gewähren? Einige dieser Männer, deren Stimmen am Lagerfeuer so vergnügt erschallten, sollten noch vor dem Ende der Woche kalt und bleich in der endgültigen Stille des Todes daliegen." In den Jahrzehnten nach dem Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs (1861 - 1865) findet das Bemühen der Nation, die vergangene Tragödie zu begreifen, vermehrt Niederschlag in der Literatur. Die Historiker betreiben Ursachenforschung anhand der bedeutenden Persönlichkeiten und großen Geschehnisse, während die Veteranen sicherstellen wollen, dass ihre eigene, individuelle Rolle nicht in Vergessenheit gerät. Beide diese Vorgehensweisen sind wichtig und richtig, doch zwischen dem kleinsten und dem größten Maßstab der Geschichtsschreibung existiert eine Fülle von Fakten und Informationen, welche dem Historiker zu unbedeutend und dem alten Soldaten aufgrund großer Vertrautheit zu banal erscheinen, um in ihren Schriften nennenswerten Platz auf sie zu verwenden und welche somit Gefahr laufen, mit dem Tode des letzten Kriegsteilnehmers in Vergessenheit zu geraten. John Davis Billings, selbst ein Veteran der Army of the Potomac, ist einer der ersten, die diese Gefahr erkennen.

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EPUB

Seitenzahl: 545

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John Davis Billings

Hartkeks & Kaffee

Das Alltagsleben des Unionssoldaten im Amerikanischen Bürgerkrieg

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort des Übersetzers

Vorwort des Autors

Kapitel 01: Die Sturmglocke des Krieges

Kapitel 02: Die Männer melden sich zur Fahne

Kapitel 03: Wie die Soldaten untergebracht wurden

Kapitel 04: Das Leben in Zelten

Kapitel 05: Das Leben in Holzhütten

Kapitel 06: Jonas und Plagen

Kapitel 07: Die Armeerationen: Woraus sie bestanden, wie sie verteilt wurden, wie sie zubereitet wurden

Kapitel 08: Vergehen und Strafen

Kapitel 09: Ein Tag im Feldlager

Kapitel 10: Frische Rekruten

Kapitel 11: Sonderrationen, Päckchen von zuhause, Marketender

Kapitel 12: Nahrungsbeschaffung

Kapitel 13: Die Corps und ihre Abzeichen

Kapitel 14: Einige Erfindungen und Kuriositäten des Krieges

Kapitel 15: Das Armeemaultier

Kapitel 16: Lazarette und Ambulanzwagen

Kapitel 17: Diverse Dinge von Interesse

Kapitel 18: Abbruch des Lagers, Auf dem Marsche

Kapitel 19: Der Wagentross

Kapitel 20: Der militärische Straßen- und Brückenbau

Kapitel 21: Sprechende Flaggen und Fackeln

Anhang

Anzahl der im Unionsheere dienenden Männer (und Prozentsatz des gesamten Heeres)

Tote Unionssoldaten durch Kampfhandlungen und Krankheiten

Impressum neobooks

Vorwort des Übersetzers

Widmung

Seinen Kameraden der Army of the Potomac, die, so vermute ich, in diesen Seiten vieles vorfinden werden, was bis dato noch nicht zu Papier gebracht worden ist und was hoffentlich ihren Kindern als dauerhafte Quelle an wertvollen, niemals zuvor in dieser Fülle gesammelten Details über das Alltagsleben eines Soldaten dienen kann, widmet dieses Werk in liebevoller Zuneigung ihr Freund,

Der Autor

"Ich überreiche dieses Buch den Veteranen, deren Kindern und der allgemeinen Bevölkerung als einen wichtigen Beitrag zu einer bodenständigen Sichtweise, welche eine notwendige Alternative zu jenem bombastischen Tonfalle darstellt, der bereits in die Geschichtsschreibung des Bürgerkrieges Einzug gehalten hat. Diese Geschichtsschreibung konzentriert sich bisher auf die Schlachten, die Feldzüge und die Generale. Meine Arbeit stellt den ersten Versuch dar, eine umfassende und detaillierte Schilderung des alltäglichen Soldatenlebens zu Papier zu bringen, wobei der Text und die ihn begleitenden Illustrationen bestrebt sind, eine Art von Informationen zu bewahren, die bisher noch über keinen vergangenen Krieg dergestalt akkurat und umfassend in einem Buche gesammelt wurden."

John D. Billings

In den Jahrzehnten nach dem Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs (1861 - 1865) findet das Bemühen der Nation, die vergangene Tragödie zu begreifen, vermehrt Niederschlag in der Literatur. Die Historiker betreiben Ursachenforschung anhand der bedeutenden Persönlichkeiten und großen Geschehnisse, während die Veteranen sicherstellen wollen, dass ihre eigene, individuelle Rolle nicht in Vergessenheit gerät. Beide diese Vorgehensweisen sind wichtig und richtig, doch zwischen dem kleinsten und dem größten Maßstab der Geschichtsschreibung existiert eine Fülle von Fakten und Informationen, welche dem Historiker zu unbedeutend und dem alten Soldaten aufgrund großer Vertrautheit zu banal erscheinen, um in ihren Schriften nennenswerten Platz auf sie zu verwenden und welche somit Gefahr laufen, mit dem Tode des letzten Kriegsteilnehmers in Vergessenheit zu geraten.

John Davis Billings, selbst ein Veteran der Army of the Potomac, ist einer der ersten, die diese Gefahr erkennen. Er beschließt, mit seiner Studie des Unionssoldaten dem "durchschnittlichen Billy Yank", lebend wie tot, eine Stimme zu verleihen und ihm ein faktisches, ungeschöntes Gedenken zu bewahren, indem er strukturiert und ausführlich nahezu sämtliche Facetten des Soldatenlebens beleuchtet und den inneren wie äußeren Wandel der Männer im Felde vom romantisierten Kriegsbeginn bis zum letzten, hart ausgefochtenen Feldzug darlegt. Objektivität und Faktentreue sind ihm besondere Anliegen und so basiert der Inhalt des Buches neben Billings' eigener Erinnerung auf zahlreichen Gesprächen mit Veteranen verschiedener Waffengattungen und Kriegsschauplätze (vom einfachen Soldaten bis zum General) und dem umfassenden Studium der relevanten Primärquellen.

Billings, Sohn eines Handwerkers aus Canton, Massachusetts, zeigt bereits früh ein Interesse an Politik und entwickelt sich zu einem Anhänger der Republikanischen Partei und deren Präsidentschaftskandidaten Abraham Lincoln. Bei Ausbruch des Krieges im April 1861 will sich der 18jährige John zum Heer melden, doch seine Eltern verweigern ihr Einverständnis. Erst im Folgejahr kann er seinem Vater die Erlaubnis abringen und schreibt sich als Artillerist bei der 10th Massachusetts Volunteer Artillery ein. In dieser Einheit dient er bis zum Ende des Krieges und kämpft im Mine Run-Feldzug, der Wilderness, Spotsylvania Court House, Cold Harbor, der Belagerung Petersburgs und im Appomattox-Feldzug.

"Hartkeks & Kaffee" ist ein bedeutender Beitrag zur Geschichtsschreibung des Amerikanischen Bürgerkriegs und ein Standardwerk zum Verständnis des "einfachen Soldaten".

Florian Dexheimer

Vorwort des Autors

Während der Sommermonate des Jahres 1881 verbrachte ich einige Wochen als Gast in einem gutbesuchten Hotel in den White Mountains. Unter den zweihundert oder gar mehr Hotelgästen, welche die abgeschiedene Lage und das erbauliche Ambiente des Hauses genossen, befanden sich wohl um die zwölf bis zwanzig Knaben im Alter von zehn bis fünfzehn Jahren. Nachdem der Nachmittagstee eingenommen war und die Dunkelheit dem lebhaften, ungestümen Treiben der Kinder im Freien ein Ende gesetzt hatte, nahmen diese stets einen Gentleman aus Chicago, ehemals ein tapferer Soldat in der Army of the Cumberland, in Beschlag und lauschten in einer stillen Ecke des geräumigen Gesellschaftszimmers oder einem ruhigen Fleckchen des Vorplatzes mit gebannter Aufmerksamkeit den Anekdoten aus dem Bürgerkriege.

Es waren nicht einmal zwei Tage vergangen, bevor die Knaben dem Schreiber dieser Zeilen das Geständnis entlockt hatten, dass auch er damals in Onkel Sams Diensten gestanden hatte. Dieser Enthüllung folgten sogleich Bitten, mich allabendlich mit dem Veteranen vom westlichen Kriegsschauplatze abzuwechseln und mit meinen Kriegserlebnissen zur Unterhaltung beizutragen. Ich stimmte diesem Ansinnen bereitwillig zu und man kann sich schwerlich ein faszinierenderes und interessierteres kleines Publikum vorstellen als jenes Knäuel kleiner Knaben, welche sich jeden Abend um uns versammelten, um unseren spontan erinnerten Erlebnissen zu lauschen, die überwiegend aus alltäglichen Gewöhnlichkeiten bestanden und deswegen noch keinen Eingang in die allgemeine Geschichtsschreibung gefunden hatten.

Die Schilderung dieser unbedeutenden Geschehnisse legte den Grundstein zur Niederschrift des vorliegenden Werkes und ist wohl auch größtenteils für dessen lehrbuchartigen Aufbau verantwortlich zu machen. Dieses Buch kann beileibe keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Etliche interessante Aspekte sind unbeachtet geblieben – bei der Lektüre werden einem jeden Veteranen sofort einige solche einfallen. Es schien jedoch angeraten, das vorliegende Werk nicht über seinen gegenwärtigen Umfang hinaus aufzublähen. Das auf seinen Seiten versammelte Wissen kann wohl als repräsentativ für das Leben des durchschnittlichen Soldaten gelten. In diesem Glauben überreiche ich dieses Buch den Veteranen, deren Kindern und der allgemeinen Bevölkerung als einen wichtigen Beitrag zu einer bodenständigen Sichtweise, welche eine notwendige Alternative zu jenem bombastischen Tonfalle darstellt, der bereits in die Geschichtsschreibung des Bürgerkrieges Einzug gehalten hat. Diese Geschichtsschreibung konzentriert sich bisher auf die Schlachten, die Feldzüge und die Generale. Meine Arbeit stellt den ersten Versuch dar, eine umfassende und detaillierte Schilderung des alltäglichen Soldatenlebens zu Papier zu bringen, wobei der Text und die ihn begleitenden Illustrationen bestrebt sind, eine Art von Informationen zu bewahren, die bisher noch über keinen vergangenen Krieg dergestalt akkurat und umfassend in einem Buche gesammelt wurden.

Ich bin zahlreichen Veteranen für ihre freundlichen Vorschläge und Kritiken während der Entstehung dieses Buches zu Dank verpflichtet, ebenso dem Verlage Houghton & Mifflin für die Nutzungserlaubnis von Oliver Wendell Holmes' Gedicht "Der verzärtelte Mann", ferner danke ich in besonderem Maße meinem Kameraden Charles W. Reed für seine vielen wahrheitsgetreuen und munteren Illustrationen. Die Unzahl an Skizzen, welche er im Jahre 1865 aus dem Felde zurückbrachte, ermöglichten ihm, ausgesprochen anschauliche Darstellungen etlicher Geschehnisse und Alltäglichkeiten anzufertigen, die einem jeden Veteranen des Unionsheeres vertraut erscheinen werden und ihm lebhafte Erinnerungen an sein Soldatenleben ins Gedächtnis rufen werden.

In der festen Überzeugung, dass die vorliegenden Seiten sowohl den Veteranen als auch einer großen Zahl von Lesern, die den Bürgerkrieg nicht aus eigener Erfahrung kennen, eine gewinnbringende Lektüre sein werden, lege ich die Früchte vieler vergnüglicher und arbeitsreicher Stunden vor. Sie erheben keinen Anspruch auf literarische Exzellenz, doch ich kann guten Gewissens versichern, dass sie eine bisher in der Bürgerkriegsliteratur klaffende Lücke füllen.

Cambridgeport, Massachusetts, 30. März 1887.

Kapitel 01: Die Sturmglocke des Krieges

"Millionen hören den Appell

Erschallen nah und fern.

Sieg oder Tod! Zur Waffe schnell!

Für Freiheit und den Herrn."

– E. P. Dyer, 'Die Nebel der Nation'

"Und sie melden sich alle und marschieren davon!

Gibt es nur noch Soldaten in dieser Nation?

Sohn und Vater sind hier!

Auch der Müller marschiert,

Mit dem Mehlstaub noch klebrig und weiß in den Haaren;

Wohin eilen sie alle mit entschloss'nem Gebaren?"

– F. E. Brooks, 'Potomac'

Am 6. November des Jahres 1860 konnte sich Abraham Lincoln, der Kandidat der Republikanischen Partei, gegen drei Konkurrenten durchsetzen und wurde zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. Im Herbst besagten Jahres erlebte die Nation den hitzigsten Wahlkampf ihrer Geschichte. Die Demokratische Partei, die in den Jahren zuvor kontinuierlich die Oberhand in der Politik gehabt hatte, zersplitterte und nominierte zwei konkurrierende Präsidentschaftskandidaten. Die Nord-Demokraten stellten Stephen A. Douglas aus Illinois auf, der ein Befürworter der "Volkssouveränität" war, also für das Recht der Bevölkerung eines Territoriums eintrat, bei ihrer Aufnahme in den Staatenbund selbst entscheiden zu können, ob sie die Sklaverei innerhalb ihres Staatsgebietes gestatten wollte oder nicht.

Die Süd-Demokraten nominierten John C. Breckinridge aus Kentucky, zu jenem Zeitpunkt Vizepräsident der Vereinigten Staaten. Er und seine Parteigenossen setzten sich für das Recht der Sklavenhalter ein, ihre Sklaven gänzlich ungehindert in jeden Staat und jedes Territorium der Union mitführen zu können. Dann gab es da noch eine weitere Partei, von manchen die "Friedenspartei" genannt [Anm. d. Übers.: Der offizielle Name lautete "Konstitutionelle Unionspartei"], welche auf die Verfassung als einzigen Leitfaden für die Lenkung der Geschicke des Landes verwies, zu der von den übrigen Parteien so lebhaft diskutierten Frage der Sklaverei aber keine konkrete Position anzubieten hatte. Sie hatte sich John Bell aus Tennessee zu ihrem Kandidaten auserkoren. Edward Everett aus Massachusetts trat für das Amt des Vizepräsidenten an. Die Anhänger dieser Partei bestanden aus unzufriedenen Mitgliedern der beiden anderen Parteien, die meisten von ihnen waren jedoch ehemalige Demokraten.

Auf Stimmenfang für Bell und Everett

Diese Zersplitterung der Opposition ermöglichte es der Republikanischen Partei, die erst wenige Jahre zuvor gegründet worden war, ihrem Kandidaten zum Siege zu verhelfen. Die Republikaner hatten nicht die Absicht, die Sklaverei in jenen Gebieten anzutasten, in welchen sie bereits existierte, wollten jedoch ihre Ausweitung auf neue Staaten und Territorien verhindern. Letztere Tatsache war den Sklavenhaltern wohlbekannt und so stimmten sie nahezu geschlossen für John C. Breckinridge. Sie waren sich jedoch durchaus bewusst, dass die Republikaner nach der Spaltung der Demokratischen Partei den Sieg davontragen würden und so wurden bereits lange vor der eigentlichen Wahl erste Drohungen laut, man werde aus der Union austreten, falls Lincoln zum Präsidenten gewählt werden würde. Man maß der Redefreiheit in diesen Staaten keine sonderlich große Bedeutung bei und legte Leuten aus den Nordstaaten, die sich geschäftlich oder zum Vergnügen im Süden aufhielten und von der dortigen Mehrheit abweichende Ansichten äußerten, unmissverständlich die sofortige Abreise nahe. Hunderte flüchteten in Sorge um ihre körperliche Unversehrtheit zurück in den Norden, wobei sie gelegentlich sogar persönliche Besitztümer von beträchtlichem Werte zurückließen.

Gentlemen aus dem Süden erörtern die politische Lage

Selbst alteingesessene Südstaatler, die fest an den Fortbestand der Union glaubten (und es gab hunderte von ihnen), durften diese Überzeugung nicht öffentlich kundtun. Diese Leute mussten aufgrund ihrer Treue zum Sternenbanner im Laufe des Krieges etliche Anfeindungen erdulden. Viele von ihnen wurden unter Beleidigungen und Demütigungen dazu genötigt, für eine Sache zur Waffe zu greifen, an die sie nicht glaubten und einige desertierten bei der ersten Gelegenheit, während andere bis zum bitteren Ende im konföderierten Heere ausharrten oder sich der Wehrpflicht durch Flucht auf nordstaatliches Gebiet gleich gänzlich entzogen.

Bereits am 25. Oktober trafen sich einige namhafte Südstaatenpolitiker in South Carolina und kamen einstimmig zu dem Entschlusse, dass der Staat aus der Union austreten solle, falls Lincoln die Wahl gewinnen würde (was bereits nahezu gewiss schien). Um die gleiche Zeit fanden auch in anderen Staaten derartige Treffen statt. Zu diesem frühen Zeitpunkt bereiteten die Rädelsführer der Verräter den Süden also schon auf die Sezession vor. Diese Männer wurden damals als "Feuerfresser" bezeichnet.

Sobald Lincolns Wahlsieg verkündet war, machten sich die hitzköpfigen Anführer des Südens sogleich daran, ihre Drohungen in die Tat umzusetzen, ohne auch nur abzuwarten, wie die Politik des neuen Präsidenten hinsichtlich der Sklavenfrage sich gestalten würde. Dem Austritte South Carolinas aus der Union folgten, in mehr oder minder kurzen Abständen, Georgia, Alabama, Mississippi, Louisiana, Florida und Texas und sie schlossen sich zu den sogenannten "Konföderierten Staaten von Amerika" zusammen. In den folgenden Monaten fielen auch Virginia, North Carolina, Arkansas und Tennessee von der Union ab. Die Bevölkerung des Nordens war vor Erstaunen schier gelähmt angesichts der rasenden Geschwindigkeit, mit welcher der Verrat wider die Regierung sich ausbreitete und die loyalen, unionstreuen Männer fragten sich, was der amtierende Präsident Buchanan zu tun gedenke, da es ja seine Pflicht sei, eine derartige Rebellion im Keime zu ersticken. In jenen Tagen wurde oft der Klageruf: "Oh, säße doch Andrew Jackson nur für eine Stunde wieder im Weißen Haus!" laut, denn jener war ein entschlossener und unnachgiebiger Präsident mit militärischer Erfahrung gewesen, der bereits während seiner Amtszeit eine drohende Rebellion in South Carolina zerschlagen hatte, als man sich dort weigern wollte, in Charleston die erhobenen Zölle einzutreiben. Jenes Ärgernis verhielt sich jedoch zu dem gegenwärtigen Aufstande wie ein Kleinkind zu einem Riesen und man darf bezweifeln, ob selbst "Old Hickory" (wie Jackson genannt wurde) mit seiner charakteristischen Tatkraft in Notfällen in der Lage gewesen wäre, die zornigen Wogen der Rebellion zu glätten, welche die gesamte Nation hinfortzuspülen drohten. Es kann jedoch als sicher gelten, dass er es zumindest versucht hätte, selbst wenn der Kampf seinen Untergang bedeutet hätte – so dachte zumindest die Bevölkerung.

James Buchanan war das exakte Gegenteil eines solchen Präsidenten. Er schien nur noch das Ende seiner Amtszeit herbeizusehnen und unternahm keine nennenswerten Anstrengungen, das Land zu retten. Tatsächlich legte er derartigen Bestrebungen anderer Männer anfangs sogar Steine in den Weg. Sein Kriegsminister war einer der Verräter und versorgte den Süden direkt vor den Augen des alten Buchanan mit jeder Menge Waffen. Ferner waren unsere Kriegsschiffe (von denen wir zugegebenermaßen nur wenige besaßen) vom ebenfalls verräterischen Marineminister auf Posten in entfernten Gewässern entsandt worden, von wo aus sie nicht zügig zurückgerufen werden konnten. Währenddessen hatte der Verräter von Finanzminister die Staatskasse geleert. Dann begannen die Sezessionisten mit der Besetzung der innerhalb der abtrünnigen Staaten gelegenen Arsenale, Prägeanstalten, Zollhäuser, Postämter und Garnisonsgebäude ... noch immer unternahm der Präsident nichts. Ja schlimmer noch, er verkündete, dass die Taten des Südens Unrecht seien, er selbst als Präsident jedoch nicht das Recht habe, Verrat und Sezession zu verhindern, da er (so die damalige Wortwahl) "nicht befugt sei, Zwang auf einen souveränen Einzelstaat auszuüben". Er schied schließlich als entehrter, alter Mann aus seinem Amte, für den kaum jemand noch ein freundliches Wort zu erübrigen hatte.

Derart gestaltete sich, grob skizziert, die politische Lage des Landes, als Abraham Lincoln, der nach mehreren Morddrohungen bereits um sein Leben fürchten musste, im Schutze der Nacht in Washington eintraf und in aller Stille seine Amtsgeschäfte aufnahm. Niemals zuvor hatte sich die Bevölkerung dieses Landes in solcher Unruhe befunden. Auch im Norden vertraten viele die kühne Ansicht, dass die "kriegstreiberischen Abolitionisten" und die "Neger-Republikaner" den Konflikt herbeigeführt hätten. Ich selbst war zum Zeitpunkt jener Wahl noch nicht stimmberechtigt, doch nahm ich bereits an den Fackelzügen der "Wide-awakes" und "Rail-splitters", wie die politischen Vereinigungen der Republikaner genannt wurden, teil. Hierbei empfing ich auch meinen Anteil an den Schmähungen, mit welchen die Anhänger des neuen Präsidenten überschüttet wurden.

Einer von Lincolns "Wide-awakes"

Sooft in den lokalen Tageszeitungen von neuen Akten der Gewalt und neuen Aggressionen wider die Zentralregierung berichtet wurde, verkündete in dem Geschäft, in welchem ich angestellt war, irgendjemand, der sich nicht zu den Lincoln-Anhängern zählte, mit zorniger Stimme: "Ich hoffe, ihr Kerle seid jetzt endlich zufrieden! Ich mache dem Süden nicht den geringsten Vorwurf! Die Leute dort sind bis zum Äußersten getrieben worden und zwar von gefährlichen Irren wie Garrison und Phillips! Dafür sollte man diese Burschen aufhängen!" [Anm. d. Übers.: William Lloyd Garrison war ein führender Abolitionist und Herausgeber der abolitionistischen Zeitschrift "The Liberator"; Wendell Phillips, aufgrund seiner Eloquenz auch als die "Goldene Trompete des Abolitionismus" bekannt, war ein Mitbegründer der Amerikanischen Anti-Sklaverei-Gesellschaft.] Weitere beliebte Tiraden waren: "Falls es zum Krieg kommen sollte, hoffe ich, dass ihr und eure Freunde bei den Neger-Republikanern allesamt an die Front geschickt werdet! Dort könnt ihr dann nach Herzenslust für die Nigger kämpfen!" ... "Du liebst die Nigger so sehr, eines Tages wirst du mal einen von ihnen heiraten!" und: "Ich hoffe, dass all die hitzköpfigen Abolitionisten in die erste Reihe gestellt und als Erste niedergeschossen werden!" Dies sind noch harmlose Auszüge aus den tagtäglichen Konversationen, die nicht nur an meinem Arbeitsplatze, sondern in jedem Geschäft und jeder Fabrik im Norden geführt wurden. Diese wortreichen Streitgespräche waren jedoch keineswegs einseitige Angelegenheiten, denn die derart Gescholtenen waren zwar nicht kriegslüstern, scheuten den Krieg aber auch nicht und verfügten über ihr eigenes Repertoire an Schmähungen, mit denen sie ihre Widersacher überzogen. Wenn die Streitenden ihre Gegner auch nicht immer zum Schweigen bringen konnten, so verleiteten sie sie doch zu immer weiteren, den oben genannten ähnlichen, lächerlichen Ausbrüchen.

Würde man mich nach der Identität dieser Männer fragen, so würde ich mich weigern, ihre Namen preiszugeben. Sie waren meine Nachbarn und meine Freunde und heute sind sie gewandelte Männer. Es gibt unter ihnen keinen einzigen, der in Anbetracht der folgenden Katastrophe nicht zutiefst über sein damaliges Verhalten beschämt ist. Etliche von ihnen haben im Felde gedient und es schmerzt mich zu sagen, dass einige nicht wieder heimgekehrt sind. Es war dies eine Zeit der unüberlegten und feindseligen Worte. In den folgenden Monaten erhielten die Südstaatensympathisanten den Spitznamen "Copperheads", also "Kupferköpfe". Ihre Verachtung für Lincoln und seine Partei kannte keine Grenzen und nur ihr persönliches Schamgefühl und ihre Selbstachtung hielten sie von den ärgsten Untaten ab; doch manche besaßen nicht einmal dieses Mindestmaß an Charakter. Keine Schmähung war zu würdelos, um sie den Republikanern entgegenzuspeien. Kein Missgeschick war zu grausam, um es dem politischen Gegner zu wünschen.

Natürlich war es den Hitzköpfen nicht vollkommen ernst mit ihren Verwünschungen, aber ihre Ausbrüche wirkten wie ein Gift auf das Bewusstsein der Allgemeinheit. Die Situation des neuen Präsidenten, die ohnehin bestenfalls als verwirrend und prekär zu bezeichnen war, wurde dadurch nur noch weiter erschwert, da der Eindruck entstand, dass ein beträchtlicher Teil der nordstaatlichen Bevölkerung Lincolns Politik ablehnen würde, anstatt sie zu unterstützen. Zudem gelangten die Sklavenhalter zu der Überzeugung, ein Großteil der Männer des Nordens würde mit ihren verräterischen Absichten sympathisieren. Die rasche Abfolge der folgenden Ereignisse führte jedoch einen Wandel in der Denkweise beider Lager herbei.

Die führenden Abolitionisten hatten bis dato behauptet, der Süden sei zu feige, aktiv für den Erhalt der Sklaverei zu kämpfen, während der Bevölkerung der Südstaaten von den "Feuerfressern" und deren Freunden im Norden weisgemacht wurde, die Nordstaaten würden niemals für ihre Überzeugungen eintreten und hätten im Kriegsfalle bereits alle Hände voll zu tun, die Zwietracht in ihren eigenen Reihen im Zaume zu halten. Ach, wie wenig verstanden beide Seiten die Entschlossenheit ihrer Gegner! Das Ganze erinnerte an die Geschichte der zwei Iren: Die beiden trafen sich eines Tages im Lager und der eine fragte: "Wie geht's dir, Mike?", worauf der andere entgegnete: "Wie geht's dir, Pat?" Der erste stutzte: "Aber ich heiße doch gar nicht Pat!" und erhielt die Antwort: "Und ich heiße nicht Mike!" Da geriet der erste ins Grübeln und verkündete: "Ei verdammich, dann ist wohl keiner von uns beiden, wer er ist!"

"Keiner von uns beiden"

Diese Anekdote dient als treffliche Veranschaulichung jener Haltung, mit welcher der Norden und der Süden einander begegneten. Man könnte sich schwerlich etwas Vollkommeneres vorstellen als die Verständnislosigkeit beider Seiten für die Entschlossenheit des jeweils anderen ... dies sollte der Lauf der Dinge bald zeigen.

Die Geschichte von Major Anderson und dem sicherheitsbedingten Rückzuge seines kleinen Häufleins US-Truppen von Fort Moultrie nach Fort Sumter im Hafen von Charleston dürfte wohl jedem interessierten Leser bekannt sein. Ebenso die Tatsache, dass die Rebellen ein Schiff unter Beschuss nahmen, welches der Präsident entsandt hatte, um das Fort mit Nachschubgütern zu versorgen und dass die US-Garnison nach einem mehrtägigen, schweren Bombardement schließlich zur Kapitulation gezwungen war. Diese Ereignisse öffneten endlich die Augen der "nordstaatlichen Teiggesichter" (wie die Yankees mit Südstaatensympathien spöttisch genannt wurden) für die wahren Absichten der Sezessionisten. Ihre politische Weltanschauung durchlief einen tiefgreifenden Wandel. Sie erkannten, dass Patriotismus und die Liebe zur Union noch immer den höchsten Stellenwert für sie besaßen. Sie hatten die Vorschläge vernommen, das alte Sternenbanner aufzuteilen und jeder Partei einen Teil davon zu überlassen. Sie sahen das Bild der zerrissenen Fahne vor sich und der Gedanke wurde ihnen unerträglich. Der Großteil von ihnen stellte also den Spott und die Verwünschungen ein und schloss sich den Forderungen der Allgemeinheit an, dass unverzüglich etwas getan werden müsse, um die Autorität und Befehlsgewalt der Zentralregierung durchzusetzen. Selbst Präsident Lincoln, der in seiner Amtsantrittsrede seine Landsleute dazu aufgerufen hatte, "sich Zeit zu nehmen, um die Lage ruhigen Blutes und sorgfältig zu durchdenken", war zu der Ansicht gelangt, dass weitere Langmut nicht mehr fruchtete und dass die Achtung vor dieser großen Nation sowie sein Präsidentenamt von ihm forderten, nun rasch entschlossene Taten folgen zu lassen. Folglich rief er am 15. April 75.000 Soldaten der Miliz für die Dauer von drei Monaten zu den Waffen, um die Rebellion zu unterdrücken und das geltende Recht durchzusetzen.

Da ich selbst als Soldat in einem Massachusetts-Regiment diente, ist es wohl verständlich, dass ich gelegentlich speziellen Bezug auf die Rolle jenes Staates in der Anfangsphase dieser monumentalen Krise des Landes nehmen werde, da mir jener Aspekt enger vertraut ist als die Abläufe in den anderen Staaten. Und doch ist es nicht mein Bestreben (so stolz ich auch auf das hervorragende Betragen meines Staates in den frühen Kriegsmonaten sein mag), Massachusetts über Gebühr und auf Kosten der Staaten Pennsylvania, New York und Rhode Island zu lobpreisen, da jene ebenfalls bereitwillig und prompt Hilfe im Notfalle des Landes leisteten. Auch sollen die ehrenvollen westlichen Staaten nicht unerwähnt bleiben, deren standhafte Patrioten so entschlossen in dichten Formationen die Mason-Dixon-Linie überschritten, als "Vater Abraham" sie um Hilfe anrief.

Es sorgt oft für Verwunderung, warum gerade Massachusetts, das ja weiter von der Hauptstadt der Nation entfernt liegt als die anderen genannten Staaten, so prompt zu deren Rettung eilte. Ich möchte mich an dieser Stelle an einer Erklärung versuchen. Im Dezember des Jahres 1860 schlug der Generaladjutant des Staates, William Schouler, dem Gouverneur (und späteren General) N. P. Banks vor, angesichts der gegenwärtigen Entwicklung der Dinge weitere Milizeinheiten aufzustellen, die Kommandeure der einzelnen Kompanien zu veranlassen, eine vollständige Stammrolle mit Namen und Wohnort der Angehörigen im Hauptquartier einzureichen und zahlenmäßig schwache Kompanien bis zur gesetzlich zulässigen Maximalstärke (damals 101 Mann pro Infanterieeinheit) mit frischen Rekruten aufzufüllen. Kurze Zeit später trat John A. Andrew, der als "der große Kriegsgouverneur von Massachusetts" in die Geschichtsbücher eingegangen ist, sein Amt an. Er war nicht nur bereits vor dem Kriege ein führender Republikaner gewesen, sondern auch ein überzeugter Abolitionist. Er scheint klar vorausgesehen zu haben, dass die Zeit der Drohungen und Streitgespräche vorüber war und dass die Zeit der Taten bevorstand. Am 16. Januar erließ er also eine Order (Nr. 4), mittels welcher festgestellt werden sollte, wie viele der in der Miliz dienenden Offiziere und Männer bereit wären, einem eventuellen Rufe zu den Waffen durch den Präsidenten unverzüglich Folge zu leisten. Ein jeder, der nicht zu sofortigem Handeln bereit war, wurde aus den Diensten der Miliz entlassen und sein Platz von einem tatkräftigeren Gesellen eingenommen. So geschah es, dass Massachusetts zum zweiten Male in seiner Geschichte seine "Minutemen" auf den prompten Einsatz im Bedarfsfalle vorbereitete. [Anm. d. Übers.: "Minutemen" wurden jene Milizeinheiten des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges genannt, die sich durch ihre rasche Einsatzbereitschaft ("binnen einer Minute") auszeichneten.]

Ein "Minuteman" des Jahres 1861

Obgleich diese Order des Gouverneurs sich als ausgesprochen sinnvoll erweisen sollte, trug sie doch einigen Unmut in die Reihen der Milizionäre, denn es gab in Massachusetts, wie auch in den anderen Staaten, sehr viele Männer, die in Friedenszeiten gute und disziplinierte Soldaten abgegeben hatten, nun jedoch, da die Miliz ihren eigentlichen Zweck erfüllen musste, kein weiteres Bedürfnis nach militärischem Ruhme verspürten. Ihr Stolz stand ihrer Aufrichtigkeit allerdings im Wege. In dieser Stunde der Gefahr schämten sie sich, der Miliz den Rücken zu kehren, da sie um ihren Ruf fürchteten. Doch es gab auch Männer, die gute und berechtigte Gründe hatten, sich nicht unvermittelt in militärische Dienste zu stellen, solange der Bedarf an Soldaten noch anderweitig zu decken war. Sie waren loyale und ehrbare Bürger, die nicht einfach binnen kürzester Zeit von ihren geschäftlichen und gesellschaftlichen Verpflichtungen ablassen konnten. In rationaleren und besonneneren Zeiten hätte man dies auch nicht von ihnen erwartet, aber die Gemüter der Öffentlichkeit waren erhitzt und die Vernunft musste sich mit ihrem Platze in der zweiten Reihe begnügen.

Die Order Nr. 4 war, so glaube ich zumindest, der erste wichtige Schritt, den der Staat in Richtung einer organisierten Vorbereitung auf den drohenden Konflikt unternahm. Der nächste Schritt war die Verabschiedung eines Gesetzes durch die Legislative, welches der Gouverneur am 3. April bestätigte und welches die Anschaffung von "Mänteln, Decken, Tornistern, 200.000 Schuss Munition und weiterer Ausrüstung für 2.000 Soldaten" im Werte von 25.000 Dollars vorsah. Diese Ausrüstungsgüter waren rasch beschafft. Die Soldaten der Miliz stellten damals ihre eigenen Uniformen und da keine exakten Vorschriften über deren Aussehen existierten, trugen keine zwei Kompanien desselben Regiments die gleiche Uniform. Erst seit wenigen Jahren ist die Uniform der Miliz von Massachusetts gesetzlich vereinheitlicht.

Doch wenden wir uns nun wieder jenem denkwürdigen 15. April zu. Die vieldiskutierte, gefürchtete Katastrophe des Krieges war schließlich doch über uns gekommen. Konnte es denn wirklich wahr sein? Wir wollten es nicht glauben und doch nötigten uns die tagtäglichen Geschehnisse zur widerwilligen Akzeptanz der Tatsache. Es erschien uns unbegreiflich. Niemand von uns hatte jemals etwas auch nur annähernd Vergleichbares erlebt. Zwar vermochten einige von uns sich noch vage an die Ereignisse des Mexikokrieges während unserer frühen Kindheit zu erinnern, aber da Massachusetts lediglich ein einziges Regiment in diesen Krieg entsandt hatte, welches zudem nicht an den Kampfhandlungen teilgenommen hatte und bei der Bevölkerung des Staates nicht gerade auf allgemeine Bewunderung und Unterstützung gestoßen war, kannten wir Scott, Taylor und Santa Aña nur von den kolorierten Drucken, die man von diesen ehrwürdigen Herren angefertigt hatte. Wenn wir uns also ein halbwegs lebendiges Bild von den bevorstehenden Geschehnissen machen wollten, so mussten wir im Geiste noch weiter zurückgehen, zu den Geschichten und Legenden der Revolution und des Krieges von 1812, in welchen unsere Vorfahren gedient hatten. Diese Beispiele hielten einem Vergleich mit dem kommenden Konflikt natürlich in keiner Weise stand.

Wie bereits erwähnt, pflanzte die Order Nr. 4 den Unmut in so manches Herz und veranlasste die zaghafteren Männer, sich unverzüglich aus der Miliz zu verabschieden. Etliche weitere hätten der Miliz ebenfalls sofort den Rücken gekehrt, hätten ihr Stolz und die vage Hoffnung, der Krieg möge wohl doch nicht kommen, sie nicht bei der Fahne verharren lassen. An jenem Tage, dem 15. April, erließ Gouverneur Andrew seinen Sonderbefehl Nr. 14, in dem er anordnete, das 3rd, 4th, 6th und 8th Regiment sollten sich unverzüglich auf dem Boston Common, dem Parkgelände der Stadt, versammeln. Es war dies der letzte Test der Courage und Kampfeslust der Milizionäre und für viele erwies er sich als zu streng, denn diese letzte "Generalprobe" vor dem Ernstfalle führte noch einmal zu etlichen Austritten aus der Miliz. Sobald jedoch der Unwille eines Mannes für weiteren Militärdienst offenbar wurde, hatte er besser eine ausgesprochen gute Begründung parat, oder er wurde für seine Feigheit verspottet und die Verachtung seiner Nachbarn machte ihm das Leben zuhause sauer. Hatte der "Drückeberger" einen Offiziersposten bekleidet, so musste er damit rechnen, dass sein Gesicht in einer der illustrierten Tageszeitungen auftauchte und mit der Unterschrift versehen war, er habe "die weiße Feder gezeigt", was ein populärer Ausdruck für einen Feigling war. Man kann eine beliebige Ausgabe einer beliebigen Zeitung aus jener Zeit zur Hand nehmen und wird zweifellos ein entsprechendes Beispiel finden. Diese unnötigen Bloßstellungen durch die unionstreue und ereiferte Presse fügten einigen Männern grobes Unrecht zu, denn wie bereits angedeutet, gehörten viele der derart Geächteten durchaus zu den ehrbarsten und loyalsten Bürgern des Staates. Zu einem späteren Zeitpunkt verfasste Oliver Wendell Holmes, Sr. das folgende Gedicht, in dem er seiner Meinung bezüglich einer bestimmten Klasse der Gesellschaft Ausdruck verlieh:

"Der verzärtelte Mann

(Den daheimgebliebenen Helden gewidmet)

Uns're Soldaten, im Felde sie fechten,

Ein jeder von ihnen so gut er es kann.

Sie ringen mit den Rebellen, den schlechten,

Doch was tust du, oh verzärtelter Mann?

Die Tapf'ren, sie leben in Zelten aus Leinen,

Ein jeder mit gutem Beispiel voran,

Derweil ihre Liebchen zuhaus um sie weinen,

Was hält dich noch hier, oh verzärtelter Mann?

Du trägst deines prächtigen Schnurrbartes Zierde

Gleich einem stolzen Armeeveteran,

Doch ist um deine Hüfte kein Säbel gegürtet;

Wo ist deine Uniform, verzärtelter Mann?

Gebt Kleider ihm, Hosen sind für ihn zu schade!

Schützt sein blasses Gesicht vor der Sonne sodann.

Mustert ihn ein in die Weiberrock-Garde!

Das rechte Regiment für den verzärtelten Mann!

Ein Trupp junger Mädchen sei seine Eskorte!

Bewaffnet mit je einem Stock aus Rattan;

Zu schützen vor jedem verächtlichen Worte

Der spottenden Knaben den verzärtelten Mann.

Sammelt euch um ihn herum, all ihr Schönen,

Pflückt aus euren Hauben die Federn, wohlan!

Flechtet zum Kranz sie, um damit zu krönen

Zum Fürsten der Feigheit den verzärtelten Mann.

Oh, sie sind wahre Helden, uns're Weiberrock-Garde!

Sie drillten bereits, als der Krieg erst begann.

'Präsentiert den Spazierstock! Rechtsum zur Promenade!'

Derart spielt er Krieg, der verzärtelte Mann!

Gilt das Land es zu retten? Vorneweg ist es wichtig

Sich selbst nur zu schützen, so lautet sein Plan.

Wo geschossen wird, stirbt man, ja das ist schon richtig,

Drum bleibt er zuhause, der verzärtelte Mann.

'Mein Leben soll jenen wohl ich anvertrauen,

Die einst so schmählich gefloh'n am Bull Run;

Auf die schützende Heimat will lieber ich bauen!'

So spricht und so tut er's, der verzärtelte Mann.

Er sieht sich vom Schlage der Malakoff-Stürmer,

Männer wie er fochten auf dem Redan.

Blutdürstige Quäker und sonstige Würmer,

Fürchtet den Zorn vom verzärtelten Mann!

Ihr Zofen und Ammen, steht ihm nicht im Wege!

Sauve qui peut! Rette sich, wer noch kann!

Kühn wie ein Tiger im Streichelgehege

Stolziert er einher, der verzärtelte Mann.

Der Flegel des Krieges, er wütet im Felde,

Drischt das Menschengetreide mit blut'gem Elan;

Die Spreu der Rebellen wird verweht sein in Bälde,

Doch was wird dann aus ihm, dem verzärtelten Mann?

Was wird er empfinden, wenn die Kämpfer heimkehren

Und mit wissenden Blicken starren sie ihn an?

Und was sagt er ob seines Liebchens Begehren

Ihn nie wieder zu sehen, den verzärtelten Mann?

Um ihn sei euch nicht bange, er riskiert nicht sein Leben;

Zu kurz ist bereits dessen kostbare Spann'!

Würden Frauen zum Schutze den Besenstiel heben,

Er ließe sie für sich kämpfen, der verzärtelte Mann.

Ein Hoch dem Beschützer von Witwen und Waisen!

Stoßt in die Tröte! Trommelt auf der Pfann'!

Du versteckst dich zuhause bei den Kindern und Greisen,

Dir gebührt die weiße Feder, verzärtelter Mann!"

Die verzärtelten Männer des Jahres 1861

Der 16. April war ein denkwürdiger Tag in der Geschichte des alten Neuenglandstaates. Das Wetter stand dem trostlosen Anlasse mit unablässigem Regen und Graupel in nichts nach. Ich erinnere mich noch sehr gut an diesen Tag. Beseelt von dem typischen Eifer und Enthusiasmus der Jugend, hatte ich meinen Vater um seine Zustimmung gebeten, mich zur Kompanie A des 4th Regiment melden zu dürfen, welche in meinem Heimatorte aufgestellt wurde. Der alte Herr wollte jedoch von meinem "Unsinn" nichts hören und da ich erzogen worden war, seinen Anordnungen Folge zu leisten, schloss ich mich der ersten Freiwilligenwelle noch nicht an, obgleich ich bereits das wehrfähige Alter von 18 Jahren erreicht hatte. Die Kompanie zog nicht mit voller Stärke ins Feld, tatsächlich konnten die meisten Einheiten ihre Ränge nicht vollständig füllen. Mehrere meiner Mitarbeiter waren der Kompanie beigetreten. Jene von uns, die ihrem Abmarsch an diesem stürmischen Vormittage von den Fenstern aus zusahen, erfüllte der Anblick mit allerlei düsteren Vorahnungen.

Die Truppen brachen also aus den kleinen Städtchen der küstennahen Counties von Massachusetts auf. Die meisten Kompanien der einberufenen Regimenter meldeten ihre Einsatzbereitschaft an jenem 16. April in Boston; zwei Kompanien aus Marblehead waren die ersten, die dort eintrafen. Eine dieser Kompanien wurde von Captain Knott V. Martin angeführt, welcher gerade damit beschäftigt gewesen war, ein Schwein zu schlachten, als der Adjutant (und spätere Major-General) E. W. Hincks geritten kam und ihn anwies, so bald als möglich auf dem Boston Common vorstellig zu werden. Der Captain zog sein Messer aus der Kehle des Schweins, stieß seinen Ruf aus, welcher in die Geschichtsbücher einging, warf das Messer zu Boden und eilte unverzüglich davon, um seinen Ordonnanz-Sergeant zu benachrichtigen, bevor er sich endlich wieder seiner Schlachtung zuwandte. Am folgenden Morgen waren er und seine Kompanie abmarschbereit. [Anm. d. Übers.: Laut der Legende rief Martin nach kurzem Zögern aus: "Ach, zum Teufel mit dem Schwein!" und stürzte sich mit ungeteiltem Eifer in seine militärischen Pflichten.]

Adjutant Hincks benachrichtigt Captain Knott V. Martin

Die zurückbleibenden Angehörigen konnten dem Abmarsche ihrer Lieben, die einem ungewissen Schicksale entgegenzogen und womöglich nicht mehr zurückkehren würden, nicht ruhig zusehen. So spielten sich an den verschiedenen Bahnsteigen zahlreiche anrührende Szenen ab, als die Männer die Züge nach Boston bestiegen. Als die Kompanien aus Marblehead die Stadt erreichten, brandete ihnen ein beispielloser Jubel entgegen und bei jeder neuen Abteilung von Soldaten, die auf den Straßen erschien, erschallten von den Gehsteigen entlang der gesamten Marschkolonne donnernde Hochrufe. In den ersten Monaten des Krieges ging es in Boston hoch her, denn nicht nur marschierte die Mehrzahl der Regimenter aus Massachusetts auf dem Wege an die Front durch die Straßen der Stadt, sondern auch jene aus Maine und New Hampshire. Ein auf dem Parkgelände rastendes Regiment oder eine zu den schmetternden Klängen einer Militärkapelle zu einem Bahnhofe marschierende Einheit war dort in jenen Tagen ein alltäglicher Anblick.

Captain Knott V. Martins Kompanie auf ihrem Weg zur Faneuil Hall in Boston

Ich hatte stets den Eindruck, dass diese "Dreimonatsmänner", also die ersten, für neunzig Tage einberufenen Milizionäre, nicht einmal die Hälfte jener Anerkennung erhalten haben, welche ihnen für ihre geleisteten Dienste zusteht. Die Tatsache, dass ihre Dienstzeit im Vergleich zu den später aufgestellten Einheiten so knapp bemessen war und dass sie an keinen nennenswerten Kampfhandlungen teilnahmen, erwies sich hierbei wohl als abträglich. Doch ließen diese Männer gänzlich unvermittelt ihr Alltagsleben zurück und eilten zur Verteidigung der Hauptstadt, ohne zu wissen, was das Schicksal für sie bereithalten mochte und mit ihrem glühenden Patriotismus als einziger Motivation. Dies erscheint mir nicht weniger achtenswert als das Opfer der später nachfolgenden Soldaten, als ihr Dienst unzweifelhaft notwendig war, die Not des Krieges bereits spürbar war und keine Illusionen bezüglich seiner blutigen Realität mehr bestanden. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass das zeitige Eintreffen dieser kurzzeitig dienenden Milizionäre nicht nur die Hauptstadt rettete, sondern auch den Rebellen zeigte, dass der Norden in der Lage war, binnen kürzester Zeit eine große und vergleichsweise gut ausgerüstete Streitmacht ins Feld zu führen und zudem willens war, seinen Worten Taten folgen zu lassen. Darüber hinaus verschafften diese Soldaten der Regierung eine dringend benötigte Atempause, um mit der gebührenden Sorgfalt ihre Lage zu überdenken und einen Aktionsplan auszuarbeiten.

Kapitel 02: Die Männer melden sich zur Fahne

"Oh, siehst du ihn auf der Straße in der Uniform so blau;

Von den Trommeln und Trompeten tönt martialischer Radau,

So viel mächtiger als all die lauen Lüftchen der Rebellen,

Die des Nordens Fahn' zerreißen sollen, doch nur an ihr zerschellen."

– Lucy Larcom, 'Erneut verpflichtet'

Die "Dreimonatsmänner" hatten kaum die Front erreicht, als sich bereits herausstellte, dass es ein Fehler gewesen war, nicht mehr Männer (und diese für einen längeren Zeitraum) zu den Waffen zu rufen. Es dauerte eine lange Zeit, bis wir uns des schieren Ausmaßes dieser Rebellion, der wir uns gegenüber sahen, vollends bewusst wurden. Am 3. Mai erließ Präsident Lincoln also einen Aufruf an weitere Freiwillige, sich für drei Jahre zu verpflichten, sofern nicht bereits früher Anlass zu ihrer Entlassung bestehen sollte. Sogleich eilten tausende loyaler Männer zu den Waffen, ja tatsächlich waren es so viele, dass viele Einheiten in vollständiger Regimentsstärke nicht gleich in Dienst gestellt werden konnten.

Die Vorgehensweisen, nach denen diese Regimenter aufgestellt wurden, waren mannigfach. Im Jahre 1861 war es üblich, dass ein Soldat, der bereits in der regulären Armee gedient oder zumindest einen hohen Posten bei der Miliz innegehabt hatte, selbst die Initiative ergriff und eine Rekrutierungsliste kursieren ließ, in welche sich Freiwillige eintragen konnten. Kam auf diese Weise eine Kompanie zustande, so konnte er sich berechtigte Hoffnungen machen, für seine Mühen zu ihrem Captain ernannt zu werden. Hatten ihn einige Männer bei seiner Initiative unterstützt und sich dabei ausreichend beliebt gemacht, so waren diesen die Positionen der Lieutenants nahezu sicher. Als die "Dreimonatstruppen" aus dem Felde zurückkehrten, verpflichteten sich etliche der Kompanien sofort geschlossen für drei Jahre, manchmal sogar unter denselben Offizieren, unter denen sie bereits gedient hatten. Eine große Zahl dieser "Kurzzeitveteranen" machten ihren Einfluss in den Hauptstädten ihrer Heimatstaaten geltend, um sich Offiziersposten in den neu aufgestellten Regimentern zu sichern. War ihr Wohnort zu klein, um seine eigene Kompanie aufbieten zu können, so gingen die Männer in ein Nachbarstädtchen und schrieben sich dort ein.

Im Jahre 1862 wurden Männer, die bereits ein Jahr Erfahrung im Felde gesammelt hatten, ausgewählt, um einige der zu vergebenden Offizierspatente für neue Einheiten zu erhalten. Gerechterweise hätten die Gouverneure alles in ihrer Macht Stehende tun müssen, um ausschließlich diese Männer zu befördern. Das Wesen der Rekrutierungen wandelte sich jedoch bald dahingehend, dass nun entweder Einzelpersonen aus eigenem Antriebe in den Rekrutierungsbüros erschienen oder ganze Gruppen sich wie folgt meldeten: Zwanzig, dreißig, fünfzig oder gar mehr Männer tauchten zugleich in einem der Büros auf und bekundeten ihre Bereitschaft zum Dienst in einem bestimmten Regiment unter der Bedingung, dass einer von ihnen (den sie bereits ausgewählt hatten) zu ihrem Captain ernannt wurde. Manchmal, wenn die Werber nicht kompromissbereit schienen, ließen sie mit sich reden und gaben sich mit dem Posten eines Lieutenants zufrieden, aber häufig konnten sie ihre Forderungen durchsetzen, da man auf ihre Dienste nicht verzichten wollte. Dieser Wettbewerb um die Führungspositionen förderte so manchen überraschend fähigen Offizier zu Tage, aber viele erwiesen sich als vollkommene Bauerntölpel, die sich bereits nach kurzer Dienstzeit an der Front nicht mehr außerhalb der sicheren Etappe blicken ließen.

Im selben Jahr arbeitete das Kriegsministerium eine systematischere Verfahrensweise aus und sobald nun ein neuer Aufruf an die Freiwilligen erging, wurde jedem Staat eine Quote zugemessen. Einer jeden Stadt wurde von der Regierung ihres Bundesstaates unverzüglich mitgeteilt, wie viele Männer sie zu stellen hatte. Die Kriegsbegeisterung war 1862 im Vergleich zum Vorjahr bereits merklich abgekühlt und so schossen in den Städten und größeren Gemeinden unzählige neue Rekrutierungsbüros aus dem Boden. Es gab zwei Arten von Büros: jene, welche frische Rekruten für die bereits im Felde stehenden Regimenter und Batterien beschaffen sollten und jene, welche um Rekruten für neu aufzustellende Einheiten warben. Letztere waren ohne jeden Zweifel bei den Männern weitaus populärer.

Der erstgenannten Art von Büro stand jeweils ein aktiver Frontoffizier vor, dem einige Männer zur Seite standen, welche ebenfalls "bereits das Pulver gerochen" hatten. Die letztgenannte Art von Büro wurde in der Regel von einem erfahrenen Soldaten geleitet, der erst kürzlich sein Offizierspatent empfangen hatte oder aber darauf spekulierte, bald ein solches zu erhalten.

Die flammenden Aufrufe, welche die Zeitungen in jenen Tagen füllten und die an allen öffentlichen Orten angeschlagenen Plakate waren die Köder, mit denen die Menschenfischer ihren Fang einbrachten. Hier ist ein Beispiel aus dem "Boston Journal" vom 12. September 1861:

[Es werden noch Freiwillige aus Massachusetts akzeptiert ! ! !

Die unverzügliche Aufstellung von drei Regimentern ist vorgesehen !

GEN. WILSONS REGIMENT,

Dem CAPT. FOLLETTS BATTERIE angegliedert ist;

COL. JONES' TAPFERES 6TH REGIMENT,

Das bereits "durch Baltimore marschiert" ist;

DAS N. E. GUARDS REGIMENT, befehligt von jenem

ausgezeichneten Offizier, MAJOR J. T. STEVENSON.

Der Unterzeichner ist am heutigen Tage damit beauftragt und dazu befugt worden, die Reihen obiger Regimenter umgehend zu füllen. Es bietet sich wahren Patrioten eine glänzende Gelegenheit, sich in den Dienst ihres Landes zu stellen und dies unter dem Kommando von Offizieren, wie sie diese Nation bisher fähiger noch nicht hervorgebracht hat. Sold und Verpflegung werden ab dem Zeitpunkt der Einschreibung unverzüglich gewährt.

UNIFORMEN WERDEN EBENFALLS GESTELLT !

Den Bürgern von Massachusetts sollte der Stolz gebieten, sich Regimentern ihres Heimatstaates anzuschließen, um jene herausragende Stellung zu bewahren, welche unser altehrwürdiger Staat beim Kampfe für die Union und die Verfassung innehat. Die Einwohner zahlreicher Städte und Gemeinden unseres Commonwealth haben reichliche Vorkehrungen für jene getroffen, die sich dem Heere anschließen möchten. Falls sich irgendjemand einer Kompanie oder einem Regiment außerhalb des Commonwealth anschließen sollte, so kann ihm keine der überreichlich vorhandenen Prämien gewährt werden. Jede Gemeinde und Stadt, die sich die ehrenvolle Pflicht auferlegt hat, die Familien der im Felde stehenden Freiwilligen zu unterstützen, wird vom Commonwealth mit bis zu 12 $ monatlich pro dreiköpfiger Familie bezuschusst.

Patrioten, die ihrem Lande dienen wollen, sollten Folgendes im Gedächtnis bewahren:

DAS ALLGEMEINE REKRUTIERUNGSBÜRO

Befindet sich in der

NR. 14 PITTS STREET, BOSTON !

William W. Bullock

Leitender Rekrutierungsoffizier, Massachusetts-Freiwillige.]

Hier ist ein Aufruf zu einer Kriegsversammlung unter freiem Himmel aus dem "Boston Journal" vom 30. Juli 1862:

[ZU DEN WAFFEN ! ZU DEN WAFFEN ! !

GROSSE KRIEGSVERSAMMLUNG

IN ROXBURY.

Eine weitere Versammlung der Bürger von Roxbury, um ihre Brüder im Felde im Geiste zu stärken, wird stattfinden auf dem

ELIOT SQUARE, ROXBURY,

HEUTE ABEND UM 20.00 UHR.

Ansprachen halten werden

Paul Willard, Rev. J. O. Means, Richter Russell,

Sowie weitere eloquente Redner.

Die Brigade-Kapelle wird bereits vor Beginn musizieren. Jeder Interessierte ist herzlich eingeladen !

Gott und Vaterland rufen ! !

Im Auftrage.]

Die folgenden zwei Beispiele schlagen einen geschäftlicheren Tonfall an. Zuerst ein Plakat:

[GENERAL POPES ARMEE.

"Lynchjustiz für Guerillas und kein Schutz für das Eigentum von Rebellen!"

Dies ist das Motto des

SECOND MASSACHUSETTS REGIMENT.

578,50 $ für 21 Monate Dienstzeit.

252,00 $ staatliche Unterstützung für vierköpfige Familien.

830,50 $ insgesamt und kurze Dienstzeit.

125,00 $ bar auf die Hand.

Obgleich dieses Regiment der Nummerierung nach das zweite ist, so ist es doch hinsichtlich Disziplin und Kampfkraft das erste und versieht seinen Dienst in einem angenehmen und malerischen Teile des Landes.

Rekrutierungsbüro im Coolidge House, Bowdoin Square.

Capt. C. R. Mudge.

Lieut. A. D. Sawyer.]

Zuletzt ein Beispiel aus dem "Boston Journal" vom 17. September 1862:

[100 $ PRÄMIE!

Kadetten-Regiment,

Kompanie D,

NEUN MONATE DIENSTZEIT.

O. W. PEABODY . . . . Rekrutierungsoffizier.

Hauptquartier, 113 Washington Street, Boston.]

Kriegsversammlungen wie jene in Roxbury wurden veranstaltet, um nachlassenden Enthusiasmus wieder zu befeuern. Blaskapellen und Redner strengten sich redlich an, bis sie rot im Gesicht waren und beide produzierten eine Menge heißer Luft. Für den Anlass zusammengewürfelte Chöre schmetterten "Red, White, and Blue" und "Rallied 'Round the Flag" bis sie zu heiser für weitere Sangeskünste waren. Der obligatorische alte Veteran des Krieges von 1812 wurde hervorgeholt und bearbeitete das Publikum nach Kräften. Hie und da rang sich ein Veteran des Mexikokrieges in Anbetracht der bluttriefenden Realität der Schlachtfelder einen betont gelassenen Gesichtsausdruck ab. Die Einschreibungsliste wurde für neue Unterschriften herumgereicht, sooft es möglich war, ohne den Eindruck der Aufdringlichkeit zu erwecken. In der Regel fand sich irgendwo in der Menge ein alter Bursche, der bei der geringsten Veranlassung wie eine Hyäne zu heulen begann und verkündete, wie gerne er doch wieder seine Muskete schultern würde, wenn er nur noch nicht so alt wäre, während seine blasse und beunruhigte Begleitung ihm kräftig an den Rockschößen zerrte, um ihn aus seiner unschicklichen Ereiferung zu reißen, bevor womöglich noch seine Gesundheit Schaden nahm. Dann hatte die patriotische holde Jungfrau ihren Auftritt, die unermüdlich eine Fahne oder ein Taschentuch schwenkte und natürlich ebenfalls "ohne zu zögern ins Feld ziehen würde, wenn sie nur ein Mann wäre". Auch fand sich für gewöhnlich ein Bursche, der sich lauthals bereiterklärte, sich zu verpflichten, wenn sich 50 weitere Männer (oder eine ähnlich absurd hohe Anzahl) aus der Menge ebenfalls einschrieben, obwohl er genau wusste, dass das niemals geschehen würde. Schließlich konnte man sich noch auf die Anwesenheit eines Kerls verlassen, der auf die Aufforderung, sich zu melden, entgegnete, er sei durchaus dazu bereit, sofern sich auch die Herren A und B (beide wohlhabende Bürger) melden würden.

Eine Kriegsversammlung

Ich selbst habe bei einer solchen Kriegsversammlung einen Mann mit bombastischem Pomp geloben hören, dass er sich einschreiben würde, wenn es ihm eine gewisse Anzahl an Männern (die exakte Zahl ist mir entfallen) gleichtäte. Tatsächlich fand sich die geforderte Anzahl bereit und nun schlich unser Westentaschenpatriot (der sogar die Angehörigen seiner eigenen Gattin zum Kriegsdienste beschwatzt hatte) unter dem Spotte seiner Mitbürger von dannen.

Gelegentlich gerieten die patriotischen Gefühle bei einer solchen Versammlung durch die wehenden Banner, die martialische Musik und die glühenden Reden dermaßen in Wallung, dass die Rekrutierungsquote eines Städtchens binnen einer einzigen Stunde erfüllt war. Sobald der erste Bursche vortrat, seine Unterschrift auf die Liste setzte, unter enthusiastischem Schulterklopfen auf die Bühne geführt wurde und dort als Held der Stunde bejubelt wurde, folgten auch schon der zweite, dritte und vierte und schließlich erfolgte ein regelrechter Ansturm auf die Rekrutierungsliste und die versammelte Menge verfiel in ungezügelte Begeisterung. Diese Ekstase konnte einen Mann ebenso betrunken machen wie Alkohol und am folgenden Morgen hatten einige der eifrigen Patrioten mit reuevollen Gedanken zu kämpfen, besonders wenn es sich um Familienväter handelte. Doch ihr Stolz, dieser tyrannischste Herr des Menschen, gestattete den meisten von ihnen keinen ehrlosen Ausweg.

Als nächster Schritt folgte die medizinische Untersuchung, um über die körperliche Tauglichkeit zu befinden. Jede Gemeinde hatte ihren eigenen Arzt für diese Aufgabe. Der angehende Rekrut musste sich zuerst all seiner Kleidung entledigen, bevor seine Tauglichkeit oder Untauglichkeit festgestellt wurde, indem der Arzt ihn springen, sich vornüber beugen und Tritte ausführen ließ, seinem Brustkorb und Rücken kräftige Stupser versetzte und generell alle Stellen abtastete, die er für wichtig erachtete. Auch die Zähne mussten begutachtet werden und das Sehvermögen wurde getestet. Bestand der Rekrut die Untersuchung, wurde ihm ein entsprechendes Attest ausgehändigt.

Nun ging es zu einem der Rekrutierungsbüros. Der Rekrut betrat den Raum, nannte den Grund seines Kommens, schrieb sich in die Stammrolle der Kompanie oder des Regiments ein, in dem er dienen würde, machte einige Angaben über Körpergröße, Teint und Beruf und wurde von einem Soldaten zum untersuchenden Heeresarzt gebracht, wo er einer weiteren gründlichen Untersuchung unterzogen wurde.

Jene Männer, die beschlossen, "in den Krieg zu ziehen" und aus eigenem Antriebe direkt das Rekrutierungsbüro aufsuchten, um sich einzuschreiben, mussten nur diese zweite Untersuchung über sich ergehen lassen. Die erste war vollkommen unnötig. An dieser Stelle soll die interessante Tatsache angemerkt werden, dass die Männer in den Jahren 1861 und 1862 bei diesen Untersuchungen bemüht waren, ihre Tauglichkeit zu beweisen, während sie in den Jahren 1863 und 1864 bemüht waren, ihre Untauglichkeit zu beweisen. Der Wind hatte sich gedreht.

Nachdem der Zivilist nun also ein Soldat geworden war, wurde er in der Regel sogleich in ein Heerlager oder direkt an die Front geschickt, doch wenn er sich einen kurzen Heimaturlaub erbat, wurde dieser meist gewährt. War er einem neu aufzustellenden Regiment beigetreten, mochte es noch Wochen dauern, bis er an die Front zog, schloss er sich hingegen einer altgedienten Einheit an, konnte er sich bereits kurze Zeit später in seiner ersten Schlacht wiederfinden. Hunderte von den Männern, die sich nach Präsident Lincolns Aufruf vom 2. Juli 1862 zur Fahne meldeten, wurden getötet oder verwundet, bevor sie auch nur eine Woche an der Front verbracht hatten.

Kein Mensch, der diese aufregenden frühen Kriegstage durchlebt hat, wird sie jemals vergessen. Die patriotische Gesinnung war auf dem Siedepunkt und ergriff Männer wie Frauen, Kinder wie Greise. Niemals zuvor hatte man in der Öffentlichkeit dermaßen viele Sternenbanner gesehen. Vor Wohnhäusern wie Amtsgebäuden wurden täglich mit großer Feierlichkeit die Flaggen gehisst. Wohin man auch schaute, wogte ein Meer aus Rot, Weiß und Blau. Ladenbesitzer hängten die Farben in ihre Fenster und an ihre Theken. Männer trugen entsprechende Krawatten, hefteten sich Kokarden an die Brust oder trugen farbige Bänder im Knopfloch. Auch die Damen trugen die Nationalfarben zur Schau. Die Musikkapellen spielten nur noch patriotische Lieder und würden sich Melodien bei häufigem Gebrauch abnutzen, so wären der "Yankee Doodle", "Red, White, and Blue" und "The Star-Spangled Banner" bald nicht mehr zu gebrauchen gewesen. Neue Lieder und Märsche wurden komponiert, von denen viele sich nur äußerst kurzer Beliebtheit erfreuten und all die Gedichte jener Zeit, unter denen sich auch einige ausgezeichnete Werke befanden, würden kaum zwischen zwei Buchdeckeln Platz finden.

Kapitel 03: Wie die Soldaten untergebracht wurden

"Mein Bett ist, wo die Heide blüht,

Des Farmkrauts Vorhang es umzieht,

Der Wachen Tritt mein Wiegenlied,

Fern, fern von Lieb' und dir, Marie;

Wohl morgen schon in tief'rer Ruh

Deckt mich mein Plaid, der blut'ge zu,

Zur Vesper singst dein Klaglied du!

Es wird nicht wecken mich, Marie."

– Sir Walter Scott, 'Die Jungfrau vom See'

Nun hatte man sich also freiwillig gemeldet, doch wie ging es weiter? Mit dieser einen Unterschrift hatte der neue Rekrut einen Teil seiner Eigenverantwortung aufgegeben und Onkel Sam nahm ihn unter seine Fittiche. An dieser Stelle möchte ich dem möglicherweise unwissenden Leser den Unterschied zwischen der Miliz und den Freiwilligenverbänden erklären. Die Miliz umfasste die Soldaten des jeweiligen Bundesstaates und dieser hatte auch das Kommando über sie inne, sofern der Präsident sie nicht im Falle eines nationalen Notstandes einberief. Einen solchen Notstand machte Präsident Lincoln geltend, als er (wie bereits erwähnt) 75.000 Milizionäre zu den Waffen rief. Die Freiwilligen hingegen stellten sich direkt in den Dienst der Vereinigten Staaten und somit war es die Aufgabe der Zentralregierung, sich vom Tage der Einmusterung an um alle ihre Belange zu kümmern.

Bevor sie ihren Heimatstaat verließen, wurden diese Freiwilligen also, wie schon gesagt, formal eingemustert. Dies geschah zumeist bald nach ihrem Termin im Rekrutierungsbüro, noch bevor sie ihre Uniformen erhielten.

Der Eid, den sie mit erhobener Hand leisteten, lautete wie folgt:

"Ich, A____ B_____, gelobe hiermit feierlich, dass ich den Vereinigten Staaten von Amerika die Treue halten und ihnen aufrichtig und treu im Kampfe gegen alle ihre Feinde und Widersacher dienen werde. Ich werde die Befehle des Präsidenten der Vereinigten Staaten achten und befolgen und ebenso die Befehle der gemäß den Gesetzen und Vorschriften des Heeres der Vereinigten Staaten ernannten Offiziere."

Vereidigung der Rekruten

Die Einrichtungen, welche für die Unterbringung der Rekruten vor ihrem Abmarsch an die Front zur Verfügung standen, waren von unterschiedlicher Güte. Einige der Männer wurden während ihrer Vorbereitung auf den Abmarsch in Fort Warren und Fort Independence einquartiert. Die Mehrheit der Freiwilligen aus Massachusetts wurde jedoch in mehreren über den Staat verteilten Lagern untergebracht. Zwei der ältesten dieser Lager waren Camp Andrew in West Roxbury und Camp Cameron in North Cambridge. Spätere Lager wurden bei Lynnfield, Pittsfield, Boxford, Readville, Worcester, Lowell, Long Island und einigen weiteren Orten eingerichtet. Die "Dreimonatsmilizen" benötigten keine gesonderte Unterbringung, da sie unmittelbar nach ihrer Einberufung ins Feld zogen. Einige von ihnen verbrachten eine Nacht in den Räumlichkeiten von Faneuil Hall. Die 1st Massachusetts Infantry war eine Woche lang in Faneuil Hall untergebracht, doch da dies kein geeignetes Quartier für dermaßen viele Männer war, marschierte das Regiment am 1. Juni nach Cambridge hinaus und nahm dort ein altes Kühlhaus am Ufer des Fresh Pond in Beschlag, das der Staat aufgekauft und mit einigen zusätzlichen Baracken in das erste Lager des Regiments verwandelt hatte. Es war dies jedoch nicht das erste der im Staate errichteten Lager, denn einige "Dreijahresregimenter" hatten zu diesem Zeitpunkt bereits ihre Lager bei Long Island und in Fort Warren bezogen.

Das Lager bei Readville, Massachusetts

Da das Gelände, auf dem man die 1st Massachusetts Infantry untergebracht hatte, der Gesundheit der Männer abträglich war, war ihr Aufenthalt nur von kurzer Dauer und sie wurden bald nach North Cambridge verlegt, wo an einem genehmeren Platze neue Baracken errichtet worden waren. Zu Ehren von Präsident Lincolns Kriegsminister wurde das Lager "Camp Cameron" genannt.

Wie bereits mehrfach erwähnt, waren einige der Truppen in Baracken einquartiert. Da manch einer nicht mit diesem Gebäudetypus vertraut sein mag, möchte ich ihn an dieser Stelle kurz beschreiben. Eine Baracke war in der Regel ein längliches, einstöckiges Gebäude, in seinen Abmessungen einer Kegelbahn nicht unähnlich. Der Eingang befand sich an einer der schmalen Seiten, ein breiter Gang verlief mittig durch den Saal und an den Wänden stand jeweils eine Reihe von Stockbetten. Eine Baracke war für die Unterbringung einer Kompanie von 100 Männern ausgelegt. Noch heute kann man in Readville, Massachusetts unweit des alten Lagergeländes einige dieser Bauten besichtigen. Baracken waren in dem kühlen Klima der nördlichen Breitengrade begehrte Behausungen und boten etlichen Regimentern während des Aufenthaltes in ihren Heimatstaaten ein Dach über dem Kopf, doch noch weitaus mehr Männer waren vor ihrem Aufbruch an die Front in Zelten untergebracht. Diese Zelte kamen in vielen verschiedenen Formen, aber am beliebtesten waren das Sibley-Zelt, das A-Zelt (auch Keilzelt genannt) und das Sanitäts- oder Wandzelt.

Sibley-Zelte

Das Sibley-Zelt wurde im Jahre 1857 von Henry Sibley entworfen. Dieser war ein Absolvent der US-Militärakademie in West Point und hatte Captain John C. Frémont auf einer seiner Vermessungsexpeditionen begleitet. Die Form seines Zeltes war offensichtlich von den Tipis, den Indianerzelten aus fellbespannten Stangen mit einem Feuer in der Mitte, inspiriert, die er in der Prärie gesehen hatte. Nach dem Ausbruch der Rebellion stellte Sibley sich in den Dienst des Südens. Er stieg in den Rang eines Brigadier-General auf, doch seine Taten im Kriege vermochten seinen Ruhm als Erfinder eines Zeltes nicht zu überflügeln. Kürzlich wurde die Behauptung aufgestellt, Sibley sei nicht einmal der tatsächliche Erfinder des Zeltes und der Ruhm gebühre einem einfachen Soldaten unter seinem Kommando. Da das Zelt in seinem Aussehen einer großen Glocke ähnelt, wird es gelegentlich auch als Glockenzelt bezeichnet. Ein solches Zelt hatte einen Durchmesser von fünfeinhalb Metern und eine Höhe von knapp vier Metern. Es wurde von einer einzelnen Stange gestützt, welche auf einem eisernen Dreibein stak. Diese Stange entsprach exakt dem Radius des Kreises, der durch die Zeltplane abgedeckt wurde. Mittels des Dreibeins ließ sich die Spannung der Zeltwand nach Belieben erhöhen oder lockern. An der Spitze des Zeltes befand sich eine knapp einen halben Meter weite, kreisförmige Öffnung, welche sowohl der Belüftung des Zeltinneren diente als auch bei kaltem Wetter als Durchlass für ein Ofenrohr fungierte. Dieses Ofenrohr mündete in einen kegelförmigen Ofen, der der Form des Zeltes angepasst war und unter dem Dreibein stand. Bei stürmischem Wetter wurde die Öffnung mit der sogenannten "Kappe", einem kleinen Stück Leinwand, an dem zwei Halteseile befestigt waren, abgedeckt. Es war damals keine Seltenheit, dass ein Zelt in Flammen aufging, weil jemand die Kappe zu dicht an einem heißen Ofenrohr festgezurrt hatte. Von der Gabel des Dreibeins hing eine Kette mit einem Haken herab, an dem man einen Kessel einhängen konnte. Stand kein Ofen zur Verfügung, entfachte man ein Feuer auf dem Boden. Ein solches Zelt konnte einem Dutzend Männern eine bequeme Unterkunft bieten.

Sibley-Zelte auf Palisaden

Bei kaltem oder regnerischem Wetter, wenn sämtliche Öffnungen verschlossen waren, gaben die Zelte ausgesprochen unangenehme Behausungen ab und wenn man an einem verregneten Morgen eines von ihnen betrat und einem die gesammelten nächtlichen Ausdünstungen von zwölf Männern entgegenschlugen (deren Auffassung von angemessener Körperhygiene sehr unterschiedlich sein mochte), so war dies eine Erfahrung, welche sich wohl kein Soldat allzu gerne ins Gedächtnis ruft. Die Luft in diesen Zelten war wahrlich von der widerlichsten Art und es ist erstaunlich, wie gut sich die Soldaten mit dieser Tatsache arrangierten. Am Tage wurden die Zelte gelüftet, indem man die Planen in Bodennähe anhob. Das Sibley-Zelt wurde 1862 außer Dienst gestellt, teils wegen seiner hohen Anschaffungskosten, aber hauptsächlich, weil es zu sperrig war. Sibley-Zelte waren eine logistische Bürde, da sie für ihren Transport etliche Planwagen benötigten, weswegen sie schließlich nur noch in festen Ausbildungslagern Verwendung fanden. Ich glaube, einige Milizen machen sogar heute noch von ihnen Gebrauch. Im Kriege sah ich einige Regimenter, die diese Zelte als Dach über etwa meterhohen Palisaden aufschlugen, was sehr geräumige und komfortable Winterquartiere ergab. In einer derartigen Konstruktion fanden 20 Männer Platz. Das Sanitätslager unweit Alexandria, Virginia bestand aus solchen Palisadenbauten.

A-Zelt oder Keilzelt

Das A-Zelt oder Keilzelt ist noch heute recht weit verbreitet. Meine Nachforschungen ergaben keinen gesicherten Ursprung dieser Zeltform. Es scheint so alt zu sein wie die Geschichtsschreibung selbst. Ein deutscher Historiker berichtet in einem Werk aus dem Jahre 1751 von der Verwendung dieser Zelte durch die Amalekiter. Man kann sich schwerlich eine einfachere Form des Unterschlupfes vorstellen als das Spannen einer Stoffbahn über eine waagerechte Stange. Die früheste Variante eines derartigen Obdaches bestand möglicherweise aus Geäst, das schräg an einen niedrigen Ast eines Baumes gelehnt wurde und so als primitive Unterkunft diente. Doch was auch immer die ursprüngliche Form gewesen sein mag, in seiner aktuellen Weiterentwicklung ist es ein über eine waagerechte Stange gespanntes Leinwandzelt von knapp zwei Metern Länge, das durch zwei senkrechte Pfosten etwa gleicher Länge gestützt wird. In errichtetem Zustande deckt das Zelt eine Fläche von rund viereinhalb Quadratmetern ab. Zweifellos leiten sich seine Namen von der Tatsache ab, dass seine Vorder- und Rückseite der Form des lateinischen Buchstabens "A" beziehungsweise einem Keile gleichen. Für gewöhnlich teilten sich vier Männer ein solches Zelt, aber häufig waren es auch ihrer fünf und manchmal gar sechs. Dermaßen viele Männer in einem Zelt schränkten den nächtlichen Komfort beträchtlich ein. Wollte sich nur einer der Schläfer umwenden, so mussten die anderen es ihm gleichtun, denn sechs oder auch nur fünf Männer füllten das gesamte Zelt aus und lagen eng aneinandergeschmiegt.

Eng aneinandergeschmiegt

Schlug man diese Zelte als Dach über Palisaden auf, ergaben sie ein geräumiges und bequemes Quartier. An dieser Stelle sollen einige Worte über diese Palisaden verloren werden. Eine Palisade ist eine Umfassung aus dicht nebeneinander in die Erde gerammten Pfosten. Eine Palisade als Basis eines Zeltes bestand aus in Hälften gespaltenen Pfosten, deren glatte Seiten nach innen gewandt waren, damit sie plane Wände ergaben. Die verbreitetste Methode, eine hölzerne Struktur unter einem Zeltdach zu errichten, bestand jedoch darin, Stämme wie die Maiskolben zu stapeln und sie an den Ecken miteinander zu verkeilen. Dies nahm weniger Zeit und weniger Material in Anspruch. Wenn ich also den Begriff "Palisade" verwende, so beziehe ich mich damit auf beide dieser Methoden. Ich werde noch gelegentlich auf diese Palisaden zu sprechen kommen.

Die A-Zelte waren während der ersten beiden Kriegsjahre sowohl bei den Bundesstaaten als auch bei der Zentralregierung allgegenwärtig, aber wie die Sibley-Zelte benötigten sie zu viele Planwagen, um sie im Felde zu transportieren. Folglich wurden sie weitergereicht an Ausbildungslager und Einheiten, welche dauerhaft in oder unweit von wichtigen militärischen Einrichtungen untergebracht waren.

Sanitäts- oder Wandzelt

Das Wandzelt unterscheidet sich von den bereits genannten Zelttypen dahingehend, dass es vier aufrechte Seiten oder Wände hat. Diesem Umstand verdankt es wohl auch seinen Namen. Die ebenfalls gebräuchliche Bezeichnung "Sanitätszelt" rührt von seiner großen Beliebtheit in den Feldlazaretten her. Auch dieses Zelt ist mitnichten eine moderne Erfindung. Es wurde bereits von Napoleon benutzt und wahrscheinlich auch schon sehr viel früher. Aufgrund seiner Wände bietet es ein komfortableres und angenehmeres Quartier als die anderen beiden Zelttypen, da man sich aufrecht darin umher bewegen kann, ohne sich allzu beengt zu fühlen. Wandzelte existieren in verschiedenen Größen. Jene, welche im Bürgerkriege in Lazaretten Verwendung fanden, waren vergleichsweise geräumig und konnten je nach den Umständen sechs bis zwanzig Patienten beherbergen. Es war üblich, zwei oder mehr dieser Zelte zu einem einzigen riesigen Zelt zu vereinen, indem man die mittige Naht jener schmalen Seiten, die einander berührten, auftrennte und die hierdurch entstehenden losen Enden zurückschlug. So entstand ein geräumiges Lazarett mit einem zentralen Durchgang zwischen den Bettenreihen. Die kleineren Wandzelte wurden, soweit ich mich erinnere, ausschließlich als Offiziersquartiere genutzt.

Wandzelt eines Offiziers mit offenem Eingang