Helke Sander: I like chaos, but I don’t know whether chaos likes me - Helke Sander - E-Book

Helke Sander: I like chaos, but I don’t know whether chaos likes me E-Book

Helke Sander

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Beschreibung

Die monografische Publikation „Helke Sander: I like chaos, but I don’t know, whether chaos likes me“ umfasst Texte aus „Frauen und Film“ von der ersten feministischen, deutschsprachigen Filmzeitschrift, die 1974 von Helke Sander gegründet und herausgegeben wurde. Die für die Publikation ausgewählten Texte fokussieren zentrale Fragestellungen der feministischen Filmarbeit, ökonomische sowie rechtliche Bedingungen und vor allem deren strukturelle Bedingtheit in gesellschaftlichen Verhältnissen und ihre radikale Kritik daran. In der Publikation werden die Wiederabdrucke der Texte aus „Frauen und Film“ von einem Gespräch zwischen Helke Sander und der Filmwissenschaftlerin Elena Meilicke zu den Anfängen und dem Entstehungskontext der Zeitschrift begleitet. Um zusätzlich die enge Verbindung zwischen der Praxis des Schreibens und der filmischen Arbeit zu verdeutlichen, werden erstmals Ausschnitte aus einer Arbeitsversion des Drehbuchs von „Die allseitig reduzierte Persönlichkeit – Redupers“ veröffentlicht. Die Publikation macht, sowohl in analoger als auch digitaler Version, Sanders Texte für die anhaltende Debatte zu Produktionsbedingungen und Geschlechterverhältnissen für nachfolgende Künstler*innengenerationen zugänglich. Mit Beiträgen von Valie Export, Helge Heberle, Elena Meilicke, Ula Stöckl und Gesine Strempel.

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Helke Sander

I like chaos, but I don’t know whether chaos likes me

Texte aus „Frauen und Film“

Hg. Achim Lengerer, Janine Sack

und

Inhalt

Einführung

Achim Lengerer und Janine Sack

Nimmt man dir das Schwert, dann greife zum Knüppel

Helke Sander

„Ich habe das erst einmal nur für mich aufgeschrieben“

Elena Meilicke im Gespräch mit Helke Sander über Frauen und Film

„Mann & Frau & Animal“

Interview

Valie Export und Helke Sander

Ein Gespräch über die Angst, über Schönheit und Hässlichkeit

Elfriede Irrall und Helke Sander

„Der Seele ist das Gemeinsame eigen, das sich mehrt“ Heraklit

Helke Sander

Feminismus und Film: „I like chaos, but I don’t know whether chaos likes me“

Helke Sander

Die allseitig reduzierte Persönlichkeit

Drehbuchvorlage (Auszüge)

Helke Sander

Die Herren machen das selber, daß ihnen die arme Frau feind wird Ablehnungsgeschichten

Helke Sander und Ula Stöckl

Krankheit als Sprache

Eindrücke von den Berliner Filmfestspielen 1980

Helke Sander

Wie „Frauen und Film“ entstand

Ein Erlebnisbericht

Helke Sander

Anhang

Einführung

Edda Chiemnyjewski, die Fotografin und alleinerziehende Mutter in Helke Sanders Film Die allseitig reduzierte Persönlichkeit – Redupers (1978), lehnt sich an ein wärmendes Fototrockengerät und scheint für einen kurzen Moment entspannen zu können – ein Augenblick der Ruhe in ihrem eng getakteten Tagesablauf, in dem sie Lohnarbeit, künstlerische Arbeit, gesellschaftspolitisches Engagement, Partnerschaft und Care-Arbeit mit ihrer Rolle als Mutter zu vereinbaren sucht. In dieser Szene von Redupers scheint das Thema auf, das Helke Sander auch in ihren Texten für die 1974 von ihr gegründete Filmzeitschrift Frauen und Film formuliert: konkurrierende Ansprüche und Tätigkeiten als spezifische Situation von Frauen, deren künstlerische und politische Arbeit sich Zeit und Raum verschaffen muss, sowohl im Privaten als auch in der Öffentlichkeit.

Der Wunsch, mit der vorliegenden Publikation eine Auswahl von Texten einer der Protagonistinnen des deutschen Films neu herauszugeben, entstand aus Gesprächen der Herausgeber*innen über politische Praktiken des Filmemachens und Publizierens. Die Publikationstätigkeit von Frauen und Film lesen wir hierbei als einen Akt einer schreibenden Selbstermächtigung von Filmemacherinnen, eingebettet in Fragen der emanzipatorischen und feministischen Bewegung im (West-)Deutschland der 1970er Jahre. Deshalb werden in der Publikation die Wiederabdrucke der Texte aus Frauen und Film von einem Gespräch zwischen Helke Sander und der Filmwissenschaftlerin Elena Meilicke zu den Anfängen und dem Entstehungskontext der Zeitschrift begleitet. Um zusätzlich die enge Verbindung zwischen der Praxis des Schreibens und der filmischen Arbeit zu verdeutlichen, veröffentlichen wir erstmals Ausschnitte aus einer Arbeitsversion des Drehbuchs von Redupers.

Die für die Publikation ausgewählten Texte fokussieren zentrale Fragestellungen der feministischen Filmarbeit, ökonomische sowie rechtliche Bedingungen und vor allem deren strukturelle Bedingtheit in gesellschaftlichen Verhältnissen und ihre radikale Kritik daran. Beispielhaft sei hier der titelgebende Text feminismus und film: „i like chaos, but i don’t know whether chaos likes me“ erwähnt, in dem Helke Sander dies folgendermaßen formuliert: „der ansatz, eigene interessen wahrzunehmen, äußert sich nicht nur in der destruktion herrschender ideologien, sondern eben konkret in den auseinandersetzungen am arbeitsplatz, bei filmemacherinnen in der kulturindustrie. anders gesagt, das authentischste, was frauen heute auf allen gebieten und auch in der kunst äußern können, besteht nicht in einer vereinheitlichung und harmonisierung der mittel, sondern in deren destruktion.“

Helke Sanders Texte für Frauen und Film gehen von konkreten persönlichen Erfahrungen aus und werfen anhand von systematischer Analyse und kollektiver Auseinandersetzung einen Blick auf gesellschaftliche, künstlerische und politische Bedingungen der Zeit. In den Texten zeigt sich ein dezidiert politisches Filmverständnis, in welchem das Schreiben, das Veröffentlichen, das Filmemachen und die Erfahrungen als Frau und Mutter komplexe Perspektiven auf gesellschaftliche Geschehnisse ermöglichen. Helke Sanders Beobachtungen in Bezug auf Machtverhältnisse, Mechanismen des Ausschlusses und stereotype Erzählweisen im Film können dabei heute noch Gültigkeit beanspruchen.

Bei der Neuveröffentlichung haben wir darauf Wert gelegt, die Originalschreibweisen und Eigenheiten der Zeichensetzung zu respektieren, die damaligen Konventionen und Genderschreibweisen sowie die Kleinschreibung von Texten beizubehalten. Minimale editorische Eingriffe erfolgten, wenn diese die Lesbarkeit der Texte unterstützen; offensichtliche Tippfehler und Fehlschreibungen von Namen wurden korrigiert.

Die Publikation entstand nicht zuletzt auch aus der persönlichen Erfahrung der Co-Herausgeberin Janine Sack, die in den 1990er Jahren an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg bei der dort lehrenden Professorin Helke Sander studierte. Eine Handvoll Ausgaben von Frauen und Film zogen nach dem Studium in viele Wohnungen von Janine Sack mit um und blieben sichtbares Zeichen dieser Verbundenheit. Der lang gehegte Plan, eine Auswahl von Texten wieder zu veröffentlichen, ist nun mit dieser Publikation realisiert, die sowohl als analoges Buch bei Scriptings/Archive Books als auch als E-Book bei Eeclectic erscheint.

Wir möchten uns ganz herzlich bei Helke Sander und Elena Meilicke sowie bei den Co-Autorinnen der Texte aus Frauen und Film bedanken, die dem Wiederabdruck zugestimmt haben: Uta Berg-Ganschow, Valie Export, Helge Heberle und Ula Stöckl.

Achim Lengerer und Janine Sack

nimmt man dir das schwert, dann greife zum knüppel

helke sander

wir wollen untersuchen, was die frauen hindert, sich als filmemacherinnen durchzusetzen, und warum die mehrzahl von ihnen trotz steigenden programmbedarfs ständig gegen arbeitslosigkeit zu kämpfen hat oder arbeitslos ist.

ausserdem wollen wir untersuchen, was die abwesenheit der frauen aus den gestaltenden berufen der massenmedien für das programm, das heisst auch für das bewusstsein der gesellschaft über ihre wirklichkeit bedeutet.

kurz: wir wollen die wirkungsweise des SEXISMUS in den massenmedien untersuchen und, soweit wir sie schon kennen, beschreiben.

der sexismus, das heisst die diskriminierung eines menschen aufgrund seines geschlechts, äussert sich ähnlich wie der rassismus. in der brd ist die geschlechtsdiskriminierung grundgesetzlich zwar abgeschafft, sie ist aber unbewusst mit gleicher wirkung vorhanden. die sexisten glauben in übereinstimmung mit der natur zu sein, wenn sie sich frauen gegenüber überlegen fühlen, der sexismus zeigt sich am augenfälligsten und beweisbarsten am ergebnis – in diesem fall an der abwesenheit der frauen aus dem beruf. seine existenz wird von den sexisten geleugnet.

der sexismus kann verborgen bleiben, solange die von ihm betroffenen ihn ebenfalls für eine schicksalhafte rollenverteilung halten. solange sie ihre minderwertigkeit akzeptieren, gibt es keinen grund zur konfrontation. zu der kommt es dann, wenn frauen gegen die ihnen zugewiesene rolle protestieren. wenn sie z.b. in die gleichen positionen drängen, die bisher aufgrund ihres prestiges männern vorbehalten waren. zum krieg aber kommt es, wenn diese frauen sich nicht nur mit der erreichung gleicher ziele zufrieden geben, sondern ihren beruf in anderer weise benutzen, um neue oder alte, aber nicht bewusst gemachte probleme darstellen zu wollen. unbewusste, aber nichtsdestoweniger systematische kriege werden aber nur dann geführt, wenn das medium, in dem und um das die auseinandersetzung geht, eine gesellschaftlich und politisch hervorragende bedeutung hat. das trifft bei film und fernsehen zu.

der sexismus zeigt sich in der filmbranche in dreierlei gestalt:

die erste hürde wird wirksam, bevor eine frau überhaupt in die nähe des films kommt bzw. bevor ihr der beruf als möglichkeit auch für sie als frau bewusst wird. hierfür ist die ganze gesellschaft verantwortlich: die mangelnde mädchenausbildung, die wenigen und einseitigen lehrberufe für mädchen, die rollenerziehung, die sexualerziehung, die fehlende ermunterung, die gesetze. dies bewirkt die vorauslese und ist dafür verantwortlich, dass viel weniger frauen ähnliche chancen haben wie männer. die rollenspezifische psychische konditionierung erschwert frauen später ihr durchsetzungsvermögen und verursacht ihre identitätsschwierigkeiten.

der sexismus gegenüber denjenigen, die den qualifizierten beruf erreicht haben, beweist sich in schlechteren aufstiegschancen, schlechterer bezahlung, grösserer kontrolle, in strenger angelegten massstäben, im zwang zur anpassung, im zwang, besser sein zu müssen als männer, in der angst, fehler zu zeigen. manche dieser diskriminierungen haben keine sexistische ursache, sie haben aber eine solche komponente.

das dritte gesicht des sexismus wird sichtbar in dem augenblick, wo sich frauen bewusst für die interessen der frauen einsetzen, sei es durch inhaltliche analysen, durch neue problemstellungen, durch formale experimente. in dem augenblick durchbrechen frauen das gesetz zur anpassung (obwohl sie nichts anderes machen, als ihre grundgesetzlichen rechte wahrzunehmen) und werden offen bekämpft. hier aber besteht auch die fast einzige chance, sich zu wehren, weil hier der sexismus aus dem untergrund auftaucht und dingfest wird – mit den mitteln des bürgerlichen rechts.

die legitimierung dafür, dass hier über die arbeitslosigkeit einer handvoll filmemacherinnen gesprochen wird, liegt in der tatsache begründet, dass diese handvoll auch für diejenigen spricht, die aufgrund des sexismus noch nicht in der lage sind, für sich selbst zu sprechen. sie liegt in der tatsache, dass die bevölkerung rund 40 % ihrer freizeit, wenn nicht noch mehr, vor dem fernsehschirm zubringt, dessen programm fast 100 % von männern gemacht wird und männliche leitbilder prägt. sie liegt in der tatsache, dass frauen ihre anpassung weitgehend über bilder lernen. sie lernen, sich geistig und körperlich nach diesen bildern zu formen, um gesellschaftliche, intellektuelle und emotionale anerkennung zu finden (ich will dich formen mir zum bild, sprach der HERR).

sprache kann überhaupt nicht durch ein paar emanzipationsbücher wiedergutmachen, was dauernd an verbrechen durch bilder passiert und die frauen dazu konditioniert, ihre unterlegenheit ständig neu zu akzeptieren.

in diesem und den folgenden heften soll der beweis gebracht werden, dass sich der sexismus nicht nur in der themenbehandlung zeigt, sondern ebenso im bildaufbau, in den einstellungen, in den bildklischees, ja sogar in solchen bereichen, in denen überhaupt keine frau vorkommt, wie beispielsweise im aufbau der tagesschau.

in später folgenden heften wird untersucht, welche rolle die frau als lustobjekt für männer vor der kamera spielt und welche als schlechtbezahlte lohnarbeiterin hinter der kamera in der filmindustrie. wir werden untersuchen, auf welche weise der sexismus in den filmen der männlichen deutschen filmemacher durchbricht, besonders bei denen, die unter dem vorwand, sich der emanzipation der frau anzunehmen, die probleme der frauen zum eigenen ruhme einfach nur ausbeuten.

wir wollen aufzeigen, welche neuen inhalte bei den filmenden frauen zu erkennen sind, welche ästhetischen fragen, welche schwierigkeiten frauen zu überwinden haben, weil unsere vorbilder, unsere filmsprache, unser filmverständnis sexistisch geprägt sind. wir werden über die filmkollektive berichten, über neue produktions- und distributionsformen, die frauen entwickeln.

der vorliegende erste teil wird sich mit fakten befassen, die frauen an der ausübung ihres berufs als filmemacherinnen hindern. ich schildere den sexismus aus meiner erfahrung und der meiner kolleginnen und ziehe daraus meine schlussfolgerungen.

die arbeitsplätze der filmemacherinnen

nach der revue du cinema (april 74, s. 18) soll es auf der welt ca. 5000 männliche und 500 weibliche filmemacher geben, nach dem spiegel (nr. 17/74) sind es 150 weibliche filmemacherinnen. wie auch immer diese zahlen zustandegekommen sein mögen, das verhältnis ist in jedem fall schlecht. betrachtet man das fernsehprogramm, das allein in der brd täglich ca. 25 programmstunden auf drei kanälen ausstrahlt, auf seine regisseure hin, dann scheint die letztere eher zuzutreffen.

danach kämen auf hundert männliche filmemacher drei weibliche. die wirklichkeit ist aber noch trostloser. von den etwa 50 filmemacherinnen aus zehn ländern, die ich selber kenne, können nur etwa fünf zur zeit von ihrer arbeit leben. das heisst, sie haben in den letzten ein bis zwei jahren arbeiten können (wenn auch nicht unbedingt die arbeit, die sie wollten, sondern die, die sie kriegten). die situation kann sich aber von heute auf morgen ändern und in den nächsten jahren können es fünf andere sein, die arbeiten und von ihrer arbeit leben können. halten wir diese zahl für einen repräsentativen durchschnitt, woran ich nicht zweifeln möchte, dann können von den filmemacherinnen, die es gibt, immer nur ca. 10 % ihren beruf ausüben und davon leben. das sind drei auf 1000 oder 0,3 %.

da wir nicht über die teuren produktionsmittel verfügen, um zu arbeiten, müssen wir unsere arbeitskraft verkaufen. in der brd können wir also nur produzieren, wenn wir einen auftrag bekommen. aufträge von spielfilmproduktionen fallen aus gründen, die später klar werden, praktisch ganz weg. es bleiben die öffentlich-rechtlichen anstalten, die fernsehsender.

die verzweifelten versuche einiger filmemacher, der kapitalistischen produktionsweise ein schnippchen zu schlagen und im zeitalter der monopole zu versuchen, sich jeden groschen vom munde abzusparen, um irgendwann einmal einen film selber zu produzieren, sind langfristig zum scheitern verurteilt. selbst wenn es ausnahmsweise gelingen sollte, auf diese weise einen film zu ende zu bringen, ist er, was material, ausstattung, drehverhältnis, gagen u.a. betrifft, nicht konkurrenzfähig. im zeitalter von breitwand und farbe kann man das publikum nur in ausnahmefällen mit 16 mm schwarz/weiss ins kino locken – vorausgesetzt, man hat einen verleih und ein kino.

die leihgebühr für eine einfache kameraausrūstung für 16 mm, eine tonausrüstung und einen einfachen lichtsatz kostet heute pro tag um die 1000,– dm. dazu kommen material, kopierwerkskosten, gagen, requisiten und all die anderen nebenkosten, die bei einem film entstehen. das heisst, ein einfachster interviewfilm, gedreht an einem ort, mit einer person und ohne aufwand, übersteigt heute schon die möglichkeiten einer normalen privatperson mit bürgerlichem ehrenkodex. diejenigen, die es trotzdem schaffen, derart „frei“ zu produzieren, schaffen das nur, wenn sie irgendwo eine quelle haben, umsonst an ein studio, einen schneidetisch, an geräte usw. zu kommen. das ist nur möglich im umkreis von öffentlichen einrichtungen, deren gerätepark man auf eine mehr oder weniger legitime art für sich zu nutzen versteht. das geht nur über beziehungen. auf diese weise hängt manche filmerexistenz an einem schneidetisch in einer katholischen bildstelle oder einer kamera in einem zoologischen institut. um solche einrichtungen scharen sich filmer wie verwandte um einen lotteriegewinner. das bedeutet für alle, die so arbeiten müssen, unzumutbare arbeitsbedingungen, aber es ist eine möglichkeit, heute zu produzieren.

in der gruppe der nach kommerziellen gesichtspunkten gedrehten kinofilme gibt es eine frau, die zweimal einen spielfilm produziert hat: may spils. die prämien des bundesinnenministeriums, die jährlich vergeben werden, um den guten spielfilm zu fördern, hat noch keine frau bekommen.

das gros der filmemacher produziert direkt oder indirekt für das fernsehen. direkt als angestellte auf zeit für ein bestimmtes projekt, indirekt in einer freien produktion im auftrag des fernsehens oder ganz frei, mit der hoffnung, es später, wenn es fertig ist, ans fernsehen zu verkaufen (wobei dann oft die bezahlten minutenpreise nicht einmal die produktionskosten decken). für das fernsehen produziert relativ regelmässig die filmemacherin helma sanders, seltener jetzt erika runge, noch seltener die abgängerinnen der berliner filmakademie mit einer ausnahme: marianne lüdcke. in der dritten kategorie produzieren die filmemacher, die noch in den akademien sind oder zugang zu ihnen haben, die filmemacher, die eine kleine prämie bekommen haben, aber auf finanzielle oder materielle hilfe anderer institutionen angewiesen sind.

die meisten filmemacherinnen machen dokumentarfilme oder features. das ist nur bedingt eine freie entscheidung. generell sind dokumentarfilme eher zu bezahlen und aufträge aus den gleichen gründen leichter zu bekommen als spielfilme. die filmemacherinnen, die mit spielfilmen oder mischformen aus spiel- und dokumentarfilm begonnen haben wie cristina perincioli, valeska schöttle und ich, haben diese arbeit nicht fortsetzen können, obwohl unsere filme dauernd gespielt werden.

es gehört mit zu den symptomen des sexismus in den massenmedien, dass filmemacherinnen arbeitslos sind bei gleichzeitiger expandierung des programms, dass frauenfilmseminare und festivals, die sich mit den inhaltlichen und formalen problemen des sexismus im film befassen, wenig oder gar keine öffentliche unterstützung bekommen und eine mehr als dürftige aufnahme von der kritik und dass arbeiten wie diese hier kein thema der kommunikationsforschung sind.

die bedeutung von frauenfilmfestivals für die erkenntnis des sexismus

es hat in den letzten drei jahren in einer reihe von ländern frauenfilmfestivals gegeben, bei denen frauen zum erstenmal die möglichkeiten hatten, die arbeiten ihrer kolleginnen kennenzulernen und ihre eigenen arbeiten zu diskutieren. für die meisten von uns war es eine überraschung, dass wir immerhin schon so viele sind, um ein ganzes festival mit unseren filmen zu füllen. denn wir selbst lernen uns ja als strich hinter dem komma verstehen und sind mit unseren spezifischen problemen isoliert. in dem sozialen und beruflichen rahmen, in dem wir arbeiten, wenn wir arbeit haben, werden wir als ausnahme erlebt und behandelt. wir werden anerkannt, wenn wir nicht zu erkennen geben, dass wir als frauen gesellschaftliche widersprüche anders erfahren als männer.

dass die mögliche anerkennung, die man heute in dem beruf als frau erfahren kann, weitgehend auf anpassung an männer und anerkannte gruppen beruht, ist eigentlich nur auf solchen veranstaltungen zu erfahren und nicht in der isolierung als ausnahmefrau.

es ist in einer grossen literatur ausführlich dargestellt worden, auf welche weise die massenkommunikationsmittel die herrschaftsverhältnisse unserer gesellschaft ausdrücken, und es ist hinlänglich bewiesen worden, dass die massenmedien selbst im besitz der herrschenden klasse sind (pressemonopole) oder von ihnen verwaltet werden (rundfunkräte und deren besetzung), so dass ich darauf nicht weiter eingehe (siehe hierzu für viele: solidarität gegen abhängigkeit, luchterhand). indem wir die kategorie des sexismus einführen, bekommen die „herr“schaftsverhältnisse für uns ein anderes gesicht und eine zusätzliche bedeutung. wir werden beweisen, dass die massenmedien nicht nur dahin wirken, die bestehenden produktionsverhältnisse so zu belassen, wie sie sind, sondern auch die bestehenden geschlechterbeziehungen mit der bestehenden arbeitsteilung zwischen männern und frauen. dieser zusatz ist unabdingbar für ein verständnis unserer gesellschaftlichen wirklichkeit. diese funktion der medien bei ihrer analyse auszulassen ist unmaterialistisch und falsch. die tatsache, dass dies dauernd geschieht, nicht einmal als lücke bemerkt wird oder als nebensache abgetan wird, ist selbst schon wieder ein beweis für den sexismus. – solange die kopernikaner nicht die macht hatten, sich durchzusetzen, musste sich die sonne um die erde drehen.

um die wirkungsweise des sexismus zu zeigen, ist es am einfachsten, von den frauen auszugehen, die ihre ausnahmesituation im beruf nicht als selbstbestätigung erfahren, sondern als indiz für die bestehende unterdrückung der frauen und als angriff gegen ihr geschlecht, und die ganz bewusst in ihrer arbeit versuchen, die geschlechtsunterdrückung in allen ihren äusserungen zum thema ihrer arbeit zu machen, und die aufgrund dieses versuchs an der arbeit gehindert werden.

die unterdrückerischen argumente der arbeit„geber“

trotz ihrer offensichtlichen unsinnigkeit macht sich eine these breit: alle – irgendwie engagierten – filmemacherinnen würden eine gruppe bilden, irgendwie aus einer partei hervorgehen, der feministischen, und deshalb selbstverständlich nicht „objektiv“ sein können. abgesehen davon, dass die meisten filmemacherinnen sich untereinander nicht kennen bzw. sich erst jetzt durch die festivals kennenlernen, wird der begriff „feministische filmemacherin“ von denen, die sich selber so bezeichnen, von filmemacherinnen, die sich selber so nicht bezeichnen, und von der presse in einem durchaus unterschiedlichen sinn gebraucht. so oder so benutzt, taugt der begriff nicht viel, da er aber dauernd verwendet wird, sei er hier kurz erklärt.

grob gesagt, versuchen feministen jedes problem vom standpunkt der frauen aus zu überprüfen und danach ihre handlungen zu richten. da der begriff aber nicht eindeutig definiert ist, sondern höchst verwaschen gebraucht wird, muss die analyse noch immer amkonkreten beispiel erfolgen. der begriff feminismus wird heute sowohl von denen zur eigenen charakterisierung gebraucht, die für die abschaffung der klassenherrschaft kämpfen, als auch von denen, die männer in keiner form mehr akzeptieren und einen eigenen frauenstaat diskutieren.

die kommentierende männerpresse verzichtet dann grosszügig auf differenzierungen und korrekte informationen. sie versteht unter feministen im besten fall frauen, die ein bisschen über das ziel hinausschiessen, die man nicht ganz ernst zu nehmen braucht, weil diese frauen harmlos sind und erst lernen müssen, objektiv zu sein und ihre zweifellos vorhandene unterdrückung in den richtigen rahmen zu stellen.

die weniger wohlwollende presse versteht unter feministen hysterische weiber mit „abstrusem männerhass“ (gerhard bott in dem film: der mann muss hinaus ins feindliche leben, besprochen in frauen und film nr. 2), die weit davon entfernt sind, emanzipation zu verstehen, sondern im gegenteil „dem gedanken der emanzipation eher schaden“.

mit diesem begriff von feminismus ist es dann für die aufgabenwalter der öffentlich-rechtlichen anstalten leicht, frauen, die in dem ruf stehen, feministen zu sein (und in dem ruf steht jede frau, die sich für frauen einsetzt), abzutun. der begriff feminismus liefert ihnen die berechtigung für den offenen sexismus. indem man alle frauen, die einem unbequem sind, unter diesem begriff subsumiert, glaubt man noch im öffentlichen interesse zu handeln und die öffentlichkeit vor „unsachlichkeit“ zu schützen.

filmemacherinnen werden zum verlängerten arm der frauenbewegung erklärt und in diesem sinn für parteiisch und manipulativ. dies wird selten direkt, öfter durch die blume gesagt (daher ist der sexismus so schwer an einem einzelbeispiel nachzuweisen). manchmal schlägt jedoch die ehrlichkeit durch: „sie sind nicht objektiv“, sagte mir einmal ein hauptabteilungsleiter, als ich einen film über den aktuellen stand der frauenbewegung machen wollte. „im übrigen sind wir schon viel weiter. wir sind schon bei der emanzipation des mannes.“ den objektiven film machte dann ein mann (fuf nr. 2).

wie man weiss, sind alle wichtigen posten in den rundfunkanstalten nach dem parteienproporz besetzt. niemand – leider – würde den redakteuren unterstellen, sie seien die handlanger ihrer partei und würden ihre sendungen im auftrag ihrer partei machen. aber nichts ist so abgeschmackt, dass man es nicht auf frauen anwenden könnte, wenn sie als feministen gelten.

wir wollen uns an dieser stelle nicht mit den problemen der rundfunkstruktur befassen, sondern hier lediglich konstatieren, dass der sogenannte „pluralismus der meinungen“ ausser kraft gesetzt wird, wenn frauen auftauchen, die sich zur frauenbewegung zählen.

nun besteht aber die frauenbewegung nicht in einer organisation, die die reale möglichkeit hätte, beauftragte zu entsenden, wie dies bei den parteien theoretisch und praktisch der fall ist, sondern die frauenbewegung besteht heute noch in erster linie in einem bewusstseinsprozess vieler frauen, die gemeinsam mit vielen anderen frauen die überzeugung teilen, dass ihre unterdrückung, wie und wo auch immer sie auftaucht und neu entdeckt wird, abgeschafft werden muss. ginge es also hier nach dem grundgesetz, dann müssten die frauen besonders gefördert werden.

tatsache ist dagegen, dass eine frau, die ihren posten behalten will, nicht zu erkennen geben darf, dass sie zu einer frauengruppe gehört. die frauen, die in den verschiedenen städten mediengruppen bilden, um sich über ihre geschlechtsdiskriminierung im beruf bei presse, funk und fernsehen klar zu werden, halten dies aus realer existenzangst sogar noch geheim.

in diesen gruppen wird nun nicht etwa der umsturz geplant und der posten von intendant barsig oder panoramachef merseburger planspielhaft mit frauen besetzt. da wird nicht etwa darüber gestritten, ob man lieber geschlechterparität in allen rundfunkanstalten fordern soll oder geschlechterteilung zwischen ard und zdf. bestenfalls informieren sich die frauen gegenseitig, berichten sich, wer wieder welchen beitrag mit welcher begründung abgelehnt hat. der terror durch die jederzeit mögliche ersetzbarkeit durch andere zwingt die frauen dazu, auch ihren besten kolleginnen gegenüber äusserst vorsichtig zu sein. denn arbeitslose freiberufliche filmemacherinnen, journalistinnen, kritikerinnen können bis jetzt nicht mit öffentlicher solidarität rechnen. es ist weitaus einfacher, wegen zugehörigkeit zur dkp oder einer anderen sozialistischen organisation erfolgreich protest zu mobilisieren, als eine hand zu finden, die sich für frauen rührt, die dem sexismus zum opfer fallen.

jede frau, die sich mit einer anderen in einer mediengruppe oder auch nur zur gemeinsamen arbeit zusammenschliesst, weiss, dass dies ihre arbeitschancen gefährden kann oder ihre finanzielle grundlage schmälern kann. die sexistische diskriminierung schliesst übrigens nicht aus, dass eine frau nicht gleichzeitig auch gegen ihren willen zum paradepferd gemacht werden kann. aber zwei paradepferde wären schon nicht möglich, sie wären schon ein gespann, eine minigruppe, der kern einer vereinigung. aus diesem grund kann konkurrenz gar nicht leicht abgebaut werden, sie ist für die einzelnen freiberuflich arbeitenden frauen und männer noch eine berufsbedingung. und sogar schlimmer bei frauen. die dauernde verwechslung und namensverdrehung von helma sanders und helke sander ist ausdruck der verwunderung darüber, dass zwei frauen in der gleichen branche möglich sein können.

nach der absetzung des panoramabeitrags von alice schwarzer ging ein stöhnen durch den ndr, das sich in den worten ausdrückte: „nur keine suffragette mehr ins haus.“ ein