Hartwich I - PEER KLAWIR - E-Book

Hartwich I E-Book

PEER KLAWIR

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Beschreibung

Benjamin Hartwich, von allen nur Hartwich genannt, führt ein tristes Arbeitsleben als Elektroingenieur beim Unternehmen für Stromversorgung. Obwohl er einen soliden Job macht, traut er sich wenig zu, entsprechend gering ist seine Akzeptanz in der Firma. Schon in der Schule war er ein Weichei, eine Software, die vor allem Sandro, einer von den harten Jungs, als Datenquelle zu nutzen wusste. Die Begegnung mit Mimi gibt der Gefühlswelt von Hartwich neue Impulse. Als auch noch Alina seine Hilfe sucht, wird er mit seinen Ängsten, aber auch mit seinen Bedürfnissen konfrontiert. Zusammen mit Sandro nimmt er die Herausforderung an. In einer dubiosen Villa erlebt Hartwich faszinierende Seminare, die seine Denkmuster aufbrechen. Dozentin Kerstin gibt ihm Einblicke in die Welt der Persönlichkeitsentwicklung. Er spürt die Kraft des Geistes, gleichzeitig konfrontiert die zwielichtige Organisation Vesta die Menschheit mit einer aberwitzigen Idee zur Seelenheilung. Dieser Verein, in dem nicht nur Gutmenschen ihr Unwesen treiben, will mit aller Macht in die Psyche der Menschheit eindringen. Hartwich überwindet seine Ängste und stellt sich dem Kampf gegen Vesta. Nebenher werfen Filz und Vetternwirtschaft nicht nur im Rathaus ein düsteres Licht auf die bayrische Landeshauptstadt. Während die Wohnungsnot in München bedrohlich zunimmt, können manche Reichen und Schönen den Hals nicht voll bekommen. Hartwich und Sandro verstricken sich immer tiefer in Schwierigkeiten. Sie brauchen ihr gesamtes Potenzial, um eine Lösung zu finden.

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Seitenzahl: 365

Veröffentlichungsjahr: 2021

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PEER KLAWIR

Hartwich I

Freiheit

1. Auflage Mai 2021

Texte: © by PEER KLAWIR

Covergestaltung: © by PEER KLAWIR

Bildnachweise:© Can Stock Photo / Boykung© Can Stock Photo / emprize

Verlag:

Neopubli GmbHKöpenicker Straße 154a10997 [email protected]

epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

PRINT ISBN-10: 3753177822

PRINT ISBN-13 (EAN): 978-3-753177-82-3

Der nachfolgende Roman ist frei erfunden. Ähnlichkeiten mit realen Geschehnissen oder lebenden Personen wären rein zufällig. Orte und Einrichtungen, soweit sie nicht dem Allgemeinwissen zuzuordnen sind, sowie technische Zusammenhänge, basieren nicht auf Fakten, sie sind als fiktiv zu betrachten.

„Das Mittelalter hat auch deswegen so lange gedauert, weil es so bequem ist, unfrei zu sein!“

(unbekannt)

Kapitel 1

Schwer atmend rollte sich Hartwich auf die Seite. Die Entladung der immer mehr aufgestauten Anspannung bis zu dem Punkt, als es schier nicht mehr auszuhalten war, ließ ihn eine Leere und gleichzeitig einen tiefen Frieden empfinden. Mimi war eine Meisterin darin, seine Gefühle zu spüren, und sie ließ ihn diese seltsame Begegnung von Schmerz und Lust in einem ungeahnten Maß erleben.

Nun lächelte sie ihn an, wie eine Schauspielerin nach der Show, wissend, dass sie das Publikum in ihren Bann gezogen hatte. Sie genoss es, dass er kaum den Blick abwenden konnte von ihren üppigen Rundungen, die ihn magisch anzogen.

Mimi war sicher kein Magermodel. Auch über ihr eher mondförmiges Gesicht und ihre feuerroten Haare, die sie stets mit einem bunten Tuch gebändigt hielt, würde wohl kein Dichter eine Ode schreiben. Mit ihrer überschaubaren Körpergröße, die kaum über ihren Kleinwagen hinausragte, war sie auf ihre Art ein Gesamtkunstwerk. Nicht unbedingt das, was die bunten Blätter auf Seite eins zeigen, und doch in sich stimmig. In ihrer Weiblichkeit hatte sie eine Ausstrahlung von Muttertier, die eine kompromisslose Geborgenheit versprach. Eine Geborgenheit, nach der sich Männer wie Hartwich sehnen.

Hartwich war körperlich eher das Gegenteil von Mimi. Nach dem Motto „Liegen haben kurze Beine“ war er lang und schlaksig, wenig muskulös, mit einem unübersehbaren Bierbäuchlein, das wie der australische Ayers Rock aus seinen flachen Ebenen herausragte. Seine dichten dunklen Haare trug er in einem altmodischen Mittelscheitel. Sein Friseur wandte nicht wenig Energie auf, das zu ändern, scheiterte jedoch regelmäßig am Widerstand seines Kunden. Dieses Schicksal teilte auch seine Optikerin, die ihm gerne mal eine aktuelle Hornbrille „Directors Art“ verpasst hätte. Auch sie musste ihn stets mit verstärkten Dioptrien im guten alten John-Lennon-Style ziehen lassen.

Hartwich mochte keine Veränderungen. Es grauste ihm davor, sich erklären zu müssen. Sich der aktuellen Mode und dem Zeitgeist anzupassen, empfände er als Verlust seiner Identität zu Gunsten eines Herdentriebs. Im Widerspruch dazu wäre er sehr gerne Teil der großen Herde gewesen. Hartwich war ein Mensch voller Widersprüche. In Sachen Mode ging er den vermeintlich einfachen Weg. Die mitleidigen Blicke der Umwelt über seinen altmodischen Auftritt verdrängte er durch den Glauben, dadurch unabhängig zu sein. In Wahrheit hatte er Angst davor, sich erklären zu müssen, wenn er dem Zeitgeist folgen würde. Damit hatte er sich arrangiert, und gewohntes Verhalten gab ihm Sicherheit. „Stetig währt am längsten“ hatte er sich zu eigen gemacht.

So war es damals auch mit Melanie gewesen, seiner Frau, von der er nun schon fast fünf Jahre geschieden war. Als sie sich kennengelernt hatten, waren sie beide ein wenig altbacken und schüchtern gewesen. Dass sie sich kennen- und später sogar lieben gelernt hatten, bis zum Ehebündnis, war einem Zufall zu verdanken gewesen. Für ihre Umwelt hatte es gepasst. Der verträumte Hartwich und die unsichere Melanie, das ergab durchaus Sinn und hatte sie verbunden. Ihre Charaktere hielten sie auch für einige Jahre zusammen. Kinder gab es keine, die einer Entwicklung hätten förderlich sein können, sodass die Beziehung viel Stillstand und Bewahrung erlebte. Für Hartwich genau das Richtige, er konnte darin seine Ängste gut unterbringen. Melanie jedoch arbeitete an sich. Sie machte immer kleine Schritte nach vorne. Es war ihr Job in der Werbeagentur, der sie mit neuen Leuten mit neuen Gedanken zusammenbrachte. Stück für Stück nahm sie Ideen auf, erfuhr, was das Leben noch zu bieten hatte. Irgendwann legte sie die Vorstellung ab, dass Leben aus Bewahrung besteht. Und irgendwann legte sie auch ihren Ehemann ab, und nahm ihren damaligen Chef in der Agentur als Turboelement zur persönlichen Entwicklung an. Dass dieser neue Partner sich später als Turboschwein herausstellte, der Melanie eine noch intensivere Weiterentwicklung zukommen ließ, indem er eine Dreier-, zeitweise sogar eine Viererbeziehung führte, steht nicht im Widerspruch zu Melanies Ziel, ihren Horizont zu erweitern. Allerdings musste sie ihr Ziel sehr bald in Eigenregie weiterverfolgen.

Hartwich kam in ihrem erweiterten Horizont nicht mehr vor. Er blieb, was er war, was nun auch nicht zwingend einem erfüllten Leben entgegenstehen muss. Es kommt halt auf die Erwartungshaltung an. Die festzulegen war Hartwich noch nie leichtgefallen. Lieber wollte er anderen gefallen: „Was Du willst das man Dir tu, das füge vorher andern zu!“ Das war so eine Grundsatzentscheidung in seinem Leben gewesen. Schon früh hatte er erfahren, wie positiv es die Menschen finden, wenn Du das tust, was ihnen gefällt. Die Reaktionen darauf sind um Welten besser, als wenn Du tust, was Dir gefällt. Und Hartwich hatte sich unbewusst dafür entschieden, den Genuss der guten Reaktionen über die eigenen Wünsche zu stellen. „Mach, was sie von Dir erwarten, dann sind sie zufrieden, und wenn die zufrieden sind bist Du es auch.“ So lässt sich herrlich leben, vor allem wenn es gelingt, die eigenen Bedürfnisse nachhaltig zu unterdrücken.

Mit Melanie war das nicht gut gegangen. Ihre Lebensentscheidung war nicht so eindeutig zu Gunsten des „Lieb-Kind-Seins“ ausgefallen. Trotzdem sie eine eher unauffällige Beobachterin war, hatte sie einen beachtlichen Willen gehabt, und die Fähigkeit anderen auf die Füße zu treten, wenn es sein musste.

Hartwich verfügte über andere Qualitäten. Wenn jemand ihm auf die Füße trat, konnte er das für sich umdeuten. „Da unterstützt mich jemand darin, den Halt nicht zu verlieren“ ist eine bemerkenswerte Haltung, die den Konflikt mit dem Füße-Treter vermeidet. Fühlt sich besser an als „ich bin zu weich, um mich zu wehren“. Aber was willst Du machen, wenn Du nicht von der harten Sorte bist?

Es gab Schlüsselerlebnisse in Hartwichs Kindheit und Jugend, die ihm den Weg gewiesen haben. Wenn Du einmal von einem älteren und vor allem härteren Kind aufs Maul bekommen hast, dann musst Du Dich entscheiden, wie Du damit umgehst. Schlägst Du zurück, besteht die Gefahr, dass Du noch richtig eine draufkriegst, und als ultimativer Loser vom Platz gehst. So eine Niederlage verursacht nicht nur körperlichen, sondern vor allem seelischen Schmerz durch die Blamage. Die andere Möglichkeit besteht in der geistigen Verarbeitung. Du kannst Dir einreden, dass Du Dich auf keinen Fall auf das primitive Niveau dieses Primaten herablässt, und demonstrierst damit moralische Überlegenheit. Beide Wege sind hervorragend geeignet, von der Umwelt als Weichei wahrgenommen zu werden. Die Harten würden zurückschlagen und dem Affen zeigen, wer der Herr im Ring ist. Sie würden das Risiko der Niederlage in Kauf nehmen. Doch wenn Du ein hochempfindlicher Mensch bist, dazu noch ein Mann, mit mehr Intelligenz als Mut ausgestattet, dann verfällst Du leicht auf den weichen Weg des geistigen Umdeutens. „Und bist Du nicht willig dann geh ich halt!“ hat ja was mit „Annehmen“ zu tun, und das ist doch irgendwie auch gut.

Dass er Mimi über den Weg gelaufen war, fällt auch in die Rubrik „Annehmen“. Es war an einem trüben Spätsommertag gewesen. Hartwich war nach Feierabend auf dem Heimweg von der Hauptstraße abgebogen. Er war schon im Freizeitmodus, als er im Scheinwerferlicht am Straßenrand einen Kleinwagen mit eingeschalteter Warnblinkanlage sah. Davor stand etwas hilflos eine Frau, sie trug einen Umhang, den man nicht direkt als Mantel bezeichnen konnte, eher so eine Art Kaftan. Da es leicht nieselte, hing das gute Stück schon bleischwer über den Schultern der Frau, und brachte eine etwas kugelige Gestalt zur Geltung.

Hartwich wäre gerne schnell vorbeigefahren. Als Elektroingenieur war er zwar einerseits bewandert in technischen Fragen. Andererseits fürchtete er die Schmach der Bloßstellung, wenn ausgerechnet einer wie er ein technisches Problem nicht gelöst bekam. Der „Inschinör, dem nichts zu schwör“ ist, und der es nicht hinkriegt, hat beste Chancen auf den Thron der Häme.

Leider hatte die Frau ihn bereits gesehen und sich mitten in die Straße gestellt. Sie winkte ihm zu. Er hielt den Wagen an, öffnete das Fenster und sah zu der Frau. Bevor er etwas sagen konnte, sprach sie ihn an. „Junger Mann, kannste mich mal eben ‘n Stück mitnehmen? Meine Limousine hier hat wieder mal ihre Tage, das kommt vor, und sie braucht jetzt bisschen Auszeit“, ertönte es in einem Berliner Dialekt.

„Wohin will Sie denn?“, fragte Hartwich. Er hatte sich angewöhnt, Menschen in der dritten Person anzusprechen, wenn er nicht wusste, ob er „Du“ oder „Sie“ sagen wollte. „Na wenn de mich so fragst, am liebsten mit zu Dir nach Hause“ kam die kesse Antwort. Hartwich schnappte nach Luft. „Wie soll ich denn das verstehen?“, fragte er und war froh, dass die Dämmerung seine Röte im Gesicht verbarg.

„Na ich finde, wenn jemand hilft, soll er auch was dafür bekommen. Und wenn ich dich so ansehe, weiß ich genau, wie ich mich bei Dir am besten bedanken kann. Also wat is´ nu?“

Hartwich war dermaßen überrumpelt, dass er gar nicht auf die Idee kam, die Situation durch eine Notlüge aufzulösen. Er hätte leicht sagen können, dass er verheiratet war und keine von der Straße aufgelesenen Frauen mit heimbringen konnte. Doch das war der Vorteil daran, hochsensibel zu sein. Irgendein Gefühl in ihm hatte bereits die Ampel auf Grün gestellt, bevor vernünftige Gedanken nur annähernd um die Kurve gekommen wären. Diese Situation stellte eine Chance dar, und so etwas kam nicht alle Tage vor, jedenfalls nicht in seinem Leben.

Da ihm der Kloß im Hals keine Sprache mehr übrigließ, beugte er sich wortlos zur Beifahrertür und öffnete sie.

„Ick bin die Mimi“, erzählte ihm seine neue Bekanntschaft unaufgefordert. Mimi brachte neben einem Schwall kühler Abendluft einen Hauch von Lavendel mit ins Auto. Und was sie noch mitbrachte verschlug Hartwich vollends die Sprache. Das undefinierbare Kleidungsstück, das Mimi noch auf der Straße verhüllte, hatte sie bereits ausgezogen und darunter trug sie ein Leinenkleid, das seine besten Tage wohl schon hinter sich hatte. Es war in einer Batiktechnik hübsch gestaltet, dabei aber sehr dünn und – Schreck lass nach – darunter konnte Hartwichs verstohlener Seitenblick keine weiteren Textilien erkennen. Dafür aber zeichneten sich sehr deutlich Mimis weibliche Formen ab. Hartwichs Mund war so trocken wie eine Zitronenschale nach zwei Wochen Saharasonne. Er hätte seinen linken Arm für einen Schluck Wasser gegeben. Es gab aber keins, sodass er seinen Arm behalten konnte, ebenso wie seine Aufregung, die sein Herz zu Höchstleistungen anspornte. Zum Glück waren sie schon nach kurzer Fahrt bei seiner Wohnung. Er parkte auf einem freien Platz an der Straße und war froh, nirgends kollidiert zu sein. Seine Konzentration auf den Straßenverkehr war doch sehr eingeschränkt gewesen.

Er stieg aus dem Auto und verfolgte wie ein Beobachter aus einer höheren Warte, wie Mimi in aller Selbstverständlichkeit ebenfalls ausstieg und neben ihm herging. „Möchte sie nicht Ihren Umhang anziehen bei der Kälte?“, kam ihm über die Lippen. „Wir sind ja gleich drinne, und außerdem brauchste nicht so geschwollen zu reden, wie gesagt, ich bin die Mimi. Wie heißt Du denn?“

Damit konfrontierte sie ihn wieder einmal mit dem altbekannten Du-Sie-Dilemma. Nur niemand zu nahe treten war eine Grundregel. Lieber zu viel Distanz, weil zu aufdringlich darf man auf keinen Fall sein. Aber wenn sie das wollte? Dann sollte sie eben ihren Willen kriegen.

„Ich heiße eigentlich Benjamin, aber alle sprechen mich nur mit dem Nachnamen an. Alle sagen Hartwich zu mir, das war schon immer so.“

„Wieso dat denn? Benjamin ist doch ein schöner Name. Benny! Ich heiß auch nicht wirklich Mimi, sondern Miriam, aber Mimi hab´ ich mir ausgesucht. Gefällt mir besser. Du solltest Dir auch aussuchen, wie Du genannt werden willst.“

Sie waren die eine Treppe hochgelaufen und standen vor Hartwichs Wohnung. Er beeilte sich mit dem Öffnen und ließ ihr den Vortritt. Bevor er selbst eintrat, sah er sich noch hastig im Treppenhaus um, zum Glück war niemand zugegen. Das ersparte peinliche Fragen im Nachgang zu diesem Vorgang, von dem noch unklar war, wohin er führen würde.

Drinnen hatte Mimi es sich bereits gemütlich gemacht. Sie hatte ihren Umhang auf einen Stuhl geworfen, war ohne übertriebene Zurückhaltung auf das Sofa losmarschiert, hatte sich die Lederschuhe ausgezogen, hingesetzt und deutete ihm nun mit einer klaren Geste an, sich neben sie zu setzen. „Wie kann jemand nur so unbekümmert und selbstverständlich in eine neue Situation gehen?“, dachte sich Hartwich. Für ihn wäre so ein Verhalten außerhalb jeder Vorstellung. Man fragt, was man darf, und man wartet, bis man eine Erlaubnis bekommt. So geht das im „normalen“ Leben. Sich selbst eine Erlaubnis geben? Einfach was machen, ohne zu fragen? Wer müsste man sein, um solche Rechte zu haben? Aber da nun mal Mimi jemand zu sein schien, dem ein göttlicher Strahl (was denn sonst?) solche Rechte verliehen hatte, durfte er – Hartwich – nicht einfach die Aufforderung ablehnen. Vorsichtig setzte er sich an den Rand des Sofas, in gebührendem Sicherheitsabstand zu der Frau, die ganz offensichtlich eine komplett andere DNA hatte als er selbst.

„Nicht so schüchtern Benny. Fühl Dich wie zu Hause!“, plauderte Mimi ungezwungen. Sie erzeugte eine natürliche Atmosphäre, ohne dabei billig zu wirken. Nahbar war das Wort, welches Hartwich dazu einfiel. Er taute ein wenig auf. „Wie kommt es, dass Du einfach so in fremde Autos einsteigst?“, fragte er. „Ich könnte ja ein perverser Killer sein und jetzt mit Dir wer weiß was machen?“

Mimi lachte. „Perverse Killer fahren nicht im VW Golf rum. Sie wohnen auch nicht im verschlafenen Vorort von München, und vor allem sehen sie nicht so aus wie Du.“

„Wie sehe ich denn aus?“ Hartwichs Interesse erwachte.

„Sei mir nicht böse, aber Dir sieht man auf hundert Meilen an, dass Du harmlos bist. Im Gegenteil, Du siehst eher bedürftig aus, wenn ick dat sagen darf. Und ich möchte Dich damit nicht verletzen. Wir haben doch alle unsere Bedürfnisse.“

Hartwich blieb erst mal die Sprache weg. Ein heißer Zorn wollte in ihm aufsteigen. Was fiel dieser dahergelaufenen Person ein, ihn derart abzuwerten, noch dazu in seiner eigenen Wohnung. Doch bevor er etwas Verletzendes sagen konnte, wonach ihm jetzt dringend gewesen wäre, blickte er Mimi in die Augen, und über diese Verbindung sandte sie ihm die Botschaft „Du brauchst Dich nicht zu schämen, Du bist ok, so wie Du bist!“ Sie brauchte das gar nicht auszusprechen, allein ihre Haltung und die Art, wie sie ihn ansah, beruhigte ihn. Warum konnte eine Reaktion auf eine vermeintliche Verletzung nicht immer so aussehen? Wie wohltuend war dieses Gefühl, dass jemand ehrlich war und etwas Unangenehmes aussprach, aber es nicht zu einer Abwertung kam. Das ist es doch, was immer mitschwingt, wenn Worte schwache Stellen erreichen. „Du bist nichts wert“, „Nur die harten kommen in` Garten“, oder „Du bist blöd!“, das sind doch die Glaubenssätze, die nur all zugut an uns haften geblieben sind.

Hartwich, der diese Erkenntnisse durch seinen überdimensionalen Sinneskanal in Sekundenbruchteilen adaptiert hatte, schmolz dahin wie Butter in der Sonne. Er empfand eine spontane Sympathie für diese Mimi, die ihm in ihrer einfachen, ehrlichen Art etwas gegeben hatte, was er in seinen 45 Jahren bisher nicht annähernd auf die Reihe gebracht hatte. Wie alt mochte sie wohl sein? Sie war jünger als er, so viel stand fest. Das allein wäre schon wieder geeignet gewesen, ihn auf die Palme zu bringen. Er hatte mehr „Lebenserfahrung“, und sie erteilte ihm mal so eben eine Lektion. Beiläufig hatte sie weitere seiner negativen Glaubenssätze infrage gestellt. Die Botschaften waren: „Alter ist keine Garantie für Klugheit“, und „Jugend schützt vor Weisheit nicht.“

Irgendetwas in Hartwich war nun motiviert zu handeln. Er rückte ein Stück näher auf dem Sofa an Mimi heran. Dabei fiel sein Blick wieder auf ihre Bekleidung, beziehungsweise eher auf deren transparente Eigenschaften.

Mimi entging das nicht. Ohne noch eine weitere Frage zu stellen oder das geringste Zeichen von Unsicherheit begann sie, ihr Kleid aufzuknöpfen. Sie hatte es nicht eilig und beobachtete, wie Hartwich ihr zusah. Dass es ihm die Sprache verschlug und sie sein zunehmendes Verlangen schier mit den Händen greifen konnte, quittierte Mimi mit einem sanften Lächeln. Auch darin lag keine Spur von Vorwurf oder Geringschätzung. In ihrem Blick lag etwas, das man nur mit Liebe bezeichnen konnte. Mimi besaß die Fähigkeit, Menschen nur um ihrer selbst willen zu lieben. Ohne Ansehen ihrer Mängel und Unvollkommenheit.

Und Hartwich war ihr von diesem Moment an verfallen.

Von dem Tag an blieben sie in Kontakt. Es war nicht so, wie Hartwich es sich anfangs gewünscht hätte. Er empfand eine Art Liebe zu dieser Frau. Er hoffte, sie könnte die neue Partnerin an seiner Seite sein. Und für eine kurze Zeit malte er sich eine gemeinsame Zukunft aus.

Doch schon bei ihrem nächsten Treffen musste Hartwich erkennen, dass Mimi zu viel Liebe in sich trug, um sie allein auf einen Partner zu konzentrieren. Sie machte keinen Hehl daraus, dass ihr Lebensmodell nicht die Monogamie war. Sie liebte die Menschen, in allen Formen, und das schloss niemanden aus. Sie konnte sich allen geben, die offen waren, ihre Liebe zu nehmen. Und Hartwich erlangte schnell die Erkenntnis, dass daraus keine Beziehung zu ihm entstehen konnte. Jedenfalls keine im herkömmlichen Sinne, so wie er sich das vorstellte. Und er hatte auch dazu eine sehr traditionelle Vorstellung. Dass diese bereits mit der Trennung von Melanie einen herben Bruch erfahren hatte, machte ihm schwer zu schaffen.

Ein paar Treffen später hatte sich ein Modus herauskristallisiert, der ihnen beiden entgegenkam. Sie würden sich regelmäßig sehen, immer donnerstags, was Hartwichs Drang nach Stetigkeit entsprach. Die Treffen fanden bei ihm statt, das gab ihm das Gefühl von Sicherheit in den eigenen vier Wänden. Außerdem vermied das die Begegnung mit Mimis Haustierchen. Die Gute hielt in ihrer Wohnung zwei lebende Ratten, Donald und Dagobert. Sie liefen dort frei herum, waren zwar nicht aggressiv, aber beim Liebesspiel waren sie nicht die Gesellschaft, die Hartwich gebraucht hätte. Auch in den Tieren drückte sich Mimis Liebe zur gesamten Schöpfung aus. Wer sonst würde ausgerechnet die am wenigsten angesehenen Vertreter der Fauna bei sich beherbergen, und zu allem noch mit den wohl prominentesten Namen der Gier und des Versagens schmücken?

So trafen sie sich regelmäßig bei Hartwich und kamen sich auf allen Ebenen näher. Am Anfang stand die Fleischeslust im Vordergrund, besonders bei Hartwich. Mimi war ausgesprochen erfahren in allen Techniken der körperlichen Liebe. Hartwich machte Erfahrungen, die er sich im Traum nicht hätte vorstellen können. Sie nahm ihn mit in eine Dimension von Glück, die er am liebsten nie mehr verlassen hätte.

Daneben führten sie Gespräche, denn: „Reden ist Silber, Schweigen ist nicht gewollt!“ Dass aus Kommunikation noch mehr Nähe entstehen kann als aus der körperlichen Vereinigung, war wieder eine neue Erfahrung für Hartwich. Mimi lernte ihn und seine konservative Art kennen. Sie brauchte gar nicht viel zu fragen. Sie spürte, wie es ihn geradezu drängte, sich in dieser Atmosphäre von Offenheit und Verletzlichkeit mitzuteilen. Über Dinge zu sprechen, die ihm die Schamröte ins Gesicht trieben, und die Erfahrung machen ließen, dass sich eben nicht der Höllenschlund öffnete und ihn verschlang, sondern dass er Heilung erfuhr mit jedem Scham-Bad, zu dem sie ihn ermutigte. Für Mimi war alles, was er ihr anvertraute, keine Überraschung. Sie fand bestätigt, dass sie ihn vom ersten Moment an richtig eingeschätzt hatte.

Hartwich war gespannt wie ein Flitzebogen gewesen zu erfahren, wie Mimi zu der Frau werden konnte, die sie heute war. Welche Erfahrungen konnte ein Mensch machen, um bereits in jungen Jahren zu einer solchen Weisheit und Souveränität zu kommen? Und das in einer menschlichen Verpackung, die nicht gerade den Victorias Secret Models entsprach? War das vielleicht bereits eine erste Antwort auf die Frage? Steht Perfektion der Weisheit im Wege? Für manche Klischeeblondine immer wieder ein Thema.

Mimis Geschichte begann erschütternd. Geboren in Ostberlin, aufgewachsen im Plattenbau, der Vater von der Stasi verhaftet und in den Westen abgeschoben, von der Mutter erzogen. Die Mutter musste arbeiten, war oft nicht zu Hause. Es gab einen Onkel, der regelmäßig vorbeikam und sich so zärtlich der kleinen Miriam annahm, dass es ihm selbst erstaunliche Befriedigungen verschaffte. Das ging über Jahre, irgendwann gab es eine ungewollte Schwangerschaft, Abtreibung, Schmerz und Leid. Keine Unterstützung durch eine Mutter, die ihre eigenen Sorgen hatte, oder durch einen Staat, der nur Hochglanzfassaden sehen wollte.

„In so einer Welt musst Du Dich entscheiden: Entweder Du gehst auf die Barrikaden, und damit in den Knast. Oder Du fängst an Verständnis zu entwickeln. Zu verstehen, warum die Menschen so sind, wie sie sind, warum sie tun, was sie tun. Und zu erkennen, dass irgendwo tief drin alles nur Kreaturen sind mit ihren Bedürfnissen. Und dass es kein besser oder schlechter gibt, sondern dass eben alles ist, wie es ist“, resümierte Mimi.

Sie hatte Glück, lernte Frank kennen, einen jungen Mann, der bereits viel Lebenserfahrung hatte. Seine Eltern waren beide Psychologen, leiteten eine Beratungsstelle für psychische Erkrankungen. Sie waren mit allen denkbaren menschlichen Schwächen konfrontiert, und suchten Wege zur Heilung. Unter anderem beschäftigten sie sich stark mit Resilienz. Wie kann man überleben unter schwierigen Bedingungen? Die Erkenntnisse aus ihren Studien gaben sie ihrem Sohn mit, der sie wiederum mit Mimi teilte. So konnte sie mit der Zeit ihr Menschenbild überdenken und eine positive Sicht entwickeln.

Nach der Wende ging sie mit ihrem Freund in den Westen, folgte ihm an verschiedene Standorte, an denen er arbeitete. Sie selbst fing ein paar Mal an zu studieren, doch zum Abschluss brachte sie es nicht. Das war die Kehrseite der Medaille. Mit ihrem großen Herzen hatte sie es nicht nötig, ihre Gedanken an Geld und Sicherheit zu verschwenden. Sie jobbte mal hier, mal da, und sie war überzeugt, dass sich immer irgendwo Türen öffnen. Und so war es ja auch wieder mal gewesen, als sie Jahre später mit 36 Jahren in Vorstedt, diesem kleinen Vorort von München gelandet war. Sie hielt sich mit kellnern über Wasser, das reichte zum Überleben, denn sie brauchte nicht viel. Von Frank hatte sie sich schon vor ein paar Jahren getrennt, ihre Lebenswelten hatten nicht mehr zusammengepasst, sie hatten sich in Freundschaft verabschiedet. Immer wieder hatte sie interessante Begegnungen, wie jetzt auch mit Hartwich. Dieser war begierig darauf, sich der geistigen Nahrungskette anzuschließen, die Mimi mitbrachte. Sehr bald war ihm das wichtiger als der Sex mit ihr, obgleich der nach wie vor ein Höhepunkt in seinem Lebensalltag war. Mimi schaffte es spielend, beide Ebenen zu verbinden. Sie brachte ihm bei, dass das Leben ist, wie sein bestes Stück: Mal hart, mal weich, es ist nur eine Frage des Timings!

Kapitel 2

Sandro war stinksauer. Am liebsten wäre er sofort hingefahren und hätte denen von M&H ordentlich die Meinung gesagt. M&H war der Platzhirsch am Münchner Immobilienmarkt und verfügte über beste Kontakte, nicht nur zur Finanzwelt, sondern auch in die Politik. Und das war ein Faktor, der das Spiel einfach unfair machte. Ja, es wurde mit harten Bandagen gespielt, das war in den meisten Branchen so. Vor allem da, wo das große Geld floss. Das wusste man, und es war auch ein Teil des Reizes, den das Geschäft mit sich brachte.

Es hatte Sandro angezogen, wie das Licht die Motte. Diese Aura von kämpfen, sich durchbeißen, und wenn es gut läuft, einen Sieg mit einem Lohn davontragen, von dem ein Fabrikarbeiter nur träumen kann. Wovon hatte er sich denn das alles leisten können? Die schicke Wohnung am englischen Garten, den Porsche, das Ferienhaus am Starnberger See, und nicht zu vergessen Jenny, seine wichtigste Eroberung.

Jenny! Wie sehr krönte sie sein Leben, gab ihm den Hauch von Glamour, den er sich so sehr gewünscht hatte, und auf den er nicht mehr verzichten wollte. Sicher, er war auch davor schon eingeladen worden zu diesen Gartenpartys, was keine Selbstverständlichkeit war. In der Münchner Schickeria wahrgenommen zu werden war noch nie einfach, und er hatte sich Zugang verschafft. Zugegeben, nicht nur durch Fleiß und Engagement. Natürlich auch durch ein paar Tricks und Showeffekte. Aber war nicht das ganze Leben so etwas wie eine Show? Du musst eben performen, sonst bleibst Du auf der Strecke.

Jenny hatte seine Performance deutlich erhöht. Auch sie war scharf darauf gewesen, in die Kreise zu kommen. Eingeladen und begrüßt zu werden, die Leute zu kennen, die man eben kennen musste. Ihr Traum war es gewesen, bei den angesagten Clubs nicht mehr anstehen und vom Türsteher beurteilt zu werden, sondern nebenan durch den VIP-Eingang hereingebeten zu werden. Das war das ultimative Kriterium, es geschafft zu haben. Aber so weit war sie noch nicht. Sandro hatte ihr zwar ein paar Türen geöffnet, aber noch nicht alle. Das wusste er, und er wusste auch um das Risiko, dass einer auftauchen könnte, der diese Türen öffnen konnte. Denn Jenny war attraktiv. Ungeheuer attraktiv. Sie war eine Vorzeigeblondine, hatte die Kurven an der richtigen Stelle, alles wohl proportioniert. Und sie hatte dieses Lächeln. Sie konnte es anknipsen wie eine Lampe, wenn es sein musste, sie konnte aber genauso biestig sein, wenn ihr etwas nicht passte. Sie kannte ihre Reize, und wusste damit umzugehen. Damit kam sie bei jeder Party an und wurde gerne von den Männern umringt. Für Sandro immer ein Stressfaktor. Immer musste er sich beweisen, stand immer unter Druck. Ständig musste er den harten Mann geben, die Konkurrenz im Zaum halten, auf die Dauer ganz schön anstrengend. Aber so war nun mal das Leben, das er sich ausgesucht hatte: Fordernd, kein Selbstläufer!

Auch das Business, das er sich gesucht hatte, Immobilienmakler, war fordernd. Warum sollte jemand, der willens war, ein Million Euro, oder auch mehrere, in seine neue Bleibe in der Bayrischen Hauptstadt zu investieren, ausgerechnet zu einer One-Man-Show wie Sandro Hammer gehen, und nicht zu einer renommierten Agentur wie z. B. M&H? Was konnte er bieten, was die Etablierten nicht auch bieten konnten, und noch einen Schlag Mehrwert obendrauf?

Sandros Antwort darauf war einfach: Es war ihm schnurzpiepegal! Warum sich Gedanken machen über Sachargumente, Pro und Contra, und so weiter? Sandro war heiß auf das Geschäft, und nur das zählte für ihn. Immer ordentlich auf den Putz hauen, mit Argumenten, die zählten, oder auch nur den Anschein erweckten. Das musste genügen! „Jeden Tag steht ein potenzieller Kunde auf, und den musst Du einfangen“, das war seine Devise.

Und tatsächlich gab es gar nicht wenige Kunden, die Respekt hatten vor den geschliffenen Maklern der großen Büros. Wenn die aufkreuzten mit ihren Hochglanzprospekten, und ein Feuerwerk von Visionen entzündeten, dann konnte das den konservativen Inhaber einer Metzgereikette schon mal verunsichern. Und solche Leute waren seine Zielgruppe! Welche aus dem Volk, keine Ganoven aus den Investmentabteilungen der Großbanken, wie sie in den letzten Jahren herdenweise aus ihren Kokons geschlüpft waren: Jungakademiker, die gestern noch auf den Eliteunis den Dow Jones kaum von Tom Jones unterscheiden konnten. Sie gelen sich die modisch gestylten Haare, füllen in uniformen Designeranzügen die Großraumbüros und jeden Raum, den sie betreten, mit Nerdtalk, ihre Sätze sind so inhaltsleer wie der Kofferraum ihrer SUVs. Buzzwörter, deren einziger Zweck darin besteht, die Wichtigkeit ihres Verwenders zu belegen, purzeln aus ihren Mündern wie Amazon-Pakete vom Band. Wie solche Leute reihenweise großes Geld verdienten, war Sandro schon immer ein Rätsel gewesen, von der Moral ganz zu schweigen. Konnte es z. B. angehen, Hirse, die in Afrika zum Essen gebraucht worden wäre, aufzukaufen, um sie in Lagerhäusern im Osten zu deponieren, wo sie ohne eigenes Zutun Wertzuwachs erzeugten, den sie durch Verkauf zum richtigen Zeitpunkt an die Händler ausspuckten?

Anscheinend liefen solche Geschäfte wie die Turbo-Motoren ihrer Sportwagen. Der Erfolg – in Geld gemessen – gab den Brokern recht. Der Afrikaner könnte das schließlich genauso machen. Konnte doch der Münchner Wertpapierhändler nichts dafür, dass der Afrikaner die Hirse lieber isst, als damit reich zu werden.

Sandro mochte diese Typen nicht besonders. Er wusste, das konnte nicht gut sein fürs Geschäft. Die Kunden merken, wenn man sie nicht achtet. Doch er hatte seine Zielgruppe gefunden: Der Mittelstand, die hart arbeitenden Handwerker, Kleinhändler und Restaurantbesitzer, die es durch Fleiß und Strebsamkeit zu Wohlstand gebracht haben. Bei denen konnte er andocken. Diesen Leuten konnte er eine Vertrautheit geben, die aus gemeinsamer Herkunft gespeist wurde.

Sandros Vater war Angestellter in einem Baustoffhandel, ein einfacher Büromitarbeiter. Seine Mutter, eine Spanierin, hatte er im Urlaub kennengelernt. Ihr Temperament hatte ihn gefangen, ihre Lebensfreude und ihr Redefluss hatten ihm die Möglichkeit eröffnet, sein Leben zu vervollständigen. Lücken zu schließen, die er selbst in seiner Persönlichkeit empfand. Der Plan war gut, hatte zum Teil auch funktioniert, wie bei jeder Selbstmedikation gab es allerdings auch ein paar Risiken und Nebenwirkungen.

Sandro jedenfalls sehnte sich schon früh danach, das kleinbürgerliche Milieu abzustreifen. Er wollte heraus aus dem kleinen Vorort von München, in dem sie lebten. Er wollte nicht wie sein Vater Tag für Tag mit dem Bus ins Büro fahren, Baustoffe disponieren, mit Lieferanten um ein paar Euros verhandeln, um dann mit Frau und Sohn den Feierabend in der Dreizimmerwohnung ausklingen zu lassen. Er wollte mehr! Sandro wollte aufsteigen, von der Regional- in die Oberliga. Mindestens, noch besser in die Bundesliga! Dass er dort mehr blasenbildende Broker als hart arbeitende Mittelständler antreffen würde, war Nebensache, so weit ging seine ideologische Ausrichtung dann doch nicht. Man musste schließlich unterscheiden können zwischen der Herkunft der Mittel und ihrer Verwendung, also bitte!

Und nun hatten ihm die Geier von M&H die Penthäuser im Ambrosiusviertel weggeschnappt. Ausgerechnet! Das wäre sein bisheriges Glanzstück gewesen! Seit Monaten war er an dem Deal dran gewesen. Er hatte es geschickt eingefädelt, einen schönen Kontakt zur ImmoMü gGmbH, der stadteigenen Münchner Immobiliengesellschaft, aufgebaut. Mit dem für die Vermietung zuständigen Sachbearbeiter war er ein paar Mal essen gegangen, der Sekretärin hatte er neben subtilen Komplimenten Pralinés geschenkt. Er war sich sicher gewesen, dass er im Ambrosiusviertel abräumen würde. Elegant hatte er Kontakte hergestellt zu Leuten wie dem Würstl-Mayer, Inhaber einer Imbiss-Kette im Bankenviertel. Den Vorstand der Maler-Innung hatte er am Haken gehabt, und Selim Gürüz, den nicht zu unterschätzenden Gemüsehändler am Viktualienmarkt.

Und all das sollte umsonst gewesen sein? Das konnte Sandro so nicht stehen lassen. Noch war der Kaufvertrag bei M&H nicht unterschrieben. Noch gab es Möglichkeiten, und er war wild entschlossen, diese zu nutzen.

Kapitel 3

„Guten Morgen Herr Hartwich“ begrüßte ihn die freundliche Kollegin am Empfang des Versorgungsunternehmens, in dem er arbeitete. „Morgenstund‘ ist aller Laster Anfang“ grüßte er ebenso freundlich zurück, wohl wissend, dass dieser Kontakt wahrscheinlich wieder der positivste des Tages sein würde. Nicht umsonst waren die letzten Minuten kurz vor dem Beginn der Kernzeit um acht Uhr zu seinem regelmäßigen Arbeitsbeginn geworden. Er nahm die Treppe in den 2. Stock, so viel Sport muss sein, um dann den Gang entlang so unhörbar wie stets zu seinem Büro zu gehen.

Deutermoser und Stieglitz, seine lieben Kollegen, waren wie immer schon da. Gab es eine bessere Gelegenheit, um gestempelte Zeit nicht durch Arbeit zu vergeuden, als Anwesenheit ab morgens um halb sieben? Der Chef noch nicht da, die Kaffeemaschine ohne Andrang, und die noch nicht ausgebreiteten Vorgänge auf dem Schreibtisch ließen genügend Raum für die Tageszeitung. War doch schließlich im Sinne des Unternehmens, wenn sich die Mitarbeiter über das Welt- und vor allem das Regionalgeschehen informierten. Und besonders der Regionalteil wurde ausführlich gelesen und auch simultan diskutiert.

„Das Ambrosiusviertel in der Landeshauptstadt ist mal wieder zum Politikum geworden“ vermeldete Stieglitz eben, als Hartwich eintrat. „Da siehst` es mal wieder, sobald größere Geldmengen im Spiel sind, müssen die Herren aus dem Stadtrat kräftig mitmischen. Morgen Hartwich, auch schon da?“ kommentierte er nahtlos.

„Guten Morgen“, erwiderte Hartwich und setzte sich auf seinen Platz gleich neben der Tür. Die Fensterplätze hatten sich selbstverständlich Deutermoser und Stieglitz geschnappt, als sie vor einem Jahr umgezogen waren. Weil die Herren gesundheitsbedingt unbedingt ständigen Zugang zur frischen Luft benötigten. Und außerdem war es ja viel besser für die Abläufe, so konnte der Chef die neuen Aufträge gleich beim Hartwich auf den Schreibtisch legen, denn da landeten sie ja ohnehin. Die zwei anderen Kollegen mit ihren jahrzehntelangen Erfahrungen mussten schließlich ihre Kapazitäten schonen für die kniffligen Fälle. Also wenn es etwa um einen hartnäckigen Kunden ging. Einen, der eher noch ein Abnehmer war, also ein Zwangsbelieferter, und der seine Rolle noch nicht ganz verstanden hatte. Deutermoser und Stieglitz waren nicht zu überbieten in der Kunst, solchen „Kunden“ die Hölle heißzumachen, wenn sie anfingen Forderungen zu stellen. So was wie „könnte mir jemand vielleicht die Jahresrechnung erklären?“ oder gar „ich hab` mal im Verbraucherportal geschaut, da gibt es günstigere Anbieter. Was bieten Sie mir an?“ Ja wo kämen wir denn da hin, wenn jetzt jedermann seinen Strom beziehen würde, wo es grad günstig ist? Da käme am Ende so was wie Konkurrenzdruck auf. Nein, da musste bereits im Vorfeld mit aller Entschiedenheit auf das arme Würstchen eingewirkt werden.

„Ob er vielleicht wüsste, wie viele dieser neuen Stromdiscounter bereits wieder Hopps gegangen sind und ob er vielleicht wieder Kerzen aufstellen wolle, wenn bei ihm die Lichter ausgingen?“ Solche Fragen waren nicht sehr subtil, aber durchaus wirkungsvoll. Und mit ihren Ergebnissen führten die zwei Erfahrungsdinosaurier eine Statistik, die sie anscheinend gegen alle Fragen der Kapazitätsauslastung immun machte. Der Tag sollte es wieder mal beweisen.

Punkt 08.15 Uhr, zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk, betrat Oberingenieur Maurer, der Chef der Abteilung, das Büro. Bei seinem Anblick dachte man eher an ein Mäuerchen, denn er war oben kahl und unten klein von Statur. Wie viele seiner Art- und Geschlechtsgenossen besaß Herr Maurer eine nicht zu unterschätzende Neigung, seine Körpergröße auf anderen Gebieten zu kompensieren. Als Projektionsfläche dienten dabei bevorzugt die eher groß gewachsenen Menschen in seinem Einflussbereich.

Stieglitz flog dabei unter dem Radar. Mit seinen 1,65 m Höhe lag er deutlich unter dem Zielfernrohr des Chefs. Dass er fast ebenso breit war, fiel bei dieser Fokussierung nicht weiter ins Gewicht.

Deutermoser war eher durchschnittlich groß, etwa 1,73 cm, doch als Dienstältester der Abteilung, und dem Rentenalter bereits verdächtig nahe, schied auch er für selbstwertdienliche Attentate des Chefs aus.

Somit hieß der regelmäßige Gewinner dieses etwas ungleichen Wettbewerbs Benjamin Hartwich. Er brachte nicht nur körperlich eine überragende Leistung auf die Messtafel, er war auch mit Abstand am wenigsten in der Lage, sich zu wehren. Dafür verfügte er über die kognitive Fähigkeit, die nicht immer positiv gemeinten Zuwendungen des Chefs als Förderung und Anerkennung seiner Leistungsfähigkeit zu begreifen.

Diese Haltung versetzte Hartwich auch heute wieder in die Pole-Position für neue Aufträge.

Herr Maurer hatte soeben seinen täglichen Small Talk mit Stieglitz und Deutermoser beendet und wendete sich zum Schreibtisch von Hartwich.

„Eine weitere Beschwerde wegen der Netzqualität“ kam er ohne unnötige Vorrede zur Sache. „Schon wieder Goldbach, dieses neue Gewerbegebiet an der Versorgungsgrenze zu den Münchner Stadtwerken. Die Kollegen aus dem Netz sind da nicht schlau geworden, jetzt müssen Sie ran, Hartwich. Hier ist der Auftrag, ich erwarte Ergebnisse!“

Immer dieses Goldbach, das neue interkommunale Gewerbegebiet! Er konnte es schon nicht mehr hören. Wie hatte er sich bei der Planung dafür stark gemacht, eine zweite Trafostation nach Osten hin Richtung München zu stellen. „Eine einzige Station ist mit ihrer Kapazität schnell am Ende, und wir wissen noch nicht, welche Verbraucher da angeschlossen werden“ hatte er bei jeder Besprechung eingebracht. „Und es geht ja nicht nur um die Versorgung, heutzutage speist fast jeder Betrieb auch durch seine Solaranlage ins Netz ein. Und bei den Dachflächen, die da entstehen, sind wir schnell mit der Aufnahmekapazität am Anschlag. Baue in der Zeit, dann hast Du in der Not!“

„Ach diese jungen Bedenkenträger“ musste er sich besonders von Deutermoser jedes Mal daraufhin anhören. „Zu unserer Zeit hat man solche Flächen noch ans Niederspannungsnetz angeschlossen. Ein paar Bürogebäude, zwei, drei Lagerhallen, das war’s. Und dafür will der Herr Kollege gleich noch mal Fünfzigtausend Euro für eine unnötige Trafostation in den Sand setzen.“

Das war Wasser auf die Mühlen des Oberingenieurs gewesen, der sein Budget wieder einmal zu knapp kalkuliert hatte. „Sparen ist immer noch die Königstugend des Süddeutschen“ pflegte er zu belehren. Und wer sollte da widersprechen?

Und jetzt hatten sie den Salat. Nicht nur, dass sich ein metallverarbeitender Betrieb angesiedelt hatte mit einem wahren Arsenal an unangenehmen Gleichstrommotoren. Auch ein neues Rechenzentrum war auf dem Gelände entstanden. Das war der Super-GAU! Ein kWh-Sauger ohnegleichen und eine Prinzessin auf der Erbse bei Netzschwankungen noch dazu. Die Herren Besserwisser hätten sich jetzt eigentlich darum kümmern müssen, aber wessen Herausforderung war es wieder geworden? Nun, man soll ja bekanntlich mit seinen Aufgaben wachsen.

Hartwich las sich in die Problematik ein. Die Versorgung war nicht gefährdet, das erkannte er schnell. Aber diese lästigen Oberschwingungen aus dem Metallbetrieb, die konnten ganz schön Ärger machen. Also nahm Hartwich seine Jacke und meldete sich bei den Kollegen ab. Nicht dass die ihn vermisst hätten, denn ohne ihn konnten sie den Arbeitstag noch bedenkenloser durch Vermeidung unnötiger Leistungen erträglich gestalten.

Hartwich lenkte seine Schritte in die Werkstatt. Dort sah er schon die kaum verhohlene Schadenfreude aus den Gesichtern der Kollegen im Blaumann, was er aber schon kannte und gut zu überspielen gelernt hatte.

„Na geht’s wieder mal ins Goldbach?“ fragte der Elektromeister mit einem Grinsen im Gesicht. „Sollte es da etwa Probleme im Stromnetz geben?“

Hartwich ging gar nicht erst auf die Provokation ein. „Wo der Goldbach rauscht, da muss ich hin!“ sagte er. „Ich brauche das Messgerät und einen Kastenwagen. Wann kann ich das bekommen?“

„Hartwich, Sie wissen doch, tagsüber ist bei uns alles im Einsatz. Da werden Sie wohl warten müssen bis Feierabend, dann können sie das Gerät haben. Ich schick den Schmidtchen vorbei, wenn es so weit ist.“

Also nicht nur den unangenehmsten Auftrag des Tages, sondern gleich auch noch die unbeliebteste Arbeitszeit an Land gezogen, das sollte ihm erst mal einer nachmachen. Hartwich ging in den Frühstücksraum und nahm sich einen Kaffee. Die hämischen Gesichter seiner Kollegen konnte er auch später noch entgegennehmen.

Zufällig traf er beim Frühstück auf den Kollegen Kreuzer von der Vermessung, mit dem konnte er ganz gut. „Mensch Hartwich, wie siehst Du denn aus? Geht’s Dir nicht gut?“ fragte der ihn.

„Probleme im Gewerbegebiet“ antwortete Hartwich. „Wahrscheinlich Oberschwingungen, ich muss an die Station ran.“

„Na da hast Du aber Glück, dass Du mich triffst. Die Station liegt nämlich neuerdings in einer Einzäunung. Dieser seltsame Guru, der dort seinen Palazzo Prozzo gebaut hat, und auf dessen Grundstück die Anlage liegt, hat einen zwei Meter hohen Zaun drum gezogen. Und wenn ich das richtig gesehen habe, sind sogar zwei Dobermänner drin im Zwinger. Da kommst Du nicht rein ohne Termin. Hier, ich hab` die Adresse, war auch erst gestern dort zum Vermessen.“

Hartwich dankte dem Schicksal wieder mal dafür, dass es ihm via Kreuzer diese Information gegeben hatte. Wie dumm wäre er dagestanden, wenn er einfach losgefahren wäre. Wie oft hat ihm irgendeine wohlmeinende höhere Instanz schon dadurch geholfen, dass sein Plan leichte Änderungen erfahren hat, auch wenn es erst nicht danach aussah! An guten Tagen konnte er schon oft solche Ereignisse mit der Frage annehmen „Was will mir das Schicksal denn heute sagen?“ Aber es gibt nicht nur gute Tage. Er bedankte sich bei Kreuzer und verließ den Frühstücksraum.

Kapitel 4

„Wurde auch Zeit, dass Du mich mal wieder zum Essen ausführst, Sandro“, schmeichelte die Stimme von Sabine Kappen. Sie war der Trumpf in Sandros Ärmel. Sabine saß im Stadtrat, sie war die Fraktionschefin der Freien Wähler, und ihr Wort hatte Gewicht. Und was noch viel besser war: Sie saß auch im Verwaltungsrat der ImmoMü gGmbH und war dort direkt beteiligt am Verkauf der Wohnungen des Unternehmens, die in den freien Markt gingen.

Sie saßen in diesem vornehmen Restaurant direkt an der Isar, in dem gehobene Klientel diskrete Gespräche führen konnte. Allein die Preise sorgten für ein reduziertes Besucherspektrum, für Sandros Zweck genau das Richtige.

Sabine Kappen war eine Frau Ende fünfzig. Dafür hatte sie sich gut gehalten. Sie duftete betörend, war immer chic gekleidet, gab horrende Summen für den Friseur aus, und ihre Handtaschen zeigten die edle Herkunft auch ohne Preisschild. Sandro hatte sie bei einer dieser Vernissagen kennengelernt, ein Privileg, das er manchmal genoss. Für Kunst interessierte er sich einzig, wenn es um das Design von Banknoten ging, die er manchmal schon in einem Hinterzimmer entgegengenommen hatte. Dann durften es nur die originalen Meister sein, keine Plagiate. Ansonsten galt sein Blick während der Lobhudelei auf diesen Maler oder jenen Bildhauer eher der anwesenden Prominenz, man konnte ja nie wissen, wann man gute Kontakte brauchte.

Jetzt zum Beispiel. Sandro war sich bewusst, dass er mit dem Feuer spielte, als er Sabine mit seinem südländischen Charme bei Laune hielt. Er wusste um sein gutes Aussehen, und es war schon fast mehr als ein Flirt, was er da hinlegte. Jenny durfte davon nichts wissen, sonst wäre Feuer unterm Dach.

„Ach Sabine, wir hätten schon lange mal wieder ausgehen müssen. So attraktive Gesellschaft habe ich nicht oft, und mit Dir führe ich immer die interessantesten Gespräche.“

„Du Schmeichler, ich weiß genau, worum es Dir geht. Aber das macht nichts, ich genieße Deine Gesellschaft, auch wenn ich weiß, dass Du nur an den Penthäusern interessiert bist. M&H haben Dich bisher ausgetrickst. Die Idee, den Verkauf der Wohnungen mit einer Investition in die Kita, die wir noch brauchen, zu verbinden, war nicht ohne. Aber noch ist nichts verloren.“

Sandro sah ihr tief in die Augen. Sabine Kappen war eine toughe Frau. Ihre Gegner im Stadtrat nannten sie despektierlich „Stahlkappe“, weil sie in ihrer Argumentation messerscharf und beinhart sein konnte. Allerdings war sie auch eine Frau, und ihr Ehemann war fast zwanzig Jahre älter. Horst Kappen verbrachte seine Tage bevorzugt auf dem Golfplatz, wo er seine Freunde und vor allem seine Ruhe hatte. Mit Politik hatte er nichts am Hut, und seit er seine Firma verkauft hatte, nahm er sich viel Zeit für das süße Hobby Nichtstun, jedenfalls umging er möglichst alles, was irgendetwas mit Anstrengung zu tun hatte. Das beinhaltete regelmäßig auch seine Gemahlin.

Ihr Lebensmodell stand zu seinem im krassen Gegensatz. Sabine suchte bei jeder Gelegenheit die Herausforderung. Sie spürte, dass das Leben endlich war. Jedenfalls das Leben, dass sich durch Jugend und Sex-Appeal leicht beeinflussen ließ. Sie war immer eine schöne und begehrte Frau gewesen, Horst Kappen hatte sie damals leicht um den Finger gewickelt, als sie ihn und vor allem sein Vermögen kennengelernt hatte. Ebenso leicht fiel es ihr später, in den Stadtrat gewählt zu werden. Die richtige Partei, die richtigen Leute bezirzen, und schwuppdiwupp war sie drin. Und da gab sie erst richtig Gas. Vorsitzende verschiedener Arbeitsgruppen, dann Fraktionschefin, heute kam keiner mehr an ihr vorbei. Sie zog die Fäden, aber umsonst gab es bei ihr nichts.

„Nehmen wir mal an, ich würde Dich in der Penthouse-Sache unterstützen. Was könnte ich dafür bekommen?“ lotete sie nun aus.

„Was würdest Du denn haben wollen?“ fragte Sandro skeptisch. Er dachte an Jenny. Nicht dass er Skrupel gehabt hätte, mit einer Frau wie Sabine eine heiße Nacht zu verbringen, wenn es sich für ihn lohnte. Aber so etwas blieb selten geheim und die Folgen konnten katastrophal sein.

„Ich weiß genau was Du jetzt denkst, aber keine Angst“, lächelte ihn Sabine an. „Und ich finde es schmeichelhaft, dass Du es in Betracht ziehst. Aber darum geht es mir nicht. Du könntest etwas für mich tun, woran ich sehr interessiert wäre.“

Sandro war überrascht: „Und was wäre das?“

„Du kennst doch dieses neue interkommunale Gewerbegebiet an der Grenze nach Vorstedt.“

„Goldbach, was ist damit?“

„Es gibt da ein Sahnestückchen in dem Gebiet, das mich interessiert. Ganz am östlichen Ende Richtung München, auf der Anhöhe, beste Aussichtslage. Da hat jetzt so eine Art Guru eine Villa drauf gebaut. Angeblich geht es da um esoterisches Zeugs, Selbsterfahrungstrips und dergleichen, ich weiß auch nicht genau. Auf jeden Fall waren der Horstl und ich an dem Grundstück interessiert, aber es ist ja ein Gewerbegebiet, da dürfen sich nur Gewerbe ansiedeln. Wir hätten da unseren Bungalow drauf bauen wollen, aber das hatte baurechtlich keine Chance.“

„Und was habe ich damit zu tun?“, fragte Sandro.