Her Soul for Revenge - Harley Laroux - E-Book

Her Soul for Revenge E-Book

Harley Laroux

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Beschreibung

Juniper - Nachdem eine Sekte versucht hatte, mich ihrem bösen Gott zu opfern, war ich auf der Flucht und tat alles, was nötig war, um zu überleben. Bis mir ein Dämon einen Deal anbot: Ich schenke ihm meine Seele und er würde mir helfen, die Rache zu nehmen, die ich suchte. Blut wird vergossen werden und die Monster, vor denen ich einst davonlief, werden bald vor mir davonlaufen. Aber meine Seele zu verdammen, war nur der Anfang – als Nächstes will der Dämon mein Herz. Zane - Ich jage seit Jahrhunderten Seelen, aber sie ist die ultimative Beute - bösartig und wild, mit einer gebrochenen Seele so dunkel wie meine eigene. Ich dachte, sie zu erobern, wäre ein einfaches Spiel, aber Juniper ist alles andere als einfach. Ich habe mich entschieden, ihr auf einen Pfad zu folgen, der mit dem Blut ihrer Feinde getränkt ist, aber es ist unser Blut, das als Nächstes vergossen werden könnte. Wenn ein alter Gott aus seinem Schlaf erwacht, wird vielleicht keiner von uns überleben.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Hinweis
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Epilog
Danksagung

Harley Laroux

 

 

Her Soul for Revenge

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Übersetzt von Michelle Markau

 

HER SOUL FOR REVENGE

 

 

 

Die Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel

»Her Soul for Revenge: A Paranormal Dark Academia Romance

(Souls Trilogy)«

 

Copyright © 2021. HER SOUL FOR REVENGE BY Harley Laroux

Alle Rechte der deutschsprachigen Ausgabe © 2025

Her Soul for Revenge

by VAJONA Verlag GmbH

 

Vermittelt durch die Agentur:

WEAVER LITERARY AGENCY, 8291 W. COUNTY ROAD 00 NS., KOKOMO, IN 46901, USA

 

Übersetzung: Michelle Markau

Korrektorat: Désirée Kläschen und Susann Chemnitzer

Umschlaggestaltung: Opulent Swag and Designs

Satz: VAJONA Verlag GmbH, Oelsnitz

Unter Verwendung von Canva

 

VAJONA Verlag GmbH

Carl-Wilhelm-Koch-Str. 3

08606 Oelsnitz

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Für alle, die sich jemals in der Dunkelheit verloren gefühlt haben.

Hinweis

 

Einige Inhalte in diesem Buch können für manche Leser*innen verstörend oder triggernd sein. Daher wird um Vorsicht gebeten.

 

Dieses Buch enthält Drogenkonsum, Verlust/Tod der Familie, Szenen von Trauma, Angst, PTBS, Erwähnungen von Selbstmord und häuslicher Gewalt und Darstellungen von ›hartem‹ Kink/Edgeplay. Dieses Buch ist nicht für minderjährige Personen bestimmt. Die in diesem Buch dargestellten Aktivitäten sind gefährlich und sollen keine realistischen Erwartungen an Sex, BDSM oder Fetisch darstellen.

 

Die Kinks/Fetische in diesem Buch:

 

Messerspiele, Waffenspiele, Körpermodifikationen einschließlich Piercings und Skarifizierungen, abfällige Sprache/Entwürdigung, Auspeitschen, Blut, öffentliche Spiele, Voyeurismus, Bondage,

Primal Play.

Kapitel 1

JUNIPER

 

Großvater hatte mir immer gesagt, dass ich niemals antworten sollte, wenn ich meinen Namen aus dem Wald rufen hörte. Es spielte keine Rolle, ob es meine Mutter sei, die rief, oder mein Bruder oder sogar meine beste Freundin. Er hatte mir das eingebläut, seit ich ein kleines Mädchen war, kaum alt genug, um im Garten zu spielen, geschweige denn im Wald.

»Wenn der Wald deinen Namen ruft, antworte nicht. Lauf.«

Er hatte nie erklärt, warum. Das brauchte er auch nicht. Die Regel blieb mir bis ins Teenageralter im Gedächtnis. Jedes Mal, wenn ich mit dem Fahrrad die gewundene Straße hinunterfuhr und die Bäume auf beiden Seiten vorbeizogen, lauschte ich dem Knarren der Äste und dem Rascheln der Tannennadeln. Manchmal stellte ich mir vor, dass mein Name gerufen wurde, und ich trat noch schneller in die Pedale, bis ich die Schule erreichte und hinter dem Eisenzaun sicher war.

Dad behauptete, das sei alles Bullshit. »In diesen Wäldern gibt es nichts, was man nicht töten kann«, sagte er. »Vergiss das nicht, Juniper. Du musst nur auf dich aufpassen. Und laufe nicht im Dunkeln herum.«

Egal, wer man war, wenn man in Abelaum lebte, hatte man eine klare Meinung zum Wald. Und auch dazu, wann man rausgehen sollte, wann man wandern sollte, wann man seine Türen abschließen sollte. Jeder erzählte es ein wenig anders, aber der allgemeine Konsens war derselbe: Der Wald war nicht sicher. Die Bedrohung, was auch immer sie war, wurde nie ausgesprochen. Die Kiefern versprühten eine allgemeine Unsicherheit, die die Menschen dazu veranlasste, bestimmte Pfade und Straßen zu meiden. Ältere Leute bastelten kleine Anhänger aus Zweigen, Bindfäden und Fischgräten und hängten sie vor ihrem Haus oder am Rande ihres Gartens auf. Großvater hängte sie an seine Zaunpfähle, um das Feld herum, auf dem seine Pferde weideten, direkt am Rand der Bäume.

Und trotzdem verschwand eine der Stuten in demselben Jahr. Daraufhin ließ er sie nachts im Stall.

Als ich fünfzehn Jahre alt war, wurde mir klar, dass die abergläubischen Geschichten nur dazu dienten, kleinen Kindern Angst zu machen. Von der Wohnwagensiedlung, in der wir lebten, waren es sechseinhalb Kilometer mit dem Fahrrad zur Schule, wenn ich die Straße nahm. Aber es waren nur anderthalb Kilometer, wenn ich durch den Wald fuhr. Als ich vierzehn war, nahm ich die Abkürzung und strampelte so schnell ich konnte durch die Bäume.

Ich hatte keine Angst vor den Wäldern. Aber irgendetwas fühlte sich falsch an, wenn ich zu lange unter den Bäumen verweilte, als ob sie umso verärgerter werden würden, je länger ich in ihrer Nähe blieb. Ich fuhr schnell zwischen ihnen hindurch und verweilte nicht. Ich wollte mein Glück lieber nicht herausfordern.

Doch selbst mit dieser Abkürzung war ich meistens zu spät, vor allem, wenn meine Mutter nachts mit ihrem Freund stritt und ich das Geschrei hören konnte, was mich vom Schlafen abhielt.

Mein Frühstück bestand aus einem Energydrink, den ich mir aus dem Kühlschrank holte und vor dem Klassenzimmer trank, während ich darauf wartete, dass es zum Mittagessen läutete. Ich hatte die ersten drei Stunden komplett verpasst und keine Lust, nach der Hälfte der Zeit in Mr. Thornes Klasse zu gehen und mir einen weiteren Vortrag über Unpünktlichkeit anhören zu müssen.

Die Glocke läutete und ich verkroch mich in die Nische neben dem Wasserbrunnen, während die Schülermassen die Gänge fluteten. Schließlich entdeckte ich Victorias hohen braunen Pferdeschwanz und ich sprintete durch die Menge, um zu ihr aufzuschließen.

»Mädchen, du bist schon wieder zu spät?« Victorias Augen wurden groß, als sie zu mir hinübersah. »Ich schwöre, am Ende wird Mr. Thorne wieder deine Mutter anrufen.«

Ich zuckte mit den Schultern. »Als ob sie jemals ans Telefon gehen würde. Ich glaube, unsere Leitung wurde abgeschaltet.« Ich stupste sie eifrig am Arm. »Alsoooo? Hast du es bekommen?«

»Shhh.« Sie blickte sich kurz um und griff dann in ihre Handtasche, als wir zur Cafeteria gingen. Mit gesenkten Händen hielt sie eine Plastiktüte mit Reißverschluss gerade so hoch, dass ich ein winziges Quadrat aus gefalteter Alufolie darin sehen konnte.

Ich grinste und sie lächelte breit, als sie berichtete: »Es ist bald Zeit für einen kleinen Trip mit Lucy!«

Die auf dem Rasen verteilten Bänke waren fast vollständig besetzt. Die Sonne schien, ein paar bauschige weiße Wolken zogen träge über den blauen Himmel, ein ungewöhnlich angenehmes Wetter für Oktober. Wir schlängelten uns zwischen den Tischen hindurch, während Victoria mit sich selbst darüber diskutierte, ob wir den Campus verlassen sollten, um einen Eiskaffee zu trinken. Doch statt auf ihr Koffein-Dilemma konzentrierte ich meine Aufmerksamkeit auf ein anderes Gespräch.

»Hier draußen gibt es ein ganzes Netzwerk an Minentunneln, Dude. Nach allem, was wir wissen, könnten sie direkt unter unseren Füßen verlaufen. Niemand weiß, wie tief sie gehen.« Nervöses Gelächter folgte und ich entdeckte Victorias Zwillingsbruder Jeremiah, der die beiden neuen Austauschschüler zu unterhalten schien. »Und genau ab da ging alles schief – sie bohrten in der alten Silbermine zu tief. Sie stießen auf ein unterirdisches Flusssystem und die ganze Mine wurde überflutet. Sie stürzte ein und die meisten Arbeiter wurden dort eingeschlossen.«

»Heilige Scheiße«, murmelte eines der Mädchen. Sie hielt mit ihrem Bissen auf halbem Weg zum Mund inne, zu abgelenkt von Jeremiahs Geschichte, um weiter zu essen. Typisch Jeremiah; als ob er in der Fußballmannschaft nicht schon genug Aufmerksamkeit bekommen würde, musste er die neuen Mädchen auch noch mit lokalen Legenden erschrecken.

»Sie sind also alle noch da unten?«, fragte das andere Mädchen. »Also, sie haben sie nicht rausgeholt?«

»Nur drei kamen lebend heraus«, sagte Jeremiah düster. »Sie haben zwei Wochen lang überlebt, indem sie die Leichen ihrer Freunde gegessen haben.«

»Igitt!«, kreischten beide Mädchen und ich machte mich bereit, Jeremiah einen gehörigen Schrecken einzujagen, als ich hinter ihm auftauchte. Er beugte sich vor und senkte seine Stimme, um den Effekt zu verstärken, und Victoria schaute zu mir herüber und rollte mit den Augen.

»Doch die Bergleute führten ihr Überleben auf etwas anderes zurück«, murmelte er und seine Zuhörerinnen verstummten vor nervöser Erwartung. »Die Legende besagt, dass etwas sehr Altes und Mächtiges erwachte, als die Mine gegraben wurde. Manche sagen, es sei ein Monster. Doch die Bergleute sagten, es sei ein Gott, ein Gott, der ihnen Gnade gewährte, im Austausch für –«

»Würdest du endlich mit den gruseligen Lagerfeuergeschichten aufhören?« Ich packte Jeremiah an den Schultern, sodass er fast seine Limonade verschüttete und einige unglückliche Blicke von seinen Zuhörerinnen erntete. Victoria setzte sich auf die gegenüberliegende Bank und schenkte den beiden Mädchen eines ihrer typischen Lächeln, woraufhin sie beide schnell davonhuschten.

Niemand legte sich mit Victoria an – oder mit Jeremiah, wenn wir schon dabei sind. Ihr Vater, Kent Hadleigh, war ein bedeutender Spender, dem aufgrund seiner Großzügigkeit ein ganzer Flügel der Highschool gewidmet war, sodass Victoria und Jeremiah tun und lassen konnten, was ihnen verdammt noch mal gefiel.

Ich wusste nicht, warum sie mit mir befreundet sein wollten, zumal es nicht meine Stärke war, Freundschaften zu schließen. Die meisten Leute hielten mich für eine Schlampe, entweder weil sie mich irgendwann mal verärgert hatten oder weil sie mit jemandem gesprochen hatten, der mich verärgert hatte. Als Schlampe bekannt zu sein und einen Ruf als Partylöwin zu haben, waren wirklich die einzigen beiden Dinge, die Victoria und ich gemeinsam hatten.

Aber sie hatte immer eine Verbindung zu einem Dealer, egal, was ich besorgen wollte, und ihre Familie war sehr großzügig mit ihrem Geld. Ihre Mutter hatte mich letztes Jahr zum Shoppen für neue Kleidung mitgenommen, als sie feststellte, dass ich immer noch Schuhe mit Löchern trug.

»Verdammt noch mal, musstest du wirklich so ein Cockblock sein?«, Jeremiah stöhnte schwer. »Ich wollte mir die Nummern von beiden holen!«

»O nein, Jeremiah könnte eine Muschi verpassen«, sagte Victoria und ihre Stimme triefte nur so vor gespielter Traurigkeit, während sie ihren Spiegel hervorholte und ihren Lipgloss nachzog. »Was für eine Tragödie.« Sie hielt inne, ihr Blick richtete sich über ihre Schulter auf mich. »O Gott. Ein Spinner auf zwölf Uhr.«

»Hey, Leute.«

Ich drehte mich um. Everly Hadleigh stand hinter mir, ihr langes blondes Haar bildete eine strähnige Mähne um ihr Gesicht. Sie verbrachte normalerweise Zeit mit den Kunstkindern und trug einen langen, lockeren schwarzen Kittel mit weißen Farbklecksen am Rockteil. Ihre Hände waren hinter ihrem Rücken verschränkt und ihre Stimme war so leise, dass ich sie wegen der anderen Gespräche, die um uns herum geführt wurden, kaum verstehen konnte.

Victoria spitzte die Lippen und sah sich um. »Hast du etwas gehört, Juniper? Oder war das der Wind?«

Ich lachte, doch fühlte ich mich nicht gut dabei. Ich hatte kein Problem mit Everly. Sie war verdammt seltsam und viel zu weich, um jemals mit mir befreundet zu sein, aber Victoria hasste sie. Ich wusste natürlich, warum. Jeder wusste, warum.

»Kann ich mir etwas Geld leihen?«, fragte Everly, ihre Stimme wurde noch weicher. »Meredith hat vergessen, mir heute Morgen Geld fürs Mittagessen zu geben.«

»Mom hat viel um die Ohren, weißt du?«, sagte Victoria und kramte in ihrer Handtasche. »Sie konzentriert sich schließlich auf ihre Kinder.«

Ich zuckte zusammen. Mrs. Hadleigh – Meredith – war nicht die Mutter von Everly. Wenn jemand, der so berühmt war wie Kent, eine Affäre mit seiner eigenen Sekretärin hatte, mussten Gerüchte die Runde machen. Als aus dieser Affäre ein Kind hervorging, wurde es nur noch schlimmer. Die Leute sagten, Everlys Mutter sei nicht stabil, deshalb lebe Everly bei Kent und Meredith.

Aber ihre Mutter arbeitete immer noch mit Kent in der Historischen Gesellschaft. Für mich hatte das nie einen Sinn ergeben, aber ich war niemand, der über die seltsamen Familienverhältnisse anderer urteilte. Es war ja nicht so, dass meine besser war.

»Bitte?« Everly drapierte ihr Haar über ihre Schulter, ihre Finger zupften an ihrem Kleid. »Ich hole mir nur etwas aus dem Automaten.«

»Na schön«, stöhnte Victoria und zog einen Fünfdollarschein aus ihrem Portemonnaie. Sie hielt ihn ihr hin, aber gerade als Everly ihn nehmen wollte, zog sie ihn zurück. Everly seufzte, ihre Schultern sackten zusammen.

»Ich mache deine Mathehausaufgaben«, sagte sie. »Eine Woche lang.«

Victoria lächelte und legte eine Hand auf ihr Herz, bevor sie schließlich das Geld übergab. »Oh, Ev, das ist so lieb von dir!« Ihr Lächeln verschwand in dem Moment, als Everly sich abwandte. »Übrigens, Jerry, ich benutze das Auto später.«

Jeremiah starrte sie an, während ich Chips von seinem Teller stibitzte. »Äh, nein, Brendon und ich gehen zum Hyper Bowl.«

»Dann kann Brendon dich mitnehmen.« Victoria zuckte mit den Schultern.

»Auf keinen Fall, du hast doch letztes Mal das Auto gehabt! Mom soll dich hinfahren!«

»Jerry, ich benutze das Auto und ich werde es entweder mit deiner Leiche im Kofferraum tun oder ohne.«

 

 

 

 

 

 

Trotz des Streits, der sich über den Rest der Mittagspause hinzog, bekamen wir das Auto am Nachmittag, ohne Jeremiah vorher umbringen zu müssen.

»Was hast du deiner Mutter gesagt, wo du hingehst?«, fragte Victoria und drehte die Musik gerade so weit herunter, dass sie sprechen konnte. Ich hatte ihr die Wahl des Ortes überlassen, an dem wir uns heute Abend abschießen würden, und sie fuhr uns nach Norden an der Bucht entlang, wo die Bäume dicht standen und die Häuser nur selten zu sehen waren. Ich dachte, ein Hotel oder das Haus eines Freundes wäre für unseren ersten Trip besser gewesen, aber sie bestand darauf, dass es draußen ›magischer‹ wäre.

»Meine Mutter wird bis morgen verkatert sein«, sagte ich. »Sie würde es nicht merken, wenn ich eine Woche lang weg wäre.«

»Glück gehabt.« Victoria schmollte. »Meine Mutter will alles bis ins kleinste Detail wissen. Ich habe ihr gesagt, dass wir die Nacht hier bei Kim sind.«

Victoria zog den BMW X5 vom Asphalt herunter und fuhr einen schmalen, zerfurchten Feldweg entlang. Der Boden war mit leuchtend grünem Moos bedeckt, Farne zogen sich um umgestürzte Baumstämme und massive Wurzeln. Sie parkte, kurbelte die Fenster herunter, öffnete das Schiebedach und stellte den Motor ab. Die Geräusche des Waldes waren alles, was blieb: der Wind in den Bäumen, der Gesang der Vögel, das Ächzen der Äste.

»Hier«, sagte sie. »Das ist perfekt.«

Ich war mir nicht sicher, wann das Acid reinkickte. Zwischen dem Zeitpunkt, an dem ich mir die Tablette auf die Zunge legte, und dem Zeitpunkt, an dem die Farben um mich herum in ein bizarres Amalgam zu gleiten begannen, hatte die Zeit ihre Bedeutung verloren. Auf meinem Handy lief You Are a Memory von Message to Bears und ich hätte schwören können, dass das Lied ewig weiterging. Stundenlang und stundenlang.

Wir stiegen aus dem Auto, und als ich meine Arme in den Himmel streckte, war ich sicher, die Wolken berühren zu können. Ich konnte jeden kleinen Riss der trockenen Rinde unter meinen Fingern spüren, als ich auf einen umgestürzten Baum kletterte. Die Luft war so spritzig – spritzig wie übermäßig kohlensäurehaltige Limonade – und dieses Gefühl brachte mich zum Kichern. Dann kicherte ich weiter, weil ich nicht aufhören konnte, und alles, was ich sah, machte es nur noch lustiger.

»Spürst du es?« Victoria klang wie eine zu langsam abgespielte Tonbandaufnahme, und das brachte mich noch mehr zum Lachen. Ich nickte und lachte, lachte und nickte, und auch sie begann zu lachen.

Die Zeit veränderte sich ständig. Ich konnte sie in Schritten messen, in Atemzügen. Ich konnte sie in diesen bizarren Wellen messen, die in meiner Brust aufstiegen, eng wie ein Band, aber erfüllend wie Luft unter den Flügeln eines Vogels. Acid konnte in Wellen kommen, aber waren diese Wellen nur Minuten? Oder Stunden? Oder eine Ewigkeit?

Die Sonne war tief gesunken und ich lag im Gras und beobachtete das Kaleidoskop der Bäume über mir vor dem blassrosa Himmel. Alles kräuselte, sickerte und veränderte sich.

Das Gesicht von Victoria erschien über mir. Sie sah seltsam aus, aber alles sah sehr seltsam aus.

»Juniper, wir sollten einen Spaziergang machen.«

Ich schüttelte den Kopf. Ich hoffte, dass sie es auch sehen konnte: die Farben, die Wirbel, wie alles atmete. Sie streckte ihre Hand nach unten und ich hatte den komischen Gedanken, dass ihre Hand und ihr Kopf gar nicht miteinander verbunden waren.

»Lass uns gehen. Komm mit. Ich möchte dir etwas zeigen.«

Ich wollte so lange im Gras liegen, bis es mich überwucherte, bis ich wie die umgestürzte Kiefer mit Flechten und kleinen Moosflecken bedeckt war. Doch Victoria zog mich hoch, also nahm ich ihre Hand und stapfte mit ihr tiefer in den Wald hinein.

Die Sonne war untergegangen. Das Licht war grau und Wolken füllten den Himmel. Zum ersten Mal seit einer Ewigkeit schaute ich auf meine Uhr, aber die Zahlen ergaben keinen Sinn. Sie waren nur digitale Zeichen auf einem Bildschirm, verschwommen und seltsam dreidimensional, als ob ich mit den Fingern über die Ränder streichen könnte. Ich ließ mein Handgelenk hastig sinken und in dem Moment, als ich es tat, sah ich, wohin Victoria mich führte.

»Wir sollten nicht hier sein«, sagte ich, als die alten Türme der St. Thaddeus-Kirche vor uns aufragten und sich zwischen den Bäumen erhoben. Ohne Drogeneinfluss hätte ich nie Angst vor diesem Ort gehabt. Die Legenden, die sich um ihn rankten, waren genau das: alte, erfundene Geschichten. Die Farbe war schon lange verblasst, das Holz dunkel und von der Feuchtigkeit befleckt. Flechten und Pilze wuchsen auf den alten Brettern. Unter den drei Türmen, die die Fassade zierten, befand sich ein riesiges Buntglasfenster, das eine Frau zeigte, die am Meer stand und den Arm mit einem Dolch in der Hand ausstreckte.

Dieser Ort hatte eine Geschichte, wie alles andere in Abelaum. Er befand sich in der Nähe von White Pine, dem tiefen Minenschacht, aus dem Retter einst die einzigen Überlebenden des Mineneinsturzes wieder ans Tageslicht ziehen konnten. Es hieß, die drei geretteten Bergleute hätten hier Halt gemacht und die Kathedrale dem Gott geweiht, der ihnen in der dunklen, überfluteten Tiefe das Leben gerettet hätte.

Der Tiefste, so nannten sie ihn. Ab und zu hörte man die alten Leute noch darüber murmeln. Aber für unsere Generation war es einfach eine gruselige Geschichte. Wie die von Big Foot oder die vom Jersey Devil.

Geschichte und Mythos sind in dieser Stadt untrennbar miteinander verbunden.

Die alte Kirche hätte bereits in sich zusammenbrechen sollen wie gebleichte Knochen, aber die Luft um sie herum wogte wie die Hitze auf einem Autodach im Sommer. Ich blieb abrupt stehen und zog an Victorias Hand, die mich mit großen Augen anstarrte.

»Warum nicht?«, fragte sie. »Du warst schon mal da drin, Juni, wir beide waren es.« Sie zuckte mit den Schultern. »Es ist dieselbe alte Kirche.«

»Nicht … nicht jetzt«, sagte ich und versuchte, meine Hand aus ihrem Griff zu ziehen, aber entweder war ich schwächer, als ich dachte, oder sie packte fest zu. »Nicht, wenn wir auf einem Trip sind. Lass uns zurückgehen. Ich will zurück zu den Bäumen.«

Victoria schüttelte den Kopf. »Nur kurz. Bitte? Ich will nur durchgehen.«

Irgendetwas fühlte sich so unerklärlich falsch an. Ich konnte Rauch riechen, wie von einem Lagerfeuer. Als sich die Dunkelheit um uns verfinsterte und wir uns der Kathedrale näherten, konnte ich ein Leuchten in dem schmutzigen Fenster sehen. Die Grillen hätten zirpen müssen, doch der Wald war still.

Aber Victoria war meine beste Freundin.

Die Vordertüren der Kathedrale waren nicht wie üblich mit Ketten verschlossen. Als Victoria und ich früher hier waren, um zu trinken oder zu rauchen oder zu tun, was unsere kleinen Rebellenherzen begehrten, mussten wir durch einen Hintereingang einbrechen. Aber die Kette war weg, und kurz bevor Victoria die Tür aufstieß, wusste ich, dass wir nicht allein waren.

Jemand war drinnen. Jemand hat gewartet.

Zum ersten Mal in meinem Leben hörte ich hinter mir, aus dem Wald, ein Flüstern. Ich hörte, wie der Wald meinen Namen rief.

 

 

 

 

Ich wünschte, ich könnte die Dinge vergessen, an die ich mich erinnerte. Ich wünschte, die Albträume würden aufhören.

Ich wünschte, ich könnte diese Nacht auslöschen.

In dieser Nacht, als etwas meinen Namen rief, wurde mir klar, warum ich hätte weglaufen sollen.

 

 

 

 

 

Das Dach der Kirche war vor Jahren eingestürzt und hatte ein klaffendes Loch gebildet, durch das das Mondlicht auf den Trümmerhaufen darunter fiel. Die Kirchenbänke standen noch an ihrem Platz, in hübschen, sauberen Reihen, und warteten darauf, dass die Gläubigen sie füllten.

Als Victoria die Türen aufstieß, stellte ich fest, dass die Kirchenbänke gefüllt waren.

Zwei Dutzend Augenpaare drehten sich um und sahen uns entgegen. Zwei Dutzend bekannte Gesichter betrachteten uns, als wir eintraten. Ich schaute sie völlig verwirrt an, mit großen Augen, überzeugt davon, dass das Acid meine Wahrnehmung trüben musste. Sie trugen alle weiße Gewänder und als ich an ihnen vorbeiging, setzten sie sich reihenweise Masken in Form von Hirschschädeln auf den Kopf.

Mr. Thorne war da und auch meine Geschichtslehrerin, Ms. Malcolm. Mike, der an der Tankstelle arbeitete. Diese seltsame alte Dame, Mrs. Kathy, die bei der Universität wohnte. In der Mitte der Kirche war ein großes Lagerfeuer errichtet worden und Victoria führte mich darum herum. Ich fühlte mich wie in einem bizarren Vergnügungspark und beobachtete die Sonderbarkeiten um mich herum mit distanzierter Faszination.

Bis wir um das Feuer herumkamen und vor der Kanzel standen.

Kent Hadleigh stand vor uns, ganz in Weiß gekleidet, die Hände vor sich verschränkt. Meredith stand an der Seite und Jeremiah neben ihr. Die Frau, die neben Kent stand, kam mir bekannt vor, aber ich konnte mich nicht an ihren Namen erinnern.

Bis ich in den Schatten hinter der Kanzel Everly entdeckte.

Die Frau, die neben Kent stand, war niemand anderes als Heidi Laverne – Kents Empfangsdame, seine Geliebte, Everlys Mutter. Ich runzelte die Stirn. Victoria ließ meine Hand los und stellte sich neben ihre Mutter und Jeremiah. Sie lächelte mich an, aber das Acid in meinem Gehirn verzerrte ihren Ausdruck zu etwas Unheimlichem. Ich konnte die Zeit jetzt in Herzschlägen messen. Ba-dumm, Ba-dumm. Jedes Pochen in meiner Brust schmerzte. Jeder Schlag versuchte, Adrenalin in meine Glieder zu pumpen. Die Hälfte meines Gehirns war überzeugt, dass dies alles eine Halluzination war. Das war nicht real. Dies war nur eine weitere Welle.

Aber die andere Hälfte meines Gehirns war sich sicher, dass etwas sehr, sehr falsch war.

Ich musste gehen. Ich musste sofort gehen.

Als ich mich umdrehte, sah ich, dass die Kirchentüren geschlossen worden und die Gemeindemitglieder in ihren Masken und weißen Gewändern näher gekommen waren. Ich stand vor einer Barriere aus maskierten Gestalten, deren dunkle Augenhöhlen mich kalt anstarrten.

Draußen zogen die Wolken auf und ließen den ersten Donnerschlag ertönen.

»Wir haben auf dich gewartet, Juniper«, sagte Kent. Ich drehte mich langsam zu ihm um. Victoria hatte ein weißes Gewand bekommen, in das sie gerade ihre Arme hineinsteckte. Ich schüttelte den Kopf, als ihr Gesicht wie das der anderen hinter einer Maske verschwand.

Was zum Teufel war das? Was zur Hölle war hier los? Halluzinierte ich etwa?

Ich wich schnell zurück und stolperte über die Trümmer auf dem Boden. Doch ich kam nicht weit. Kent nickte mit dem Kopf und plötzlich wurden meine Arme ergriffen und von maskierten Gestalten gepackt, die mich zurück zur Kanzel zwangen. Ich wusste nicht, was los war, aber ich hasste es, wenn Fremde mich anfassten. Ich sträubte mich gegen sie, zog mich zurück und stemmte meine Fersen in den Boden. Warum starrten alle nur?

»Lasst los!« Ich drückte gegen sie, ihre Masken sahen hinter dem Schleier der Psychedelika viel zu echt aus. Es war, als hätten sie mich nicht einmal gehört. Sie zwangen mich vor Kent hoch und drückten mich auf die Knie.

In dem Moment, in dem meine Knie auf die schmutzigen Holzbretter trafen, war es, als ob mir die Realität ins Gesicht schlug. Das hier war echt. Heilige Scheiße, das war alles echt.

»Mach dir keine Sorgen, meine Liebe. Alles ist so, wie es sein soll.« Kents Stimme war ruhig, beinahe beruhigend. Er lächelte zu mir herab und berührte mit seinen kalten Fingern leicht meine Wange. Ich zuckte zurück und zerrte an den Armen, die mich noch immer festhielten.

»Was zum Teufel soll das?« Ich schrie, meine Stimme zitterte. »Lass mich gehen. Sag ihnen, sie sollen mich gehen lassen. «

Kent schüttelte den Kopf, als wäre ich ein Kind, das eine lächerlich unvernünftige Bitte äußert. »Gott hat dich gerufen, meine Liebe. Er hat schon sehr lange auf dich gewartet.«

Ich lachte, doch es war nicht lustig. Das alles war nicht lustig. Mein Herz fühlte sich an wie eine Faust, die gegen die Innenseite meiner Rippen hämmerte und versuchte, aus ihrem Gefängnis aus Knochen zu entkommen. »Hör auf«, sagte ich. »Hör auf damit. Das ist nicht lustig. Das ist verdammt noch mal nicht lustig.«

Kent drehte sich um, nahm eine Maske von der Kanzel hinter sich und stülpte sie über seinen Kopf. Er wurde zu einem weiteren Schädel mit leeren Augen und die Frau in Schwarz blickte auf mich herab und musterte mich sorgfältig.

»Wie heißt du?«, fragte sie.

»Juniper! Juniper Kynes!« Ich strampelte und keuchte. »Und ich kenne dich! Du bist Heidi Laverne! Ich kenne euch alle!«, schrie ich sie an, in der Hoffnung, sie damit aus der Fassung zu bringen. Ich wusste nicht, was sie taten, aber ich kannte ihre Namen, ihre Gesichter. Ich könnte jemanden verraten. Ich könnte sie als Schuldige benennen.

Aber schuldig wegen was?

Heidi nickte langsam. »Sie ist diejenige, die Es sucht. Es ruft ihren Namen.«

»Es ruft ihren Namen.« Die gesamte Gemeinde murmelte unisono hinter mir. Meine Gedanken drehten sich. Es gab bizarre Muster an den Wänden, unendlich verschlungene Geometrien in den Dielen, in den Poren und Sommersprossen in Heidis Gesicht. Sie trat zurück und holte aus den Falten ihres schwarzen Kleides ein Messer hervor und reichte es Kent.

Es war, als hätte sich ein Teil meines Gehirns abgeschaltet. Ein Teil von mir, der Teil, der noch über Logik verfügte, sah, was kommen würde, und legte einen Schalter um und machte dicht.

Das hat den Teil, der schreien wollte, ausgeschaltet.

Das hat mein verzweifeltes Ringen gestoppt, damit ich meine Energie nicht vergeudete.

Ich wurde still und leise und nur heiße Tränen rannen über mein Gesicht.

»Brüder und Schwestern!« Kents Stimme dröhnte durch den Raum und hallte von den Dachsparren wider. »Lang hat Gott uns mit seiner Barmherzigkeit und Geduld gesegnet, lang hat er auf diese Nacht gewartet! Heute Abend beginnen wir den Schwur unserer Vorfahren zu erfüllen. Heute Abend beginnt eine neue Ära auf dieser Erde. Heute Abend geht das erste Opfer an den Tiefsten.«

»Amen«, sagte die Gemeinde unisono und ein tiefer Schauer des Abscheus ging mir durch Mark und Bein. Ich konnte nur auf das Messer starren, dessen Klinge das Licht des Feuers auffing, als Kent es langsam in seinen Händen drehte und vor mir kniete.

»Mr. Hadleigh.« Meine Stimme war ein zittriges Flüstern. »Bitte.«

»Kennst du die Geschichte, Juniper?«, fragte er mit einer Stimme, die so leicht und fröhlich klang, als würde er mit einem kleinen Kind sprechen. »Vor langer Zeit wurden drei Männer vor der tragischen Überschwemmung der Minen gerettet. Nur drei. Die einzigen Überlebenden unter Dutzenden.«

»Ich habe die Geschichte gehört.« Ich weinte und starrte auf die Klinge. Das Wissen, dass etwas Schreckliches passieren würde und ich nichts dagegen tun konnte, hatte meine Glieder vor Angst taub werden lassen. »Mein Opa hat mir immer erzählt, dass sein Urgroßvater dort unten war –«

»Und sein Urgroßvater hat überlebt«, sagte Kent. Mit einer sanften Bewegung schnitt er mein T-Shirt auf.

Demütigung durchströmte mich, unerträglich heiß auf meiner Haut, aber ekelhaft kalt in meinem Magen. Ich wehrte mich gegen die Hände, die mich festhielten, als sie mir das ruinierte Shirt auszogen, und bettelte leise: »Bitte, bitte, nein, bitte …«

»Dein Vorfahre wurde verschont. Die Barmherzigkeit Gottes muss belohnt werden«, sagte Kent mit fester Stimme.

Und dann begann er, in meine Haut zu schneiden.

Mein Geist wurde schwarz. Nur die Stimme von Kent Hadleigh durchdrang die Leere, in die ich gefallen war.

»Deine Seele wurde dem Tiefsten versprochen, meine Liebe. Sechs Generationen sind vergangen und der Schwur muss erfüllt werden. Drei Leben verschont, drei Seelen gegeben.«

Die Gemeinde stimmte ein: »Drei Leben verschont, drei Seelen gegeben.«

Ich schrie mit rauer Stimme: »Nein, nein, es ist nur eine Geschichte, es ist alles nur eine Geschichte, es ist nicht echt! Es ist nicht echt! Es gibt keinen Gott in den Minen. Er ist nicht echt!«

Warum haben sie das getan? Warum? Die Erwachsenen sollten die Geschichten nicht glauben; sie erzählten sie, um kleine Kinder zu erschrecken. Teenager erzählten ihre eigenen gruseligen Varianten, während sie an dunklen Orten billiges Bier tranken. Es war nicht echt.

Die Schnitte brannten, brannten sich in meine Haut, als wäre das Messer glühend heiß gewesen. Mein eigenes Blut war auf meiner Brust verschmiert und der Anblick machte mich so benommen, dass ich tiefer, immer tiefer in die schützende dunkle Leere fiel. Das Nächste, was ich wirklich wahrnahm, war, dass ich durch den Regen getragen wurde. Er war eiskalt auf meiner Haut und wusch Rinnsale von Blut aus den Schnitten auf meiner Brust. Was hatten sie mit mir gemacht? Was zum Teufel hatten sie getan?

Wollten sie mich umbringen? Ich wurde in den Schlamm geschleudert. Ich versuchte zu kriechen, versuchte mich zu bewegen, doch vielleicht hatten sie mich wieder unter Drogen gesetzt, denn meine Muskeln wollten sich nicht rühren. Meine Hände waren verkrampft, verkrampft wie Krallen, fest und schmerzhaft. Inmitten des strömenden Regens war ein Geräusch wie splitterndes Holz zu hören. Die weißen Umhänge umgaben mich und ich griff nach ihnen, klammerte meine schlammigen Finger an den Stoff, hoffte, bettelte um Hilfe.

Es gab keine Hilfe. Ich war fünfzehn Jahre alt und sie beobachteten mich schweigend. Dutzende von ihnen.

Keiner wollte mir helfen.

Es interessierte niemanden.

»Victoria!« Ich schrie ihren Namen in die gesichtslose Masse. »Victoria, hilf mir!«

Aber sie half mir nicht. Es war ihr egal. Sie hatte mich hierhergebracht.

»Schickt sie zu Gott.«

Durch den Schlamm geschleift, tauchte vor mir das hölzerne Gerüst eines dunklen, offenen Minenschachts auf. Ich krallte mich an ihren Händen fest und wehrte mich mit aller mir verbliebener Kraft.

Es gab nichts, was ich tun konnte.

Sie stießen mich in die Dunkelheit hinunter.

Kapitel 2

Zane

 

Drei Jahre später

 

Es gibt Orte auf der Erde, die bis in ihre Wurzeln hinein verflucht sind. Orte, die Schmerz in sich tragen, die Blut geschmeckt haben und nicht genug davon bekommen können. Orte, an denen die Dunkelheit wächst und selbst bei Tageslicht liegen sie unter einem Schatten.

Diese Orte fühlen sich sehr heimisch an, und ich nehme an, dass sich Dämonen deshalb von ihnen angezogen fühlen. Ich will nicht sagen, dass die Hölle ein elender, unangenehmer Ort ist. Im Gegenteil, die Hölle ist unendlich faszinierend, selbst für einen Unsterblichen. Sie ist riesig, viel riesiger als die Erde. Sie birgt Dunkelheit, sie birgt Schmerz und an manchen Stellen unbeschreibliches Elend und Qualen. Aber die Hölle wird von Menschen bewohnt, die schon seit Jahrhunderten, seit Jahrtausenden existieren. Sie hat Kriege, Aufstände, das Wachstum und die Zerstörung von Städten und Kulturen erlebt. Sie ist voll von Magie und Erinnerungen.

Abelaum war, wie die Hölle, auf einem Fundament aus Magie und Erinnerungen gebaut. Es war wunderschön; es zog neugierige Menschen an und umgarnte sie, wie eine Spinne ihr Netz webt. Einige Menschen blieben für immer dort, andere verließen es schnell wieder.

Aber Abelaum hatte etwas, was nicht einmal die Hölle hatte: Abelaum hatte einen Gott. Götter und Dämonen haben sich nie verstanden. Wir hatten ihnen die Hölle weggenommen und sie waren auf der Erde gelandet, schwach und schlafend. Aber wie immer gingen neugierige kleine Menschen zu weit. Neugierige Menschenhände gruben und neugierige Menschenköpfe weckten etwas auf.

Menschen und Götter waren eine schlechte Kombination. Gib einem Menschen Wissen und er denkt, er sei weise. Gib einem Menschen Magie und er denkt, er sei stark. Gib einem Menschen Religion und er denkt, er habe recht.

Dämonen sollten die Götter besser meiden, trotz der Faszination, die eine Stadt wie Abelaum birgt. Und doch war ich zurück in Abelaum, nach mehreren Jahren Abwesenheit. Ich kam immer wieder zurück und ich würde immer wieder zurückkommen, solange Leon dort war.

Wir Dämonen nahmen unsere Bindungen nicht auf die leichte Schulter. Wenn einer von uns beschworen und von einem erbärmlichen menschlichen Magier gefangen gehalten wurde, ließen wir ihn nicht einfach im Stich. Leon und ich hatten vor Jahrhunderten einen Bund geschlossen und dieser Bund war nie gebrochen. Das würde er auch nie. Wir waren vielleicht kein Paar mehr, aber Beziehungen, die Hunderte von Jahren überdauerten, mussten wie die Gezeiten fließen.

»Das tut verdammt weh«, zischte Leon und fletschte seine scharfen Zähne, als ich die Verbrennungen an seiner Schulter reinigte. Ich wusste nicht, warum sein Beschwörer ihn dieses Mal bestraft hatte. Leon war launisch, und das konnte ich ihm nicht verübeln. Er hatte schon immer Pech gehabt und von dieser erbärmlichen Familie – den Hadleighs – beschworen und gefangen gehalten zu werden, war nur das Letzte in einer Reihe von schrecklichen Umständen.

»Du musst sie nicht reinigen«, brummte er. »Das bringt nichts.«

»Es ist wichtig.« Ich drückte seinen Kopf wieder nach unten, als er versuchte, ihn zu heben, um aufzustehen. Sogar sein blondes Haar war verbrannt. Sein Beschwörer benutzte Brutalität wie eine Waffe und setzte Schmerz ein, um Gehorsam zu erzwingen. »Ich weiß, dass du heilen wirst, Leon, aber du kannst nicht so tun, als ob dieser Körper keine Pflege bräuchte. Du wirst schneller heilen, wenn sie sauber ist.«

»Verdammter Kent«, murmelte er. »Ich schwöre, ich werde ihn umbringen. Ich schwöre es.«

Kent Hadleigh – ein Mensch, dem Gott Wissen, Magie und Religion gegeben hatte. Ein gefährliches Dreiergespann, das zu einem Mann führte, der sich für unantastbar hielt.

»Wofür war es diesmal?« Ich warf den blutigen Lappen weg. Ich kehrte so oft nach Abelaum zurück, dass ich mir hier ein Haus zugelegt hatte, und das war auch nützlich, abgesehen davon, dass es Leon einen Platz zur Erholung bot. Die Menschen vertrauten einem viel eher, wenn man ein Haus hatte, ein Auto, die Illusion von Geld und Größe. Als Seelenjäger war es Teil meines Jobs, das Vertrauen der Menschen zu gewinnen.

»Das Mädchen«, sagte Leon. »Sie haben sie heute entlassen. Drei Jahre später und Kent ist immer noch wütend, dass sie überhaupt entkommen ist. Er sagte mir, ich solle sie finden … Scheiß auf ihn. Scheiß auf seine Befehle. Von mir aus kann sie abhauen. Er kann mir jeden einzelnen Knochen brechen, aber das wird sie nicht zurückbringen.« Er kicherte verbittert.

Das Mädchen. Ich kannte die Geschichte nur, weil Leon sie mir erzählt hatte: wie Kent seine Tochter dazu gebracht hatte, das Mädchen in den Wald zu locken, wie er und seine Anhänger sich in der alten Kirche versammelt hatten, wie sie das Mädchen geschnitten hatten, bevor sie es in die Mine hinunterwarfen.

Ihr erstes Opfer für ihren verfluchten Gott.

Aber das Mädchen entkam und rannte davon, und nicht einmal Leon hatte sie finden können.

Wie zum Teufel ein fünfzehnjähriges sterbliches Mädchen es geschafft hatte, Leon zu entkommen, werde ich wohl nie erfahren.

Wie sie ihre Flucht durch den Wald überstanden hatte – blutend, verloren und high – ergab keinen Sinn.

»Warum haben sie sie weggesperrt?«, fragte ich. »Das Letzte, was ich gehört habe, war, dass die Polizei sich mit ihrem Fall beschäftigt hat.«

»Sie hat versucht, Victoria Hadleigh zu töten.« Leon lehnte seinen Kopf an die Rückenlehne der Couch und schloss seine goldenen Augen. »Kent hat die Cops unter seiner Fuchtel. Verfluchte Menschen. So gottverdammt leicht zu korrumpieren.« Er seufzte. »Sie haben das Mädchen in irgendeinem Krankenhaus eingesperrt und sie als wahnhaft bezeichnet. Ich glaube nicht, dass sie sich zu sehr darüber aufgeregt hat. So war sie die letzten drei Jahre in Sicherheit. Aber jetzt … ist sie auf sich allein gestellt.« Seine Stimme wurde leiser, schwächer, als Schlaf ihn einholte. Dämonen schliefen nicht oft, aber wenn wir schliefen, dann nur, weil wir es dringend brauchten. »Der Gott hat ihre Fährte. Er wird sie weiter jagen. Ihr steht da draußen ein wilder Ritt bevor.« Er gähnte. »Ich werde meine Augen ausruhen. Nur für eine Minute. Nur eine Minute …«

Er war bewusstlos.

 

 

 

 

Von verfluchten Orten kommen verfluchte Menschen. Ich war von ihnen fasziniert: Menschen, die gebrochen wurden und überlebt haben; Menschen, die sich einfach falsch entwickelt haben. Ich jagte gerne Sonderlinge, Seelen mit einer schweren Geschichte und schweren Narben. Sie kämpften am härtesten und das machte es noch süßer, wenn ich sie schlussendlich doch bekam.

Dieses Mädchen, das vor Kent Hadleighs Sekte geflohen war – war zweifellos ein Sonderling. Aber wenn das Ausgestoßensein aus der Gesellschaft sie nicht tötete, dann würden es die Monster, die sie jagten, bestimmt tun. Ich konnte sie riechen, wie sie in den Bäumen lauerten – die Eld. Die Magie, die sie umgab, würde sie anlocken, sie würden hungrig nach einer Kostprobe sein.

Sie würde wahrscheinlich nicht einmal die Nacht überleben.

Da Leon sich ausruhte, wanderte ich umher. Es lag zu viel Energie in der Luft, ein Kribbeln in meinem Hinterkopf, das mich warnte, dass sich die Dinge verschoben. Die Grenze zwischen der Erde, der Hölle und all den zahlreichen anderen Reichen fühlte sich dünn an. Diese Grenze nahm zu und ab wie der Mond und manche glaubten, sie würde irgendwann ganz verschwinden und die Realität ins Chaos stürzen.

Ich wusste nicht, ob ich das alles glaubte, aber ich wusste, dass es andere Dämonen in Abelaum gab, Dämonen, die noch vor wenigen Tagen nicht hier gewesen waren. Es war ihre Spur, der ich neugierig durch die Nacht folgte.

Sie führte mich zu einem alten Diner am Wasser, dessen blinkendes Neonschild verkündete, dass es rund um die Uhr geöffnet sei. Ich zündete mir auf dem Parkplatz einen Joint an und versuchte, durch die Fenster einen guten Blick ins Innere zu erhaschen. Darin saßen drei Dämonen, alle getrennt voneinander. Zwei erkannte ich als Seelenjäger, also konnte ich nur vermuten, dass der dritte auch einer war. Sie wussten, dass ich da war, und warfen mir misstrauische Blicke zu, während sie an ihrem Kaffee nippten und auf Tellern mit Essen herumstocherten, das sie nicht essen wollten.

Warum zum Teufel waren sie hier?

Während ich rauchte, drehte sich der Wind. Der stinkende, krautartige Geruch von Gras wurde von mir weggeweht und stattdessen durch einen scharfen Geruch von Eisen und Fäulnis ersetzt. Ich drehte mich zu den Bäumen und starrte zurück in die Schatten. Tief in der Dunkelheit durchdrang ein Heulen die Nacht; die Art von jämmerlichem Tierschrei, der fast menschlich klang. Ich nahm einen langen Zug und atmete langsam aus. Erst die Dämonen und jetzt die Bestien … Alle versammeln sich hier.

Ich schlenderte hinein und die anderen Dämonen senkten schnell ihre Köpfe. Ich war lange genug dabei, um mir einen Namen gemacht zu haben, und ich hatte genug Seelen genommen, um mir den Ruf eines Jägers zu erwerben, mit dem man nicht zu spaßen brauchte. Diese Dämonen waren jung, unerfahren. Vielleicht begierig auf ihre erste Seele, aber wessen?

Ich ging zum Tresen und klopfte darauf, um die Aufmerksamkeit des nervösen Kellners zu erregen. Seine Augen waren groß, seine Finger zuckten. Er wusste nicht, dass die in seinem Restaurant versammelten Gäste allesamt unheimliche Kreaturen waren, aber sein Urinstinkt wusste es und würde ihn vor der Gefahr warnen.

»Kaffee, ohne Milch«, sagte ich und sah zu, wie seine Hand zitterte, als er eine Tasse mit Kaffee aus der Kanne füllte. »Lange Nacht?«

Er zuckte mit den Schultern. »Seltsame Nacht. Irgendetwas stimmt nicht.« Er blickte aus dem Fenster, als er mir die Tasse reichte. »Hast du das Heulen da draußen gehört? Normalerweise haben wir hier keine Wölfe.«

»Das waren keine Wölfe«, sagte ich. Ich hörte jemanden draußen sprinten, weit entfernt, aber näher kommend. Schlechte Nacht, um zu joggen. »Pass auf, dass du nicht allein zu deinem Auto gehst.«

»Was zum Teufel soll das bedeuten?«, fragte er. Plötzlich weiteten sich seine Augen noch mehr und starrten hinter mich. »Was zum Teufel?«

Die sprintenden Füße kamen näher und näher –

Die Tür sprang auf und die Glocken, die an der Klinke baumelten, bimmelten unruhig. Ich drehte mich langsam um und spürte, wie die Spannung in der Luft stieg. Drinnen stand eine junge Frau mit langen, wirren braunen Haaren. Sie war groß und schlaksig, trug einen Rucksack und schlammige Stiefel. Ihre gesamte Kleidung war mit Schlamm befleckt – Schlamm … und Blut.

Sie erstarrte und musterte den Raum. Alle Augen waren auf sie gerichtet und drei Paar von ihnen waren hungrig. Ihr Duft war berauschend, süß mit anhaltender Magie. Aber das Blut an ihr war nicht ihr eigenes. Ich wusste sofort, wonach es roch.

Es war das Blut der Bestien. Sie hatte gegen die Eld gekämpft.

»Hey!«, rief der Kellner scharf. »He, ich kenne dich! Juniper Kynes! Du – du solltest weggesperrt sein! Du hast versucht, das Mädchen zu töten!«

Sie holte tief Luft und wischte sich mit dem Ärmel einen Blutspritzer aus dem Gesicht. Sie ging quer durch das Diner in Richtung der Ecke, in der sich die Toiletten befanden. Der Kellner hatte ihr Gemurmel wahrscheinlich nicht gehört, aber ich schon.

»Sie hat zuerst versucht, mich zu töten.«

Sie schloss sich im Badezimmer ein. Jeder Dämon in diesem Raum war angespannt, ihre Begierde nach ihr war spürbar. Ich gluckste leise und nahm einen Schluck von dem dampfenden Kaffee. Junge Seelenjäger wie diese waren immer verzweifelt auf der Suche nach leichter Beute, begierig darauf, einen Deal mit jemandem zu machen, den sie nicht erst davon überzeugen mussten, dass Magie und Monster real waren.

Dieses Mädchen wusste es bereits. Sie hatte das Schlimmste schon gesehen. Doch das machte es sie nicht zu leichter Beute, nein. Ganz im Gegenteil.

»Ich sollte die Polizei rufen«, sagte der Kellner und starrte misstrauisch Richtung Toiletten. Das Geräusch von fließendem Wasser aus dem Inneren verstummte und die Tür öffnete sich wieder. Juniper stapfte hinaus, ihre großen Augen flackerten durch den Raum. Sie bewegte sich wie ein verängstigtes Tier, das kurz davor war, loszurennen. Wie eine Wölfin … eine kleine Wölfin, ohne Rudel, allein und gejagt.

Sie war wirklich faszinierend.

Sie kam an den Tresen und musterte mich. »Ich brauche etwas zu essen.«

Der Kellner schüttelte den Kopf. »Nein. Nein, du musst jetzt gehen.« Er griff langsam nach dem Telefon.

Sie zückte eine Pistole und zielte auf den Kellner. Mit der anderen Hand zog sie ein Messer aus der Scheide an ihrem Oberschenkel und richtete die Klinge auf mich. Ich hob unschuldig meine Hände.

»Mach keine Witze«, zischte sie mit zitternder Stimme. »Gib mir einfach etwas zu essen. Es ist mir egal, was. Pack einfach etwas Essen in eine Tüte. Sofort.«

Der Kellner nickte, sein Gesicht war kreidebleich, als er wieder in der Küche verschwand. Juniper hielt das Messer auf mich gerichtet und warf nervöse Blicke in meine Richtung und auf die Dämonen, die hinter mir saßen. Sie konnte natürlich nicht wissen, was wir waren. Wir alle trugen in der Öffentlichkeit menschliche Verkleidungen.

»Du weißt, dass er die Polizei anrufen wird, wenn er dort hinten ist«, sagte ich. Beim Klang meiner Stimme zuckte sie zusammen, ihr Atem beschleunigte sich und sie schaute schnell zwischen mir und der Tür, die zurück in die Küche führte, hin und her.

»Verdammte Scheiße.« Sie kletterte über den Tresen, griff darunter und sammelte eilig Tüten mit Keksen und winzige Päckchen mit Austerncrackern ein, die sie in ihre Tasche stopfte. Sie sprang zurück, gerade als ein Schrei aus der Küche kam, und rannte zur Tür hinaus.

»Die Polizei ist auf dem Weg!« Der Kellner schlich aus der Küche. Hinter ihm stand der Koch, ein massiger Mann mit einer Bratpfanne in den Händen, die er wie einen Baseballschläger hielt. Diese bösartige Frau hatte ihnen wirklich Angst eingejagt.

Das gefiel mir.

Da ihre Beute in Bewegung war, bewegten sich auch die Dämonen und gingen alle zur Tür hinaus. Ich seufzte und kippte mir den Rest des Kaffees runter. Ich war nicht interessiert … oder zumindest … war ich es nicht gewesen. Doch bei so vielen anderen Jägern, die hinter ihr her waren, und diesem verzweifelten, bösartigen Blick in ihren Augen, als sie das Messer nach mir geschwungen hatte, konnte ich nicht anders, als angetan zu sein.

Ich verließ das Restaurant schneller, als ich es hätte tun sollen. Für die verwirrten Augen des Kellners hatte es so ausgesehen, als wäre ich einfach verschwunden und hätte einen leeren Becher zurückgelassen. Die Jäger waren draußen auf dem Parkplatz und gingen auf die Straße zu, lachten untereinander und wetteten, wer die Frau zuerst erreichen würde. Ich war vor ihnen da.

Sie blieben abrupt stehen, und ihre menschliche Tarnung verrutschte augenblicklich. Drei Paar goldene Augen beobachteten mich, Klauen ausgestreckt und eine Jägerin, die ich nicht kannte, fletschte die Zähne. Ich grinste.

»Knurre mich nicht an, Schätzchen, das ist unhöflich«, sagte ich, und der Jäger neben ihr gab ihr einen kräftigen Stoß in die Rippen. »So viel Aufregung wegen einer kleinen sterblichen Frau, was?«

»Du weißt, dass sie verzweifelt nach einem Deal suchen wird.« Amiria war diejenige, die das Wort ergriff. Ich kannte sie als frischgebackene Seelenjägerin, die erst noch ihren ersten Handel abschließen musste. Sie war begierig darauf; ich konnte es in ihren Augen sehen. »Und wir waren zuerst hier, Zane. Lass doch einmal einen Neuling eine Seele bekommen.«

Ich legte den Kopf schief und trat auf sie zu. Nach nur einem Schritt von mir zuckten sie alle zurück. Ich lachte über ihre Nervosität. »Ich glaube nicht, dass ich das tun werde. Es gibt genug Seelen da draußen, Frischlinge, glaubt mir. Sucht euch einen Egoisten, einen Gierigen, einen, der nach dem Reichtum des Lebens giert und sich nicht um das Leben nach dem Tod schert. Das ist ein leichter Handel. Aber diese hier …«

Ich ließ zu, dass sich mein Körper verwandelte. Meine Adern wurden schwarz, wie Tintenspuren unter meiner Haut, und meine Zähne schärfer. Ich sammelte Energie um mich herum, verdichtete sie und schuf einen Schleier der Dunkelheit. Es war vielleicht unbedeutend, aber es war eine Warnung. Es ließ sie wissen, über wie viel Macht ich verfügte: genug, um sie alle zu vernichten, hier und jetzt, wenn sie es wagten, sich mit mir anzulegen.

»Diese hier ist meine.«

 

 

 

 

Juniper hatte in der Zeit, die ich brauchte, um die anderen Dämonen zu vertreiben, einen weiten Weg zurückgelegt. Ich entdeckte sie auf der kurvenreichen Straße, die Pistole immer noch in der Hand. Sie lief in der Mitte der Straße, ihr Kopf wippte hin und her. Der Wald war bis an den Asphaltrand herangewachsen und dicke Brombeersträucher bildeten zu beiden Seiten eine Mauer aus verworrenen Dornen. Die Bäume ragten hoch auf und unter ihren Ästen lauerten Ungeheuer in den Schatten.

Ich konnte sie durch die Bäume rascheln hören.

Die Frau hörte sie auch.

Sie drehte sich um, ihre Waffe im Anschlag. Der bittere Geruch von Angst umgab sie, während das Adrenalin sie durchströmte. Dieser stechende Geruch des Schreckens ließ mein Herz höher schlagen. Sie blickte mit großen Augen in die Dunkelheit. Der Gestank von Fäulnis lag in der Luft und wurde immer stärker, je näher das Ungeheuer herankroch.

Es floh in dem Moment, in dem ich mich ihm näherte. Ein Eld allein würde sich mir nicht stellen. »Du musst auf den Kopf schießen. Das ist die einzige Möglichkeit, sie zu töten.«

Beim Klang meiner Stimme fuhr sie fast aus der Haut. Sie richtete die Waffe auf mich und umklammerte die kleine Pistole mit beiden Händen, wobei ihre ausgestreckten Arme zitterten. »Wer zum Teufel bist du?«, fragte sie, dann verengte sie die Augen. »Du … du warst im Diner. Du bist mir gefolgt.«

»Du wirst von ziemlich vielen Dingen verfolgt, kleine Wölfin, und sie alle wünschen dir sehr viel mehr Leid als ich.« Ich blickte zu den Bäumen hinüber. Weitere Bestien näherten sich unserer Position, ihre Silhouetten huschten durch die Dunkelheit. Sie hatten lange, knochige Gliedmaßen und abscheuliche, gekrümmte Körper. Sie ähnelten Spinnen, wenn sie sich bewegten. »Du solltest dich drinnen aufhalten. Wenn du nachts umherschleichen willst, benutz ein Fahrzeug.«

Sie ließ ihre Waffe nicht sinken, aber ihre Neugierde begann, die Angst in ihrem Gesicht zu verdrängen. »Diese Dinger … Weißt du, was sie sind?«

»Eld«, sagte ich. Meine goldenen Augen waren hinter braunen versteckt und ich hatte meine Krallen eingefahren. Ich würde für sie wie ein normaler Mensch aussehen, zumindest im Moment. Es hatte keinen Sinn, sie noch mehr zu erschrecken. »Es sind alte Monster, aus einer Zeit, als die Welt noch jung war. Aber Magie kann sie aus ihrem Schlummer wecken. Magie … und Götter.«

Ihr Gesicht wirkte erschüttert. Sie spannte die Waffe. »Du bist einer von ihnen, nicht wahr? Einer der Libiri?«

Ich schüttelte den Kopf. »Nein, ich gehöre nicht zu Kent Hadleighs kleinem Kult. Ich habe kein Interesse daran, dich einem alten Gott zu opfern. Das wäre eine Verschwendung deiner Seele.« Ich sah sie an und erhaschte einen Blick auf die Narben am Ausschnitt ihres Shirts. Es waren rituelle Zeichen, die ihr ins Fleisch geschnitten worden waren, als sie geopfert werden sollte. »Und was für eine schöne, beschädigte Seele das ist.«

Sie wich langsam zurück. »Was zum Teufel bist du denn? Was willst du?«

»Im Moment will ich gar nichts.« Ich ließ meine Augen wandern und ihr ganzer Körper verkrampfte sich. Ich fuhr meine Krallen aus und ließ meine Zähne spitzer werden. Sie stolperte fast, als sie zurückwich und sich kaum auf den Beinen halten konnte. »Aber eines Tages, kleine Wölfin, will ich vielleicht alles.«

Sie feuerte ihre Waffe ab.

Die Kugel hatte meine Schulter getroffen. Es fühlte sich nur wie ein Zwicken an. Ich schaute neugierig auf die Wunde hinunter und steckte meinen Finger hinein, um die Kugel herauszuziehen. Sie sah entsetzt zu, wie ich das blutige Stück Metall auf den Boden fallen ließ.

»Aber, aber, so kokett.« Ich gluckste. »Mach das noch mal, Juniper, und ich könnte denken, du willst spielen.«

»Was zum Teufel bist du?« Sie würde jeden Moment losrennen. Juniper schüttelte den Kopf, ihr Gehirn war nicht in der Lage, zu verarbeiten, was sie sah.

»Wir werden uns wiedersehen«, sagte ich. »Überlebe ein paar Jahre, Juniper, kämpf um dein Leben. Ich mag Kämpfer. Sie sind die bessere Beute. Überlebe, und das nächste Mal, wenn du mich siehst, habe ich vielleicht ein Angebot für dich.«

»Ich will dein Angebot nicht«, sagte sie. »Bleib weg von mir!«

Ich zwinkerte. »Das sagst du jetzt. Aber wenn die Jahre vergehen und die Gefahr immer größer wird, änderst du vielleicht deine Meinung. Oder auch nicht.« Ich zuckte mit den Schultern. »Die Entscheidung liegt ganz bei dir. Aber ich werde dich wiedersehen. Und jetzt geh in ein Gebäude. Weg von den Bäumen. Warte bis zum Morgen, um weiterzulaufen. Juniper Kynes …« Ich durchquerte den Raum zwischen uns in einer Sekunde. Ich stand über ihr, ihre großen Augen blickten trotzig und verängstigt nach oben, und ich lächelte mit einem Mund voller scharfer Zähne. »Lauf.«

Sie rannte los und sprintete die Straße hinunter. Die Eld verfolgten sie weiter, doch ich hielt sie zurück, zumindest für heute Abend. Ich gab der kleinen Wölfin zumindest die Chance, zu kämpfen.

Sie hatte mehr Verbissenheit in sich, als ich gedacht hatte. So viel Feuer, für einen so ausgebrannten Menschen. Ich hatte bereits genug Seelen gejagt, um wählerisch sein zu können, sodass ich eher nach Lust und Laune als nach Notwendigkeit jagen konnte.

Und sie wäre in der Tat eine faszinierende Jagd.

Kapitel 3

JUNIPER

 

Wenn dir genug Leute sagen, dass du verrückt bist, fängst du an, deinen eigenen Verstand infrage zu stellen. Man nimmt seine Erinnerungen Stück für Stück auseinander und entwirrt sie, bis sie unzusammenhängend und befleckt sind, neu geordnet, jede Sekunde angezweifelt. Die Geschichte, die ich so oft erzählt hatte – den Rettungssanitätern, der Polizei, meiner Mutter, meinem Bruder, immer wieder und mit zunehmender Verzweiflung – war in meinem Kopf verwoben und fügte zusammen, wer ich damals war … und zu wem ich jetzt geworden war.

Die meisten Menschen haben schon einmal über Gefahren fantasiert: wie sie entkommen würden, wie sie kämpfen würden, wie sie zu schlau wären, um verletzt zu werden. Aber diese Fantasien sind nichts im Vergleich zu dem Moment, in dem es passiert. Manchmal sieht man die Gefahr wie einen Güterzug auf sich zukommen und alles, was man tun kann, ist dastehen. Alles, was man tun kann, ist, sich von ihm überrollen zu lassen.

Manchmal kann man nicht davonrennen, nicht kämpfen. Manchmal passieren schlimme Dinge.

Diese Scheiße verändert dich. Du kannst die Welt nicht mehr so sehen wie vorher. Du erkennst, dass Umgangsformen, Moral, Kultur, Gesellschaft, Freunde und Familie nur vorgetäuscht sind. Es sind Ideen, an die wir uns klammern, um das Leben erträglich zu machen. Wenn einem all das weggerissen wird – der falsche optimistische Bullshit – bleibt nur noch das Überleben. Überleben ist chaotisch. Überleben kennt keine Moral oder Freundlichkeit. Überleben ist nicht schwarz und weiß, gut oder böse.

Überleben kommt in den verschiedensten Rottönen, in Blut, das man nimmt und verliert.

Mein Überleben war eine Waffe, Alkohol war meine Nahrung und harter Sex war mein Schmerzmittel.

 

 

 

 

Die schäbige Bar war das, was an diesem Abend einem Club am nächsten kam. Neonschilder hingen an den nackten Holzwänden, alte Nummernschilder waren an die Decke genagelt und Billardtische nahmen den größten Teil des Raumes ein. Eine Stadt hatte ich schon eine Weile nicht mehr gesehen, seit ich losgefahren war, aber es musste eine in der Nähe gewesen sein, denn die Bar war überfüllt.

Es war spät und die Misfits-Tribute-Band, die auf der Bühne spielte, war fast zu betrunken, um weiterzusingen. Ich stach heraus, etwa ein Jahrzehnt jünger als die meisten der Leute dort. Aber ich hatte eine Waffe an der Hüfte und konnte ihnen allen beim Billiard in den Arsch treten, also hatte sich niemand mit mir angelegt. Nur wenn ich die Wetten bei meinen Spielen gewann, hatte ich das Geld, um morgen zu tanken, also spielte ich etwas hinterhältig, um das zu erreichen.

Lügen, stehlen, fliehen. Überleben. Das Überleben interessierte sich nicht für Moral.

Ich richtete meinen Stoß aus, den Billardqueue an meinen Finger gepresst. Jemand drückte sich an meinen Hintern, sein heißer Atem lag in meinem Nacken. Eine raue Hand glitt meinen Arm hinunter und legte dicke, schmutzige Finger um mein Handgelenk.

»Das dritte Spiel in Folge, Mädchen«, sagte er. Es war der Typ, gegen den ich in der letzten Stunde gespielt hatte, Will. Großer Typ, Landarbeiter, Glatze und gestutzter Bart. »Weißt du, ich mag es nicht, wenn ich mein Geld an eine Betrügerin verliere.«

Ich versuchte, mich aufzurichten, aber sein über mich gebeugter Körper ließ es nicht zu. Ich seufzte schwer und sagte: »Ich bin keine Betrügerin, Will. Du bist nur ein schlechter Verlierer.«

Er riss mich hoch, packte meine Jeansjacke, zwang mich, mich ihm zuzuwenden, und drückte mich mit dem Rücken gegen den Tisch. Seine Freunde glucksten, und als meine Augen die Bar abtasteten, sah ich Leute, die die Szene beobachteten, aber keine einzige Person schritt ein.

Dachte ich mir. Ich würde hier keine Hilfe finden.

»Versuch nicht, nach der Waffe zu greifen, Schlampe«, sagte er, sein Atem roch nach Alkohol und Kautabak, als er bemerkte, dass meine Hand nach der Pistole griff. »Das kann ganz ruhig über die Bühne gehen, verstanden? Du kannst das ganze Geld behalten, aber du wirst es dir verdienen. Verdammt, meine Freunde und ich würden uns freuen, wenn du dir ein bisschen von uns allen holen würdest.« Er hielt sich immer noch an meiner Jacke fest, drückte seine Finger gegen meine Lippen und zwang sie in meinen Mund.

Idiot. Hatte er wirklich gedacht, ich würde nicht beißen?

Er zog seine Hand mit einem Aufschrei zurück, ich spuckte sein Blut auf die Dielen, während ich ihn angrinste. Aber die Hand, in die ich gebissen hatte, kam mit voller Wucht zurück, als seine blanken Knöchel hart gegen meinen Wangenknochen schlugen und mich zu Boden sinken ließen.

Perfekt.

»Verdammte Schlampe!«, fauchte er und wischte sich die blutigen Finger an seiner Jacke ab. »Ich werde dich lehren, mich zu beißen –«

Ich zog die Pistole heraus, zielte und drückte ab.

Sein Hinterkopf platzte auf wie eine Wassermelone und um uns herum brach das Chaos aus.

Seine Freunde kamen, um mich zu holen, die Leute rannten zur Tür und die sturzbetrunkene Band spielte weiter, als ob nicht gerade jemand vor ihren Augen ermordet worden wäre. Aber Will war nur der Erste, der zu Boden ging. Ein Billardqueue schwang nach meinem Kopf, ich schoss erneut und traf mein Ziel in die Schulter, bevor mein zweiter Schuss zwischen seine Augen traf. Ich wich dem Schlag eines anderen aus, trat ihm in die Eier, und als er sich vor mir krümmte, fand meine Kugel ihren Platz in seinem Hinterkopf.

Es spielte keine Rolle, wer starb. Es spielte keine Rolle, wie viel Blut vergossen wurde. Es gab immer nur eine Sache in meinem Kopf: überleben, auf jede noch so beschissene Weise.

Eine Schlägerei in einer Bar inspiriert alle Anwesenden. Ich war umgeben von Chaos, zerbrochenen Flaschen, Schüssen, Schreien und Flüchen. Die perfekte Gelegenheit, um schnell zu fliehen. Ich durchwühlte die Taschen der Männer, die ich niedergeschossen hatte, fand einen weiteren Hundertdollarschein und einen Zwanziger und stopfte sie in meine Taschen, bevor ich mich an die Wand drückte, um zur Tür zu gelangen.

Ich hatte den Ausgang fast erreicht, als ich von hinten einen kräftigen Stoß bekam – so heftig, dass mir die Luft wegblieb und ich zu Boden stürzte. Ich versuchte wegzukriechen, aber eine Hand packte meinen Knöchel und zerrte mich zurück.

»Glaubst du, du kommst so einfach aus der Sache raus, du verdammte –«

Die Stimme erstickte in verzweifelten Schreien und die Hand, die meinen Knöchel umklammert hatte, ließ plötzlich los – nur um neben meinem Kopf abgetrennt aufzukommen und Blut über die fleckigen Dielen zu ergießen.

Was … was zum Teufel?

Ich drehte mich um. Der Mann, der mich gepackt hatte, griff sich an den Arm und schrie gegen den Stumpf, der dort verblieben war, wo seine Hand gewesen war, aber seine Schreie wurden von einem Gurgeln unterbrochen. Seine Kehle war aufgeschlitzt, das Blut tropfte auf sein weißes Shirt. Ich starrte mit weit aufgerissenen Augen, als er zu Boden fiel und der Mann, der dafür verantwortlich war, ihm einen kleinen Schubs mit dem Fuß gab.

»Nun, das ist ein ziemliches Durcheinander«, sagte er. Er war groß, breitschultrig, die Vorderseite seiner Jacke tiefrot gefärbt und die Kapuze hochgezogen. Honigbraune, seltsam helle Augen blickten mich unter seiner Kapuze an. Er hatte Snakebites in der Unterlippe, deren silberne Ringe im Licht glänzten, und eine Barbell an der Augenbraue. Sein Hals, und ich nahm an, auch der Rest von ihm, war tätowiert. Er kratzte sich geistesabwesend die blutigen Finger an der Wange, bevor er sie ausstreckte, um mir aufzuhelfen. »Geht es dir gut?«

Diese Augen waren mir vertraut. Sie riefen in mir eine alte Erinnerung wach, etwas Verschwommenes und fast Vergessenes.

Hatte ich ihn schon einmal getroffen?

Aber das war egal. Ich sprang auf, ignorierte seine Hand und sprintete zur Tür hinaus. Ich hatte keine Zeit, um mit einem hitzköpfigen Mörder zu reden. Nein, Sir. Es war verdammt noch mal an der Zeit, zu gehen.

Die Luft war schwer von Staub, als die Gäste der Bar mit hoher Geschwindigkeit vom schmutzigen Parkplatz fuhren und ihre Pick-ups die lange, dunkle Straße hinunterbrausten. Ich rannte zu meinem Jeep, riss die Tür auf, ließ den Motor an und gab Gas, um ihn in Gang zu bringen. Ich legte meine Pistole auf den Beifahrersitz, und als ich den Rückwärtsgang einlegte, warf ich einen Blick zurück zur Bartür … und sah, wie der Besitzer der Bar wütend nach draußen kam, eine Schrotflinte in der Hand.

Scheiße. Scheiße.

Ich drückte aufs Gaspedal, die massiven Reifen des Jeeps bekamen Bodenhaftung und schälten sich auf die Straße hinaus. Die Bar lag mitten im Nirgendwo, aber das bedeutete, dass eine lange, gerade Strecke vor mir lag, auf der ich das alte Mädchen so schnell fahren konnte, wie es eben ging.

Die Bäume kamen immer näher, Zypressen und Kiefern umschlossen die Straße mit ihren Zweigen. Der Gesang der Zikaden erfüllte die Nacht, und da es auf der alten Straße keine Straßenlaternen gab, beleuchteten nur meine gelben Scheinwerfer den Weg. Ich brachte zwei Kilometer zwischen mich und die Bar, dann vier, dann acht. Erst dann hörte mein Herz auf, vernehmlich zu klopfen.