Herausforderndes Verhalten in stationären Einrichtungen -  - E-Book

Herausforderndes Verhalten in stationären Einrichtungen E-Book

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Beschreibung

In stationären Einrichtungen ist die Zahl der Klientinnen und Klienten, die herausforderndes Verhalten zeigen, sehr hoch. Das kann die Fachkräfte wie auch die Klientinnen und Klienten selbst auf eine harte Probe stellen. Das Buch reflektiert unterschiedliche fachliche Zugänge zu herausfordernden Verhaltensweisen im stationären Bereich theoretisch-konzeptionell, institutionell, methodisch und rechtlich. Dabei ist es interdisziplinär angelegt und setzt sozial- und sonderpädagogische, psychologische und rechtliche Ansätze zueinander in Beziehung. Der Schwerpunkt liegt auf dem methodischen Teil, der handlungsrelevantes Wissen für die Kinder-, Jugend- und Behindertenhilfe bietet.

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Inhalt

Cover

Titelei

1 Hinführung und Einleitung

Zu den einzelnen Beiträgen auf den unterschiedlichen Ebenen

Literatur

Grundlagen

2 Sozial- und sonderpädagogische Zugänge zu herausfordernden Verhaltensweisen in stationären Einrichtungen der Kinder-‍, Jugend- und Behindertenhilfe: Eine Skizze

2.1 Einleitung

2.2 Sozialpädagogische Zugänge

2.3 Sonderpädagogische Zugänge

2.4 Fazit

Literatur

3 Psychoanalytisch-pädagogischer Zugang zu herausforderndem Verhalten in stationären Einrichtungen

3.1 Vorbemerkung zum Begriff »herausfordernd«

3.2 Die Ausgangspunkte einer psychoanalytischen Sozialpädagogik zu Beginn des 20. Jahrhunderts

3.3 Siegfried Bernfelds »Kinderheim Baumgarten«

3.4 August Aichhorns Erziehungsheim in Oberhollabrunn und St. Andrä

3.5 Weiterführung und Ausdifferenzierung der psychoanalytischen Sozialpädagogik nach dem Zweitem Weltkrieg

Bruno Bettelheims »Orthogenic School« in Chicago

Fritz Redls »Pioneer House« in Detroit

3.5 Psychoanalytisch-pädagogischer Zugang zu herausforderndem Verhalten heute

Literatur

4 (Ver-)‌Störenden Verhaltensweisen begegnen – zur Komplexität sozialer Interaktionsprobleme

4.1 Einleitung

4.2 Ein Rahmenmodell zum Verstehen störender Verhaltensweisen

4.3 Ich- und Wir-Aspekte (ver-)‌störender Verhaltensweisen

4.4 Die Dynamik zwischen Es-‍, Ich- und Wir-Aspekten

4.5 Der Globe – nicht-variable Definitionsmacht in der Kinder-‍, Jugend- und Behindertenhilfe

4.6 Resümee

Literatur

Praxen und Handeln

5 Fallverstehen und Diagnosen in der Kinder-‍, Jugend- und Behindertenhilfe – Herausforderungen, Potenziale und Spannungsfelder

5.1 Einleitung

5.2 Konturen und Knotenpunkte des Fallverstehens und sozialpädagogischer Diagnosen in der stationären Kinder- und Jugendhilfe

Auf Erziehung einlassen

Fallverstehen und Diagnosen miteinander verbinden

Verstehen der ›inneren Repräsentation von Erlebtem‹

5.3 Reflexionen hinsichtlich Fallverstehen im Kontext von herausfordernden Verhaltensweisen in der Behindertenhilfe

Fallverstehen auf der Grundlage der inneren Subjektlogik

Fallverstehen auf der Grundlage von entwicklungstheoretischen Zugängen zu herausforderndem Verhalten

Fallverstehen auf der Grundlage von einstellungs- und umweltspezifischen Bedingungen

5.4 Fazit

Literatur

6 Aktenstudium und Aktenanalyse als ein Zugang zu herausfordernden Verhaltensweisen in institutionellen Settings

6.1 Dokumentation

6.2 Aktenstudium und Aktenanalyse

6.3 Keine Akte ohne Kontext!

6.4 Herangehensweise an Akten: offen, unvoreingenommen, aber mit skeptischer Grundhaltung

6.5 Chancen von Dokumentation, Aktenstudium und Aktenanalyse in der Sozialen Arbeit

6.6 Risiken und Grenzen von Dokumentation, Aktenstudium und Aktenanalyse

6.7 Aktenstudium und Aktenanalyse konkret in der Praxis der Sozialen Arbeit

6.8 Aktenstudium mit Fokus auf herausfordernde Verhaltensweisen

6.9 Aktenanalyse mit Fokus auf herausfordernde Verhaltensweisen

6.10 Fazit

Literatur

7 Partizipation als Zugang zu »schwierigen« jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe

7.1 Sogenannte »schwierige« junge Menschen sind schwieriger erreichbar

7.2 Junge Menschen und ihr unveräußerliches Recht auf Partizipation

7.3 Rechte auf »Voice«, »Choice« und »Exit« als zentrale Zugänge

7.4 Professionelle als Möglichmacher:innen von Partizipation

7.5 Strukturelle Verankerung von Beteiligung und Beschwerde auf vier Ebenen

In Verfahren der Kinder- und Jugendhilfe

In Selbstvertretungsgremien der Kinder- und Jugendhilfe

In Alltagsangelegenheiten der Kinder- und Jugendhilfe

7.6 Ausblick

Literatur

8 Arbeit und Berufsbildung als Bildungschancen nutzen

8.1 Einleitung

8.2 Funktionen stationärer erzieherischer Hilfen: »Schutz«, »Erziehung«, »Behandlung« und »Ausbildung«

8.3 Berufs- und Arbeitsintegration als vordingliches Ziel

8.4 Gesellschaftliche Erwartungen an die Berufsbildung und Arbeitsintegration

8.5 Bildungschancen durch Berufs- und Arbeitserfahrungen

Literatur

9 »Ich packe meinen Koffer ...«: Auf massiv (ver-)‌störende Verhaltensweisen reagieren

9.1 Einleitung

9.2 Handeln

9.3 Entwicklungsbezogene Förderung durch Feedback- und Monitoring-Verfahren

9.4 Konzepte der Sicherung von Mitarbeiter:innen

9.5 Die Gruppe als Interventionsgrundlage

9.6 Perspektiven

Literatur

10 Bezugspersonenarbeit – eine konzeptionelle Auslegung mit Fokus auf den Umgang mit herausfordernden Verhaltensweisen

10.1 Einleitung

10.2 Konzeptionelle Auslegung

Bezugspersonenarbeit aus der Historie betrachtet

Bezugspersonenarbeit aus der Organisations- und Administrationslogik betrachtet

Bezugspersonenarbeit aus der pädagogischen Perspektive betrachtet

10.3 Das Konzept Banking Time

10.4 Schlussfolgerungen

Literatur

11 Nähe und Distanz – (Irr-)‌Wege und (Un-)‌Möglichkeiten

11.1 Einleitung

11.2 Modulationen von Nähe und Distanz – die Rolle der Institutionen, der Fachkräfte und der Adressat:innen

Die Rolle der Institutionen

Die Rolle der Fachkräfte und der Adressat:innen

11.3 Fazit

Literatur

12 Theorie und Praxis von Punkteplänen und Stufensystemen

12.1 Grundbegriffe und Modelle

Punktepläne

Stufensysteme

Kombinationen von PP und SS

12.2 Theoriebezüge

12.3 Ergebnisse aus Evaluationen und Befragungen

12.4 Fachlichte Leitlinien

Literatur

13 Soziale Konflikte im Heim – Chancen und Gefahren

13.1 Einleitung

13.2 Kumulation von Risikofaktoren im Heim

Individuelle Faktoren

Familiäre Faktoren

13.3 Konfliktstrategien, Eskalation und Auflösung

Konfliktstrategien

Konflikteskalation

Konflikt-(Auf-)‌Lösung

13.4 Konflikte im Heim – Chancen und Gefahren

Konflikte mit Fachkräften

Konflikte mit Gleichaltrigen

13.5 Deeskalation und Umgang mit Konflikten

13.6 Fazit

Literatur

14 »... bevor der Faden reißt ...« Strukturierte Instrumente der Gewaltprävention im Kontext der Beziehung

14.1 Ein kurzer Blick auf charakteristische destruktive Eskalations- und Betreuungsverläufe

14.2 Strukturierte Trainings als sinnvolle Ergänzung zum pädagogischen Alltag

14.3 Das Modellprojekt – Aufbau und Ergebnisse

14.4 Schlussbemerkung

Literatur

15 Unfreiwilligkeit, Zwang‍(selemente) und Freiheitsentziehende Maßnahmen

15.1 Einleitung

15.2 Formen von Zwangsanwendung in der Jugendhilfe

15.3 Zwangselemente in offenen stationären Einrichtungen

Körperliches Begrenzen in Form von Niederringen und Festhalten

Auszeiträume

Zeitweise geschlossene Türen und ausstiegssichere Fenster

Leibesvisitationen und Zimmerdurchsuchungen

Nächtlicher Einschluss

Verpflichtende Punkte- und Stufen-Pläne

15.4 Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Erziehungshilfen

15.5 Fachliche Leitlinien

Literatur

16 Strafe als pädagogischer Zugang zu herausfordernden Verhaltensweisen in stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe?

16.1 Einleitung

16.2 Alte Rivalen: Kontroll- und autonomiepädagogische Zugänge

16.3 Strafe in der stationären Kinder- und Jugendhilfe

16.4 Fazit

Literatur

Organisation

17 Zugänge stationärer Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe zu jungen Menschen

17.1 Maßnahmen jenseits regulärer Erziehungshilfen und ihre Zielgruppe

17.2 Zugänge und Setting

17.3 Hochschwellige und stark strukturierte stationäre Einrichtungen

17.4 Niedrigschwellige und schwach strukturierte (stationäre) Angebote

17.5 Fazit: Chancen und Risiken

Literatur

18 Doing Education: Praxistheoretische Reflexion zu Heimerziehung

18.1 Einleitung

18.2 Praxistheoretische Reflexion zur Sozialpädagogik

Poiesis

Praxis

Zusammenfassung

18.3 Praxis als Weg zum selbstzwecklichen Heim

Poiesis-Perspektive

Praxistheoretische Praxis-Perspektive

Literatur

19 Intensivbetreuung im Kontext der Behindertenhilfe

19.1 Einleitung

19.2 Intensivbetreuung

Intensivbetreuung – eine begriffliche Erörterung

Ziele der Intensivbetreuung

Formen von Intensivbetreuungssettings

19.3 Fokus auf Intensiv-Wohngruppen – Chancen und Risiken

19.4 Prämissen für eine Intensivbetreuung

19.5 Fazit

Literatur

Recht

20 Der Kinderrechtsansatz im Umgang mit herausforderndem Verhalten von Kindern und Jugendlichen

20.1 Einleitung

20.2 Urteilsfähigkeit

20.3 Partizipation

20.4 Schutz vor Gewalt

20.5 Vertrauensperson

20.6 Fazit

Literatur

21 Reaktionen auf herausfordernde Verhaltensweisen in stationären Settings der Behinderten-‍, Kinder- und Jugendhilfe: Rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland

21.1 Überblick und Einführung in die rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland

21.2 Definition einer (genehmigungsbedürftigen) freiheitsentziehenden Maßnahme

21.3 Die Einwilligung des:der Sorgeberechtigten als Legitimationsgrundlage freiheitsentziehender Maßnahmen

21.4 Anforderungen an das familiengerichtliche Verfahren zur Genehmigung der Einwilligung des:der Sorgeberechtigten

21.5 Anforderungen an die Fachkräfte in Einrichtungen der Behinderten- und der Kinder- und Jugendhilfe

21.6 Fazit

Literatur

Autor:innenverzeichnis

Die Herausgeber:innen

Prof. Dr. Sven Huber ist seit 2013 hauptamtlicher Dozent an der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit. Ferner ist er Vorstandsmitglied im Verein Sozialpädagogische Wohnheime Luzern (SpWL), wo er das Ressort Pädagogik leitet. Er hat an der Universität Wuppertal Sozialwissenschaften und an der Universität Bremen European Labour Studies studiert. Im Jahr 2013 hat er an der Universität Wuppertal im Fach Pädagogik promoviert. Seine aktuellen Schwerpunkte in Forschung und Lehre sind: Abweichendes Verhalten und soziale Kontrolle, Sozialpädagogik des Jugendalters und Heimerziehung.

Prof. Dr. Stefania Calabrese, Erziehungswissenschaftlerin, ist seit 2016 Dozentin an der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit. Sie hat an der Universität Zürich Sozial- und Sonderpädagogik, Pädagogische Psychologie und Kriminologie studiert und in Erziehungswissenschaft promoviert. Ihre Schwerpunkte in Forschung, Lehre und Weiterbildung sind: Herausfordernde Verhaltensweisen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Gewaltprävention und Krisenintervention im Kontext Behinderung.

Sven Huber & Stefania Calabrese (Hrsg.)

Herausforderndes Verhalten in stationären Einrichtungen

Konzeptionelle, methodische, organisationale und rechtliche Zugänge

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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1. Auflage 2022Alle Rechte vorbehalten© W. Kohlhammer GmbH, StuttgartGesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:ISBN 978-3-17-039532-9

E-Book-Formate:pdf: ISBN 978-3-17-039533-6epub: ISBN 978-3-17-039534-3

1 Hinführung und Einleitung

Sven Huber

Geht es, soweit es eine sozial- und sonderpädagogische Perspektive betrifft, bei der Eröffnung von Zugängen zu den Adressat:innen in stationären Kontexten der Kinder-‍, Jugend- und Behindertenhilfe primär um eine Fokussierung auf deren herausforderndes Verhalten? Der Titel dieses Bandes könnte zumindest so gelesen werden und entsprechend zu einem Missverständnis einladen. Missverständlich wäre es deshalb, da sozial- und sonderpädagogisch orientierte Zugänge zu den Adressat:innen gerade nicht über eine Zentralstellung des herausfordernden Verhaltens erfolgen, also den korrespondierenden Normbruch nicht zum Dreh- und Angelpunkt der fachlichen Reflexion und Intervention machen. Vielmehr geht es, wie Winkler (2001) es für die stationären Hilfen zur Erziehung konstitutiv festgehalten hat, um die Ermöglichung von Subjektivität, wobei die Arbeit am »Modus der Differenz« (Winkler, 2011, S. 48) und die ortsgebundene pädagogische Arbeit an der Eröffnung von neuen und anderen Lern-‍, Entwicklungs- und Bildungsprozessen im Vordergrund steht. Dafür inszenieren die Einrichtungen und ihre Fachkräfte stellvertretende Lebensräume und Beziehungsangebote (Wigger, 2007), sie versuchen, Resonanzverhältnisse zwischen den Adressat:innen und ihren Bedürfnissen einerseits, und den Angeboten der Einrichtung andererseits zu etablieren. Es geht dabei um eine dynamische Suche nach wechselseitigen Passungsverhältnissen (vgl. Schwabe, 2021) mit dem Ziel, biografisch bedeutsam für die Adressat:innen zu werden und so die Voraussetzungen zu schaffen für das, was Thiersch, Grunwald & Köngeter (2012) einen gelingenderen Alltag genannt haben. In diesem Prozess wird das herausfordernde Verhalten weder als Wesensmerkmal der Adressat:innen noch als zentraler Fluchtpunkt der pädagogischen Arbeit konzipiert. Das herausfordernde Verhalten kennzeichnet in diesem Sinne nicht den ›Hauptstatus‹ einer Person. Das war allerdings, und dies ist noch nicht allzu lang her, lange Zeit anders und verbunden mit Repression, Disziplinierung, einer radikalen Defizitorientierung und der Beschädigung, zuweilen auch Zerstörung von Subjektivität. Auch wenn die Defizitorientierung und ihre Folgen heute noch längst nicht überwunden sind, so wird das herausfordernde Verhalten heute doch eher als »Nebenstatus« (Thiersch, 2015, S. 103) einer Person konzipiert und zumindest auch mit Kompetenzen in Verbindung gebracht. Es wird erkannt als subjektiv sinnvolles Bewältigungsverhalten (vgl. Böhnisch, 2010), als eine Überlebensstrategie, die sozioökonomisch, biografisch und institutionell geprägt ist und die sich in prekären Konstellationen aktualisiert. Auch wurde inzwischen deutlich, dass die Organisationen der Kinder-‍, Jugend- und Behindertenhilfe ganz wesentlich zur Entwicklung der herausfordernden Verhaltensweisen und somit auch zur ›Produktion‹ jener Adressat:innen beitragen, die dann als besonders schwierig gelten. Für die Kinder- und Jugendhilfe geben bspw. Ader (2002) und Baumann (2016) auf empirischer Grundlage entsprechende Einblicke in zentrale Dimensionen des prekären (Nicht-)‌Zusammenwirkens von Organisationen und Adressat:innen.

Das herausfordernde Verhalten der Adressat:innen in den Einrichtungen der Kinder-‍, Jugend- und Behindertenhilfe lässt sich u. a. als Verweigerungshaltung gegenüber dem Setting und den Beziehungsangeboten fassen und artikuliert sich u. a. im Entweichen, der Verweigerung gegenüber Regeln des Zusammenlebens, Aggression, Gewalt etc. (vgl. Dulle & Mann, 2008, S. 50). Herausfordernd ist dieses Verhalten für alle Beteiligten, auch für die Adressat:innen selbst, da es häufig mit einem hohen Leidensdruck verbunden ist. Die Einrichtungen suchen nun nach Zugängen zu den Adressat:innen, und diese Suche ist stark vorgeprägt durch das organisationale Selbstverständnis der Einrichtungen. Schallberger (2011) hat dies auf empirischer Grundlage eindrucksvoll für die Schweiz gezeigt. Für die stationäre Kinder- und Jugendhilfe identifiziert er fünf Typen organisationaler Selbstverständnisse und die ihnen korrespondierenden Zugänge zu den sogenannten normalbegabten verhaltensauffälligen Jugendlichen und deren herausfordernden Verhaltensweisen. Diese sollen im Folgenden knapp skizziert werden (vgl. ebd.).

·

Das Heim als christliche Ersatzfamilie: In den entsprechenden Heimen wird das herausfordernde Verhalten v. a. als Ausdruck der moralischen und sittlichen Zerrüttung der Herkunftsfamilie verstanden, entsprechend wollen die Heime Schutzorte vor sittlicher Verwahrlosung sein indem sie den Kindern und Jugendlichen den Weg zu Gott und zum Glauben aufzeigen.

·

Das Heim als Ort virtuoser Beziehungsgestaltung: Diese Heime verstehen sich selbst nicht als Schutzorte, sondern als Orte der Förderung von Autonomie und Mündigkeit. Das herausfordernde Verhalten wird v. a. situativ und als Hilferuf bzw. Überlebensstrategie verstanden. Der Alltag soll pädagogisch nicht zu stark strukturiert und überfrachtet, Spielräume für Eigenaktivität sollen geöffnet werden.

·

Das Heim als Um- und Nacherziehungseinrichtung: Hier steht das herausfordernde Verhalten und insbesondere die Verhaltenskorrektur im Fokus. Das Verhalten wird u. a. gedeutet als Ausdruck bisher nicht erfolgter Verhaltenskonditionierung. Die Herkunftsfamilie hat Regeln nicht klar genug definiert und durchgesetzt, außerdem fehlte eine machtvolle Vaterfigur. Entsprechend setzen diese Einrichtungen auf Fachkräfte als Ersatzväter, auf Autorität, Disziplinierung, Konditionierung und Sanktionen.

·

Das Heim als Internatsschule: Diese Einrichtungen setzen stark auf Vergemeinschaftungsprozesse in und durch Gruppen, wobei sich die Identifikation mit der Gruppe positiv auf das Sozialverhalten der Kinder und Jugendlichen auswirken soll. Die Fachkräfte sehen sich dabei als Coaches, die diesen Prozess moderieren. Herausforderndes Verhalten wird hier v. a. als entwicklungstypisch betrachtet, entdramatisiert und normalisiert.

·

Das Heim als klinische (Aus-)‌Bildungsstätte: Neben den sozialpädagogischen dominieren in diesen Einrichtungen psychologische und therapeutische Angebote. Nicht Besserung und Anpassung stehen im Fokus. Das herausfordernde Verhalten wird hier als Symptom für einen krisenhaften Entwicklungsverlauf verstanden, entsprechend geht es primär um Entwicklungsförderung und die Suche nach (lustvollen) Alternativen zum bisherigen Verhalten.

Schrapper (2002) hat drei methodische Grundvorstellungen (sozial-)‌pädagogischer Zugänge zu herausfordernd agierenden Adressat:innen identifiziert, die sich auf die hier skizzierten Typen von organisationalen Selbstverständnissen beziehen lassen. Er spricht

1.

von »Grenzen setzen, die Einhaltung üben und Überschreitung sanktionieren« (ebd., S. 18 f.), was am ehesten dem Selbstverständnis als Um- und Nacherziehungseinrichtung entspricht,

2.

von »Schwierigkeiten als Krankheit erkennen, behandeln und heilen« (ebd., S. 19), was am ehesten dem Selbstverständnis als klinische (Aus-)‌Bildungsstätte entspricht, und

3.

von »Alternative (Selbst-)‌Bildungsprozesse ermöglichen« (ebd., S. 19 f.), was am ehesten dem Selbstverständnis als Ort virtuoser Beziehungsgestaltung und als Internatsschule entspricht.

Das Selbstverständnis vom Heim als christlicher Ersatzfamilie lässt sich diesen (modernen) methodischen Grundvorstellungen nicht so eindeutig zuordnen, es werden allerdings Erinnerungen an eine konfessionell gebundene Rettungspädagogik wach. Insgesamt wird deutlich: traditionsreiche und gegenüber Veränderungen äußerst resistente organisationale Selbstverständnisse korrespondieren mit spezifischen methodischen Grundvorstellungen (sozial-)‌pädagogischen Handelns. Daraus erwachsen je spezifische Zugänge zu den Adressat:innen. Wenn man, wie dies eingangs geschehen ist, die Ermöglichung von Subjektivität zum Referenzpunkt für die fachliche Reflexion von Zugängen macht, wird allerdings auch deutlich, dass einige der vorgestellten Zugänge eine Subjektorientierung zu verhindern drohen, sich sogar durch eine negative Form der Subjektorientierung auszeichnen können. Der gegenwärtige Mix aus einer Dominanz betriebswirtschaftlicher Steuerungslogiken, mangelnder Zeit für die Hilfeplanung, Belegungsdruck etc. (vgl. Grasshoff, 2021, S. 181 ff.; Schwabe, 2021, S. 325 f.) lässt befürchten, dass eine fachlich fundierte und dynamische Suche nach Passungs- und Resonanzverhältnissen zwischen Einrichtungen und Adressat:innen zunehmend solchen Formen einer negativen Subjektorientierung zum Opfer fallen.

Der Blick auf herausfordernde Verhaltensweisen ist also immer auch mit einem kritischen Blick auf die gewählten Zugänge und deren Ambivalenzen und Blindstellen im Hinblick auf die Ermöglichung von Subjektivität zu verbinden. Dazu gehört auch, herausfordernde Verhaltensweisen als Verhaltensformen zu erkennen, »in denen das Normale sich in besonderer Weise zuspitzt, verhärtet und dramatisiert« (Thiersch, 2015, S. 102). Gemeint ist, dass jene Fälle, die als besonders ›schwierig‹ gelten, »in ihrer grundlegenden Beschaffenheit gleichsam exemplarisch für eine Reihe von Fällen [stehen: d. Verf.], auch solchen, die als weniger ›schwierig‹ eingeschätzt werden« (Ader, 2002, S. 112). Diese ›schwierigen Fälle‹ stehen mithin für das »Besondere im Allgemeinen« (Thiersch, 2015, S. 102). Damit verbindet sich die Einsicht, dass für die betreffenden Adressat:innen kein spezifischer Erziehungsauftrag zu formulieren ist, dass also »im Allgemeinen die gleichen Zielsetzungen wie für Kinder und Jugendliche ohne erkennbare Probleme dieser Art« (Willmann, 2010, S. 211) gelten. Mit anderen Worten: umfassende Erziehungs- und Bildungsprozesse mit dem Ziel der Autonomie und Mündigkeit der Adressat:innen lassen sich auch und gerade für die ›Schwierigen‹ nicht durch spezialisierte Trainings (von Disziplin, des Zusammenlebens in Gruppen, des Glaubens etc.) oder therapeutische Verfahren ersetzen, sondern nur ergänzen.

Mit diesen Ausführungen sind zumindest einige der Spannungsfelder benannt, die bei der Eröffnung von Zugängen zu herausfordernden Verhaltensweisen in stationären Settings der Kinder-‍, Jugend- und Behindertenhilfe virulent werden können. Der Blick auf die organisationalen Selbstverständnisse und die methodischen Grundorientierungen hat gezeigt, dass diese Zugänge, obschon es sich um die identische Zielgruppe handelt, denkbar unterschiedlich orientiert sein können und stets mit Ambivalenzen und Blindstellen verbunden sind. Der vorliegende Band möchte nun einen kleinen, kritischen Überblick über gegenwärtige Zugänge in stationären Kontexten liefern. Dafür werden Zugänge auf den Ebenen der theoretisch-konzeptionellen Grundlagen, der Handlungspraxen, der Organisation und des Rechts mit ihren Potentialen, Chancen, Grenzen und Ambivalenzen vorgestellt und diskutiert. Dieser Überblick ist keineswegs vollständig, es ließen sich zusätzliche Ebenen und auf jeder der genannten Ebenen eine Vielzahl weiterer Zugänge identifizieren und diskutieren. Es handelt sich vielmehr um einen exemplarischen Überblick, dessen thematische Zusammensetzung sich an der Relevanz von Themen in den einschlägigen und aktuellen Debatten in Disziplin und Profession orientiert. Er ermöglicht eine (erste) Orientierung und versteht sich als Einladung zur Reflexion von typischen Spannungsfeldern, welche im Rahmen der verschiedenen Zugänge sichtbar und wirkmächtig werden. Wenn die Leser:innen nach der Lektüre des Bandes oder zumindest von Teilen davon in Anlehnung an Oscar Wilde formulieren: »Ich hatte viele Erwartungen, einige wurden sogar erfüllt«, sind die Herausgeberin und der Herausgeber durchaus zufrieden. Wir wünschen den Leser:innen in diesem Sinne eine hoffentlich ertragreiche Lektüre und bedanken uns herzlich bei allen Autor:innen aus der Schweiz, aus Deutschland und Österreich für ihre Beiträge und die Bereitschaft, an diesem Publikationsprojekt mitzuwirken.

Zu den einzelnen Beiträgen auf den unterschiedlichen Ebenen

Ebene Grundlagen

Sven Huber und Stefania Calabrese skizzieren in ihrem Beitrag exemplarisch zentrale Charakteristika sozial- und sonderpädagogischer Zugänge zu herausfordernden Verhaltensweisen. Es geht ihnen dabei um das Zusammenspiel von zum einen (Fall-)‌Verstehen, Ortshandeln und Normalisierung, zum anderen von Wahrnehmen, Verstehen und Handeln. Die Bedeutung psychoanalytisch-pädagogischer Zugänge zu herausfordernden Verhaltensweisen wird von Reinhard Fatke thematisiert. Er zeichnet an den Beispielen von insbesondere Siegfried Bernfeld, August Aichhorn, Bruno Bettelheim und Fritz Redl unterschiedliche Denk- und Handlungsweisen nach und erörtert die Bedeutung psychoanalytisch-pädagogischer Einsichten für die gegenwärtige pädagogische Auseinandersetzung mit herausforderndem Verhalten. Menno Baumann stellt in seinem Beitrag ein an der Themenzentrierten Interaktion (TZI) orientiertes Rahmenmodell zum Verstehen (ver-)‌störender Verhaltensweisen vor. Entsprechend der Systematik der TZI widmet er sich der Dynamik von vier Bedingungsfaktoren (Sachaspekt, Ich-Aspekt, Wir-Aspekt, Globe) (ver-)‌störender Verhaltensweisen.

Ebene Praxen und Handeln

Die Rolle des Fallverstehens problematisieren Sven Huber und Stefania Calabrese in ihrem Beitrag. Für die Kinder- und Jugendhilfe diskutieren sie zunächst zentrale Knotenpunkte eines integrativen, die Eigensinnigkeit der Subjekte achtenden Fallverstehens unter besonderer Berücksichtigung hermeneutischer und psychoanalytisch-pädagogischer Traditionen. Danach fokussieren sie das Fallverstehen im Kontext von Adressat:innen mit einer Beeinträchtigung insbesondere in den Dimensionen der Subjektlogik, der Entwicklungstheorie und von einstellungs- und umweltspezifischen Bedingungen. Eva Büschi setzt sich in ihrem Beitrag mit der Rolle von Dokumentation und Akten für das professionelle Handeln im Zusammenhang mit herausfordernden Verhaltensweisen auseinander. Sie thematisiert insbesondere die Kontextgebundenheit, den Umgang mit und die Analyse von Akten, und arbeitet Chancen und Grenzen im Umgang mit den schriftlichen Dokumenten heraus. Mechthild Wolff widmet sich in ihrem Beitrag der Rolle der Partizipation für herausfordernd agierende Adressat:innen in der Kinder- und Jugendhilfe. Sie diskutiert Partizipation als Grundprinzip der Kinder- und Jugendhilfe, auch und gerade für jene Kinder und Jugendlichen, die sie als schwer erreichbar charakterisiert. Dabei fokussiert sie zum einen auf die Rechte der Adressat:innen (»voice«, »choice« und »exit«) und zum anderen auf strukturelle Dimensionen der Verankerung von Beteiligungs- und Beschwerderechten auf unterschiedlichen Ebenen.

Dorothee Schaffner problematisiert in ihrem Beitrag die Rolle von Arbeit und (Aus-)‌Bildung für die Arbeit mit gefährdeten und gefährdenden Jugendlichen. Auf der Grundlage verschiedener empirischer Befunde zeigt sie insbesondere am Beispiel des Sonderschulheimkontextes auf, dass die Auseinandersetzung mit Arbeit und (Aus-)‌Bildung vor Ort häufig wenig pädagogisch gerahmt ist und dass Arbeit v. a. als Erziehungsmittel zur Anpassung jenseits individueller Wünsche und Bedarfe genutzt wird. Sie plädiert stattdessen dafür, umfassendere Bildungsprozesse durch Arbeitserfahrungen zu ermöglichen. Menno Baumann diskutiert in seinem Beitrag unterschiedliche Interventionsansätze für die gegenwärtig kontrovers diskutierten ›Systemsprenger:innen‹. Er stellt Verfahren und Modelle vor, die bei der Bewältigung von akuten Krisen in stationären Kontexten hilfreich für die Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit der Mitarbeiter:innen sein können.

Die Bezugspersonenarbeit wird im Beitrag von Stefania Calabrese ins Zentrum gestellt. Unter Berücksichtigung des Konzepts ›Banking Time‹ kann eine konzeptionell verankerte Bezugspersonenarbeit im stationäre Kontext einen relevanten beziehungsorientierten Zugang zum Umgang mit herausfordernden Verhaltensweisen von Adressat:innen bieten. Das Problem der Modulation von Nähe und Distanz greift Sven Huber in seinem Beitrag auf. Er diskutiert Blindstellen, Ambivalenzen und Orientierungspunkte des Ausbalancierens von Nähe und Distanz und arbeitet Gefahren dieses ›Balanceaktes‹ heraus, die insbesondere in Einrichtungen mit einer kontrollpädagogischen Schlagseite drohen. Möglichkeiten und Grenzen von Stufen- und Punkteplänen werden von Mathias Schwabe diskutiert. Er stellt die zentralen Charakteristika von Punkteplänen, Stufensystemen und deren Kombination in Form von Punkte-Stufen-Systemen (PSP) dar. In Abgrenzung vom Motiv der Verhaltensmodifikation stellt er alternative theoretische Orientierungspunkte für PSP vor, gibt einen Einblick in die Ambivalenzen der PSP aus Sicht der Adressat:innen und formuliert abschließend fachliche Leitlinien für den Einsatz von PSP.

Konflikte werden von Marion Scherzinger thematisiert. Sie benennt Faktoren, die Konflikte im Heimkontext begünstigen, diskutiert Konfliktstrategien und verschiedene Umgangsweisen mit Konflikten und arbeitet Chancen und Gefahren heraus, die mit Konflikten zwischen Jugendlichen und den Fachkräften oder zwischen den Gleichaltrigen verbunden sein können. Soziale Trainings und Gewaltprävention‍(sprogramme) werden als Ergänzung zum pädagogischen Alltag von Ursula Pav diskutiert. Sie stellt Spezifika strukturierter Trainings vor und gibt Einblicke in den Aufbau und in Ergebnisse eines psychodynamisch und traumapädagogisch fundierten Modellprojekts in einer sozialtherapeutischen Abteilung. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Zwang steht im Mittelpunkt des Beitrags von Mathias Schwabe. Er stellt unterschiedliche Formen und Elemente des Zwangs in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe vor und diskutiert diese im Hinblick auf deren Chancen, Voraussetzungen, Ambivalenzen und Grenzen, um abschließend fachliche Leitlinien für den Umgang mit Zwangsmomenten zu skizzieren. Sven Huber diskutiert in seinem Beitrag das Problem der Strafe im Spannungsfeld zwischen autonomie- und kontrollpädagogischen Positionen. Er zeichnet skizzenhaft punitive Tendenzen in der Kinder- und Jugendhilfe nach und weist auf Gefahren einer kontrollpädagogischen Dominanz und eines Fehlens von Minimalvoraussetzungen für die Achtung der Autonomie der Adressat:innen und einen fachlich reflektierten Umgang mit Strafe hin.

Ebene Organisation

Nina Oelkers diskutiert in ihrem Beitrag verschiedene institutionelle Angebote für herausfordernd agierende Kinder und Jugendliche an den Rändern der Hilfen zur Erziehung. Dabei arbeitet sie zentrale strukturelle und pädagogische Charakteristika dieser institutionellen Zugänge heraus und befragt insbesondere hoch- und niedrigschwellige Angebote auf die mit ihnen verbundenen Chancen und Risiken. Vinzenz Thalheim und Mark Schrödter argumentieren in ihrem Beitrag, dass die Heimerziehung, auch und gerade für herausfordernd agierende Kinder und Jugendliche, gegenwärtig stark an die Idee der Verwahrung und an zweckgebundene Interventionslogiken gebunden ist. Heimerziehung ist in diesem Sinne Mittel zum Zweck der Abwendung von Not und Mangel. Sie plädieren dagegen, orientiert an der Idee des Internats, für die Etablierung einer Praxis, die ein spezifisches Profil aufweist, in sich selbst wertvoll und performativ auf Bildung ausgerichtet ist. Stefania Calabrese fokussiert in ihrem Beitrag auf Settings der Intensivbetreuung, die explizit für Menschen mit kognitiven und/oder psychischen Beeinträchtigungen und (massiven) herausfordernden Verhaltensweisen konzipiert werden und als institutionell verankerter Zugang für den Umgang mit herausfordernden Verhaltensweisen betrachtet werden können, sofern grundlegende Prämissen Berücksichtigung finden.

Ebene Recht

In dem Beitrag von Alexandra Caplazi steht die Bedeutung der Kinderrechtskonvention für den Umgang mit herausfordernden Verhaltensweisen in der Schweiz im Mittelpunkt. Sie diskutiert die Bedeutung des Kinderrechtsansatzes und der Garantien der Kinderrechtskonvention (hinsichtlich der Dimensionen Urteilsfähigkeit, Partizipationsrecht, Recht auf Schutz vor Gewaltanwendung und Recht der Wahl einer Vertrauensperson) für die pädagogische Arbeit in stationären Kontexten. Birgit Hoffmann problematisiert in ihrem Beitrag freiheitsentziehende Maßnahmen in stationären Einrichtungen der Kinder-‍, Jugend- und Behindertenhilfe in Deutschland. Bei ihren Ausführungen stehen insbesondere die Voraussetzungen für entsprechende Maßnahmen, die Rolle der Sorgeberechtigten, das familiengerichtliche Genehmigungsverfahren und die Pflichten der Fachkräfte im Mittelpunkt.

Literatur

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Grundlagen

2 Sozial- und sonderpädagogische Zugänge zu herausfordernden Verhaltensweisen in stationären Einrichtungen der Kinder-‍, Jugend- und Behindertenhilfe: Eine Skizze

Sven Huber & Stefania Calabrese

2.1 Einleitung

Sozial- und sonderpädagogische Zugänge zu herausfordernden Verhaltensweisen in stationären Einrichtungen erwachsen aus einem komplexen und einigermaßen unübersichtlichem Bedingungsgefüge, welches sich ähnlich einem Netz aufspannt und in dem sich verschiedene Knotenpunkte identifizieren lassen. Solche Knotenpunkte sind insbesondere die organisationalen Rahmenbedingungen und Erwartungen an professionelles Handeln, die Deutungs- und Orientierungsmuster von einzelnen Leitungs- und Fachkräften, Teams und Adressat:innen, die rechtlichen Rahmenbedingungen, die gesellschaftlichen und (sozial-)‌politischen Erwartungen an öffentliche Erziehung und Betreuung sowie die Fachdiskurse. Die komplexen, häufig widersprüchlichen Verbindungen zwischen diesen Knotenpunkten und die Art ihrer Resonanzbeziehung wären (empirisch und fallspezifisch) zu rekonstruieren, um die Architektur unterschiedlicher sozialpädagogischer Zugänge hinreichend umfassend und verstehend nachvollziehen zu können. Hier soll es uns allerdings um ein weniger ambitiöses Vorhaben gehen: Wir möchten uns exemplarischen aber zentralen sozial- und sonderpädagogischen Zugängen zu herausfordernden Verhaltensweisen in stationären Kontexten zuwenden und eine kleine orientierende Skizze erstellen.

2.2 Sozialpädagogische Zugänge

Der Fokus liegt in diesem Abschnitt auf dem Knotenpunkt des sozialpädagogischen Fachdiskurses, der inhaltlich zumindest exemplarisch und skizzenhaft diskutiert und auf einige seiner gegenwärtigen Grenzen und Ambivalenzen hin befragt werden soll, was die Bezugnahme auf einige der anderen genannten Knotenpunkte bedingt. Die These lautet, dass es insbesondere drei Perspektiven sind, die diesen Knotenpunkt charakterisieren:

·

das sozialpädagogisch-hermeneutische (Fall-)‌Verstehen,

·

die Bereitstellung von Orten in Verbindung mit der Eröffnung von Situationen für korrektive Neuanfänge der Erziehung und

·

die Normalisierung (vgl. Huber & Schierz, 2015; Huber & Schmid, 2019).

Herausfordernde Verhaltensweisen werden aus sozialpädagogischer Perspektive in der Regel als ein Bewältigungsverhalten beschrieben. Die Kinder und Jugendlichen sehen sich in einer lebensweltlich vermittelten Krisen-Situation, in denen ihnen keine sozial erwünschten Mittel zur Verfügung stehen, um handlungsfähig zu bleiben. Über herausforderndes Verhalten kann es ihnen zumindest temporär gelingen, Aufmerksamkeit, Anerkennung und Selbstwirksamkeit zu erleben. Die sozialpädagogisch relevante Annahme lautet, dass in diesem Bewältigungsverhalten Botschaften enthalten sind, Bewältigungssignale also, die es aufzunehmen und an die es bei sozialpädagogischen Interventionen anzuknüpfen gilt (vgl. Böhnisch & Schröer, 2015, S. 120 ff.). Dies setzt Prozesse eines systematischen Verstehens voraus, da die Signale und Botschaften häufig verschlüsselt und unkenntlich sind. Das sozialpädagogische Verstehen möchte die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die problematischen Verhaltensweisen der Kinder und Jugendlichen nicht einfach als ›Verrücktheiten‹ oder ›Maschen‹ abgetan werden, die es dann nicht zu verstehen, sondern möglichst effektiv und effizient abzuschalten gilt. Nohl (1965, S. 76) bringt es deutlich auf den Punkt, wenn er sagt: »Die alte Erziehung ging aus von den Schwierigkeiten, die das Kind macht, die neue von denen, die das Kind hat«. Das Fehlverhalten der Kinder und Jugendlichen gilt es als Symptom zu verstehen, welches auf sehr unterschiedlich gelagerte Schwierigkeiten verweisen kann. Die im Bewältigungshandeln verschlüsselten Signale und Botschaften geben den Fachkräften Hinweise auf diese Schwierigkeiten und erlauben es, mögliche Anknüpfungspunkte für sozialpädagogisches Handeln zu identifizieren.

Dafür erscheint es zunächst zentral, jene Deutungs- und Orientierungsmuster, welche mit dem herausfordernden Verhalten der Kinder und Jugendlichen in Verbindung stehen, zu rekonstruieren. Die zentrale Frage dabei ist, wie die Kinder und Jugendlichen ihr Verhalten und ihre Situation selbst deuten, welcher subjektive Sinn sich mit dem Verhalten verbindet und welche konkreten Funktionen dem Verhalten innerhalb einer je spezifischen Lebenssituation zugeschrieben werden können. Ein solches Verstehen setzt hermeneutische Kompetenzen auf Seiten der Fachkräfte voraus und benötigt kriteriengeleitete und intersubjektiv nachvollziehbare Verfahren (vgl. Uhlendorff, 2010), die es erlauben, eine sozialpädagogische Diagnostik und mithin Hypothesenbildung hinsichtlich des Verhaltens und möglicher Anknüpfungspunkte für professionelles Handeln anzuschließen. Ader und Schrapper (2020) haben ein methodisches Rahmenkonzept für die Jugendhilfe vorgelegt, welches eine solches hermeneutisch-rekonstruktives Fallverstehen und Diagnostik systematisch erweitert und einbindet in weitere zentrale Zugänge des Fallverstehens, die sich über den Einsatz von sechs Basis-Instrumenten (vgl. ebd., S. 51 ff.) realisieren lassen (Genogramm, Fallchronologie, Ressourcenkarte, Netzwerkkarte, Diagnoseinstrumente zur Risikoeinschätzung, kollegiale Beratung/szenisches Fallverstehen). Eher datengestützte und klassifikatorisch orientierte Verfahren verbinden sich so mit hermeneutischen und psychoanalytisch-pädagogischen Verfahren. Auf diesem Wege kommt auch das je konkrete soziale, kulturelle und ökonomische Bedingungsgefüge des herausfordernden Verhaltens besser in den Blick und es können Hilfen entwickelt und angeboten werden, die nicht eindimensional auf ein vermeintlich ›fehlangepasstes‹ Individuum abstellen. Aus dem In- und Miteinander der verschiedenen Verfahren heraus können die Fachkräfte gemeinsam mit den Adressat:innen dann Hypothesen und Prognosen entwickeln, die allerdings stets einen vorläufigen Charakter haben. Sozialpädagogische Diagnosen und die damit verbundenen Prognosen und Hypothesen müssen zwar intersubjektiv nachvollziehbar und erklärungsfähig sein, können für sich aber nicht einen Status ›objektiver Wahrheit‹ beanspruchen, da Fallverstehen »stets mit einer zweiten Reflexion einhergeht – könnte es nicht auch anders sein? Es ist daher nicht zu Ende zu bringen, bleibt immer vorläufig« (Winkler, 2020, S. 148). Sozialpädagogisches Verstehen in dem hier nur oberflächlich skizzierten Sinne ist ein recht ressourcenintensives Unterfangen, welches in der beruflichen Praxis der Kinder- und Jugendhilfe häufig zu kurz kommt. Die Gründe dafür sind vielfältig. Es fehlt an Zeit und (hermeneutischen) Kompetenzen (vgl. Schwabe & Thimm, 2018, S. 300 ff.). Manche Fachkräfte fühlen sich auch nicht zuständig und ziehen es vor, auf der Grundlage von Fremddiagnostiken (z. B. Medizin, Psychologie etc.) zu handeln (vgl. Niemeyer, 2015, S. 78).

Während Verstehen und Diagnostik einen ersten sozialpädagogischen Zugang zu herausforderndem Verhalten markiert, stellt die Bereitstellung von pädagogisch inszenierten Orten (z. B. Heime für Kinder und Jugendliche) einen zweiten dar. Diesen Orten geht es um die Eröffnung von Situationen, in denen Erziehung wieder möglich wird, von Situationen also, die es den Kindern und Jugendlichen als lohnenswert erscheinen lässt, sich (wieder) auf Erziehung einzulassen. Sünkel (1994, S. 99) spricht in diesem Fall von Situationen des korrektiven Neuanfangs: »Immer dann also, wenn es darum geht, gestörte oder zerbrochene Prozesse [der Erziehung: d. Verf.] neu zu begründen (die Störung oder den Bruch zu korrigieren), haben wir es mit Situationen des korrektiven Neuanfangs der Erziehung zu tun« (ebd.). Mit dem Eintritt in ein Heim bspw. erfolgt quasi automatisch und formal ein korrektiver Neuanfang der Erziehung. Allerdings ist dieser stets institutionell präformiert, was zwar einen Anfang, eine Situation der Offenheit hingegen nicht ermöglicht. Die Offenheit des Anfangs von Erziehung und sozialer Bildung muss bewusst und in einem oft langwierigen Prozess hergestellt werden (vgl. ebd., S. 105; vgl. Hörster & Müller, 2017, S. 625). Häufig befinden sich die Kinder und Jugendlichen in einem »Modus der Differenz« (Winkler, 2011, S. 48), d. h., ein Subjektivitätsverlust tritt aufgrund einer kritischen Lebenssituation ein und den Kindern und Jugendlichen gelingt es nicht, die äußeren und inneren Realitäten zu bewältigen. Eine der notwendigen Öffnungen soll dadurch gelingen, dass der neue Ort zunächst einmal eine räumlich-emotionale Distanz zur schwierigen Lebenssituation zu etablieren sucht. Dafür muss er Schutz und Geborgenheit bieten, die Versorgung sicherstellen, Solidarität und Gemeinschaft erleben lassen, fehlerfreundlich organisiert sein, zu Lern- und Entwicklungsprozessen einladen und auffordern etc. Dafür müssen die Subjekte in ihrer je spezifischen Subjektivität aufgesucht werden (vgl. Colla, 2014, S. 169), was ein sozialpädagogisch-hermeneutisches Verstehen systematisch voraussetzt und ein Fehlen desselben äußerst problematisch erscheinen lässt. Denn wenn man insbesondere die Selbstbilder und -deutungen der Kinder und Jugendlichen nicht kennt und im Rahmen professionellen Handelns nicht daran anschließt, werden die Adressat:innen eben nicht in ihrer spezifischen Subjektivität aufgesucht. Die sozialpädagogischen Interventionen stehen dann stets in der Gefahr, selbst zu Instrumenten der Negation von Subjektivität zu werden.

Zudem ist die Wahrscheinlichkeit dann hoch, dass die Kinder und Jugendlichen den Ort nicht als (biografisch) relevant und bedeutsam, sondern als ihnen völlig äußerlich und vielleicht sogar als feindselig erleben. Heime sind in diesem Sinne und aus einer sozialpädagogischen Perspektive heraus systematisch daraufhin zu überprüfen, inwieweit sie der Subjektivität der Kinder und Jugendlichen gerecht werden und Lern-‍, Entwicklungs- und Bildungsbewegungen ermöglichen (vgl. Winkler, 2011, S. 55 ff.). Eine Öffnung und ein sich Einlassen auf Erziehung auf Seiten der Adressat:innen wird in der Regel nur dann erfolgen, wenn sie dem Ort eine Relevanz für ihr aktuelles Leben zuschreiben können. Dafür müsste es den Orten der Heimerziehung auch gelingen, »eine selbstzwecklich wertvolle Sozialform« (Schrödter, 2017, S. 351; ▶ Kap. 18) zu konstituieren und nicht in erster Linie Kinder und Jugendliche, sondern eine gemeinsame ethische Praxis zu beherbergen, die um ihrer selbst und der in ihr repräsentierten Werte willen geschätzt werden kann. Gegenwärtig allerdings dominiert eine technologische Perspektive auf die stationäre Jugendhilfe. Der Fokus auf das Subjekt weicht einem Fokus auf enge (Tages-)‌Strukturen, technische Hilfsmittel, Standards, Regeln etc., bisweilen behandelt man die Heranwachsenden wie Objekte bzw. »wie eine Maschine: Sobald sie wieder funktioniert, hat man sie wohl erfolgreich repariert« (Doll, 2016, S. 207). Zudem gilt es festzuhalten, dass in der Mehrheit der Einrichtungen ein umfassender Sinnzusammenhang, der eine ethische Praxis fundieren könnte, gar nicht vorgesehen ist, und dass sich die gegenwärtige Heimerziehung primär am Paradigma der »Betreuung und Verwahrung« (Schrödter, 2017, S. 359; ▶ Kap. 18) orientiert.

Der dritte hier zu skizzierende Zugang ist die Normalisierung. Im Zuge gesellschaftlicher Individualisierungs-‍, Pluralisierungs- und Beschleunigungstendenzen haben sich auch die Vorstellungen von einem guten Leben und Möglichkeiten der Lebensführung pluralisiert. Heite (2010, S. 189) spricht in diesem Zusammenhang von einer »irreduzible‍[n] Vielfalt menschlicher Selbst- und Weltverhältnisse«. Dennoch stellt Normalität nach wie vor eine zentrale Zielperspektive dar und Sozialpädagogik leistet in diesem Sinne immer auch Normalisierungsarbeit. Wenn der Normalisierungsauftrag nicht repressiv, sondern pädagogisch verstanden werden soll, muss er anderes umfassen als Zwang zur Anpassung und Unterdrückung eigensinniger Subjektivität. Normalisierung kann dann nur als eine Arbeit an »Normalitätsbalancen« (Mollenhauer, 1996, S. 878) verstanden werden, als ein Versuch also, unterschiedliche Normalitätserwartungen und -entwürfe in ein entwicklungsförderliches Spannungsverhältnis zu setzen. Dies impliziert eine gemeinsame Suchbewegung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, in der die Adressat:innen einen spürbaren Einfluss auf die Bedingungen nehmen können, unter denen diese stattfindet. Es braucht Raum und Offenheit für Experimente sowie Möglichkeiten für Improvisation, da es für diese Suchbewegung kein Rezept gibt, das man Punkt für Punkt abarbeiten könnte. Die Fachkräfte und der organisationale Rahmen dulden solche (experimentellen) Suchbewegungen nicht nur, sie fordern sie heraus und sichern auch die daraus resultierenden Schwierigkeiten, Fehler, Konflikte etc. und deren Bewältigung ab (vgl. Huber, 2021, S. 96 ff.).

Der »Rahmen« (vgl. Körner & Ludwig-Körner, 1997, S. 77 ff.), innerhalb dessen die Arbeit an den Normalitätsbalancen geleistet wird, muss also flexibel und irritierbar sein, gleichzeitig aber muss er eine Ordnung herstellen und verteidigen können. Die Organisation und die Fachkräfte sehen sich also stets auch mit der Aufgabe konfrontiert, den Rahmen zu wahren (vgl. Müller & Schwabe, 2009, S. 56; Huber & Kirchschlager, 2019). Normalisierung, verstanden als Arbeit an Normalitätsbalancen, hat deshalb stets auch mit Momenten der Grenzsetzung zu tun. Michael Winkler (1999) hat dies auf den Punkt gebracht, auch wenn er heute vermutlich davon Abstand nehmen würde (vgl. Winkler, 2016, S. 68). Er stellt fest, dass jedem Ort (der Heimerziehung) eine Ordnung gegeben wird und formuliert dann:

»Jedes methodische Handeln hat deshalb mit Grenzen und Grenzsetzung zu tun; ein Jugendlicher, der seine Lebenszusammenhänge und sich selbst chaotisiert, verfügt zwar über ein Aktivitätspotential aber über keine Handlungsdisposition. Insofern besteht methodisches Handeln gerade darin, seinen Aktivitäten Form zu geben, sie zu steuern und zu lenken, auch durch verbietende Eingriffe, durch Gegenwirkungen« (Winkler, 1999, S. 1117).

Auch wenn sich die Aktivitäten der Adressat:innen sicherlich nicht ›steuern‹ und ›lenken‹ lassen, stehen die Fachkräfte den Normalitäts- und Lebensentwürfen der Kinder und Jugendlichen weder neutral noch indifferent gegenüber. Denn Erziehung ist eine normative Angelegenheit, die zum einen angewiesen ist auf moralische Werte und mithin eine Unterscheidung zwischen wertvollen und weniger wertvollen Normalitäts- und Lebensentwürfen (vgl. Schrödter, 2017, S. 351). Zum anderen benötigt sie »explizierte, reflektierte und kritisierte Vorstellungen des Guten und Richtigen« (Reichenbach, 2010, S. 86) und Fachkräfte, die diese Vorstellungen in eine Praxis übersetzen, für welche sie die Kinder und Jugendlichen empfänglich machen wollen. Dies nicht zuletzt dadurch, dass sie im Rahmen dieser Praxis die Frage nach der Wünschenswertigkeit bestimmter Normalitätsentwürfe virulent werden lassen.

»[D]‌ie Frage nach dem Guten zeigt sich meist als Frage oder Nachfrage nach der Wünschenswertigkeit unserer Wünsche. Das ist das zentrale pädagogische Moment: diese Irritation zu unterstützen, diese Irritation manchmal zu bewirken, und – wenn sie zu stark ausfallen sollte – sie zu mildern« (Reichenbach, 2018, S. 231 f.).

Die bereits erwähnte, eher technologische, Perspektive auf die stationäre Jugendhilfe, die gegenwärtig dominant ist, der Fokus auf Verwahrung, die tendenzielle Subjektvergessenheit und das Fehlen einer gemeinsamen ethischen Praxis bergen die Gefahr, dass die Aufgabe der Arbeit an Normalitätsbalancen gar nicht in den Blick kommt, und dass stattdessen weitgehend unreflektierte Normalitätsvorstellungen verabsolutiert und entsprechend in eine Praxis übersetzt werden, deren pädagogischer Anspruch bisweilen unklar bleibt.

2.3 Sonderpädagogische Zugänge

Die oben skizzierten sozialpädagogischen Zugänge zu herausforderndem Verhalten weisen zentrale Schnittstellen zu sonderpädagogischen Zugängen auf. Dennoch wird im Folgenden eine spezifische Schwerpunktsetzung entlang der Prämissen »Wahrnehmen, Verstehen und Handeln« (Bundschuh, 2000, S. 11) vorgenommen, um theoretisch und handlungspraktisch relevante Dimensionen der Zugänge zu herausforderndem Verhalten von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen im Kontext der Sonderpädagogik zu systematisieren.

Wahrnehmen bedingt, dass beobachtende Zugänge zu herausfordernden Verhaltensweisen etabliert werden, die sich zunächst an einem Maßstab der Beschreibung und nicht der Bewertung oder Interpretation von einzelnen Verhaltensweisen oder gar Menschen orientieren. Gerade die Beschreibung von herausfordernden Verhaltensweisen läuft mitunter Gefahr, sich ausschließlich im Bereich von Normabhängigkeiten zu bewegen. Dabei gilt es, die Etikettierung von Verhaltensweisen als herausfordernd hinsichtlich ihrer sozialen Zuschreibung zu reflektieren. Denn die Einschätzung eines Verhaltens als auffällig oder abweichend hängt oftmals damit zusammen, was die beobachtende Person als sozial erwünscht resp. sozial unerwünscht wahrnimmt, erlebt oder einstuft (vgl. Theunissen, 2011, S. 50). Formen von herausfordernden Verhaltensweisen sind folglich keine »objektiven Sachverhalte«, sondern stellen »relative Phänomene dar, die stets von der Situation« (ebd.) sowie den in ihr agierenden Personen abhängen. Unter einer lösungsorientierten und systemischen Perspektive gilt nicht ein Mensch als herausfordernd oder auffällig, viel eher werden in bestimmten Situationen von gewissen beobachtenden Personen spezifische Verhaltensweisen als herausfordernd wahrgenommen. In diesem Zusammenhang ist es entscheidend, mithilfe von beobachtenden Zugängen sowohl Situationen zu eruieren, in denen die fokussierte Person sogenannte herausfordernde Verhaltensweisen zeigt, als auch Situationen zu identifizieren, in denen dieselbe Person nicht zu herausfordernden Verhaltensweisen greift. Exemplarisch sei an dieser Stelle auf das SABC-Schema verwiesen. Dieses direkte Assessment zielt darauf ab, hintergründige Informationen (Setting Events), situative-auslösende Bedingungen (Antecendent Conditions) von als herausfordernd bezeichnenden Verhaltensweisen (Behaviour) sowie die auf das Verhalten erfolgten Konsequenzen (Consequences) zuverlässig und detailliert zu erfassen, um folglich künftige Situationen zu modifizieren (vgl. Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung, 2017, S. 111 f.). Ausgehend von der oben skizzierten lösungsorientieren und systemischen Annahme ist es demnach sinnvoller, Situationen anstelle von Verhalten anzugehen.

Im wissenschaftlichen Diskurs und in der sonderpädagogischen Praxis haben sich über die Jahre hinweg unterschiedliche Zugänge hinsichtlich des Verstehens von herausfordernden Verhaltensweisen resp. herausfordernden Situationen durchgesetzt. Im Folgenden wird auf die Rehistorisierung (vgl. Jantzen, 2005) sowie die Systemökologie (vgl. Theunissen, 2011) fokussiert, da unserer Ansicht nach beide Ansätze wichtige Implikationen für die Praxis aufweisen.

Der Ansatz der Rehistorisierung wurde maßgeblich von Wolfgang Jantzen entwickelt und geprägt (vgl. v. a. Jantzen & Lanwer-Koppelin, 1996; Jantzen, 2005; Jantzen, 2009) und kann an dieser Stelle nur in seinen wesentlichen Grundzügen bezogen auf herausforderndes Verhalten von Menschen mit Beeinträchtigungen rudimentär skizziert werden. Methodisch ausgelegt fokussiert die Rehistorisierung zunächst auf die Frage, wie und unter welchen biografisch-historischen Bedingungen sich Menschen entwickelt haben, um danach zu ergründen, welche Ursachen ihrem »So-Sein« (Jantzen, 2012, S. 30) zugrunde liegen resp. welche Ereignisse in ihren Lebensgeschichten dafür verantwortlich sind, dass die Menschen so geworden sind und mitunter sogenannte herausfordernde Verhaltensweisen zeigen (vgl. ebd.). Die Rehistorisierung ist dabei mehr als ›bloßes‹ biografisches Arbeiten, denn »es geht vielmehr um das Um- und Neuschreiben von Kranken- oder Behinderungsgeschichten in Lebensgeschichten, um die Entschlüsselung von Bedingungen der Isolation in der bisherigen Lebensgeschichte der Betroffenen und um die Entschlüsselung ihrer »psychopathologischen Problematik« (Basaglia, 1974) unter Bedingungen des sozialen Ausschlusses« (Weber, 2006, S. 24). Die zentrale Zielsetzung besteht darin, dass Verhaltensweisen, die oft als »unverständliche Lebensäußerungen« (ebd., S. 9) wahrgenommen und interpretiert werden, vor dem Hintergrund der Lebensgeschichte verstehbar gemacht werden (vgl. ebd.).

Der Ansatz der Rehistorisierung bezieht sich vorwiegend auf die lebensgeschichtlichen und institutionellen Bedingungen, die das ›Geworden-Sein‹ eines Menschen prägen und zieht daraus ihr verstehendes und erklärendes Potential für herausforderndes Verhalten. Damit wird eine verstehende Haltung etabliert, die es erlaubt, herausfordernde Verhaltensweisen als Bewältigungskompetenzen in Reaktion auf ungünstige biografische Erlebnisse und Lebenssituationen wahr- und anzunehmen. Neben der »Frage nach dem ›Warum‹ in der Vergangenheit« benennt Heijkoop (2014, S. 19) die Wichtigkeit, »sich in die Frage nach dem ›Wie‹ von heute zu vertiefen«. In diesem Zusammenhang gewinnt der systemökologische Ansatz an Bedeutung. Die systemökologische Betrachtung von herausfordernden Verhaltensweisen geht mit einem Perspektivenwechsel einher und ersetzt die lange Zeit vorherrschende personenzentrierte Sichtweise, wonach herausforderndes Verhalten als persönliche Eigenschaft oder individuelles Merkmal resultierend aus der (v. a. kognitiven und/oder psychischen) Beeinträchtigung der Person gesehen wurde. Die Systemökologie wird aus allgemein systemtheoretischen (u. a. Simon, 2015; Miller, 2001) und sozioökologischen Überlegungen (v. a. Bronfenbrenner, 1981) genährt. Die allgemein systemtheoretischen Annahmen in Bezug auf herausforderndes Verhalten von Menschen mit Beeinträchtigungen besteht darin, dass »die wechselseitige, zirkuläre Bedingtheit dieser Verhaltensweisen in komplexen Kontextbedingungen mit zahlreichen, meistens nicht überschaubaren Faktoren entsteht und aufrechterhalten wird« (Hennicke, 1999, S. 149). Auch die sozioökologische Auseinandersetzung mit herausfordernden Verhaltensweisen von Menschen mit Beeinträchtigungen unterstreicht die Wichtigkeit des »komplex strukturierten Wechselwirkungsgefüges« (Speck, 2008, S. 274) zwischen Individuum und Umwelt und verweist in Ergänzung dazu zugleich auf die Bedeutung der Beschaffenheit von Lebensbereichen. Damit fordert die Sozioökologie, die Ausgestaltung von Lebensbereichen und -kontexten beim Versuch des Verstehens von herausfordernden Verhaltensweisen unbedingt zu berücksichtigen (vgl. Calabrese, 2017; Theunissen, 2011). Unter einer systemökologischen Perspektive auf herausforderndes Verhalten von Menschen mit Beeinträchtigungen geht es dabei nicht »um linear-kausale Fragestellungen, sondern um die Beschreibung von Wechselbeziehungen, in denen bestimmte Verhaltensweisen als ›Störungen‹ erscheinen« (Theunissen, 2011, S. 60). Verstehende systemökologische Zugänge zu herausfordernden Verhaltensweisen von Menschen mit Beeinträchtigungen sind dadurch charakterisiert, dass

a.

»Beobachtungen und Zuschreibungen nicht ausschließlich auf Personen bezogen, sondern im dynamischen Beziehungs- und Situationskontext gesehen werden,

b.

die Funktionalität der herausfordernden Verhaltensweisen ergründet wird und

c.

nicht die Ursachen per se wichtig sind, sondern die aufrechterhaltenden Bedingungen und Zusammenhänge beleuchtet werden müssen« (Elbing, 2003 zit. n. Calabrese, 2017, S. 32).

Zugänge auf der Ebene des Handelns umfassen im Wesentlichen die Dimensionen der Prävention, Deeskalation, Notfallmaßnahmen und Nachsorge. Da insbesondere dem präventiven Zugang zu herausfordernden Verhaltensweisen in der Praxis eine wichtige Bedeutung beigemessen wird, beziehen sich die weiteren Ausführungen darauf. Die Prävention im Kontext von herausfordernden Verhaltensweisen zielt auf das Reduzieren oder Vermeiden dieser ab und schafft Entwicklungs- und Bildungsräume, in denen die Adressat:innen befähigt werden, alternative Verhaltensweisen zu erwerben. Handlungspraktische, präventive Zugänge lassen sich gemäß Wüllenweber (2012) in personenbezogene und kontextbezogene Maßnahmen differenzieren. Zu den personenbezogenen Maßnahmen, die die Person sowie deren Lebensbedingungen in den Mittelpunkt stellen und sich präventiv auf das Entstehen von herausfordernden Verhaltensweisen auswirken, zählen die Anpassung der Umfeld- und Lebensbedingungen auf der Grundlage einer funktionalen Verhaltensanalyse (insbesondere hinsichtlich von aufrechterhaltenden Bedingungen und Funktionen von herausfordernden Verhalten in Analogie zur Systemökologie), das Etablieren einer pädagogischen Beziehung, das Einnehmen einer Stärken-‍, Bedürfnis- und Entwicklungsperspektive sowie das Gestalten von entsprechenden Angeboten auf dieser Basis und die sicherheits- und orientierungsgebende Strukturierung ebendieser (vgl. Wüllenweber, 2020, S. 273). Kontextbezogene Maßnahmen, die ihre präventive Wirkung insbesondere durch die Veränderungen in der sozialen Umwelt der Menschen mit Beeinträchtigungen entfalten, beziehen sich auf Schulung und Reflexion der Haltungen und Einstellungen der Mitarbeitenden, auf das Installieren von regelmäßiger Fachberatung und Supervision sowie auf das Implementieren von pädagogischen Konzepten in den Einrichtungen, die eine Grundvoraussetzung für die Professionalisierung der Behindertenhilfe darstellen (vgl. Wüllenweber, 2012, S. 304).

2.4 Fazit

Die hier exemplarisch skizzierten Zugänge, die aufgrund der gebotenen Kürze keiner vertiefenden Zusammenschau unterzogen werden können, zielen in der Gesamtschau auf die Förderung der Autonomie und Teilhabe, die Entfaltung von Lebensqualität, die Eröffnung von (neuen und alternativen) Lern-‍, Entwicklungs- und Bildungsprozessen und damit auf eine Erweiterung und Eröffnung von Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit den Adressat:innen.

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3 Psychoanalytisch-pädagogischer Zugang zu herausforderndem Verhalten in stationären Einrichtungen

Reinhard Fatke