Hawke (Carolina Cold Fury-Team Teil 5) - Sawyer Bennett - E-Book
NEUHEIT

Hawke (Carolina Cold Fury-Team Teil 5) E-Book

Sawyer Bennett

0,0

Beschreibung

Abseits des Eises genießt der Elite-Verteidiger Hawke Therrien jede Menge Alkohol und lässt keine Party aus. Warum auch nicht? Er hat sich aus den unteren Ligen hochgearbeitet und ist ein Star geworden. Das Einzige, was Hawke vermisst, ist der gepiercte, tätowierte Freigeist, der ihm das Herz gebrochen hat, ohne ihm auch nur eine Erklärung zu geben. Als Vale sieben Jahre später wieder in sein Leben tritt, ist sie kaum wiederzuerkennen - nur der Blick aus ihren Augen, der sich wie ein Schlag in die Magengrube anfühlt, ist geblieben. Vale Campbell ist nicht mehr dasselbe Mädchen, das sie mit zwanzig war. So verrückt sie auch nach Hawke war, ihre Leichtfertigkeit und ihr unkontrollierter Alkoholkonsum machten ihr immer größere Angst. Sie musste mit sich ins Reine kommen, und das wäre mit Hawke an ihrer Seite niemals möglich gewesen. Ihn zu verlassen war das Schwerste, was Vale je tun musste - bis heute. Denn sie liebt Hawke immer noch über alles. Und wenn es ihm jemals möglich sein könnte, ihr zu verzeihen, hätten sie vielleicht sogar eine gemeinsame Zukunft. Teil 5 der Reihe rund um das Eishockeyteam der Carolina Cold Fury von New York Times-Bestsellerautorin Sawyer Bennett.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 389

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.

Beliebtheit



Sammlungen



Sawyer Bennett

Carolina Cold Fury-Team Teil 5 Hawke

Aus dem Amerikanischen ins Deutsche übertragen von Oliver Hoffmann

© 2016 by Sawyer Bennett unter dem Originaltitel „Hawke: A Cold Fury Hockey Novel“

© 2024 der deutschsprachigen Ausgabe und Übersetzung by Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels

www.plaisirdamour.de

[email protected]

© Covergestaltung: Sabrina Dahlenburg

(www.art-for-your-book.de)

ISBN Print: 978-3-86495-686-7

ISBN eBook: 978-3-86495-687-4

Alle Rechte vorbehalten. Dies ist ein Werk der Fiktion. Namen, Darsteller, Orte und Handlung entspringen entweder der Fantasie der Autorin oder werden fiktiv eingesetzt. Jegliche Ähnlichkeit mit tatsächlichen Vorkommnissen, Schauplätzen oder Personen, lebend oder verstorben, ist rein zufällig.

Dieses Buch darf ohne die ausdrückliche schriftliche Genehmigung der Autorin weder in seiner Gesamtheit noch in Auszügen auf keinerlei Art mithilfe elektronischer oder mechanischer Mittel vervielfältigt oder weitergegeben werden. Ausgenommen hiervon sind kurze Zitate in Buchrezensionen.

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Epilog

Prolog

Vor sieben Jahren

Hawke

„Alter, du verpasst noch dein verfluchtes Flugzeug. Wir haben keine Zeit für diesen Scheiß“, sagt Oliver warnend, als wir vor Vales Haus anhalten.

Mein Kopf hämmert, meine Kehle ist trocken, und ich habe das Gefühl, mich gleich übergeben zu müssen. Ach ja … und ich bin immer noch ein bisschen betrunken von der Party gestern Abend.

„Dauert nur eine Minute“, murmle ich, während er einparkt und ich beim Öffnen der Tür fast aus dem Auto falle.

Scheiße, bin ich verkatert. Nein, Moment ... ich bin definitiv noch betrunken.

Ich weiß nicht, wie der gestrige Abend so außer Kontrolle geraten konnte.

Doch, weiß ich.

Ich liebe es, die Kontrolle zu verlieren und zu feiern, bis der Arzt kommt. Die Freiheit, die mit einem Vollrausch einhergeht, ist super. Ich liebe es, wie glücklich und sorglos ich mich dann fühle. Es ist einfach großartig, mit den Jungs Party zu machen – und mit meinem Mädchen.

Am meisten mit meinem Mädchen. Scheiße ... Vale kann mit mir mithalten, wenn es um Alkoholkonsum geht. Wir sind schon verrückt und hemmungslos, wenn wir stocknüchtern sind, aber wenn wir beide auf eine Party gehen, erreichen wir ein ganz neues Niveau. Beide sind wir junge, ungestüme, verrückte Draufgänger. Wir saufen und machen dumme, unvernünftige Sachen. Zur Hölle, es war keine richtige Party, wenn Vale und ich nicht eine glorreiche, betrunkene Nacht damit abschließen, dass wir uns zusammen neue Tattoos stechen lassen.

Das macht man nun mal, wenn man zwanzig ist, und wir tun es gern.

Vielleicht habe ich es letzte Nacht ein bisschen übertrieben. Ich bin vor etwa einer Stunde auf dem Boden in Olivers Wohnzimmer aufgewacht, zusammen mit sechs anderen Leuten, die ich nicht mal kenne. Es gab sogar ein Mädchen neben mir, mit dem Kopf auf meinem Schienbein, dem Sabber aus dem Mund lief.

Für einen kurzen, panischen Moment hatte ich keine Ahnung, was los war. Da lag nicht Vale, sondern ein fremdes Mädchen. Wir waren vollständig angezogen. Verdammt, das waren wir alle, und nach ein paar unsicheren Herzschlägen schien es mir, als wären wir alle genau dort einfach ohnmächtig geworden. Leere Plastikbecher lagen auf dem Boden, daneben eine Flasche Wodka mit vielleicht noch drei Schlucken drin.

Aber wo zum Teufel ist Vale?

Wir waren gemeinsam auf dieser Party. Oliver hat sie für mich geschmissen … sozusagen eine Abschiedsparty zu meinen Ehren. Ich war schon high vom Leben, ehe ich überhaupt dort ankam, und regelrecht besoffen vom bevorstehenden Erfolg. So sehr, dass ich überlegte, an diesem Abend nichts zu trinken, aber dann öffnete Vale ein Bier und reichte es mir, und ich trank es ohne zu zögern aus.

Dann noch eins und noch eins.

Wieso auch nicht? All meine Freunde und Mannschaftskameraden waren gekommen, um mir viel Glück zu wünschen. Die kleine Gemeinde Sydney in Nova Scotia an der Ostküste der Insel Kap Breton hat nur etwas mehr als einunddreißigtausend Einwohner, aber ich bin in der Gegend so was wie ein Promi.

Als bester Verteidiger in der Quebec Major Junior Hockey League – oder kurz „Q“ – ist mein Name in weiten Teilen Kanadas bekannt. Seit meinem sechzehnten Lebensjahr spiele ich für die Cape Breton Oilers, und dank meines Talents haben mich mit achtzehn Jahren die Pittsburgh Titans in die NHL geholt.

Ich wurde in der 3. Runde gedraftet, Pick/Position 62 insgesamt.

Im nächsten Jahr erlebte ich eine kurze, glanzvolle Phase im Trainingslager der Titans. Ich schaffte es ins Team und machte sieben Spiele, bevor sie mich wieder aus dem Kader strichen, weil ich ziemlich schlecht war.

Noch zu jung. Muss noch reifen. Noch nicht bereit.

Sie schickten mich nach Cape Breton zurück, um ein weiteres Jahr in der „Q“ zu spielen und nicht in Pittsburghs Minor-League-Team aus Wilkes-Barre/Scranton, ein Schritt, den das Titans-Management als das Beste für mich ansah. Es war mir recht, denn so war ich wieder mit Vale zusammen, die sich damit begnügte, ein paar Kurse an einem örtlichen College zu belegen, weil sie nicht wusste, was sie mit ihrem Leben anfangen wollte. Ich war zwar insgesamt vier Monate weg gewesen, doch wir waren immer noch unzertrennlich, und so machten wir einfach da weiter, wo wir aufgehört hatten.

Es ist nicht so, dass ich lieber mit Vale zusammen gewesen wäre, als eine Profi-Eishockeykarriere aufzubauen, aber ich war mit der Entscheidung, mich zurück in die „Q“ zu schicken, einverstanden, und so war Vale eine Art Bonus für mich. Ich liebe dieses Mädchen so sehr, und wenn ich ein Jahr länger brauchte, um wieder in der NHL zu spielen, hatte ich wenigstens meine Traumfrau an meiner Seite.

Vale Campbell.

So alt wie ich … zwanzig und definitiv der Freigeist von uns beiden. Ich kann zwar genauso wild und verrückt sein wie sie, bin jedoch in unserer Beziehung meist die Stimme der Vernunft, zumindest wenn ich mir die Mühe mache, vernünftig zu sein. Vale ist ein Mädchen, das nur so vor sich hinlebt, und das ist eines der Dinge, die ich an ihr am meisten liebe. Sie sagt: „Scheiß auf die Konsequenzen“, und ich bin eigentlich immer voll dabei und dränge: „Lass es uns tun“. Wir sind mehr als nur ein Liebespaar. Wir sind beste Freunde, passen zusammen wie die Faust aufs Auge, wie der Arsch auf den Eimer.

Was mich dazu bringt, mich zu fragen, was zum Teufel letzte Nacht passiert ist, dass ich ohne sie auf einem biergetränkten Teppich aufgewacht bin statt nackt in unserem gemeinsamen Bett in unserer Wohnung.

Ich schaute auf mein Handy, sobald ich den Kopf des Mädchens von meinem Bein geschoben hatte. Sie schnarchte nur leise und drehte sich weg.

Keine Nachrichten.

Ich rief Vale an und es klingelte viermal, dann ging ihre Mailbox dran.

„Hey“, sagte ich mit einer Stimme, die von einer Art Katerschleim verkrustet war. Ich hustete heftig und versuchte es noch mal. „Ich bin’s. Keine Ahnung, wo du bist. Hoffentlich daheim. Ich bin gerade auf dem Weg dorthin, wir sehen uns.“

Ich legte auf, mein Magen drohte, zu rebellieren, und ich stolperte den Flur hinunter, um Oliver zu wecken. Er lag nackt im Bett, mit einem Mädchen, an das ich von letzter Nacht vage Erinnerungen hatte. Ich brauchte gut fünf Minuten, um ihn aus den Federn zu holen, damit er mich zurück in meine Wohnung fuhr, wo hoffentlich Vale auf mich wartete, um mich zum Flughafen in Halifax zu bringen.

Daheim angekommen schienen sich meine pochenden Kopfschmerzen noch zu verstärken, als ich merkte, dass sie nicht da war. Mir wurde flau im Magen, was nichts mit dem Schnupfen zu tun hatte, sondern damit, dass ich fürchtete, es könnte etwas Schlimmes passiert sein. Ich erinnere mich bruchstückhaft, dass es ihr nicht gut ging und sie gehen wollte. Periodenkrämpfe, glaube ich. Ich erinnere mich auch deutlich, gesagt zu haben, ich wolle noch bleiben, weil dies mein letzter Abend vor dem Flug nach Pennsylvania war und ich nicht nach Hause wollte, nur weil es „diese Zeit des Monats“ war.

Die Titans hatten mich in ihr Minor-League-Team berufen, und darauf hatte ich gewartet. Jetzt hatte ich wieder einen Fuß in der Tür, und das war ein Moment großer Freude. Ich war auf dem Sprung, und wenn ich das Glück hatte, bei den Titans Fuß zu fassen, würde ich wahrscheinlich nie zurückkommen. In nur einem Jahr hatte ich mich in Bezug auf Kondition, Geschick und Selbstvertrauen enorm verbessert. Ich war bereit für die Titans, und sie wollten mich, also war es eine Nacht zum Feiern, Partymachen und Abschiednehmen. Ich verließ diese Gemeinschaft, in der ich die letzten vier Jahre gelebt habe, mit einer Träne im Knopfloch, deswegen wollte ich es ordentlich krachen lassen.

Natürlich war ich traurig, dass ich Vale verlassen musste, aber ich dachte, das wäre nur vorübergehend. Ich musste sie dazu bringen, mitzukommen. Trotz ihres freizügigen Lebenswandels war sie im Herzen ein Kleinstadtmädchen, heimatverbunden, das seinem Vater sehr nahestand. Wir würden eine Weile getrennt leben, bis ich sie überreden könnte, den Sprung mit mir zu wagen, aber dennoch … ich würde sie sehen. Bestimmt würde sie mich besuchen kommen, und wir würden eine Fernbeziehung führen. Hey, diese Jungs … meine Kumpels, mit denen ich so viele Jahre lang Junior-League-Eishockey gespielt hatte? Es war mein letzter Abend mit ihnen. Sicher verstand sie, warum ich nicht hatte gehen wollen.

Sie war doch deswegen nicht sauer auf mich?

Oliver rief Avery an, seine Zwillingsschwester und Vales beste Freundin. Der Anruf war kurz, und obwohl Oliver herauszufinden versuchte, wo sie gestern Abend noch gewesen waren, erfuhr er von ihr lediglich, dass es Vale nicht gut ging und sie im Haus ihres Vaters war. Ich fürchtete irgendwie, dass „sich nicht wohlfühlen“ bedeutete, dass sie sauer auf mich war.

Während ich das kleine graue Haus betrachte, mit zwei Zimmern nach vorn raus und einem kleinen Flur, der zu einem gemütlichen Wohnzimmer und einer noch gemütlicheren Küche führt, fühlt sich mein Kopf an, als würde er gleich platzen. Ich weiß, das kommt nicht mehr vom Kater, sondern hat damit zu tun, dass irgendetwas ganz und gar nicht stimmt, wenn Vale hier übernachtet hat, ohne mir etwas davon zu sagen. Ich muss letzte Nacht etwas Schreckliches getan haben, und ich ersticke praktisch an dem Grauen, das in mir aufsteigt.

Mein Flug nach Pittsburgh geht in weniger als sieben Stunden, und bis dahin habe ich noch eine viereinhalbstündige Fahrt nach Halifax vor mir. Ich habe gepackt und bin startklar … das habe ich gestern vor der Party erledigt, aber ich muss das mit Vale klären, und dafür bleibt mir nicht viel Zeit. Meine Koffer sind im Auto, und Oliver ist bereit, mich nach Halifax zu bringen, aber ich hoffe, dass eine aufrichtige Entschuldigung bei meinem Mädchen die Dinge wieder geradebiegt und sie mich fährt. Ich setze meinen besten Getretener-Hund-Blick auf und gehe langsam den makellosen Bürgersteig hinauf, den Vale jeden Sommer für ihren Vater mit Blumen in einer Rabatte säumt. Anscheinend ist das etwas, was ihre Mutter vor ihrem Tod immer gemacht hat, und es war eine Tradition, die sie sehr ernst nimmt.

Dave ist nicht da, das weiß ich, weil ihr Vater der Athletiktrainer der Oilers ist. Um diese Zeit ist er in der Arena, um die Spieler vor dem Konditionstraining hart ranzunehmen, und ich bin mir sicher, dass dort viele Leute genauso verkatert sind wie ich. Mir ist aufgefallen, dass keiner der Leute, die heute Morgen auf Olivers Boden lagen, zu meinen ehemaligen Mannschaftskameraden gehört hat.

Ich klopfe, höre Schritte, und als sich die Tür öffnet, starre ich Avery an. Sie ist Olivers zweieiige Zwillingsschwester. Sie sehen einander trotzdem sehr ähnlich, mit kastanienbraunem Haar und dunkelbraunen Augen. Man sollte meinen, da ich mit Oliver befreundet bin und sie mit Vale, wären wir auch befreundet.

Das ist aber nicht der Fall.

Avery mag mich nicht besonders, auch wenn ich nicht genau weiß, warum. Wir kennen einander gut, denn als ich nach Sydney kam, ließen mich Olivers und Averys Eltern bei sich wohnen, bis ich achtzehn wurde. Wir haben zwei Jahre lang zusammengelebt, aber es hat nie für eine echte Freundschaft gereicht. Ich finde sie reserviert und zu prinzessinnenhaft für meinen Geschmack. Sie hat mir mehrfach gesagt, meist wenn sie betrunken und enthemmt war, ich sei ein egoistischer Mistkerl.

Dennoch versuchen wir, in Oliver und Vales Gegenwart höflich miteinander umzugehen. Keiner von beiden scheint im Augenblick in der Nähe zu sein, also komme ich gleich zur Sache, während ich einen Schritt in Richtung Tür mache. „Wo ist sie?“

Avery stellt sich mir in den Weg und grinst mich hämisch an. „Als ob dich das interessiert.“

„Erspar mir die Dramatik“, murmle ich und versuche, so zu tun, als bestünde kein Grund zur Scham, obwohl ich nicht genau weiß, was letzte Nacht passiert ist. „Warum ist sie hier und nicht daheim?“

Ich erwarte, dass Avery mich verbal attackiert, mich einen Widerling oder ein Arschloch nennt oder mich mit irgendeinem anderen, ebenso „prinzessinnenhaften“ Schimpfwort belegt, das ihr gerade in den Sinn kommt. Stattdessen holt sie tief Luft, während sich etwas in ihren Augen abspielt. Sie wirft mir einen Blick zu, in dem ich fast Mitleid lese, aber den Eindruck schüttle ich schnell ab. Avery kann mich nicht ausstehen und würde mich nicht im Geringsten bemitleiden, wenn etwas zwischen mich und Vale käme.

Sie senkt resigniert den Kopf und weicht zurück, damit ich eintreten kann.

Vales Schlafzimmer – also eigentlich ihr Kinderzimmer – liegt direkt rechts neben mir, und ich sehe, dass die Tür geschlossen ist. Daves Schlafzimmer ist gegenüber, was bedeutet, dass ich, als Vale und ich mit sechzehn etwas miteinander anfingen, nicht im Traum daran gedacht hätte, mich nachts zu ihr zu schleichen.

Ich werfe Avery einen langen Blick zu, bevor ich mich Vales Tür zuwende. Dabei ziehe ich die Schultern hoch, schaue so reuig, wie ich nur kann und trete ein.

Sofort wird mir klar, dass das, was ich vorher als Furcht empfunden habe, in Wirklichkeit keine war. Ich weiß das, weil ich sie jetzt spüre. Ein kaltes, schweres Gefühl der Vorahnung sitzt tief in meinem Magen, als ich Vale unter der Decke auf dem Bett liegen sehe. Die Jalousien sind geschlossen und die Vorhänge zugezogen, sodass es trotz des frühen Morgenlichts dämmrig im Zimmer ist. Ihr Rücken, ihr kleiner Körper zeichnen sich unter der roten Bettdecke, die bis zum Kinn hochgezogen ist, deutlich ab.

Sie sieht verloren, bejammernswert und völlig allein aus. Ein stechender Schmerz trifft mich direkt ins Brustbein.

„Vale“, flüstere ich, doch ihr Körper zuckt nur leicht. Sie sagt kein Wort.

„Baby“, sage ich und gehe einen zaghaften Schritt auf sie zu. Ich stelle mir vor, dass ich ihr gestern Abend das Schlimmste überhaupt angetan habe, ohne mich auch nur daran zu erinnern. Doch das kann nicht stimmen, denn egal, wie betrunken ich war, egal, wie sehr ich die Kontrolle verloren habe, ich weiß tief in meinem Herzen, dass ich Vale niemals etwas antun könnte.

Nie.

Ich setze mich vorsichtig auf den Rand ihrer Matratze und lege unsicher eine Hand auf ihre Schulter. „Vale ... alles okay?“

Ich möchte sie packen und auf meinen Schoß ziehen, sie tröstend umarmen, auch wenn ich nicht weiß, warum sie Trost braucht. Egal – ich möchte, dass sie sich in ihrer Not an mich klammert und mir versichert, dass ich nichts getan habe, um das hier auszulösen.

Doch sie antwortet nicht, und so dränge ich mich an sie, obwohl ich das Gefühl habe, dass eine sehr dicke und eisige Mauer der Spannung zwischen uns steht.

„Vale“, wiederhole ich mit etwas festerer Stimme. „Du musst mit mir reden, Süße. Geht es dir zu schlecht, um mich zum Flughafen zu bringen? Denn wenn ja, kann Oliver das machen. Ich will, dass du im Bett bleibst und dich erholst, aber ich fahre, Babe. Wir müssen das klären. Ich muss wissen, warum du so sauer bist.“

„Hawke“, unterbricht sie mich leise.

Ich erstarre, schaue sie in der Dunkelheit an, und sie dreht ihr wunderschönes Gesicht in meine Richtung. Vale ist auf eine völlig unkonventionelle Art und Weise beeindruckend. Sie war schon immer eine Regelbrecherin, wenn es um Mode und Normen ging. Als ich sie zum ersten Mal in der Schule sah, nachdem ich hierhergezogen war, war ich verblüfft, dass eine Seite ihres Kopfes rasiert war, während sich auf der anderen Seite ein langer, dichter Schwall rabenschwarzen Haares befand. Ihre kristallgrünen Augen funkelten, aber sie bekamen Konkurrenz durch ihre Piercings im Gesicht – ein Ring durch die Augenbraue, ein Medusa-Piercing knapp über der Oberlippe und ein Ring durch den rechten Nasenflügel. Sie hat auch eines durch die Zunge, einen massiven Barbell, der bei Hunderten von Gelegenheiten über meine Zunge und sogar meinen Schwanz geglitten ist.

Ihr schwarzes Haar trägt sie jetzt in langen, fransigen Stufen, aber sie hat immer noch jede Menge Metall im Gesicht, darunter zwei hohe Nasenpiercings. Außerdem hat sie sich in den letzten zwei Jahren verschiedene Tattoos stechen lassen. Obwohl Dave ein entspannter, lockerer Vater ist und kein Problem mit ihren Piercings hatte, wollte er ihr nicht erlauben, sich tätowieren zu lassen, bevor sie achtzehn war. Das war seiner Meinung nach eine zu folgenreiche Entscheidung, um sie einer Minderjährigen zu überlassen.

An ihrem achtzehnten Geburtstag holte ich sie also zu Hause ab und brachte sie direkt zu einem Tattoo-Studio. Er schüttelte mit einem wissenden Lächeln den Kopf, denn er hatte keinen Zweifel daran gehabt, dass seine temperamentvolle Tochter an diesem Tag genau dorthin fahren würde.

Mit mir. Ins Tattoo-Studio.

Er hätte sicher nicht wissen wollen, dass wir die Nacht in meinem Bett beendeten und sie ihre Jungfräulichkeit verlor.

„Hawke“, sagt sie wieder … leise, doch es reißt mich aus meinen Erinnerungen. Ihr Haar ist strähnig, ihre Haut bleich. Dunkle Augenringe verraten mir, dass sie letzte Nacht nicht geschlafen hat.

Ich strecke eine Hand aus, um ihr Gesicht zu berühren, aber sie weicht zurück, und der Knoten in meinem Magen verzehnfacht sich.

„Ich will dich nicht mehr sehen“, flüstert sie, während ihr Tränen in die Augen steigen. „Du gehst, ich bleibe hier, also müssen wir die Sache jetzt beenden.“

„Habe ich letzte Nacht etwas getan?“, platze ich in Panik heraus und lege ihr die Hände auf die Schultern. Ich muss mich an ihr festhalten … verzweifelt. „Bitte sag es mir … ich kann mich an nichts erinnern.“

Vale schüttelt den Kopf und schiebt sich im Bett hoch. Sie nimmt die Hände unter der Bettdecke hervor, um diese bis zur Brust hochzuziehen, während sie sich an die Rückenlehne presst.

„Was zum Teufel ist passiert? Warum hast du letzte Nacht hier übernachtet?“

Sie sieht mich mit toten Augen an und sagt: „Das spielt keine Rolle.“

„O doch, verdammt. Ich erinnere mich nur, dass du die Party verlassen wolltest und ich nicht. Ich bin auf Olis Wohnzimmerboden aufgewacht. Was zum Teufel ist in der Zwischenzeit passiert?“

Wenn das überhaupt möglich ist, wird Vales Blick noch müder, und sie atmet zitternd ein. Gerade als ich denke, dass sie mich aufklären will, öffnet sich die Tür und Oliver steckt den Kopf herein. „Alter … du musst los. Du willst doch deinen Flug nicht verpassen.“

Sein Blick wandert von mir zu Vale, die den Kopf abwendet und an die Wand starrt.

Ich fahre mir mit den Händen durchs Haar, das ich schon immer lang trage, je nach Laune zwischen kinn- und schulterlang. „Scheiße … gib mir nur eine Minute, Mann.“

Oliver nickt und geht, wobei er die Tür leise schließt.

Ich wende mich Vale zu, aber sie erwidert meinen Blick nicht. Also nehme ich ihr Kinn und zwinge sie, den Kopf zu drehen und mich anzuschauen. Als sie das tut, spüre ich, wie mein Herz verschrumpelt und stirbt.

Da ist nichts.

Ihr Blick ist einfach tot.

„Ist es aus mit uns?“, frage ich leise.

„Ja“, antwortet sie, ohne zu zögern, doch ihre Stimme schwankt und ihre Lippen zittern.

„Sagst du mir wenigstens, warum?“

„Nein“, entgegnet sie ebenso entschlossen, aber ihre Augen füllen sich mit Tränen. „Ich will nicht darüber reden.“

Ich habe nur noch eine Frage, denn ich spüre, wie sich meine ganze Welt zu verdüstern beginnt. Von ihrer Antwort hängt ab, ob ich mein Flugzeug verpasse oder nicht. Wenn es auch nur die geringste Chance gibt, sie umzustimmen, werde ich auf diesem Bett sitzen bleiben und mit ihr reden, bis ich blau anlaufe.

„Liebst du mich noch?“ Ich verschlucke mich fast an den Worten, bin angespannt wie vor einem Zusammenstoß mit dem größten Schläger der Liga. Ihre Antwort hat die Macht, mich schlimmer zu verletzen, als es mir je auf dem Eis passiert ist.

Sie starrt mich an … eine einzelne, stumme Träne rinnt über ihre Wange. Dann senkt sie den Kopf und erwidert: „Nein. Ich liebe dich nicht.“

In diesem Moment hört meine ganze Welt auf, sich zu drehen. Ich werde taub … meine Sicht trübt sich, und ich schwöre, dass der Atem in meiner Lunge verdampft. Die Zeit steht erbarmungslos still und hält mich in einem Albtraum gefangen. Ich kann nichts anderes tun, als das Mädchen anzustarren, das in einem Augenblick mein Herz in der Hand gehalten und es im nächsten zum Zerspringen gebracht hat.

Absolute, völlige Stille.

Ich starre sie an.

Vale schaut auf ihren Schoß.

Dieser Moment könnte ewig so weitergehen, aber dann höre ich draußen auf der Straße Olivers Auto anspringen, eine subtile Erinnerung daran, dass ich woanders hin muss.

Alles kommt wieder in Bewegung.

Mein Herz schlägt gleichmäßig. Ich höre, wie Avery den Geschirrspüler in der Küche ausräumt und Vales röchelndes Atmen, während sie sich weiterhin weigert, mich anzusehen.

Dann stehe ich vom Bett auf und sehe zu ihr hinunter, in der Hoffnung, dass sie aufschaut und mir sagt, dass sie mir gerade ins Gesicht gelogen hat.

Aber das tut Vale nicht.

Also drehe ich mich um und verlasse ihr Zimmer, allerdings nicht, ohne ihr zu sagen, dass es noch nicht vorbei ist. „Ich rufe dich heute Abend an, sobald mein Flugzeug gelandet ist.“

Sie antwortet nicht und irgendwie … weiß ich es einfach. Wenn ich anrufe, wird Vale nicht ans Telefon gehen.

Kapitel 1

Heute

Hawke

Die Stimmung ist spürbar angespannt. Meine Haut kribbelt und mein Blut rast.

Der erste Tag des Trainingslagers … wo für uns alles beginnt.

Eine neue Saison.

Ein weiterer Versuch, den Pokal zu gewinnen.

Mein erster Tag als Spieler des Titelverteidigers Carolina Cold Fury.

Verdammt, ja … ich kriege beinahe einen Steifen, so gut fühle ich mich gerade.

Ich gehe zum Mannschaftsbesprechungsraum im Keller der Cold-Fury-Arena. Als Erstes steht ein Willkommen-zurück-Treffen auf dem Programm, bei dem alle Neuzugänge vorgestellt werden. Dann gibt es ein Mannschaftsfoto, gefolgt von Einzelgesprächen mit den Trainern, und zum Abschluss des Tages eine Party bei Coach Pretore. Ich habe Lust, es mir heute Abend gut gehen zu lassen, und ich verweigere mir nie etwas, das ich mir wünsche. Soweit ich weiß, ist die Willkommensparty bei Coach Pretore ziemlich gediegen, aber ich garantiere, dass ein paar der Jungs bereit sind, danach noch richtig einen draufzumachen. Es ist sozusagen meine letzte Nacht der „Freiheit“, ehe die Saison beginnt, und ich kann mir nichts Besseres vorstellen als Drinks mit meinen neuen Kumpels und einen heißen Arsch, um die Nacht zu beenden.

Ich nicke einigen Spielern zu, die ich wiedererkenne, weil ich entweder schon mit ihnen gespielt oder sie hart gegen die Bande gecheckt habe, und mein Blick fällt auf Garrett Samuelson, sobald ich den Raum betrete. Er sitzt in der fünften Reihe von unten, mit dem Mann, von dem ich weiß, dass er mein neuer Mannschaftskapitän ist, Alex Crossman, und  dem Left Winger aus der Second Line bei Cold Fury, Zack Grantham. Garrett sieht mich und winkt mich herüber.

Wir haben ein Jahr zusammen in Pittsburgh gespielt, ich war sein rechter Verteidiger. Ein guter Mann – ich bin froh, wieder mit ihm in einem Team zu sein, obwohl ich weiß, dass ich nicht für die First Line gesetzt bin. Ich meine … klar ist das mein Platz, mir ist jedoch klar, dass es nicht selbstverständlich ist.

Gray Brannon, die Geschäftsführerin der Cold Fury, hat ihr ligaweit bekanntes Talent für Statistik genutzt und alles darangesetzt, mich dieses Jahr von den Titans zu holen. Statistisch bin ich der drittbeste Verteidiger der gesamten Liga, aber Gray behauptet, diese Zahlen würden nicht das ganze Bild zeigen. Ich habe zwar nicht direkt mit ihr gesprochen, doch laut meinem Agenten ist die der Meinung, ich sei der Beste. Ich bin beim besten Willen kein bescheidener Mensch, also muss ich ihr einfach zustimmen.

Jetzt gehe ich direkt auf Garrett zu, der aufsteht und mich umarmt. Er muss mich nicht vorzustellen, denn das letzte Mal, dass die Titans gegen die Cold Fury gespielt haben, war im vergangenen Februar. Danach habe ich mit Garrett, Alex, Zack und dem damaligen Torwart des Teams, Ryker Evans, noch ein paar Bierchen getrunken, da unser Heimflug erst für den nächsten Tag angesetzt war. Alles gute Jungs, und verdammt … Alex ist im Augenblick der beste Spieler der Liga. Ich weiß, was für ein Glück ich habe, dass ich hier in einem Team bin, das die Meisterschaft verteidigt. Der Einzige, der heute fehlt, ist Ryker, und das liegt daran, dass er sich entschieden hat, seinen Vertrag mit den Cold Fury nicht zu verlängern.

In einem sehr umstrittenen Schritt, der alle Eishockeyklatschtanten in Aufruhr versetzte, verließ Ryker den Torwartolymp als einer der ganz Großen des Eishockeysports. Eine Woche, nachdem er dazu beigetragen hatte, den Pokal nach Raleigh zu holen, beschloss er, sich in den Ruhestand zu begeben – das ist erst wenige Monate her. In einem anderen, nicht ganz so fragwürdigen Schritt, der jedoch die weiblichen Fans in helle Aufregung versetzte, brannten Ryker und Gray nach Las Vegas durch und heirateten. Danach war es keine Überraschung mehr, dass er einen Posten im Torwarttrainerstab bei den Cold Fury annahm. Obwohl es nicht so aussah, als hätte der Vorstand ein Problem damit, dass ein Spieler mit der Teamchefin zusammen ist, würde ich jede Wette eingehen, dass Ryker ein Problem damit hatte. Wie ich ihn kenne, hat er großen Respekt vor Gray und möchte ihrer historischen Karriere als einzige Geschäftsführerin der Liga nicht im Wege stehen.

„Willkommen im Team, mein Freund“, sagt Garrett, während sie alle Platz machen, damit ich mich setzen kann.

„Danke sehr. Schön, hier zu sein“, antworte ich.

„Hast du schon eine Wohnung?“, fragt Alex, der sich auf der anderen Seite von Garrett nach vorn beugt und mich ansieht.

„Ja, aber ich habe noch nicht alles ausgepackt. Ich dachte, das erledige ich irgendwann im Laufe des Sommers.“

„Sag Bescheid, Alter“, meint Zack von Alex’ anderer Seite. „Ich wette, Sutton, Olivia, Kate und Gray schaffen es, alles in zwei Stunden auszupacken. Wenn du uns mit Pizza und Bier versorgst, kriegen wir das schon hin.“

„Na ja“, erwidere ich mit einem Grinsen. „Ich will nicht, dass meine Chefin meine Unterwäsche auspackt.“

„Das wäre kein Problem“, entgegnet Garrett. „Gray ist ein ganz normales Mädchen, wenn sie aus dem GF-Büro raus ist.“

Wie aufs Stichwort kommt Gray Brannon zusammen mit ihrem Vater Brian, dem Vorstandsvorsitzenden des Teams, herein, gefolgt von Coach Pretore und dem restlichen Trainerstab. Ryker Evans bildet das Schlusslicht, seine Augen sind aufs Gesäß seiner Frau gerichtet. Die Stimmen im Raum verstummen sofort, als alle Blicke in ihre Richtung schweifen, und dann, offenbar ohne mein Wissen geplant, stehen alle Spieler auf und klatschen. Der Applaus wird stakkatoartig und lauter. Jubelschreie ertönen. Die Zuschauer skandieren: „Gray, Gray, Gray, Gray.“

Ich stehe auf und mache mit, weil ich nicht wie ein Trottel dasitzen will. Ich bin durchaus bereit, einer Frau die Anerkennung zu zollen, die sie verdient. Gray Brannon hat dieses Team zu einer Siegermannschaft gemacht, und das gegen den massiven Widerstand von Spielern, Trainern, Führungskräften und Fans in den USA und Kanada.

Gray wird tatsächlich rot, schenkt ihrem Vater ein Grinsen und hebt dann die Hände, um das Team zu beruhigen. Als die Geräusche verstummen und die Jungs sich wieder hinsetzen, sagt sie: „Okay, ihr großen Idioten … wollt ihr mich zum Weinen bringen oder so?“

Alle lachen und dann verhärtet sich ihr Blick. Zeit fürs Geschäft.

„Wir werden dieses Jahr wieder den Stanley Cup gewinnen“, verkündet sie ohne einen Hauch von Selbstgefälligkeit. „Fragen?“

Totenstille, bis jemand hinter mir ruft: „Verdammt, ja, das werden wir!“

„Genau“, bestätigt sie und schenkt der Person ein strahlendes Lächeln. Herrgott noch mal, sie ist eine umwerfende Frau. Kein Wunder, dass Ryker sich in sie verliebt hat. „So, das war alles. Ich übergebe an Coach Pretore.“

Gray und Brian Brannon treten zurück und lehnen sich an die Wand. Coach Pretore tritt ans Podium und stützt die Unterarme darauf. „Letztes Jahr hatten wir eine großartige Mannschaft. Dieses Jahr haben wir eine noch bessere. Aber wir müssen bescheiden sein und einsehen, dass es trotzdem harter Arbeit, Ausdauer und Einigkeit als Team bedarf. Ich werde euch härter arbeiten lassen als je zuvor, und ihr werdet mich anflehen, euch mehr zu strapazieren. Ihr wiederum werdet bei jedem Spiel alles geben und den Titel holen. Habe ich recht?“

Ein Chor von Jungs brüllt zustimmend, und die Luft vibriert von Testosteron. Coach Pretore mustert seine Männer stolz und nickt.

„Also dann ... wir haben ein paar neue Mitglieder im Team. Gebt mir einen Moment, um sie vorzustellen.“

Pretore liest eine alphabetische Liste vor, die vor ihm liegt. Nur drei Namen kommen vor meinem,dem letzten auf der Liste..

„Hawke Therrien.“ Er lässt den Blick über die Reihen schweifen, bis er mich sieht.

Mit hochgerecktem Kinn erhebe ich mich und stecke meine Hände in die Hosentaschen, während er meine Vorstellung abliest.

„Ihr kennt Hawke. Er hat die letzten sieben Jahre bei den Titans gespielt. Stammt ursprünglich aus Toronto. Kam mit sechzehn Jahren zu den Cape Breton Oilers. Die Titans haben ihn in der dritten Runde gedraftet. Abstecher in die Minor League, dann in den letzten fünf Jahren in der ersten Reihe. Hat zweimal die James-Norris-Trophy für den besten Verteidiger gewonnen.“

Sein Blick schweift zu mir und er bellt: „Habe ich irgendetwas vergessen?“

Ich kann es mir nicht verkneifen. „Ja. Mein Lieblingsbier ist Molson und ich kann einen Zauberwürfel in ungefähr siebenundzwanzig Minuten lösen. Ich bin ein verfluchtes Genie.“

Der ganze Raum bricht in Gelächter aus, und der Trainer lacht mit, ehe er mir mit einem Nicken bedeutet, mich wieder zu setzen. Ich lasse mich auf meinen Platz fallen, dankbar, nicht mehr im Rampenlicht zu stehen, und Garrett klopft mir auf die Schulter. „Ich bin froh, dass du hier bist, Kumpel.“

„Ich auch“, antworte ich aufrichtig, denn ich habe ein wirklich gutes Gefühl für dieses Jahr.

„Wir haben auch einen Neuzugang in unserem Trainerstab“, sagt Coach Pretore und mein Blick wandert wieder zu ihm hinüber. Dann gefriert mir fast das Blut in den Adern, denn er fügt hinzu: „Heißt alle Vale Campbell im Team willkommen.“

In der ersten Reihe steht eine Person auf, die ich beim Eintreten nicht bemerkt habe. Sie dreht sich um, und es ist wie ein Schlag in die Magengrube, als unsere Blicke sich treffen. Genau wie beim letzten Mal ist da absolut nichts. Nicht die geringste Spur von Wiedererkennen, Zorn oder Desinteresse. Sie starrt mich nur kurz an und sieht dann weg, schaut sich flüchtig um, bevor sie sich wieder setzt.

„Vale ist die neue Assistentin unseres Athletiktrainers. Sie kommt aus Columbus, Ohio, zu uns, wo sie die letzten zwei Jahre als Assistentin des AT der Buckeyes gearbeitet hat. Ihre Wurzeln liegen allerdings im Eishockey, denn ihr Vater war jahrelang Cheftrainer der Cape Breton Oilers.“

Pretore hält inne, denn plötzlich dämmert es ihm. Sein Blick fällt auf mich und er fragt: „Therrien … kennt ihr beide einander vielleicht?“

Ein kurzer Blick auf Vale zeigt mir, dass sie auf seine Frage hin in ihrem Sitz zusammengesunken ist.

Unsagbar peinlich.

„Ja“, erwidere ich und huste leicht. „Ich kenne Vale.“

„Ausgezeichnet“, entgegnet Pretore, ohne meine Anspannung zu bemerken, und schaut dann wieder auf das Papier vor ihm. „Vale hat beste Referenzen. Sie ist zertifizierte Sporttherapeutin und hat eine Zertifizierung als Kraft- und Konditionstrainingsspezialistin, also Männer … macht euch darauf gefasst, dass sie euch in den Arsch tritt. Sie hat einen Bachelor in Kinesiologie von der Penn State University und hat dort auch ihren Master in Sportmedizin gemacht. Ursprünglich stammt sie aus Sydney …“

Ich blende Pretore aus.

Verdammt … das war wie eine Rückblende in die Vergangenheit. Ich habe seit vielen Jahren nicht mehr an Vale gedacht. Nein, das stimmt nicht ganz. Ich hatte ab und zu ein paar schmutzige Träume von ihr, aber ich habe seit Jahren nicht mehr wirklich an sie gedacht oder daran, was wir hatten. Das habe ich mir aus dem Kopf geschlagen, als ich vor sieben Jahren ihr Haus verlassen habe. Wie versprochen habe ich Vale an dem Abend angerufen, nachdem ich in Pittsburgh gelandet war.

Wie ich vermutet hatte, ging sie nicht ans Handy. Sie hat nicht zurückgerufen. Hat nicht auf meine SMS geantwortet.

Ich brauchte drei Tage und einen Bauch voller Wut und Zorn, bevor ich sie aus meinen Gedanken verbannte. Die Wut hat mich aufgefressen, der Schmerz war fast unerträglich. Also war es für mich einfacher, sie aus meinem Leben zu streichen, sonst würde ich mich heute noch im Elend suhlen.

Als ich nach Pittsburgh kam, blieb ich sporadisch mit Oliver in Kontakt, und er erzählte mir ab und zu aus freien Stücken von ihr, aber das Letzte, was ich hörte, war, dass sie in Sydney lebte. Doch dann haben Oliver und ich uns auseinandergelebt, und das ist leider alles meine Schuld, weil ich ein verdammt schlechter Freund bin, ich habe einfach den Kontakt zu meiner Vergangenheit auf Cape Breton verloren.

Ich habe mich wörtlich und im übertragenen Sinne ins Spiel gestürzt und Profi-Eishockey gelebt, gegessen und geatmet. Dabei habe ich neue Freunde gefunden – meine Mannschaftskameraden. Wenn ich in den Ferien nach Hause fuhr, ging es nicht zurück nach Cape Breton, um Oliver und seine Familie zu sehen, sondern nach Toronto, um meine Familie zu besuchen. In meiner Freizeit habe ich viel gefeiert und herumgefickt … sehr viel. Alten Freunden und verlorenen Beziehungen nachzutrauern, war nicht mein Ding. Ich kam über Vale hinweg und machte weiter.

Nicht in einer Million Jahren hätte ich gedacht, dass wir einander je wieder über den Weg laufen würden, und wie die heiße Flamme der Wut beweist, die gerade in meinem Bauch brodelt, bin ich wohl immer noch ein bisschen sauer auf sie.

Ich kann es nicht leugnen … sie ist nach wie vor ein verdammter Knaller, allerdings anders als bei unserer letzten Begegnung. Kein Piercing in ihrem Gesicht. Ihr schwarzes Haar ist lang wie damals, aber es fällt stilvoll und glatt bis auf die Schultern. Sie ist konservativ gekleidet, mit einer kakifarbenen Hose und einem schwarzen Cold-Fury-Poloshirt.

Ihr Körper ist immer noch der Hammer, das habe ich bemerkt, während sie aufstand – und diese Augen … ich konnte ihre kristallene Klarheit von hier oben sehen. Verdammt sexy, aber als sie mich ansahen … kein bisschen Wärme im Blick.

Mein Gott … ich kann mir nicht vorstellen, was die glühende Leidenschaft und Liebe in ihr in einen gottverdammten Eisberg verwandeln konnte. Das ist immer noch das größte Rätsel, vor dem ich je stehen werde.

„Da gibt es eine Geschichte“, flüstert Garrett, wobei er den Kopf zu mir neigt.

Coach Pretore ist mit Vales Lobhudelei fertig und geht jetzt unseren Trainingsplan durch, den wir alle bereits per E-Mail bekommen haben.

Ich zucke zusammen und sehe ihn an. „Was für eine?“

„Du und die neue AT“, antwortet er mit einem wissenden Blick.

„Nee, Mann“, leugne ich schnell. „Sie ist nur ein Mädchen, das ich mal kannte.“

„Verdammter Lügner“, erwidert Garrett mit Nachdruck. „Als sie dich ansah, war die Luft so dick, dass man sie mit einem Messer hätte schneiden können. Ich will Details.“

Pretore rettet mich, indem er endet: „Das war’s, Männer. Eure Ausrüstung ist in euren Spinden. Ihr habt zwanzig Minuten, um euch umzuziehen, euch hübsch zu machen und für das Mannschaftsfoto aufs Eis zu gehen.“

Ich stehe abrupt auf, aber ich höre Garrett lachen, als er Alex zuflüstert: „Da gibt es definitiv eine Geschichte.“

Ich ignoriere ihn und gehe zum Ausgang. Doch ich kann mich nicht beherrschen, mein Blick wandert sofort zu Vale, die sich von ihrem Stuhl erhebt und dem Rest des Trainerstabs aus der Tür folgt. Kein Blick in meine Richtung, und verdammt … das macht mich wütend. Sie hat unsere Beziehung beendet, und sie kann mir nicht einmal die Höflichkeit erweisen, Hallo zu sagen?

Scheiß Frauen.

Ich werde mich heute Abend auf jeden Fall besaufen. Hauptsache, ich kann sie wieder aus meinen Gedanken verbannen.

Kapitel 2

Vale

„Komm da runter, Vale“, sagt Hawke schroff und streckt die Hand aus.

„Warum denn? Hast du Angst, ich könnte fallen?“, frage ich mit einem betrunkenen Grinsen. Ich strecke die Arme aus, um das Gleichgewicht zu halten, und mache einen weiteren waghalsigen Schritt auf der rauen Steinmauer, die den Sydney River säumt. Ein leichtes Schwanken und ich richte mich auf, aber mir entgeht nicht das frustrierte Grunzen, das Hawke ausstößt.

„Wenn du hineinfällst, möchte ich nicht hinterherspringen müssen“, antwortet er, während er neben mir geht, die Füße fest auf dem Weg neben der Mauer.

„Du bist ein guter Schwimmer“, kontere ich selbstbewusst, obwohl meine Worte etwas undeutlich herauskommen. Wir haben beschlossen, uns ein Glas Bourbon zu teilen, aber ich habe ein paar Schlucke mehr davon abbekommen als Hawke. Außerdem wiegt er fast vierzig Kilo mehr als ich. Ich bin definitiv betrunken, während er wahrscheinlich nur einen leichten Schwips hat.

Umso besser, dann kann er hinterherspringen, wenn ich falle.

„Ich will aber nicht nass werden“, brummt er, doch ich höre es an seiner Stimme.

Er ist besorgt.

„Okay, lass mich nur eine Pirouette drehen, um meine Ballettkünste zu zeigen …“

„Herrgott, Vale“, bellt Hawke und packt mein Handgelenk. Nach einem kräftigen Ruck stürze ich tatsächlich von der Mauer, aber nicht in Richtung Fluss. Stattdessen falle ich in Hawkes starke Arme. „Du spinnst echt.“

„Tue ich nicht“, hauche ich, während meine Brüste gegen seine Brust prallen und sein Atem über mein Gesicht streicht.

„Doch“, murmelt er und schaut auf mich herab.

Es ist dunkel, aber ich sehe den Halbmond, der sich in seinen Augen spiegelt. Obwohl er ganz hellblaue Iriden hat, sind sie dunkel vor Alkohol und Frustration und auch ein wenig vor Lust. Ich schlinge die Arme um seinen Hals und lege den Kopf in den Nacken, um in den schwarzen Himmel zu schauen. Dann lächle ich die Sterne an und sie lächeln zurück, kurz bevor ich mein Gesicht wieder ihm zuwende.

Ich dachte immer, ich wäre ein Freigeist. Mein Vater ließ mir – innerhalb gewisser Grenzen – viele Freiheiten, denn was kann ein verwitweter Vater anderes tun, als sich um seine einzige Tochter zu kümmern und ihr jeden Wunsch zu erfüllen?

Aber bis ich Hawke traf, fristete ich eigentlich nur mein Dasein. Ich brachte jeden Tag hinter mich, einen Schritt nach dem anderen, und schloss nachts die Augen, ohne wirklich zu wissen, wozu ich all das tat.

Jetzt rast mein Blut ständig, wenn wir zusammen sind, und ich fühle mich, als stünde ich kurz davor, die Welt zu erobern.

Ich glaube, das ist Liebe.

„Du würdest mir also nicht in den Fluss nachspringen, weil du nicht nass werden willst?“, frage ich neckisch und streiche mit den Fingern durch das lange Haar in seinem Nacken.

„Ich will nicht, dass du dir das Genick brichst“, sagt er mit einem Grinsen und beugt sich dann vor, um seine Lippen genau auf eben dieses Genick zu setzen. Er streicht mit einem Kuss über meine Haut, und ein Schauer läuft mir über den Rücken. „Was für ein schöner Hals.“

„Spaßverderber“, murre ich halbherzig, denn eigentlich ist das viel amüsanter, als im Dunkeln über eine unebene Mauer zu laufen, nachdem ich Jack getrunken habe.

„Ich habe eine Idee für etwas, das Spaß macht“, antwortet er bedrohlich und ein weiterer Schauer folgt dem ersten. Diesen Tonfall kenne ich. Ich höre ihn gern, besonders, seit er mich vor vier Monaten an meinem achtzehnten Geburtstag entjungfert hat.

„Ach ja?“, flüstere ich, während ich die Finger tiefer in seinem Haar vergrabe und dann fest zupacke. Ich ziehe ein wenig, sodass er das Gesicht hebt und unsere Blicke sich begegnen. „Nämlich?“

„Lass uns zurück in unsere Wohnung gehen“, erwidert er schroff.

Ich bin nur zwei Wochen nach meinem achtzehnten Geburtstag bei ihm eingezogen, sehr zur Missbilligung meines Vaters.

„Willst du mit mir schlafen?“, necke ich und genieße meine neue sexuelle Freiheit, jetzt, wo ich erwachsen bin. Hawke hat aus Respekt vor meinem Vater ungeduldig gewartet, bis ich volljährig war. Ich hätte es schon früher getan, aber Hawke war ein Romantiker und wollte es zu einem besonderen Ding an meinem Geburtstag machen.

„Nein“, entgegnet er mit einem dunklen Lachen. „Ich will dich ficken.“

„Böser Junge.“

„Das bin ich“, brummt er und packt meine Handgelenke, um meine Hände wegzuziehen. „Komm.“

Er schafft es, mich zwei Schritte mitzuzerren, ehe ich mich wehre. „Warte.“

Hawke dreht sich zu mir um und mir stockt der Atem.

Absolute Gier in seinem Gesicht.

Nach mir.

Nach Liebe.

Immer nach Liebe.

„Was?“ Er ist ungeduldig.

Ich schaue mich um … erst links, dann rechts. Es ist dunkel hier … abgelegen. Niemand in der Nähe.

„Du könntest mich einfach hier ficken“, schlage ich kokett vor und klimpere sogar mit den Wimpern. Dann fällt mir ein, dass das bei dieser Dunkelheit wenig bringt.

Ein leises Knurren dringt aus Hawkes Brust und er zerrt an meiner Hand. „Man könnte uns erwischen.“

„Ja und?“, provoziere ich ihn, während ich meine Hand losreiße und nach dem Saum meines T-Shirts greife. „Kennst du einen Schwanz, kennst du alle.“ Ich starre ihn einen Augenblick lang an, dann ziehe ich mir das T-Shirt über den Kopf und werfe es über die Steinmauer.

Er ist steif vor Anspannung und schaut sich unsicher um. Ich nutze die Gelegenheit, um meine Tennisschuhe auszuziehen und den Reißverschluss meiner Jeans zu öffnen. Er dreht den Kopf wieder zu mir und beobachtet mich wachsam.

„Komm schon, Baby“, dränge ich leise. „Zieh dich endlich aus.“

Er schaut sich noch einmal um, aber dann trifft er eine Entscheidung und entspannt seine Schultern. Hawke zieht sein Hemd aus, kommt auf mich zu und murmelt: „Verdammte Spinnerin.“

„Aber du liebst mich“, behaupte ich, während ich meinen BH öffne.

„Viel zu sehr, verdammt“, stimmt er zu.

Mein Wecker schrillt und ich haue darauf. Im dritten Anlauf gelingt es mir, ihn zum Schweigen zu bringen und ein Auge zu öffnen, was mir bestätigt, dass es wirklich fünf Uhr morgens ist. Ich reibe mir übers Gesicht und versuche, den Nebel meines Traums abzuschütteln.

Vermaledeiter Hawke.

Natürlich musste ich von ihm träumen – war ja klar.

Ein Traum über die glorreichen Tage meiner Jugend, die erst sieben Jahre zurückliegen. Hocherhobenen Hauptes durch die Gegend laufen, mit leuchtenden Augen, weil jeder Moment die Chance auf unvergleichlichen Spaß bot. Lachen, scherzen und saufen. Ich habe jede freie Minute mit Hawke verbracht, weil wir jung und so ineinander verliebt waren, dass wir kaum etwas anderes gesehen haben. Aber in sieben Jahren hat sich mein Leben so drastisch verändert, dass ich nur noch ein Schatten der Person bin, die ich damals war – und darüber denke ich seit gestern nach.

Seit der Teambesprechung.

Es war für mich keine Überraschung, dass er dort war. Nicht in dem Maße, wie es augenscheinlich ihn schockiert hat. Ich konnte es an seinem Gesichtsausdruck ablesen, als ich mich umdrehte, um den Blick über das Eishockeyteam schweifen zu lassen, das auf mich herabstarrte. Lange bevor ich ihn in den Besprechungsraum schlendern sah, war mir klar, dass er mich dort zum ersten Mal wiedersehen würde. Ich habe keinen Zweifel daran, dass Hawke nie über meinen Aufenthaltsort informiert war, aber das kann ich umgekehrt nicht von mir behaupten. Natürlich wusste ich, dass er jetzt bei den Cold Fury spielt, also war ich einigermaßen darauf vorbereitet. Aber nur, weil ich über alles Bescheid weiß, was in der Eishockeywelt vor sich geht. Der Sport ist meine Leidenschaft und war es schon immer, auch weil ich Dave Campbells Tochter bin. Ich interessiere mich sehr für Eishockey und weiß alles über die „Q“, die Western Hockey League und die Ontario Hockey League, und das sind nur die kanadischen Junior Leagues. Darüber hinaus kenne ich alle amerikanischen Junior Leagues und verfolge die NHL mit Argusaugen. Das tue ich nicht nur, weil ich mit Eishockey aufgewachsen bin, sondern weil ich jetzt in diesem Sport arbeiten möchte. Ich habe mich von den Junior Leagues bis hinauf zu den Spitzenmannschaften beworben. Meine Zeit im College-Football war mir kein Anliegen, sie entstand aus einem Mangel an Chancen, aber hier bin ich nun. Ganz oben, einfach durch den einen entscheidenden Anruf meines Vaters bei Brian Brannon, seinem alten College-Kumpel. Schon war ich Mitarbeiterin der Cold Fury.

Es war eine grausame Fügung des Schicksals, dass ich dem Team zur gleichen Zeit beitrat wie Hawke. Genauso wie die Tatsache, dass ich ausgerechnet zu Cold Fury kam – und glauben Sie mir, wenn ich sage, dass ich dringend umziehen musste.

Seufzend schwinge ich die Beine aus dem Bett, schnappe mir mein iPhone und trenne es vom Ladegerät.

Gestern Abend um 21:45 Uhr ist eine SMS von Todd angekommen, und ich zucke leicht zusammen, als ich sie jetzt lese. Habe auf deinen Anruf gewartet. Nehme an, du bist eingeschlafen. Vermisse dich.

Mist. Ich war gestern Abend nach dem Fitnessstudio so am Ende, dass ich völlig vergessen habe, ihn anzurufen. Ich erinnere mich, dass ich geduscht, ein schnelles Sandwich gegessen und mich dann aufs Bett gelegt habe, um ein paar Minuten die Augen zuzumachen.

Ich schicke Todd eine kurze Antwort. Tut mir so leid. Ich war erschöpft. Bin auf dem Weg zum Fitnessstudio, rufe aber später an. Küsschen

Todd wird das verstehen. Das ist einer der Gründe, warum ich ihn so bewundere.

Er versteht mich einfach, und das tun nicht mehr viele Menschen.

***

„Scheiße, Alter … das tut verdammt weh“, höre ich Kip Sutherland knurren, als Goose ein weiteres Stück Kinesio-Tape von seinem Rücken reißt.

„Nicht meine Schuld, dass du einen haarigen Rücken hast“, sagt der mit einem trockenen Blick.

Ich drehe den Kopf, um die beiden zu betrachten, und ja … Kip hat einen haarigen Rücken. Er ist Verteidiger in der Third Line bei Cold Fury und kam gerade mit Krämpfen im unteren Rückenbereich vom Eis. Goose ist der andere stellvertretende Athletiktrainer. Ich habe keine Ahnung, wie er wirklich heißt, aber es ist ja auch mein erster Arbeitstag, also muss ich noch viel lernen. Sein richtiger Name ist im Moment wohl mein geringstes Problem.