Henry - Amalia Hope - E-Book

Henry E-Book

Amalia Hope

0,0

Beschreibung

Henrys Schicksal scheint besiegelt, seit er vor zwanzig Jahren seine große Liebe Diana für seinen Vater töten musste. Jahrelang lebt Henry mit der schmerzhaften Erinnerung seiner blutigen Entscheidung und fügt sich seinem Leben in der Dunkelheit. Doch als es zum Krieg zwischen den Avataren und den Söhnen der Nacht kommt, wechselt Henry die Seiten.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 129

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Für Lucyna

Mein Licht in dunkelster Nacht

Warnung

Seine Augen sind der Spiegel seiner geläuterten Seele.

Sein einst vereistes Herz schlägt für die Liebe.

Sein Gesicht trägt die Züge der Sanftmütigkeit.

Sein Lächeln verspricht das Paradies auf Erden.

Er ist ein Sohn der Nacht.

Ein sanfter Liebhaber für die Frau, die er liebt, doch er bleibt ein Raubtier für die Menschheit.

Er lebt in der Dunkelheit und es dürstet ihn nach Eurem Blut.

Hört auf diese Warnung!

Flieht ins Licht, wenn die Nacht seinen Namen flüstert: HENRY!

Inhaltsverzeichnis

Eine Großstadt im Süden

Berga/Elster – Waldgebiet

Eine Kleinstadt im Norden

Höchste Ebene

Berga/Elster – Buntes Häuschen

Berga/Elster – Schloss

Neustadt/Orla – Gabriels Haus

Eine Großstadt im Süden

Berga/Elster – Schloss

Berga/Elster – Buntes Häuschen

Höchste Ebene

Kassandras Wohnung

Berga/Elster – Buntes Häuschen

Berga/Elster – Schloss

Berga/Elster – Buntes Häuschen

Neustadt/Orla – Ewans Haus

Berga/Elster – Buntes Häuschen

Höchste Ebene

Neustadt/Orla

Neustadt/Orla

Berga/Elster – Buntes Häuschen

Berga/Elster – Waldgebiet

Berga/Elster – Buntes Häuschen

Berga/Elster – Schloss

Höchste Ebene

Neustadt/Orla – Kassandras Wohnung

Berga/Elster – Schloss

Berga/Elster – Buntes Häuschen

Berga/Elster – Schloss

Berga/Elster – Buntes Häuschen

Berga/Elster – Schloss

Neustadt/Orla – Kassandras Wohnung

Berga/Elster – Buntes Häuschen

Berga/Elster – Schloss

Höchste Ebene

Berga/Elster – Schloss

Berga/Elster – Schloss

Neustadt/Orla – Kassandras Wohnung

Berga/Elster – Buntes Häuschen

Berga/Elster – Schloss

Höchste Ebene

Berga/Elster – Buntes Häuschen

Berga/Elster – Schloss

In der Unterwelt

Berga/Elster – Buntes Häuschen

Berga/Elster – Waldgebiet

Berga/Elster – Buntes Häuschen

1Eine Großstadt im Süden

Lucyna warf einen müden Blick auf die Uhr an der Wand. „Noch eine Stunde bis Mitternacht“, flüsterte sie und fuhr sich nervös durch ihr schulterlanges braunes Haar.

Seit sechs Jahren saß Lucyna nun schon an ihrem Schreibtisch in der Redaktion einer großen Zeitung.

Heute war es keine große Story, die sie hier festhielt, sondern eine Entscheidung, die sie für ihren Seelenfrieden getroffen hatte. Bei dem Gedanken an den Schnellzug, der sie in die schmerzerfüllte Vergangenheit bringen würde, kroch Angst in Lucyna hoch und ließ ihr Herz wild schlagen. In der Heimat wartete nicht nur Paul, ihr Ziehvater, es drohte auch die Erinnerung an einen Mann, die die Hektik einer Großstadt hatte verblassen lassen. Doch bei aller Angst wusste Lucyna, die Vergangenheit würde erst ihren Schrecken verlieren, wenn sie ihr selbstbewusst ins hässliche Antlitz blickte. Ein Geräusch riss Lucyna aus ihren Gedanken. Neugierig sah sie zum Fahrstuhl hinüber. Als die Tür sich öffnete, erschien Peter, ihr guter Freund und Chef. Außer Atem lief er auf sie zu.

„Lucyna sollten Sie nicht längst weg sein?“

„Und ich dachte, Sie seien längst mit Ihrer Frau in der Oper.“

„Ich habe die Eintrittskarten auf meinem Schreibtisch liegen lassen, und welche Entschuldigung haben Sie?“

„Mein Zug fährt erst nach Mitternacht.“

„Sind Sie sicher, dass Sie mich hier allein lassen wollen?“, bohrte Peter nach und blieb neben Lucyna stehen. „Ich konnte Paul nicht schon wieder versetzen, und die Ruhe einer Kleinstadt wird mir sicher guttun.“

„Ich hoffe, Sie finden die Ruhe, nach der Sie suchen.“ Väterlich legte Peter seine Hand auf Lucynas Schulter, bevor er sich abwandte und zu seinem Büro lief. Lucyna sah ihm wehmütig hinterher. Seit dreißig Jahren war ihr Chef schon verheiratet, und er liebte seine Frau noch immer abgöttisch, wie sie oft auf Preisverleihungen beobachtet hatte.

Lucyna waren nur blutige Träume geblieben, die Ewigkeit, die sie ersehnt hatte, war der Ernüchterung der Realität gewichen.

„Ich habe sie!“ Peter hielt die Karten hoch, als er aus seinem Büro trat. „Auf zur kleinen Nachtmusik. Wir sehen uns in vier Wochen, Lucyna.“ Eilig schlug er den Weg zum Fahrstuhl ein.

„Gute Nacht, Chef. Ich werde Sie vermissen!“, rief Lucyna ihm noch zu, bevor sich die Fahrstuhltür schloss.

„Wieso gehe ich nicht in die Oper, das wäre das kleinere Übel“, überlegte Lucyna laut. Sie wusste, auf sie wartete mehr als die Ruhe, die die Kleinstadt Berga/Elster versprach. Das laute Klingeln des Telefons übertönte ihre Stimme.

„Hallo“, meldete sich Lucyna leise.

„Lu, hier ist Maik, du ahnst nicht, was sich in den Gassen unserer Stadt abspielt, und du erfährst es als erste Reporterin der Stadt.“

Lucyna fuhr sich stöhnend durchs Haar. Sie brauchte Abstand, und zwar dringend. Sechs Jahre Nacht für Nacht auf der Spur der Täter waren genug.

„Bitte sage mir, dass ein Apfel vom Baum fiel und in die falsche Richtung rollte“, flehte sie.

„Nein, besser. Wir haben eine blutleere Leiche, und ich bin über sie gestolpert. Lu, das wird die Story unseres Lebens“, plapperte Maik, Lucynas Informant, aufgeregt ins Telefon.

„Blutleer?“, flüsterte Lucyna, und ein Bild aus der Vergangenheit flackerte auf und nahm ihr den Atem.

„Wenn ich es dir sage, Lu, nicht einen Tropfen Blut hatte diese Frau im Leib. Ihr Blut ist verschwunden.“

Ein kalter Schauer überfiel Lucyna, es schien, als hätte ihre Vergangenheit sie hier und heute eingeholt. „Das ist faszinierend, Maik, dennoch muss die Story ein anderer schreiben.“ Lucynas Stimme zitterte.

„Ich kann nicht glauben, dass du dir eine blutleere Leiche entgehen lässt“, drang es fassungslos in Lucynas Ohr. „Tut mir leid, Maik, ich brauche eine Pause in der Heimat. Wir sehen uns in vier Wochen.“

„Dann sehen wir uns in einem Monat.“ Maik klang enttäuscht. Die Leitung knackte.

„Blutleer“, flüsterte Lucyna erneut und sah wieder den Mann vor sich, den sie einst liebte. Fest hatten sich seine Lippen auf die durchschnittene Kehle einer jungen Frau gepresst und gierig hatte er ihr Blut getrunken.

Damals war sie davongelaufen, vor ihm, vor der Erinnerung, vor sich selbst, und hatte in dieser Stadt ein neues Leben gefunden, einen neuen Herzschlag. Doch sie konnte und wollte Paul nicht enttäuschen. Ein erneuter Blick auf die Uhr sagte Lucyna, dass es an der Zeit war, ein Taxi zu rufen.

2Berga/Elster – Waldgebiet

Ein heftiger Sturm fegte über die Kleinstadt Berga/Elster, deren Berge die Stadt umrandeten wie Wächter, die das Böse fernhielten. Kalt fiel ein Platzregen auf die Straße und durchnässte das schwarze Hemd des Mannes, durch dessen Adern das Böse floss.

„Bah“, angewidert spie Jared das Blut des älteren Herrn aus, den er vor wenigen Minuten mit einem Schnitt durch die Kehle vom Dasein auf Erden erlöst hatte. Jareds Herz schlug wild vor Wut. Er war ein edles Geschöpf, und alles, was er heute Abend in dieser verdammten Kleinstadt gefunden hatte, war ein Mensch, der sein Verfallsdatum schon vor langer Zeit überschritten hatte. Seine Brüder würden nicht erfreut sein. Jared kniete auf der regennassen Straße und blickte nach oben in das Waldgebiet, das sich rechts der Hauptstraße erstreckte und das den Blick auf ein Schloss freigab, das einst auf einem Bergsporn erbaut worden war. Heute war es nur noch ein Überbleibsel einer längst vergangenen Zeit, das baufällig am Waldrand stand und die Geschichte früherer Epochen erzählte. Im Gestern beherbergte dieses Schloss adlige Gäste, die dort, vom Volk beneidet, rauschende Feste gefeiert hatten. Heute lebte und atmete dort das Böse.

Fest zog Jared ein weißes Tuch, das sich sofort rot färbte, um den Hals seines Opfers, damit kein Blut, das sie so dringend brauchten, verloren ging. Es musste reichen für ihn und seine Brüder, mit denen er Schutz in diesem zugigen Schloss gefunden hatte. Hoffnungsvoll blickte Jared auf und sah Olaf an einer Öffnung ihres neuen Obdachs stehen; früher hatte sich dort ein Fenster befunden.

Jared warf sich die Leiche des kleinen fettleibigen Mannes über die Schulter und lief in Richtung Waldweg. Es war ein Weg der Hoffnung, der bald ein neues Zeitalter einläuten sollte. Diesen Weg gingen auch bald viele seiner Brüder, die sich ihm im Kampf gegen ihren Schöpfer und die Sonne angeschlossen hatten. Wie Jared hatten es seine Brüder satt, in Verstecken zu leben wie Ausgestoßene. Olaf öffnete das quietschende Tor, als Jared mit seiner Beute am Schloss ankam. Zufrieden schritt Jared hindurch, schon bald würde eine ewige Dunkelheit ihn zum Herrscher der Welt machen.

3Eine Kleinstadt im Norden

Nachdenklich stand Henry am Fenster und starrte hinaus in die Dunkelheit. Alles wirkte still und friedlich, doch Henry kannte die Schatten, die die Nacht verbarg. Seine Brüder waren da draußen und in ihnen tobte die Wut. Ihr Traum von einer dunklen Welt war jäh zerstört worden durch die Kraft der Liebe, die ihr Vater für Cara empfand.

„Vater“, hauchte Henry mit gemischten Gefühlen, noch immer fiel es ihm schwer, diesen Namen auszusprechen. Henrys Herz pochte heftig bei dem Gedanken daran, ob sein Vater den Wunsch, der die letzten Monate in ihm gereift war, unterstützen würde. Henry machte sich keine großen Hoffnungen, wusste er doch, dass es nicht nur von seinem Vater abhing, seinen Traum wahr werden zu lassen. Vor fünf Monaten war Henry in diese Stadt und in eine kleine Wohnung gezogen, um fernab der Angst leben zu können, bei Laras Anblick vor Schmerz nicht atmen zu können. Henry wusste, vor zwanzig Jahren war er ein Feigling gewesen, er hatte seine Liebe geopfert und gehofft, die Zeit würde die Erinnerung an Diana töten. Doch mit der Auferstehung seines Vaters wurde eine neue Hoffnung geboren, heute war die Welt für ihn eine andere und er war ein anderer Mann. Es wurde Zeit, in die Stadt der Erinnerung zurückzukehren und sein einsames Schicksal zu ändern. Henry atmete tief durch, als er an das Gespräch vor drei Tagen mit seinem Vater dachte, in dem er seinen Vater über Jareds Plan und seine Rückkehr informiert hatte. Henry überfiel Schwermut angesichts seines Wunsches nach einem Leben mit Diana und der blutigen Realität, die Diana so verabscheute und in der er leben musste. Henry wandte sich vom Fenster ab, sein Blutdurst zwang ihn, sein Schicksal anzunehmen. Henry nahm seinen Dolch vom Tisch und fühlte einen Stich im Herzen. Wie oft hatte er Diana geschworen, keine Menschen mehr zu töten, doch er hatte einsehen müssen, dass es keine Alternative für einen Sohn der Nacht gab.

„Vergib mir, Diana“, flüsterte Henry, als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel und ihn die Dunkelheit verschlang.

4Höchste Ebene

Wut, Verzweiflung, Hoffnung und Liebe, all diese Gefühle durchfluteten Diana, als sie am späten Abend im Rosengarten der höchsten Ebene darüber sinnierte, was Thomas ihr über seine Begegnung mit Henry erzählt hatte.

Dianas Herz raste, als die alten Bilder, die sie einst mit Henry verbanden, in ihrem Kopf lebendig wurden. Bilder, die die Geschichte einer Liebe erzählten, die die Dunkelheit besiegen wollte und doch im Licht der Sonne nicht existieren konnte. Während ihr Verstand die bittere Wahrheit erkannte und einsah, dass Henry nicht ihr, sondern der Dunkelheit gehörte, umgab ihr Herz einer Aura von unsterblicher Liebe, die keine Vernunft durchdringen konnte.

„Du siehst nachdenklich aus, darf ich mich zu dir setzen?“, riss Thomas, der sich langsam näherte, Diana aus ihren Gedanken.

„Natürlich, nimm Platz“, erwiderte sie erleichtert, den Mann zu sehen, der ihre Gefühle für Henry verstand. Thomas schmunzelte.

„Ich muss dich nicht fragen, an wen du denkst.“

Diana rang um Fassung.

„Seit Henry mich getötet hat, lebe ich in diesem Schloss. In dieser Welt fand ich inneren Frieden, weil ich erkannte, dass der Mann, den ich liebe, ein Opfer seiner Herkunft ist und ein Wir unmöglich.“

Diana sah Thomas tief in die Augen. „Nun bist du hier und meine Welt geriet aus den Fugen. Henry hat seinen Brüdern getrotzt, meine kleine Schwester beschützt und seine Liebe zu mir gestanden. Diese Welt, die mir inneren Frieden schenkte, ist nun ein Gefängnis, das mich von einer Liebe trennt, die endlich sein könnte.“ Mitfühlend legte Thomas seine Hände auf die ihren und spürte ihr Zittern.

„Was empfindest du, wenn du an Henry denkst?“

„Nun“, Diana seufzte. „Mein Herz denkt anders, als mein Verstand. Als Henry mich getötet hat, habe ich nichts gespürt, stattdessen hatte ich eine Vision von diesem Schloss, diesem wunderschönen Rosengarten.

Ich weiß heute, Henry hat mich beschützt und das machte es leichter ihm zu vergeben. Ich weiß, wie schwer ihm sein Schicksal fällt, seit er mich traf und nun sind wir auf ewig getrennt.“

„Jedes Gefängnis öffnet irgendwann seine Türen.“

Diana schüttelte heftig ihren Kopf und ihre Augen füllten sich mit Tränen.

„Nicht dieses. Bitte, wenn du auf die Erde zurückkehrst, sage Henry, dass ich ihn liebe und ihm vergebe.“

„Er wird es erfahren“, versprach Thomas.

„Ich wünschte nur, ich wüsste, wie lange Kairon mich hier noch festhalten will. Noch mehr beunruhigt mich, dass er Saphira gestern auf die Erde schickte. Ich hoffe, es gibt dort nicht neues Unheil, alles schien so hoffnungsvoll, als ich die Erde verließ.“

„Ich wünschte, ich könnte mit dir gehen“, seufzte Diana.

5Berga/Elster – Buntes Häuschen

Lucyna stellte die schwere Reisetasche, die sie vom Bahnhof bis zum Motel geschleppt hatte, auf dem Gehweg ab und betrachtete das Gebäude, das der ganze Stolz ihres Ziehvaters war.

Es war in einem wunderschönen Blau gestrichen, und ein Künstler hatte die Schönheit des Elstertales darauf verewigt. Freude und Angst zugleich überfielen Lucyna.

Konnte sie es einerseits kaum erwarten, Paul nach sechs langen Jahren wiederzusehen, umklammerte sie andererseits die Angst vor der Erinnerung an den Mann, der sie an den Rand der Hölle geführt, ihr Herz zerbrochen und ihre Seele zerstört hatte. Tief atmete Lucyna durch, sie schuldete Paul einen Besuch und vieles mehr.

Paul, ein guter Freund ihres Vaters, hatte sie wie eine Tochter aufgenommen, als Lucynas Eltern vor zwanzig Jahren spurlos verschwunden waren. Sieben Jahre alt war Lucyna damals gewesen. Sie griff nach ihrer Tasche.

„Komm schon, Mädchen, stell dich deinem Schicksal“, rügte sie sich selbst und ging auf die Eingangstür zu. Drinnen brannte Licht, und Paul stand hinter der Rezeption. Lucyna überfiel ein schlechtes Gewissen, nur ihretwegen war er halb vier Uhr nachts noch wach. Lucyna atmete noch einmal tief durch, bevor sie die Eingangstür aufschob. Pauls Gesicht fing an zu strahlen. Er trat sofort hinter der Rezeption hervor und lief mit ausgebreiteten Armen auf sie zu.

„Mein Mädchen, du hast in unsere kleine Stadt zurückgefunden.“ Überschwänglich umarmte er sie.

Lucyna genoss es aus tiefstem Herzen, wieder in den Armen des Mannes zu liegen, der ihr in so vielen schweren Stunden Halt gegeben hatte.

„Sei mir nicht böse, Paul, ich bin todmüde. Lass uns morgen reden“, murmelte Lucyna an der Schulter ihres Ziehvaters.

„Sicher, mein Kind. Ich bringe dich nach oben.“ Paul lief zur Rezeption zurück, um den Zimmerschlüssel zu holen.

„Du hast keine anderen Gäste?“, fragte Lucyna erstaunt, als sie auf das Brett an der Wand sah, das voller Schlüssel hing.

„Morgen wird es hier voller sein. Fast alle Zimmer sind vermietet.“ Paul hielt einen Schlüssel hoch.

„Nummer sechsundzwanzig, du hast ein Zimmer mit Waldblick.“ Er eilte auf Lucyna zu und ergriff ihre Tasche. „Folge mir.“

„Ich kann nicht glauben, dass du dein schönes Haus verkauft hast, um jetzt hier zu wohnen“, bemerkte Lucyna und folgte Paul die Stufen hinauf.

„So bin ich näher an meinen Gästen, und seit du nicht mehr hier bist, war dieses Haus viel zu groß für mich.“ Außer Atem stellte Paul Lucynas Tasche ab. „Hier ist es.“ Paul steckte den Schlüssel ins Schloss. „Und bitte.“ Er schob die Tür auf. Rosenduft schlug Lucyna entgegen, als sie eintrat. Paul stellte Lucynas Reisetasche neben das Bett.

„Ich lasse dich jetzt allein, mein Kind.

Schlaf dich aus, und morgen mache ich dir das beste Frühstück der Stadt.“

„Danke, Paul, das Zimmer ist wunderschön.“ Lucyna umarmte Paul herzlich. „Du solltest auch etwas schlafen“, mahnte sie.

„Das sollte ich, zwei neue Gäste kommen schon in wenigen Stunden.