Heidelberg im Mittelalter: Ein heimatkundliches Projekt - Detlef Zeiler - E-Book

Heidelberg im Mittelalter: Ein heimatkundliches Projekt E-Book

Detlef Zeiler

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Beschreibung

Die Dokumentation des heimatkundlichen Projektes "Heidelberg im Mittelalter" aus dem Jahre 1986/87 soll Anregungen geben für die Erstellung ähnlicher Projekte zu einzelnen Unterthemen des damals thematisch sehr umfangreichen Videoprojektes der Gruppe MOPAED (Mobile Pädagogen). Dabei wäre gerade interessant, inwiefern Themen wie z. B. "Berufsleben", "Markt und Handel", "Juden in der mittelalterlichen Stadt" oder "Hexenverfolgung" heute in der veränderten Welt von Jugendlichen gesehen werden.

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(Heidelberger Straßenszene, Holzschnitt 1489)

HEIDELBERG IM MITTELALTER -

Ein heimatkundliches Projekt

Dieses Filmbegleitheft wurde in der ersten Auflage 1986 zusammengestellt von:

• Harald Hammer

• Detlef Zeiler

Die fachliche Bratung hatten:

• Dr. Jochen Goetze

• Ludwig Merz (*1908 - † 2003)

• Wolfgang Wanek (_____-_____)

• Dr. Karl-Harald Kischka (*1924 - † 2019)

Die Neuauflage von 2019 wurde überarbeitet von:

Detlef Zeiler

Dr. Jochen Goetze

Heidelberg im Mittelalter –

ein heimatkundliches Projekt

Begleitbuch zu einem medienpädagogischen Projekt aus dem Jahre 1986. Überarbeitet und erweitert durch Detlef Zeiler.

© 2019 - Detlef Zeiler, Heidelberg.

ISBN: 978-3-7497-6860-8 (Paperback)

ISBN: 978-3-7497-6861-5 (Hardcover)

ISBN: 978-3-7497-6862-2 (e-Book)

4. Auflage 2019

Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

www.tredition.de

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische und sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhaltsverzeichnis:

1. Beteiligte Schüler und Unterstützer des Projektes

2. Praktische Heimatkunde

3. Luftbild der Altstadt von Heidelberg

4. Von oben gegründet…

5. Der Zölibat wird „Pflicht“…

6. Der Name „Heidelberg“

7. Tore und Türme von Heidelberg

8. Der Stadtaufbau von Heidelberg

9. Strafrecht und Strafvollzug im Mittelalter

10. Sittenstrafordnung für Dirnen…

11. Universität und Studenten …

12. Juden im mittelalterlichen Heidelberg

13. Badehausszene

14. Das älteste Gewerbe im alten Heidelberg

15. Hexenglauben und Hexenprozesse

16. Armenpflege und soziale Einrichtungen

17. Freizeit und Spiele…

18. Markt und Handel

19. Handwerk und Gewerbe

20. Klöster in Heidelberg

21. Der Wandel im Rittertum des Hochmittelalters

22. Medienpädagogik und Heimatkunde

23. Projektvorschlag: Geschichte des Betons

24. Literaturverzeichnis

Folgende Schülerinnen und Schüler des Bunsen-Gymnasiums waren an dem Projekt aktiv beteiligt:

Axel Baumgartl

Andrea Doll

Christian Ott

Ralph Bechtel

Eva Eckert

Sabine Pendl

Christian Braun

Susanne Eisenlohr

Katherina Poustka

Denise Buchenau

Steffen Fein

Oliver Seifert

Christian Bürgy

Florian Neumayer

Alessandra Zielke

Das Projekt wurde unterstützt durch

- den Klassenlehrer Dr. Reinhard Riese,

- den Direktor des Bunsen-Gymnasiums, Dr. Helmut Jendreiek,

- Frau Heidi Scheidt von der Städtischen Bühne,

- Schreinermeister Dieter Hornung,

- Dr. Susanne Himmelheber

- Annette Drees

- Amely Hölzer

- Stephan Machner

- der Heidelberger Zement AG

- Und den Gasthäusern:            - Backmulde

- Güldenes Schaf

- Spanferkelhof

Aufbau und Sprechertexte des Filmes „Szenen aus dem Heidelberger Mittelalter“ liegen gesondert vor und können demnächst bei „MOPAED“ (Mobile Pädagogen) als PDF-Datei abgerufen werden.

Praktische Heimatkunde in Heidelberg

Heidelberg im Mittelalter

Im Frühjahr 1986 haben wir, die Lehrer der Gruppe MOPÄD, den im Jahr zuvor fertiggestellten Schüler-Videofilm ("Zeitensprung") über die Geschichte des Heiligenbergs in mehreren Heidelberger Schulen vorgeführt. Eine achte Klasse im Bunsen-Gymnasium wollte daraufhin ebenfalls einen Film zu einem lokalgeschichtlichen Thema drehen. Vom Lehrplan her bot sich das Thema Mittelalter an. Die meisten Schüler setzten als Maßstab für ihre Filmpläne sofort eigene Film- und Fernseherlebnisse an und malten sich gruselige Henkerszenen über das ach so finstere Mittelalter aus. Und perfekt wie im Kino sollte alles werden. Wir mussten erst einmal gegensteuern, um die Erwartungen dann nicht zu enttäuschen.

Schon die ersten Einführungen in die Bedienung der Kamera und des Videorecorders an zwei Nachmittagen machten deutlich, dass wir kaum mit Vorerfahrungen rechnen konnten.

Die erste Phase unserer Arbeit bestand in der historischen Recherche. Dafür hatten wir die denkbar besten Voraussetzungen, da für den Herbst des Jahres 1986 die 600-Jahr-Feier der Universität angekündigt war und überall die Vorbereitungen auf Hochtouren liefen (Teile der während des 30-jährigen Krieges entführten „Bibliotheca Palatina“ sollten vorübergehend in die Stadt zurückkommen). Zudem war das Mittelalter über das Buchereignis "Der Name der Rose" von Umberto Eco, das gerade verfilmt worden war, zu einem öffentlichen Gesprächsthema ersten Ranges geworden. Öffentliche Ereignisse erleichtern Medienprojekte in der Schule: Kaum ein Experte, der uns nicht gerne unterstützt hätte, das Stadtarchiv stand uns offen - und im Keller der Friedrich-Ebert-Schule fanden wir sogar ein Modell des mittelalterlichen Heidelbergs, das der ehemalige Leiter der Ebertschule, Wolfgang Wanek, aus Lego-Teilen erbaut hatte. Hier ließen sich die räumlichen Verhältnisse und der Aufbau der alten Stadt darstellen, und zusätzlich konnten die Schüler Kameraführung, Arbeit mit Bildausschnitten und dergleichen schon ein wenig einüben.

Wichtig für die Projektarbeit mit Schülern ist die richtige Aufteilung in Gruppen. Einige Schüler sind besser bei der Recherche, bei der Befragung der Experten und dem Sammeln von Informationen. Andere sind besser bei der technischen Arbeit: Filmen, begleitende Fotoaufnahmen, Tonaufnahmen. Wieder andere können besser Spielszenen inszenieren und umsetzen. Und genau hier liegt eine wichtige Aufgabe für Lehrer oder Medienpädagogen, die historische Unterrichtsprojekte leiten: Die eher fachlichen Arbeiten (,die natürlich schon durch das Verlassen der Lernwelt Schule reizvoll werden) müssen ergänzt werden durch unterhaltsame Passagen, die sich ins Fachliche einfügen lassen.

Wie schon beim Film zur Geschichte des Heiligenberges haben wir auch hier wieder Spielszenen gefunden, welche die Aussagen der Experten sowohl verstärken oder kontrastieren, als auch zur Auflockerung der Arbeit und des späteren Filmes dienen. Dabei musste das Schulgebäude bisweilen verlassen werden, um in alten Hinterhöfen, in Kellergewölben, auf dem Marktplatz oder kleinen Seitengassen zu spielen und zu filmen.

Begonnen haben wir mit einer Szene auf dem Marktplatz, auf dem sich damals ein großer Teil des öffentlichen Lebens abspielte. Auch Bestrafungen bei kleineren Vergehen, für die ein städtisches Gericht zuständig war, wurden damals hier zur Abschreckung vorgenommen. Wir haben einige Originalinstrumente zur Drangsalierung der Verurteilten nachgebaut: Einen Drehkäfig ("Triller"), einen "Fußstock" und eine "Halsgeige" ("Zankgeige") - alles Gegenstände, die Herr Wanek, der ehemalige Leiter der Ebertschule, und einer unserer beratenden Experten in einem Modell nachgebaut hatten.

Die öffentliche Vorführung der "Schandstrafen", die wir auf dem Marktplatz filmten, lockte viele sensationsgierige Zuschauer an. Der "Pranger" scheint seinen Reiz zu haben. Die Schadenfreude der früheren Zuschauer konnten wir selbst aber nur mit Mühe nachvollziehen. In einigen anderen Ländern, z.B. in den USA ("shaming punishments") oder etlichen "Entwicklungsländern" scheint es ähnliche Schandstrafen auch heute noch zu geben. Mit dem Blick zurück auf eine weit zurückliegende fremde Kultur in der eigenen Stadt sieht man eventuell auch genauer noch bestehende Unterschiede im Hinblick auf fremde Kulturen in unserer Zeit.

Die hohe Gerichtsbarkeit, für die ein kurfürstliches Gericht zuständig war, mussten wir deutlich von der teils drastischen, teils auch unterhaltsamen Art der mit "Schandstrafen" verbundenen niederen Gerichtsbarkeit absetzen.

Hinter der Neuen Universität, direkt beim Historischen Seminar, findet man einen alten Wachtturm, der auch "Hexenturm" genannt wird. Hier wurden Diebe und "Hexen" ("Malefizverbrecher") festgehalten. (Die eigentliche Hexenverfolgung fand jedoch erst in der frühen Neuzeit statt.) Und wie bei allen öffentlichen Bestrafungsritualen gab es auch damals viele Voyeure und eine Menge Häme und Schadenfreude. Es wurden Vorurteile aufgegriffen und niedere Instinkte der Massen angesprochen, wenn man es für nützlich hielt. Wichtig für unsere Spielszenen war es zu zeigen, dass solche Vorgänge sich verfestigen konnten, wenn sie für einige Menschen zur Verdienstquelle wurden. (Das dürfte heute nicht anders sein…)

Geld spielte damals eine zunehmende Rolle, damit verbunden auch ein Streben nach Reichtum, Habgier - aber auch deren Anprangern durch Predigermönche. Wir haben einen Franziskaner aus dem Kloster auf dem heutigen Karlsplatz mitten auf dem Marktplatz auftreten lassen. Er wettert dort gegen die Auswüchse der Gier…

In der Nähe des Klosters gab (und gibt) es die "Badgassen". Dort waren im Mittelalter Bäder, in denen Frauen und Männer ohne Hüllen ihr Vergnügen fanden - und der Bader auch ärztliche Funktionen übernahm, Blutegel bei höherem Blutdruck ansetzte und vieles mehr. Für die Badeszene stand uns - wie auch beim Hexenverhör - der atmosphärisch ideale Keller des Restaurants "Zum Güldenen Schaf" in der Hauptstraße zur Verfügung.

Karl-Harald Kischka, der Besitzer des Restaurants, nutzte diesen Keller damals selbst für historische Darstellungen aus dem Heidelberger Mittelalter. Mit seiner Familie spielte er vor der mittelalterlichen Kulisse eindrucksvoll musikalische Stücke aus der damaligen Zeit, die wir auch in unserem Film einsetzen durften. Unterhaltung war damals vielleicht etwas simpler und derber als in der heutigen Zeit, aber ebenso wirkungsvoll.

Wir haben in der "Backmulde", einem Gasthaus in der Schiffsgasse, Würfel- und Glücksspiele nachgestellt und drei unterschiedliche soziale Gruppen an drei Tischen nebeneinander postiert: einfache Bürger, Adlige und Studenten.

Die Studenten und die Adligen vom Schloss bekommen Streit. Die Adligen verfolgen die Studenten aus dem Gasthaus heraus in die Schiffsgasse - und die Bürger schließen sich als aufgeheizter Mob den Adligen an.

Eine sehr lebhafte Szene, bei der uns ein ZDF-Team beobachtete. Die ZDF-Leute waren hauptsächlich an der Action interessiert. Ihnen zuliebe haben wir einige Szenen umgestellt, was natürlich Zeit kostete. Wer Rücksicht auf Schüler und deren Lernprozesse nehmen muss, der arbeitet anders als die TV-Profis, braucht mehr Zeit, wenn er spontane Schülerideen einbauen will. Zudem müssen die Spielideen und deren Umsetzung immer wieder mit der historischen Darstellung der Wissenschaftler in Zusammenhang gebracht werden. Also die Erläuterung der weit zurückliegenden Verhältnisse muss für alle Beteiligten erkennbar sein.

Nach der Einführung in die Welt der Studenten : über die Backmulden-Szene und nach der Erläuterung der geschichtlichen Rolle der Universität durch Herrn Dr. J. Goetze aus dem Historischen Seminar haben wir oben auf dem Schloss eine Besonderheit der damaligen Universität gezeigt: Die Zuarbeit der Universitätsjuristen für den Kurfürsten, der sein Herrschaftsgebiet abrunden und erweitern will. Das ließ sich mit dem Blick hinunter vom Schlossaltan auf die Altstadt und weiter hinaus in die westlich gelegene Ebene gut zeigen.

Zurück runter in die Stadt: Hier schauen wir auf die Handwerker, auf Schmiede und Bauleute, deren Symbole noch über den Türen der Häuser in der Kleinen Mantelgasse zu finden sind. Schon 1985 konnten wir in Vorbereitung auf unseren Film auf dem "Heidelberger Herbst", dem großen Jahrmarkt in der Altstadt, viele mittelalterlich gekleidete Handwerker filmen ("Kramerey und Kurzweil").

Den Abschluss unseres Filmes bildet ein Handwerkerfest in dem wunderschönen Hinterhof von Schreiner Hornung in der Unteren Neckarstraße. Feste und Feiertage spielten damals eine große Rolle für die nach Auftrag arbeitende Handwerkerschaft. Nach A. Burghardt (Lehrbuch der allgemeinen Sozialpolitik, Berlin 1966, S. 355) waren im vorindustriellen Europa 40% des Kalenderjahres arbeitsfrei. Nach E. Heimann (Soziale Theorie des Kapitalismus, Tübingen 1929, S. 173) verringerte sich die Zahl der Feiertage in der Frühphase der Industrialisierung um mehr als 100 im Jahr. Erst durch die Sozialpolitik des 20. Jahrhunderts ändert sich dies wieder, allerdings unter weltlichen Vorzeichen. Der Blick zurück ins Mittelalter hat nicht nur den Schülern viele neuen Erkenntnisse gebracht, sondern auch uns selbst und den beteiligten Experten. Viele Absprachen, vorbereitende Recherchen und Terminplanungen waren nötig. Von den Luftaufnahmen in einem alten Militärflugzeug über der Stadt am Fluss bis zu den Spielszenen in alten Kellern und auf dem Schloss.

Wir hatten das Glück, dass unser Projektthema wegen der 600-Jahrfeierder Universität und diversen Veröffentlichungen in aller Munde war. Ich erinnere nur an den Mittelalter-Krimi „Der Name der Rose“. Zudem war es damals leicht, Unterstützung zu bekommen von Heimatkundlern wie Ludwig Merz, Karl-Harald Kischka und der Städtischen Bühne, die uns diverse Kostüme völlig unbürokratisch zur Verfügung stellte.

Ein so umfassendes Projekt wäre heute wohl kaum mehr durchzuführen. Deshalb drucken wir hiermit nochmals die – etwas überarbeiteten – Texte zu den einzelnen Themen des Projektes ab. Somit könnte man sich heute eines dieser Unterthemen rausgreifen – und dazu aus heutiger Sicht ein Projekt entwerfen. So bietet sich z.B. an, die Folgen von Gerüchten bei der Hexenverfolgung mit ähnlichen Wirkungen der heutigen Gerüchteerzeugung über das Internet, über Stimmenfälschung oder Deep-Fake-Videos zu vergleichen. (Man beachte nur die Erfolge von „Google Duplexeinem Programm zur Erzeugung menschlicher Stimmen!)

Mir selbst erscheint das Thema Mittelalter mit seinen vielen Umbrüchen, Unsicherheiten und Verunsicherungen heute aktueller als in den 80er Jahren. Zumindest bei uns in dem geregelten Leben Westdeutschlands schien damals der Blick zurück ein wenig skurril und das Mittelalter wie ein sehr ferner Spiegel. Zum Glück war man ja offensichtlich so viel aufgeklärter und durch garantierte Rechtssicherheit geschützt. Heute scheinen die zivilisatorischen Errungenschaften der Demokratie bei uns aber wieder eher als früher in Frage zu stehen, suchen sich mehr Menschen Schutz in autoritären oder ethnisch abgeschotteten Gruppen. In dieser Situation bietet das Mittelalter interessante Blicke auf das Verhalten des Menschen in ebenfalls unsicheren Umbruchszeiten, in Zeiten, in denen es aber viele Regelungen des Rechtsstaates, viele individuelle Rechte noch nicht gab.

(Detlef Zeiler)

VON OBEN GEGRÜNDET

Die Anfänge der Stadt Heidelberg

Für unserem Film „Zeitensprung“, der die Geschichte des Heiligenberges zeigt, haben wir (d.h. die Gruppe „MOPAED“) mit den Schülern der Heiligenbergschule in Heidelberg im Sommer 1985 eine "Zeitenlinie" aufgestellt, welche die wichtigsten Etappen der Besiedlung unserer Region bis zum Beginn der Neuzeit aufzeigt. Heidelberg als Siedlungsort nimmt dabei nur einen geringen Teil der Wegstrecke ein, die 50 Meter lang ist und den Ablauf von 5000 Jahren darstellen soll. Ein Zentimeter bedeutet dann ein Jahr, 30 Zentimeter bedeuten 30 Jahre, was dem durchschnittlichen Alter einer Generation entspricht. Auf unserem Gang durch die Zeit hatten uns damals, genauso wie 5000 Jahre lang die hierherziehenden Menschen, vor allem der Heiligenberg und die ihm vorgelagerte fruchtbare Ebene interessiert. Nun also der Blick auf die Anfänge unserer Stadt am Fluss, auf Heidelberg.

Vom heutigen Stadtgebiet sind dabei zunächst die um und nach der letzten Jahrhundertwende eingemeindeten Vororte wichtig: Neuenheim, Handschuhsheim, Rohrbach, Kirchheim und Wieblingen. Diese Siedlungen sind z.T. schon im 8. Jahrhundert in dem Besitzverzeichnis des Klosters Lorsch erwähnt, dem sogenannten Lorscher Codex. Man weiß heute, dass die in der Zeit der Frankenherrschaft gegründeten Dörfer meist auf -heim enden, während die Endung „-ingen“ auf eine alemannische Siedlung zurückverweist.

Unter den Franken wurde schon früh das Christentum als Religion eingeführt. Im 7. Jahrhundert gab es fränkische Bischöfe in Worms und Speyer, - und vor allem aus Worms kamen die Anstöße zur Christianisierung unseres Gebietes. Durch viele Grabungsfunde ist belegt, dass Anfang des 8. Jahrhunderts überall bei uns der alte merowingische Brauch der Bestattungen in Beigaben führenden Reihengräbern abbricht und die christliche Beerdigung in der Nähe von Kirchen und Kapellen anfängt. In der Karolingerzeit beginnen schriftliche Mitteilungen und schriftliche Überlieferungen an Bedeutung zu gewinnen. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Klöster und die dort von Mön- chen betriebenen Schreibstuben.

Als 774 das Lorscher Kloster durch den Mainzer Erzbischof eingeweiht wurde, war auch Karl der Große mit seinem Hofstaat gekommen, um das Kloster als königliches Eigentum unter seinen Schutz zu nehmen. Lorsch wurde Reichsabtei und übernahm als königliches Eigengut auch die Rolle einer karolingischen Königspfalz. Durch Schenkungen von Seiten der Könige, durch Tausch und Übernahme verschiedener Besitztümer – bisweilen mit Hilfe frisierter Urkunden - breitete sich der Einfluss des Klosters Lorsch rasch bis in unser Gebiet hinein aus, was man gut im Lorscher Codex sehen kann. Lorsch kam dadurch aber dem Hochstift zu Worms ins Gehege, das sich ebenfalls bis ins Neckartal, ja sogar bis Wimpfen und Heilbronn hin ausbreitete.Auch der Bischof von Worms wollte den christlichen Glauben nach Osten hin ausbreiten und festigen - und nicht zu vergessen: an Macht und Einfluss gewinnen!

Lorsch hatte sich seinen Besitz an der Südgrenze vor allem durch die Gründung des Klosters auf dem Heiligenberg abgesichert, dort, wo der Neckar das Gebirge verlässt, wo schon die Kelten siedelten, später die Römer einen wichtigen Wachtturm errichteten und schließlich die frühen Franken eine Burg angelegt hatten.

Das aufstrebende Lorsch kam dadurch in heftige Konkurrenz zum Hochstift in Worms. Das karolingische Kloster breitete sich direkt vor der Wormser Haustüre aus. Worms wiederum sicherte sich in einer Zeit der Zuspitzung der Konflikte zwischen den beiden Konkurrenten im Jahre 1011 die Grafenwürde im Lobdengau (Ladenburg und Umgebung) und in dem Gebiet rechts des Neckars zwischen Eberbach und Wimpfen. 1023 musste schließlich ein kaiserlicher Schiedsspruch die langwierigen Fehden zwischen Lorsch und Worms (die auch die Vasallen einbezogen und unzählige Menschenopfer forderten) von außen beenden. Natürlich hatte der Kaiser in der Zeit vor der Erstarkung der Territorialmächte, wie wir sie vom 13./14. Jahrhundert an in Europa vorfinden, vor allem durch seine Gaugrafen noch einige Entscheidungsbefugnisse über das Land. Die Macht des Klosters und des Bischofs bestand in der Summierung von Grundbesitz, Lehensrechten, Marktrechten, Bannrechten und Zöllen.

Als mächtiger Lehensgeber für Grafen und selbst für das Königtum konnte der Bischof von Worms glauben, in der überlegenen Position zu sein, - vor allem als es mit Lorsch allmählich wirtschaftlich und moralisch bergab ging.

Die geschichtliche Wendung kam dann aber nicht zugunsten von Worms, sondern zugunsten der weltlichen Herrscher, die von dem Streit der beiden kirchlichen Machtzentren profitierten: Die Pfalzgrafen schafften sich Schritt für Schritt die Grundlagen ihrer späteren Macht…

Eine Schlüsselfigur im Rhein-Neckar-Gebiet wurde der Staufer Konrad (1134/36-1195), ein Halbbruder des Kaisers Friedrich Barbarossa. Aus mütterlicher Linie fielen ihm Vogtrechte in Worms zu - und über seine Heirat ebenfalls Vogtrechte für das Kloster Lorsch. Zudem gab ihm sein kaiserlicher Bruder noch Reichsgut im Gebiet der Neckarmündung - und er verlieh ihm 1156 die Pfalzgrafenwürde.

Die im Rhein-Neckar-Raum erstarkende Pfalzgrafschaft war als Stütze des Hauses der Staufer gedacht, das seinem Gesamtterritorium einen sicheren Zusammenhalt geben wollte. Die Stadt Heidelberg wurde in diesem Zusammenhang durch einen herrschaftlichen Impuls von oben gegründet, - u.z. in dem Gebiet zwischen dem Neckarengpass nahe dem (späteren) Karlstor und der heutigen Grabengasse. Das Taldreieck, auf dem sich die Siedlung ausbreitete, war ständig von Hochwasser bedroht, unwirtlich und für eine Besiedlung eigentlich wenig verlockend, - noch nicht einmal ein ausgebauter Fahrweg führte hindurch.

Nur ein kleiner Weiler bestand schon, u.z. am Nordhang des Königstuhls, da, wo der Klingenteichbach aus einer Bergschlucht herausströmte und im Laufe der Jahre eine Geröll- und Schutterhöhung angeschwemmt hatte, auf der eine kleine Kirche, ein paar Häuser und Hütten von armen Fischern standen. Peterskirche, Sandgasse und Schiffsgasse markieren heute diese früh besiedelte Stelle, an der dann die neue Stadtmauer hinter einem neckarwärts führenden Graben angrenzte, der zu einem Teil das Wasser des Klingenteichbaches aufnahm.

Die zwischen Neckarengpass und Klingenteichgraben 660 Meter lange und auf der Unterseite 420 Meter breite Neugründung Heidelberg entwickelte sich, wie die vielen anderen zur Stauferzeit neugegründeten Städte auch, sehr rasch - und ließ dem kleinen Weiler am Klingenteichbach (vorläufig) keine Entwicklungschance.

Das bauliche Konzept der Stadt war klar gegliedert: Parallel zum Neckar verläuft etwa in der Mitte des Tals die Hauptstraße, die zum Fluss und zum Berg hin durch je eine Parallelstraße begleitet wird. Alle "Straßen" gehen vom Obertor aus und laufen zum (späteren) Mitteltor zusammen.

Die Straßen sind durch querlaufende "Gassen" verbunden, so dass sich ein einigermaßen regelmäßiges Grundmuster ergibt. An Schnittpunkten der Verkehrslinien wurden Freiflächen für Märkte und Brunnen ausgespart. Die Neckarbrücke führte schon im 13. Jahrhundert als wichtigster Zugang zur Stadt in der Verlängerung über die Steingasse direkt zur Hauptkirche der Siedlung, der gegenüber auch damals das Rathaus stand.

An den Toren, die bei Einbruch der Dunkelheit und bei Gefahr geschlossen wurden, und an den Eckseiten der Mauern standen dicke Türme. Der HEXENTURM im Innenhof der "Neuen Universität", in dein lange Zeit angebliche Hexen (und Diebe) gefangen gehalten und bisweilen gefoltert wurden, ist bis heute erhalten, - er mahnt an die Verführbarkeit ängstlicher Bürger genauso wie an die des Klerus und der Wissenschaft, die z.B. vor gar nicht so langer Zeit ein Pamphlet über die Geschwindigkeit des Hexenfluges als Doktorarbeit annahm.

Durch den Kaplan und Chronisten Friedrichs I., Matthias Kemnat, erfahren wir etwas über die Verbrennung von Hexen: "Die hab ich vil sehen verbrennen zu Heidelberg und auch ändern enden…"

Das Gericht wurde auf dem Marktplatz abgehalten. Die Verbrennungen fanden vermutlich wegen der Brandgefahr in der engen Stadt vor dem Speyrer Tor auf dem Schindervasen am Neckar statt, in den anschließend die Asche gestreut wurde.

Der nächtliche Ritt der Hexen soll zum "Hexentanzplatz" auf der rechts des Neckars gelegenen Bergseite und weiter zur "Angelgrub" in der Nähe von Wilhelmsfeld geführt haben.

1356 wurden durch ein Gesetz des Kaisers - der sogenannten "Goldenen Bulle" - sieben deutsche Fürsten zu Kurfürsten ernannt, die das Recht hatten, den Kaiser zu wählen. Zu ihnen gehörte auch der "Pfalzgraf bey Rhein". (Dieser hatte selbst an der Erstellung der Goldenen Bulle mitgewirkt!) Als Kurfürst von der Pfalz gewann er an Amtswürde und realer Macht, - so dass schließlich auch ein entsprechendes Schloss für den erweiterten Hofstaat gebaut werden musste. So wurde die Burg auf dem "Jettenbühel", 100 Meter über der Stadt, zu einem prächtigen Schloss ausgebaut.